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OB N o 03/12 // jetzt.de
Da kommt noch was! EIN HEFT ÜBER DAS, WAS WIRD, WENN MAN ETWAS GEWORDEN IST.
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Liebe Leserin, lieber Leser, aller guten Dinge sind drei. Dies ist zum Beispiel die dritte Ausgabe dieses Magazins (nach Schule&Job und Uni&Job). Es wird aller Voraussicht nach mehrheitlich gelesen von Menschen im dritten Jahrzehnt ihres Lebens und außerdem … Spätestens jetzt sind wir hoffentlich an dem Punkt, an dem wir uns fragen: Hat dieser Text einen Sinn? Dies ist ein Heft über all das, was passiert, wenn man einen Job gelernt hat und eines Tages feststellt, dass das zwar eine tolle Sache ist – aber in Wahrheit nicht die Antwort auf irgendeine der Fragen, die im Leben wirklich wichtig sind. Ein Heft über den erwachsenen Teil des Lebens eben. Wenn man wegen des Berufs die Stadt wechseln muss zum Beispiel (Seite 28) oder sich unbeliebt machen (Seite 34), wenn man nach Jahren der Sehnsucht danach, sich mit seinem Beruf zu identifizieren, aufpassen muss, dass die Arbeit nicht plötzlich alles ist. Wenn man auf Partys vielleicht sogar vermeidet, über den Job zu reden (Seite 16). Wenn man sich fragt: Ist es das alles wert? Natürlich reden wir ausführlich darüber, dass von nun an alle erwarten, wir wollten Chef werden (Seiten 18 / 19). Und, PS: Die riesige Drei auf dieser Seite im dritten Heft des Jahres sah einfach nur geil aus.
Deine jetzt-Redaktion wünscht dir viel Spaß beim Lesen!
INHALT 4
Kommt da noch was? Es geht doch nicht einfach alles so weiter.
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Ich & er Die Ballade vom ehemaligen Zimmernachbarn.
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Amateur Warum man sein Hobby nicht zum Beruf machen sollte.
16
Freizeit Wollen Ärzte auf Partys überhaupt medizinischen Rat geben?
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Chef-Spiel Würfeln bis ins Eckbüro. Mit Sekretärin! Und Chauffeur!
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Gold Die Zeichen dafür, wer es in der Firma geschafft hat.
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Ü30 Alles, wofür man jetzt dann doch zu alt ist.
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Außer Haus Für einen guten Job zieht man um. Aber schön ist das nicht.
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Einkaufswagen Ganz klassisch: Haben wollen!
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Rätsel Wer hat sich wann plötzlich reich gefühlt?
34
Kolumne Jeder will geliebt werden. Aber Respekt ist doch wichtiger.
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Kommt da noch was? VON MICHALIS PANTELOURIS / TEXT & JOANNA SWISTOWSKI / ILLU
Man hört doch nicht auf, etwas zu werden, nur weil man etwas geworden ist – oder geht das jetzt einfach für immer so weiter?
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Christian
Wulff will man natürlich auch nicht sein. Schon mal sowieso nicht, weil man ja weiß, wie das geendet hat. Unschön. Aber selbst wenn es besser gelaufen wäre: Jetzt steht er da, ist selbst für einen Frührentner noch sehr jung, und es gibt nichts, was er noch werden kann. Zumindest dann nicht, wenn man „werden“ so versteht wie in der Frage: Was willst du mal werden, Christian, wenn du älter bist? Er ist längst über den Berg. Von jetzt an geht es nur noch bergab. Von außen betrachtet. Es sollte ja anders sein. Es sollte so sein, dass man im ersten Drittel seines Lebens etwas wird, dann im zweiten Drittel darin sehr, sehr, sehr gut wird und im letzten dann seine Ruhe hat. Oder so ähnlich. So war es doch immer. Christian Wulff bricht ja mitten im zweiten Drittel ab und war, von außen betrachtet, dann auch nicht so gut – wenn man alles einrechnet –, und jetzt hat er Ruhe, weil er nicht mehr werden kann. Alles irgendwie falsch. Das ist anders, wenn man jung ist. Wenn man erst anfängt zu arbeiten. Dann liegt noch alles vor einem. Da kommt noch so viel! Schließlich steigt man auf, wenn man gut ist. Man steigt sogar auf, wenn man nicht besonders gut ist, aber schon lange dabei. Oder, mal ehrlich, wie sind diese ganzen Typen sonst an ihre Topjobs gekommen? Es kommt immer wieder Neues. Also nicht ganz Neues, aber so viel Neues, dass es spannend bleibt. Oder? Es kommt doch … da muss doch … ich meine, wenn man seinen ersten echten Job angenommen hat, dann ist das ja nur der erste von ganz vielen. Ein Start. Da muss ja noch was kommen. Das kann es ja noch nicht gewesen sein. Der Schritt ist größer, als er zunächst wirkt. Weil die Schritte danach kleiner werden. Bis hierhin war jede Veränderung quasi binär: Schule – keine Schule mehr. Kein Führerschein – Führerschein. In der Ausbildung – ausgebildet. Kein eigenes Geld – eigenes Geld. Eigene Wohnung. Eigenes Auto. Eigenes alles. Der komplette Aggregatzustand des Lebens hat sich jedes Mal verändert, von einem in den nächsten. Es war nicht alles anders, aber was anders war, war entscheidend anders. Vom ersten Job an ist das anders: Von nun an verändert sich das Leben in diesem einen, wichtigen Feld nur noch graduell. Da kommt noch was, aber manchmal kommt es, ohne dass man wirklich eine Veränderung bemerkt. Und was viel wichtiger ist: Bisher war fast jede Veränderung eine, die man sich gewünscht hat. Man hat darauf hingearbeitet – auf den Schulabschluss, auf den Uni-Ab-
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schluss, auf den Job. Der Grund, Dinge zu tun, war, irgendwann etwas anderes tun zu können. Und nun ist man da. Man macht es jetzt. Aber wie immer, wenn man irgendwo angekommen ist, will man irgendwann weiter. Und muss auch weiter. Bis jetzt. Man hört dauernd, dass es Menschen heute sowieso schon schwieriger haben, sich für einen Beruf zu entscheiden, weil sie fast alles werden könnten. Die große Auswahl macht es komplizierter. Wer nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen muss, der entscheidet sich für das eine und gegen das andere. Wer unendliche Freiheit hat, der entscheidet sich für den einen Schritt und gegen Tausende andere. Der berühmte amerikanische Psychologe Barry Schwartz nennt es the paradox of
choice, das Paradox der Wahl, dass Auswahl das Leben so viel anstrengender macht. Wir alle könnten in fast allen Ländern der Welt leben und unzählige Berufe ausüben. Aber dann kommt man irgendwann an und macht genau diese eine Sache an genau diesem einen Ort. Man ist jetzt, was man ist. Elektro ingenieur oder Grafiker oder Lehrer oder Social-Media-Referent, egal. In Unterhaching oder in Essen oder in Buxtehude. Und bis zur Rente sind es jetzt noch 37 Jahre oder so. In den meisten Fällen hilft es auch überhaupt nicht, sich die eigenen Eltern anzusehen oder sonst jemanden in einem Alter, in dem man wissen müsste, wie es geht. Im Gegenteil, es ist alarmierend: Wann haben sich denn Eltern zum letzten Mal wirklich geän-
„Was ich ganz komisch finde, ist, dass man nach einiger Zeit das Gefühl hat, man kennt jetzt alle Kunden, die reinkommen. Da kommen manchmal ganz neue, aber ganz oft kann man die in einer Sekunde richtig einschätzen. So als gäbe es nur ein paar Sorten Kunden. Manchmal wird man dabei aber auch echt überrascht. Manchmal sogar positiv. Wahrscheinlich muss man inzwischen froh sein über jeden, der seine Bücher nicht alle im Internet kauft. Oder überhaupt Bücher kauft, denn Buchhändler verkaufen ja inzwischen alles Mögliche. Wir beantworten nicht mehr Fragen zum Inhalt von Büchern, sondern zur Funktion von E-Readern. Trotzdem mag ich meinen Job natürlich. Ich wünschte mir, dass da noch etwas kommt. Denn es kann ja auch sein, dass es ihn bald einfach nicht mehr gibt.“
MILENA PANTELOURIS IST BUCHHÄNDLERIN IN BERLIN.
