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Der Grazer Volksgarten

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H I N T E R G R U N D MIKROKOSMOS

DER MURVORSTADT

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Der Volksgarten – Er war jahrelang verwaist, nur Hundehalter schätzten ihn. Nun ist er wieder „in der Hand des Volkes“. Vor allem Zuwanderer und deren Nachwuchs beleben ihn und freuen sich. Die Kehrseite: Der Vandalismus und die Zerstörungswut ufern aus, machen den Verantwortlichen gewaltige Sorgen. T e x t u n d F o t o s : A n a R a d u l o v i c

nkick auf der Fußball-

Awiese. Der kleine Mirko visiert an, nimmt Anlauf und schießt – der Ball fliegt in unbestimmte Richtung davon und seine fünf Spielkameraden jagen unter Kampfgeschrei dem Ball hinterher. Sie sind schon eine kleine Bande, die mit dem Charme von aufgeschlagenen Knien, Grasflecken und leuchtenden Kinderaugen besticht. Den ganzen Nachmittag sind sie nun schon im Park und man sieht in ihren Gesichtern, dass sie ausgetobt und glücklich sind. Mirkos Großmutter sitzt auf der Bank und beobachtet ihn und seine kleine Schwester und ihre Freundinnen aufmerksam beim Spielen. Die Mädchen führen ihre Puppen spazieren und unterhalten sich über die großen Probleme des Lebens, wie z.B. Babybrei für ihre Puppen und wie blöd Buben manchmal sind. Zwischen Ententeich und Mühlgang sitzen ein paar Teenager. Die Mädchen teilen sich zu sechst eine Bank, die an einem strategisch guten Punkt im Park liegt, um jedes Kommen und Gehen im Blickfeld zu behalten und gleichzeitig gesehen zu werden. Zwischen regem Austausch über Nagellack, Echthaarverlängerungen, Handys, Schuhe und Mode wagen sie immer wieder verschmitzte Blicke in Richtung der Jungs, die sich auf der anderen Seite des Mühlganges versammelt haben, um mit ihren Mountainbikes und Skateboards immer wieder eine Runde um die Mädchen zu drehen. Dies ist der Hotspot des Parks, der Laufsteg hormongeschüttelter pubertierender Teenager, hier finden sie die Liebe auf den ersten Blick. Mag sie auch nach einigen schlaflosen Nächten wieder verflogen sein. Doch das macht nichts, denn die Stimmung ist gespannt genug, um einen zweiten oder dritten Blick zu riskieren. Ich sitze mit meinem Freund Sotos ein paar Bänke weiter in der Abendsonne und genieße das Schauspiel. Im Volksgarten versammeln sich abends alle. Mütter, die mit ihren Kindern die Enten füttern, Väter, die ihren Kindern Radfahren beibringen, Großeltern, die sich mit anderen Großeltern auf ein Schwätzchen treffen, während ihre Enkerln miteinander spielen. Man hört die verschiedensten Sprachen und es ist ein wunderbares Gemisch aus Ruhe und Exotik. Sotos, dessen Eltern Griechen sind, ist in Australien aufgewachsen und arbeitet jetzt als DJ in Europa. Ich erkläre ihm, dass der Volksgarten im 19. Jhdt. als Gegenstück zum Stadtpark – als Park für das Volk – angelegt wurde. Für jene Menschen, die in der Murvorstadt lebten. Auch heute ist das nicht anders. Ihm fällt auf, dass sich meist nur Einwanderer mit ihren Familien treffen. „Don’t you guys play in parks?“, fragt er etwas verwundert. Eine gute Frage, entgegne ich. Wahrscheinlich ist es nicht mehr in unserer Kultur. Bei näherer Betrachtung fällt mir auf, dass sich Grazer Familien auch in den anderen Parks wie dem Augarten oder dem Stadtpark selten zu ausgedehnten Schwätzchen und Spaziergängen treffen – und täglich schon gar nicht, es sei denn, man hat einen Hund. Der Volksgarten hat mit seinen 4,6 ha eine Ausdehnung, die zu dieser exotischen Mischung der Kulturen einlädt. 1997 wurde auch ein buddhistischer Friedens-Stupa errichtet und vom Dalai-Lama

Ein buddhistisches Symbol des inneren und äußeren Friedens ist der Friedensstupa, der 1998 vom Dalai-Lama geweiht wurde. Können sich auf den Spielplätzen richtig austoben: Vor allem Kinder aus Zuwandererfamilien tun das.

