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III Finanzwirtschaftliche Betrachtung

Eine finanzwirtschaftliche Analyse der „Gemeindefinanzierung neu“ kann aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. Beurteilungskriterien zum Finanzausgleich können dabei auf mehreren Ebenen ansetzen:

 Systemische Kriterien: Diese zielen auf die übergeordneten Rahmenbedingungen und Zielsetzungen des Finanzausgleichs ab. Wichtige Kriterien sind hierbei die Konnexität, die institutionelle Kongruenz oder die fiskalische Äquivalenz. Diese Kriterien zielen daher auf ein möglichst gut abgestimmtes Verhältnis zwischen Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen ab.  Strukturelle Kriterien: Diese stellen auf die konkrete Ausgestaltung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften ab. Wichtige Kriterien sind hierbei etwa das Ausmaß der Abgabenautonomie bzw. Transferverflechtungen, die erzielten Verteilungswirkungen (Allokation, Distribution – daher Ressourcen- und Lastenausgleich), die Berücksichtigung von Spillovers und lokalen/regionalen Präferenzen sowie generell der Aspekt der Transparenz. Diese Kriterien legen daher ihren Schwerpunkt auf die möglichst optimale Abstimmung zwischen den Akteuren.  Technisch-administrative Kriterien: Diese zielen auf die praktischen Detailregelungen und die rechtstechnische Umsetzung ab. Wichtige Kriterien betreffen etwa die Einfachheit, Vollständigkeit, Kompatibilität oder die Kosteneffizienz der Regelungen. Diese Kriterien betreffen daher die konkrete Umsetzung von Regelungen. 11

In der folgenden tiefergehenden Betrachtung wird der Fokus auf die ersten beiden Kriterienbereiche gelegt, daher die systemischen und strukturellen Kriterien. Die Auseinandersetzung mit dem dritten Teil der technisch-administrativen Kriterien fließt in die Beurteilung der Regelung aus Praxissicht ein. Tabelle 7 gibt einen Überblick über die verwendeten Bewertungskriterien. Das hier vorliegende Bewertungsschema beruht auf einem von Bröthaler/Getzner (TU-Wien) entwickelten Evaluierungsrahmen zum Finanzausgleich 12 und wurde für die vorliegende Fragestellung zur „Gemeindefinanzierung neu“ angepasst und konkretisiert. Auch werden in der Übersicht die im FAG 2017 vorgesehenen Verwendungszwecke von Gemeinde-Bedarfszuweisungen dargestellt. Da sich die Wirkungen der „Gemeindefinanzierung neu“ nur im Zusammenwirkung der weiteren Transferbeziehungen zwischen Land und Gemeinden ergeben, ist eine alleinige Betrachtung der „Gemeindefinanzierung neu“ nicht immer möglich. Insbesondere bei den systemischen Kriterien wird daher der Blick auf das Finanzausgleichssystem erweitert.

11 Vgl. Bröthaler u. Getzner: Evaluierungsrahmen zum Finanzausgleich und Einschätzungen zum FAG 2017, 2017, S. 386. 12 Vgl. Bröthaler u. Getzner: Evaluierungsrahmen zum Finanzausgleich und Einschätzungen zum FAG 2017, 2017, S. 386 ff.

Tabelle 7: Finanzwirtschaftliche Bewertungskriterien

Bewertungskriterien Systemische Kriterien Grundsätze und Rahmenbedingungen

Föderalismusmodell Konnexität, fiskalische Äquivalenz, institutionelle Kongruenz

Verantwortlichkeit Transparenz

Beurteilungsmaßstäbe

klare Zuordnung von Kompetenzen und Aufgaben Übereinstimmung der Aufgaben-/Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung im Sinne einer ökonomisch effizienten staatlichen Leistungserbringung Ausmaß der subnationalen Entscheidungsautonomie, Eigenverantwortlichkeit (Grad der Dezentralisierung) Transparenz, Einfachheit der Aufgaben- und Finanzierungsverflechtungen

Ziel-, Aufgaben-, Leistungs-, Wirkungsorientierung

Transparenz über die Ziele Messbarkeit der Zielsetzungen und Evaluierungen

Prozess

Reformprozess

Institutionelle Kooperation

Strukturelle Kriterien

Effizienzorientierung, Anreizorientierung Spillover, Skaleneffekte

Finanzierbarkeit von zentralörtlichen Leistungen Förderung interkommunaler Kooperationen Regionales Denken Berücksichtigung lokal oder regional unterschiedlicher Präferenzen bzw.