„Eigentlich wollte ich Cellist werden. Ich habe in meiner Jugend sehr viel gespielt, das ist aus meiner Familie heraus gewachsen. Aber Uhren haben mich schon in der Werkstatt meines Großvaters fasziniert – und letztlich habe ich mich für sie entschieden und bin Uhrmacher geworden. Heute entwickle ich Uhrwerke. Das ist ein technischer Beruf, meistens konstruiere ich am Computer, fertige die Prototypen mancher Teile aber noch ganz handwerklich selbst, weil das schneller geht. Wenn man dann ein Uhrwerk zusammensetzt und es zum ersten Mal tickt, ist das ein großartiger Moment. Das ist etwas Besonderes. Aber ich mag eigentlich die meisten Momente in meinem Beruf.“
MIRKO HEYNE, UHRMACHER, ENTWICKELT UHRWERKE FÜR NOMOS GLASHÜTTE.
„Klar kommt da noch was. Da kommt noch ganz viel. Da bin ich selbstbewusst. Aber solange es läuft, ist es für mich gar nicht so wichtig, drüber nachzudenken, was die Zukunft im Detail bringt. Die Anfangszeit in der Agentur war schon ne toughe Umstellung: Kreativität wurde auf einmal zur messbaren Größe, die dem Kunden abgerechnet wird. Wenn man sich an den Schreibtisch setzt und die Uhr tickt, dann muss auch ein Ergebnis rauskommen, das nicht nur einen selbst, sondern auch den Kunden zufriedenstellt – dafür wird man bezahlt. Dabei lernt man schnell, alle anderen Gedanken auszublenden. Ich setze mich mit meinen Kopfhörern an den Rechner und bin raus. Dann bin ich in meiner eigenen Welt und denke nur noch an die Aufgabe. Anders könnte ich das gar nicht. Ich schätze, so werde ich das weiterhin machen. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was gerade ansteht. Und was dann kommt, kommt.“
CARL BRANDT IST WERBETEXTER BEI DER AGENTUR PHILIPP UND KEUNTJE.
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dert? Wann haben sie denn mal einen Schritt gemacht, von dem man sagen würde: Den würde ich auch gern machen? Eltern verändern sich nur insofern, als dass sie merkwürdig werden. Und, ja, wo wir bei Christian Wulff waren: Sein Nachfolger ist mit 72 Jahren noch mal zum Bundespräsidenten aufgestiegen, was sicher ein großer Schritt ist. Aber irgendwie macht Joachim Gauck ja jetzt auch nur das, was er vorher sowieso gemacht hat – über Freiheit reden –, nur jetzt unter einer anderen Dachmarke. Entwicklung wird langsamer. Babys sind jede Woche neue Menschen, Jugendliche wenigstens noch jedes Jahr, junge Erwachsene dann nur noch alle paar Jahre, und Helmut Schmidt ist seit gefühlt etwa 50 Jahren einfach nur noch Helmut Schmidt. Aber das kann keine Antwort auf gar nichts sein: langsamer werden. Da muss noch etwas kommen. Es geht nicht einfach alles immer nur noch so weiter, weil man einen Job hat. Man muss es hinkriegen, dass man gleichzeitig schon etwas ist und trotzdem noch etwas werden kann. Das ist eine Frage des Glücklichwerdens. Die Sache ist die: Da kommt nichts. Das sieht man: an den Rolling Stones. An Michael Schumacher. Man sieht es an den Sprechern der Tagesschau: Es geht so weiter. Was auch immer noch kommen soll, es kommt nicht von allein. Man müsste es schon selbst machen. Vielleicht ist das der große Unterschied: Die Entwicklung vorher, wenn man ganz jung ist, während man lernt und wächst und sich dauernd alles ändert, die macht man zwar auch selbst, aber auf Bahnen, die es schon gibt, weil es die Ziele schon gibt. Das klingt jetzt kompliziert, heißt aber nur: Es ist klar, dass man irgendeinen Beruf ausüben muss, also muss man einen lernen. Man muss in die Schule. Und so weiter. Aber dann, wenn man etwas „geworden“ ist, dann gibt es keine Ziele mehr außer „Chef werden“ oder so etwas, aber das ist ja oft nur eine Variation von dem, was man macht. Wie bei Joachim Gauck. Man müsste sich selbst ein Ziel setzen wie „Ich möchte ein Mensch werden, der ein guter Chef wäre“ – und dann hoffen, dass es auch derjenige merkt, der die Chefs einstellt. Das ist eben das Ding: Joachim Gauck musste ein Mensch werden, der ein guter Bundespräsident sein könnte, obwohl er nicht wissen konnte, dass er Bundespräsident wird. Eine sinnvolle Karriereplanung ist das nicht. Jetzt kommt ein komplizierter Gedanke: Es heißt genau genommen, man muss an seiner Entwicklung arbeiten und dann mit seiner Ent-
„Ich hätte wahrscheinlich vorher einiges anders machen müssen. Ich habe Friseurin gelernt, meinen Meister gemacht und bei einer internationalen Kette gearbeitet. Ich hatte mir vorgestellt, innerhalb der Firma herumzureisen, andere Städte und Länder kennenzulernen. Aber dann wurde ich schwanger und bekam meine Tochter. Das war eine Wende – aber das wurde mir eigentlich erst bewusst, als ich wieder anfing zu arbeiten. Als Alleinerziehende mit dem Gehalt eines Friseurs – das hört dann auf, Spaß zu machen. Man arbeitet sich ab wie verrückt und knapst trotzdem immer. Zum Glück hatte ich in meiner Elternzeit ein Praktikum bei einer Kostümbildnerin gemacht. Dadurch habe ich eine Halbtagsstelle in der Kostümabteilung einer Kreuzfahrtgesellschaft gefunden – und verdiene da heute fast das, was ich als Friseurin für 40 Stunden bekommen habe.“
SVENJA STOFFERS ARBEITET ALS KOSTÜMBILDNERIN – UND ALS MUTTER EINER WUNDERBAREN TOCHTER.
wicklung glücklich und zufrieden sein – unabhängig davon, ob sie einen beruflich weiterbringt oder nicht. Kurz: In dem Moment, in dem man endlich etwas geworden ist, muss man aufhören, sich auf den Job zu konzentrieren und sich um sich selber kümmern. Kann das sein? Das klingt absolut widersinnig. Ist es aber nicht. Es stimmt genau so. Das ist tatsächlich die Lösung. Denn die geht so: Je höher jemand in einem Unternehmen oder sonst einer Organisation aufsteigt, umso weniger wichtig ist die fachliche Qualifikation. Der Chef von Apple muss kein iPhone zusammenbauen, und der Verteidigungsminister muss nicht gut schießen oder Panzer fahren können. Er muss eigentlich nicht einmal besonders viel wissen. Er muss aber Kompetenzen haben: komplexe Probleme erfassen können und isolieren können, wo welche Entscheidung nötig ist. Diese Entscheidung dann auch treffen können. Begeistern können. Die richtigen Fragen stellen. Solche Dinge. Alles Fähigkeiten, die vor allem in der Persönlichkeit begründet sind, nicht im Fachlichen. Es ist so … einfach? Christian Wulff müsste man sein. Der ist den ganzen Ärger los, der Ruf ist ohnehin ruiniert, und jetzt kann er sich einmal in Ruhe angucken, was er eigentlich will. Wer er eigentlich sein will. Was er noch lernen möchte. Oder muss. Sicher ist es unangenehm, so darauf gestoßen zu werden, aber man könnte auch sagen: Besser so als gar nicht. Besser, darauf gestoßen zu werden, dass alle Entwicklung aus einem selbst kommt, als den Rest seines Lebens das Gefühl zu haben, dass man schon irgendwie recht hat („Es läuft ja alles“) und trotzdem etwas fehlt. Aus einem selbst, für einen selbst. Vielleicht sagt man es so am besten: Da kommt nichts mehr. Da wartet nichts mehr, dass man bei ihm ankommt. Aber da ist noch was. Man muss es jagen. Man muss es bauen. Man muss es selbst erschaffen. Aber es ist die ganze Zeit da, egal ob man Bundespräsident ist, Frührentner in Großburgwedel, Bürokaufmann oder Praktikant in einer Drei-Mann-Werbeagentur mit nur einem einzigen Kunden. Man selbst müsste man sein.
