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AUSGABE 88

FREITAG/SAMSTAG 13./14. MAI 2011

ARZTRAUM KREATIVES EINRICHTEN FÜR ÄRZTE

Ob als Arbeitslicht fürs Personal, Orientierung oder atmosphärische Beruhigung für die Patienten – die Beleuchtung mit Tages- oder Kunstlicht in Praxen und Kliniken muss vielen Funktionen gerecht werden. Dabei wird die Lichtwirkung auf den menschlichen Organismus oft übersehen. Von Ingrid Lorbach

„Licht ist ein Grundnahrungsmittel“ – so lautet die einfache Formel des Hamburger Lichtplaners Peter Andres. Dieser Gedanke sollte auch Ärzten, die ja zum Beispiel um die Zusammenhänge von UVB-Strahlung, Vitamin-D-Bildung und Knochenaufbau oder den Einfluss von Licht wissen, nicht fremd sein. Dennoch beklagen Lichtexperten immer wieder, dass sich biologische Aspekte auch im Gesundheitswesen viel zu wenig in der Lichtplanung niederschlagen. Professor Heinrich Kramer vom Büro Lichtdesign Köln bringt das Problem auf den Punkt: „Alle existierenden Normen sind auf Sehleistung ausgerichtet. Gesundheit, Wohlbefinden, Emotionen und Kultur sind darin nicht berücksichtigt.“ Ein Blick auf die Bestimmungen der europäische Beleuchtungsnorm DIN EN 12464-1 bestätigt dies. Sie regeln die „Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen“ und damit auch die Lichtverhältnisse in Arztpraxis und Klinik. Hier geht es im Wesentlichen

Lichtgestalt: Mit einer guten Praxisbeleuchtung macht der Arzt seine Patienten und Mitarbeiter glücklich.

um die geforderte Beleuchtungsstärke in Lux, für alle Bereiche vom Wartezimmer über Behandlungsräume bis zum Operationssaal. Für Schreibtischarbeitsplätze und die Allgemeinbeleuchtung ärztlicher Untersuchungsräume sind 500 Lux vorgeschrieben, an Untersuchungsstuhl oder -liege sind es 1000 Lux. Am Empfangstresen sollen es mindestens 300, im Wartezimmer 200 sein. Das aber ist zum Lesen zu wenig: Die Fördergemeinschaft Gutes Licht empfiehlt mindestens 300 Lux, für ältere Patienten mehr.

Licht ist nicht nur zum Sehen da Wie das Bespiel Wartezimmer zeigt, sind die vorgeschriebenen Lux-Werte teilweise selbst für die Sehleistung nur knapp bemessen. Den biologische Funktionen des Lichts, wie etwa der Regulierung des Schlaf-WachRhythmus über die Botenstoffe Serotonin und Melatonin, werden sie also

gar nicht gerecht. Markus Canazei vom LichtLabor in Aldrans bei Innsbruck drückt es so aus: „Bei künstlichem Licht von 500 Lux leben wir in der Dämmerung. Um physiologische Lichtwirkungen zu erzielen, reicht das nicht aus.“ Deshalb ist das sehr viel hellere Tageslicht – im Freien finden wir teilweise 100 000 Lux – unersetzlich. Lichtplanung, die auch die biologische Lichtwirkung berücksichtigt, sollte also bei der Architektur beginnen, um möglichst viel Tageslicht in die Räume zu bringen. Bei einem Klinikneubau lässt sich das über Innenhöfe oder Lichtbänder verwirklichen. Je länger die Patienten sich in einer Einrichtung aufhalten und je älter sie sind, desto wichtiger ist der Faktor Tageslicht. Heinrich Kramer fordert deshalb für Pflegeeinrichtungen, die Aufenthaltsräume grundsätzlich wintergartenähnlich zu gestalten. Für niedergelassene Ärzte sind die Einflussmöglichkeiten auf die Lichtarchitektur der Praxisräume allerdings meist beschränkt – es sei denn,

sie bauen oder modernisieren selber. Nicht selten liegt gerade der Eingangsbereich einer Praxis im Inneren des Gebäudes und damit in einer relativ dunklen Zone. Lichtforscher Markus Canazei rät, das fehlende Tageslicht, so weit es geht, durch helles, kühles Licht – also Licht mit erhöhtem Blauanteil – zu substituieren.

