Das neue Akropolis Museum Konzept vs. Kontext vs. Inhalt1
Abb.1 Eingangssituation des Akropolis
„die neue Heimat“ Professur Theorie und Geschichte der modernen Architektur Prof. Dr. Carsten Ruhl Seminargruppe: Theorie Anfang des 20. Jahrhunderts Betreuer: Dr. Norbert Korrek Sommersemester 2012 Verfasser: Andreas Karamalikis, 100572 Bachelor Architektur 4. Semester 1 Nach B. Tschumis Buch Event Cites 3: concept vs. context vs. Content, MIT Press, Michigan, 2004 2 aus http://en.wikiarquitectura.com/index.php/New_Acropolis_Museum
Vorwort Athen ist nicht nur der Standort des Gebäudes, über welches ich meine Architekturkritik verfassen möchte, sondern auch mein Geburtsort und die Stadt, in der ich 18 Jahre meines Lebens gelebt habe. Aufgewachsen zwischen Monumenten der Antike und Bauten der Moderne, konnte mich bislang kaum ein anderes Gebäude so faszinieren, wie das neue Akropolis Museum, das von Bernard Tschumi in Zusammenarbeit mit Michalis Photiadis entworfen wurde. Über dieses Bauwerk sind bereits zahlreiche Kritiken verfasst worden. Die meisten beschäftigen sich hauptsächlich mit der Konstruktion und der Ästhetik, während mich ganz andere, mir wichtigere, Fragen interessieren: Welche Bedeutung wird heutzutage beim Entwurf eines Gebäudes solcher Größenordnung und Ausrichtung seinem Kontext zugemessen? Kann sich ein Gebäude, dessen Konzept ausschließlich aus seinem Kontext und Inhalt hervorgegangen ist, im Zeitalter der konsumabhängigen Star-Architektur eigentlich noch behaupten? Auf Grund der Wichtigkeit, die ich persönlich dieser Fragestellung zuordne, wie auch der daraus resultierenden Theorien, habe ich das neue Akropolis Museum gewählt, um meine Positionierung im Rahmen des architektonischen Diskurses zu artikulieren. Auch wenn während meiner Recherchen mehr Fragen aufgekommen sind, als ich beantworten kann, haben Bernhard Tschumis Theorien über die Rolle des Konzeptes, des Inhaltes, des Kontextes und deren Beziehungen untereinander mein architektonisches Wahrnehmungsvermögen um ein Vielfaches bereichert. In der folgenden Abhandlung möchte ich den Aufbau, die Gestaltung und Organisation, vor allem aber auch die obig erwähnten Relationen erläutern. Ich hoffe, dadurch dem Leser einen Einblick in das Gebäude selbst, wie auch in die Intentionen der Architekten verschaffen zu können und ihm den Beweis zu führen, wieso sich dieses Meisterwerk nach vier Wettbewerben und gegen unzählige andere Entwürfe, sowie mehr als hundert gerichtliche Einsprüche durchsetzen konnte.