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„Alles ist anstrengender, als man es sich vorstellt. Ich glaube an Ideen und bin begeistert, aber bis eine Idee richtig umgesetzt wird, braucht es immer viel mehr Arbeit, als man vorher gedacht hat. Mein neuestes Projekt ist eine App, bei der Menschen sich Produkte ganz umkompliziert ausleihen können und somit Geld und Ressourcen sparen. Das Projekt heißt whyown.it – es ist ein Versuch, neues, grüneres Wirtschaften nach vorne zu bringen. Das ist mein Thema. Ich habe Wirtschaft studiert und nach dem Studium gedacht: Jetzt gebe ich mir die Zeit und versuche erst einmal, einen Unterschied zu machen und dabei Spaß zu haben. Ich habe die amerikanische Nachhaltigkeitsbewegung Carrotmob nach Deutschland gebracht, ein Eco-Fashion-Label gegründet, einen Online-Store und jetzt die App. Ich weiß, das sieht so aus, als bräuchte ich ständig Veränderung. Aber in Wahrheit ist es jedes Mal einfach wahnsinnig viel Arbeit. Man denkt immer, da kommt jetzt der große Erfolg, aber so ist es ja nicht. Es geht Schritt für Schritt. Und dann kommt was Neues.“
PHILIPP GLOECKLER IST GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER VON AVOCADOSTORE.DE UND WHYOWN.IT
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VON DIRK VON GEHLEN / TEXT
Er gehört zu mir! Zwei Menschen, die nichts gemeinsam haben als ein Büro, teilen irgendwann alles. Loblied auf einen Ex(-Zimmernachbarn).
Am Abend vor dem ersten Schultag lief ein Tatort im Fernsehen. Es
war der erste Schultag allein, und der Tatort kam aus München. Die beiden Kommissare fuhren in kollegialer Eintracht durch die Stadt, als meine Freundin sagte: „Eigentlich wart ihr auch so was wie der Leitmayr und der Batic.“ Das waren wir, und morgen musste ich allein in die Arbeit. Ohne den Kollegen, mit dem ich fünf Jahre lang in der Art das Zimmer geteilt hatte, wie man früher mit einem guten Banknachbarn den Tisch in der Schule teilte, mit dem ich zusammengearbeitet hatte, wie auch Leitmayr und Batic arbeiten: so, dass nicht mehr klar ist, wo der Spaß endet und wo der Dienst anfängt. Und jetzt: allein! Unternehmen geben viel Geld dafür aus, ihren Angestellten repräsentative Einzelbüros anzubieten. Der Raum soll Größe und Souveränität ausstrahlen. Er soll sagen: Seht her, ich habe es geschafft, ich habe ein großes Bild an der Wand oder einen riesigen Tisch. Und ich habe eine Tür, die ich jederzeit schließen kann, um all das ganz allein zu genießen. In Wahrheit ist dieser einsame Genuss aber wertlos im Vergleich zu dem, was ein Unternehmen seinen Mitarbeitern bieten kann, wenn diese ihr Büro mit einem echten Kollegen teilen können. Mit jemandem, der zuhört, wenn ein Meeting schlecht gelaufen ist, wenn ein Vorgesetzter ungerecht war oder wenn man Lob bekommt für eine gute Idee. Mit jemandem also, der einen abschreiben lässt, wenn es blöd läuft. Ich hatte so einen Kollegen. Fünf Jahre lang saßen wir in einem Büro. So wie die Münchner Tatort-Kommissare in ihrem Büro sitzen. Mit kaum erschütterbarer Sympathie füreinander, mit vergleichbarer Humorfrequenz und sehr unterschiedlichen Kompetenzen und Vorlieben. So wie Drehbuchschreiber den Ermittlern Differenzen in ihrem Blick auf die Welt erfinden, so schauten auch wir aus unterschied-
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licher Perspektive auf all das, was uns täglich mal mehr und mal weniger packte. So konnte jeder dem anderen ein beruhigender Filter sein, wenn die Anstrengungen des Alltags bei den repräsentativen Einzelbüro-Sitzern zu situativen Wutanfällen oder langfristigen Magengeschwüren führten. Eine vorher besprochene Schimpftirade ist nicht nur für den Beschimpften angenehmer als ein ungefilterter Ausbruch – auch das Unternehmen profitiert von derartigen indirekten Mediatoren. Dabei liegt die wahre Leistung eines kompatiblen Sitznachbarn gar nicht so sehr in der Besänftigung und im konfliktdämpfenden Zuhören (das schreibe ich nicht nur, weil ich davon ausgehen muss, dass Arbeitgeber und Zimmernachbar mitlesen könnten). Produktiv wird das Zusammensitzen wie in der Schule, wenn sich Kompetenzen ergänzen und man Schwächen ausgleichen kann. Wenn man also das lebt, was komplizierte Menschen „interdisziplinär“ nennen. Denn schulisches Lernen und berufliches Arbeiten werden dann einfacher, wenn man mit Freude an den Ort geht, der für Dienst steht, für Müssen, für Verpflichtung. Ich bin bisher nicht in den Genuss eines Büros mit großem Tisch und Gemälde gekommen, in dem ich allein tun kann, was ich will. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es ersetzen kann, was ein guter Banknachbar für den Schulbesuch bedeutet. Man darf so was nicht zu laut sagen. Erstens weil sonst stets behauptet wird, ich sei mit einer fensterlosen Kammer zufrieden, wenn man mir nur noch jemanden dazusetzt. Und zweitens, weil das Lob auf den Banknachbarn recht ungewöhnlich ist. Auch wenn das Fernsehen es uns aus dramaturgischen Gründen vorspielt: So selbstverständlich ist es nicht, dass Kollegen gemeinsam an der Currywurstbude stehen, Bier trinken und über das Leben philosophieren. Das heißt aber nicht, dass man nicht versuchen sollte, diese Bude zu erreichen.
Kann man in der virtuellen Welt arbeiten und in der echten für die Familie da sein? Nur wer Fragen stellt, findet Antworten. So wie Kristy Myers.
Kristy Myersʼ Arbeitsplatz ist der Cyberspace. Sie und ihr Team entwickeln Software für die virtuelle Simulation von Produktionsabläufen. Dadurch können Unternehmen Prozesse effizienter gestalten und sicherere Arbeitsumgebungen schaffen. Ein anspruchsvoller Job, der viel Engagement und Einsatz fordert. Doch Kristy schafft es, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Nicht zuletzt, weil sie in einem flexiblen Arbeitszeitmodell arbeitet.
Unser Unternehmen ist immer auf der Suche nach Menschen, die gedanklich neue Wege gehen. Denn vor großen Antworten stehen stets große Fragen. Wie auch Sie Ihre Neugier zum Beruf machen können? Finden Sie’s heraus.
siemens.com/careers
IN SEINER FREIZEIT STUDIERTE DER SKATER MEDIZIN.
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VON CHRISTINA WAECHTER / TEXT, MICHALIS PANTELOURIS / TEXT & LUKAS GANSTERER / FOTOS
Das Hobby stirbt zuletzt. Ein Traum: bezahlt werden für das, was man sowieso zu tun liebt. Oder wird dadurch plötzlich alles, was man gern tut, auf einmal zu echter Arbeit?
