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Aufgabenkritik: Neue Spielräume schaffen

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BEITRÄ GE

BEITRÄ GE

Aufgabenkritik

Neue Spielräume schaffen.

von Peter Biwald und Alexander Maimer

Peter Biwald

Alexander Maimer D ie regelmäßige Auseinandersetzung mit den eigenen Aufgaben und die Weiterentwicklung dieser ist wesentlich für den Erfolg einer Gemeinde. Nur dadurch können neue auf die Gemeinden zukommende Aufgaben erkannt und Aufgaben, die nicht mehr bzw. nicht mehr so intensiv nachgefragt werden reduziert oder gänzlich eliminiert werden. Um diesen Prozess strukturiert zu gestalten, gibt es das Verfahren der systematischen Aufgaben- und Produktkritik. Dieser Prozess sollte regelmäßig – am besten zu Beginn einer neuen Gemeinderatsperiode – durchgeführt werden, um die finanziellen Spielräume einer Gemeinde zu sichern.

Was ist Aufgabenkritik? Aufgabenkritik ist ein systematisches Verfahren, in dem die Aufgaben einer Gemeinde auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei werden die folgenden Fragen gestellt:

Müssen die Aufgaben erbracht werden? Sind die Standards der Aufgabenerbringung angemessen bzw. erforderlich? Ist das Ausmaß der Eigenleistung notwendig? Sind die Organisation und Prozesse der Aufgabenerbringung effizient gestaltet?

Ausgangspunkt für das Durchführen der Aufgabenkritik ist ein Produkt- bzw. Leistungskatalog, in dem die Aufgaben der Gemeinde

„Wer seine Aufgaben und Prozesse systematisch und regelmäßig überprüft, kann der Gemeinde Spielräume verschaffen.“

dargestellt und quantitativ (Leistungsmengen, Personaleinsatz) sowie qualitativ (Standards) bewertet werden. Auf dieser Basis kann man sich mit dem Zweck bzw. mit dem Vollzug einzelner Aufgaben beschäftigen.

Wie soll vorgegangen werden? Das KDZ hat einige Städte und Gemeinden bei ihren Bemühungen zur Aufgabenkritik und dem Schaffen neuer Spielräume unterstützt. Ziel war es dabei, den finanziellen Spielraum wieder zu verbessern, damit sich die Gemeinde wieder den Herausforderungen der Zukunft stellen kann (neue Aufgaben, Investitionen) und handlungsfähig bleibt. Wesentliche Schritte im Rahmen eines solchen Projektes sind:

Ermittlung des Konsolidierungsbedarfs: Wieviel muss an Einsparungen getätigt bzw. an zusätzlichen Einnahmen lukriert werden? Durchführen der Aufgabenkritik mit den Fragen: Muss die Aufgaben erledigt werden?, Wie soll sie erledigt werden?; Erarbeiten von V orschläge zur Optimierung von Strukturen, Prozessen und Standards durch die Verwaltung und das KDZ; Verdichten der Vorschlägen zu einem Bericht für die politische Ebene; Diskussion der Vorschläge durch die Politik und Zustimmung bzw. Ablehnung der vorgeschlagenen Maßnahmen; die Umsetzung der Vorschläge im Verwaltungsalltag

Aufgabenkritik

Produktkatalog

Aufgabenkritik betrachtet Strategie, Qualität und Prozesse.

Strategiecheck Qualitätscheck Prozesscheck

politische Prioritäten strategische Ziele Beitrag des Produkts zu den strategischen Zielen Sinnhaftigkeit des Produkts prüfen

strategisches Management ABC-Analyse Portfoliocheck

Zweckkritik (Ob?) Standards zur Qualität prüfen Mengengerüste prüfen Kosten von Produkten prüfen

Kundenbefragungen Kostenrechnung Qualitätszirkel Prozess der Produkterstellung dokumentieren, standardisieren und optimieren Organisationsform anpassen

Prozessanalyse Organsiationsanalyse

Vollzugskritik (Wie?)

Quelle: KDZ, 2017

Worauf muss man achten? Um einen optimalen Prozess zur Aufgabenkritik sicherzustellen ist:

ein gutes Zusammenwirken zwischen Politik und Verwaltung notwendig – es ist Aufgabe der Verwaltung zielführende und umsetzbare Vorschläge zu machen; Aufgabe der Politik ist es den Konsolidierungsprozess nicht durch kurzfristige Ausgaben zu hintertreiben; das Beiziehen eines externen Beraters mit Konsolidierungserfahrung, als Motor für den Prozess und unterstützend als Mediator zwischen Politik und Verwaltung; das konsequente Verfolgen des Umsetzungsfortschrittes durch laufendes Projektmanagement.

