Links im Druck (2014)

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Jusos in M端nchen Ausgabe 2014 100 Jahre Jusos M端nchen +++ Neuwahlen +++ 10 Jahre Agenda 2010 +++ PEDIDA +++ Gedenken


+++ Ticker START +++

München Auf der Jahreshauptversammlung im Dezember 2014 ha-

ben die Münchner Jusos Lena Sterzer zur Vorsitzenden gewählt. Cornelius Müller hatte nach rund drei Jahren nicht mehr kandidiert. Dort haben sich auch die Arbeitskreise zu den Themen Wirtschafts- und Sozialpolitik, Internationales, Antifa, Kommunalpolitik und SchülerInnen konstituiert. Die Veranstaltungen der AKs findet ihr wie immer in der Terminliste auf www.jusos-muenchen.de. Auch bei den bayerischen und oberbayerischen Jusos gab es einen Wechsel an der Spitze: Wir gratulieren Tobias Afsali und Seppi Parzinger. Wir danken Philipp Dees und Jule Rothmayer für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren! Happy Birthday, a.i.d.a.! Die antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München sammelt seit 25 Jahren Material zu extremen rechten Gruppierungen und informiert auf www.aida-archiv.de. Wir Jusos München finden die Arbeit übrigens so unterstützenswert, dass wir Fördermitglied sind! +++ Ticker STOP +++

Impressum Links im Druck - Mitgliederzeitschrift der Jusos München Druck: Onlineprinters GmbH V.i.S.d.P.: Daniela Beck, Jusos München. Oberanger 38 / 4.Stock, 80331 München Redaktion: Daniela Beck, Anno Dietz Layout: Marian Misch, Anno Dietz Auflage: 1.000 Erscheinungsweise 1 Ausgabe im Jahr 2014 Wir freuen uns über Mitarbeit, Kritik, Artikel und andere Rückmeldungen Kontakt über lid@jusos-m.de oder über Daniela Beck (beck@jusos-m.de) Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht inbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Redaktion behält sich vor, Artikel abzulehnen oder zu kürzen. Wenn sie spenden wollen: Jusos München Konto-Nr.111 500, Stadtsparkasse München BLZ 701 500 00 / Wir stellen Ihnen unaufgefordert eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.

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Editorial

Liebe Genossinnen und Genossen, seit 100 Jahren kämpfen die Jusos in München für eine tolerante und weltoffene Stadt und haben sich den Grundwerten Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit verschrieben. Wir können stolz sein auf unsere Geschichte und das Erreichte. Und mit Stolz und viel Spaß haben wir letztes Jahr unsere große 100-Jahrfeier ausgerichtet, zu der wir neben der Sozialdemokratie auch viele Organisationen aus der Münchner Stadtgesellschaft begrüßen durften. Doch noch längst haben wir unsere bewegte Geschichte nicht ausreichend aufgearbeitet und genauer analysiert. Zu sehr hat der wichtige Kommunalwahlkampf unsere personellen Ressourcen letztes Jahr gebunden. Daher freue ich mich, wenn sich weiterhin geschichtsinteressierte GenossenInnen mit den vielen angesammelten Dokumenten und Hinterlassenschaften beschäftigen und neue Erkenntnisse zu Tage befördern. In der zweiten Jahreshälfte 2014 hat uns die menschenverachtende Asylpolitik eingeholt: Unser neuer Oberbürgermeister hat schnell reagiert und begonnen, durch eine Krisenpolitik die Lage in München zu verbessern.

Doch wer vor Ort mit der Flüchtlingsarbeit in Kontakt kommt, merkt schnell, dass noch viel mehr zu tun ist. Es fehlt an einem schnellen und guten Integrationsprozess, ja an grundlegender medizinischer Betreuung. Ehrenamtliche HelferInnen beweisen zur Zeit, dass eine große Solidarität in München vorhanden ist und eine bessere Betreuung von geflüchteten Menschen, die einen friedlichen Platz zum Leben suchen möglich ist. Wir werden Druck machen, dass der jetzt gesetzte Standard bleibt und weiter verbessert wird. Auch darum hat sich auf unsere Initiative hin das Junge Bündnis für Geflüchtete gegründet, in dem viele Organisationen und Verbände sich mit uns gemeinsam für die Geflüchteten einsetzen. Jetzt wünsche ich euch eine spannende Lektüre und lade euch herzlich ein, bei uns mitzumachen - das Angebot der Jusos ist sehr groß und absolut lebendig! Cornelius Müller, Vorsitzender 2011 - 2014

04 100 JAHRE 100 Jahre Jusos München / Jubiläumsrede von Cornelius Müller 06 100 JAHRE Felix, Du Glücklicher! / Jubiläumsrede von Louisa Pehle 08 100 JAHRE 100 Jahre Jusos München / Milos Vujovic 12 Verband

Neuwahlen bei den Jusos München / Hannah Hefermehl-Fischer

14 Kommentar 10 Jahre Agenda 2010 / Daniela Beck 17 Austausch

In Bordeaux bei der MJS Gironde / Viola Herberger

19 Austausch

Die Wienfahr der Juso Hochschulgruppe München/ HSG München

21 International Die Alpeninternationale in München / Lena Sterzer & Anno Dietz 23 International Die Niederlage vom 9. Februar / Tim Cuenod 23 Antifa

Rassismus im bürgerlichen Gewand / Johanna Uekermann & Stefan Brauneis

23 Gedenken

Der Häftling Nummer 1 / Paul Werlich

23 Gedenken

Gedenken als lebendige Verantwortung / Anno Dietz

23 Letztes Wort Das 101ste Jahr / Lena Sterzer

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100 JAHRE

100 Jahre und kein bisschen alt Weshalb die Feminismus-Debatte Jubiläumsrede von Cornelius Müller

Das so viele unterschiedliche Verbände und Personen unserer heutigen Einladung gefolgt sind, zeigt unsere enge Vernetzung mit der Münchner Stadtgesellschaft. Letztlich ist das aber auch eine Anerkennung der politischen Arbeit der Jusos München, auf die alle anwesenden Generationen stolz sein können.

Insbesondere mit der Münchner Gewerkschaftsjugend verbindet uns aus unserer Selbstverständlichkeit heraus eine besondere Bündnisarbeit. Um so stärker, da unsere Gründung vor 100 Jahren im damaligen Gewerkschaftshaus statt gefunden hat. Uns ist bei der Sichtung der Gründungsunterlagen übrigens auch aufgefallen das unser Genosse Felix Fechenbach um die Adressen aller Gewerkschaftsjugendlichen bat – Die Antwort ist aber nicht vorhanden, wir sehen das daher als noch offene Anfrage an und erwarten gespannt eure Antwort. Außerdem sollten wir bei Gelegenheit prüfen, ob eine Unterlassungserklärung der JU die wir beide in den 70igern unterschreiben mussten, heute noch Gültigkeit hat.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir profitieren ungemein von unserer engen, themenbezogenen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Verbänden der Jugendarbeit in München. Und dadurch profitiert letztlich auch die Rathauspolitik.

Heute haben wir aber auch mit den Münchner Schülervertreterinnen und -vertretern sowie dem Kreisjugendring einen laufenden, wichtigen Austausch bei inhaltlichen städtischen Projekten. Der Input der uns hier immer wieder erreicht ist extrem wichtig für unsere Arbeit.

„Liebe Freundinnen und Freunde, liebe politische Partnerinnen und Partner und vor allem liebe Genossinnen und Genossen, herzlich willkommen auf unserer Geburtstagsfeier! Und diese ist etwas ganz besonderes! Denn obwohl das Geburtstagskind heute 100 Jahre alt wird, ist es dauerhaft jung und aufgeweckt geblieben und nicht lebensmüde geworden!


JUSOS MÜNCHEN

Liebe Freundinnen und Freunde, wir könnten euch heute Stundenlang über die Gründungszeit der Jusos erzählen und es gibt sehr viele spannende Dokumente auf die wir in unseren Recherchen gestoßen sind. Diese dokumentieren zum Beispiel auch die von Anfang an heftig mit der Partei diskutierte Frage nach der Selbstständigkeit der Jusos in der SPD – am Anfang leitete etwa noch der Parteivorstand den Jugendausschuss. Wichtig ist unserem Verband, dass wir keine vorgefertigten Antworten aus Parteigremien verkaufen wollen, sondern selbst die Themen der Zeit hinterfragen, kritisch betrachten und uns dadurch uns selbst und andere weiterbilden. Ich bin heute als Vorsitzender besonders stolz auf unsere Bildungsarbeit, die wir im Gegensatz zur Gesamtpartei nie vernachlässigt haben und die letztlich auch dem Gründungsgedanken der politischen Bildung der Arbeiterjugend noch entspricht. Viele von uns, gerade auch ich persönlich, konnten bei den Jusos lernen wie man umfassend Themen betrachtet, diskutiert und Dinge kritisch hinterfragt. Wie demokratische Diskussionskultur funktioniert, lernt man eben nicht auf der Schulbank. Diese Dinge helfen einem persönlich unwahrscheinlich viel und ebenso einer Verbandsarbeit die nie konfliktfrei ist. Die politische und demokratische Bildungsarbeit muss auch in Zukunft zentrale Aufgabe der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten bleiben und es ist an uns darauf zu achten, dass auch unsere Partei nie diese Basisarbeit aus den Augen verliert. Leider ist politische Bildungsarbeit in der heutigen Zeit nicht mehr so hoch angesehen und wir merken regelmäßig mit welcher Skepsis politischen Verbänden in der Gesellschaft und Öffentlichkeit begegnet wird. Aber gerade auch hier wird großartige Arbeit von vielen ehrenamtlich geleistet und letztlich bildet insbesondere die politische Bildungsarbeit bei jungen Menschen das Fundament einer starken demokratischen Gesellschaft. Dies hat man vor 100 Jahren erkannt und hier gilt es auch für uns die gesellschaftliche Debatte wieder mehr zu beeinflussen. Denn politisch ehrenamtliche Arbeit muss auch in Zukunft den Platz erhalten die sie benötigt und die Anerkennung erhalten, die sie verdient hat. Politik aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und nur Quereinsteiger darin agieren zu lassen wäre eine gefährliche Entwicklung.

Allerdings wollen euch ja heute auch noch die früheren Juso-Generationen einiges zur bewegten Juso-Geschichte erzählen und Louisa gleich zu Felix Fechenbach. Wichtig ist mir aber hier Eingangs noch zu erwähnen, dass insbesondere auch das persönliche Schicksal unseres Gründers uns sehr bewegen muss. Mit 20 hat Felix die Jusos als neues Glied in der Arbeiterbewegung gegründet und musste sich schon wenige Monate später mit den schrecklichen Ereignissen des ersten Weltkriegs auseinandersetzten. Dieser Krieg führte der Sozialdemokratie vor, wie schnell der internationale Gedanke vergessen ist, wenn der Nationalstaat zu den Waffen ruft. Nur 15 Jahre nach dem ersten Weltkrieg wurde er, von den Nazis als politischer Feind eingestuft, kurz nach ihrer Machtübernahme in NRW feige ermordet. Liebe Genossinnen und Genossen, dies muss für unsere ganze politische Arbeit und unser heutiges Handeln noch Mahnung sein: Allen faschistischen und rechtspopulistischen Thesen und Angriffen auf unsere Gesellschaft müssen wir entschieden entgegentreten um eine Wiederholung dieser Geschehnisse zu verhindern. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Und unserer Aufgabe in der Kommunalwahl ist es auch die Rechten offensiv als das zu entlarven was sie sind: Hetzer und Blender die der physischen Gewalt den Boden bereiten. Liebe Freundinnen und Freunde, bitte unterstützt uns dabei. Für die nächsten 100 Jahre wünsche ich den Jusos weiterhin eine positiv prägende Rolle in München! Heute Abend uns noch eine gelungenen Feier - ich hoffe ihr könnt trotz Montag noch eine Weile bleiben und mit uns auf der Party anstoßen!“

Cornelius Müller Ehem. Vorsitzender der Jusos München


100 JAHRE

Felix, Du Glücklicher! Felix Fechenbach 1894 - 1933 Gründer der Jusos München Jubiläumsrede von Louisa Pehle Felix, Du Glücklicher! Mit welchem historischen Ereignis wäre es cooler, in Verbindung gebracht zu werden, als mit der Gründung der Jusos München? Der 03. Februar 1914 ist die Geburtsstunde der Münchner Jusos. An diesem Abend haben sich 25 Jugendliche im damaligen Münchner Gewerkschaftshaus in der Pestalozzistraße versammelt, um eine Jugendorganisation der SPD zu gründen. Ich zitiere aus der Einladung: „Am Dienstag, den 3. Feb, findet im Gewerkschaftshaus im Kleinen Saal eine Zusammenkunft der in Betracht kommenden Jugendlichen (18-21 Jahren) abends 8 ¼ statt, in welcher das Thema behandelt werden soll „Jugend und Partei“. Hierauf soll eine Aussprache stattfinden, um dann die hieraus sich ergebenden Anregungen dem Ausschuss der Partei zur weiteren Behandlung vorlegen zu können. Wir erwarten Ihr Erscheinen bestimmt. i.A. Felix Fechenbach“ Beim Lesen stellt sich die Frage, wie viele Jugendliche einer solch schmucklosen Einladung heute folgen würden. Versammlungsleiter war ein gewisser Felix Fechenbach. Er begründete die Einladung mit folgenden Worten: „Der Jugendliche sieht die Parteibewegung mit anderen Augen als der alte, erfahrene Arbeiter. Er möchte die Bewegung und das ganze Problem des Sozialismus geistig erfassen und er geht mit dem ganzen Idealismus, dessen ein junges begeisterungsfähiges Herz überhaupt fähig ist, ans Werk, um sein Ziel zu erreichen.“ Auf dieser Versammlung am 3. Februar wurde beschlossen, dass für die 18 bis 21- Jährigen regelmäßige Bildungsveranstaltungen organisiert werden sollen, um sie für die Arbeiterorganisationen zu gewinnen.

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Und weiter folgt in der Begründung: „Wenn sich die Partei der Jugend mehr annimmt und sie ihren Eigenarten entsprechend behandelt, dann werden unsere Genossen keine Ursache mehr haben, darüber zu klagen, dass sich die jungen Genossen in der Partei zu wenig betätigen.“ Ein Vorwurf, mit dem wir uns auch heute noch ab und an konfrontiert sehen. Im Protokoll findet sich der schöne Satz: „Dieser Tag ist bedeutungsvoll in der Münchner Parteigeschichte.“ Das ist er, denn heute vor 100 Jahren, auf den Tag und fast auf die Stunde genau, hat Felix Fechenbach die Münchner Jusos ins Leben gerufen. Aber wer war dieser Felix Fechenbach? - Als Sohn eines Bäckers in Würzburg musste er schon früh zum Verdienst der Familie beitragen und hat die Schule als 13-jähriger verlassen. Weil er schon morgens Semmeln austragen musste, war er dort sowieso die meiste Zeit unausgeschlafen gewesen. Er begann eine Ausbildung in einer Schuhwarengroßhandlung, zog nach Frankfurt und verlor seine Arbeit nach einer innerbetrieblichen Tarifauseinandersetzung: Der Arbeitgeber wollte ohne höhere Bezahlung die Arbeitszeit verlängern, Felix wehrte sich und wurde gefeuert.