Ich habe etwas sehr Altmodisches in Zeiten
wie diesen: ein Hobby. Und dieses Hobby habe ich nur für mich selbst, weil ich es so gern mag. Ich stricke – fast jeden Abend nach der Arbeit, wenn ich im Auto auf dem Beifahrersitz fahre, wenn ich auf dem Sofa sitze und Musik höre oder wenn der Fernseher läuft. Neben dem Sofa befindet sich ein Korb mit ungefähr zwei Dutzend Knäueln Wolle und – je nach meiner mentalen Verfassung – zwei bis zwölf angefangenen Strickarbeiten. Weil der Korb nur ein begrenztes Fassungsvermögen hat, mäandert die Wolle aus dem Korb wie sehr träges Magma aus einem Vulkan und erobert langsam, aber sicher einen Teil des Wohnzimmers. Manchmal schimpft dann mein Freund ein bisschen, und dann räume ich die Wolle ein bisschen auf. In meinem eigenen Zimmer gibt es außerdem noch eine Kommode mit meinem „echten“ Wollvorrat. Wenn man die Sache ganz realistisch betrachten würde, könnte man behaupten, ich hätte genug Wolle für den Rest meines langen Lebens. Aber realistische Menschen haben die Sache mit dem Hobby noch nie kapiert. Stricken kann ich schon, seit ich als kleines Kind von der Zugehfrau meiner Großtante die Grundbegriffe gelernt habe. Aber abgesehen von Socken für besonders verdiente Freunde habe ich in der Zeit zwischen Pubertät und dem Ende meines Studiums keine Stricknadel angefasst. Ich hatte schließlich einen Ruf zu verlieren und außerdem wirklich genug mit mir selbst, der Liebe und dem Coolsein zu tun. Doch irgendwann hatte ich auch diese drei epischen Themen durchdekliniert, kannte mich gut genug, hatte sogar in Ansätzen das mit der Liebe kapiert und vor allem verstanden, dass Coolness von fast allen Menschen und vor allem mir selbst bei Weitem überschätzt wird. Und so kam es, dass ich nach der Lektüre einer britischen Zeitung, in der die dumme Formulierung „Stricken ist das neue Yoga“
zu lesen war, meine alten Stricknadeln wieder herausholte und es noch einmal versuchte. So richtig los ging es mit dem Stricken und mir aber erst, als ich entdeckte, welch großartige Symbiose Handarbeiten mit dem Internet eingegangen waren. Schon seit Jahren sorgten sogenannte Handarbeitsblogs bei den coolnerdigen Netzaktivisten für Hohn und Spott wegen der harmlosen Inhalte und der freundlichen Frauen, die sie betrieben. Aber für alle am Thema interessierten Menschen waren und sind sie ein Quell reinster Freude. Für strickende und häkelnde Menschen gibt es außerdem auch eine einzigartige Social Community, die Facebook alt aussehen lässt, angesichts der unzähligen nützlichen Features und der sympathischen Atmosphäre. Ravelry.com heißt die Website, auf der sich fast alle Menschen tummeln, die gern stricken oder häkeln. Dort können sie sich nicht nur mit Gleichgesinnten austauschen und sich gegenseitig unterstützen – sie können auch Strickmuster kaufen oder sie kostenlos herunterladen, sich über verschiedene neue Angebote informieren und sich von den Werken anderer User inspirieren lassen. Kurz: Das Internet ist für handarbeitende Menschen ein Paradies. Eigentlich. Denn wie in jedem Paradies gibt es natürlich auch hier ein paar Dinge, die richtig nerven. Und das liegt in diesem Fall vor allem an den Zwängen des Mediums Internet. Nicht dass wir uns da falsch verstehen – ich liebe das Internet! Ohne das Internet wäre mein Leben nur halb so lustig, und ich würde vermutlich ein Drittel mehr zustande kriegen. Es gibt nur eine Sache, die wirklich wahnsinnig nervt, und das ist der unbändige Selbstvermarktungszwang, der die Menschen im Netz befällt, sobald sie der Meinung sind, sie könnten eine Sache gut genug, um sie fast fehlerfrei zu Ende zu bringen. Klar, diese Sorte Menschen gab es auch früher schon. Schon vor dem Internet haben Teenager nach nur einer Stunde im Schultheater beschlossen, am nächsten Tag nach Hollywood zu ziehen, weil
sie nur dort ihre wahre Bestimmung leben könnten. Und auch früher haben Kunstleistungskurs-Schüler auf ihren Spaziergängen bedeutungsschwangere Schwarz-Weiß-Fotos von Pfützen gemacht und davon geträumt, eines Tages die Welt mit ihren Kunstwerken aufzurütteln. Aber diese Fantasien haben sie mit ihren allerbesten Freunden geteilt und vielleicht noch ihren Eltern große Sorgen damit bereitet. Die Welt dagegen erfuhr für gewöhnlich erst dann von diesen Ambitionen, wenn sie Realität geworden waren. Das ist heute anders. Wir wissen schon von den künstlerischen Ambitionen unserer entfernten Bekannten, wenn sie noch nicht einmal den Stift in die Hand genommen haben. Und weil das Publikum wirklich nur einen Mausklick entfernt ist, wird auf selbiges auch alles losgelassen. Dank unserer 24-Stunden-Anbindung an die Welt existiert die altmodische Trennung zwischen Arbeit und Freizeit nicht mehr, und das Private ist nicht mehr privat oder gar politisch, sondern sollte möglichst der Selbstvermarktung dienen. Die Möglichkeiten der Professionalisierung durch das Internet führen dazu, dass inzwischen geradezu der Zwang zur Professionalisierung herrscht: Du kannst nähen? Dann eröffne mit zwei Mausklicks einen Webshop, und verkaufe deine Näharbeiten. Du schreibst? Dann starte ein Blog und verlinke wie ein Bekloppter auf sämtlichen Social-Media-Kanälen so lange, bis ein Verlag kommt, der dich unter Vertrag nimmt. Du machst Fotos? Dann stelle sie auf einer von Dutzenden halbprofessionellen Datenbanken zur Verfügung, und wer weiß – vielleicht wird es bald auf dem Titelblatt einer großen Zeitung abgedruckt. Und wer diese ganzen Möglichkeiten nicht nutzt, der ist entweder sehr alt oder sehr doof. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses moderne Tellerwäscher-Märchen schon live miterlebt habe bei den Hunderten Blogs, denen ich folge. Für gewöhnlich funktioniert der Dreischritt dieser Hobby-Selbstverwirklicher folgender-
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maßen: Erst ist da das Hobby, das sie für sich entdeckt haben, dann das Internet, das als Quelle für selbiges entdeckt wird, und das eigene Blog, das sofort eingerichtet wird, auf dem die Vernetzung professionalisiert wird. Und dann kommt eine ganze Weile lang Schweigen, unterbrochen nur von ominösen Ankündigungen, bis dann nach ein paar Monaten die begeisterte Ankündigung folgt: „Leute, haltet euch fest, ich schreibe ein Buch, bin jetzt fest bei XYZ angestellt, schreibe weiter mein Blog, nur von jetzt an für Geld und gegen die Nennung der fabelhaften Produkte meiner großzügigen Sponsoren.“ Mich machen diese Ankündigungen immer ein bisschen traurig, weil sie fast immer eine große Änderung einläuten. Entweder hören meine Lieblingsblogger ganz auf zu bloggen, weil sie keine Zeit mehr dafür haben, oder ihre Blogeinträge verkommen zur bloßen Rahmenhandlung von Product Placement. Oder sie setzen sich so unter Druck, ständig Inhalte zu produzieren, dass man ihnen bald anmerkt, dass ihr Blog ihnen Arbeit und keinen Spaß mehr macht. Natürlich kann ich nachvollziehen, warum uns das Netz dazu verführt, sämtliche Aspekte unseres Lebens auf ihre Vermarktbarkeit hin abzuklopfen. Einfach weil es geht und weil die Vorstellung so verführerisch ist, mit etwas Geld zu verdienen, das man so gern macht, dass man bisher kein Geld dafür verlangt hat.
DER LIEBE „HAIR‟-GESANGSVEREIN.
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Dabei vergessen diese Menschen allerdings, dass es schon einen Grund gibt, warum eine Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit existiert. Und warum es sehr schön sein kann, Dinge nur um ihrer selbst willen zu tun. Denn wer sein Hobby professionalisiert, der setzt sich auch in diesem Bereich unter Druck. Wer nicht mehr nur für sich an einer Sache vor sich hin werkelt, sondern auf einmal einen Auftraggeber und eine Deadline hat, der hat auch schnell Stress und, ja, Arbeit. Und muss sich womöglich irgendwann ein neues Hobby suchen, eines, das er nur für sich hat, diesmal. Versprochen!
Lassen Sie mich in Ruhe, ich bin Arzt! Wie ist es eigentlich, einen Beruf zu haben, bei dem man niemals Feierabend hat?
Ich mache mir manchmal Sorgen um mich. Gesundheitliche zum Beispiel. Ich habe sensible Mandeln. Und ich habe Angst, in einem Flugzeug eine Thrombose zu bekommen, weil ich nämlich in alle einschlägigen Risikogruppen passe. Als eine Art dicker Pete Doherty. Ohne Gitarre, dafür mit Angina. Statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1 zu 3, dass auf die Durchsage „Ist zufällig ein Arzt an Bord?“ im Flugzeug tatsächlich ein Mediziner aufspringt und zu
Hilfe eilt. Also, nein, korrekterweise muss man wohl sagen: ein Mediziner aufspringen müsste. Ob er es tatsächlich macht, bleibt ihm ja immer noch überlassen. Praktisch. Theoretisch muss er natürlich, sowohl juristisch als auch nach seinem hippokratischen Eid – und überhaupt damit er kein Arschloch ist. Wer will nicht gern helfen? Es ist so: Menschen mit Spezialwissen tragen eine besondere Verantwortung. Das ist ein sinnvoller Grundsatz, der im Zweifel auch vor Gericht gilt. Wer besonders ausgebildet ist zu helfen, der muss auch helfen – genau wie ein Autofahrer besonders vorsichtig sein muss, wenn er an einer Ecke vorbeifährt, von der er weiß, dass dort gern mal Ortsfremde falsch fahren oder was auch immer. Spezialwissen verpflichtet. Und das ist gut für uns alle. Zum Beispiel für mich. Ich habe ziemlich oft entzündete Mandeln, zumindest oft genug, dass jeder HNO-Arzt, wenn ich mal wieder da bin, um mir Antibiotika verschreiben zu lassen, sagt: „Na, die sehen aber auch nicht mehr jungfräulich aus.“ Und: „Überlegen Sie sich, ob Sie sich die nicht rausnehmen lassen wollen!“ Was eine ziemliche Entscheidung ist, denn danach ist man potenziell drei Wochen lang nicht einsatzfähig. Also über lege ich es mir – indem ich jeden Arzt, den ich auf einer Party treffe, nach seiner Meinung frage. Was viele Ärzte ziemlich nervt. Sie haben es auch schwer: Sie sind im Graubereich der professionellen Nachbarschaftshilfe. Ein Fotograf kann (und wird!) sagen: „Tut mir leid, aber ich kann nicht einfach Bewerbungsfotos für dich machen. Das ist aufwendig und teuer.“ Und ein Polizist hat keine Wahl: Der muss per se helfen, wenn er etwas sieht, und kostenlose Hilfe will sowieso niemand von ihm. Aber alles dazwischen, also zum Beispiel Ärzte, Anwälte, Golfprofis, Steuerberater, Pornodarsteller, Kinderpsychologen und Komiker haben eigentlich nur frei, wenn niemand weiß, was sie beruflich machen. Ansonsten müssen sie zumindest Tipps geben. Oder lustig sein. Aber da zeigt sich eine eindeutige Schwäche meiner Art der privaten Krankenversorgung: Wer schon mal einen Komiker privat erlebt hat, weiß: Wer ein lustiges Bühnenprogramm gut aufführen kann, ist nicht unbedingt ein überragend lustiger Partygast. Und die Diagnosen, die Ärzte in ihrer Freizeit aufgrund genuschelter Aussagen eines angetrunkenen Typen erstellen, der denkt, er sei eine Art dicker Pete Doherty, sind überragend ungenau. Sie widersprechen sich alle. Also lasst mich durch, ich glaub, ich muss doch zum Arzt.