Teil des Planungszyklus Leider ist in der Praxis eine solche einmalige Kraftanstrengung nicht ausreichend. Haushaltskonsolidierung und damit die Optimierung der Einnahmen und Ausgaben muss immer mehr ein regelmäßige r Prozess und somit Teil der mittelfristigen Ausrichtung der Gemeinde sein. So sollte am Beginn einer neuen Legislaturperiode des Gemeinderats mit einem aufgabenkritischen Prozess die erforderlichen 5 bis 10 Prozent der laufenden Gebarung mobilisiert werden, um finanziellen Spielraum für neue Erfordernisse zu haben. Aufgaben müssen immer wieder hinterfragt und auf die aktuellen Entwicklungen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet werden. <

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BEISPIELE AUS DER PRAXIS

Stadtgemeinde Baden – als Teil einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung

Stadt Linz – als Beitrag zur Budgetsanierung

Stadtgemeinde Mariazell – zur Neuordnung nach der Gemeindefusion

Marktgemeinde St. Barbara im Mürztal – um aus drei eine effektive Gemeinde zu schaffen

Stadt St. Pölten – um fit für zukünftige Herausforderungen zu sein Stadt Waidhofen an der Ybbs – Spielräume für neues Schaffen

Benchmarking

Faktenbasiert vergleichen – praxisorientiert Handeln.

von Peter Biwald und Philip Parzer

Peter Biwald

Philip Parzer W as können wir von anderen Organisationen lernen, um unser eigenes Handeln zu reflektieren und zu verbessern? Was sind die zentralen Kostentreiber und wo sind die Stellschrauben zur Effizienzsteigerung und wie können wir diese beeinflussen? Erbringen wir gute Qualität zu wettbewerbsfähigen Kosten?

Diese als auch andere Fragen sind berechtigt und in Zeiten knapper werdender öffentlicher Kassen auch immer wichtiger. Dass oft verschiedene Wege zum Ziel führen ist hinlänglich bekannt – doch kann aus diesen unterschiedlichen Erfahrungen auch gemeinsam gelernt werden, um bessere und/oder effizientere öf fentliche Dienstleistungen zu erbringen? Genau hier setzt Benchmarking im öffentlichen Sektor an.

Der Blick über den Tellerrand Benchmarking ist ein Instrument, das sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung zum Einsatz kommt. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung dient es insbesondere als internes Wettbewerbssurrogat mit dem Ziel, Effizienz- und Qualitätsverbesserungspotenziale durch den Vergleich der Produkte/Leistungen, wie auch Prozesse der eigenen Organisation mit jenen anderer Organisationen, zu fördern. Im Vordergrund sollte dabei das Prinzip des „Voneinander- und Miteinander-Lernens“ stehen

„Benchmarking ist eine Art Ersatzinstrument für den internen Wettbewerb, welches das MiteinanderLernen fördert.“

– ein kontinuierlicher Lernprozess, der allen Beteiligten die Möglichkeit zum Vergleich und zur internen Reflexion von Verwaltungsabläufen und Ergebnissen bietet, um darauf aufbauend mögliche Veränderungsmaßnahmen einzuleiten.

Die Kennzahlen liefern den Diskussionseinstieg und die Beantwortung der dahinterliegenden Prozessfragen Hinweise zu nutzbaren Potenzialen:

W arum haben wir bei ähnlich hohen Fallzahlen, Betreuungsflächen usw. für Leistung X, einen 30 Prozent höheren Personalaufwand? Was sind die zentralen Kostentreiber im Kinderbetreuungsbereich und wie können wir diese beeinflussen? Wie kann ein elektronisches Dokumenten managementsystem die Bearbeitungsund Durchlaufzeiten reduzieren? W elchen Personalentwicklungsmaßnahmen stiften den größten Nutzen?

Neben wenigen Einzelinitiativen in Österreich zeigt ein Blick in andere Länder (z. B. Schweiz, Deutschland), dass Benchmarking-Projekte auf kommunaler Ebene immer strukturierter sind und auch häufiger erfolgen, sowie als ein zentraler Baustein der Verwaltungsentwicklung gesehen werden.

Unbestritten ist, Benchmarking ist eine der kostengünstigsten Methoden, um externes Wissen in die Organisation zu bringen. Natürlich setzt dies eine Kultur der Transparenz, des gegenseitigen Vertrauens („Was passiert mit den Ergebnissen?“) sowie eine strukturierte Vorgehensweise voraus.

Identifizieren von

Verbesserungspotentialen und

Maßnahmenfindung

1. 2. 3. Definieren der Leistungsbereiche Durchführen der vertiefenden Kennzahlenanalyse 7. Definieren der Schlüsselfaktoren Ableiten der Kennzahlen Sameln der erforderlichen Grundlagen 4. Auswerten des Datenmaterials 5. Integrieren der Prozessebene 6. ➦ ➦ ➦ ➦ ➦ ➦

Abb 1: Vorgehensmodell

Das Vorgehensmodell Damit ein Benchmarking-Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann braucht es eine strukturierte Vorgehensweise. Das KDZ hat hier ein Vorgehensmodell entwickelt, das in der Praxis in unterschiedlichen Projekten erfolgreich angewendet und weiterentwickelt wurde.

