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Auf in die Pilze – mit dem Waldmeister
WALDMEISTERS NATURKOLUMNE 8
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Schmetterlingstrameten | Fotos: Michael Zobel Flaschenstäubling
Der Herbst ist da: raus in den Wald – auf „in die Pilze“
Mitte September. Das große Warten auf den Regen. Kommt er, kommt er nicht? Die Natur braucht ihn so sehr, seit Monaten fehlt Wasser, Bäche sind ausgetrocknet, es gibt kaum mehr Tümpel, Wald und Wiesen und Bäume leiden. Wenn wir aufmerksam durch die Natur, über die Wiesen, durch die Wälder streifen, sehen wir es überall. Trockenes Gras wie am Mittelmeer, die Bäume werfen große Mengen Laub ab, Pflanzen am Boden lassen ihre Blätter hängen.
Und ich vermisse etwas. Spätsommer, Frühherbst, die letzten Sommerwochen des Jahres brechen an. So wie mich juckt es viele Menschen in den Fingern. Ich möchte Pilze sehen, möchte Pilze sammeln gehen. Pfifferlinge mit Knödeln, Pasta mit Pilzsoße oder eine bunte Pilzpfanne – Pilze sind lecker und wachsen in unseren Wäldern. Eigentlich. Wenn es mit dem Wetter so weitergeht, wird es eng mit dem Sammeln. In meinem Programm gibt es in den kommenden Wochen ein paar Wanderungen zum Thema Pilze, vielleicht muss ich dann eine Flasche Bier mitnehmen, dann haben wir wenigstens eine „Pils-Wanderung“.
Pilze sammeln, gute Idee. Wer von euch war denn schon mal mit den Eltern oder den Großeltern im Wald unterwegs, mit Korb und Messer, auf der Suche nach essbaren Pilzen? Ich erinnere mich gut, es ist schon mehr als fünfzig Jahre her, da war ich mit meiner Oma, die in Frankfurt lebte, im Taunus auf 32
Pilz-Pirsch. Und was da alles im Korb landete. Schon die Namen haben mich fasziniert, Steinpilz, Maronenröhrling, Ziegenbart, Riesenschirmpilz, Schopftintling … Wie schon erwähnt, in diesem Jahr scheint es mit den Pilzen einigermaßen schwierig zu werden. Noch sind sie nicht zu sehen. Aber wenn es dann vielleicht doch bald genug Wasser gibt, dann kann sich das ganz schnell ändern. Sprichwörtlich über Nacht sind sie da, in großer Zahl, viele verschiedene Arten. Wo kommen sie plötzlich her?
Unsere Vorfahren haben das plötzliche Auftreten und auch das scheinbar spurlose Verschwinden der Pilze immer mit bösen Mächten in Verbindung gebracht. So ist das, wenn wir Menschen etwas nicht so richtig erklären können. Dann kommen ganz schnell Teufel und Hexen ins Spiel. Volksnamen wie Hexenröhrling, Hexenbutter, Hexeneier, Satanspilz oder Speiteufel sprechen eine deutliche Sprache.
Was ist wohl die wichtigste Regel beim Pilzesammeln? Bitte wirklich nur mitnehmen, was man wirklich sicher kennt und erkennt. Zum Glück geht das bei den leckersten Pilzen ganz gut. Und sobald man Zweifel hat, giftig oder nicht, dann auf jeden Fall stehen lassen. Der Pilzausflug soll nicht beim Arzt oder im Krankenhaus enden, oder? Wer sich nicht auskennt, geht besser in den Supermarkt und schaut nach heimischen Angeboten. Pilze, was sind das eigentlich für seltsame Lebewesen? Pflanzen? Nö, dafür fehlt alles, was grün ist. Zu Pflanzen gehört immer auch die Fotosynthese, sie wandeln Kohlendioxid in Zucker und Sauerstoff um. Pilze können sowas nicht. Sind sie stattdessen vielleicht Tiere? Eindeutig auch nicht, obwohl manche Pilze sogar wandern können.