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VON MICHALIS PANTELOURIS / TEXT & JOANNA SWISTOWSKI / ILLU
Sie haben die Pflicht zu schreien! Das Du-bist-jetzt-Chef-Würfelspiel für Aufsteiger und andere Arbeitnehmer. Ziel des Spiels: Erreiche als Erster das höchste Level an Chefness, indem du mit deiner Figur die verschiedenen Stufen durchläufst, die ein Mensch auf dem Weg zum Halbgott meistern muss. Erste Lektion: Chefsein ist Haltung. Von jetzt an heißen alle anderen: Untergebene!
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EREIGNISFELD „MANAGEMENT BY TERROR“ Hin und wieder muss man einfach Dinge ändern, damit sich niemand zu sicher fühlt. Tausche die Positionen zweier Untergebener.
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EREIGNISFELD „SPLEEN“ Chefs brauchen menschliche Eigenheiten. Du isst von nun an alle Süßigkeiten, die Untergebene auf ihrem Schreibtisch liegen haben. Eine Runde lang wird von jedem Wurf, den ein Untergebener macht, ein Schritt abgezogen. Den gehst du vorwärts.
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3 ERSTES LEVEL CHEFNESS Der erste Schritt in Richtung Chefposition ist der schwerste. Deshalb muss man sich erst einmal mit einer Sechs ins Spiel würfeln.
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DRITTES LEVEL CHEFNESS – DU BIST ANGEKOMMEN! Du hast das Spiel gewonnen und machst in Zukunft nur noch mit, um andere zu stören! Die Untergebenen würfeln zwar weiter, aber du entscheidest jeweils, welcher Stein die Schritte gehen darf.
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EREIGNISFELD „SONNENBRÄUNE“ Chefs brauchen selbst nicht so viel zu arbeiten – und schon gar nicht anwesend zu sein. Eine Runde lang gehst du jede von einem Untergebenen gewürfelte Punktzahl ebenfalls vorwärts.
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ZWEITES LEVEL CHEFNESS Herzlichen Glückwunsch! Du hast das nächste Level erreicht. Von nun an tust du vor allem Dinge, die du tust, um Dinge zu tun (Management durch willkürliche Veränderungen). Bei jedem deiner Würfe darfst du von nun an nicht nur deine Zahl vorwärtsgehen, sondern einen oder mehrere Untergebene um die – zusammengezählt – gleiche Zahl zurücksetzen. (Du würfelst etwa eine Drei, gehst drei Felder vor und setzt zwei Untergebene zusammen drei Schritte zurück (1 x 1 und 1 x 2 Schritte).
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GLÜCKWUNSCH! DU BIST JETZT CHEF Dein Leben ändert sich: Ab jetzt geht es nicht nur um dein Fortkommen, sondern auch darum, Untergebene bei ihrer Arbeit zu behindern. Von nun an kannst du bei jedem Zug überlegen, ob du deinen Stein um die gewürfelte Zahl vorwärtssetzt oder ob der Stein eines Mitspielers (von nun an: Untergebener) um so viele Schritte zurückgeht.
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EREIGNISFELD „ATTITÜDE“ Zeige, dass du Chef bist, indem du eine Personalentscheidung triffst. Schmeiß einen Untergebenen raus. Er muss zurück auf Start.
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EREIGNISFELD „MEINE FRAU FINDET …“ (Ehe-)Partner von Chefs sind wichtige Waffen der Willkürherrschaft. Lass Untergebene Extrarunden drehen, weil deine Frau/ dein Mann irgendetwas findet. Suche einen Mitspieler aus, dessen nächste gewürfelte Zahl halbiert wird (Kommastellen natürlich abrunden!).
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VON JÜRGEN STEIN & ROGER SIMON / CGI
In den allermeisten Jobs geht es nicht direkt darum, die Welt zu retten. Oder sie wenigstens ein bisschen besser zu machen. Wofür kämpfen wir also? Wenn man es von außen betrachtet, dann vor allem um die kleinen, feinen Symbole, die anzeigen, wie ungeheuer wichtig man für das Unternehmen ist …
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Wie bei jeder Immobilie kommt es beim Parkplatz nur auf drei Kriterien an: die Lage, die Lage und die Lage. Wer in einer groĂ&#x;en Firma mehr als zehn Meter vom Eingang oder gar unter freiem Himmel parken muss, gilt als ersetzbar. jetzt L E B E N & J O B N o 0 3 / 1 2 21
Wenn Hollywood-Polizisten suspendiert werden, geben sie Colt und Dienstmarke ab. Bei deutschen Arbeitnehmern ist es der Hausausweis. Und der Dongle f端r die Alarmanlage. Er steht f端r Vertrauen. Und Nachtarbeit. 22 jetzt L EBEN&JOB N o 03/12
Der Chefsessel ist eine Sitzmöbel gewordene Metapher. Ein Symbol der Macht, des Daran-Sägens, des Daran-Klebens. Dennoch gibt es einige ganz hübsche Exemplare. Aber die Regel sind sie nicht.
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Es geht in Wellen: In grauer Vorzeit hatte ein Handy, wer ungeheuer wichtig war. Genau die Wichtigen hatten kein Handy mehr, als alle eins hatten. Heute hat jeder zwei Handys. Richtig wichtig ist, wem die Firma beide bezahlt. 24 jetzt L EBEN&JOB N o 03/12
Firmen finden es selbstverständlich, dass Angestellte zum Beispiel auf Reisen Unsummen an Geld „auslegen“. Nur: Die Mitarbeiter, die ohnehin schon am meisten verdienen, kriegen für Auslagen Firmenkreditkarten. jetzt L E B E N & J O B N o 0 3 / 1 2 25
VON MICHALIS PANTELOURIS / TEXT
Damit ist es vorbei.
Spätestens mit 30 muss mit ein paar Dingen wirklich Schluss sein. Zum Beispiel darf man diese über 30 Dinge auf keinen Fall mehr tun.
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Aufnäher auf Kleidungsstücke nähen. Höchstens die Schwimmabzeichen von Kindern auf Badeanzüge und -hosen.
Illegal Musik downloaden. Künstler müssen leben.
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Fragen: „Sieht mein Hintern dick darin aus?“
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Freizeichen-Musik auf dem Handy haben.
CurryKing, Dosenravioli, AufbackHamburger.
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Davon träumen, einen
Die Eltern 9 Porsche zu kaufen. um zwei- oder Freunde fragen, ob sie einem beim Umzug helfen.10 dreistellige Beträge anpumpen. Ein-, vier- oder fünfstellige Jedes Mal, wenn man in Etwas toll Beträge könder Stadt ist, Freunde nen hingegen finden, 18 notwendig sein. fragen, ob man bei ihnen weil es Sechsstellige übernachten darf. Es alle doof sind exzessiv.
Nummer 12 gilt noch mal doppelt für
14 Sich piercen lassen.
Männer.13
Eine 16Flugrolle. Irgendjemandem von seinen guten 20 Vorsätzen fürs neue Jahr erzählen.
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1Mit Trinkgeld geizen.
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gibt Hotels. Allerdings gilt eine Übergangsphase: Mit Ü40 gibt es dann bitte nur noch Hotels.