Lokale/regionale Präferenzen Ressourcenausgleich

ressourcenausgleichende Wirkung Rolle der Finanzkraft beim Verteilungsprozess

Lastenausgleich

sozio-demografische Rahmenbedingungen geografisch-topografische Rahmenbedingungen regionale Versorgungsfunktion

Zusammenspiel Ressourcen- und Lastenausgleich

Explizite Ausrichtung an inhaltlichen; d.h. wirtschaftspolitische Ziele (z.B. Wachstum, Verteilungsgerechtigkeit); Berücksichtigung unterschiedlicher Grade der Aufgabenerfüllung/Leistungserbringung

Längerfristige Reformstrategien, Verhandlungsprinzip Intensität der Kooperation und Koordination zwischen Ebenen und Einheiten, Kompromissintensität

Anreize zur effizienten Aufgabenerfüllung und zur Erzielung der gewünschten Wirkungen Berücksichtigung räumlicher externer Effekte und der Kosteneffizienz unterschiedlicher Organisationsformen

Bezirksverwaltungsagenden Niveaus öffentlicher Güter und Dienstleistungen, Abgrenzung Wahlbedarf Ausmaß des Finanzkraft-Ausgleichs und regionalpolitischen Ausgleichs (Kohärenz, Wachstums- gegenüber Verteilungsorientierung)

Berücksichtigung von verschiedenen Sonderlasten bzw. von Ausmaß, Niveau und Qualität der Leistungserbringung

Abstimmung von Ressourcen- und Lastenausgleich und Ausrichtung entsprechend der Zielsetzung

Verwendungszwecke gemäß Finanzausgleichsgesetz 2017

Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Haushalt (Haushaltsausgleich) Deckung außergewöhnlicher Erfordernisse Ausgleich von Härten bisherige Verwendungszwecke Förderung bestehender und zusätzlicher interkommunaler Zusammenarbeit Unterstützung strukturschwacher Gemeinden Förderung von Gemeindezusammenlegungen landesinterner Finanzkraftausgleich zwischen den Gemeinden unter Bedachtnahme auf weitere landesrechtliche Finanzkraftregelungen zusätzliche Verwendungszwecke Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; basierend auf FAG 2017 sowie Bröthaler; Getzner: Evaluierungsrahmen zum Finanzausgleich, 2017, S. 388 f.

Systemische Kriterien

Grundsätze und Rahmenbedingungen Eine alleinige Betrachtung der Finanzierungsströme im Finanzausgleich vernachlässigt die Tatsache, dass es einer bestmöglichen Übereinstimmung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen bedarf. Betrachtet man die Transferverflechtungen zwischen Land und Gemeinden

