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Nikà und Themis

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Nachbarschaftstag

Nachbarschaftstag

Kleine Siege reihen sich wie Perlen aneinander und verschönern das Sein.

Text aus Schreibwerkstatt: Was sind Siege?

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Storyline Das Tanztheater Nikà und Themis begleitet die Göttin Nikà auf der Suche nach der Wertschätzung für sich selbst. Nikà ist schnell und stark. Sie ist eine Siegerin.

Themis, die Göttin für Gerechtigkeit und Philosophie, begleitet Nikà als Mentorin auf dieser Reise. Sie lehrt Nikà, dass innere Siege wichtiger sind als äußere.

Nikàs Jagd nach ihrem gesunden und stabilen Ich folgt den Stationen der Heldinnenreise einerseits, wie auch den Geschichten der 12 Horen, der Schutzgöttinnen der Tageszeiten andererseits. Am Ende weiß Nikà, dass innere Unabhängigkeit und ein gesundes Selbst Vertrauen sie zur Erkenntnis führen.

Frauen und Mädchen Umsetzung against all odds

Pandemiebedingt arbeiteten wir in Referenz zu den wechselnden Hygieneschutzverordnungen. Die Werkstätten/Trainings fanden face to face, hybrid (Präsenz und Online) und komplett digital statt.

Ende des Jahres 2020 war uns klar, dass es keine Premiere mit Publikum geben wird. Wir hatten schon lange nicht mehr mit allen Frauen vor Ort im Studio von Kabawil arbeiten können. Die Geschichte stand und die Stücktexte lagen vor. Die Choreographien der einzelnen Horen, gab es aber nur als Skizzen. Dazu hatten wir die jeweilige Protagonistin der Szene plus weitere 3 Teilnehmerinnen ins Studio eingeladen. Die daraus entstandenen Tänze konnten wir nicht online im Ensemble einstudieren. Im Studio waren häufiger z.B. eine geflüchtete Frau und eine Frau, die kein gutes Internet hatte, anwesend. Wir hätten sie sonst verloren. Das Gesundheitsamt der Stadt gestattete uns das hybride Konzept, da wir ein integratives Projekt waren.

Im Dezember hofften wir noch, die Premiere im Februar 2021 feiern zu können. Wir arbeiteten aber auch schon mit dem Filmteam der Bildversorger am Plan B, einer filmischen Dokumentation: das Making of von Nikà und Themis – Wir sichteten das vorliegende Material, komplettierten unfertige Szenen so gut es ging. Wir dachten nicht mehr an ein Bühnenstück, sondern an ein Drehbuch. Die Stückmusik diente dabei als der rote Faden des Videos. Wir zeichneten die gesprochenen Texteinheiten auf. Wir sammelten die Handy Videos der einzelnen Tänze, die wir immer in unserem Gruppen Chat hochgeladen hatten. Wir zeichneten drei Ensemble Choreos im Live Stream auf. Wir adaptierten Arbeitsweise und Methoden fortwährend. Die permanente Flexibilität verlangte Viel von allen Beteiligten. Guter, kontinuierlicher Austausch waren essentiell für die Fortführung der Arbeit und den Bestand der Gruppe. Wir Alle freuen uns, dass wir Nikà und Themis gemeinsam zu einem glücklichen Abschluss bringen konnten.

Frauen und Mädchen Glücksmomente

Die Musik von Nikà und Themis wurde aus den Stimmen der Teilnehmerinnen komponiert. Thomas Klein nahm diese im Rahmen des Sprech- und Stimmtrainings mit Dorothea Gädeke im Mini-Workshop von Kabawil auf. Die Frauen erzeugten eigene Töne in Referenz zu ihren Charakteren und den in den Schreibwerkstätten mit Angela Kamara selbstentwickelten Szenen.

Die Kostüme entwickelten die Teilnehmenden nach ihren persönlichen Vorstellungen von ihrer individuellen Nikà. Die Kostümbildnerin Isabell Ziegler begleitete den Prozess. Auffallend war dabei, wie die verschiedenen kulturellen Prägungen und Vorstellungen von Ästhetik und schön, bzw. nicht schön sein, sich dabei zeigten. Mit der Künstlerin Lisa Taniyama zeichneten die Frauen in einem begleitenden Projekt, in Anlehnung an ihre Kostüme, individuelle Nikà Anziehpuppen für ihre verschiedenen Nikà Charaktere. Diese nutzten wir für die szenischen Übergänge im Making of Video.

