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Gemeindefinanzen: Kurze Entspannung, unsichere Perspektiven

Gemeindefinanzen in der COVID-Krise

Kurze Entspannung – unsichere Perspektiven. von Peter Biwald

Peter Biwald

Die COVID-Krise hat bei den Gemeindefinanzen tiefe Spuren hinterlassen. Den Gemeinden (ohne Wien) fehlen für die Jahre 2020 und 2021 jedenfalls 2,5 Mrd. Euro – konkret bei der Deckung der laufenden Ausgaben und für Investitionen. Der Überschuss der operativen Gebarung hat sich gegenüber 2019 (13,2 Prozent) halbiert (rund 6 Prozent). Die Hilfsprogramme von Bund und Ländern bringen für 2021 eine teilweise Kompensation der Ausfälle, eine Lösung ist jedoch bei weitem nicht in Sicht.

Einnahmenausfälle bei wachsenden Ausgaben

Die Jahre 2020/2021 sind stark geprägt von Einnahmenrückgängen aufgrund der CoronaKrise. Besonders starke Rückgänge zeigen sich bei den Gemeinde-Ertragsanteilen. Diese waren im Jahr 2020 um 8,5 Prozent bzw. 600 Mio. Euro niedriger als 2019. Für 2021 wurde ursprünglich ein weiterer Rückgang von 3,7 bis 4,2 Prozent erwartet. Durch das zweite Gemeindepaket des Bundes wird der Ausfall von 2020 vorerst kompensiert, zwei Drittel davon sind jedoch ab 2023 zurückzuführen.

Die Kommunalsteuer ist mit rund 2,6 Mrd. Euro (2019) die wichtigste gemeindeeigene Steuer und von der hohen Arbeitslosigkeit und weiterhin der Kurzarbeit betroffen. Die höhere Arbeitslosenzahl führt zu einem Komplettausfall, die Kurzarbeit aufgrund der

„Eine nachhaltige Lösung ist derzeit noch nicht in Sicht. Dafür sind gemeinsame Maßnahmen aller Ebenen erforderlich.“

Ausnahme des Kurzarbeitsanteils von der Kommunalsteuer zu einem Detailausfall. Auf dieser Basis ist die Kommunalsteuer 2020 um rund 6 Prozent unter dem Wert von 2019 gelegen, 2021 ist allenfalls eine Aufholung im Ausmaß von rund 3 Prozent erwartbar. Bei der Fremdenverkehrsabgabe war im Jahr 2020 ein Rückgang von 35 Prozent gegeben, 2021 dürfte ein weiteres Minus von 20 Prozent folgen.

Auf der Ausgabenseite sind die wichtigsten Positionen der Personalaufwand, der Verwaltungs- und Betriebsaufwand sowie die Transfers an Träger des öffentlichen Rechts (in der Regel an die Länder für Sozialhilfe, Krankenanstalten und Landesumlage) sowie an sonstige Institutionen (externe Leistungserbringer wie auch Vereine). In Summe umfassen diese vier Positionen 90 Prozent der laufenden Ausgaben. Sie sind 2020 und werden in den nächsten Jahren voraussichtlich zwischen 3 und 5 Prozent p.a. steigen, sofern keine wesentlichen Konsolidierungsmaßnahmen inkl. Leistungskürzungen (auf Länder wie auch Gemeindeebene) gesetzt werden.

Die beiden Gemeindepakete des Bundes

Inzwischen wurden zwei Gemeindepakete geschnürt: Mitte 2020 wurde das Kommunale Investitionspaket (KIP) mit 1 Mrd. Euro primär für 2020/2021 fixiert, mit Jänner 2021 folgte ein zweites Gemeindepaket auf Bundesebene in der Höhe von 1,5 Mrd. Euro für das Jahr 2021.

Das zweite Gemeindepaket besteht zum einen aus 500 Mio. Euro zusätzlicher Hilfen für das Jahr 2021 (400 Mio. Euro Auf-

Überschuss der laufenden/operativen Gebarung. Quelle: KDZ 2021

stockung der Ertragsanteile, 100 Mio. Euro Strukturfonds). Zum anderen enthält es eine Milliarde an Vorschüssen auf künftige Ertragsanteile, um das drängende Problem der Liquiditätssicherung 2021 zu lösen. Der Betrag muss allerdings voraussichtlich ab 2023 wieder zurückgezahlt werden. Dadurch werden die Ertragsanteile in den nächsten Jahren real nur mehr um maximal 2 Prozent p.a. steigen.