Fernseher im Wartezimmer? Eine gute Idee! Das Problem: Kühleres Licht wirkt mit wenig Intensität fahl und unbehaglich. Einen Ausweg sieht Canazei darin, die erhöhte Raumhelligkeit mit selbstleuchtenden Informationsmedien zu kombinieren. Das kann zum Beispiel ein Fernseher oder großes Display im Warteraum sein. Das Bild auf dem Monitor wirkt in Zusammenhang mit hellem Licht auf den Betrachter ähnlich wie der Blick aus dem Fenster. Wenn wir von Behaglichkeit im Zusammenhang mit Licht sprechen,

kommt meist die Energiesparlampe ins Spiel: Viele Menschen empfinden deren Lichtwirkung als ungemütlich. „Dieses Gefühl trügt nicht“, bestätigt Canazei, „Energiesparlampen emittieren im Allgemeinen weniger langwelliges, rotwelliges Licht. So erscheinen Hautfarben oft unnatürlich.“ Außerdem irritierten Menschen die geringen Helligkeiten dieser Lichtquellen beim Einschalten. „Es gibt aber große Qualitätsunterschiede bei diesen Lampen. Informieren Sie sich vor dem Kauf mithilfe von Warentests“, rät der Lichtforscher. Allerdings ist die Energiesparlampe für ihn nur eine Übergangslösung, die in ein paar Jahren veraltet sein dürfte. Die Zukunft des Lichts sieht er in der LED- und der OLED-Technologie mit organischen Leuchtdioden: „Das LED-Spektrum ist dem Tageslicht viel ähnlicher. Außerdem sind diese Leuchtmittel mit einer Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren auch in Sachen Energieeffizienz die bessere Lösung.“

Die ganze Praxis in einer Hand

Fürs Wartezimmer: Vinyl wie gewebt

Licht, Jalousien oder Lüftung in allen Räumen vom Empfang oder aus dem Sprechzimmer zu steuern, ist eine komfortable Sache. Mit einer Funktechnologie wie „io-homecontrol“ lässt sich die intelligente Haustechnik auch jederzeit nachträglich und ohne aufwendige Kabelverlegung installieren. Ein gewünschtes Szenario, etwa für die Öffnung der Praxis am Morgen, lässt sich auf dem Computer entwerfen. Per USB-Kabel wird die Information dann auf den „Skitter“ überspielt, einen Handsender für die Steuerung. Im Gegensatz zu vielen anderen Fernbedienungen ist der „Skitter“ rund geformt, liegt daher

gut in der Hand und lässt sich per Magnet an Oberflächen befestigen.

Einladend wohnlich, dabei aber strapazierfähig – eine Wunschkombination fürs viel frequentierte Wartezimmer. Mit dem neuen Bodenbelag „Artesan“ für den Objektbereich verspricht der schwedische Hersteller Bolon, beiden Ansprüchen gerecht werden zu wollen. Das als Rollen- oder Plattenware erhältliche Material hat eine gewebte Struktur, die einem Teppichboden ähnelt, aber aus Vinylfasern besteht. Die Kollektion umfasst sechs verschiedene Farben sowie zwei gestreifte Varianten.

! www.somfy.de

! www.bolon.com

© Somfy GmbH

© Jonas Lindström / Bolon

! NEUES FÜR DIE PRAXISEINRICHTUNG


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FREITAG/SAMSTAG 13./14. MAI 2011

ARZTRAUM KREATIVES EINRICHTEN FÜR ÄRZTE ! INTERVIEW

„Therapeutisches Licht lässt sich in die Raumbeleuchtung integrieren“ Die Wirkung von Licht gegen depressive Verstimmungen könnten Ärzte auch außerhalb der herkömmlichen Lichttherapie nutzen – durchaus zum wirtschaftlichen Vorteil. Der Innsbrucker Lichtforscher Markus Canazei berichtet über Studien und Forschungsergebnisse. Ärzte Zeitung: Das LichtLabor hat mit der Uniklinik Innsbruck gemeinsam an einer Studie zur positiven Wirkung von Licht als Vorbeugung gegen Wochenbettdepressionen gearbeitet. Was war der Hintergrund?

Ärzte Zeitung: Der Wechsel der Lichtfarben war also ein wichtiges Element des Versuchs?

