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man nicht 50, sondern (z.B. Formel-1-Star Ralph Schumacher) nur Einkommenssteuer. Allerdings darf der Lebensmittelpunkt nicht schon vorher in Österreich gewesen sein! Nach der Aktenlage, so die Staatsan- waltschaft, habe zwischen Thomas Hampson und Andrea Herberstein aber schon Jahre zuvor eine Lebensgemeinschaft mit gemeinsamem Wohnsitz bestanden. In wenigen Wochen kommt es zur Anklage im Fall Herberstein und danach zum Strafverfahren. Demnächst erscheint daher auch ein KLIPP-Spezial („Sittenbild Herberstein“), in dem alle Hintergründe und Fakten des brisanten Falls Herberstein noch einmal nachzulesen sind. ❖

hinein und unser Denken dorthin bringen. Ich hielt nicht viel davon und blieb eben in Österreich.“ Persönlich war er bis zum 4. November zuversichtlich gewesen, in Ungarn seine Zukunft zu verbringen. Er spielte Handball in der obersten Liga und wollte daher nicht weg. „Es gab damals unter den jungen Menschen einen unrealistischen Optimismus“, erinnert er sich. „Die Ungarn wollten damals eben ohne Russen vorankommen, ein Mehrparteiensystem schaffen. Das war überzogen. Als ich erfuhr, dass sie mich suchten, entschied ich mich zur Flucht. Der Verlust der Heimat, von Freunden, von Gewohnheiten, der Muttersprache – es war schon wirklich ganz, ganz schwierig, damit zurechtzukommen. Vor allem auch deshalb, weil ich meine Eltern zurücklassen musste. Der Vater war 65, die Mutter 53. Die Zeit in Budapest war von Unsicherheit geprägt. Während des Monats, bis die Russen wieder in Budapest einmarschierten. Ich habe mit zwei Freunden gewohnt, die aktiv mit der Waffe am Aufstand teilgenommen haben. Aber es gab damals ja keine Informationen, was wirklich los war. Übers Radio nicht und schon 300 Meter weiter hatte keiner eine Ahnung, was da in der Stadt los war. Die Verpflegung war zusammengebrochen und jeder versuchte halt, so halbwegs den Tag zu schaffen.“ Paul Benedek flüchtete dann durch die Raab. „Es wäre nicht nötig gewesen, aber ich wusste ja nicht, wo Soldaten waren und wie gefährlich der Übertritt wirklich war.“

Politische Unreife

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Die Feindseligkeiten ob des 50. Jahrestags des Aufstandes im heutigen Ungarn in Budapest haben nicht ganz überrascht. „Es ist natürlich enttäuschend und es tut weh, aber in Ungarn gibt es ein anderes Demokratie-Verständnis. Wir in

ZU BEGINN DES JAHRES 1957 – ERSCHRECKENDE BILANZ

Vor 50 Jahren, im November 1956, löste die

Ungarn-Krise in Österreich Schock aus. 24

Stunden ging die Angst um, die Sowjet-Armee könnte zurückkehren. Weil Österreich erst ist im Herbst 1956 erst seit einem Jahr frei von Besatzungstruppen und neutral. Erst wenige Wochen vor Ausbruch der Ungarn-Krise sind die ersten

Jungrekruten des Bundesheeres eingerückt. Kaum in den Kasernen, müssen sie zum Schutz der

Grenze ausrücken. Mitten in diese Krisenstimmung platzt eine

Alarmmeldung: „Die Russen kommen zurück!“ „Mitten im Ungarn-Einsatz erschien, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, der amerikanische Militärattaché am Wiener Ballhausplatz: Er informierte die Bundesregierung, dass nach US-Unterlagen die Sowjets in den nächsten 24 Stunden in Österreich einmarschieren würden.“ Der US-Alarm löste am Ballhausplatz Alarm aus. Am 28. Oktober 1956 stimmte ein Sonderministerrat dem Schießbefehl zu. Die Ungarn-Krise wurde so zur ersten und dramatischsten Bewährungsprobe der Neutralität. Zugleich bewies Österreich vor aller

