Pecha Kucha #2 Walden7

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Walden7 Ricardo BoďŹ ll Taller de Arquitectura 72-75, Sant Just Desvern, Barcelona

verfasst von Andreas Karamalikis


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Walden 7 ist ein 1975 erbautes Vorzeigeprojekt vom katalanischen Architekten Ricardo Bofill und seinem Taller de Arquitectura aus Barcelona. Gelegen ist es in derer Vorstadt Sant Just Desvern im ehemaligen Areal einer Betonfabrik, die der Taller als sein Büro umgestaltete. Beide Projekte sind eine Äußerung des “romantischen Brutalismus” des Tallers zur damaligen Zeit; der Name Walden ist eine Anspielung an das utopische Werk Thoreaus “Walden”, das von Skinner “Walden 2” und die daraus abgeleiteten utopischen Kommunen Walden 3,4,5 und 6. http://www.ricardobofill.com/EN/666/Architecture/PORTFOLIO/Walden-7-html

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Um die Rainson d’Être des Gebäudes zu verstehen, bedarf es an einen genaueren Einblick in die Arbeitsweise des Architekten zu dieser Zeit. Ricardo Bofill, 1939 geboren, zählt zu den erfolgreichsten katalanischen Architekten der Nachkriegszeit, mit dem Höhepunkt seines Diskurses in den 60/70ern zu Zeiten der kritischen Theorie der Architektur.

http://www.ricardobofill.com/EN/14/rbta/ricardo-bofill-html

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Gleich zu Beginn seiner Karriere beschäftigte sich Bofill mit dem sozialen Wohnungsbau, der bekannterweise weltweit im Fokus der architektonischen Diskussion in der Nachkriegszeit gerieten war. Dort entwickelte er eine weitgehende Theorie als Antithese zur modernistischen Architekturauffassung (Funktionstrennung der Stadt und Funktionalismus).

http://www.ricardobofill.com/EN/14/rbta/ricardo-bofill-html

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Seiner Auffassungen schlossen sich Experten verschiedener Bereiche, wie der Kunst, der Philosophie, Soziologie etc und bildeten das Taller de Arquitectura. Ihre These war es, dass die neuen Maßstäbe in der Architektur nur durch eine komplexere Methodologie zu bewältigen sind und manifestierten diese im Buch “Hacia una formalización de la Ciudad en Espacio”, 1986. Stark geprägt wurde dies denkbar von Yona Friedmanns “Spacial Infrastructure” und dem damals jüngst gegründeten Team 10.

http://www.ricardobofill.com/EN/14/rbta/ricardo-bofill-html

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Der Gedanke der “Stadt im Raum” wurde auf praktischer Ebene in den Vorgängerprojekten “Gaudí-Viertel” und “Kafka-Burg” erforscht. Bereits dort wurde mit einheitlichen Grundmodulen und ihre undendliche Anreihnungsmöglichkeiten experimentiert. Es sollte zugelich eine Methode darstellen, Architektur zu schaffen, die unabhängig vom Endergebnis generiert werden konnte, also als ein Organismus, der wachsen, schrumpfen und sich verändern kann (entsprechend der wirtschaftlichen Nachfrage, wie Bofill in späteren befragungen preisgab). http://www.averyreview.com/issues/7/revisiting-systems http://www.one-more-good-one.com/2015/06/the-barrio-gaudi.html http://www.archdaily.com/121483/ad-classics-kafka-castle-ricardo-bofill


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Die Stadt im Raum sollte tatsächlich realisiert werden und zwar 1966 in Madrid, wurde jedoch aus politischen Gründen annuliert. Im Entwurf ist jedoch die Machbarkeit einer solchen Raumstruktur erkennbar und zudem zu sehen, wie die “Straße in der Luft” (als Annäherung an den Strukturalismus) umgesetzt werden sollte.

http://archinect.com/ricardo_bofill_taller_arquitectura/project/city-in-the-space

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Walden 7 war also eine logische Kontinuation dieses architektonischen Diskurses. Verwirklicht werden sollte es auf 45.000m² bestehend aus 3 “Großstrukturen” an den Eckpunkten des dreieckigen Grundstückes und 2 “Nebenstrukturen”, die jene verbinden sollten. Dieser Block ist jedoch nicht als reiner Wohnungsblock zu verstehen, sondern eher als eine dreidimensionale Agglomeration von Zellen, die miteinander durch Straßen, vertikal und horizontal, verbunden werden, die wiederum Platz für Freizeit, Unterhaltung und Treffen sorgten.