mit den zahlreichen Ko-Finanzierungsregelungen wird dies besonders deutlich. Es mangelt etwa mehrfach an einer klaren Zuordnung von Kompetenzen und Aufgaben (z.B. Ganztagsschulen). Auch fehlt oftmals die Übereinstimmung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung, wie dies besonders bei den Umlagen für Soziales und Krankenanstalten sichtbar wird. Ziel-, Aufgaben-, Leistungs- und Wirkungsorientierung Durch die hohe Bedeutung der Gemeinde-Bedarfszuweisungen wird einerseits garantiert, dass auch Gemeinden mit geringen finanziellen Spielräumen ausreichend Infrastrukturen und Dienstleistungen bereitstellen können, andererseits entstehen jedoch nicht zu vernachlässigende Abhängigkeitsverhältnisse. Eine Einschränkung der Gemeindeautonomie ist die Folge. Durch Transparenzmängel in der Vielfalt an Transferbeziehungen wird dies noch zusätzlich verstärkt. Zu Beginn des Berichtes werden die Ziele der „Gemeindefinanzierung neu“ angeführt. Zu nennen sind hier insbesondere eine Stärkung der Gemeindeautonomie, Steigerung der Effizienz, Stärkung der Gemeindebudgets, Schaffung von Objektivität und Transparenz und der Abbau bürokratischer Hürden. Insofern besteht Transparenz über die Zielsetzungen. Es ist noch offen, welche Qualität die Evaluierungen haben werden und inwiefern eine Messbarkeit der gesetzten Ziele gelingt. Dies ist von Bedeutung, da bestimmte Ziele durchaus auch unterschiedlich wirken können. Die bestehenden umfassenden Regelungen im Bereich des Härteausgleichsfonds etwa schränken die Gemeindeautonomie ein, andererseits können sie jedoch die Effizienz der Leistungserbringung in den Gemeinden stärken. Ein und dieselbe Maßnahme kann daher das eine Ziel unterstützen, das andere behindern. Bei den Regelungen der „Gemeindefinanzierung neu“ ist offen geblieben, wie die gesetzten Ziele gemessen werden sollen. Die angeführten Ziele stellen auch stark auf die Ressourcenbereitstellung ab, vernachlässigen aber die Wirkungs- und Aufgabenebene. So wird dem Stärken der Gemeindebudgets, um Gemeinden in die Lage zu versetzen, ihre ordentlichen Haushalte auszugleichen und darüber hinausgehend auch die erforderlichen Eigenanteile für außerordentliche Projekte ansparen zu können, viel Gewicht gegeben. Prozess

Ein weiteres Bewertungskriterium ist die Qualität des Reformprozesses. Mit dem Paktum zum FAG 2017 wurde vereinbart, dass eine Übertragung der bisherigen Finanzkraftstärkung des Bundes an die Länder mit grundlegenden Transferreformen in den Bundesländern einhergehen sollen. Insbesondere bedeutet dies, dass bei der Neugestaltung des Ressourcenausgleichs das gesamte Transfersystem zwischen Land und Gemeinden zu berücksichtigen ist. Auch Umlagen weisen etwa einen hohen Ressourcenausgleich auf, ebenso auch die GemeindeBedarfszuweisungen. Ein ganzheitlicher Reformprozess, welcher daher nicht nur auf die Gemeinde-Bedarfszuweisungen, sondern auf das gesamte landesinterne Transfersystem abstellt, fehlt.

Da es sich bei den Gemeinde-Bedarfszuweisungen um originäre Gemeindemittel handelt, wäre im Rahmen eines ganzheitlichen Reformprozesses auch darauf zu achten, dass eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Land und Gemeinden besteht. Da die Ziele derzeit doch sehr einseitig auf die Stärkung von finanzkraftschwachen Gemeinden ausgerichtet sind, legt dies nahe, dass bei der Festlegung der Ziele kein ausreichender Interessenausgleich zwischen den Gemeinden erfolgte.

