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Der Jochen war ein wilder Hund“

Jochen Rindt erlebte WM-Titel als Krönung nicht mehr

1970 in Monza tödlich verun- glückt. Graz „verewigt“ ihn mit „JochenRindt-Platz“.

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Am 5. September 1970 beim Training in Monza:

Er kehrt nicht mehr zurück an die Box

Heute eine Legende. Rindt riskierte immer Kopf und Kragen.

Niki Lauda, im Mai 2019 verstorben, ist laut Motorsport-Jargon „ein wilder Hund“ gewesen. Und eine Ikone der Formel 1. Am 1. August 1976 überlebte er einen Horrorunfall am Nürburgring beim Großen Preis von Deutschland nur, weil ihn Rennfahrer-Kollegen aus dem Flammeninferno seines brennenden Ferrari zogen. Nur 42 Tage nach diesem fürchterlichen Rennunfall saß Niki Lauda bereits wieder im Cockpit. Unglaublich.

Jochen Rindt war der erste österreichische Formel-1-Champion. Mit seinem Mut zum Risiko riskierte er bei jedem Rennen Kopf und Kragen. Seine Erfolge und sein Charisma machten aus dem SkiLand Österreich auch eine Motorsport-Nation. Die Rennautos waren zu seiner Zeit „PS-starke, rasende Särge“. In Rindts Jahrzehnt starben 15 Formel-1-Piloten und noch einmal so viele in anderen Klassen. Weil er Angst vor einem Feuerunfall im Auto hatte und fürchtete, nicht mehr heraus zu kommen, schnallte sich Rindt nie richtig an. Das Schicksal schlug zu, als bei seinem rot-weiß-gelben Lotus am Samstag, den 5. September 1970 im Abschlusstraining von Monza in der fünften Runde in der Parabolica-Kurve bei rund 300 km/h die vordere rechte Bremswelle brach. Der Aufprall von Rindts Auto an der Kurvenbegrenzung war so stark, dass er durch seinen „losen Gurt“ stranguliert wurde, lautet ein Erklärungsversuch. Seine Frau Nina stoppte, wie das damals üblich war, die Rundenzeiten. Bernie Ecclestone, ein enger Freund Rindts und sowas wie sein Manager, überbrachte ihr die Unglücksnachricht.

Rindt verfolgte schon in seiner Mittelschulzeit nur ein Ziel, das seine Freunde kannten: „Ich werde Rennfahrer.“ Helmut Marko, Red Bull Motorsportchef: „Begonnen hat unsere Bekanntschaft im Mopedalter, so mit 16 Jahren. Jochen ging schon damals immer ans Limit, er wollte stets der Beste sein. In unserer Grazer Zeit haben wir an den Wochenenden das Partyleben der Stadt in vollen Zügen genossen.“ Im Sommer im Margarethenbad und im Winter beim Eislaufen am Hilmteich waren natürlich die Mädchen Thema Nummer 1, erzählt man. Mit dabei im größeren Freundeskreis Karl Ritter, Stefan Pachernegg, Andy Zahlbruckner, Fredi Herzl und andere – alle Autofreaks, aus gut situierten Familien. Und wenn es da und dort im Elternhaus sturmfreie Bude gab, dann wurden nicht nur Formel1-Rennen im Fernsehen verfolgt.

Jochen Rindt, Sohn eines Deutschen und einer Grazerin, wurde am 18. April 1942 in Mainz, Deutschland, geboren. Als er gerade einmal 15 Monate alt war, kamen seine Eltern bei einem Fliegerangriff ums Leben. Die Eltern seiner Mutter holten ihn zu sich nach Graz, wo er seine ganze Kindheit und Jugend verbrachte. Obwohl er immer deutscher Staatsbürger blieb, war er für die heimischen Fans immer „einer von uns“. Rindts erstes Auto war ein Simca Montlhery, den er von seiner Familie aus Mainz bekam. Diesen „räumte er aus“ und machte ihn mit Ossi Vogls technischer Hilfe schneller. Dieser war der Junior-Chef des gleichnamigen Grazer Autohauses. Nach einem Unfall überließ er Jochen seine hochgetunte Alfetta. Es entstand eine innige Freundschaft zwischen den beiden bis zum Tod. Als Rindt nach einem Formel-2-Boliden Ausschau hielt, wurde er auch bei einem Wiener Rennfahrer vorstellig. Da er kein Geld hatte, würde er den Kaufpreis mit den Siegerprämien im nächsten Jahr zurückzahlen. Der Wiener erkundigte sich bei Ossi Vogl in Graz. Dieser: „Wenn er es überlebt, kriegst du dein Geld sicher.“ So geschah es dann auch.

In Paris posthum geehrt

Als Weltmeister geehrt wurde Jochen Rindt im Dezember 1970 – da war er schon begraben. Der Belgier Jacky Ickx konnte als Zweiter seine Punkteanzahl nicht mehr erreichen. Rindt hatte mit seinem Lotus vier Siege hintereinander geschafft – allerdings mit Colin Chapman sozusagen einen „Pakt mit dem Teufel“ geschlossen. Dieser war Luftfahrttechniker und seine Vision waren Leichtbau-Formel-1-Boliden. Diese Besessenheit kostete nicht nur Rindt das Leben. Der Brite Jim Clark wurde in einem Cooper zwei Mal Weltmeister, bevor er 1968 am Hockenheimring tödlich verunglückte. Jochen Rindt war Clarks Nachfolger im Cockpit.