Ein Benchmarking-Projekt sollte dabei entlang folgender drei Projektphasen erfolgen:

Schritt 1 – Planen In einem ersten Schritt braucht es Klarheit welche Leistungen verglichen werden sollen und wer mögliche Vergleichspartner sind. Möchte eine Gemeinde nur eine erste Standortbestimmung so eignet sich dafür ein Erstvergleich auf Grundlage verfügbarer Finanzund Leistungsdaten mit Gemeinden ähnlicher Größenordnung. Tieferes Verständnis für die dahinterliegenden Prozesse kann jedoch nur über einen strukturierten Erfahrungsaustausch der Vergleichspartner erfolgen. Darüber hinaus bedarf es einer klaren Definition der Kennzahlen und der für deren Berechnung notwendigen Grunddaten. Dies ist ein mit großer Sorgfalt zu vollziehender Schritt, da davon die Qualität der Benchmarking-Ergebnisse in hohem Maße abhängt.

Quelle: KDZ, 2010

Schritt 2 – Analysieren In der Analysephase werden auf Basis der Kennzahlenergebnisse die Hintergründe für Abweichungen, unterschiedliche Ergebnisse usw. im Kreis der Benchmarking-Partner Innen diskutiert und bei Bedarf Nacherhe bungen durchgeführt. In diesen ersten beiden Phasen ist eine externe Moderation und fachliche Begleitung zu empfehlen, wodurch sich alle Beteiligten voll auf die Diskussion und Analyse konzentrieren können, die Transparenz sichergestellt sowie zusätzlich externes Know-how in den Prozess einfließen kann.

Schritt 3 – Implementieren Eine wichtige letzte Phase ist die gewonnenen Erfahrungen in der eigenen Organisation zu implementieren und konkrete Maßnahmen umzusetzen. Im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung ist zu empfehlen Benchmarking-Projekte nicht nur einmalig durchzuführen, sondern regelmäßig zu durchlaufen und damit auch die wichtige Veränderungsbereitschaft und „Agilität“ der Organisation zu unterstützen.

Nachhaltiges Innovationspotenzial Die Einsatzgebiete von Benchmarking-Projekten sind vielfältig und reichen von einer anonymen Standortbestimmung auf Grundlage verfügbarer Finanz- und Leistungsdaten bis zu strukturierten Vergleichsringen, in >

denen sich die Benchmarking-PartnerInnen in regelmäßigen Abständen treffen, Er geb nisse diskutieren und an guten Standards der Verwaltungsarbeit arbeiten. Benchmarking ist geeignet, wenn …

1. sie eine schnelle Standortbestimmung zur Personalausstattung und Kostensituation durchführen möchten;

2. sie Benchmarking als Instrument der Verwaltungsentwicklung einsetzen und im Kreis von vergleichbaren Organisationen

Know-how, Best-Practices usw. zur Ver waltungsoptimierung und -innovation austauschen möchten;

3. sie eine kritische Analyse des Leistungs programms („Aufgabenkritik“) durchführen möchten, um wieder mehr finanziellen

Handlungsspielraum zu bekommen. Der Einbezug von externem Know-how ist ratsam, wenn die Beratung einen umfassenden Überblick zu Finanz- und Leistungsdaten vergleichbarer Organisationseinheiten geben soll. Ebenso für die Prozessbegleitung zum Vorbereiten und Durchführen von BenchmarkingWorkshops ist eine externe Begleitung sinnvoll.

Ausblick Benchmarking kann helfen, Potenziale in der eigenen Organisation transparent und externes Know-how rasch und kostengünstig nutzbar zu machen. Dies funktioniert aber nur, wenn der V ergleich auf Augenhöhe und auf Grund lage gemeinsamer Zielsetzungen erfolgt.

Fest steht – das zeigt auch der Blick in andere Länder – dass Vergleichspartnerschaften das Innovationspotenzial von öffentlichen Verwaltungen nachhaltig unterstützen können. < Kommentar senden

The future of Europe – built on strong municipalities Impact of the European Union on local authorities Öffentliches Management und Finanzwirtschaft, Band 20

Herausgeber: Thomas Prorok, Alexandra Schantl, Marija Šošić

This book is a result of the programme "Building Administrative Capacity in the Danube Region and Western Balkans (BACID)". BACID aimed at strengthening the governance structures in the Western Balkan and the Republic of Moldova with focus on local governments and European integration. It has been supported by the Austrian

Development Agency and implemented by the Austrian Association of Cities and Towns (AACT) and the KDZ Centre for Public Administration Research. In the first chapter we asked municipal practitioners from the European Union to present their experiences with the impact of the European Union on local governments such as: • Subsidiarity in the European Union; • Financing municipalities including public investments and the fiscal compact; • Public-private partnerships including public procurement; • The EU Urban Agenda and regional policy; • Water sector and trade agreements; • Experiences with programming

EU-funds. The second chapter focuses on the European integration activities of the local government associations in the candidate and potential candidate countries of the Western Balkan: • The role of local government associations (LGA) in the EU negotiation process; • Activities of the LGAs in Albania,

Bosnia and Herzegovina,

Macedonia, Montenegro and Serbia including the cooperation with

CEMR (Council of European

Municipalities and Regions) • EU funds supporting the pre-accession phase; • NALAS position on EU enlargement; • Challenges of fiscal decentralisation in South East Europe.

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