JUSOS MÜNCHEN

1912 kam er nach München. Dort arbeitete er im Münchner Gewerkschaftshaus. Eine seiner Aufgaben war die Organisation der Arbeiterjugend. So begann er, wie eingangs erwähnt, die Gründung der Münchner Jungsozialisten vorzubereiten. Von 1918 an ist Felix Mitarbeiter von Kurt Eisner. Bereits während der Zeit des 1. Weltkriegs war Kurt Eisner zu einem Freund und politischen Weggefährten von Felix Fechenbach geworden. Gemeinsam organisieren sie Massenveranstaltungen, schreiben Flugblätter und arbeiten auf die Revolution hin. So ist Felix auch bei einer großen Friedenskundgebung im November 1918 auf der Theresienwiese dabei und er ist mitverantwortlich – wenn auch immer im Hintergrund – dass Eisner am 8. November den Freistaat Bayern ausruft. Die CSU hat vielleicht den Chiemsee gegraben und die Alpen aufgeschüttet, aber den Freistaat Bayern, den hat ein Sozialdemokrat ausgerufen! Felix ist auch Augenzeuge bei der Ermordung Kurt Eisners. Später wird er seinen Sohn nach Kurt Eisner benennen und sagt dazu: „Du bekommst den Namen Kurt zum Gedenken an Kurt Eisner, der stets mit seiner ganzen Person und zuletzt mit seinem Leben eintrat für die Empfindungen, die sein Herz bewegten, für die Gedanken, die er im Geiste trug.“ In den kommenden Jahren macht sich Felix als Publizist einen Namen und schreibt für zahlreiche Zeitungen. 1922 erscheint in einer Zeitung des Christlichen Bauernvereins ein Hetzartikel gegen Felix Fechenbach: „Für den Juden Fechenbach ist in ganz Deutschland kein Galgen hoch genug. Staatsanwalt, walte Deines Amtes.“ Kurz darauf wird Felix zu elf Jahren Gefängnis verurteilt (die Beschuldigung lautet auf Landesverrat), aber zwei Jahre später auf Bewährung entlassen. Er verkörperte in einer Person alles, was die Nazis hassten: den Juden, den Pazifisten, den Sozialdemokraten, den mutigen Publizisten. Und der Hass der Rechten verfolgte den demokratischen Sozialisten Felix Fechenbach weiter. Im Lippischen Kurier hieß es 1933: „Jüdische Unverschämtheit: Der Landesverräter Fechenbach beschimpft Adolf Hitler. Der Jude, der so namenloses Unglück über unser Volk brachte, da er durch seinen Landesverrat mitschuldig wurde […], dieser Jude bringt die Frechheit auf, ausgerech-

net einem deutschen Frontsoldaten „Landesverrat“ vorzuwerfen. Im kommenden Deutschland, im Dritten Reich, da werden die Akten über den Landesverrat Fechenbachs nicht geschlossen bleiben. Dann wird der Schandfleck getilgt werden, um der Ehre der Nation und um der Gerechtigkeit willen.“ Am 11. März wird in Lippe zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen und die Nazis besetzen das Haus, in dem die örtliche SPD und die Redaktion des Detmolder Volksblattes untergebracht sind. Und die Nazi-Zeitung triumphiert: „Der Jude Fechenbach wird in Schutzhaft genommen.“ Am 7. August 1933, fünf Monate nach seiner Festnahme, wird Felix, 39 Jahre jung, auf der Fahrt ins KZ Dachau ermordet. Zum Schluss will ich aus der Rede Felix Fechenbachs heute vor 100 Jahren zitieren: „Die Parteileitung sieht in den Jugendlichen kleine Erwachsene. Die Jugendlichen selbst betonen aber ihre Jugend und wollen nicht Erwachsene en miniature spielen. Und dagegen wollen wir uns wehren. Die Jugend wird ihre Besonderheiten gegenüber den Erwachsenen immer betonen müssen und ihr Recht auf eine andere Lebensführung. Wir wollen nicht erwachsen sein. Nein, jung wollen wir sein. Denn das ist ja gerade das heilige Vorrecht der Jugend vor dem Alter. Und darin liegt der hohe sittliche Wert unserer Jugendbewegung. Aus unserer Jugend schöpfen wir Kraft für unsere Ideale. Nimmt man der Bewegung den Charakter der Jugend, dann hat die Bewegung jede Existenzberechtigung verloren. Es bestehen nicht Gegensätze politischer Natur. Es ist der ewige Konflikt zwischen der zur Tradition erstarrten Vergangenheit und den neuen Lebensidealen. Auf der Fahne der Jugendsektion steht nicht nur der Louisa Pehle Sozialismus, sondern vor allem Beisitzerin für auch die Jugend. Streicht man Mitglied erbetreuung diese, dann kann die Fahne ruder Jusos München hig im Glaskasten eines Parteibüros aufbewahrt werden.“

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100 JAHRE

100 Jahre Jusos München Ein Jahrhundert im Dienste des Demokratischen Sozialismus von Milos Vujovic

1915 Die Sektion der 18-jährigen

Vor nun gut 150 Jahren begannen sich Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland politisch zu organisieren. Von den noch etwas bescheideneren Anfängen der schlesischen WeberInnen über die Gründung des ADAV 1863 und der SDAP 1869 zu den großen Demonstrationen der Novemberrevolution 1918. Ebenso brachte sie dabei große Persönlichkeiten hervor, ohne die Heute die Geschichte und Fortschritt von gesellschaftlichen Gemeinwesens nicht mehr denkbar sind. Es seien hier nur Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Karl und Wilhelm Liebknecht, August Bebel, Friedrich Ebert, Marie Juchacz, Otto Wels und Willy Brandt zur Verdeutlichung genannt. Dabei ist die Geschichte der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung von vielen Rückschlägen, Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten, aber auch von nicht weniger Erfolgen, Reformen und Neuanfängen geprägt. Sie zeichnete sich seit ihrer Entstehung stets durch eine be-

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merkenswerte Anpassungsfähigkeit an die gegebenen Umstände und Anforderungen aus, seien diese noch so ungünstig. Hierbei sei nur exemplarisch die Organisation in Bildungs-, Kultur- und Sportvereinen zur Zeit des Bismarck‘schen „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ von 1878 bis 1890 erinnert. Trotz der erschwerten Arbeitsbedingungen und dem faktischen Verbots sozialdemokratischen Wirkens auf dem Territorium des deutschen Kaiserreiches, blieb Tätigkeit der damaligen Genossinnen und Genossen ungebrochen. Schnell nach der Aufhebung der Sozialistengesetze wurde die SPD sodann auch folgerichtig Stärkste politische Kraft im Reichstag. Seine Anpassungsfähigkeit bewies das Proletariat in Form der Sozialdemokratie auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts als gerade bei jungen und jugendlichen ArbeiterInnen ein Nachlassen im Organisationswillen befürchtet wurde. Nicht, weil die Soziale Frage kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges auf wundersame Art und Weise durch das liberale Bürgertum und konservative Machteliten beantwortet worden wäre, oder die Sozialdemokratie all ihre Forderungen durchgesetzt hatte, sondern weil es gerade die ArbeiterInnenjugend war, die sich durch die älteren Generationen ihrer Klasse weniger vertreten fühlte, als dieses wünschenswert gewesen wäre. Eine eigene Gliederung zur Organisation der jungen ProletarierInnen existierte zu diesem Zeitpunkt nicht. Um diesem aufkommenden Schwund


JUSOS MÜNCHEN

entgegenzuwirken, beschloss am 15.09.1912 die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auf ihrem Parteitag zu Chemnitz die Gründung der sog. Jugendsektionen mit dem Ziel einen auf junge Arbeiterinnen und Arbeiter im Alter von 18 bis 21 (oder später 23 Jahren) zugeschnittenen Bildungsauftrag zu erfüllen, sowie dazugehörige Veranstaltungen zu organisieren. Im Zuge dieses Beschlusses wurde in den regionalen Gliederungen damit begonnen, Vorbereitungen für die Gründungen der jeweiligen Jugendsektionen zu treffen. So auch in München. Aufgrund langwieriger Diskussionen sollte es jedoch nicht vor 1914 geschehen, dass auf Anweisung des Parteiausschusses, heute würde Mensch eher vom Parteivorstand sprechen, ein gewisser Journalist, Dichter und Jungpolitiker Namens Felix Fechenbach die Gründung der Münchner „Sektion der Achtzehnjährigen“ vorantrieb und am 03. Februar auf einer Versammlung formal gründete, ehe er wenige Monate später zum Kriegsdienst eingezogen wurde, wo er den späteren bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner kennenlernte. Ebendieser 03. Februar gilt bis zum heutigen Tage als das Gründungsdatum der Jusos München, die damit auch die älteste jungsozialistische Gliederung ist. Bemerkenswert ist, dass auch wenn sich im Vergleich zum heutigen Tage die Strukturen und Arbeitsweise der frühen JungsozialistInnen zum Teil deutlich unterscheiden, die grundsätzliche Idee im Bereich der Veranstaltungen, aber auch der Streit- und Diskussionslinien zur eigenen Mutterpartei teilweise bis dato fortbesteht.

So war es gerade eine autonome Organisation und Verwaltung der Jugend noch ferne Zukunftsmusik. Den Vorsitz über die in den Augen der AltgenossInnen ungestüme Jugend hatte eine(r) von drei vom Parteivorstand bestellten GenossInnen inne, während die zu verwaltenden Mitglieder der Partei unter 23 lediglich eine(n) StellvertreterIn und eine(n) SchriftführerIn wählen durften. Zu, wie es damals hieß, Übungszwecken sollte dann die oder der Vorsitzende seiner jüngeren Stellvertretung einige Aufgaben überlassen werden, um an diesen wachsen zu können. Erfahrungsgemäß reagieren Jusos nicht unbedingt positiv auf ein solches Maß an Bevormundung und so blieb dieser Streitpunkt über mehrere Jahre hinweg eines der bedeutenden Themen im Dialog zwischen Jugendsektion und SPD. Dieser Disput zu Zeiten der Gründung der Jusos kann durchaus auch als ein gewisses Vorzeichen für die Linkswende der 1960er Jahre gewertet werden. Auf der anderen Seite ließ sich die Parteijugend aber auch nicht von der inhaltlichen Arbeit und ihrem Bildungsauftrag abhalten. Bereits wenige Monate nach der Gründung der Jugendsektion waren vielfältige Veranstaltungen im Terminkalender aufzufinden. Neben den schon damals stark vertretenen inhaltlichen Veranstaltungen über Sozial- und Wirtschaftspolitik, Internationales, Gleichstellung und Antimilitarismus bei denen die GenossInnen mit Persönlichkeiten wie Kurt Eisner diskutierten, sind auch zahlreiche andere Veranstaltungen organisiert worden. Sehr prominent vertreten waren zum Beispiel Wandertage in das Münchner Umland, Lesekreise für marxistische Literatur, Lieder- und Singabende sowie Abende, die dem Vortragen von Gedichten und anderen Inhalten geistiger Ertüchtigung sowie Unterhaltung vorbehalten waren. Dies bedeutete im Jahr dann auch gerne 100 bis 120 Veranstaltungen. Wer wollte, war also auch damals schon durchaus in der Lage, sein ganzes Jahr nach dem Veranstaltungskalender der Jusos zu organisieren, wenn nicht gerade dem eigenen Beruf nachgegangen werden musste. Im Zuge innerparteilicher Streitigkeiten wurden, wie auch alle anderen Juso-Gliederungen, die Jusos München ab dem Jahre 1931 durch die SPD aufgelöst. Für viele Jusos bedeutete dies dann den Austritt aus der SPD und einen Übertritt in die damals neu gegründete SAP (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands). Im Übrigen tat dies auch ein 17-jähriger Junge aus Lübeck ohne jedoch vorher Mitglied der SPD gewesen zu sein,

1915 Gruppenbild in der Scheune

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Die Jusos sollten erst nach Ende des 2. Weltkriegs 1946 erneut gegründet werden. Ab diesem Zeitpunkt allerdings als Sektion der unter 35-jährigen in der SPD. Ihrem Charakter nach handelte es sich damals um eine klassische linientreue Parteijugendorganisation. Bei den Nachkriegs-Jusos handelte es sich mehrheitlich um schon erprobte, z.T. auch im Kriegsdienst gewesene, jedoch der Partei loyale GenossInnen, die über den Zweifel faschistisch oder illoyal zu sein erhaben waren. Diese Strukturen sollten sich allerdings mit fortschreitendem Alter der Bundesrepublik bzw. der damaligen Jusos und dem Eintritt neuer Generationen in die SPD ändern. Der Verband wurde mit den Jahren jünger und stärker akademisch geprägt, aber auch linker und unabhängiger.

1973 Juso-Information zum Thema Wohnungsbau

der später als Willy Brandt einen gewissen Bekanntheitsgrad in der SPD und der deutschen sowie internationalen Politik erlangen sollte. Die Jusos existierten formal auf mehr als ein Jahrzehnt nicht mehr. Felix Fechenbach hatte seit der Gründung der Jusos München derweil ein sehr durchwachsenes Schicksal. Nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war, wurde er sehr schnell persönlicher Sekretär des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Zu Zeiten der Münchner Novemberrevolution war er es, der an der Ausrufung der Republik und deren bestehen beteiligt war. Nach dem Ende der roten Republik in München arbeitete Fechenbach für in- und ausländische Zeitungen, ehe er 1922 wegen Landesverrats verurteilt und bis zu seiner Begnadigung 1924 im Zuchthaus eingesperrt war. Bis 1933 arbeitete er in Berlin und Detmold für den Vorwärts und das Volksblatt. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Fechenbach in Schutzhaft genommen und bei seiner Überführung von Detmold in das Konzentrationslager Dachau am 7. August durch Mitglieder der SA und SS ermordet.