Inhalt
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Vorgeschichte
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Kontext
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Konzept •
Tektonik
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Bewegung
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Licht
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Fazit
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Quellen und Bildnachweis
Abb.2 Luftbild
Vorgeschichte Der Gedanke von der Errichtung eines Museums für die Funde der Akropolis gehen ins 19. Jahrhundert zurück. 1865 wird nach jahrelangen Debatten der Grundstein für das erste Akropolis Museum nach dem Entwurf von Panages Kalkos gelegt. Es sollte auf dem Heiligen Berg erbaut werden, im Schatten des Parthenons. 20 Jahre später und nur einige Monate vor seiner Fertigstellung beginnen unter Leitung von Kawerau Cavadias2 die ersten großen Ausgrabungen. Schon im Zuge dieser wird klar, dass man sich in Zukunft ein weiteres Mal Gedanken um ein größeres Museum machen müsse. Die Fundstücke werden vorrübergehend in Lagerräumen gespeichert und kommen erst 1964 zum Vorschein, als man sich für einen Erweiterungsbau entschließt. Trotz allem können die Fundstücke auf Grund ihres Volumens nie in ihrer Gesamtheit gesehen werden.3 Das Verlangen nach einem neuen Akropolis Museum findet hier seinen Ursprung. 2 aus http://en.wikiarquitectura.com/index.php/New_Acropolis_Museum 3 Paraphrase http://www.athensguide.org/acropolis-museum.html
Vier Wettbewerbe Der erste Wettbewerb wird 1967 ausgelobt. Unglücklicherweise bliebt er, genauso wie der darauffolgende im Jahre 1979, ohne Sieger. 1989 wird ein dritter Wettbewerb ausgeschrieben, diesmal international, mit einer Beteiligung von 483 Entwürfen. Der erste Preis geht an die Italiener Nicoletti und Passarelli. Als Baugelände wird das Makriyianni-Viertel am Fuße des Akropolis-Felsens gewählt, doch auch hier stößt man erneut auf archäologische Funde. Es handelt sich um einen gesamten Stadtteil mit einer Fläche von ungefähr 43.000m², der zu wertvollen Erkenntnissen über das Alltagsleben der damaligen Einwohner führt. Der Entwurf erweist sich als nicht umsetzbar.4 Der Name des renomminierten Architekten Bernard Tschumi taucht erstmals im Jahr 2000 auf, als der vierte und letzte Wettbewerb angekündigt wird. Diesmal werden hohe Anforderungen an die Architekten gestellt: „Die Ausschreibung forderte innovative Lösungen für das Einbeziehen der archäologischen Ausgrabungsstätte auf dem vorgesehenen Bauareal in den künftigen Museumsbau, auf dass die Funde als integrativer Bestandteil der musealen Präsentation wahrgenommen werden könnten. Eine weitere Anforderung bestand in der möglichst weitgehenden Nutzung des natürlichen Tageslichts mit dem Ziel, ein Ambiente unter freiem Himmel zu evozieren – das an die originale Position der meisten Exponate im Freien anknüpft. Es sollte eine Ausgewogenheit zwischen der Museumsarchitektur und ihrem urbanen Umfeld erreicht werden, und außerdem sollten der Parthenon auf der Akropolis und die Skulpturen im Museum für den Besucher gleichzeitig wahrnehmbar bleiben,”5 schreibt B. Tschumi. Zusammen mit seinem Partner, dem griechischen Architekten Michalis Photiadis gewinnt er den Wettbewerb; der Bau des neuen 4 Dimitrios Pandermalis, “The Museum and Its Content” in: Bernard Tschumi Architects (Hrsg.), The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S.24 5 Dimitrios Pandermalis, “Museum nach 30 Jahren Debatte”, in: Bauwelt, Nr. 32-33/2009, S.14
Akropolis Museums kann endlich beginnen. Insgesamt werden 129.000.000€6 ausgegeben und 104 Gerichtsverfahren7 müssen vollzogen werden. Unter anderem sind Entschädigungen für die Enteignung 26 Apartments8 zu zahlen und es steht zur Debatte, wie der Transport der wertvollen Sammlung von der Akropolis bis hin zu ihrem Fuße ablaufen soll.
Abb.3 Bauareal
“Der Wert der Kunstwerke im neuen Akropolis-Museum ließ sich kurzfristig auch in Zahlen ausdrücken: Bevor die Exponate im Oktober 2007 im alten Museum auf der Akropolis verladen wurden, wurden sie für 400 Millionen Euro versichert.”9 Die Tatsache, dass das neue Akropolis Museum diese Schätze beherbergen und dass es nur 300 Meter10 entfernt von einem der imposantesten Ikonen der Architektur erbaut werden soll, verlangt nach einem Architekten höchster Verantwortung. So beschreibt auch Nicolai Ouroussoff, Architekturkritiker der New York Times: ”NO sane architect, one can assume, would want to invite 6 Bernard Tschumi Architects (Hrsg.), The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S. 164 7 Paraphrase, Guardian http://www.guardian.co.uk/artanddesign/2007/dec/03/architecture, Zugriff 10.06.2012
8 Paraphrase, Wikiarquitectura http://en.wikiarquitectura.com/index.php/New_Acropolis_Museum, Zugrff 10.06.2012 9 Costas Zambas, “Transfer der Exponate via Kranstaffel”, in: Bauwelt Nr 32-33/2009, S. 32
10 Bernard Tschumii Architects (Hrsg.), The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S. 164
comparisons between his building and the Parthenon.”11 In der Tat: Die horizontalen Linien und die minimalistische Formensprache lassen das Museum ruhig und zurückhaltend wirken.
