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ARZTRAUM KREATIVES EINRICHTEN FÜR ÄRZTE

Ausgefeilte Farbkonzepte verleihen Wartebereichen eine Wohlfühlatmosphäre und nehmen Patienten im Behandlungsraum die Angst. Von Sabine Henßen

„Man erwartet ja, dass sich die Frauen zum Design äußern, aber ich erlebe häufig, dass gerade ältere Herren, typische Westfalen um die 80 Jahre, sagen: ‚Das ist aber schön hier, das gefällt mir‘“, berichtet Dr. Helmut Schneider, Facharzt für Nephrologie und ärztlicher Leiter des PHV-Dialysezentrums am Sankt Elisabeth Hospital in Gütersloh. Der gemeinnützige Dialyseanbieter PHV (Patienten-Heimversorgung) mit Sitz in Bad Homburg vor der Höhe, der außer in Gütersloh bundesweit an 85 Standorten mehr als 6700 Dialysepatienten versorgt, setzt bei der Ausgestaltung der Räume auf professionelles Farbdesign: „Die Patienten verbringen etwa 15 Stunden pro Woche im Dialysezentrum. Das ist eine lange Verweildauer, und der PHV ist es wichtig, dass sich Patienten während der Dialyse wohlfühlen und die Behandlungsräume hell und freundlich gestaltet sind. Farben spielen dabei eine große Rolle“, erklärt Architekt Hamid-R. Nafisi-Esfahani, Leiter der PHV-Bau- und Planungsabteilung. Bei Patienten findet das Farbkonzept im Gütersloher Dialysezentrum großen Anklang. Entwickelt wurde es von TSP.Design Talledo, Schlegel und Partner, dessen Leiter Markus Schlegel Professor für Farbdesign in Hildesheim ist. „TSP hat uns von Anfang an eingebunden und machte dann drei Vorschläge. Die Variante, die auf Gelb und Grün setzte, traf genau meine Vorstellungen“, so Schneider. „Beim Empfang allerdings haben wir uns mit einem kräftigeren Farbkonzept durchgesetzt“, betont der Nephrologe. Eine runde Theke in blau-türkis-grünen Streifen setzt frische Akzente, sonnengelbe Wände und grasgrüne Sitzmöbel verbreiten fröhliche Stimmung und setzen ganz eigene Stilmerkmale. „Früher haben wir die Farbkonzepte selbst entwickelt. Aber um

© Mone Beeck

die Zusammensetzung eines Konzepts wissenschaftlich begründet darzulegen, bedarf es Spezialkenntnissen“, weiß Architekt Nafisi-Esfahani. Seine Lösung für ein stimmiges Farbkonzept: die Funktionsbereiche eines Gebäudes ganzheitlich zu betrachten. „Unsere Farbdesigner haben sich während ihres gesamten Studiums mit Farbe und Materialität beschäftigt und wissen, wie die einzelnen Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer vereint werden können.“ Dass es sich lohnt, in ein professionelles Farbmanagement zu investieren, zeigt sich für Nafisi-Esfahani in den Rückmeldungen zu den realisierten Bauvorhaben. Die hohe Patienten-Zufriedenheit in Umfragen, die im Rahmen des Mehrkosten Qualitätsmafür Farbnagements regelmäßig management durchgeführt halten sich in werden, führt der Architekt Grenzen. auch darauf zurück. Doch wie verhält es sich mit Mehrkosten? „Durch die Vorgabe, dass unsere Farbkonzepte nur unter Berücksichtigung der Unternehmensgrundsätze, Ökologie und Budgetvorgaben entwickelt werden dürfen, entstehen keine zusätzlichen Investitionen.“ Ein anderes Bild vom Gesundheitsbau zeichnet Axel Venn, Professor für Farbgestaltung und Trendscouting in Hildesheim, Autor und international renommierter Berater in Sachen Farbdesign. Er sieht noch viel Nachholbedarf: „Es wird zu wenig auf die Emotionalität von Gestaltung geachtet! Die Beteiligten denken zu stark funktionsorientiert, anstatt sich zu fragen: Hilft das meinen Patienten?“ Den Kostenaspekt lässt auch Venn nicht gelten: „Die Krankenkassen haben noch nicht erkannt, dass professionelles Farbmanagement Kosten senken und Liegezeiten verkürzen kann. Zudem ist eine schlechte Farbe genauso teuer wie eine gu-