Strukturelle Kriterien

Effizienzorientierung, Anreizorientierung Anreize zur Steigerung der Effizienz finden sich primär im Rahmen des Härteausgleichsfonds, welche auf Effizienzsteigerungen innerhalb der einzelnen Gemeinde abstellen. Gleichzeitig werden über den Härteausgleichsfonds aber auch die bestehenden Gemeindestrukturen konserviert, da nur geringe Anreize für Gemeindestrukturreformen bestehen. Auch die Anreize im Regionalisierungsfonds zur Stärkung der interkommunalen Kooperation sind schwach ausgeprägt. Spillover, Skaleneffekte Die Berücksichtigung räumlicher externer Effekte erfolgt nur in geringem Maße – daher ausschließlich im Rahmen der Förderung interkommunaler Kooperationen. Eine Berücksichtigung der Finanzierbarkeit von zentralörtlichen Leistungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch ein koordiniertes Abstimmen der Leistungsangebote innerhalb von Regionen wird in den Richtlinien nicht angeführt. Durch den Ausschluss der drei Statutarstädte (Bezirksverwaltungsagenden) aus den allgemeinen Richtlinien ist ebenfalls davon auszugehen, dass hier Spillovers keine ausreichende Berücksichtigung finden. Lokale/regionale Präferenzen Zweck der Gemeinde-Bedarfszuweisungen ist auch, den Gemeinden eine entsprechende Schwerpunktsetzung mit ihren Projekten zu ermöglichen. Insofern werden auch lokale/regionale Präferenzen bei der Mittelverteilung berücksichtigt. In den Richtlinien wird jedoch keine Verknüpfung mit bestehenden landesweiten Konzepten (z.B. Raumordnungskonzepte, Wirtschaftskonzepte) angesprochen, um die Präferenzen der Gemeinden innerhalb von Regionen zu koordinieren. Ressourcenausgleich Der Ressourcenausgleich ist stark ausgeprägt, was sich auch in den finanzstatistischen Betrachtungen zeigt. Es finden sich finanzkraftausgleichende Elemente in sämtlichen Fonds. Die Finanzkraft wird weitgehend als primäres Verteilungskriterium herangezogen. Weitere regionalpolitische Ausgleiche, welche stärker auf Strukturdaten (z.B. Erwerbsquote) abzielen, erfolgen nicht. Lastenausgleich Der Lastenausgleich ist deutlich unterrepräsentiert und erfolgt ausschließlich im Rahmen des Strukturfonds. Als Lastenkriterien werden die Einwohnerzahl, die Anzahl der 0-14-Jährigen, die Straßenkilometer und die Berücksichtigung von Tourismusgemeinden verwendet. Weitere Lastenkriterien, welche stärker als „Stellvertreterindikatoren“ zu verstehen sind und welche auf die gesamte Aufgabenstruktur hinwirken, bestehen nicht. Beispiele hierfür wären etwa die Siedlungsdichte, generell die Altersstruktur oder die Knüpfung an das Zentrale-Orte-Konzept. Kriterien zur Abgeltung der regionalen Versorgungsfunktion fehlen zur Gänze. Auch eine Abgeltung der höheren Ausgaben in Zusammenhang mit Bezirksverwaltungsagenden erfolgt nicht.

Zusammenspiel Ressourcen- und Lastenausgleich Ressourcen- und Lastenausgleich sind keine getrennten Säulen, sondern sind stark miteinander verbunden. Im Rahmen des Strukturfonds hat der Ressourcenausgleich ein deutlich stärkeres Gewicht. So reduzieren sich die Mittel aus dem Lastenausgleich bei hoher Finanzkraft auf 20 Prozent. Die enge Verwobenheit ist dabei als kritisch zu sehen, da dadurch das ohnehin nur gering ausgeprägte lastenausgleichende Element zusätzlich massiv geschwächt wird.

Verwendungszwecke gemäß FAG 2017

Die im FAG 2017 vorgesehenen Verwendungszwecke der Gemeinde-Bedarfszuweisungen finden sich grundsätzlich auch in der Richtlinie wieder. Generell zu sagen ist, dass die Verwendungszwecke dabei sehr generell formuliert sind und dementsprechend einen großen Interpretationsspielraum für die Länder ermöglichen. Beim landesinternen Finanzkraftausgleich zwischen den Gemeinden ist darauf hinzuweisen, dass diese unter Bedachtnahme auf weitere landesrechtliche Finanzkraftregelungen zu erfolgen haben. Dies ist bei den bestehenden Richtlinien nicht erkennbar, da sie die bei den Umlagen bereits bestehende starke ressourcenausgleichende Wirkung zusätzlich verstärken.

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