Der Gesprächsabend zu Heldin-Vorbild-Ahnin mit Petra Welz, einer Expertin der feministischen Arbeit und Beratung von Frauen, stärkte und unterstützte jede der Teilnehmerinnen. Gemeinsam schaute die Gruppe auf Frauen in ihren eigenen Familien. Gab es dort weibliche Vorbilder für sie? Wurde ihr Leben von einer Mentorin begleitet? Diese sehr persönlichen Fragen erlaubten allen tiefe Einblicke in ihr Selbst und ihre matrilineare Familiengeschichte. Kulturelle Vergleiche zeigten, wie ähnlich weibliche Sozialisation überall zu sein scheint. Ein Gefühl von Solidarität und Nähe entstand.

In der ganzen Produktionsphase reflektierten die Frauen ihre eigenen Rollen in der gegenwärtigen Gesellschaft im Kontext einer Pandemie. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichtsentwicklung passierte mit Blick auf die eigene Realität. Dies förderte die Stärkung ihrer individuellen, weiblichen Persönlichkeit. Durch die Teilnahme von Frauen aus verschiedenen Kulturen kam es automatisch zur Reflektion von anderen und eigenen Kulturen und der hiesigen Gewohnheiten und Sichtweisen. Die gemeinsame Erarbeitung des Bühnenstücks brachte die individuellen Konzepte und Lebensformen gleichberechtigt und nicht wertend zusammen. Die Teilnehmerinnen wurden in den Repräsentationen ihrer Nikàs zu prägnanten, sichtbaren, weiblichen Existenzen.

Petra Kron

https://youtu.be/7pNw7LH-7is

Meine Eindrücke und Erfahrungen mit der Arbeit zu Nikà und Themis bis Juli 2020 : Tanz-Grundlagen und Aufbau-Training

JULI 2020 Schreibwerkstatt: Wir entwickeln eine Heldinnenreise.

Hausaufgabe: Ich bin Nikà. Ich bin schnell und stark!

Nikà, die Göttin des Sieges kümmert sich mit Themis, der gerechten, ordnungsliebenden Philosophin um die 12 Horen, die das geregelte Leben ordnen.

Was hat das jetzt mit mir zu tun?

Was heißt siegen für mich? Ein Ziel erreichen? Entscheidungen treffen? Überwindung? Triumph?

Wenn ich alles hinter mir lasse: WidersacherInnen/unliebsame Gewohnheiten/Vorurteile/Zweifel

Bin ich dann frei oder einsam?

Einen Sieg errungen: Sônia freut sich, dass wir den Champignon (tänzerische Figur) gemeistert haben.

Louisa arbeitet mit uns. Wir entwickeln die Choreographie der 12 Horen. Großartig!

AUGUST 2020 [wa:Iwa:] Festival. Wir sind eingeplant! Was zeigen wir? Was ziehen wir an? Wer spricht was? Werkprobe im Corona-Modus: Hände desinfizieren. In Listen eintragen. Abstand halten. Jede kennt ihren Platz. Jede weiß, was zu tun ist. Trotzdem Lampenfieber. Später Erleichterung. Geschafft. Vorbei. Weiterarbeiten. Petra sortiert die Texte. Schickt Zusammenfassungen. Mit Sônia entwickeln wir Körper- und Raumgefühl. Tempo und Rhythmus aufnehmen. Gefühle in Bewegung ausdrücken.

SEPTEMBER 2020 Schreibwerkstatt mit Angela: Über die Texte nimmt das Projekt Gestalt an. Was ist wichtiger? Ergebnis oder Erlebnis? Wo liegt mein Selbstwert? Außen oder innen? Was gibt meinem Leben Sinn?

Erste Kostümversuche.

Hausaufgabe: Geräusche aufnehmen, angenehme und unangenehme.

Spannend! Ansage zur Kostümfrage: Tretet aus eurem Dresscode heraus!

Choreo: Bewegungen suchen, die physische, sowie psychische Überwindung fordern. So langsam verstehe ich die Heldinnenreise!

OKTOBER 2020 Maskenpflicht und Abstand. Lüften. Warme Trainingskleidung. Choreo-Arbeit mit Takao. Stimme mit Dorothea. Schreiben mit Angela. Tonaufnahme mit Thomas. Kartoffelsuppe mit Heribert.

Salma singt Safi. Szenen erarbeiten. Choreos bauen. Petra filmt Choreos für die Anderen. Kostümbesprechung mit Isabel. Sônia und Josie bringen uns zum Tanzen. Halten Körper und Seele zusammen.

NOVEMBER 2020 Lockdown! Live-Stream-Training mit Sônia. Präsenzarbeit in Kleingruppen. Textarbeit mit Dorothea. Kostümzeichnungen mit Lisa Taniyama als Webinar. Petra verschickt eine Zeichnung von Nikà, zur individuellen Gestaltung. Mir gelingt der Austritt aus meinem privaten Dresscode nur ansatzweise.

Die angedachte Premiere wird um eine Woche verschoben

Einzeltrainings mit Sônia, Takao und Josephine.