Eher schrill oder eher fröhlich? Viel kräftiges

te.“ Banken oder Hotels seien oft wesentlich angenehmer ausgestattet als Krankenhäuser, obwohl doch gerade diese eine philanthropische Aufgabe zu erfüllen hätten. Besonders für Kinder und Heranwachsende fordert der Experte angstfrei gestaltete Praxen: „Grafische Muster an den Wänden, die spitz zulaufen, sind völlig ungeeignet – mögen sie noch so ‚in‘ sein. Sie erinnern an Pfeile, die auf einen zuschießen.“ Er rät strikt davon ab, bei der Gestaltung die Farbe Weiß in den Mittelpunkt zu rücken. „Weiß ist eine Unfarbe und bedeutet, auf 9 999 999 Möglichkeiten zu verzichten.“ Venn, Kuratoriumsmitglied des deutschen Farbenzentrums, empfiehlt dezente, pastellige Töne. Sanfte Farbwelten sollten also vorherrschen, nicht etwa schrilles Gelb, „denn Farben wirken auf großen Flächen, Praxiswände sind kein Bilderbuch“.

! NEUES FÜR DIE PRAXISEINRICHTUNG Licht in allen Lebenslagen

Schicker Lärmschutz schnell installiert

Anfang Juni hat das Vitra Design Museum in Weil am Rhein die von Frank Gehry entworfene Vitra Design Museum Gallery eröffnet. Sie bietet den Rahmen für Einzelschauen bekannter Designer, Installationsprojekte oder Ausstellungen von Newcomern. Die erste Ausstellung ist dem Künstler Ettore Sottsass (1917-2007) gewidmet, der als der einflussreichste italienische Designer der Nachkriegszeit gilt. Seine Objekte sind eine wahre Inspirationsquelle, wenn es um das stilvolle Möblieren von Arbeitsbereichen geht. Bis September 2011.

Stilvoll erhellt „Uno“ als Stand-, Boden-, Tisch- oder Leseleuchte ab sofort auf Wunsch alle Sprechoder Wartezimmer. Nicola Grandesso hat das Designobjekt entworfen, dessen Klarheit sofort ins Auge fällt. Das Metallgestell mit rundem Fuß gibt es in 20 unterschiedlichen Farben, darunter in Mintgrün, Magenta oder Sonnengelb. Auftraggeber ist die venezianische Glasmanufaktur De Majo Illuminazione, bekannt für ihre Leuchter aus Muranoglas und ihr reduziert-sachliches Design. Die kleine Leuchte ist ab 100 Euro, die große ab 174 Euro erhältlich.

Es muss nicht immer eine Tür sein: Mit „Viswall“ hat Büromöbelhersteller Sedus großformatige Lamellenelemente entwickelt, die vor Lärm und Einblicken schützen und angenehme Ruhezonen erzeugen. Großzügig geschnittene, oft hallige Räume, wie etwa der Empfangsbereich, können so schnell aufgeteilt und bei Bedarf wieder geöffnet werden. Die „Viswall“-Elemente lassen sich um 90 Grad um die vertikale Achse drehen und schaffen dadurch freie Sicht. Kernstück ist ein mit Stoff bespannter Stahlrohrbügel. Kosten: ab 580 Euro (zzgl. MwSt.).