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Es sollte jedoch nicht vor 1969 geschehen, dass es zu fundamentalen Veränderungen kam. Die fundamentalen Umwälzungen in den Jusos sollten wieder ihren Ausgang in München finden. So vollzog der Bundesverband die emanzipatorischen Entwicklungen, die sich im Unterbezirk der Landeshauptstadt schon seit einiger Zeit bildeten, bei seinem als Linkswende in die Analen der Jusos eingegangenen Kongress in der Alten Kongresshalle auf dem Messegelände im Rücken der Bavaria. Es war nun dies der historische Augenblick, seit dem sich die Jusos als links in der SPD stehender sozialistischer Richtungsverband verstehen und den Anspruch erheben aktiv auf Arbeit und Programm der Partei Einfluss zu nehmen. Die Linkswende war der Ausgangspunkt des bisherigen Höhepunktes der Mitgliederzahlen der Jusos, als sie rund ein Drittel der Mitglieder der Sozialdemokratie ausmachten. Politisch bedeutete dies für die SPD aber auch eine Zeit des Konflikts. Nach dem Selbstverständnis der Jusos musste nämlich das Ziel die Demokratisierung aller Lebensbereiche, in Wirtschaft wie auch im Staate, sein. Schlagworte wie Verstaatlichung oder Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien oder auch eine Landreform waren gängig in den theoretischen Diskussionsrunden der JungsozialistInnen, die sich damals auch dem Feminismus zuwandten. Gleichzeitig bekräftigten Jusos wiederholt ihre Solidarität mit Befreiungsbewegungen, Freiheitskämpfen und AntifaschistInnen weltweit. Die Jusos als sozialistischer, feministischer und internationalistischer Verband waren geboren.


JUSOS MÜNCHEN

Selbst in der Zeit der brandtesianischen SPD waren Partei und Jugend auch in München nicht unbedingt zu vereinbaren. Es sollte sich der Ausspruch Fechenbachs wiederholt bewahrheiten, dass die Jugend nicht Besitz dieser oder jener Partei sei, sondern sich die Jugend zu jener Partei bekenne, die sie nicht in ihren Äußerungen bevormundet. Die SPD war dabei diese Lektion erst zu lernen. Anfang der 70er Jahre eskalierte der Konflikt zwischen Münchner Parteiführung und Jugendverband nämlich deutlich. Ideologische Diskussionen und praktische Politik zwischen Rathaus, Partei und Vorgehen der JungsozialistInnen divergierte schlussendlich soweit, dass der damalige Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel sich außer Stande sah, erneut anzutreten und abtrat. Nicht jedoch ohne die Demontage des damaligen JusoUnterbezirksvorstandes mit voranzutreiben. Zusammenfassen lässt sich diese Zeit als eine enormer Turbulenzen und tiefer Risse in der SPD in München, aber auch höchster philosophisch-politiktheoretischer Diskussionen. Als nur ein Beispiel sei genannt, dass Analysen des chinesischen ökonomisch-gesellschaftlichen Systems im damaligen Publikationsorgan des JusoUnterbezirks auf über 20 Seiten durchgeführt wurden und bis in das zweite vorchristliche Jahrtausend zurückgehen konnten. Eine ganzheitliche wissenschaftliche

it

2008 Jusos München am Tag der Arbe

Analyse also, die der/dem geneigten LeserIn auch einiges an Zeit abverlangte, da es sich mit Sicherheit nicht um den einzigen Artikel einer Ausgabe handelte. Eine Zeit, die noch immer nach einer Person sucht, eine minutiöse historische Aufarbeitung und Analyse durchzuführen. In den nächsten Jahren lässt sich die Aktivität qualitativ wie quantitativ nicht mehr in dem selben Maße durch schriftliche Quellen bezeugen wie in den Jahren der Linkswende. Der Konflikt zwischen Jugendverband und Partei hatte beiderseits immense Ressourcen gefordert. Andererseits zehrt die Sozialdemokratie bis zum heutigen Tage von dieser Zeit. So darf die damalige Forderung nach einer Bodenreform zweifelsohne als eine der Wurzeln der heutigen Sozialen Bodennutzungspraxis der Landeshauptstadt gelten. Bedeutend für die weitere Entwicklung des Verbands ist die aufkommende Friedensbewegung und AntiAtomkraftbewegung der 1980er Jahre. Ökologie und ein noch stärkerer Fokus auf friedliche Konfliktlösung wurden in die politische Arbeit der Jusos inkorporiert. Markenzeichen, die auch die erfolgreiche Arbeit der rot-grünen Stadtregierung der 1990er und 2000er Jahre kennzeichneten. Ein Beweis, dass erfolgreiche jungsozialistische Arbeit sehr wohl in eine erfolgreiche linke praktische Politik für die Menschen resultieren kann und dass Inhalte im politischen Alltag Personen vorzuziehen sind. Bis zum heutigen Tage gilt dies für die Arbeit des Münchner Juso-Unterbezirks, dass aktives Einmischen und konkrete Inhalte für die Sozialdemokratie als gesundes Korrektiv bestehen und integraler Bestandteil sowie Grund programmatischer Stärke sind und bleiben. Im Sinne Fechenbachs besitzen die Jusos München auch weiterhin sowohl den Willen, als auch die Kühnheit aus dieser bürgerlichen Republik eine sozialistische zu machen.

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Neuwahlen bei den Jusos München Lena Sterzer folgt auf Cornelius Müller

Abschied vom Vorsitz der Jusos München

Liebe Genossinnen und Genossen, hauptversammlung und am 13. Dezember 2014 lädt der Vorstand zur diesjährigen Jahres München in das Jusos zum gemeinsamen Abschluss des 100. Jahres der s lebendigen, unsere Spitze der Gewerkschaftshaus. Dann werde ich volle drei Jahre an Jahr, mit letzten genden anstren t aktiven Verbands gestanden haben. Nach einem äußers und Ideen neuen mich, für Zeit der an es Wahlkämpfen und unserem großen Jubiläum, ist der nd Vorsta den für mehr nicht Jahr dieses neuer Energie Platz zu machen. Ich werde Jusos München kandidieren. der SPD. Inhaltlich werde Selbstverständlich ist dies noch kein Abschied von den Jusos in mich weiter vertieft mit ich weiter im Verband mitarbeiten und freue mich darauf, politik beschäftigen politischen Fragestellungen zur Kommunal-, Wirtschafts- und Arbeits zu können. zu sagen! Im Moment bleibt für mich aber nur noch ganz ganz herzlichen DANKE Veranstaltungen, aren, Semin Danke für die ungezählten Stunden auf Sitzungen, durchzechten und Partys zuletzt Kongressen, Demonstrationen, Wahlkämpfen und nicht lernen – aber selbst mich auch und en Nächte! Ich durfte sehr sehr viel über Politik, Münch hiedlichsten untersc mit hen Mensc nde vor allem durfte ich großartige und spanne lernen. kennen ten Ansich Hintergründen und mit unterschiedlichen , uneingeschränkte Ich danke euch für Feedback, Inspiration, Kraft und vor allem erlebte Tagen! Solidarität – auch an schwierigen Kritik und positive Danke fürs Mitdenken und -lenken, danke für konstruktive Horizont zu erweitern Rückmeldungen! Viele von euch haben dazu beigetragen meinen lange halten werden! und es sind viele gute Freundschaften entstanden, die sicher noch München und eine Ich wünsche uns ein erfolgreiches restliches 100. Jahr der Jusos eine gelungene sowie spannende Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen Jahresabschlussfeier! Freundschaft! Euer Cornelius

JHV 2014

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Partei

Am 13.12.2014 fand die Jahreshauptversammlung der Münchner Jusos im Gewerkschaftshaus statt. Neben dem Schwerpunktthema „Flüchtlinge in München – wie geht es weiter?“ standen Vorstandsneuwahlen und einige inhaltliche Anträge auf der Tagesordnung. Nach der Eröffnung und Begrüßung durch den Vorsitzenden Cornelius Müller informierte das Münchner Sozialreferat über die aktuelle Lage der Geflüchteten in München. Betont wurde unter anderem die große Solidarität der Bevölkerung: seit Oktober wurden in München bereits über 300.000 € gespendet und etwa 2000 Bürgerinnen und Bürger haben sich ehrenamtlich für die Geflüchteten engagiert. In der anschließenden Diskussion herrschte große Einigkeit darüber, dass ehrenamtliche Hilfe zwar großartig sei, der Freistaat Bayern aber endlich seiner Verantwortung nachkommen und die Arbeit in hauptamtliche Hände legen muss. Danach standen die Wahlen des neuen Vorstands im Mittelpunkt. Cornelius Müller trat nach 3 Jahren als Vorsitzender der Jusos München nicht mehr an. „Nach einem ereignisreichen letzten Jahr ist es an der Zeit für mich, neuen Ideen und neuer Energie Platz zu machen.“ begründet er seine Entscheidung, „selbstverständlich ist dies noch kein Abschied von den Juso. Inhaltlich werde ich weiter im Verband mitarbeiten und freue mich darauf, mich weiter vertieft mit politischen Fragestellungen zur Kommunal-, Wirtschafts- und Arbeitspolitik zu beschäftigen.“ Die Delegierten der 4 Münchner Regionalverbände wählten anschließend Lena Sterzer mit 92% aller Stimmen zur neuen Vorsitzenden. „Die Jusos München haben dieses Jahr nicht nur den Kommunal- und Europawahlkampf aktiv mitgestaltet, sondern auch mit einer großen Veranstaltung ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Im Sommer haben wir uns am Erneuerungsprozess der Münchner SPD beteiligt. Nun ist Zeit für eine vertiefte inhaltliche Arbeit. In den kommenden Monaten wollen wir uns besonders mit dem Thema

Wachstum in unserer Stadt und dessen sozialer Ausgestaltung beschäftigen. Hier brauchen wir dringend Antworten“ stellt Lena Sterzer das Arbeitsprogramm für 2015 vor. Gleichzeit appelliert sie an den Verband, dass dieser nur von den Ideen und dem Engagement der Aktiven lebe. Als stellvertretende Vorsitzende wurden Eva Blomberg (Besitzerin für Kampagnen) und Milos Vujovic (Beisitzer für Publikationen) gewählt. Ebenfalls im neuen Vorstand sind Louisa Pehle (Mitgliederbetreuung), Marius Köstner (Politische Bildung), Hannah Hefermehl-Fischer (Frauenbeauftragte) und Frederik Knape (Onlinekommunikation). Der Beisitz für Onlinekommunikation wurde vorher durch eine Satzungsänderung neu geschaffen, um der zunehmenden Bedeutung digitaler Informationsmedien gerecht zu werden. Auch die VertreterInnen der Regionalverbände wurden neu gewählt: Nadine Ponsel vertritt zukünftig den RV West, John Paul Palacios den RV Nord, Philip Degenfelder den RV Süd und Rene Baldeau den RV Ost. Neben einigen Anträgen wurde auf der Jahreshauptversammlung auch eine Resolution anlässlich vermehrt stattfindender Anschläge auf linke Einrichtungen verabschiedet. Der Anschlag auf die Parteizentrale der Münchner Linkspartei auf der Schwanthalerhöhe reiht sich ein in eine lange Reihe von Anschlägen auf linke Einrichtungen, Wohnprojekte, Freiräume und vor allem auch Personen in München und der Region. Die Jusos München erklären sich solidarisch mit progressiven linken Zusammenschlüssen und Personen, die von der Repression der bayerischen Staatregierung betroffen sind und die Opfer von Anschlägen geworden sind. Grußworte wurden vom Vorsitzenden der Jusos Bayern Tobias Afsali, den Schwusos, vertreten durch PaulJonathan Berger, und dem Münchner Bundestagsabgeordneten Florian Post gehalten. Auch Juso-Stadtrat Jens Röver und die Vorsitzende der Jusos Oberbayern Julia Rothmayer dankten dem scheidenden Vorsitzenden und wünschten dem neuen Vorstand ein erfolgreiches Jahr. Lediglich der Vorstand der SPD München fand keine Zeit für ein Grußwort. von Hannah Hefermehl-Fischer

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10 Jahre Hartz IV von Daniela Beck

Sozialdemokratie – dieser Begriff beschreibt normalerweise eine Politik, die die Interessen der ArbeitnehmerInnen und der sozial schwächeren Schichten in den Parlamenten verteidigt, die sich für faire Arbeitsverhältnisse und menschenwürdige Sozialleistungen einsetzt. Dass ausgerechnet die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder heute stellvertretend für eine Regierung steht, die sich von diesen Prinzipien so weit entfernt hat wie kaum eine andere, hat nicht nur das Vertrauen der Wähler, es hat auch die SPD tief erschüttert. Mit der Agenda 2010 hat die Partei einen Kurs eingeschlagen, dessen Konsequenzen bis heute nicht nur in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, sondern auch innerhalb der SPD tiefe Einschnitte hinterlassen hat. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Es ist das Jahr 2003. Bundeskanzler Gerhard Schröder steht unter Zugzwang. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 11 Prozent, mehr als 4 Millionen Menschen sind ohne Job. Besonders die Sockelarbeitslosigkeit ist ein Problem. Sie steigt seit den siebziger Jahren kontinuierlich. Das Bruttoinhaltsprodukt sinkt, Deutschland verletzt die Kriterien des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Zehn Jahre später. Mit fast 42 Millionen hat Deutschland so viele Erwerbstätige wie noch nie. Die Arbeitslosigkeit lag im Jahresdurchschnitt zuletzt unter 3 Millionen. Doch ein Großteil der Bürger hat keinen Anteil am neu erwirtschafteten Wohlstand. Der Anteil der Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor liegt bei über 20%, die Zahl der Leiharbeiter hat sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Prekäre Beschäftigung ist zum Massenphänomen geworden.

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Dazwischen liegt die größte Arbeitsmarkt- und Sozialreform der deutschen Geschichte. „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern“ - was Schröder am 14. März 2003 in seiner Regierungserklärung ankündigt, sollte das Leben vieler Bürger nachhaltig verändern. Und die SPD in eine der schwersten Krisen ihrer Geschichte stürzen. Denn Schröder lässt genau diejenigen am teuersten für den wirtschaftlichen Aufschwung bezahlen, deren Rechte die Sozialdemokratie bisher stets verteidigt hat: Die ArbeitnehmerInnen und die sozial Schwachen. Um die Kosten für Sozialleistungen einzudämmen, wendet sich die SPD-geführte Bundesregierung von der bisherigen Praxis ab, Arbeitslosenhilfe als Versicherungsleistung auszusehen, deren Höhe vom bisherigen Einkommen abhängig ist und die zeitlich unbegrenzt beansprucht werden kann. Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden zum Arbeitslosengeld II, dem sogenannten „Hartz IV“, zusammengelegt und den ArbeitnehmerInnen so die Möglichkeit genommen, sich durch langjährige Erwerbsarbeit gegen Armut abzusichern. Wer seinen Arbeitsplatz verliert und unter 50 Jahre alt ist, wird nun nach spätestens 12 Monaten zum Hartz IV-Empfänger. Parallel zur Einführung des ALG 2 streicht die rotgrüne Koalition die bisher gültigen Zumutbarkeitsregeln. Empfänger von Arbeitslosengeld sind seitdem verpflichtet, praktisch jede Arbeit anzunehmen.