Abb. 4 Südansicht
Kontext Bernard Tschumi schreibt in seinem Buch Event Cities 3 über den Kontext, das Konzept, den Inhalt, ihre Wechselbeziehungen und ihre unabdingliche Notwendigkeit, um sich von einem schieren Bau zu abzuheben: “Concept, not form, is what distinguishes architecture from mere building.”12 Die Gegebenheiten des Standortes sind eindeutig: Ein Parthenon, wahrscheinlich das einflussreichste Bauwerk der westlichen Zivilisation13, gerade mal 300 Meter weit entfernt, eine außergewöhnlich große Ausgrabungsstätte 11 Zitat, NYTimes http://www.nytimes.com/2007/10/28/arts/design/28ouro.html?_r=3&pagewanted=1&ref=arts, Zugriff 10.06.2012 12 Bernard Tschumi, Event-Cities 3: Concept vs. Context vs. Content, The MIT Press, Michigan 2005, S. 11 13 Paraphrase, Guardian http://www.guardian.co.uk/artanddesign/2007/dec/03/architecture, Zugriff 10.06.2012
direkt auf dem Baugel채nde und die Tatsache, dass hier eine der wertvollsten Sammlungen der Antike ausgestellt werden sollen. Der Kontext aber auch der Inhalt sind also der unvermeidliche Ausganspunkt des Konzeptes. Diese Aspekte werden in nahezu jedem Detail aufgegriffen.
Konzept
Abb.5/6/7 Konzeptskizzen: Tektonik, Bewegung, Licht
Tektonik Von weitem erkennt man die klare Strukturierung des Museums. Es besteht aus drei unabhängigen Körpern: Der untere umschließt die Ausgrabungsstätte, der mittlere Teil folgt im Süden und im Westen den Straßenverlauf und beinhaltet die Hauptausstellungsräume. Der obere Part , die Parthenon-Gallerie, ist um 23° gedreht, um somit die exakt gleiche Ausrichtung wie der Parthenon selbst zu haben. Die Auskragungen, die einmal rund um das Gebäude verlaufen, erinnern an die Athener Wohnhäuser der Nachkriegszeit, die sog. Polykatoikias. Die Terrasse im nördlichen Bereich, direkt über dem Eingang ist eine Anspielung an das griechische Imiipaithrio, ein überdachter, offener Raum, wie man sie in Griechenland immer wieder zu sieht. Die oberen Baukörper sind auf pilotis gestützt. Auch diese Typologie findet man unzählige Male im Athener Stadtraum wieder. Die Positionierung der 100 Säulen, die das Museum tragen, wurde sorgfältig und nach Absprache mit Archäologen gewählt, um die antiken Mauern nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Außerdem wurde hier die neuste Technologie unter der Betreuung von ARUP eingesetzt, damit das Gebäude Erdbeben von bis zu 10 Richter überstehen kann.
