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Finanzausgleich: Krisenfest für die Zukunft?

Krisenfester Finanzausgleich?

Was beim nächsten Finanzausgleich Beachtung finden sollte.

von Karoline Mitterer, Michael Getzner und Johann Bröthaler

Karoline Mitterer

Der Finanzausgleich bestimmt Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. In der Coronakrise hat er einerseits Stabilität in der Finanzierung gebracht, andererseits haben sich auch deutliche Schwachstellen gezeigt. Eine Weiterentwicklung in Richtung eines stärker krisenfesten Finanzausgleichs sollte nun ganz oben auf der Reformagenda stehen.

Was ist ein krisenfester Finanzausgleich?

Die Krisenfestigkeit (Resilienz) der Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene wurde im letzten Jahr auf eine deutliche Probe gestellt. Viele öffentliche Aufgaben im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der sozialen Absicherung gegen Arbeitsplatz- und Einkommensverlust wurden in bislang kaum gekanntem Ausmaß herausgefordert – und damit auch der Finanzausgleich.

Resilienz bedeutet allgemein die Widerstandsfähigkeit eines Systems, auf Krisen zu reagieren und einen gewünschten Vorkrisenzustand wiederherzustellen. So kann die Resilienz des öffentlichen Sektors in vier Dimensionen betrachtet werden:

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1. Robustheit, Ausdauer und Nachhaltigkeit, 2. Anpassungsfähigkeit und Flexibilität in der Krise, 3. Wandlungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit und 4. Vorbereitung und Lernfähigkeit.

Im Hinblick auf den Finanzausgleich kann dies noch konkretisiert werden (siehe Abbildung 1 auf Seite 8):

Die institutionelle Resilienz betrachtet die

Verwaltung und Vollziehung und deren

Möglichkeiten und Maßnahmen, Krisen zu bewältigen.

Die politische Resilienz bezieht sich auf die Gesetzgebung und Normensetzung durch politische Entscheidungsträgerinnen und -träger.

Die funktionale Resilienz stellt die

Auf gaben- und Ausgabenpolitik des öffentlichen Sektors bei einem Schock in den Mittelpunkt.

1 vgl. Davoudi: Resilience, 2013.

Foto: beigestellt

AD PERSONAM

Michael Getzner ist Universitäts-Professor für Finanzwissenschaft und Infrastrukturökonomie an der Technischen Universität Wien.

Foto: Christian Husar

AD PERSONAM

Johann Bröthaler ist Associate-Professor am Forschungsbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik an der Technischen Universität Wien.

Institutionelle Resilienz

Resilienz öffentlicher Institutionen auf Bundes-, Landes-, Gemeindeebene zur Krisenbewältigung: Ebenen Informationen, des Staates Koordinierung, Instrumente, Prozesse

Verteilung der Aufgaben und Kompetenzen im föderalen Staat

Resilienz staatlicher Aufgaben (z.B. Gesundheit, Bildung, Kultur, Infrastrukturen): Qualität und Funktionsfähigkeit Öffentliche Aufgaben

Zunahme der Resilienz durch Föderalismus-, Struktur- und Verwaltungsreformen

Fiskalischer Föderalismus und Finanzausgleich Politische Resilienz

Fiskalpolitik

Reaktion politischer Entscheidungsträger*innen durch Wirtschaftspolitik: politische Debatten und Entscheidungen

Politiken betreffend Wirtschaftsförderung, Regionalentwicklung (räuml. Ungleichheiten), Mobilität, Standorte

Räumliche (urbane & rurale) Planung, Infrastrukturplanung, Zielorientierung betreffend zukünftige Krisen (z.B. Klimakrise) Nachhaltigkeit der Wirkungen Staatsschulden, Staatsausgaben, Beschäftigung und Wirtschaftsstruktur: Effizienz und Verteilung

Abb. 1: Arten der Resilienz in Finanzausgleich und fiskalischem Föderalismus. Quelle: Bröthaler/Getzner, 2021.

Die räumliche Resilienz berücksichtigt unterschiedliche räumliche Anforderungen und unterschiedliche Betroffenheiten.

Krisen können plötzlich auftreten – wie etwa Umweltkatastrophen oder Blackouts. Krisen können aber auch langfristig sein – wie etwa die Klimakrise oder demografiebedingte Veränderungen. Ein krisenfester Finanzausgleich bereitet sich auf mögliche Krisen vor und stellt ausreichend Instrumente zur Krisenbewältigung zur Verfügung.