Markus Canazei: Lichttherapie wird schon länger gegen Herbst-WinterDepressionen angewendet. Diese Methode auch bei Wochenbettdepressionen zu erproben, liegt insofern nahe, da es für stillende Mütter nicht optimal ist, Medikamente zu nehmen. Wir kamen dann in Kontakt mit einem Primararzt der Frauenklinik an der Uniklinik Innsbruck, der von der Idee begeistert war. Ärzte Zeitung: Was war das Besondere an dieser Studie?

© Mone Beeck

Sonnenschutz: Gegen den großen Lichteinfall Um sommerlicher Überhitzung oder Blendung vorzubeugen, geht es bei großen Fensterflächen nicht ohne Beschattung. Rollläden sind das wirksamste System, sie halten gut 75 Prozent der Sonneneinstrahlung ab. Für den öffentlichen Bereich einer Arztpraxis sind sie allerdings nicht so gut geeignet, weil sich die Intensität des einfallenden Lichts wegen des geschlossenen Rollpanzers kaum regulieren lässt. Aufgrund der Lamellenstruktur flexibler, aber dennoch effektiv sind Außenjalousien oder Raffstores. Da die Lamellen der Raffstores durch Seitenschienen geführt werden, sind sie besser vor Wind und Wetter geschützt als Jalousien. Ein innen angebrachter Sonnenschutz hält nur etwa 30 Prozent der solaren Energie ab,

wirkt aber meist deutlich wohnlicher als Außenbeschattung. Ein beliebter Klassiker ist der Lamellenvorhang, den es aus unterschiedlichen Materialien, Reflektionsstärken und mit verschiedenen Zusatzeigenschaften (z.B. feuchteabweisend, antibakteriell) gibt. Alternativen sind horizontale Innenjalousien oder Flächenvorhänge – an Schienen befestigte Textilbahnen –, die durch Gewichte am unteren Ende eine glatte Fläche bilden. Sie sind die Klassiker in der Praxis, wirken aber eher kühl und funktional. Fast alle Beschattungssysteme gibt es heute auch mit Elektroantrieb, der umständliches Kurbeln oder Ziehen per Hand überflüssig macht. Noch komfortabler sind programmierbare Jalousien, die sich nach Uhrzeit oder Sonnenstand öffnen und schließen.

Kein Zweifel: Eine WC-Spülung, die sich ohne Berührung auslösen lässt, ist eine sehr hygienische Angelegenheit. Die neuen Spülarmaturen „Compact ll“, die der Hersteller Schell auf der Sanitärmesse ISH 2011 vorstellte, funktionieren elektronisch, im Netz- oder Batteriebetrieb. Die dazu gehörigen Auslöseplatten gibt es in unterschiedlichem Design. Besonders schick ist „Ambition E Eco“ aus Einscheibensicherheitsglas in Weiß oder Schwarz mit farbigen Icons zur Nutzeranleitung. Die Bedienung erfolgt auf unterschiedliche Weise: Mit vollautomatischer Spülauslösung,

© SCHELL GmbH & Co. KG

Hygiene und Design vereint

über Handannäherung im Nahbereich und natürlich auch manuell.

! www.schell.eu

Canazei: Wir haben nicht mit einem klassischen Lichttherapiegerät gearbeitet, sondern das therapeutische Licht in die Raumbeleuchtung eingepasst. Außerdem wollten wir die Lichtintervention nicht, wie sonst üblich, nur kurzfristig am frühen Morgen einsetzten, sondern die Frauen über 24 Stunden mit einer optimalen Lichtsituation begleiten. Wir sprechen von einem zirkadianen Lichtmanagement. Ärzte Zeitung: Wie sieht dieses Lichtmanagement praktisch aus? Canazei: Wir haben die Frauen morgens mit einer heller werdenden Raumbeleuchtung geweckt. Das Wecken mit Licht wirkt nachweislich antidepressiv. Die Lichtintensität wurde im Laufe der ersten Stunden des Tages erhöht. Am Tag lag die Helligkeit über der Norm und verschaffte in den Zimmern den Eindruck einer Tageslichtbeleuchtung. Gegen Abend haben wir die Lichtfarbe dann gemäß einer natürlichen Abenddämmerung ins Rötliche verändert. Mit diesem Licht wurden zonal die Betten während nächtlicher Stillphasen beleuchtet.