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Zu bemerken ist, dass bei diesem Ensemble nicht auf den bestehenden Kontext reagiert wurde; Es wurde nicht die umgebende Stadtstruktur reflektiert und erweitert, sondern ein völlig neuer Kontext durch das Ensemle selbst geschaffen, typisch für strukturalistische Ansätze jener Zeit. Die Gebäudestruktur bildet somit einen neuen autarken Stadtteil, in dem der zu bebauende und der offen zu lassende Raum im Einklang und parallel entworfen wurden.

http://www.ricardobofill.com/EN/666/Architecture/PORTFOLIO/Walden-7-html

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Diese offene Räume befinden sich teils außerhalb, teils im Inneren der Gebäudestrukturen. Der Innerraum ist jedoch eigentlich auch ein Außenraum (den natürlichen Lichteinfall und Außenklima bedenkend), der konkarv nach oben von den gestapelten Zellen umschlossen wird. Zusammen mit den vertikalen Straßen, die sich zwischen die Zellen schlingen bildet dieser Raum eine dreidimensional semi-öffentliche Plaza.

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Bespielt werden diese Plazas im Ergeschoss durch öffentliche Dienste und kollektive Aktivitäten, die nach den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen sortiert wurden sind: Ernährung (gemeinschaftliche Küchen, Restaurants), Ankleiden (Expression seiner Personalität), Hygiene (Gesundheit und Sport), Transport (öffentlicher Verkehr und Parkhaus) und Information (Kommunikation und Lehre). So befinden sich auch gemeinschaftliche multifunktionale Räume im Erdgeschoss und Schwimmbäder auf der Dachterasse.

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Um den Aufbau des Gesamtsystemes letztendlich zu verstehen, muss man sich vorerst mit der einzelnen Zelle beschäftigt haben. Jedes Grundmodul weist einen Grundriss von 30m² auf und ist für ein Individuum gedacht. Grundanliegen war einen durchgehenden Raum zu schaffen, der alle Funktionen miteinander aufnimmt und vom Nutzer verschieden interpretiert werden kann. Die Grundlage dieses Ansatzes mag die damals erstmalige Beobachtung der voranschreitenden Individualisierung der Gesellschaft bilden.

http://algarfae.blogspot.de/

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Dieses Grundmodul soll also der Einzelperson die maximale Freiheit und zugleich Geborgenheit innerhalb dieser immens dichten Gebäudestruktur bieten. Erweitert kann diese dann sowohl horizontal, als auch vertikal durch anliegende Treppen, sodass auch Familien in 60, 90 und 120m² untergebracht werden können.

http://www.averyreview.com/issues/7/revisiting-systems

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Das mutlifunktonale Wohnzimmer wurde durch Einlassungen in den Boden und eine neuartige Form von Divan räumlich unterteilt, die sowohl als Sitzrunde, als Schlafbereich, Arbeitsbereich oder als Essplatz dienen können. Ein verschiebbarer breiter Tisch kann je nachdem wo es gebraucht wird durch den Raum geschoben werden.

http://pab.pa.upc.edu/pdfs/walden.pdf $SDUWDPHQWR $SDUWPHQW

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Küche und Bad befinden sich an der gleichen Kante, sodass die Leitungsschächte problemlos durchgezogen werden können. Bemerkenswert ist, dass Küche und Bad nicht als abgeschlossenen Räume behandelt wurden, sondern eher als Teilinstanzen des Wohnens innerhalb der Gesamtzelle. So ist auch das Waschbecken oder die Badewanne nicht im WC-Raum zu finden, sondern besitzen je eine eigene Nische. So sollen sich mehrere Situationen innerhalb einer Zelle ohne Konflikt abspielen können.

http://sylvainlestumarchitecte.blogspot.de/

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Durch Stapelung und Spiegelung der Zellen, horizontal und vertikal abwechselnd, bildet sich dann Schritt für Schritt die Gesamtstruktur. Hier wird es somit geschafft durch die Multiplikation einer bloßen Zelle ein weites Angebot an Typologien anbieten zu können.

http://www.raco.cat/index.php/CuadernosArquitecturaUrbanismo/ article/viewFile/121293/243426