Mit dem Rauchen anfangen. 21
finden.
Jedes Mal absagen, wenn die Freunde überzeugend darum bitten, dass man bei ihnen übernachtet, weil sich die Kinder so freuen würden.19
23 Krawatten 24 ironisch tragen.
SONDERFALL: Bei der Recherche für diese Liste Für Regel 22 gilt Regel 13 analog. kam ein Vorschlag auf, der ungeheuer überzeugend klingt, von uns aber nicht endgültig getestet und überprüft werden konnte. Er gilt also eingeschränkt. Hier ist er: „Wenn man über 30 ist, sollte man auf keinen Fall mehr in einem schweren Brokatkleid mit weißer Operettenperücke und einem schwarzen Mops auf einem samtgepolsterten Wägelchen Sneaker ernst nehmen. zum Hinterherziehen die Autobahn überqueren.“ Danke, Ully B.!
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Den Eindruck erwecken wol- Mit Alkohol nicht umgehen Mit len, man würde neue Jugend- können. Sprich: kotzen. Oder Konsum bewegungen verstehen. 28 mit dem Konsum angeben. angeben. 26 jetzt L EBEN&JOB N o 03/12
Zu Geburtstagen selbst gebrannte CDs verschenken. Selbst gebrannter Schnaps ist okay.
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WODKARUTSCHE! Irgendwelche Listen mit Sex führen. Also, außerhalb des Kopfes.
Seine Kinder nach aktuell erfolgreichen Sängern, Schauspielern oder Fußballern benennen.
Baggy Pants.26
Und du so? Schreibe deinen Punkt auf jetzt.de/Ü30.
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Mit dem Skateboard zur Arbeit fahren (Ausnahme: Daniel Josefsohn). 27
Sich an Listen in Zeitschriften orientieren.
TOP PERFORMER (M/W) ZEIT FÜR NEUES. FÜR HERAUSFORDERUNGEN. FÜR VERÄNDERUNGEN. BEGINNEN SIE DAMIT HEUTE. Als expandierendes Modeunternehmen suchen wir für unsere Zentralbereiche Persönlichkeiten, die bereit sind, mit uns weiter zu wachsen. Erste, vielseitige und gerne beraterorientierte Berufserfahrung konnten Sie bereits sammeln und Sie haben sich selbst und Ihre Karriere bereits klar definiert. Mit Ihren ausgezeichneten Qualifikationen und Ihren persönlichen Qualitäten suchen Sie Aufgaben, die Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Und am besten mit uns! Mehr Informationen: www.peek-cloppenburg.de/karriere Ihre überzeugenden Bewerbungsunterlagen mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung senden Sie bitte online oder per Post an: Peek & Cloppenburg KG, Dr. Anika Völkel, Führungskräfteentwicklung Zentralbereiche Berliner Allee 2, 40212 Düsseldorf
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Für den Job zieht man auch um. Man gibt viel für ihn auf. Die Heimat. Die Freunde. Geliebte Rituale. Mein Gott, kann das gut gehen?
Fühl dich einfach wie zu Hause.
VON ANNA CLAUSS / TEXT & UWE JENS BERMEITINGER / FOTOS
Wandert mein Blick durch das Bürofenster
ins Freie, liegt mir die Stadt zu Füßen. Da vorne die Landungsbrücken, dahinter rote Kirchtürme, gelbe Baukräne, ein glitzerndes Stück Elbe, am Horizont die Kuppel der Sternwarte. Ich habe Glück. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich Tag für Tag durch staubtrockene Bürojobs quälen müssen. Mein Blick durchs Bürofenster ist kein Fluchtver such. Im Gegenteil: Ich versuche anzukom men. Seit einem Jahr wünsche ich mir, dass sich das Hamburg unter meinen Füßen in Heimat verwandelt. Seit einem Jahr ist der einzige Ort, an dem ich ankomme: mein Büro. Jeden Morgen, kurz vor halb acht. Kein Aufbruch ohne Heimweh. Das war mir klar, als ich vor einem Jahr unter großem Geheule und lautem Gejammer München verließ. Kein Weiterkommen ohne Neuan fänge. Das war die Überzeugung, mit der ich das Jobangebot aus Hamburg nach langem Zögern dennoch annahm. Nur einmal im Leben bekommst du diese Chance, dachte ich. Nimm sie an, sonst trau erst du ihr ein Leben lang nach. Ich wollte mutig sein und war doch schwach. Im richtigen Moment verzichten zu können ist eine Kunst, die der Starke besser beherrscht als der Ehr geizige. Als Hauptdarstellerin in einem Fa milienfilm aus Hollywood hätte ich München niemals Lebewohl sagen dürfen. Oder ich wäre nach einem schlimmen Absturz auf der Hamburger Karriereleiter umgehend ins war me Nest an der Isar zurückgekehrt. Home is where your heart is, hätten sie im Abspann gesungen. Es gab prima Argumente, die gegen einen Umzug nach Hamburg gesprochen hätten. Die Sonnenstrahlen auf der Waldtapete in meiner Münchner Wohnung zum Beispiel. Oder die knallorangen Fliesen in der U-Bahn-Station am Marienplatz, die ich auf meinem Weg zur Münchner Arbeit so lieb gewonnen hatte. Am Ende strahlte die Aussicht auf beruflichen Erfolg nicht nur heller als grüne Wände und orangene Fliesen. Sie brachte mich sogar dazu, das Gegrummel auf Bauchhöhe zu überhören. Mir und meinem Bauch ging es gut in Mün chen. In der letzten Woche vor dem Umzug rannte ich mit der Kamera durch die Stadt, fo tografierte die Freundinnen vorm „Bratwurst herzl“, das Bierglas im „Stadtcafé“, das Scho koladeneis vor dem Museum Brandhorst, die Schwester vor den Erdbeeren am Obststand in der Kaufingerstraße. Ein Schildchen steckte in der Erdbeerschale: „Ja, wir sind süß!“
Ich habe die Bilder entwickeln lassen und mit nach Hamburg genommen. Ein Jahr später sind die Wände meiner Hamburger Wohnung immer noch weiß. Die Bilder machen mich traurig. Ich will sie nicht sehen. Man könnte jetzt leicht auf die Idee kom men, ich hätte den Job in Hamburg nur ange nommen, um ordentlich Geld zu scheffeln. Oder um die Eltern zu beruhigen, die eine Zeitlang befürchten mussten, ihre Tochter würde als brotlose Künstlerin verelenden. So einfach ist es aber nicht. Ich kann in Ham burg einem Beruf nachgehen, der eigentlich ein Hobby ist. Das ist ein unwahrscheinlich großes Glück. Es steckt ein Teil von mir sel ber in meiner Arbeit. Ich dachte, ich könnte glücklich werden, wenn ich an einem Ort lebe, der mir perfekte Arbeitsbedingungen bietet. Jetzt habe ich den perfekten Arbeitsplatz. Ich habe sogar ein Bürofenster, das eigentlich gar kein Bürofenster ist, sondern eine Wand aus Glas. Aber alles, was ich dadurch sehe, ist eine Stadt, die mir keine Heimat gibt. Es ist komisch. Als Studentin in diesem kleinen niederbayerischen Städtchen hatte ich damals ein Poster an der Wand meines WG-Zimmers hängen. Es war weiß, darauf stand in kleiner grauer Schrift: „Wenn etwas weg ist, ist es nicht mehr da.“ Der Satz machte mir Mut. Weil er für mich bedeutete: Umzüge schaffen Platz für Neues. Wer nach vorne schaut, kommt weiter, vielleicht sogar nach oben. Bis an die Spitze eines Büroturms im Herzen von Hamburg. Heimweh verstand ich damals als Heraus forderung, als Hürde, die es zu überwinden galt. Ich nahm die Hürde beim Abschied aus meiner schwäbischen Heimatstadt, beim Ab schied aus meiner niederbayerischen Uni heimat, beim Abschied aus meiner Berliner Wahlheimat. Aber nicht beim Abschied aus München. Man kann jetzt sagen, das liegt an München. Man könnte auch sagen, es liegt am Alter. Je älter man wird, desto schwerer funktionieren Neuanfänge. Ich glaube trotz dem: Es liegt am neuen Job. An meiner Ar beit, die mich so sehr beansprucht und aus füllt, dass mein Leben seltsam leer wirkt. Zur Feier des Feierabends habe ich neulich das Taxi zur Eisdiele genommen. Die hatte dann leider schon zu. Das Problem ist: Ich habe keine Ahnung, wo es eine zweite gute Eisdiele in Hamburg geben könnte; und wo man mitten in der Nacht gute Pommes ge brutzelt bekommt, weiß ich auch nicht. Ich habe keine Ahnung, wo ich Blumenzwiebeln