Welt seine Bereitschaft zu Flüchtlingshilfe in größerem Ausmaß. Das Ausmaß des Aufstandes war Anfang des

Jahres 1957 erkennbar und schrecklich: rund 3000 tote Ungarn, 750 getötete russische Soldaten, 20.000 Verwundete, 350 Hinrichtungen im Anschluss an die Kämpfe, über 20.000 Inhaftierte, weit über 13.000 Internierte in Lagern. Die Folgen: etwa 200.000 Flüchtlinge, von denen die meisten nach Österreich flohen. Mit dieser Massenflucht der Ungarn, vor allem im November 1956, begann auch

Österreichs Rolle als selbstloser Helfer.

Das neue Bundesheer mit der B-Gendarmerie, das Rote Kreuz, aber auch ungezählte freiwillige Helfer bestanden eine beispiellose Bewährungsprobe. Ca. 20.000 ungarische Flüchtlinge blieben schließlich in Österreich, die meisten wanderten weiter in traditionelle Aufnahmeländer wie USA, Kanada und Australien, nur ganz wenige kehrten nach Ungarn zurück. Österreich haben eine Konsens-Politik. Es gibt einen wachen Friedensprozess. Und in Ungarn ist das eben noch nicht so weit. Da wird eine politische Unreife sichtbar.“ Man dürfe nicht vergessen: „Es ist ja erst gut 15 Jahre her seit dem wirklichen Freisein. Das war 1989. Und da gibt’s einfach noch zu viele, die vom alten System profitiert haben und jetzt auch im neuen auf der Gewinner-Seite sind.“ Die Umbruchzeit sei nicht aufgearbeitet worden, so Paul Benedek. „Die Ungarn sind gute Verdränger.“ Es herrsche ein Schwarz-Weiß-Denken in vielen Kreisen der Bevölkerung. „Bist du nicht mein Freund, so bist du Feind gewesen.“ ❖

er Grazer

DU n i v. - P r o f . Binder hat seit Jahren einen Lehrauftrag an der Universität in Budapest und gilt daher als Kenner der ungarischen Verhältnisse. "Der Aufstand aus dem Jahr 1956 ergibt aus heutiger Sicht kein einheitliches Bild." Denn in Ungarn sei vieles lange Jahrzehnte verdrängt worden. Die Menschen haben Wahrheiten hinuntergeschluckt und über Wunden wurde nicht geredet, die Vergangenheit blieb begraben. Binder erinnert in diesem Zusammenhang an Österreich und die Nazi-Zeit. Diese hat "nur sieben Jahre gedauert und da wurde auch alles unter den Tisch gekehrt. Erst in den 80er-Jahren ist bei uns die Möglichkeit plötzlich da gewesen, über diese Zeit offen zu diskutieren." In Ungarn liegt ja die Wende 16 Jahre zurück. Und natürlich gibt es so vieles, was die Menschen heute noch genau wissen. So hat sich z.B. der Schwiegervater des jetzigen Ministerpräsidenten im Jahr 1948 eine Villa genommen, die jüdische Besitzer hatte, und sie bis heute behalten. Jurcans Schwiegervater war bis zur Wende Kommunist. Und da ist es kein Wunder, dass das andere Lager sagt: "Die gehören weg." Derartige Verhältnisse haben die Gesellschaft polarisiert und die alten Frontstellungen wieder aktualisiert. Es passt einfach nicht, geht vielen Menschen die Galle hoch, wenn eben die Nachkommen von Polit-Aristokraten die Opfer des Aufstandes würdigen. ❖

VIELES WURDE VERDRÄNGT

GRAZER HISTORIKER UNIV.-PROF BINDER LEHRT AN DER UNI IN BUDAPEST

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