Bewegung „Schon seit den Siebzigern interessiert sich B. Tschumi dafür, wie ’the space generated by movement and life’ in Architektur zu übersetzen ist.“14 Die Umsetzung des Konzeptes der Bewegung ist hier beeindruckend. Der Rundgang durch das Museum ist fließend und hat die Form einer dreidimensionalen Spirale. Tschumi selbst erklärt: “Für mich war es wichtig, das Museum als Promenade zu begreifen, als eine 14 Kaye Geipel, zitiert von Giovanni Damiani, Die Akropolis im Museum, in: Bauwelt, Nr. 32-33/2009, S.17
Bewegung quer durch die Räume. Es sollten keine statischen Räume entstehen ... Die Besucher erfahren stattdessen eine starke Vertikalität der Bewegung, von den archäologischen Ausgrabungen hoch zu den Ausstellungsräumen.”15 Der Ablauf hat zudem deutliche Ähnlichkeiten mit der Montage. Hier ließ sich der Architekt von dem sowjetischen Filmproduzenten Sergei M. Eisenstein inspirieren, dessen berühmter essay Montage and Architecture wiederrum direkten Bezug auf den Parthneon nimmt. In diesem wird der Fries als eine Sequenz nebeneinandergereihten Szenen, die nur wahrgenommen wird, wenn man sich in Bewegung setzt. Er bewirkt also eine architektonische Narrative und ist „the perfect example of one oft he most ancient films.“16 Der Rundgang beginnt mit der Einleitung in die Empfangshalle. Erst die grelle, attische Sonne, dann die beschattete Terrasse vor dem Eingang, dann der etwas dunklere Eingangsbereich selbst. Nach den Empfangsschaltern auf der rechten Seite begibt man sich zur großen gläsernen Rampe, durch die man die Ruinen des antiken Stadtviertels erkennen kann. Kurz vor ihrem Beginn, entdeckt man eine Sammlung von antiken Objekten, die in einem Glaskasten in den Boden integriert wurden. In alten Zeiten war es Tradition, bei Hausweihung kostbare Objekte vor der Haustür zu vergraben. Genauso geschah dies bei der Einweihung des Museums: Der damalige Staatpräsident legte die Wertstücke in den Boden ein und gab somit die Eröffnung bekannt. Eine weitere Anlehnung an den genius loci. Schaut man die Rampe hinauf, bekommt man das Gefühl, man stehe direkt vor den Propyläen selbst. Im Gegensatz zum Raum davor, mit einer Höhe von ca. 5 Metern geht dieser Raum gleich auf dreifache Höhe. Tatsächlich soll der Rundgang an den Aufstieg auf die Akropolis erinnern.
15 Kaye Geipel, Ausschnitte aus einem Interview mit Bernard Tschumi, Die Akropolis im Museum, in: Bauwelt, Nr. 3233/2009, S.17 16 Sergei M. Eisenstein, „Montage und Architekture“, zu finden unter: http://cosmopista.files.wordpress.com/2008/10/eisenstein_montage-and-architecture.pdf, Zugriff 10.06.2012
Abb.8 gläserne Rampe
Die Klimax beginnt. Nach dem Aufstieg gelangt der Besucher in den Hauptausstellungsraum. Hier sind die Säulen, die sich aus stabilisierenden Gründen bis oben hin durchziehen, und zwischen ihnen die prachtvollen Statuen über die gesamte Fläche verstreut. Der typische lineare Verlauf des Menschenstromes, den man in anderen Museen findet, wird hier aufgelöst. Hier greift ein fantastischer Effekt, der einen dazu motiviert, länger in diesem Raum zu verweilen: Die Tatsache, dass man jede einzelne Statue umgehen kann, verleitet einen dazu in, ständiger Bewegung zu bleiben. Man will diese Chance ergreifen, um jede von ihnen aus allen Seiten zu betrachten. Es scheint so, als ob die Besucher in einen ständigen Dialog mit den Statuen treten, die dennoch wegen ihrem hohen Sockel nicht in der Menschenmasse untergehen. Im nächsten Abschnitt befinden sich die wohl bekanntesten Statuen der Sammlung, die Karyatiden. Sie sind in ihrer originalen Anordnung positioniert und auch diese kann man von allen Seiten betrachten. Von hier aus bekommt man auch einen Ausblick auf den Rampenbereich; man hat das Gefühl, man befinde sich in einer unglaublichen Höhe, obwohl man erst 30 Stufen hinter sich hat - das Verlangen, noch weiter aufzusteigen, steigt mit. Als nächstes betritt man die Rolltreppen, die einen vorbei an dem Restaurant und dem Museumsshop bis hin zum Obergeschoss führen. Der Bereich der
Rolltreppen ist abgedunkelt. Man kommt erst garnicht in die Verlegenheit beim Café einen Zwischenstopp einzulegen. Die Erwartung von dem, was oben auf einen wartet, ist zu groß.