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für den Balkon herkriege und meinem Freund eine gute Flasche Schnaps besorgen könnte. Und vor allem weiß ich immer noch nicht, an welchem Ende des Bahnsteigs ich in die UBahn steigen muss, damit sie mich am gewünschten Ausgang der Zielhaltestelle an die Oberfläche spült. Schon klar, Heimat braucht Zeit. Als der Herbst in Hamburg begann, der Regen Einzug in die Stadt hielt und meine Laune mit ihm im Gully verschwand, sagten die Hamburger: Warte ab, Weihnachten in Hamburg wird dir gefallen; Weihnachten in Hamburg ist so schön wie in keiner anderen Stadt in Deutschland; überall Lichterketten, an jeder Ecke Weihnachtsmärkte, sagten sie. Als die Weihnachtsmärkte dann leuchteten, rieb ich mir die Augen. Zelte aus weißer Plastikplane, Glühwein aus Milchglashumpen. Und Fischbrötchen. Keine vertrauten Holzhäuschen, keine Tannenzweige. Warte ab, sagten die Hamburger, der Frühling wird dir gefallen, geh in den Stadtpark. Ich sah den Stadtpark und ging schnell wieder. Der Hamburger Stadtpark kann nur Leuten gefallen, die den Englischen Garten nicht kennen. Dabei will ich überhaupt nicht schlecht über Hamburg reden. Der Start in meiner neuen Stadt war am Anfang so spannend wie
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Abenteuerurlaub. Ich habe Zimtbrot und Franzbrötchen entdeckt und mich in einen hübsch verwinkelten Tapetenladen verlaufen. Ich bin mit dem Bus unendlich lange zu diesem Ausflugslokal an der Elbe gefahren, wo ein alter Kapitän per Lautsprecher die einfahrenden Schiffe begrüßt. Eine Woche später habe ich der Queen Mary 2 applaudiert und aufgeregt hinterhergewinkt. So richtig glücklich in einer neuen Stadt wird man aber wohl erst, wenn sich Wiederholungen einschleichen. Wiederholungen, aus denen Rituale werden. Rituale, aus denen Lieblingskneipen mit Lieblingsfreunden an den Tischen werden. Davon bin ich auch nach einem Jahr weit entfernt. Ich führe ein Leben in Ketten: Cinemaxx, Rossmann, Karstadt, Crobag, Kauf dich glücklich. Ich bewege mich in meiner Freizeit an Orten, die in jeder Großstadt gleich sind. Den Gutschein für das kleine Arthaus-Kino am anderen Ende der Stadt habe ich noch nicht eingelöst. Zu weit weg, zu wenig Zeit für spontane Entdeckungstouren. Die Wochen enden verbringe ich viel zu oft mit dem Befüllen der Waschmaschine statt mit Ausflügen ans Meer. Ich war noch nicht einmal in der Sternwarte am Horizont. Zu weit weg, zu wenig Zeit für spontane Entdeckungstouren.
Es ist leicht zu sagen: Die Arbeit frisst mein Leben auf. Es ist vielleicht nämlich eine Ausrede, um nicht sagen zu müssen: Es fällt mir schwer, neue Freundschaften zu schließen. Sie ergeben sich in einer Kantine nicht mehr so einfach wie damals auf dem Pausenhof, in der Mensa oder auf der WG-Party. Dabei gab es Arbeitskollegen, die mir Gutscheine für gemeinsame Alsterbootfahrten am Wochenende geschenkt haben. Es gab alte Schulfreundinnen und alte Unikolleginnen, die sich gemeldet haben, als sie hörten, dass ich neu in Hamburg bin. Ich habe komischerweise noch keinen dieser Gutscheine eingelöst. Ich konnte für die Einweihungsparty der neuen Wohnung irgendwie keinen Termin finden. Ich habe während der Treffen mit den Freundinnen eine Checkliste in meinem Kopf abgehakt: gemeinsamer Humor, gemeinsame Lieblingsband, gemeinsame Lieblingsfranzbrötchensorte. Eher Fehlanzeige. Wie mit der Liebe scheint es auch mit Freundschaften zu sein: Man findet sie nur dann, wenn man nicht danach sucht. Ausgerechnet in der Stadt mit dem größten Hafen Deutschlands fehlt mir Anbindung. Ich rufe niemanden spontan an, um mich für den Abend zu verabreden. Ich arbeite an den meisten Tagen, bis es dunkel wird, und gehe anschließend noch ins Fitnessstudio im Keller meines gläsernen Büroturms. Dort renne ich dann so lange auf dem Laufband, bis ich keine Luft mehr bekomme. Natürlich weiß ich, dass das auch keine Methode ist, um in der Stadt unter meinen Füßen endlich anzukommen. Ich habe immer gedacht: Du bist, was du machst. Jetzt, wo ich den Beruf zu meinem Lebensinhalt erklärt habe, fällt mir auf: Ich werde, was ich niemals sein wollte. Eine Karrierefrau. Unnötig zu erwähnen, dass andere Frauen in meinem Alter schon längst Kinder haben. Manchmal frage ich mich, ob ich mich auf dem Weg nach oben irgendwie verlaufen habe. Ob ich verlernt habe, Wichtiges von Wesentlichem zu unterscheiden. Ich vermisse meine Schwester und die Erdbeeren in der Kaufingerstraße. Ich vermisse das Bier im „Stadtcafé“, die orangefarbenen Fliesen am Marienplatz. Die Hamburger sagen, ich soll warten, bis der Sommer kommt. Der Sommer in Hamburg sei so schön wie in keiner anderen Stadt in Deutschland. Also schaue ich durch meine gläserne Bürowand ins Freie und denke: schöne Aussicht.
Wovon Sie früher auch träumten: Jetzt ist die Zeit, es wahr zu machen. Rohde & Schwarz ist einer der wichtigsten technologischen Schrittmacher. Im Digital-Fernsehen. Im Mobilfunk. Auch in der Funktechnik sind wir federführend. Damit wir das auch bleiben, suchen wir engagierte Mitarbeiter (m/w) wie Sie. Wir bieten Ihnen alles, was Sie brauchen, um Ihr Optimum zu erreichen: Flache Hierarchien, harmonische Teams und viel Freiraum. Denn nur so können überragende Ideen entstehen, wie die, die uns bereits in vielen Geschäftsgebieten unter die weltweite Top 3 gebracht haben. Interessiert? Weitere Informationen unter: www.careers.rohde-schwarz.com
EINKAUFSWAGEN Wenn etwas zum Klassiker wird, dann bedeutet das erstens, dass das Ding schon immer da war, und zweitens, dass man es nicht doof finden darf. Sehr oft ist auch einfach irgendwas von Le Corbusier damit gemeint. In unsere Liste der Klassiker kommen diesmal aber lauter Gegenstände, die diesen Titel zwar verdienen, aber trotzdem erschwinglich sind. Nimm das, Corbusier!
VON MAX SCHARNIGG / TEXT
Die würdigste Kaffeequelle ist der Moka Express von Bialetti. Benutzt von Generationen von Italienern, Studenten und all jenen, die keine Lust auf komplizierte Maschinen haben. Nur echt mit dicker, dunkler Patina vom Gasherd. Allerdings wird die ewige Kanne seit einigen Jahren nicht mehr in Italien produziert, sondern in Rumänien. Preis für die Drei-Tässchen-Größe: 20 Euro. Bleiben wir in der Küche. Der Sparschäler Rex wurde 1947 in Davos erfunden. Ein perfektes Gerät: Schält alles, wiegt nichts, braucht kein Plastik, keine Verpackung, kostet drei Euro und hält ewig – sofern man ihn nicht doch bald mal mit den Kartoffelschalen wegkippt. Suhrkamp, Reclam ... es gibt etliche ikonische Buchcover-Designs. Die alten Penguin Books transportieren aber besonders elegant den Zauber eines guten Romans. Am besten leicht angetrunken auf dem weitläufigen Campus einer heruntergekommenen britischen Elite-Uni aus der gewachsten Jackentasche ziehen! Kommen wir zu historisch bedeutsamen Stoffschuhen: Keds haben dabei gegenüber Chucks den Vorteil, dass sie zwar ähnlich legendär sind, hierzulande aber noch nicht jeder zwischen zehn und 50 Jahren sie schon mal getragen hat. Was viele nicht wussten: Auch auf einem Festival kann man Stil beweisen. Aber nicht mit den überteuerten Hunter-Gummi 32 jetzt L EBEN&JOB N o 03/12
stiefeln, sondern mit der schlichten K-Way-Jacke inklusive dem legendären Wimmerl als Packtasche. Sie ist wasser- und schlammdicht, schön knapp geschnitten und kostet um die 40 Euro – passt. Damit war Mama schon 1983 auf Lanzarote! Der Lada Niva wird seit fast vierzig Jahren in der gleichen Form gebaut. Die Technik hat sich seitdem auch nicht allzu sehr verändert (und wenn, verschlechtert). Auf jeden Fall ist er das schönste und robusteste Auto, das man unter 10 000 Euro kriegen kann. Allerdings auch das schmutzigste. Klar, selbst gemachte Zitronenlimonade wäre noch idyllischer, aber wir sind ja hier nicht im Manufactum-Workshop. Mehr Sex Appeal haben die kleinen Sanbittèr-Fläschchen, in denen etwas schwappt, das immer perfekt nach frühem Nachmittag im Zitronenhain mit Blick auf die Adria schmeckt. Hat eigentlich jeder rumliegen: die Stableuchte in ihrer originalen Form mit Metallkörper und Schiebeschalter. Wer die nicht mehr findet und trotzdem eine Nachtwanderung plant – das kleine Taschenlampenwerk Artas in Arnstadt stellt die Dinger immer noch her, kosten keine fünf Euro. Nicht zu vergessen: Händchen halten ist der Klassiker für Verliebte. Sollte man ruhig mal wieder tun und sich dran erinnern, wie irre das beim ersten Mal war. Und schön wild schlenkern!