Canazei: Genau. Die Idee dahinter ist simpel: Mit weißlich-bläulichem Licht vermittelt man dem Körper ein Tagsignal. Das fällt bei Lichtemissionen im rötlichen Spektrum weg, man belässt den Körper in einem Nachtmodus. Eine Kontrollgruppe wurde in Zimmern mit einer Standardbeleuchtung für Krankenzimmer untergebracht. Ärzte Zeitung: Und wie wirkte sich die 24-Stunden-Raumlichtintervention bei den Wöchnerinnen aus? Canazei: Wir haben an 200 Frauen und noch einmal 80 Frauen in einer Nachfolgestudie verschiedene Parameter wie Befindlichkeit, Schlafqualität oder auch den Melatoningehalt – ein guter Indikator für die physiologische Reaktion auf Licht – gemessen. Frauen mit Spontangeburten ohne Komplikation hatten unter dem zirkadianen Lichtmanagement im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht nur bessere Befindlichkeitswerte, sondern auch eine kürzere Verweildauer in der Klinik. Uns hat überrascht, wie schnell das Licht wirkte. Normalerweise braucht man bei der Lichttherapie fünf bis sieben Tage, bis sich erste positive Effekte zeigen. Unter der 24-Stunden-Lichteinwirkung ging das wesentlich schneller. Ärzte Zeitung: Was lässt sich aus diesen Ergebnissen für die Lichtplanung in Kliniken ableiten? Canazei: Vor allem, dass es sich auch wirtschaftlich lohnen kann, in Lichtmanagement zu investieren. Dinge wie verschiedene Lichtfarben oder eine Lichtsteuerung kosten viel Geld. Wenn der Patient aber dann besser schläft, seltener nach der Schwester ruft, weniger Medikamente braucht und sich der Klinik-

Dipl.-Ing. Markus Canazei Aktuelle Position: Seit Juni 2004 Leiter der wahrnehmungspsychologischen Abteilung des Bartenbach LichtLabors (www.bartenbach.com) in Aldrans bei Innsbruck. Werdegang/Ausbildung: Studium an der Universität Klagenfurt für Lehramt Mathematik sowie Pädagogik, Psychologie und Philosophie. Studium der technischen Mathematik. Studium der Psychologie und Psychotherapiewissenschaften. Ausbildung zum Psychotherapeuten.

aufenthalt verkürzen kann, ist das für Klinikbetreiber ein Argument. Ärzte Zeitung: Lassen sich aus der Studie auch Empfehlungen für niedergelassene Ärzte ableiten? Canazei: In der Praxis geht es eher um die akute Lichtwirkung, die beim kurzfristigen Aufenthalt des Patienten eintritt. Viel Licht und hohe Helligkeiten wirken sich positiv auf die Stimmung aus. Auch beim Personal kann man mit hellem Licht kurzfristig die Leistungsfähigkeit steigern. Wir arbeiten gerade mit der Universität Graz an einem Projekt, in dem wir untersuchen, ob man Lichttherapie auch gegen Burn-out einsetzen kann. Das könnte für Kliniken und Praxen interessant sein, weil gerade Ärzte oder Pfleger häufig davon betroffen sind.

Interview: Ingrid Lorbach

Stilvoll nicht nur Licht ein- und ausschalten

Kooperation für Wohngesundheit

Eine Praxiseinrichtung im klassischen Ambiente sollte man ins rechte Licht setzen, und kann ihr als i-Tüpfelchen eine Schalterserie im passenden Stil gönnen. Das neue Schalterprogramm ClassiX von Gira will mit eleganter Formensprache, hochwertigen Materialien und zeitlos edler Anmutung bestechen. Die Tastflächen der Schalter, die etwa fürs Lichtsystem eingesetzt werden können, sind aus Messing oder Bronze, in verschiedenen Varianten mit Rahmen in Metall, Schwarz, Weiß oder Cremeweiß. Ab Juli ist die ClassiX-Serie im Handel erhältlich. Für Praxen, die demnächst

eine neue Elektroinstallation planen, eine Option.

Die Firma nora systems stellt die in Kliniken und Praxen häufig verwendeten Kautschukbodenbeläge her, darunter auch mehrere als emissionsarm zertifizierte und mit dem „Blauen Engel“ ausgezeichnete Produkte. Das Sentinel-Haus Institut bietet Bauunternehmen und Planern Komplettlösungen für weitgehend schadstofffreie Gebäude an, die auch für Allergiker gut bewohnbar sein sollen. Beide Unternehmen wollen jetzt in der Entwicklung umweltschonender und baubiologisch ausgerichteter Gebäude kooperieren.

! www.gira.de

! www.nora.com, www.sentinel-haus.eu

© Gira


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