Kostümbesprechung mit Isabell. Textverteilung. Tänzerische Skizzierung der Horen.

DEZEMBER 2020 Premiere wird auf Ende Januar verlegt. Thomas und Dariya arbeiten an der Musik. Petra, Sônia und Josephine an der Weiterentwicklung der Szenen. Die Heldin Niká existiert nun als Anziehpuppe mit allen entworfenen Kostümen. Weihnachtspause!

Januar 2021 Endspurt: Sonia schickt Thomas Musik und Zählzeiten zu den Choreos. Online-Ensembletraining mit Unterbrechungen der Übertragung. Aufregung. Irritation. May hat das Training mitgeschnitten. Allgemeine Erleichterung! Geplante Ensembleaufnahme im Live Stream am 27. Januar. Petra schickt alle Tonaufnahmen dazu. Sônia schickt nochmal die Beschreibungen der Choreos. Gut, dass es die Aufnahmen von May gibt. Immer wieder probe ich die Abfolgen der Bewegungen: In der Küche zwischen Kaffeekochen und Abspülen. Im Badezimmer beim Zähneputzen. Im Schlafzimmer, wo die Aufnahme stattfinden wird.

Stephan, der Filmemacher, schickt Anweisungen für Einstellungen und Licht. Petra schickt die Abfolge. Letzte Fragen. Klarstellungen. Anweisungen. Kostümprobe meinerseits.

Einladung zum Meeting! Mein Laptop hat sich aufgehängt. Gottlob habe ich noch ein Smartphone!

Stephan bleibt geduldig und gelassen. Die Musik geht zwischendurch weg. Die Choreo bricht auseinander. Wollt ihr nochmal? Wir wollen! Sônia erklärt das Schlussbild. Fertig! Fertig? Ich dachte, das wäre erst Probe! Nein, das wars! Sônia beruhigt. Petra und Stephan wählen die besten Momente aus. Die Zusammenschnitte werden Teil des Making of. Es war perfekt so. Und... das Ergebnis kann sich sehen lassen! Ein starkes Gemeinschaftsprojekt!

Rosemarie Bothe – Teilnehmerin

Frauen und Mädchen Ein Raum der Begegnung, des Austauschs und der Bewegung

Als Künstlerin der freien Szene bedeutete das letzte Jahr für mich vor allem noch mehr Ungewissheit und Unbeständigkeit. Projekte wurden unter Vorbehalt geplant, verschoben und dann doch abgesagt. Gerade deshalb schätzte ich die freitäglichen Proben mit den Frauen von Nikà und Themis, die ich als choreographische Assistenz begleitete. Die Gruppe hatte das ganze Jahr gearbeitet – zunächst im physischen Raum und dann immer mehr online. 4 Frauen durften im Wechsel gleichzeitig freitags zur Probe kommen, die anderen waren online dabei. So gelang es, eine Routine sowie einen Raum der Begegnung, des Austausches und der Bewegung für uns alle aufrecht zu erhalten. In einem Studio zu arbeiten wurde zum Privileg, denn plötzlich hatte sich der Großteil meiner Arbeit vom Studio in mein Zuhause, an/in den Computer verschoben. Ich war froh, dass Petra es trotz aller Einschränkungen möglich machen konnte, dass es für mich, für uns und für die Frauen weiterhin einen physischen Ort gab, an dem wir uns einem künstlerischen Prozess hingeben konnten.

Tanz bedeutet für mich im Körper präsent sein, sich mit und in ihm auf eine Reise begeben. In der Vermittlung sehe ich also meine Aufgabe darin, einem Menschen eine Selbstverortung in Raum und Zeit anzubieten. Aber wie vermittelt man physische Präsenz durch einen Bildschirm? Lasse ich nicht meinen Körper zurück, wenn ich mich kognitiv und digital bewege? Die Situation stellte mich vor viele Herausforderungen und Frustrationen, aber daraus ergaben sich auch viele (kreative) Ideen, zum Beispiel die eigene Wohnung mit in die Choreografie einzubeziehen, nur mit Zuhören zu arbeiten. Wie teilt man nun einen solchen Prozess mit ZuschauerInnen? Stream? Video? Wir haben uns für einen Videozusammenschnitt des Prozesses entschieden. Daraus wird deutlich, dass wir an vielen verschiedenen Orten, teilweise simultan, gearbeitet haben. Der Probenraum wurde um viele andere Räume erweitert und diese letztendlich wieder zusammengeführt, sodass wir auch diese Reise gemeinschaftlich beenden durften. Ich bin sehr dankbar, dass trotz großer Umstände einige Projekte stattfinden. Nichtsdestotrotz bleibe ich immer wieder bei der Frage hängen, wie Begegnung ohne Begegnung funktionieren kann.

Josephine Kalies – Tänzerin und Performerin

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