Also, Pilze sind eine eigene Gattung von Lebewesen. „Das, was wir Pilze nennen, ist eigentlich nur der Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen, das Pilzgeflecht oder Myzel, lebt im Verborgenen in der Erde oder im Holz“, erklärt Tamara Pilz-Hunter, Pilzexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Vielfalt der Pilze ist riesig: Es gibt drei bis fünf Millionen Arten von ihnen. Das Bundesamt für Naturschutz geht von rund 14.000 Arten allein in Deutschland aus, von denen nur etwas mehr als 5.000 mit bloßem Auge zu erkennen sind – vorausgesetzt, sie haben ihre Fruchtkörper aus dem Boden oder Holz geschoben. Pilze sind nämlich nur eine kurze Zeit im Jahr als „Großpilze“ sichtbar.
Schön wäre es, gäbe es eindeutige Hinweise, dass ein Pilz giftig ist. Früher dachte man, hat ein Tier am Pilz geknabbert, dann ist er auch für uns Menschen genießbar. Leider stimmt das nicht, manche Tiere vertragen Gifte, die uns Menschen große Probleme bereiten. Eine Idee war auch, Silberlöffel mit in die Pilzpfanne zu legen. Und wenn das Silber dann schwarz wurde, sollte der Pilz giftig sein … auch kein brauchbarer Tipp.
Fliegenpilz
Es braucht einiges an Erfahrung, um Pilze im Wald richtig zu identifizieren. Es gibt zahlreiche Pilzbücher mit schönen Fotos. Ja, die können natürlich hilfreich sein. Aber auch nur begrenzt. Ich selber besitze eine Menge dieser Bücher. Und schlage ich zum Beispiel in fünf verschiedenen Büchern eine bestimmte Pilzart auf, was dann? Ich sehe fünf verschiedene Fotos, je nach Standort, Wetter, Tageszeit, Alter sieht der Pilz anders aus. Bitte nicht nur auf das Foto verlassen. Wie sehen Pilze eigentlich aus? Ich bin sicher, wenn ich euch ein Blatt Papier gebe, dazu ein paar Stifte und ihr sollt einen Pilz malen, dann ist das Ergebnis bestimmt meistens ein Stiel, dazu ein runder Hut, das war’s. Von wegen. Es gibt so viele unterschiedliche Formen, da sind die Baumpilze, die Erdsterne, die Schleimpilze, die Korallenpilze, es gibt Keulen und Eier, es gibt Trompeten und Becher, es gibt Tintenfische und winzig kleine Schwindlinge. Und noch viel mehr seltsame Gestalten und außergewöhnliche Farben.
Ich hatte schon Führungen zum Thema Pilze, da haben wir für eine Strecke von vielleicht 500 Metern eine Stunde gebraucht. Denn wenn man erst mal mit einem bestimmten Thema in der Natur unterwegs ist, zum Beispiel eben Pilze, dann schaut man ganz anders, dann verändert sich unser Blick. Und gerade ihr Kinder, ihr seid mit den Augen viel näher am Boden, ihr seht viele Dinge, die Erwachsene oft gar nicht entdecken würden.
Vielleicht findet ihr trotz aller Suche aber doch nichts oder sehr wenig, was wie ein Pilz aussieht? Dann könnt ihr wenigstens mit Pilznamen schimpfen und fluchen, wie wäre es mit „Blauer Klumpfuß“, „Stinkmorchel“, „Eichhase“ oder „Kuhmaul“? Nur aufpassen, wen ihr mit diesen Wörtern beschimpft, es könnte Ärger geben. Also, langer Rede kurzer Sinn, auf in den Wald, auf Pilzexkursion. Augen auf, ein schönes Pilzbuch mitnehmen, ihr werdet ganz viel entdecken und Spaß dabei haben.
Das Pilzesammeln für den Privatverzehr ist unproblematisch, solange an einem Fundort darauf geachtet wird, nicht alle Pilze abzuernten und das Myzel, das feine Wurzelgeflecht, nicht zu zerstören. Und wenn dann am Abend der ein oder andere leckere Steinpilz oder Pfifferling in der Pfanne landet, Salz und Pfeffer, vielleicht ein wenig Sahne dazu, guten Appetit!
VinzenzGastronomie
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Illustrationen: Oda Ruthe, Andrea Naumann
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