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Interview: Corona europäisch betrachtet

Corona europäisch betrachtet

Von Lessons Learned und Zuversicht.

von Alexandra Schantl

Alexandra Schantl

Das Jahr 2020 sollte in Österreich eigentlich ein Jubiläums- und Gendenkjahr werden: 75 Jahre 2. Republik, 25 Jahre Mitgliedschaft in der EU und der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven, dessen Ode an die Freude im Übrigen seit nunmehr 35 Jahren die offizielle Hymne der Europäischen Union ist. Die Corona-Pandemie hat auch diesen Plänen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Krisenmodus anstelle von Feierlichkeiten. Wann wieder Normalität

KDZ Herr Käfer, die Corona-Pandemie stellt die Widerstandsfähigkeit Europas auf eine harte Probe. Auf EU-Ebene wurde mittlerweile eine Vielzahl an Corona- Hilfsmaßnahmen gesetzt, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Wie greifen diese Maßnahmen und worin bestehen die größten Herausforderungen? Käfer Die Maßnahmen auf EU-Ebene, also seitens der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Investitionsbank (EIB) betreffen einerseits legistische Maßnahmen wie beispielsweise zeitlich begrenzte Erleichterungen im Beihilfenrecht. Andererseits hat die EU ein umfangreiches Finanzpaket geschnürt, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Die EZB hat ein Anleihenkaufprogramm im Wert von 750 Milliarden Euro gestartet und die Europäische Kommission hat unter anderem eine Investitionsinitiative über 37 Milliarden Euro aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds 2 auf den Weg gebracht. Zusätzliche 100 Milliarden Euro werden den Mitgliedstaaten mit dem SURE-Instrument 3 zur Verfügung gestellt, um die Risken von Arbeitslosigkeit abzufedern. Die größte Herausforderung besteht in der einkehren wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar. Ein nachhaltiger Weg dorthin wird aber nur mit gemeinsamen europäischen Lösungen möglich sein. Wie der EU-Fahrplan aussieht, welche Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen sind und wie die Konferenz zur Zukunft Europas Österreichs Städte und Gemeinden stärken könnte, darüber hat Alexandra Schantl mit Dr. Hatto Käfer von der Vertretung der Europäischen Kommission gesprochen. 1

Koordinierung der Maßnahmen, auch deshalb, weil die einzelnen Mitgliedstaaten anfangs die Grenzen abrupt geschlossen haben, um das Virus einzudämmen. Die EUweite Koordination ist allerdings von Tag zu Tag und rasch besser geworden. Die gemeinsame Clearingstelle für medizinische Ausrüstung, das gemeinsame Beschaffungswesen oder aber die Förderung von Forschung, Entwicklung und Produktion von Diagnostika, Impfstoffen und Heilmitteln – von den 140 Millionen Euro gleich zu Beginn bis zu den 7,4 Milliarden Euro auf der Geberkonferenz am 4. Mai – können hier genannt werden.

KDZ Im Rahmen der Investitionsinitiative aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds soll Österreich zirka 39 Millionen Euro erhalten. Können Städte und Gemeinden diese Mittel beantragen? Käfer Grundsätzlich ja, aber wir gehen davon aus, dass der Großteil der Mittel in Unternehmen fließen wird. Die Mittel sollen

1 Das Gespräch wurde am 27. April 2020 geführt. 2 Coronavirus Response Investment Initiative ( https://ec.europa.eu/ regional_policy/en/newsroom/coronavirus-response/ ) 3 Support mitigating Unemployment Risks in Emergency (https:// ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_572 )

den am stärksten betroffenen Sektoren wie z.B. dem Gesundheitswesen sowie KMUs und dem Arbeitsmarkt zugutekommen. Zentral dabei ist, dass die Gelder so schnell wie möglich ankommen. Auch dafür hat die Kommission die Weichen bereits gestellt.

KDZ Corona wird uns alle wohl noch länger in Atem halten. Von welchem Zeithorizont geht die EU-Kommission aus und wie sieht der Fahrplan aus der Krise aus? Käfer Es kann bis zu zwei Jahren dauern, bis eine neue Normalität hergestellt sein wird. Der Kommissionsfahrplan besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: dem Eindämmen des Virus durch Wissenschaft und Forschung und dem Hochfahren der Wirtschaft. Zweiteres soll auch durch einen robusten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) gewährleistet werden, der insbesondere in den kommenden beiden Jahren die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau bereitstellen soll. Dabei wird man nicht umhinkommen, die Mittel wesentlich zu erhöhen. Die Kommission wird daher für die Jahre 2021 und 2022 einen erhöhten Beitrag der Mitgliedstaaten von bis zu zwei Prozent des BIP vorschlagen, der sich dann ab 2023 wieder auf 1,2 Prozent reduzieren soll.

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Dr. Hatto Käfer Wirtschaftspolitischer Berater Binnenmarkt, Europäische Kommission

KDZ Was wir aktuell sehen ist, dass viele EU-Mitgliedstaaten aufgrund struktureller Investitionsmängel in einigen kritischen Sektoren Mühe haben, die Pandemie einzudämmen. Was bedeutet das für die EUFörderpolitik 2020+? Käfer Der Green Deal in Verbindung mit der Digitalisierung werden die tragenden Säulen der zukünftigen Förderpolitik bleiben. Ganz wichtig: Intelligenter Klimaschutz ist nicht wirtschaftsfeindlich, sondern ein Konjunkturund Innovationsmotor. Hinzukommen wird aber jedenfalls – und das ist eine der Lehren aus der Corona-Krise – ein größerer Fokus auf den Bereich öffentliche Gesundheit. D.h. gesundheitsbezogene Investitionen und Maßnahmen werden stärker als bisher gefördert werden.

KDZ Sie haben eben eine Lehre aus der Corona-Krise genannt. Welche anderen Lessons learned sehen Sie? Käfer Immer, wenn ein System unter Druck steht, erkennt man seine Schwachstellen und sieht, was zu tun ist. Zwei Beispiele: Wir müssen mit unserer Industriepolitik die Globalisierung und die Chancen für eine vertiefte Kapitalmarkt- und Bankenunion besser gestalten – also mehr Effizienz in normalen Zeiten und mehr Sicherheit im Fall von Krisenzeiten.

KDZ Städte und Gemeinden wurden besonders hart von der Krise getroffen, auch in Österreich. Wird es daher künftig mehr EUMittel für Städte und Gemeinden geben und wie kann ihre Rolle auf EU-Ebene weiter gestärkt werden? Käfer Bessere EU-Fördermöglichkeiten werden vor allem vom künftigen MFR und andererseits natürlich auch davon abhängen, wie Österreich die EU-Vorgaben zur Kohäsionspolitik 2020+ national umsetzen wird. Als Kommunen mehr Gewicht in der EU zu bekommen ist kein politischer Selbstläufer. Für sie und ihre Vertreter gilt es, ihren Mehrwert für Gesellschaft und Wirtschaft darzustellen und sich aktiv in die Konstruktion der EU einzubringen. Die Konferenz zur Zukunft Europas ist eine gute Gelegenheit und sollte jedenfalls genutzt werden.

KDZ Herr Käfer, vielen Dank für das Gespräch!

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