Zusammengehörigkeit stärkt: „Wir Mädls werden oft von Typen angesprochen. Aber solange wir zusammen sind, ist das nicht halb so wild.“

1998 geweiht. Ein buddhistisches Symbol des inneren und äußeren Friedens. Eine Kehrseite der Medaille gibt es dennoch immer. Auch im Volksgarten wird der Vandalismus automatisch Ausländern zugeschrieben. Doch Vorsicht: hier gilt es, zu differenzieren. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Großmutter des kleinen Mirko oder er und seine Schwester selber den Park unsicher machen, in dem sie sich täglich aufhalten. Das versteht sich von selbst. Ich frage eines der Mädchen, ob sie manchmal Angst haben, wenn sie im Park sind. „Nein“, ist die Antwort, „ich weiß ja, mit wem ich mich abgebe. Unsere Eltern sind manchmal aber ein bisschen besorgt. Immerhin werden wir Mädls oft von Typen angesprochen. Aber solange wir zusammen sind, ist das nicht halb so wild.“ Guter Punkt. Zusammengehörigkeit stärkt. Die Mädchen und ihre Freunde sind einfach geschützter, wenn sie zusammen mit ihren Freunden unterwegs sind. ❖

Bei Skatern ebenso unbeliebt: zerstörungswütige Halbwüchsige, die für wütende Anrainerproteste und hohe Reparaturkosten sorgen: Bänke verschwinden, Zäune gehen ebenso kaputt wie der Ruf der Jugendlichen.

„ Va n d a l i s m u s i st n i c h t m e h r a k ze p ta b e l “

ls Bezirksvorsteher setzte sich Leo

ATrafella seinerzeit vehement für die Erneuerung des Volksgartens ein. „Doch der Vandalismus heute ist nicht zu tolerieren. Es werden Bänke ausgerissen, Zäune beschädigt, und, und.“ Fast die Hälfte des Budgets für Grazer Bezirkssportplätze wird für Vandalismus-Schäden in Lend und Gries ausgegeben. Zum Glück: Die Drogen-Dealer machen Bezirksvorsteher Leo ihm dort weniger Sorgen. Dennoch ein Trafella: „Mehr massiver Vorwurf in Richtung BürgermeisterPolizeistreifen und Videoüberwachung wären absolut nötig.“ Nagl: „Er macht gemeinsam mit seinem Parteifreund Hamedl (ÖVP-Sicherheitssprecher im Landtag) Alibi-Aktionen. Wir verlangen seit Jahren mehr Polizeistreifen, doch nichts geschieht.“ Früher war der Polizeiposten Lend doppelt so stark besetzt. „Eine echte Präsenz der Polizei würde vieles verhindern.“ Es würden auch eine private Security und Streetworker wenig ausrichten können. SPÖ-Mann Otto Trafella fordert von den Rathaus-Verantwortlichen, dass in den Bezirken Lend und Gries keine zusätzlichen Asylanten-Wohnungen mehr geschaffen werden. „Das führt zur weiteren Ghetto-Bildung, denn die Hälfte aller Asylanten leben schon in Lend und Gries.“ Gegen eine Überwachung mit Videokameras im Bezirk hat Trafella nichts einzuwenden. Auch das Geschehen am Bahnhof ist ja äußerst kritisch und führt zu heftigen Protesten.

Foto: Stadt Graz / Pachernegg

„ T ä te rsc h u tz d a r f n i c h t zu L a ste n d e r O pfe r g e h e n “

it der Aufstellung einer eigenen

MFahrrad-Streife in der Grazer Polizei versucht Eduard Hamedl, für mehr Sicherheit in den Grazer Parks und in der Innenstadt zu sorgen. „Sie sind zehn Mal effektiver als eine Fußstreife, lautlos und können wirklich was bewirken.“ Vor allem, wenn es um DrogenDealer geht, aus seiner Sicht momentan wohl das heißeste Problem. „Wir haben in Graz ÖVP-Sicherheitsspre- heuer bereits 12 Drogentote.“ 80 Prozent des cher Eduard Hamedl: Straßenhandels sind in den Händen von „Wir haben in Graz Schwarzafrikanern. Die Hälfte aller Häftlingeheuer bereits 12 Drogentote.“ sind leider Ausländer und 42 Prozent aller kriminellen Handlungen der Steiermark passieren in Graz. Eine stärkere, flächenübergreifende Videoüberwachung wäre logischerweise angebracht. „Nur aus Angst, überwacht zu werden, lasse ich Kriminalität zu? – Eine solche Haltung ist für viele nicht akzeptabel“, bezieht Hamedl Position. „Der Täterschutz darf nicht so weit führen, dass er zu Lasten der Opfer geht. So wären Videokameras an allen Ausfallstraßen von Graz hilfreich, weil man mit eigenen Programmen sofort gestohlene Fahrzeuge erkennen könnte.“ Und warum gibt es in der steirischen Polizei keine Neo-Österreicher, die ein türkisches, bosnisches, kroatisches, meinetwegen auch afrikanisches oder asiatisches Elternhaus haben? Schon allein ihre Kenntnis der Sprache, Gewohnheiten usw. könnte sich äußerst positiv beim Einschreiten auswirken. Hamedl: „Ja, das würde ich auch so sehen. Leider gibt’s bei uns keine Kollegen, nur in Wien soll es den einen oder anderen geben. Ich weiß auch von keinen Bewerbern, die Ansprüche für die Aufnahmetests sind ja objektiv und äußerst anspruchsvoll.“

Foto: Landespressedienst

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