Abb. 9 Archaische Gallerie
Abb.10 Parthenon-Gallerie Abb.11 Cella
Betritt man nun das obere Geschoss, die Parthenon Gallerie, erlebt man den Höhepunkt des “Filmes”, untermalt durch den Kontrast zwischen dem durch die transluzente Decke hell wirkenden Raum und dem dunklen Davor. Der Grundriss ist eine exakte Kopie des Parthenons, was bedeutet, man befindet sich in der entsprechenden Cella. Begibt man sich in den Bereich des Frieses, weitet sich vor einem im Süden ein fantastisches Panorama der Hauptstadt aus. Im Norden tritt der Heilige Felsen in seiner gesamten Größe und Pracht hervor. Die Giebeldreiecke des Parthenons befinden sich hier auf Augenhöhe, etwas, das zum ersten Mal in ihrer Geschichte vorkommt. Von Vielen wird dies kritisiert, da sie einst extra so hoch positioniert wurden, damit nur Götter und Titanen sie
erblicken konnten, sodass man ihren eigentlichen Zweck nicht verstehen würde. Doch die Götter erwiesen sich als Mythos und die Tatsache, dass man die Statuen nun berühren kann und ihre meisterhafte Ausarbeitung zu Auge bekommt, wirkt verlockend. Die Figuren des Giebeldreiecks und die Neubauten der Stadt im Hintergrund befinden sich kontinuierlich auf einer Sichtachse. Das sind 2500 Jahre Geschichte auf einem Blick! Die Architektur unternimmt dabei alles, um den Blick des Betrachters nicht abzulenken und seine Bewegung zu stören: Die exakt berechneten runden Löcher in den Wänden absorbieren störende Geräusche, Handläufe schweizer Perfektion sorgen für eine haptische Befriedigung, die Marmorsockel verschmelzen optisch mit dem Marmor des Fußbodens, es gibt keine Spur von Kaffeegeruch und keine Spur von Wegweisern; alles fließt von alleine.
Licht Genauso wie das Tageslicht in Athen sich von anderen Städten wie Berlin oder Bilbao unterscheidet, unterscheidet sich auch die Beleuchtung von Skulpturen von der, die für die Ausstellung von Gemälden benötigt wird. Das natürliche Licht war daher beim Entwurf des Akropolis Museums nicht wegzudenken. Der Umgang überzeugt: Das Licht scheint durch die Decke der Parthenon Gallerie, durchdringt alle gläsernen Zwischenebenen des Kernes und gelangt sogar bis an die Ausgrabungsstätte. Die Skulpturen werden tagsüber ausschließlich von natürlichem Licht beleuchtet. Hier ist zu bemerken, dass ihre Ausrichtung kein Zufall ist: Sowohl die Statuen, als auch der Fries und die Metopen werfen den selben Schatten wie vor 2500Jahren! In keinem anderen Museum wirken Statuen so echt wie hier. Keine beliebige
Ausrichtung, keine Absicherungen davor, kein künstliches Licht. Die Ausstrahlung dieser Kunstwerke wird durch die Wahl des sandbestrahlten Sichtbetons, der den Hintergrund bildet, betont: Während seine fein ausgearbeitete Oberfläche das Licht absorbiert, reflektiert der blanke Marmor es.17 Die Statuen heben sich somit von ihrem Hintergrund ab. Parallel zum Tagesverlauf verändert sich die Atmosphäre im Innenraum. Besonders beim Sonnenuntergang, wenn sich die Lichtfugen und die südliche Glasfassade dunkelblau färben und dadurch einen bildhaften Kontrast zum weich leuchtenden Marmor bilden, hinterlässt der Raum einen besonderen Eindruck.
Abb. 11 Eindruck beim Sonnenuntergang
Der Einsatz von Glas scheint in einem Land, in dem im Sommer die 40° Marke öfters überschritten wird, riskant zu sein. Doch auch die daraus folgenden klimatisch bedingten Probleme werden meisterhaft gelöst: Für die Parthenon Gallerie wurde eine zweischichtige Glasfassade gewählt.18 Die zwischen den Scheiben erhitzte Luft wird durch die Decke durch Konvektion 17 Paraphrase, Wallpaper http://www.wallpaper.com/architecture/bernard-tschumi-qa-exclusive/2575 , Zugriff 10.06.2012 18 Paraphrase, Wallpaper http://www.wallpaper.com/architecture/bernard-tschumi-qa-exclusive/2575, Zugriff 10.06.12
nach Außen transportiert, während kühlere Luft aus den Fundamenten nachrückt. Durch diese Zirkulation wird ein angenehmes Raumklima gewährleistet.