! www.design-museum.de

© Aldo Ballo +

! www.demajoilluminazione.com

© DE MAJO

Starker Auftritt für Design-Ikone

! www.sedus.de

© Sedus


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ARZTRAUM KREATIVES EINRICHTEN FÜR ÄRZTE ! INTERVIEW

„Wir sollten Farben als Genesungsfaktor einsetzen“ Klinisches Weiß in Praxen schürt oft Ängste. Ein farbiger Anstrich, der wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen folgt, kann positive Emotionen hervorrufen. Worauf bei der Planung zu achten ist, erläutert Professor Markus Schlegel, Experte für Farbdesign.

Ärzte Zeitung: Welche „emotionale Macht“ schreiben Sie dem Farbdesign im Gesundheitsbau zu? Professor Markus Schlegel: Farben können ein Motivator für die Gesundung sein. Wir sollten sie daher gezielt als Genesungsfaktor einsetzen. Der Raum ist natürlich kein Arzneimittel, kann aber der Nährboden für den Heilungsprozess sein.

Ärzte Zeitung: Wie haben Sie die Wünsche der Mitarbeiter in die Planungen mit einbezogen?

Ärzte Zeitung: Ist die Verknüpfung von Farbe und Emotion bei Menschen nicht sehr subjektiv und lässt sich nur schwer messen?

Gelb ist an den Wänden im Dialysezentrum in Gütersloh.

© (2) Martin J. Duckek

Die Wirkung von Farben Angstfrei: Sonnige und warme Farbtöne aus dem Gelb- und Orangebereich sind genauso geeignet wie kühle, frische Blau-, Grau-, und Grünnuancen. Farben aus dem kühl- und warmtonigen Bereich ergänzen sich und schaffen zarte Harmonien. Nicht zuletzt strahlen sie Freundlichkeit und Ruhe aus. Regenerativ: Eine Stimmungswelt, charakterisiert durch grüne, blaue und beige Farbnuancen mit Verbindung zu Natur. Im Mittelpunkt stehen Entspannung und Erholung, erzeugt durch zarte Farbharmonien mit geringen Kontrasten. Präventiv: Eine Farbwelt, die sich durch Rot- und Grautöne auszeich-

net und in unterschiedlichen Helligkeits- und Sättigungsstufen kombiniert wird. Die reduzierte Farbigkeit wirkt ruhig bis animierend je nach Intensität und Einsatz der Farbe Rot. Wohlfühlen: Überwiegend hell und warmtonig gehalten, bestimmen Gelb-, Orange-, Beige- und Terrakottatöne eine Ton-in-TonFarbwelt. Die Wohlfühl-Praxis präsentiert sich in behaglich-sonniger, aber auch in erdiger Farbigkeit und vermittelt Patienten Leichtigkeit, Sympathie und Geborgenheit. Quelle: Health& Care Network Group.

! www.health-and-care.net, www.colortrend.de, www.tsp-design.de.

Schlegel: An der HAWK begannen wir gemeinsam mit dem Fachbereich für Psychologie der Universität Mannheim bereits im Jahr 2006 mit der Untersuchung „Farbe + Emotion“. Über 2000 Personen verschiedener Alters- und Gesellschaftsschichten wurden dabei auf ihre Farbwahrnehmung hin getestet: Die Personen standen in sechs Quadratmeter großen Räumen und ließen unterschiedliche Farben und Farbkombinationen bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen auf sich wirken. Dann befragten wir sie anhand von Piktogrammen über ihre Empfindungen. Fazit: Wir haben Farbtypologien identifiziert, die eine deutliche emotional positive Wirkung auf den Betrachter haben. Ärzte Zeitung: Sie haben vier Dialysezentren – in Bad Rothenfelde, Bonn, Gütersloh und Oranienburg – mitgestaltet. Welche Farbkompositionen und Materialien kamen zum Einsatz? Schlegel: Basierend auf den wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen unserer Studie haben

genehm anregend oder angenehm entspannend wirken, und mit Aufhellung und Verschattung der Farbtöne gearbeitet. Wichtig ist bei jedem Projekt: Wie wird das Farbkonzept in den jeweiligen Raum übersetzt, ist die Empfangstheke rund oder eckig, welche Materialien werden dafür verwendet? Ziel ist es, eine möglichst regenerative, positive Stimmung zu erzeugen. Das erreicht man etwa mit Naturtönen, wobei Echtholz oder Kautschuk aufgrund der DIN-Vorgaben oft tabu sind. So haben wir die Natur mit alternativen Materialien versucht nachzuempfinden.