Kommentar

Die Angst davor, vom angesehenen Akademiker zur Aushilfe für geringqualifizierte Tätigkeiten abzusteigen, reicht seither weit bis in die gutausgebildete Mittelschicht hinein. Ironischerweise macht Schröders Politik gleichzeitig den Weg frei für Arbeitsverhältnisse, die ArbeitnehmerInnen keine Arbeitsplatzsicherheit garantieren. Um Arbeitslosen den Einstieg in die Berufswelt zu erleichtern, gestaltet sie Leiharbeit für Unternehmen attraktiver: Bisher gültige zeitliche Beschränkungen werden gestrichen. In der Folge steigt die Zahl der LeiharbeiterInnen steigt rasant. Waren 2003 gerade einmal etwas über 300.000 Menschen in Leiharbeit beschäftigt, sind es heute bereits über 900.000. Ein Jobwunder? Nur auf den ersten Blick. Denn gerade einmal die Hälfte der neuen Stellen sind auch wirklich neue Arbeitsplätze. Die anderen haben besser bezahlte, unbefristete Jobs vernichtet. Was ursprünglich als Hilfe für Arbeitssuchende geplant war, hat sich als zweischneidiges Schwert erwiesen.

Eher einen Bumerang-Effekt als echte Chancen für Langzeitarbeitslose hat auch die Ausweitung einer anderen Beschäftigungsform nach sich gezogen: Der Minijobs. Genau wie Leiharbeit waren auch Minijobs ursprünglich als Übergangslösung gedacht, die mehr Menschen in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen sollten. Gerade für Frauen, die nach längeren Erziehungszeiten wieder in den Job zurück wollen, so glaubten die Agenda-Reformer, könnten sie eine Lösung bieten. In der Tat sind es Frauen, die heute die große Mehrheit der MinijobberInnen bilden. Doch eine berufliche Perspektive bieten ihnen die Jobs nicht. Von den mittlerweile 7,5 Millionen Minijobbern, so eine neue Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, schafft im Schnitt gerade einmal jede/r siebte den Sprung in eine Vollzeitstelle. Auf eine reguläre Teilzeitstelle mit mindestens 20 Stunden pro Woche kann nur jede/r vierte MinijobberIn hoffen.

Der Statistik sieht man diese Schwierigkeiten nicht an, die Arbeitslosenzahlen zählen jede Beschäftigung als Erfolg. Dass seit Beginn des „Jobwunders“ rund zwei Millionen neue Minijobs entstanden sind, verschweigen die Erfolgsmeldungen. Dabei werden besonders in kleinen Betrieben reguläre Arbeitsplätze häufig durch Minijobs ersetzt. In Folge der Agenda 2010 mag die deutsche Wirtschaft vielleicht nicht mehr der „kranke Mann Europas“ sein. Doch an ihrer Stelle ist nun ein anderer Patient in Not geraten: das soziale Gefüge in Deutschland. Minjobs und Leiharbeit haben dazu beigetragen, dass heute in Europa nur noch Lettland, Litauen, Rumänien und Polen einen höheren Anteil an Geringverdienern haben, als die Bundesrepublik. Selbst die EU hat Deutschland mittlerweile aufgefordert, die Wettbewerbsverzerrung durch Dumpinglöhne zu beenden. Zwar bestand durch die Globalisierung bereits vor 2003 ein Trend zu niedrigeren Löhnen für gering qualifizierte Beschäftigung, doch anstatt dem sich ausbreitenden Lohndumping etwas entgegenzusetzen, hat Schröders Politik schlecht bezahlte und prekäre Beschäftigung nur zusätzlich gefördert. Besonders absurd erscheint dabei, dass die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ein anderes dringendes Problem verschärft hat, dass die Agenda 2010 eigentlich lösen wollte: die drohende Altersarmut. Bei Schröders Amtsantritt sind die Rentenkassen überlastet, der demographische Wandel und die aufgrund der wirtschaftlichen Misere stagnierenden Einnahmen belasten das System. Rot-grün reagiert mit der Einführung des sogenannten „Nachhaltigkeitsfaktors“ auf die missliche Lage. Er sieht vor, dass sich das Rentenniveau an der Menge von Beitragszahlern im Verhältnis zu den Rentenbeziehern orientiert. Sinkt ihre Zahl, wird auch der Rentenanstieg gedämpft. Zusätzlich wird die private Altersvorsorge mit der Riesterrente gefördert. Zwar gelingt es so, die Beitragssätze langfristig unter 20 Prozent zu halten, doch gleichzeitig sorgt der Nachhaltigkeitsfaktor bis heute für eine Stagnation des Rentenniveaus. Zudem werden unterbrochene Erwerbsbiographien durch prekäre Beschäftigung, Niedriglöhne von Werks- und Leiharbeitern und Minijobs ohne Sozialabgaben Millionen von Beschäftigten auf direktem Weg in die Altersarmut führen.

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Kommentar

Im Bewusstsein der Menschen steht die Agenda 2010 heute deshalb vor allem für zwei Dinge: Für unsichere Arbeitsverhältnisse und für die Angst vor sozialem Abstieg. Dass Schröder die „Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und für mehr Beschäftigung“ nicht nur durch soziale Kürzungen erreichen wollte, weiß heute noch kaum jemand. Die – viel zu – wenigen wirklich sozialdemokratischen Ansätze der rot-grünen Reformen, wie die Erhöhung der Bildungsausgaben um 25% oder Milliarden-Investitionen in den Ausbau von Ganztagsschulen, haben das öffentliche Bewusstsein nie wirklich erreicht.

„Hartz IV hat die Schuld an der Arbeitslosigkeit an diejenigen abgeschoben, die arbeitslos sind.“

Mit Schröders Politik hat sich die SPD daher nicht nur ihrer über 100jährigen Geschichte als ArbeiterInnenPartei den Rücken gekehrt, sie hat auch das Vertrauen der WählerInnen verspielt. 2005 erreichte sie bei den Bundestagswahlen noch 34,2 % der Stimmen. 2009 waren es gerade einmal noch 23 %. Was offen bleibt ist die Frage, ob die Agenda 2010 wirklich nötig war, um Deutschland aus seiner wirtschaftlichen Talfahrt heraus zu führen. Die Antwort darauf steht bis heute nicht fest. Denn obwohl Wirtschaftsvertreter die Agenda oft als notwendigen Wachstumsmotor loben, streiten Ökonomen noch immer darüber, ob die Ursache für das deutsche Wachstum wirklich in den Reformen, oder vielmehr im Aufschwung der Weltwirtschaft ab 2006 zu suchen ist. Auch die SPD hat der Streit über die Notwendigkeit der Agenda tief gespalten. Doch so umstritten der Nutzen der Agenda-Reformen in der Vergangenheit auch sein mag, so eindeutig sind ihre negativen Folgen in der Gegenwart. Deshalb sollten wir als SozialdemokratInnen endlich erkennen, dass der Streit um den Sinn oder Unsinn der Agenda im Jahr 2003 kein Ergebnis und der SPD keine neuen Wählerstimmen bringen wird. Eine Lösung der aktuellen Probleme, die als Folgen der Agenda entstanden sind, dagegen schon.

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Internationales

In Bordeaux bei der MJS Gironde Ein Reisebericht von Viola Herberger

Schon seit längerem planten wir als Jusos München einen politischen Austausch mit unseren GenossInnen aus Bordeaux ins Leben zu rufen. Kontakte zu diesen hatten wir unter anderem auf dem ECOSY-Camp in Kroatien geknüpft. Dieses Frühjahr im April waren dann endlich alle organisatorischen Hindernisse aus dem Weg geräumt und eine kleine Gruppe Münchner Jusos konnte unsere GenossInnen der MJS Gironde endlich zum Wissensaustausch auf politischer und gesellschaftspolitischer Ebene besuchen. Besonders das Thema Wasserprivatisierung sollte vor Ort diskutiert werden.

Abends fuhren wir zu einem Vortrag der MJS, mit Jacqueline Madrelle, Präsidentin der Stiftung Frankreich Libertés Gironde, als Vortragende mit anschließender Diskussion. Von den französischen Genossinnen und Genossen wurden wir dort sehr herzlich empfangen und durften einer Diskussion zum Thema „Wasser als gemeinsames Gut der Menschheit“ beiwohnen. Bei dieser Gelegenheit stellte unser Vorsitzender Cornelius Müller den französischen Genossinnen und Genossen die Right 2 Water – Kampagne vor, die ja Inhaltlich sehr gut zum Thema passt. Nach der Diskussion wurden wir von den GenossInnen der MJS noch Frankreichtypisch mit Käse und Baguette bewirtet und ein Teil der Jusos vertiefte den politischen Austausch bei einem Gläschen Wein in entspannter Atmosphäre.

Am Donnerstag dem 11.04.2013 ging es dann endlich los. Die erste Hürde den Flug um kurz nach 7 Uhr zu erreichen wurde erfolgreich gemeistert und am frühen Nachmittag kamen wir in Bordeaux an. Dort machten wir uns zunächst einmal auf etwas zu Essen zu finden, was sich mit acht Personen als schwieriger als gedacht herausstellte.

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Am Freitag trafen wir uns nach einer Besichtigungstour durch Bordeaux mit 2 Genossen der MJS, die uns die dortige kommunalpolitische Lage in Bezug auf das Thema Wasserprivatisierung erklärten. In Bordeaux ist das Wasser leider im Moment in privater Hand, was sich natürlich auf die Qualität und den Preis negativ auswirkt, wovon wir uns ja selbst überzeugen konnten. Den Abend verbrachten wir, wiedermal nach langer Suche, in einer typisch französischen Creperie, in der wir zu acht Platz fanden. Der Samstag begann mit einem Besuch in Saint Emillion, einem kleinen Dorf, um das herum es sehr viele Weingüter gibt. Natürlich besichtigten wir auch eines davon, auf dem wir eine sehr unterhaltsame Führung vom Winzer erhielten und auch mal ein Glas verkosten durften – selbstverständlich nicht, ohne vorher eine fachkundige Einweisung zum Thema „Wein testen“ erhalten zu haben. Danach ging es weiter zum Weinfest nach Blaye, wo wir das Gelernte gleich erneut in die Tat umsetzen durften, da dort die Winzer der Region ihre Weine zur Verkostung anboten. Nach einem anstrengenden Tag fuhren wir wieder zurück nach Bordeaux. Einige von uns um ein paar Mitbringsel für daheim reicher. Abends trafen wir noch einige französische Genossinnen und Genossen um uns in entspannter Atmosphäre über politische Themen auszutauschen. Am nächsten Tag fuhren wir mit den GenossInnen der MJS Gironde nach Arcachon (ca. 80 km südlich von Bordeaux) um sie bei ihrer Kampagne gegen die rechte Partei, Front National zu unterstützten. Flyerverteilen ohne oder mit geringen Französisch-Kenntnissen war anfangs schwierig, doch die offene Art der meisten PassantInnen machte es uns leichter.

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Danach gab es ein französisches Picknick, das die GenossInnen vor Ort organisiert hatten. Nach dieser Stärkung fuhren weiter Richtung Meer an die Dune de Pylar, Europas größte Wanderdüne, die wirklich sehr beeindruckend ist, aber leider auch erst mal bestiegen werden muss, um an den Strand zu kommen. Am Strand angekommen trauten sich dann auch einige mutige ins 12 Grad kalte Wasser. Zum Abschluss schlenderten wir am Montag nochmal durch Bordeaux, diesmal sogar beischönem Wetter. Mittags machten wir französisches Picknick im Jardin de Publique. Einige von uns besorgten noch das eine oder andere Mitbringsel für daheim und auch einige Postkarten wollten noch geschrieben werden. Nachdem wir am Dienstag dann endgültig unsere Koffer gepackt hatten, ging es nochmal in eine kleine Creperie zum Mittagessen, sodass wir gut gestärkt unseren Heimflug antreten konnten. Alle etwas traurig, dass die Woche in Bordeaux so schnell vergangen war, wir möchten uns nochmal ganz herzlich bei den Genossinnen und Genossen der MJS und besonders bei Manon Laurent bedanken, die bei der MJS unsere Ansprechpartnerin war und von französischer Seite alles organisiert hat . Natürlich gilt unser Dank auch besonders Lena Sterzer, die die Reise so super organisiert hat! Ebenso bedanken möchten wir uns bei Louisa Pehle, die uns mit ihren guten französisch Kenntnissen eine große Hilfe in Bordeaux war und vor Ort so einiges geklärt hat. Wir hoffen sehr, dass wir einige Genossinnen und Genossen der MJS Gironde bald wieder sehen und bei uns in München begrüßen dürfen.


Mehr als nur Prunk undMünchen Pracht Wienfahrt der Juso-Hochschulgruppen München

W Weshalb die Feminismus-Debatte

Kommentar von Daniela Beck

Durch einige Kontakte nach Wien und regem Austausch mit diesen kam es dazu, dass die Juso-Hochschulgruppe tatsächlich eine Exkursion nach Wien unternehmen konnte. Dies war eine tolle Möglichkeit, um die Hauptstadt Österreichs zu erkunden, und zwar nicht nur als TouristIn, sondern auch als SozialdemokratIn, Denn während dieser Reise sollten nicht nur Prunk und Pracht der Habsburger im Vordergrund stehen, sondern auch die Sozialdemokratie. Insbesondere freuten wir uns auf den jährlich von der Sozialistischen Jugend (SJ) organisierten Fackelzug, den Aufmarsch am 1. Mai und natürlich auf die AktivistInnen unserer Schwesternorganisation, dem Verband sozialistischer Student_innen Österreichs (VSSTÖ, kurz: Vaust). Schon bei der Ankunft am Wiener Westbahnhof wurden wir herzlich von der TU Gruppe des Vaust empfangen und wurden auch bei ihren Mitgliedern für die Tage unseres Besuchs untergebracht.

Im Anschluss stand der Besuch des Fackelzugs auf dem Programm. Der Fackelzug ist eine jährlich veranstaltete Demonstration und Kundgebung der SJ gegen Rechts. Jedes Jahr gibt es ein anderes Thema, dieses Jahr lautete dieses „Reconstruct Europe“; also ganz im Sinne der kurz bevorstehenden Europawahl. Der Treffpunkt der Kundgebung war an der Oper, von dort aus ging der Fackelzug Richtung Albertina in die Innenstadt, über die Hofburg ging es dann schließlich zum Rathausplatz.

Nachdem wir unsere Quartiere bezogen hatten, gab es eine Führung durch das Bundeskanzleramt gemeinsam mit den Jusos Hessen. Dort konnten wir unter anderem sehen, wo die Pressekonferenzen des Bundeskanzlers stattfinden, wo wichtige Verträge unterschrieben werden und wurden, und auch die Stelle, an der der Austrofaschist Dollfuß ermordet wurde, konnten wir betrachten.