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Das Gebäude ist also als eine Anhäufung von individuellen Lebensräumen zu verstehen, die dann wiederrum von einem komplexen Wegesystem in alle 3 Achsen miteinander vernetzt werden. Die ErschlieĂ&#x;ung spielt zudem die wichtige Rolle, die Micro-Scala (die Zelle des Individuums) mit der Macro-Scala (die “Stadtâ€? der Kommune) ieĂ&#x;end miteinander verbindet.

http://www.raco.cat/index.php/CuadernosArquitecturaUrbanismo/ article/viewFile/121293/243426 6

Quaderns : WALDEN 7 : Taller de Arquitectura

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DESEMBRE 2004 244 : Q 4.0

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Trotz der Typologie des Laubenganges und der hohen Dichte war es mĂśglich jeder Wohneinheit zwei Fassaden und (mit einigen Ausnahmen) einen Ausblick in die Ferne zu verleihen. Die Breite der Gänge wurden schmal genug gewählt, sodass man den Aufenthalt vor den Wohnungen auf die Üentlichen Flächen im Erdund Obergeschoss verdrängt.

http://www.molotok.ca/architecture/2010/Walden_7_by_Ricardo_BoďŹ ll/

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AuĂ&#x;en in ein warmes Rot gefärbt und mit Kacheln dekoriert, “Innenâ€? mit einem tiefen Kobalt gekennzeichnet. Dieser Raum der “kollektiven Memoireâ€? wurde bewusst von den Architekten kathedralisch thematisiert.

http://www.ricardoboďŹ ll.com/EN/666/Architecture/PORTFOLIO/Walden-7-html

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Das Taller de Arquitectura schate mit diesem Projekt nicht nur ihre Theorie Ăźber die modulare, erweiterbare Stadt im Raum ins Gebaute zu Ăźbersetzen, sondern auch Architekturen der Vergangenheit wiederzubeleben (s. Revival zu dieser Zeit): Das Monumentale der Zitadelle, das Mediterrane der Patios, die Agora der Griechen, die Plastizität des Barocks und die Symmetrie der Rennaisance.

http://www.ricardoboďŹ ll.com/EN/666/Architecture/PORTFOLIO/Walden-7-html

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zusammenfassendes Poster Walden7 5LFDUGR %RČ´OO 7DOOHU GH $UTXLWHFWXUD 6DQW -XVW 'HVYHUQ %DUFHORQD

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Screenshots aus https://vimeo.com/58438756


weiterführende Links Einwohnerverein des Walden 7 http://www.walden7.com/

Ricardo Bofill und das Taller de Arquitectura

http://www.ricardobofill.com/EN/666/Architecture/PORTFOLIO/Walden-7-html

Beitrag der ArchDaily Classics Serie

http://www.archdaily.com/332142/ad-classics-walden-7-ricardo-bofill

Ausstellung mit Schnittmodell des Walden 7 http://sylvainlestumarchitecte.blogspot.de/

Anaylse des Aufbaus anhand eines 3D Modells https://vimeo.com/58438756

graphische Analyse des Walden 7, stud. Arbeit

http://www.molotok.ca/architecture/2010/Walden_7_by_Ricardo_Bofill/

Artikel über die Entwurfsmethode Bofills in den 60/70ern http://www.averyreview.com/issues/7/revisiting-systems

Vortrag Bofills über seine Entwurfsmethoden

http://www.aaschool.ac.uk//VIDEO/lecture.php?ID=2745

Archnitect über “Die Stadt im Raum”

http://archinect.com/ricardo_bofill_taller_arquitectura/project/city-in-the-space

Fotostrecke über Bofills “Barrio Gaudi”

http://www.one-more-good-one.com/2015/06/the-barrio-gaudi.html

interessant ist auch zu sehen anhand heutiger Aufnahmen, wie Einwohner die “Zellen” an sich angepasst haben http://buscador.habitaclia.es/edificio-walden-7/

Marzá & Moyano über die Hintergrundgeschichte Walden 7´s http://www.raco.cat/index.php/QuadernsArquitecturaUrbanisme/article/viewFile/238975/349702

Cardanell über den Zeitgeist während der Einweihung

http://www.ricardobofill.com/biblioteca/items/666_A/Walden_7_Carandell_eng.pdf

R. Valentín über die Direktion der spanischen Architektur in den 60ern http://www.raco.cat/index.php/Temes/article/download/249933/341091

J.M. Miró i Rufá tiefgreifende Analyse über Walden 7 im Jahre 1974 http://www.raco.cat/index.php/CuadernosArquitecturaUrbanismo/article/viewFile/121293/243426


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