Professor Markus Schlegel Aktuelle Position: Markus Schlegel ist Professor für Farb- und Architekturgestaltung an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (HAWK) sowie Mitinhaber der Bürogemeinschaft TSP.Design Talledo Schlegel & Partner in Frankfurt am Main. Werdegang: Geboren 1965 in Stuttgart; Ausbildung in Siebdruck, Lichtreklame und Messebau; Chemiestudium (Ausrichtung: Farbe, Lack, Kunststoff); 1998 Übernahme der Leitung des Farbdesign-Studios bei Caparol.

wir Farbtypen ausgewählt, die einer Vielzahl von Menschen vertraut sind. Wir haben Farbkompositionen auf die Zentren übertragen, die an-

Schlegel: Die Räume in den Dialysezentren sollten eine hohe Begegnungsqualität haben und eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit ausstrahlen. Man soll „atmen“ können. Auch der Aspekt Nachhaltigkeit war eine Grundanforderung: Er betrifft die Materialen und das Farbdesign, das auch nach Jahren noch als stimmig empfunden werden sollte. Wir haben den Belegschaften Farbprofile mit besonderen Attributen wie „gemütlich“, „Komfort“ oder „Wärme“ vorgestellt und ihnen damit sozusagen eine Navigationshilfe an die Hand gegeben, anstatt ihnen 2000 Farbtöne zur Auswahl vorzulegen. Ärzte Zeitung: Welche Gestaltungswünsche haben Sie persönlich an ein Wartezimmer? Schlegel: Persönlich bevorzuge ich einen sehr reduzierten, sehr nüchternen Stil, eher klösterlich, viel Grau und Weiß. Der Raum sollte seelisch entschlackend wirken, natürliche Wärme käme etwa durch Licht hinein. Aber aus persönlicher Erfahrung weiß ich: Wenn es einem Menschen wirklich sehr schlecht geht und Angst im Spiel ist, hilft ein Umfeld, das in eine weiche, verwischte, natürliche Farbpalette, etwa mit Rosétönen, getaucht ist.

Das Gespräch führte Sabine Henßen.

Hoch die Tassen – auch an der Wand!

Waschplatz als kleines Raumwunder

Ab an die Wand: Was Teller schon lange können, dürfen jetzt endlich auch die Trinkgefäße! Für den dänischen Keramikdesign-Hersteller Kähler haben die beiden Designerinnen Tine Broksø und Karen Kjældgård-Larsen die Wandtassen-Serie „Momento“ entworfen. Wie zufällig ausgegossen färbt die bunte Innenglasur die hängenden Porzellangefäße ein und lässt sie so zu einem originellen Blickfang werden. Die Tee-, Kaffee- oder Espressotassen samt Untertellern sorgen auch im Warte- oder Behandlungszimmer für Ablenkung. Preis: ab 46 Euro.

Der Name „Insert“ ist Programm: Mit seinem kompakten Waschplatz bietet Alape jetzt auch für das kleinste Patienten-WC die perfekte Lösung. Zum filigranen Becken aus weiß glasiertem Stahl gesellt sich eine Ablage in Weiß oder Anthrazitbraun. „Insert“ wird als Eck-Waschtisch angeboten und misst in Breite, Tiefe und Höhe 25 mal 25 mal 45 Zentimeter. Die erweiterte Alternative bietet einen integrierten Handtuchhalter und etwas Stauraum. Das Waschbecken kann rechts oder links zum Unterbau angebracht werden. Preis auf Anfrage.

! www.kahlerdesign.com

© Kähler

! www.alape.com

© Alape


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