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Internationales

Auf dem Rathausplatz stand eine riesige Bühne, welche für den Maiaufmarsch aufgestellt worden war. Die Vorsitzende der SJ Wien, Marina Hanke, hielt eine Rede über die Europäische Union und wie die SJ sie umgestalten wolle. Danach kam DJ Wad-ad auf die Bühne und es gab eine Party direkt am Rathausplatz. Auch wenn es ein langer Abend wurde, so sammelten wir uns am nächsten Morgen in aller Frühe im VaustBüro, um zu frühstücken und uns schließlich auf den Weg zum Maiaufmarsch zu machen. Mit 100.000 TeilnehmerInnen war es die größte Feier zum Ersten Mai, den viele von uns Jusos jemals gesehen haben. Wir reihten uns unter den AktivistInnen des Vaust ein und marschierten von der Universität Wien bis zum Rathausplatz, zur mittlerweile schon bekannten Bühne. Dort wurden wir unter anderem vom Wiener Bürgermerister Häupl und Bundeskanzler Werner Faymann empfangen und begaben uns in die Menge, um die anderen SPÖ Sektionen und Vorfeldorganisationen zu grüßen. Nachdem alle diese angekommen waren gab es Ansprachen von Häupl und Faymann, die beide ein gerechtes und soziales Europa forderten. Nach den Reden, begaben wir uns zu den Festzelten in den Wiener Prater. Der Prater war voll von Menschen und es war schwer sich seinen Weg durch die geschäftigen Straßen zu bahnen, mit einer Gruppe fast unmöglich. Deshalb blieben wir ein wenig am Rande, besuchten den neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, der sich

gleich neben dem Prater befindet, und konnten uns am späteren Nachmittag schließlich doch noch einen Weg durch die Straßen des Praters bahnen. Die Krönung war eine Fahrt mit dem Riesenrad, welche einen wunderschönen Ausblick auf Wien bot. Den Abend verbrachten wir mit der TU-Gruppe im „Käuzchen“, dem Stammlokal des Vausts. Für den nächsten Tag organisierte die TU-Gruppe eine Führung durch das Rathaus, dort durften wir uns auf die Besuchergalerie des Gemeinderatssitzungssaals setzen, die wunderschönen Innenhöfe begutachten und auch mit einem Pater Noster fahren. Das Wiener Rathaus ist übrigens frei zugänglich für die Öffentlichkeit. Die Ausstellung zum Roten Wien im Karl-Marx-Hof stand auch auf unserem Programm, leider hatte sie gerade an diesen Tagen geschlossen. Stattdessen erholten wir uns im Schlosspark von Schönbrunn von den zurückliegenden, doch recht anstrengenden Tagen. An unserem letzten Tag in Wien besuchten einige von uns das Naturhistorische Museum, das eine beeindruckende Vielfalt der unterschiedlichsten Exponate zeigt, vom Dinosaurier-Skelett bis zum Bergkristall. Besonders interessant war die Ausstellung zur Entstehung des Menschen. Und dann waren unsere Tage im Roten Wien auch schon wieder vorbei, während der wir uns davon überzeugen konnten, dass Wien nicht nur k.u.k.-Romantik und Walzer-Seligkeit zu bieten hat, sondern auch eine reiche sozialdemokratische Tradition. Wir danken unseren GenossInnen vom Vaust Wien für ihre Gastfreundschaft. Hoch die internationale Solidarität!

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Alpeninternationale Neuauflage des traditionellen Austauschprojekts von Lena Sterzer & Anno DIetz Vom 30. Mai bis zum 01. Juni 2014 trafen sich im Gewerkschaftshaus in München GenossInnen aus Bayern, Österreich und der Schweiz um ein Wochenende gemeinsam über die wichtigsten anstehenden politischen Themen in den drei Organisationen zu diskutieren, einander kennen zu lernen und eine alte Tradition neu zu begründen. Es war das erste Treffen der Alpeninternationalen seit einigen Jahren. Die Alpeninternationale ist das Kooperationsprojekt der Jusos Bayern, der Sozialistischen Jugend Österreichs und der Juso Schweiz, ein Projekt das viele Jahre fester Bestandteil unserer internationalen Zusammenarbeit war. Im Rahme dieses Treffens wurde eine gemeinsame Resolution beschossen, die unser Selbstverständnis und unsere Vorstellung von einer besseren und gerechteren Welt, unser Streben nach einer Gesellschaft der Freien und Gleichen zum Ausdruck bringt. Wir kämpfen für eine soziale und demokratische Weltordnung, in der wir Beteiligung aller, soziale Gerechtigkeit, gute Arbeit und Nachhaltigkeit verwirklichen. Die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus bedarf unserer gemeinsamen Anstrengungen und unseres stetigen Einsatzes. Die Resolution fordert einen einheitlichen Sozialraum Europa. Neben einem legalen Einwanderungsrecht sind Mindeststandards und langfristig die Vereinheitlichung der Sozialsysteme in allen europäischen Ländern wichtig. Hierzu zählen für uns auch eine Angleichung der Steuersysteme, ein europäischer Mindestlohn und bessere ArbeitnehmerInnenrechte in ganz Europa. Mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen wir auch durch kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich. Gerechtere Entlohnung muss den Blick auf die gleiche Bezahlung aller Geschlechter richten. Zu einer Welt, in der sich Menschen unabhängig von Geschlechtsdefinitionen und sexueller Orientierung frei und gleich entfalten können, gehört darüber hinaus auch das Durchbrechen der Dominanz von Männern in der Führung von Institutionen und Unternehmen sowie die Vergesellschaftung von Reproduktionsarbeit.

Bildung ist ein Grundrecht, das niemandem verwehrt werden darf und zu dem alle gleichen Zugang haben müssen. Wir setzen uns für kostenfreie und inklusive Bildung ein. Auch jenseits von Erasmus wollen wir die internationale Mobilität verbessern. Wir brauchen einheitliche Standards und eine geregelte und bessere Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Die Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern Europas lässt jungen Menschen keine Perspektiven. Wir wollen eine wirksame Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch eine Ausbildungsplatzgarantie. Gerade für junge Menschen ist es häufig schwer bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wir bekennen uns zu einem echten Gegengewicht zu privatem Wohnungsbau, um MieterInnenschutz effektiv umzusetzen. Wir wollen, dass die Finanzmärkte stärker reguliert werden und eine breit angelegte Finanztransaktionssteuer. Es braucht eine europaweite Mindestbesteuerung für Unternehmen, Steueroasen müssen trocken gelegt werden. Das Bankgeheimnis ist dementsprechend abzuschaffen. Politik für die Menschen steht für uns klar vor den Interessen der Märkte, die Bedürfnisse der Menschen vor den angeblichen Erfordernissen der Wirtschaft. Wir wollen ein Europa, eine Welt des Friedens. Wir wollen eine sozialistische Zukunft für die Jugend und eine bessere Gegenwart für alle. Öffentliche Aufgaben müssen in öffentlicher Hand sein. Das gilt beispielsweise für Bildung, Kultur, aber auch Gesundheit und Infrastruktur wie Energie und Transport. Nachhaltige Energiepolitik setzt auf Investitionen in Energieeinsparung und auf den Ausbau erneuerbare Energien. Die Resolution ist Grundlage der weiteren Zusammenarbeit mit unseren PartnerInnen. Im Herbst 2015 ist geplant zum nächsten Treffen der Alpeninternationale einzuladen – diesmal vermutlich in Österreich. Es ist schön, wenn es uns gelungen ist, diesem traditionsreichen Treffen neues Leben einzuhauchen.

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Internationales

Sommer, Sonne, Sozialismus IUSY Worldfestival 2014 auf Malta von Milos Vujovic

Es ist ein früher Nachmittag an einem Mittwoch auf einer kleinen Insel im Mittelmeer. Es ist sommerlich heiß und die Sonne scheint. Ein Bus nach dem anderen verlässt den Parkplatz vor dem Flughafen, voll besetzt mit SozialistInnen aus aller Welt. Etwa eine Stunde später eröffnet sich den Reisenden den Hügel hinabfahrend der Anblick auf eine Bucht mit wunderschönem Sandstrand, einem Zeltlager und drei, sich in die Höhe türmenden Hotelgebäuden. Am Eingangstor angekommen, wird die sozialistische Reisegruppe von einer riesigen Willkommensplane und jeder Menge gut gelaunter gleichgesinnter empfangen. Nach einer kurzen Einweisung und einer (dringend benötigten) Flasche Wasser geht es gleich zu den Zeltplätzen. Gut gelaunt stellt die bayerische Delegation in weiser Voraussicht auf die Temperaturen der kommenden Woche ihr Sonnensegel auf. Nur wenig später flattert auch schon die Fahne der Jusos München im wilden Wind von Malta. Dann ist auch schon der große Abend gekommen! Die Eröffnungsfeier im Amphitheater. Delegation um Delegation zieht ein. Italien, Tschad, Norwegen, Deutschland, Mali, Kroatien, Österreich, Argentinien, die Philippinen und viele mehr. Reden und Eröffnung werden begleitet von den klassischen Klängen der ArbeiterInnen- und antifaschistischen Bewegung wie „Bella Ciao“ oder der „Internationale“. Die Woche bietet viel Zeit für Debatten, die in ihrer Hitzigkeit fast an die Außentemperaturen heranreichen und in ihrer Vielfalt die der unterschiedlichen Jugendverbände widerspiegelt. Von der Reform der Vereinten Nationen über Wasserknappheit, der Rechte der LGBT-Community weltweit bis hin zum derzeitigen

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Konflikt in Palästina und Israel. Nahezu nahtlos daran folgen Treffen der verschiedenen Delegationen untereinander, in denen nicht nur ein vertiefter politischer Austausch stattfindet, sondern gerne auch persönliche Freundschaften aufkeimen, die nicht zuletzt bei den Parties am Abend vertieft werden. Wer sich abkühlen möchte, schafft es immer wieder auch zum Strand zu gehen und die Wellen des Mittelmeeres zu genießen. Eine volle Woche Sommer, Sonne und Sozialismus bei einer tollen Organisation durch die maltesischen GenossInnen geht schlussendlich schneller vorbei, als Mensch denkt und es zieht die braungebrannten SozialistInnen aus aller Welt langsam wieder gen mehr oder minder ferner Heimat. Alle nehmen wir neue Ideen, gegenseitiges Verständnis, Solidarität und vor allem neue Freundschaften und Erinnerungen mit.

In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität! Viva IUSY!


Die Niederlage vom 9. Februar Ihre wichtigste Ursache und die Rolle der SP von Tim Cuenod (Juso Schweiz) 12. Februar 2014 um 00:08 - Vorgestern war ein schwarzer Sonntag. Die Annahme der SVP“Masseneinwanderungs-Initiative“ wird die Schweiz noch lange beschäftigen und lähmen. Knapp über die Hälfte der Stimmenden waren bereit, die Aufhebung der Bilateralen Verträge zu riskieren, um ihre Ablehnung der „Überfremdung“ auszudrücken. Die finalen Konsequenzen des sonntäglichen Votums sind noch sehr unklar. Wahrscheinlich ist, dass es die Zahl der Zuwanderer wenig beeinflussen wird. Klar ist, dass bestehende Probleme eher verschärft als gelindert werden. Da im vorgesehenen Kontingent-Sytem Arbeitgeber ausländischen Angestellten die Arbeitsbewilligung jederzeit entziehen können und nun ausserdem die Weiterführung der flankierenden Massnahmen in Frage gestellt ist, wird es nicht weniger, sondern mehr Lohndumping geben. Unklar sind aber v.a. die aussenpolitischen und aussenwirtschaftlichen Konsequenzen des Votums. Ein offensives Vorgehen der EU und eine schnelle Kündigung der Bilateralen Verträge sind unwahrscheinlich. Uns erwarten wohl langwierige und schwierige Verhandlungen und Diskussionen um die Umsetzung der Initiative. Ob es der Schweizer Diplomatie im Rahmen von Neuverhandlungen der Bilateralen Verträge gelingen wird, die EU davon zu überzeugen, eine Kontingentierung der Zuwanderung zu akzeptieren, ist absolut unklar. Ausgeschlossen scheint auf jeden Fall eine Weiterführung der bestehenden bilateralen Verträge oder gar deren Weiterentwicklung. So hat die EU die Verhandlungen zum Stromabkommen sistiert. Ob sich die Schweiz weiterhin an europäischen Studentenaustausch- und Forschungsprogrammen beteiligen kann, ist extrem unsicher. Sommaruga und Burkhalter und die hinter ihnen stehenden Kräfte werden alles tun, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Die SVP-Oberen werden nicht bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Sie werden dem Bundesrat zuschauen, Vorwürfe machen und Steine in den Weg legen.

flickr/Christine und Hagen Graf // CC BY 2.0

Die Nationalkonservativen sind heute eine generalstabsmässig organisierte Massenpartei. Ihr Wähleranteil stagniert zwar – so hat die SVP gestern zeitgleich zu ihrem nationalen Abstimmungstriumph z.T. empfindliche Niederlagen bei Kommunalwahlen im Kanton Zürich erlitten. Aber in Fragen, die die nationale Identität und die Migration betreffen, ist sie in der Lage, im Alleingang gegen alle anderen Parteien und Verbände Abstimmungen zu gewinnen. Ihr Sieg ist hart erkämpft. Er ist das Ergebnis überlegener Organisation, massenmedialer Strategie und finanzieller Potenz. Die Kampagne der Unternehmerverbände konnte durch den Einsatz schwerreicher Geldgeber für die Pro-Kampagne neutralisiert werden. Zu den Sponsoren dieser und anderer fremdenfeindlicher Kampagnen gehören einige ideologische Überzeugungstäter, die ihre Ansichten offen propagieren und sich mit ihren Spenden für die SVP brüsten. Neben Christoph Blocher und anderen älteren und oft anonymen Spendern gehören zu diesem Kreis u.a. recht junge, neokonservative Manager und Erben im Umfeld des „Rennweg-Clubs“ in Zürich . Diese Fraktion der Schweizer Wirtschaftselite hat viel Ähnlichkeit mit der ebenfalls „neokonservativen“ Sponsoren-Fraktion der Tea Party und der Republikaner in den USA. Letztlich wissen wir aber nicht, wer der SVP in den letzten Jahren wie viel Geld für ihre Wahl- und Abstimmungskampagnen hat zukommen lassen, da in unserer Bananenrepublik ja jede geheime Spende vollkommen legal ist.

