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Cloud und Klimawandel
Niels Gründel
Die Erzeugung von Energie (und ihr Verbrauch) sorgt für den Grossteil der Treibhaus-Emissionen, weil für die Erzeugung überwiegend fossile Brennstoffe zum Einsatz gelangen. Die Politik hat aktuell meist einen sehr selektiven Blick auf mögliche Einsparpotenziale beim Energieverbrauch, um den Klimawandel noch aufzuhalten. Im Fokus stehen häufig der Individualverkehr und der Gebäudebestand. Die meisten Menschen ahnen, dass der Individualverkehr auf der Strasse im Verhältnis die Stellschraube mit einem geringen Potenzial für Einsparungen ist. Die IT steht Einsparmöglichkeiten in nichts nach: Eine Suchanfrage löst nach Unternehmensangaben eines Marktführers zwar nur einen Strombedarf von 0,3 Wattstunden aus, unberücksichtigt bleibt dabei aber der Strom
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Immer mehr Daten werden gespeichert und riesige Datacenter benötigen enorm viel Energie. Rechenzentren können zwar CO 2 -neutral betrieben werden, wie einige Neubauprojekte zeigen, doch bleibt dies eher die Ausnahme. Viele Unternehmen setzen auf ein eigenes Rechenzentrum oder eine Hybridlösung.
verbrauch auf der Seite des Anfragenden. Und ein Desktop-Rechner benötigt prinzipiell deutlich mehr Energie als ein mobiles Endgerät. Als wahrer Energiefresser erweist sich im Internetverkehr das Video-Streaming. Die Datenmengen wachsen aber nicht nur bei Suchmaschinenbetreibern beständig an – bei Privatpersonen ebenso wie bei Unternehmen. Ohne riesige Datenbestände kein «Big Data». Noch darf die IT im Windschatten anderer Ressourcenfresser unbekümmert Energie verbrauchen.
Digitalisierung sorgt für Klimawandel Rechenzentren, Cloud-Speicher und -Anwendungen sind energiehungrig. Je performanter sie sein müssen, desto mehr Energie wird benötigt. Viele Anwendungen gibt es erst seit einigen Jahren und je erfolgreicher sie sind, desto mehr Energie benötigen sie. Kryptowährungen sind ökologisch betrachtet besonders kritisch. Ohne Mining keine Kryptowährung, doch das erfordert besonders aufwändige Rechenprozesse. In einer Studie wurde der Stromverbrauch und CO 2 - Ausstoss der Kryptowährung Bitcoin ermittelt. Allein Bitcoin benötigt für Rechenoperationen rund 46 Terawattstunden Strom pro Jahr. Dabei werden jährlich rund 22 Megatonnen Kohlendioxid freigesetzt; in der Liste der globalen Emittenten läge die Kryptowährung zwischen Jordanien und Sri Lanka. Datenhungrig sind auch das Machine Learning und Internet of Things (IoT). Das Übertragen, Speichern und Auswerten unzähliger kleiner Datenpakete frisst am Ende eine
Menge Energie und setzt auch höhere Netzwerkgeschwindigkeit und einen höheren Datendurchsatz voraus. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe hat den Energiehunger der Rechenzentren in Deutschland auf 10 bis 15 Terawattstunden hochgerechnet, was in CO 2 -Äquivalente umgerechnet etwa den CO 2 -Emissionen des Flugverkehrs in Deutschland entspricht. Auf Rechenzentren in der Schweiz sollen rund 3 Prozent des Energieverbrauchs entfallen. Der weltweite Internetverkehr hat sich seit 2015 verdreifacht und wird sich voraussichtlich bis 2022 weiter auf 4,2 Zettabyte pro Jahr (4,2 Billionen Gigabyte) verdoppeln. Die Zahl der mobilen Internetnutzer wird sich voraussichtlich von 3,6 Milliarden im Jahr 2018 auf 5 Milliarden im Jahr 2025 erhöhen und die Zahl der IoT-Verbindungen von 7,5 Milliarden im Jahr 2018 auf über 25 Milliarden bis 2025 verdreifachen. Diese Trends führen zu einem exponentiellen Anstieg der Nachfrage nach Rechenzentrums- und Netzwerkdiensten. Die Internationale Energieagentur IEA rechnet mit einer weiteren Zunahme des weltweiten IP-Verkehrs: Voraussichtlich bis 2022 soll er sich verdreifachen. Dieser Verkehr verlagert sich jedoch zunehmend auf drahtlose und mobile Geräte. Diese Verlagerung hin zu einer stärkeren Nutzung von Mobilfunknetzen kann erhebliche Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben, da Mobilfunknetze eine deutlich höhere Stromintensität (kWh/ GB) aufweisen als Festnetze. Grosse Rechenzentren sieht die IEA weniger kritisch. Der weltweite Strombedarf für Rechenzentren belief sich 2018 auf schätzungsweise 198 Terawattstunden oder 1 Prozent des weltweiten Bedarfs an Strom. Basierend auf den aktuellen Trends bei der Effizienz von Hardware- und Rechenzentrums-Infrastruktur wird erwartet, dass der globale Energiebedarf der Rechenzentren bis 2021 sogar leicht sinken könnte, und dies trotz eines prognostizierten Anstiegs des Datenverkehrs. Andererseits sehen andere Hochrechnungen den Anteil des Energiebedarfs der Rechenzentren sogar bei 7 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs.