RÄTSEL Und plötzlich verdient man Geld: Wer von diesen fünf hat in welchem Moment das Gefühl gehabt: „Ich bin reich“?
TOMMY, 29
DAS FAHRRAD REPARIEREN LASSEN, STATT SELBER FLICKEN.
ERSTE ALLWETTERJACKE GEKAUFT.
MIT 16 – STEREOANLAGE GEKAUFT.
SARAH, 29
FALKO, 32
DAS ERSTE MAL REISEN.
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DEN TRAUM VOM SCHLAGZEUGUNTERRICHT ERFÜLLT.
DOMINIK, 30
VON TIM BRÜNING / FOTOS
Der Mensch, der diesen Satz hier schreibt – DAS BIN JA ICH! –, hat sich übrigens zum ersten Mal reich gefühlt, als er Pizza nicht mehr nach dem Preis des Belags bestellt hat. Rätsel (und Lösung) findest du online unter jetzt.de/reich. jetzt L E B E N & J O B N o 0 3 / 1 2 33
VON STEFAN NIGGEMEIER / TEXT & FELIX KRÜGER / FOTO
Das muss jetzt sein.
Es hätte eigentlich gar keine Abrechnung werden sollen. Ich hatte mir wirklich vorgenommen, zum Abschied vom Gymnasium etwas halbwegs Versöhnliches zu sagen; etwas, das die Feier, bei der wir unsere Abiturzeugnisse erhielten, nicht unnötig ungemütlich machen würde. Es ging nicht. Ich saß an meinem Schreibtisch und kam nicht voran. Es ging erst, als ich – einen Tag vor dem Termin – beschloss, das aufzuschreiben, was ich wirklich sagen wollte. Meinen ganzen Zorn über diese Schule, ihren verquasten Katholizismus und Konservativismus, ihre Überheblichkeit, ihren Umgang mit Außenseitern und Kritikern packte ich in diese Rede. Nur ein rätselhaftes Heine-Zitat am Anfang deutete an, dass nicht alles schlecht gewesen war. Ein Teil der Lehrerschaft und eine Reihe von Eltern verließen während meines Vortrags aus Protest die Aula. Der Schulleiter sagte aus Protest die Teilnahme am feierlichen Abi-Ball am nächsten Tag ab, weil ich, wie er ver lesen ließ, die Lehrer „desavouiert“ hätte. Ich habe mich mit meiner Rede nicht beliebt gemacht, auch bei vielen meiner Mitschüler nicht. Ich würde gern sagen, dass die Leute, die mich damals nicht mochten, dafür etwas anderes empfanden, was viel wichtiger ist: Respekt. Oder wenn sie es damals nicht empfanden, dann wenigstens im Nachhinein. Das klingt gut, aber ich weiß nicht, ob es stimmt. Noch weniger weiß ich, ob man darauf spekulieren kann. Ich weiß nur, dass ich im Nachhinein ungemein stolz bin auf die Rede, die ich da gehalten habe. Es geht also, etwas pathetisch formuliert, zuallererst um den Respekt vor mir selbst. Es ist ja auch nicht so, dass man einfach beschließen könnte, beliebt sein zu wollen. Das gelingt nicht einmal zuverlässig in den Berufen, in denen Erfolg tatsächlich zu wesentlichen Teilen mit Popularität zusammenhängt, wie Popstar oder Politiker. Beliebt sein zu wollen ist keine Eigenschaft, die Menschen beliebt macht. Auf Dauer wird
eher der ankommen, der aus einer inneren Überzeugung entscheidet, als der, der sich anbiedert. Das Wort dafür ist: Haltung. Ich bin Journalist. Das sollte kein Beruf für Harmoniesüchtige sein. Als Journalist müsste man besonders skeptisch sein, wenn man bei den Leuten, über die man schreibt, beliebt ist. Ganz sicher darf es nicht das Ziel der Arbeit sein. Aber dasselbe gilt auch beim Publikum, für das man schreibt: Wer schreibt, was alle lesen wollen, schreibt womöglich nicht das, was alle lesen sollten. Jeder muss einen eigenen inneren Kompass finden, der ihm zeigt, was richtig und was falsch ist, was gut ist und was nicht. Der zu erwartende Beifall sollte dabei nicht die entscheidende Rolle spielen. Das ist leicht gesagt, aber so einfach ist es natürlich nicht. Wir alle sind soziale Wesen. Wir suchen und genießen die Bestätigung. Wir wollen geliebt werden – und sei es nur dafür, dass es uns scheinbar egal ist, ob wir geliebt werden wollen. Am Ende hilft womöglich nur eine Handvoll guter Freunde und Kollegen, auf deren Urteil wir vertrauen – nicht zuletzt, weil wir wissen, dass es ehrlich ist. Auch Freundschaften können schließlich nicht darauf aufbauen, dass man sich gegenseitig beliebt machen will. Und vielleicht hilft es auch zu erleben, dass es nicht so schlimm ist, es sich – scheinbar – mit allen zu verscherzen. Das macht zwar zum Beispiel den Besuch von Veranstaltungen etwas unentspannt, auf denen ich die Leute treffen könnte, bei denen ich mich sehr entschieden nicht beliebt gemacht habe. Aber das ist ein kleiner Preis dafür, dass man womöglich bei derselben Gelegenheit entdeckt, von Leuten geschätzt zu werden, die Haltung zu schätzen wissen. „Musste das sein?“, fragte mich meine Mutter damals, nach meiner Abiturrede, und natürlich ist das die Antwort: Das musste sein. Stefan Niggemeier, 42, ist wohl Deutschlands einflussreichster Medienjournalist, weil er sogar über Hefte, in denen er selbst schreibt, immer ehrlich seine Meinung sagt (sei nett zu uns!).
IMPRESSUM jetzt LEBEN&JOB Eine Verlagsbeilage der Süddeutschen Zeitung im Juni 2012 Verlag Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München, Tel. 0 89 / 21 83 - 0 Chefredakteur Kurt Kister Verantwortlich im Sinne des Presserechts Dirk von Gehlen Redaktion Michalis Pantelouris Art Director Joanna Swistowski Schlussredaktion Isolde Durchholz Anzeigen (verantwortlich) Jürgen Maukner Kontakt Tel. 0 89 / 21 83 - 82 73, stellen-anzeigen@sueddeutsche.de Anzeigenpreise unter http://mediadaten.sueddeutsche.de/sonderthemen/jetzt_schulejob_unijob Repro Compumedia GmbH, Elsenheimerstraße 59, 80687 München Druck Firmengruppe APPL, PRINT.Forum Druck GmbH, Neulandstraße 40, 74889 Sinsheim Der Verlag übernimmt für unverlangt eingesandte Unterlagen keine Haftung. Das Papier des Magazins jetzt LEBEN&JOB wird aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestellt. Bei Nichterscheinen durch höhere Gewalt oder Streik kein Entschädigungsanspruch. Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Zeitschrift und aller in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt. Insbesondere ist eine Einspeicherung oder Verarbeitung der auch in elektronischer Form vertriebenen Zeitschrift in Datensystemen ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Veröffentlichung gemäß Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Pressegesetz Alleinige Gesellschafterin der Süddeutsche Zeitung GmbH ist die Süddeutscher Verlag GmbH, München. An dieser sind beteiligt: Südwestdeutsche Medien Holding GmbH, Stuttgart: 81,25 %; SV Friedmann Holding GmbH, Grünwald: 18,75 %.
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