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Internationales

Verloren haben die wirtschaftlich starken Regionen, die auf Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte besonders angewiesen sind und in denen der Reichtum des Landes im Wesentlichen erwirtschaftet wird. Das sind meist dieselben Regionen, in denen es auch viel Zuwanderung und einen hohen Ausländeranteil gibt. In der Tendenz gilt: je tiefer der Ausländeranteil in einer Region ist, desto höher ist die Zustimmung zur SVP-Initiative ausgefallen. Menschen im ländlichen Raum, die der Initiative zugestimmt haben, leiden nicht unter „Dichtestress“ und meistens auch nicht unter realen Problemen, die auf Zuwanderung zurückzuführen sind. Es besteht Angst vor dem unbekannten Fremden (nicht selten auch Hass). Solche Ängste sind letztlich irrational. Man darf ihnen gegenüber kein Verständnis aufbringen, sondern muss sie mit der Realität konfrontieren.

Verloren haben vorgestern alle lebendigen Kräfte der Schweizer Nation. Allerdings ist der Erfolg der Initiative z.T. durchaus auf reale Probleme zurückzuführen. Es haben nicht 75% der Tessinerinnen und Tessiner irrationale Phobien. In ihrem Kanton gibt es mit dem Lohndumping sehr wohl ein massives Problem, das von Bundesbern viel zu lange ignoriert wurde. Dasselbe Problem besteht in weniger extremer Form auch in anderen Regionen des Landes. Ebenfalls angenommen wurde die Initiative in Regionen mit schwacher Dynamik, strukturellen Problemen und vielen Zukunftsängsten wie dem Berner Jura. In der Deutschschweiz wurde Initiative auch in denjenigen Agglomerationsgemeinden grosser Städte angenommen, die nicht zum „Speckgürtel“ mit viel Wohlhabenden und Studierten gehören. In diesen Gemeinden mit oft hohem Ausländeranteil ist die Zustimmung zur Personenfreizügigkeit gegenüber früheren Volksabstimmungen besonders radikal eingebrochen. Die dortige Ablehnung von zusätzlicher Zuwanderung hat bei weitem nicht nur mit Ängsten zu tun, die durch mediale Berichterstattung und SVP-Propaganda geschürt werden. Bei allen Vorzügen der Personenfreizügigkeit für die wirtschaftliche, demographische und kulturelle Entwicklung unseres Landes lässt sich nicht bestreiten, dass die bestehenden Probleme mit Lohndumping und steigenden Mieten (z.T. auch mit anderen Problemen) durch die Personenfreizügigkeit verstärkt werden.

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Aber auch diese Probleme dürften nicht die einzigen Ursachen für die Ablehnung der Personenfreizügigkeit in den genannten Agglo-Gemeinden sein. Diese ist wohl zu einem nicht unwesentlichen Teil auch auf bestehende Probleme im alltäglichen Zusammenleben von Einheimischen und Fremden zurückzuführen. Viele Bewohnerinnen und Bewohner solcher „AggloGemeinden“ machen immer wieder „schlechte Erfahrungen“ mit Ausländerinnen und Ausländern. Sie haben den Eindruck, dass ihre Lebensqualität durch rückständige Verhaltensweisen unqualifizierter Migranten und ihrer Kinder gedrückt wird. Sprachbarrieren, fehlende Begegnungen und mangelnde Integrationspolitik verstärken diesen Eindruck. Aber es stimmt, dass die Zuwanderung schlecht qualifizierter Migrantinnen und Migranten zu Problemen führen kann. Und es ist ja nicht so, dass nur noch „Expats“ einwandern würden. Ein Drittel derjenigen, die in den letzten Jahren in die Schweiz gekommen sind, sind „Ungelernte“ ohne Lehr- oder gar Studienabschluss. Deren Präsenz führt überdurchschnittlich oft zu bestimmten Problemen. Beklagt wird Gewalt, Verwahrlosung und Respektlosigkeit im zwischenmenschlichen Umgang - in Pausenhöfen, im öffentlichen Raum und im privaten Rahmen. Natürlich fehlt häufig die Bereitschaft der Einheimischen, mit einer gewissen Offenheit und Herzlichkeit auf die Migrantinnen und Migranten zuzugehen. Und natürlich gehen die genannten Probleme auch von Schweizern aus. Und doch besteht bei vielen, auch öffnungsbereiten und fortschrittlichen Menschen, das Gefühl, dass das Gemeinwesen schon mit der Integration der hier lebenden Zuwanderer überfordert ist. Daher wünschen sich in solchen Agglo-Gemeinden besonders viele eine stärkere Steuerung und Eindämmung der Zuwanderung. Bei weitem nicht alle, die dort „Ja“ gestimmt haben, sind der SVP zugeneigt. Nicht wenige sind z.B. Gewerkschaftsmitglieder und geben bei Wahlen – trotz Vorbehalten in Ausländerfragen – der SP ihre Stimme (oder wählen sie nicht wegen der Ausländerfrage).

Masslosigke schade

J

Masseneinwanderung stoppen PC 60-167674-9


eit et!

JA

In der Westschweiz ist es den fortschrittlichen Kräften in diesem Land (allen voran der SP) im Gegensatz zur Deutschschweiz gelungen, diesem Wählerkreis zu vermitteln, dass die Annahme der SVP-Initiative nicht in ihrem Interesse sein kann, weil sie bestehende Probleme nicht löst, Lohndumping verstärkt und die Sicherheit der Arbeitsplätze und der Sozialwerke negativ beeinflusst. Wenn weitere verhängnisvolle Triumphe der SVP vermieden werden sollen, ist es zentral, die Ursachen für ihren Erfolg in diesen Agglo-Gemeinden zu verstehen und ihnen entgegenzuwirken. Klar ist: die Kampagne von SP und Gewerkschaften hat dort nicht überzeugt. Beide argumentierten vorwiegend mit der Unentbehrlichkeit der ausländischen Arbeitskräfte und warnten vor einer Rückkehr zur „Schweiz der Baracken“. Das allein genügte nicht und es war auch nicht immer glaubwürdig. Die SP führte keine sehr aktive Kampagne, gewisse Flyer waren schlecht gemacht, auf einen grossen Plakatkampagne wurde verzichtet und von der Juso wurde in diesem Abstimmungskampf fast nur eine provokative Aktion gegen die chancenlose Anti-Abtreibungsinitiative wahrgenommen. Die besonders glaubwürdigen Argumente der Linken sind in einer breiten Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen worden. V.a. wurde kaum registriert, dass die SVP Lohndumping massiv fördert (Bekämpfung von Kontrollen gegen Schwarzarbeit und von Mindestlöhnen, erleichterte Ausbeutung durch Kurzaufenthalte). Bundesrätin Sommaruga vermochte zwar in vielen Diskussionen einigermassen zu überzeugen. Die Zugeständnisse des Bundesrates im Abstimmungskampf an „links und rechts“ (stärkere Regulierung des Wohnungsmarktes und Unterbindung des Sozialhilfebezugs für Neuzugewanderte) kamen aber zu spät. Sie wirkten wie ein panisches, extrem durchsichtiges Kampagnenmanöver. Abgesehen von der nicht überzeugenden Kampagne gibt es ein viel tiefer gehendes Problem: die wachsende kulturelle Kluft zwischen aktiven SP-Mitgliedern auf der einen Seite und wesentlichen Teilen der Bevölkerung in betroffenen Agglo-Gemeinden auf der anderen Seite. Gerade die SP leidet stark unter der soziologischen Einengung ihrer aktiven Mitgliederbasis. Linke sind meistens gut ausgebildete Leute, arbeiten im öffentlichen Dienst, bleiben oft unter sich, kümmern sich um die Anliegen von Minderheiten und gelten als schönfärberische Kuschelpolitiker, die Probleme nicht wahrhaben wollen, die nicht in ihr Weltbild passen.

Neben der soziologischen Einengung der SP-Mitgliederbasis erleichtert auch die Segmentierung / Atomisierung der Gesellschaft die massenmediale Beeinflussung und Aufhetzung vieler Leute, die sich mit ihren Problemen allein und im Stich gelassen fühlen. Da man sich viel seltener als früher in Sport- oder Musikvereinen oder Kirchgemeinden trifft, besteht auch wenig Gelegenheit zum Austausch und zum Abbau von Vorurteilen. Natürlich besteht diese kulturelle Kluft nicht nur in Agglo-Gemeinden, die nicht zum Speckgürtel gehören, doch ist dort das Problem besonders gross. Wenn die SP einen wirkungsvollen Beitrag zur Ablehnung weiterer rechter Initiativen leisten will, dann muss sie folglich v.a. daran arbeiten, diese kulturelle Kluft ein wenig kleiner werden zu lassen. Sie braucht eine überzeugende Strategie, um ihre Präsenz in den geschilderten Agglo-Gemeinden zu stärken und muss näher an den Lebensrealitäten der dort lebenden Menschen argumentieren. Bei aller Selbstkritik und bei allem Veränderungsbedarf soll aber nicht vergessen werden, dass die Annahme der Initiative nicht nur auf ihre eignen Schwächen zurückzuführen ist. Dass die meisten Menschen nicht den Eindruck hatten, dass die Personenfreizügigkeit für sie etwas Positives ist, ist nicht primär Fehler der SP. Gescheitert sind hier auch und v.a. die Unternehmerverbände, die FDP sowie der Bundesrat unter Federführung von Johann Schneider-Ammann (in etwas geringerem Masse betrifft die Kritik auch CVP/GLP/ BDP sowie den Gesamtbundesrat). Sie wollten lange nichts von einer Verschärfung der flankierenden Massnahmen wissen, haben Probleme auf dem Arbeits- und auf dem Wohnungsmarkt lange Zeit ignoriert und lehnen einen staatlichen Mindestlohn kategorisch ab. Die Unternehmerverbände und viele ihrer Mitglieder (v.a. im Finanzsektor) haben die SVP jahrelang gefördert, haben aus „Nichtbetroffenheit“ absolut nichts gegen die Minarett- und die Ausschaffungsinitiative unternommen und wundern sich jetzt über die Wirkungslosigkeit ihrer Kampagnen. Sie sind die Hauptverantwortlichen für das Scheitern der Personenfreizügigkeit und der bilateralen Verträge in ihrer bestehenden Form.

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Antifaschismus

Klare Kante gegen Rassismus im bürgerlichen Gewand Über den Umgang mit den Pegida Demonstrationen von Johanna Uekermann & Stefan Brauneis

Seit Mitte Oktober ziehen Montag für Montag mehr Menschen unter dem Label „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ – kurz PEGIDA – durch die Straßen von Dresden. Was sich gern einen bürgerlichen Anstrich verpasst, ist im Kern eine rechte, rassistische Mobilisierung. Zwar haben die OrganisatorInnen keine nachgewiesenen Verbindungen in die neonazistische Szene, gleichwohl fällt aber die zeitliche Nähe zu den Aufmärschen der HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) und das Anknüpfen an die gleichen Feindbilder auf. Von der HoGeSaKundgebung in Hannover wurden sodann auch beste Grüße an PEGIDA nach Dresden geschickt, verbunden mit dem Hinweis an die versammelten Hooligans, ein Drittel der TeilnehmerInnen in Dresden seien eigentlich HoGeSa-Anhänger, es handele sich um „unsere“ Veranstaltung. Wer die Dresdner Aufmärsche in den Anfangswochen beobachtet hat, kann diesen Eindruck bestätigen: junge, sportlich gekleidete Männer aus dem Umfeld des lokalen Fußball-Drittligisten machten einen erheblichen Teil der Demonstrierenden aus, hinzu gesellten sich schnell bekannte NPD-Köpfe und Kader aus der Neonaziszene. Nichtsdestoweniger ist es PEGIDA gelungen, innerhalb kürzester Zeit anschlussfähig an weitere gesellschaftliche Milieus zu werden und zu den montäglichen „Abendspaziergängen“ 10.000, ja sogar 15.000 TeilnehmerInnen zu mobilisieren. Während die DemonstrationsteilnehmerInnen dazu angehalten werden, sich gegenüber JournalistInnen nicht zu äußern, geben sich die OrganisatorInnen von PEGIDA nach außen betont bürgerlich zurückhaltend. In einem Positionspapier fordern sie – neben Perlen wie einem Ende der „Genderisierung“ der Sprache – u.a. die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten und mehr SozialarbeiterInnen für deren Unterstützung. Auf der eigenen Facebook-Seite erntet PEGIDA heftigen Widerspruch für diese „weichgespülten“ Forderungen, der

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Mobilisierungsfähigkeit indes ist damit kein Abbruch getan. Das mag in Teilen darin begründet liegen, dass in den Reden während der Demonstrationen diese Forderungen keine Rolle spielen, sondern stattdessen von „voll ausgestatteten Luxusheimen“ für AsylbewerberInnen die Rede ist, während sich deutsche Großmütter nicht mal ein Stück Stollen leisten könnten. Viel wichtiger aber ist, dass PEGIDA nicht über konkrete politische Forderungen, sondern als Chiffre eines „Wir gegen Die“ funktioniert, welches schon im Namen der Bewegung zum Ausdruck kommt. Ideologisch bewegt sich PEGIDA auf einer Linie mit der Neuen Rechten, nicht umsonst hat Hauptorganisator Lutz Bachmann zuerst den Rechtspostillen Junge Freiheit und Blaue Narzisse ausführliche Interviews gegeben. Rassismus kommt dabei nicht in erster Linie in seinem klassischen biologistischen Gewand daher. Stattdessen sind der Ausgangspunkt der Argumentation „Kulturen“ oder „Kulturkreise“, die als in sich homogen angenommen werden und auf die jeder Mensch durch Geburt und Herkunft festgelegt ist. In dieser Gedankenwelt ist kein Platz für Gemeinsamkeiten oder kulturellen Austausch und schon gar nicht für individuelle Entscheidungen über die eigenen Werte. Stattdessen stehen in sich abgeschlossene Kulturen gegeneinander im Kampf um die Vorherrschaft – das „Abendland“ gegen „die Muslime“. Hört man sich auf der Straße um oder wirft man einen Blick in das Positionspapier von PEGIDA wird schnell deutlich, dass die behauptete Islamisierung lediglich die Klammer für ein ganzes Bündel diffuser Ressentiments und politischer Vorstellungen bildet. Forderungen nach der Einschränkung des Asylrechts vermischen sich mit dem Abwehrkampf gegen eine vermeintlich drohende Überfremdung. Chauvinistische Selbsterhöhung geht einher mit der Abwertung alles Fremden oder als fremd Wahrgenommenen. Etabliertenvorrechte derer, „die schon immer hier gelebt haben“, werden in Stellung


Antifaschismus

gebracht gegen den Anspruch auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe von ZuwandererInnen und ihren Kindern und Kindeskindern. Der angeblich am gesunden Menschenverstand orientierte und einheitliche Wille des Volkes richtet sich in aggressiver Form gegen jegliche Vorstellungen von gesellschaftlichem und politischem Pluralismus. In dieser Logik verkommen Parlamente zu Quatschbuden, werden gewählte PolitikerInnen zu Volksverrätern und JournalistInnen zu bezahlten Systembütteln der „Lügenpresse“. Die Alternative dazu ist eine starke Führungspersönlichkeit, die den „wahren Volkswillen“ formuliert und in die politische Tat umsetzt. Falsch ist deshalb die im Zusammenhang mit PEGIDA vielfach formulierte These, eine große Masse an MitläuferInnen ließe sich von einigen StrippenzieherInnen instrumentalisieren. Wer unter dem Banner von PEGIDA auf die Straße geht, macht sich mit den Forderungen des Bündnisses gemein. Der Mobilisierungserfolg von PEGIDA fußt eben gerade nicht auf der Instrumentalisierung einer verblendeten Masse, sondern auf der offensiven Formulierung gesellschaftlich weit verankerter Ressentiments.