Abb.12 Museum beim Sonnenuntergang
Abb. 13 Nächtlicher Eindruck
Fazit Bereits bei der Konzeptfindung wurden die Architekten vor zahlreiche Herausforderungen gestellt. Ihr Entwurf ging trotz Allem als Sieger hervor, äußert jedoch in seiner Formsprache Bescheidenheit und Zurückhaltung. Die minimalistische Form verzichtet darauf, die Antike zu zitieren und umgeht somit die Gefahr, als ein Paradigma misslungener Post-Moderne oder als Historismus abgestempelt zu werden. Das Museum konzentriert sich ganz allein darauf, seinen Inhalt und auch die Akropolis, der es gewidmet ist, zu präsentieren. „I can’t remember a design that is so eloquent about another work of architecture,“19 kommentiert hierzu der N. Ouroussoff. Das Ziel der Gestaltung ist also nicht die Imposanz, wie es Frank Ghery oder Zaha Hadid tun; man könnte sagen, dass Bernard Tschumi mit seinem Museum eine Art Anti-Bilbao-Effekt erzeugt. Er selbst lässt sich daher nicht von Phidias, dem Bildhauer, sondern von Pythagoras, dem Mathematiker, inspirieren. Dazu schreibt er: „...we aimed to arrive at the clearest concept possible, the most concise and elegant expression of the set of ideas that embodied the remarkable challenges of the project.“20 Genau dies will meiner Meinung nach auch die Form des Museums dem Betrachter mitteilen. Das Verhältnis zwischen Konzept, Kontext und Inhalt ist eine der Reziprozität. Keines kann dabei existieren, wenn man sich die anderen beiden Bestandteile dieses Triptychons wegdenkt. Doch hier mag auch ein Denkfehler liegen: Für einen ortsunkundigen Menschen, der sich nicht mit dem Inhalt und dem Kontext befasst hat oder will, wirkt das Museum als nicht mehr, wie ein starrer, kalter und gigantischer Baukörper in mitten eines verschachtelten Stadtviertels. Wenn man Kontext und Inhalt auslässt, verliert auch das Konzept und die 19 Zitat, NYTimes http://www.nytimes.com/2007/10/28/arts/design/28ouro.html?_r=3&pagewanted=1&ref=arts, Zugriff 10.06.2012 20 Bernard Tschumi, „Conceptualizing Context“ in: The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S. 82
daraus folgende Gestalt ihren Schein. Vielleicht sollte dieser Nebeneffekt doch beachtet werden und mehr Wert auf die äußere Erscheinung gelegt werden. Vielleicht sollte man doch auf eine expressivere Form zielen und somit versuchen die captatio benevolentiae des Betrachters für sich zu gewinnen. Doch dann stellt sich die Frage: Hat es dann noch einen Sinn, Kunstwerke zu schaffen, wenn man im Voraus weiß, dass sie später in Museen ausgestellt werden, die sich die Demonstration ihrer eigenen Form als Selbstzweck setzen? Eine Sache ist klar: Das neue Akropolis Museum sieht seine Selbstverwirklichung ausschließlich in der Präsentation eines unschätzbar wertvollen Schatzes und seiner raison d’être21, die Akropolis selbst. Raum, Programm und Inhalt wirken synergetisch miteinander und erzeugen eine Montage psychosomatischer Erfahrungen, die B. Tschumi auch als Event oder eine „action-in-space“22 bezeichnet. Bernard Tschumi verleiht der Vision und der Kinetik in der Architektur eine neue Definition und erinnert uns daran, dass Schauen und Sehen doch zwei unterschiedliche Begriffe sind.