Substanzielle Krisen wie die Pandemie haben massive Auswirkungen auf alle drei Gebietskörperschaftsebenen. Die Betroffenheit ist jedoch nicht für alle Gebietskörperschaften gleich. So waren im Zuge der Pandemie die Mindereinnahmen durch Ertragsanteile aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen kaum selbstständig auszugleichen, weshalb Hilfsmaßnahmen durch Bund und Länder notwendig wurden. Auch sind nicht sämtliche Länder oder Gemeinden im selben Ausmaß betroffen.

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Dies trifft auf die Pandemie genauso zu wie auf andere Krisen, wie etwa die Klimakrise oder den demografischen Wandel.

Robustheit erhöhen

Erstens ist die Robustheit gegenüber Krisen zu stärken. Dies bedeutet etwa die Identifizierung möglicher Krisen und die Implementierung geeigneter Instrumente zur Steigerung der Robustheit. Dies umfasst grundsätzlich verbesserte Regelungen, proaktive Instrumente und eigenständige Vorsorge zur fiskalischen Resilienz und bezieht sich damit auf Regelsysteme (Stabilitätspakt) und Prinzipien des Haushaltsrechts (Schulden-, Haftungs-, Rücklagen-, Risikomanagement).

Auch der Finanzausgleich ist so auszugestalten, dass die funktionale Resilienz bestmöglich unterstützt wird. Dies bedeutet etwa die Sicherstellung notweniger Infrastrukturen in Nicht-Krisenzeiten (z.B. Vermeidung In vestitionsrückstau) oder eine gemeinschaftliche Organisation und Finanzierung redundanter Infrastruktur für den Krisenfall. Mögliches Instrument hierfür wäre etwa ein aufgabenorientierter Finanzausgleich, um unterschiedliche Rahmenbedingungen von Ländern und Gemeinden auszugleichen. Bei den Ländern könnte eine Konsequenz sein, die hohe Abhängigkeit von den Ertragsanteilen zu reduzieren, indem die Abgabenautonomie der Länder gestärkt wird.

Anpassungs- und Erholungsfähigkeit sichern

Ein zweiter wichtiger Aspekt der Resilienz ist die Anpassungs- und Erholungsfähigkeit in der Phase der Krisenbewältigung und -erholung. Eine gesamtstaatliche Koordination ist bei Krisen gefordert, da die Ebenen der Gebietskörperschaften (vertikal) als auch innerhalb der Ebenen (horizontal) unterschiedlich betroffen sein können. Somit müssten im Finanzausgleich Prozesse definiert werden, um im Krisenfall zu reagieren. Dies sind neben kurzfristig wirksamen Instrumenten (etwa Vorschüsse, Bedarfszuweisungen) auch mittelfristig wirksame Instrumente (Investitionsprogramme, Resilienz-/Aufbaufonds), die auch automatisch ausgelöst werden können. Dies würde schwierige Verhandlungssituationen im Krisenfall vermeiden.

Was wäre jetzt zu tun?

Es gilt nun, einen koordinierten Prozess zu starten, um den Aspekt der Resilienz im Finanzausgleich zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Jedenfalls sollte die Stärkung der Resilienz ein wichtiges Thema bei den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen darstellen (bis Ende 2023). Es bedarf einer Ana lyse des aktuellen Finanzausgleichssystems, um die aktuellen Stärken und Schwächen in Bezug auf Resilienz herauszuarbeiten und darauf basierend Reformen zu entwickeln.

Eine zentrale Frage wird dabei sein, für welche Arten von Krisen man künftig gewappnet sein möchte. Wirtschaftskrisen und Pandemien drängen sich auf, aber auch langfristige Krisen wie der Klimawandel sind relevant. Eine stärker resiliente Ausrichtung des Finanzausgleichs bietet jedenfalls für Bund, Länder, Städte und Gemeinden die Chance, künftig besser auf Krisen vorbereitet zu sein und diese nachhaltig zu bewältigen.

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„Es ist wichtig, den Finanzausgleich resilient auszugestalten, um besser auf Krisen vorbereitet zu sein und diese auch gut bewältigen zu können.“

QUELLEN

Davoudi, S.: Resilience

A Bridging Concept or a Dead End? Planning Theory and Practice 13, 2013, 299-307.

Bröthaler, J., Getzner, M.: Financial Resilience of Municipalities

Presentation at the Lecture Series on Resilience: Principles, Concepts, Projects, March 24th, 2021, Vienna University of Technology.

Mitterer, Karoline: Gemeindefinanzen

Ein Blick zurück und nach vorne. In: KDZ-Blog https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog/ gemeindefinanzen-ein-blick-zurueck-undnach-vorne, 23.2.2021.

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