So ermittelt etwa die aktuelle Mitte-Studie der Universität Leipzig für 2014 13,6% Zustimmung zu chauvinistischen und 18,1% Zustimmung zu ausländerfeindlichen Positionen, mehr als ein Drittel der Befragten würde Muslimen gerne generell die Zuwanderung untersagen und über die Hälfte glaubt, die meisten AsylbewerberInnen würden nicht wirklich Verfolgung in ihren Heimatländern befürchten. Nichtsdestoweniger ist die Größe der Aufmärsche, welche PEGIDA erreicht, erschreckend. Denkt man ein paar Jahre zurück sind die Entwicklungen jedoch nicht sonderlich verwunderlich. Die gleichen Leute, die heute durch Dresden und anderen Städte ziehen, saßen in den Veranstaltungssälen, als Thilo Sarrazin seine anti-muslimischen und rassistischen Thesen verbreitete. CDU und CSU machten wiederholt Wahlkampf mit unterschwelligen Vorurteilen, zuletzt mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“. Und erst recht die Wahlerfolge der AfD, die mit NPD-ähnlichen Plakatbotschaften in Bundestagsund Landtagswahlkämpfe zog, hätten eine ernsthafte Warnung sein müssen. Auch diese Äußerungen aus der Mitte der Gesellschaft haben PEGIDA den Weg bereitet.


Antifaschismus

Ebenso falsch wäre genau deshalb auch die Behauptung, bei PEGIDA handele es sich um eine neonazistische Veranstaltung. Vielmehr haben wir es mit einer rechtsnationalen und autoritären völkischen Bewegung zu tun, die weit über organisierte neonazistische Kreise hinaus anschlussfähig ist. Hierin liegt die besondere Gefahr und Herausforderung durch PEGIDA. Eine Gefahr, die noch dadurch verstärkt wird, dass mit der AfD potentiell ein parlamentarischer Arm dieses Rechtspopulismus zur Verfügung steht.

Im Dialog mit PEGIDA? Die Reaktionen auf PEGIDA fallen unterschiedlich aus. Heiko Maas zeigte Rückgrat und bezeichnete PEGIDA als „Schande für Deutschland“. Auch Martin Dulig hielt mit „wer denkt, die Religionsfreiheit oder das Grundrecht auf Asyl stünden zur Disposition, der hat sich getäuscht“ dagegen. Aber auch andere Stimmen sind zu hören. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, Maas liege mit seinen Äußerungen “voll daneben”. Es sei eine “ungeheure Verunglimpfung, friedlich demonstrierende Menschen, die ihre Sorgen ausdrücken, als ‘Schande für Deutschland’ zu bezeichnen”. Und weiter: seine Partei nehme die “Sorgen der friedlich demonstrierenden Bürger aus der Mitte der Gesellschaft ernst”. In den Zeitungen gibt es einen ebenso rege Diskussion über den richtigen Umgang mit PEGIDA, wie bei jenen, die sich gegen die Stimmungsmache der RechtspopulistInnen wehren.

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Wie also nun umgehen mit PEGIDA? Klare Abgrenzung oder Suche nach Dialog und Überzeugung? Eine Einladung zum Runden Tisch gar, wie der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, vorschlug? Nein, statt Verständnis braucht es klaren inhaltlichen Widerspruch. Wir werden Rassismus nicht zur Gesprächsgrundlage machen. Wer PEGIDA mit Verständnis begegnet, akzeptiert rassistische Vorurteile als Prämisse der Diskussion und legitimiert diese damit. Grund- und Menschenrechte sind aber nicht verhandelbar. Sie sind die Grundlage von Demokratie, eine Voraussetzung, die aus gutem Grund dem demokratischen Meinungsstreit entzogen ist. Deshalb können sie auch nicht von einer noch so großen Demonstration in einer Abstimmung mit den Füßen vom Tisch gewischt werden. Und deshalb brauchen wir auch keine Runden Tische mit PEGIDA um Kompromisse über die Gültigkeit von Menschenrechten auszuhandeln.

» Wir werden

Rassismus nicht zur Gesprächsgrundlage machen «


Antifaschismus

Es wäre falsch, vor den Demonstrationen von PEGIDA zurück zu weichen oder sie zu ignorieren. 85% der Bundesbürger teilen laut aktuellen Umfragen die Ziele von PEGIDA nicht. Es gibt keinen Grund, einer rassistischen, xenophoben und islamophoben Minderheit das Agendasetting oder gar die Deutungshoheit zu überlassen. Auch dann nicht, wenn diese Einstellungen aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Es gibt keinen Anlass, krude Verschwörungstheorien dadurch zu adeln, dass man sie zu „berechtigten Sorgen“ stilisiert. PEGIDA schafft einen rassistischen Resonanzraum, in dem Dinge öffentlich sagbar werden, die zuvor tabuisiert waren. Dies ist genau die Form von geistiger Brandstiftung, die einige dazu ermutigt, Angriffe auf MigrantInnen, Geflüchtete und Asylsuchendenunterkünfte als Exekution des „gesunden Volksempfindens“ in die Tat umzusetzen. Wir widersprechen jetzt, weil wir nicht warten werden, bis sich die Attacken von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen wiederholt haben. Wer Rassismus solange als Sorge verniedlicht, bis erneut Häuser brennen, macht sich dagegen mit schuldig und braucht im Nachhinein kein Mitgefühl heucheln. Ein Dialog mit PEGIDA ist auch deshalb aussichtslos, weil sich die Bewegung bisher als äußerst faktenresistent erwiesen hat und keine klaren politischen Forderungen artikuliert werden, über die sich streiten ließe. Das gerade Dresden der Kulminationspunkt der Demonstrationen ist zeigt auf beeindruckende Art und Weise, dass der anti-muslimische Rassismus ebenso wenig die reale Anwesenheit von Muslimen braucht, wie Fremdenfeindlichkeit die Anwesenheit von Fremden. Die gewählten Feindbilder sind auf emotionaler Ebene konstitutiv für die eigene Identität von PEGIDA und gerade deshalb keiner rationalen Widerlegung zugänglich.

Heißt das nun, PEGIDA nicht Ernst zu nehmen oder sich um die Frage zu drücken, warum die Bewegung so mobilisierungsstark ist? Nein. Wir wissen, dass die Prekarisierung der Mitte und berechtigte oder gefühlte Abstiegsängste zur Verstärkung von Ressentiments führen und ihr gesellschaftliches Bahnbrechen begünstigen. Die Abwertung von Minderheiten wird genutzt, um das eigene Selbstwertgefühl zu heben und sich selbst der gesellschaftlichen Zugehörigkeit zu versichern. Es ist deshalb gerade auch Aufgabe der Sozialdemokratie, die materiellen Interessen der unteren Mittelschichten zu artikulieren und in der politischen Arena wirksam durchzusetzen, wenn mittelfristig Erfolge im Kampf gegen rechtspopulistische Stimmungsmache erzielt werden sollen. Gemeinsame Interessen in Verteilungsfragen machen sich nicht an der Herkunft, sondern an der sozialen Lage fest. Das ist die Grundlage für reale politische Veränderung statt rechter Scheinlösungen. Das solidarische Eintreten für gleiche materielle und gesellschaftliche Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft muss deshalb der Kern sozialdemokratischer Gerechtigkeitspolitik sein.

Für eine progressive Migrations- und Asylpolitik Überlegungen zu gesellschaftlichen Ursachen dürfen aber nicht zu Verständnis für rassistische Parolen führen oder die/den Einzelne/n aus der Verantwortung für ihr und sein politisches Handeln entlassen. Im Gegenteil. Unser Verständnis, unsere Anteilnahme und unsere Solidarität gilt all jenen, die von PEGIDA angefeindet werden.

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» Die wahren Grenzen

verlaufen nicht zwischen Nationalitäten sondern zwischen Oben und Unten «

Es gibt deshalb keine falschere Antwort auf PEGIDA als jene, die der Sächsische Innenminister Markus Ulbig gegeben hat, als er Sondereinheiten für Ausländerkriminalität und die Einstufung Tunesiens als sicheren Herkunftsstaat forderte. Solche Politik legitimiert rassistische Vorurteile und ist Wasser auf die Mühlen der rechten Claqueure, die sie als ihren Erfolg verkaufen. In den Mittelpunkt der Debatte gehört nicht der als Sorge getarnte Rassismus des Kleinbürgertums und nicht das als Angst verbrämte Vorurteil des Spießers. Wenn Rechtspopulisten der AfD als ExpertInnen für Rechtspopulismus gehört werden, macht man nicht nur den Bock zum Gärtner, sondern ohnehin schon marginalisierte Positionen in unserer Gesellschaft erneut unsichtbar. Statt des wutverzerrten Geschreis von 15.000 PEGIDA-AnhängerInnen, müssen die Perspektiven, Sorgen und berechtigten Interessen von Millionen ZuwandererInnen, Refugees und Deutschen mit Migrationsgeschichte die Basis von demokratischer Politik sein. Dabei haben wir viel zu verteidigen. Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahrzehnte offener und vielfältiger geworden. Wir stehen eben nicht vor einem „Scherbenhaufen Multikulti“, wie uns rechte Demagogen glauben machen wollen. Deutschland ist ein Einwanderungsland, in dem das Miteinander zwischen Alteingesessenen und Zugewanderten in weiten Teilen sehr gut funktioniert und unsere Gesellschaft wesentlich voran gebracht hat. Dies eintauschen gegen den Mief der 50er und 60er Jahre? Nein danke! Wir haben aber nicht nur einiges zu verteidigen, sondern noch mehr zu erkämpfen. Statt mit PEGIDA darüber zu streiten, ab wie viel Prozent Ausländeranteil einer Stadt Überfremdung droht, gilt es für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft einzutreten. Dafür brauchen wir eine progressive Migrations- und Asylpolitik, die gleiche Rechte und gleiche Pflichten, gleiche Chancen und gleiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe in die Tat umsetzt.

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Jusos und SPD sind gefordert, offensiv ein fortschrittliches Programm für die Einwanderungsgesellschaft zu formulieren und dafür zu kämpfen. Das heißt auch, deutlich Position gegen die rassistische, fremdenfeindliche und islamophobe Agenda von PEGIDA zu beziehen. Angst muss davor in der SPD niemand haben. Denn PEGIDA ist im Gegensatz zur Selbstausrufung nicht das Volk, sondern eine Ansammlung rechter WutbürgerInnen. 96% der SPD-AnhängerInnen lehnen die Ziele von PEGIDA ab. Die von PEGIDA vorgetragene Agenda stellt die demokratische Verfasstheit unsere Gesellschaft in Frage und steht in diametralem Widerspruch zu sozialdemokratischer Politik. Sie richtet sich damit nicht nur gegen unsere politischen Vorstellungen, sondern auch ganz persönlich gegen einen großen Teil unserer GenossInnen und WählerInnen. Gemeinsam mit ihnen stellen wir uns gegen die rassistische Mobilisierung unter dem Namen PEGIDA. Wer Stimmungsmache auf dem Rücken unserer NachbarInnen und der Schwächsten in unserer Gesellschaft betreibt, hat dafür kein Verständnis verdient – sondern Verachtung. Wir stehen an der Seite all derer, die für eine weltoffene Gesellschaft auf die Straße gehen. Wir stehen an der Seite all jener, die von PEGIDA angegriffen werden. Und wir stehen an der Seite aller, die sich für Refugees und gleiche Teilhabe einsetzen.

Johanna Uekermann

Stefan Brauneis

Bundesvorsitzende der Jusos aus Bayern

Stellv. Bundesvorsitzender aus Sachsen


Der Häftling Nummer 1 Das Leben Claus Bastian von Paul Wehrlich

Wie jedes Jahr organisierte die DGB-Jugend Bayern am 9. November, zum Jahrestag der Reichspogromnacht, eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Das Ereignis wurde dieses Jahr überschattet durch den Diebstahl der Eingangstür des Lagers, auf dem der zynische Schriftzug „Arbeit macht frei“ zu sehen war. Aus diesem Anlass wurde unter dem Motto „Gedenken lässt sich nicht stehlen“ eine Mahnwache abgehalten, ehe man sich auf den Weg durch das eigentliche Lager begab. Neben der Kranzniederlegung und der Gedenkrede, dieses Jahr von Matthias Fack, dem Präsidenten des Bayerischen Jugendrings, kamen auch neue Formen des Gedenkens zum Einsatz. Aus der anonymen Menge der Opfer sollten einzelne Personen vorgestellt, ihre Lebensgeschichten wieder anschaulich werden – Biographien, in denen die Nazizeit und besonders die Lagerhaft eine scharfe Zäsur waren. Die IG Metall Jugend stellte die Biographie von Willy Rösler vor, einem engagierten Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Für die DGB-Hochschulgruppe hatte Paul Werlich eine Zusammenfassung des bewegten Lebens von Klaus Bastian erarbeitet, der die Häftlingsnummer 1 trug. Diese Biographie ist hier abgedruckt. Claus Bastian wurde am 23. März 1909 in Biebrich am Rhein (heute ein Ortsteil von Wiesbaden) als jüngstes von sechs Kindern einer großbürgerlichen, kosmopolitischen Familie geboren. Sein Vater war als Eisenbahningenieur in der ganzen Welt unterwegs. Claus wuchs in Utting am Ammersee auf. Ab 1918 besuchte er die Realschule in Landsberg und wohnte im dortigen katholischen Pensionat. 1925 verließ Bastian die Schule und arbeitete als Schäfer, Schmied und Knecht, bevor er nach zwei Jahren zurückkehrte. 1929 begann er ein Jura-Studium in München. Für ein Jahr ging er an die Sorbonne in Paris, wo er sein Geld als Vertreter und Stepptänzer verdiente und am Montmartre Bekanntschaft mit Künstlern wie Miró und Picasso schloss.