21 Yannis Aesopos, „The New Acropolis Museum: Re-making the Collective“ in: The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S. 56 22 Bernard Tschumi, “Six Concepts” in: Architecture and Disjunction, MIT Press, Michigan 1996, S.227
Abb.14-20 Grundrisse Eg, Og Schnitt West-Ost Lageplan
Literaturquellen: Aesopos, Yannis: „The New Acropilis Museum: Re-making the Collective“ in: The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009 Geipel, Kaye Die Akropolis im Museum, in: Bauwelt, Nr. 32-33/2009 Pandermalis, Dimitrios: “Museum nach 30 Jahren Debatte”, in: Bauwelt, Nr 32-33/2009 Tschumi, Bernard: “Six Concepts” in: Architecture and Disjunction, MIT Press, Michigan 1996 Tschumi, Bernard: Event-Cities 3: Concept vs. Context vs. Content, The MIT Press, Michigan 2005 Tschumi Bernard: „Conceptualizing Context“ in: The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009 Tschumi, Bernard: Interview in: Bernard Tschumi – Μουσειo Ακροπολης – Αθηνα, Ediciones Poligrafa, Barcelona 2010 Zambas, Costas: “Transfer der Exponate via Kranstaffel”, in: Bauwelt Nr 32-33/2009
Internetquellen: Sergei M. Eisenstein, „Montage und Architekture“, zu finden unter: http://cosmopista.files.wordpress.com/2008/10/eisenstein_montage-and-architecture.pdf, Zugriff 10.06.2012 Wikiarquitectura Artikel über das Neue Akropolis Museum: http://en.wikiarquitectura.com/index.php/New_Acropolis_Museum, Zugriff 10.06.2012 Kurzbeschreibung von Athensguide: http://www.athensguide.org/acropolis-museum.html, Zugriff 10.06.2012 Architekturkritik von N. Ouroussoff für die NYTimes: http://www.nytimes.com/2007/10/28/arts/design/28ouro.html?_r=3&pagewanted=1&ref=arts, Zugriff 10.06.2012 Interview mit Bernard Tschumi: http://www.wallpaper.com/architecture/bernard-tschumi-qa-exclusive/2575, Zugriff 10.06.12 Architekturkritik von Jonathan Glancey für die Guardian: http://www.guardian.co.uk/artanddesign/2007/dec/03/architecture, Zugriff 10.06.2012
Bildnachweis: Abb.1: Eingangssituation des Museums http://www.wallpaper.com/gallery/architecture/bernard-tschumi-qa-exclusive/17050502/1#10329
Abb.2: Luftbild Stadtplanungsamt Athen
Abb.3: Bauareal Archiv Akropolis Museum Athen
Abb.4: Südansicht http://www.wallpaper.com/gallery/architecture/bernard-tschumi-qa-exclusive/17050502/1 - 10325
Abb.5: Konzeptskizze Tektonik Francisco Rei (Hrsg.), Bernard Tschumi – Μουσει Ακροπολης – Αθηνα, Ediciones Poligrafa, Barcelona 2010, S.14
Abb.6: Konzeptskizze Bewegung Francisco Rei (Hrsg.), Bernard Tschumi – Μουσει Ακροπολης – Αθηνα, Ediciones Poligrafa, Barcelona 2010, S.17
Abb.7: Konzeptskizze Licht Bernard Tschumii Architects (Hrsg.), The New Acropolis Museum, Skira Rizzoli International Publications Inc., New York 2009, S. 66
Abb.8: Gläserne Rampe Photograph: Peter Mauss
Abb.9: Archaische Gallerie Photograph: Socratis Mavromatis
Abb.10 Parthenon-Gallerie Photograph: Erieta Attali
Abb.11: Cella Eigenes Foto
Abb.12: Eindruck beim Sonnenuntergang Photograph: Peter Mauss
Abb.13: Museum beim Sonnenuntergang Photograph: Erieta Attali
Abb.14: Nächtlicher Eindruck Photograph: Andreas Petrakis
Abb. 15-20: Grundrisse EG, OG, Schnitt West-Ost, Lageplan Francisco Rei (Hrsg.), Bernard Tschumi – Μουσει Ακροπολης – Αθηνα, Ediciones Poligrafa, Barcelona 2010, S.21-29
Verfassererklärung
Andreas Karamalikis 100572 Hiermit versichere ich an Eides statt, dass diese von mir vorgelegte Arbeit selbstständig verfasst worden ist, dass die benutzten Quellen, einschließlich die Quellen aus dem Internet, und Hilfsmittel vollständig angegeben, und dass die Stellen der Arbeit – einschließlich Tabellen, Karten und Abbildungen -, die anderen Werken oder dem Internet im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, auf jeden Fall unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich geworden sind. Die Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Weimar, den 10.06.2012