Je grösser, desto sparsamer Das starke Wachstum der Nachfrage nach Rechenzentrums-Diensten wird durch die kontinuierliche Verbesserung der Effizienz von Servern, Speichergeräten, NetzwerkSwitches und der Rechenzentrums-Infra struktur sowie durch die Verlagerung in die Cloud und Hyperscale-Rechenzentren ausgeglichen. Hyperscale-Rechenzentren sind extrem effiziente, grosse Cloud-Rechenzentren mit hoher Kapazität. Virtualisierungs-Software sorgt bei relativ wenig Servern für eine besonders hohe Arbeitsleistung. Die Abkehr von kleinen, ineffizienten Rechenzentren zu viel grösseren HyperscaleRechenzentren zeigt sich in dem sinkenden Anteil der Rechenzentrums-Infrastruktur am gesamten Energiebedarf angesichts der sehr geringen PUE (Power Usage Effectiveness) grosser Rechenzentren. PUE ist ein Mass dafür, wie effizient ein Rechenzentrum Energie verwendet. Die besten Hyperscale-Rechenzentren können PUE-Werte von etwa 1,1 aufweisen. Google ist in der Tat Vorreiter bei erneuerbaren Energien und grösster Abnehmer von Öko-Strom weltweit. Die Unternehmensmutter lässt sogar extra Wind- und Solarparks bauen. In Europa will Google in den kommenden zwei Jahren weitere drei Milliarden Euro in seine Rechenzentren investieren. Davon sollen allein 600 Millionen Euro im finnischen Hamina für ein zweites Datacenter investiert werden. Zur Kühlung wird Meerwasser genutzt, der Strom stammt aus einer Windparkanlage. Island ist Vorreiter in Sachen CO 2 -neutrale Energieerzeugung: Strom wird dort ausschliesslich mittels Geothermie und Wasserkraft gewonnen. Vorteilhaft ist auch eine
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Lage in klimatisch kalten Regionen, arktische Kälte bevorzugt. Dort lassen sich heiss laufende Rechenzentren einfacher kühlen. Andererseits sorgt der Klimawandel für steigende Temperaturen und in Regionen mit überdurchschnittlich viel Sonnenschein lässt sich Solarstrom meist kostengünstig erzeugen. Google baut aktuell etwa zwei Rechenzentren in den US-Bundesstaaten Alabama und Tennessee, die mit Solarstrom betrieben werden sollen. Das Einsparpotenzial bei einem Neubauprojekt ist durchaus vom Standort abhängig. Insofern sind die Möglichkeiten für die meisten Unternehmen diesbezüglich stark limitiert. Einige Studien sagen deutliche Zuwächse für die Cloud voraus, insbesondere für «Cloud Only»-Investitionen. Cisco prognostiziert sogar, dass 94 Prozent aller Daten bis 2021 in der Cloud anzutreffen seien. Davon unabhängig setzen viele Unternehmen dennoch auf eigene On-Premise-Rechenzentren mit Inhouse-Cloud-Services. Eine Anbindung an eine externe Cloud minimiert Risiken und ermöglicht, Workloads bei Bedarf effizient zu verteilen. Eine weitere Neuerung ist ein dezentralisierter Cloud-Speicher, der nicht nur zum Vorteil etablierter Cloud-Anbieter sein wird. Mithilfe von Peer-to-Peer- und Blockchain-Technologie können etwa überschüssige Festplattenkapazitäten genutzt werden; bezahlt wird per Kryptowährung. Nutzung und Bezahlung können automatisiert erfolgen. Da auf diese Weise bisher überschüssige Speicherkapazitäten genutzt werden, dürfte sich durchaus auch ein ökologischer Gewinn abzeichnen. ■