Zurück in München begann er, sich politisch zu engagieren. Nach eigener Aussage war er in dieser Zeit „Etwas Kommunist und hauptsächlich Dandy“, er pendelte zwischen Giesinger Arbeiteraufmärschen und der Bar im noblen Hotel Regina. In den Schwabinger Cafés und dem elitären „Akademisch-Politischen Club“ argumentierte er gegen den nationalistischen Zeitgeist. Anfang der Dreißiger Jahre trat er in die KPD ein und gründete einen marxistischen Studentenclub, hauptsächlich von humanistischen Idealen getrieben, und um den marodierenden braunen Horden etwas entgegen zu setzen. Damals wurde er auch Hochschulmeister im Boxen. 1931 verteidigte er an der Münchner Universität den jüdischen Rechtsgelehrten Hans Nawiasky, der offen die deutsche Kriegsschuld thematisierte, gegen nationalsozialistische Schläger und wurde selbst Ziel ihrer Demütigungen. Bastian wurde am 9. März 1933 um 4 Uhr früh ohne Angabe eines Grundes verhaftet und zunächst im Polizeipräsidium in der Ettstraße, in Stadelheim und Landsberg inhaftiert, bevor er am 22. März mit dem ersten Transport in die stillgelegte Munitionsfabrik bei Dachau deportiert wurde. Bereits auf der Fahrt wurden bei einer Pause in einem Wald bei Ettaschlag zwei Gefangene „auf der Flucht“ erschossen. Bastian wurde als Häftling Nr. 1 des KZ Dachau in die Liste eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt stand das Lager noch unter dem Kommando der Bayerischen Landespolizei.

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Die „Grünen Polizisten“ bemühten sich um eine menschliche Behandlung und Unterbringung der Häftlinge. Doch schon Anfang April übernahm die SS das KZ. In der Antrittsrede gab der neue Kommandant, Freiherr von Malsen-Ponickau, die Losung für seine Soldaten aus: „Toleranz ist Schwäche“. Ziel war es, den Gefangenen ihre Menschlichkeit zu nehmen. Auch die SS-Wärter, zu dieser Zeit hauptsächlich junge Arbeitslose aus dem Oberland, wurden zu Härte gegen sich und die Häftlinge angehalten und mit Alkohol betäubt. Bastian wurde Zeuge, wie Gefangene grausam misshandelt wurden: einige wurden auf dem berüchtigten „Bock“ vor allen Mitgefangenen bis aufs Blut geprügelt, andere in das kalte Wasser der Kiesgrube gestoßen und mit Steinen beworfen. Wie Pferde wurden Häftlinge vor eine Walze gespannt, während andere die gerade planierte Erde hinter ihnen wieder aufpickeln mussten. Ein jüdischer Häftling wurde in die Latrine gestoßen und schmutzig durchs Lager getrieben. Doch Bastian fand in all diesem Leid viele Mitgefangene, die es auf ihre Weise verstanden, ihre Menschlichkeit zu bewahren und sich nicht zu beugen. Z.B. den Kommunisten Hans Beimler, dem die Flucht aus der Dunkelzelle gelang, den jüdischen Arzt Dr. Katz, der verletzte und kranke Häftlinge versorgte, obwohl er dadurch zum Mitwisser der Vertuschungsaktionen der SS wurde und damit seine Entlassung aus dem Lager verwirkte, oder den bürgerlichen Politiker Alois Hundhammer, der sich ganz ins Gebet zurückzog. Bastian gelang es, als Geräte-Verwalter für sich und einige Mitgefangene eine bessere Verpflegung zu ergattern, und er erhielt so das Privileg, Bücher lesen zu dürfen. Für

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seine Entlassung im September 1933 erfuhr er ebenso wenig den Grund wie für seine Verhaftung. Nachdem er wieder für öffentliche Ämter zugelassen wurde, nahm er sein Studium in Erlangen neu auf und promovierte über Freiheitsberaubung. Kurz spielte er mit dem Gedanken, in die Schweiz und von dort in die USA auszureisen, blieb aber bei seiner Freundin Maria, die er 1936 heiratete. In diesen Jahren arbeitete er bei der Münchner Industrie-und Handelskammer und der Deutschen Allgemeinen Treuhand AG. 1936 erwarb er einen Bauernhof in Tirol. Durch simulierte Krankheiten und Bestechungen versuchte er ab September 1939, dem Kriegsdienst zu entgehen, wurde aber schließlich doch eingezogen. Er war in Frankreich stationiert, bis er Urlaub zur Bewirtschaftung seines Bauernhofes erhielt. Während des Russland-Feldzuges spielte er den naiven Clown, erlangte beim Kartenspielen das Vertrauen einiger Offiziere und gelangte auf abenteuerlichem Wege kurz vor der Abriegelung Stalingrads wieder nach Tirol. Er verweigerte die Offizierslaufbahn und wurde wegen „Führerbeleidigung“ ins Strafbataillon versetzt. Sein Oberleutnant entließ ihn schließlich, nachdem Verwandte von Bastians Frau, Angehörige der Fürstenfamilie Schwarzenberg, ihn zur Jagd eingeladen hatten. Im Januar 1945 spritzte Bastian sich Terpentin in den Arm, um nicht wieder eingezogen zu werden. Nach eigener Aussage kam Bastian durch den Krieg, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Noch nach Kriegsende entging er nur knapp der Exekution durch einen fanatischen Feldwebel, der Deserteure verfolgte. Nach dem Krieg vertrat er mehrere jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Wiedergutmachungsprozessen, verteidigte aber auch den ehemaligen SS-Mann Carl Friedrich Wicklmayr vor Gericht. Er war der Anwalt Albert Schweitzers und vertrat die Familie Wittelsbach. Er wurde als Maler und Bildhauer aktiv und gestaltete unter anderem das Altarbild der Kirche „Zur göttlichen Vorsehung“ in Königsbrunn und zwei Brunnen in der Münchner Innenstadt. Claus Bastian starb am 26. Juni 1995 in München. 2006 wurde auf Antrag der SPD-Gemeinderats-Fraktion in Utting eine Straße nach ihm benannt.


Gedenken als lebendige Verantwortung Wir gedenken der Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus Gedenkrede von Anno Dietz

Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben uns heute hier versammelt um den Millionen zu gedenken, die von dem verbrecherischem Naziregime ermordet wurden, weil sie in der barbarische Rassenlogik des 3. Reiches ausgerottet werden sollten, anderen Glaubens, Überzeugung oder sexueller Orientierung waren, ihr Leben schlicht weniger wert war oder sie aufgestanden und gegen die menschenverachtende Ideologie angetreten waren. Dieses Gedenken fortzuführen und mit Leben zu füllen ist umso wichtiger, als dass immer mehr einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen wollen. Mehr als 50 Prozent der befragten Deutschen wollen nicht mehr erinnert werden. „70 Jahre des Gedenken sind genug! Warum sollen wir für etwas Verantwortung tragen in das wir als nunmehr 3. Generation nach dem Krieg überhaupt nicht beteiligt waren?“ Umso wichtiger ist es zu sagen: NEIN! Es ist nicht genug! Auschwitz als Symbol für die Verbrechen des Holocaust in seiner ganzen Singularität und bestialischen Dimension hat die Geschichte für immer verändert. Hat auch uns für immer geprägt. Unsere Verantwortung ist es dafür einzutreten und zu kämpfen, dass Auschwitz nie wieder sei! Und es auch deshalb nicht genug, weil derzeit wieder Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus offen durch die Straße der Städte getragen werden! Ich schäme mich, wenn ich Montag für Montag die braunen Horden durch unser München ziehen sehe! Wenn ich in die Gesichter derer blicke, die Menschlichkeit und Solidarität wieder mit Stiefeln treten, frage ich mich, in was für einer Welt wir eigentlich leben? In was für einem Land? Ein Land, das jahrelang die Augen verschließt vor den Nazimorden des NSU und weg sieht, wenn Nazis nicht einmal 70 Jahre nach dem Ende des systematischen Mordens wieder in allen Teilen des Landes erstarken. Einer Welt in der 69 GenossInnen unser Norwegischen Partnerorganisation AUF erschossen

werden, weil sie wie wir für eine offene, plurale Gesellschaft eintraten? Wenn überall in Europa wieder rechtsgerichtete Kräfte auf dem Vormarsch sind. Sicher: nicht jeder der in einer PEGIDA Demo mitläuft mag ein Nazi sein! Dennoch jeder und jede der hinterherläuft trägt Verantwortung für das, was er unterstützt, für das, was diese Bewegung vertritt. Es ist die Banalität des Bösen, die sich in dem Schatten der Worte: „das wird man ja noch sage dürfen“ versteckt! Sie, die schweigenden Mitläufer tragen genauso Verantwortung für das, was sie unterstützen, wie jene, die vorne schreien! Es ist falsch Ihre Nähe zu suchen und mit Ihnen reden zu wollen! Denn das hieße nichts anderes als Rassismus als legitime Gesprächsgrundlage anzuerkennen! Das dürfen wir nicht zulassen! Richtig ist: das Erstarken der Rechten und ihrer Mitläufer geht zum Teil auch ein Versagen der Linken und insbesondere der Sozialdemokratie vorweg, die es nicht verstanden hat eine gerechtere Gesellschaft durchzusetzen die allen eine echte Chance zu bieten hat. Dies ist jedoch keine Entschuldigung für unentschuldbares Handeln, vielmehr ist es Mahnung und Aufgabe. Sicher, es tut gut, wenn München aufsteht und mehr als 20.000 wiederholt klar machen: diese Ideologie, dieser Hass hat keinen Platz in unserer Stadt. Doch es ist ein Kampf, der nicht so schnell vorüber gehen wird, der sich auch nicht durch Symbole, so stark sie auch immer sein mögen, vollenden lassen wird. Ein Kampf, den wir auch weiter führen müssen, wenn sich öffentlicher Protest mehr und mehr erschöpfen mag. Aber es ist ein Kampf, den wir denen schulden, die ihr Leben eingesetzt haben um gegen Faschismus und Bestialität zu kämpfen, denen, derer wir heute hier gedenken. Das ist unsere Verantwortung. Das bedeutet lebendiges Gedenken. Nie wieder Faschismus!

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Letztes Wort

Das 101ste Jahr Ein Rückblick auf das Jubiläumsjahr von Lena Sterzer

Liebe Genossinnen und Genossen, 2015 war wirklich ein turbulentes Jahr für uns Jusos. Auch deshalb haltet ihr heute eine Art Jahres-LiD in den Händen. Man kann durchaus kritisch feststellen, dass das Tagesgeschäft an der einen oder anderen Stelle liegen geblieben ist. Aber die Bilanz unseres Jubiläumsjahres ist dennoch eine Ordentliche. Angefangen hat das Jahr mit unserer 100-JahrFeier. Die viele Orga im Vorfeld hat sich gelohnt: mit rund 200 Gästen haben wir unser hundertjähriges Bestehen gefeiert. Mit dabei waren nicht nur viele aktive Jusos, sondern auch viele ehemalige Aktive. Über zehn Juso-Generationen feierten gemeinsam in der alten Messe. Ohne Verschnaufpause ging es nach der 100-Jahrfeier in den Endspurt des Kommunalwahlkampfes, der leider nicht das erhoffte Ergebnis für die Münchner SPD mit sich brachte. Immerhin wurden wir für die Wahlkampfverlängerung belohnt, nachdem Dieter Reiter mit überraschend deutlichem Vorsprung vor Joseph Schmidt als Oberbürgermeister gewählt wurde.

Aber auch nach diesem (Teil-)Erfolg kehrte keine Ruhe in den Verband ein. Die Europawahl stand schon vor der Tür und wir Jusos wurden nicht (oder zumindest fast nicht) müde auch hier nochmal für unseren KandidatInnen – und insbesondere unsere Juso-Kandidatin Steffi Krammer auf die Straße zu gehen. Viele hätten sich danach wohl eine Pause gewünscht – es kam jedoch anderes, nachdem sich die SPD, auch auf Drängen der Jusos, einer ehrlichen Analyse des Kommunalwahlergebnisses stellte. Schonungslos wurden von zahlreichen Genossinnen und Genossen mögliche Gründe und strukturelle Defizite zusammengetragen, manches wurde vom (inzwischen teilweise neuen) SPD-Vorstand aufgenommen. Inwieweit sich wirklich etwas ändert, das werden wir wohl erst im Laufe der nächsten Monate sehen. Bis dahin haben wir auf jeden Fall endlich mal etwas Zeit, das zu tun was wir wollen. Wir freuen uns, wenn auch ihr diese Gelegenheit nutzt und mitmacht.

! g n u n i e M e n i Sag uns de die du gerne Es gibt eine Veranstaltung, über berichten würdest? sonders gut Ein Thema, mit dem du dich be angeht? auskennst, und das alle Jusos

rschlag oder Dann schick deinen Themenvo @jusos-m.de! deinen Artikel für den LID an lid 34


Kontakt

Deine AnprechpartnerInnen bei den Jusos München:

Lena Sterzer Vorsitzende der Jusos München sterzer@jusos-m.de

Eva Blomberg stellv. Vorsitzende Beisitzerin für Öffentlichkeitsarbeit blomberg@jusos-m.de

Miloš Vujović stellv. Vorsitzender Beisitzer für Publikationen vujovic@jusos-m.de

Philip Fickel Geschäftsführer fickel@jusos-m.de

Hannah Hefermehl-Fischer Frauenbeauftragte hefermehl@jusos-m.de

Frederick Knape Beisitzer für Onlinekommunikation knape@jusos-m.de

Marius Köstner Beisitzer für politische Bildung koestner@jusos-m.de

Louisa Pehle Beisitzerin für Mitgliederbetreuung pehle@jusos-m.de

Das Münchner Stadtgebiet ist in vier Regionalverbände (RV), entsprechend den Bundestagswahlkreisen unterteilt. Für jeden RV gibt es eine/n AnsprechpartnerIn für dich im Vorstand:

N

O

John-Paul Palacios Beisitzer Regionalverband Nord palacios@jusos-m.de

Rene Baldeau Beisitzer Regionalverband Ost baldeau@jusos-m.de

S

W

Philip Degenfelder Beisitzer Regionalverband Süd degenfelder@jusos-m.de

Nadine Ponsel Beisitzerin Regionalverband West ponsel@jusos-m.de

Kooptiert zur Unterstützung im Vorstand:

xxx (Vertreterin der Juso Hochschulgruppen München),xxx (Vertreter der Juso SchülerInnen und Auszubildenden München), Cornelius Müller (Vertreter im Gesamtvorstand der SPD München), Tobias Afsali (Vorsitzender der Jusos Bayern), Anno Dietz (Stellv. Vorsitzender der Jusos Bayern), Isa Fiorentino (Stellv. Vorsitzende der Jusos Bayern), Stefanie Krammer (Stellv. Vorsitzende der Jusos Bayern), Simon Kahn-Ackermann (Stellv. Vorsitzender der Jusos Oberbayern), Michael König (stellv. Vorsitzender Jusos Oberbayern)

ranger 38 / 4.Stock, Büro der Jusos München / Obe

80331 München / Tel. +49 (0)89

260 230 90 / buero@jusos-m.de

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