Kurzfristige Erholung 2021 –längeres Verharren auf niedrigem Niveau ab 2022

Die beiden Gemeindepakete bringen kurzfristig für 2021 etwas Entspannung, ab 2022 wird der Überschuss der operativen Gebarung (die Größe steht für die Finanzierung von Investitionen und Darlehenstilgungen zur Verfügung) auf der Hälfte des Spielraums aus den Jahren 2019 und davor liegen.

Ein Vergleich mit der Finanzkrise vor 13 Jahren zeigt, dass damals ebenfalls ein starker Einbruch zwischen 2007 und 2009 gegeben war, jedoch bis 2011 eine rasche Erholung erfolgt ist. Damit ist diesmal nicht zu rechnen, da durch die Rückzahlung des Bundesvorschusses von 1 Mrd. Euro ab 2023, die Einnahmensteigerungen und damit die finanziellen Spielräume auf einem niedrigen Krisen-Niveau bleiben. Ohne Gegensteuerung werden somit die Investitionskürzungen ab 2022/23 schlagend werden.

Konsolidierung wird mittelfristig erforderlich sein

Der Blick der Gemeinden wird daher auch stärker auf Konsolidierungspotenziale gerichtet sein müssen. Es geht vor allem darum, laufende Ausgaben nachhaltig zu dämpfen und Einnahmenpotenziale auszuschöpfen. Dies kann das Heben von Effizienzen – etwa durch Gemeindekooperationen –, aber vor allem auch Leistungskürzungen bedeuten. Niemand setzt gerne den Rotstift an. Aber angesichts der mittelfristigen Prognosen werden viele Gemeinden in einen Konsolidierungsprozess gehen müssen. Die Alternativen sind „Jede Gemeinde spart für sich und ihre BürgerInnen“ oder „Wir suchen gemeinsam Lösungen für die Menschen in der Region“. Die aktuelle Krise kann somit auch als Chance genutzt werden, die regionale Sicht und das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

Gemeindeinvestitionen als Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung

Die Investitionen der Gemeindeebene lagen 2019 bei über 4 Mrd. Euro (inkl. Wien). Mit einem bisherigen Anteil der Gemeinden an den öffentlichen Investitionen von 30 Prozent

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haben die Gemeinden eine wesentliche Rolle zur Stabilisierung der Wirtschaftskrise inne. Denn kommunale Investitionen bedeuten auch Arbeitsplätze in der Bauindustrie, im Handel und vielen anderen Branchen. Müssen jedoch sämtliche Einnahmen für die laufenden Ausgaben aufgewendet werden, fehlt das Geld für Investitionen. Dies ist nicht nur problematisch für die Wirtschaft, sondern es besteht auch ein erhöhtes Risiko von einem Investitionsrückstau in der kommunalen Infrastruktur – auch bei den dringend notwendigen Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels.

„Es braucht zur Sicherung der Daseinsvorsorge gemeinsame Lösungen für die Menschen in der Region.“

Gemeindepakete allein reichen nicht aus

Die jetzigen beiden Gemeindepakete allein reichen noch nicht aus, um die Gemeinden mittelfristig aus der Krise hinauszubewegen. Um die Gemeindeebene auch langfristig handlungsfähig zu halten, braucht es daher ein Maßnahmenbündel, das von Bund, Ländern und Gemeinden getragen wird. Neben den finanziellen Hilfen des Bundes bedarf es einer besseren Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften. Es gilt, die Problemlage aufzuzeigen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, etwa im Bereich der Sicherung der steuerfinanzierten Daseinsvorsorge (Bildung, Kultur, Freizeit, Sport) oder die Berücksichtigung der Gemeinden bei den Mitteln aus dem Europäischen Aufbauplan. Angesichts der Krise werden aber auch Gemeinden einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. <

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1 Vgl. Mitterer, Biwald und Seisenbacher: Österreichische Gemeindefinanzen 2021 – Entwicklungen 2009 bis 2022, 2021, S. 29. f.

KDZ-Empfehlungen: gemeinsames Maßnahmenbündel

LIQUIDITÄT = Sicherung

Daseinsvorsorge

KOMMUNALE INVESTITION = Konjunkturstärkung

FÖDERALISMUS BUND LÄNDER GEMEINDEN

• Ausgleich

Einnahmenverluste • Einbezug in

Hilfsprogramme • Entlastung Umlagen • Hilfe bei Härtefällen • Effizienzpotenziale • Konsolidierung

• Aufstockung und Verlängerung KIP • Einbezug in europäischen Aufbauplan • Verstärkung KIP • Flexibilisierung

Verschuldung • Monitoring • Verschuldung • Abbau von Reserven

• gemeinsame Lösungssuche und Pfad bis 2021 • mittelfristige Reformen (Gemeindestrukturreform, Finanzausgleich, Abgaben,

Reformen in Aufgabenbereichen etc.)

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