Foto: Stadt Graz / Getty Images / Popperfoto

Jochen Rindt mit seiner Frau Nina Bei letztem Sieg in Hockenheim 1970

Foto: Vogl+Co Er ist bis heute der einzige Weltmeister, der nie von seiner Krone erfuhr. In seinem Taschenkalender steht am 12. Dezember 1970 mit Bleistift: „Paris?“ Dort gab es für ihn posthum im Dezember die Weltmeisterehrung. Sein Begräbnis in Graz glich einem Staatsakt. 30.000 folgten dem Trauerzug zum Zentralfriedhof.

HINTERGRUND

Warten auf Jochens Straßenbahn

Bernie Ecclestone, Walter Zipser, Jean Todt, Natasha Rindt, Sofià Ridgway, Nina Rindt, Richard Mille, Helmut Marko, Sir Jacky Stewart, Kurt Hohensinner (stehend), Uwe Eisleben (stehend), Jean-François Decaux und Dieter Weber (kniend)

Elisabeth Philipp: „... Rindt-Törtchen“

Weber, Marko, Decaux, Stewart

Eintrag ins Goldene Buch: Sir Jacky Stewart mit Stadtrat Riegler (li.)

Es ist der 7. Oktober 2021. Nur „Wetten dass“ hätte möglicherweise die Aufgabe, das Kunststück, gelöst, Bernie Ecclestone, FIA-Präsident Jean Todt, Sir Jacky Stewart, Helmut Marko, Richard Mille, Jean-François Decaux und die Familie Rindt zu einer gemeinsamen Straßenbahnfahrt nach Graz einzuladen. Und diese als Anlass zu Ehren des 50. Todestages von Jochen Rindt. Es war ein organisatorisches Meisterstück im Rahmen des ehrgeizigen Projekts „Jochen Alive“, das da AnkünderChef Dieter Weber und seinen Mitstreitern – dabei auch von Rindts

Mutter, Tochter und Enkelkind

Jugendfreund Helmut Marko, seines Zeichens auch Red-Bull-Motorchef unterstützt – gelang.

Die Initialzündung dafür kam von Jean-François Decaux, dem französischen Mitgesellschafter des Ankünders (siehe auch Kasten). „Wenn ihr zum 50. Todestag von Jochen in Graz was macht, dann komme ich mit meinem Ford GT 40“, sicherte er als Jochen-Rindt-Fan in einem Mail Anfang Jänner 2019 Dieter Weber zu. Es ist dies jener heute Millionen Euro teure Ford-Klassiker, mit dem Jochen Rindt im Jahr 1966 im 24-Stunden-Rennen von Le Mans gefahren ist. Geplant war die Würdigung der österreichischen Formel-1-Legende zum 50. Todestag im Jahr 2020, doch Corona machte dem Team Dieter Weber, Maximilian Mazelle, Diana Materi einen gehörigen Strich durch die Rechnung.

„Es war ein schwieriger und langer Weg“, so Dieter Weber. Brauchte es doch den Beschluss des Grazer Gemeinderats für den JochenRindt-Platz im neuen Stadtteil Reininghaus und die terminliche

Weltpremiere: Noch nie gemeinsam in einer Straßenbahn – Richard Mille, Bernie Ecclestone (verdeckt), Helmut Marko, Sir Jacky Stewart. Rechts: Fotomotiv mit „Hall-of-Fame“- und FIA-Formula-1-Logos für Fans. Unten: Beim Galadinner: Natasha

Rindt, Tochter Sofià, Tilo Berlin

Ja, auch das gibt’s

Galadinner in der Orangerie

Noch bis 29.11. im GrazMuseum

Abstimmung mit den Weggefährten und Freunden sowie der Familie der Formel-1-Legende.

Dieter Weber ist selbst ein Formel1-Fan, in seinem Büro hängt ein Plakat von Ayrton Senna. Zu Zeiten von Jochen Rindt war er noch Schüler. „Aber ich hab‘ mitbekommen, wie er die Österreicher begeistert hat.“

Chauffi ert von Jean-François Decaux fuhr Jochen Rindts Witwe Nina im Ford GT 40, sozusagen als „Safety Car“, vor einer JochenRindt-Straßenbahn durch die Grazer Innenstadt hinaus in den neuen Stadtteil Reininghaus zur Einweihung des dortigen JochenRindt-Platzes. Auch die Haltestellen sind eine Art zeitgemäßes Denkmal für Jochen Rindt, dienen auch für Fotoshootings für Formel-1-Fans und halten die Formel-1-Legende damit lebendig. Geschäftspartner-Trio (v.l.): Dieter Weber, Jean-François Decaux, Bernd Schönegger

Vor fast 100 Jahren – 1924 – von der Stadt Graz als Steiermärkische Ankündigungs GmbH gegründet, liefert das führende Unternehmen in der Außenwerbung heute respektable Gewinne für die Holding Graz ab. „In der Außenwerbung ist für den Kunden der Standort alles – egal ob regional oder national werbend“, stellt Dieter Weber als Unternehmenssprecher fest. Seit 18 Jahren steht er an der Spitze des Ankünder. Bernd Schönegger ist als zweiter Geschäftsführer seit 2018 mit dabei. Daten über Gewohnheiten und Frequenzverhalten des Zielpublikums werden heute schon intensiv digital ermittelt und sind richtungsweisend für die Weiterentwicklung im Bereich der Außenwerbung.

Einstieg von Weltmarktführer JC Decaux

Um ganz vorne dabei zu sein, gelang es Dieter Weber 2013 mit dem weltweit größten Unternehmen für Außenwerbung, dem französischen Familienkonzern JC Decaux, eine Partnerschaft einzufädeln. Dieser ist in 80 Ländern tätig. Nur der Vollständigkeit halber: Firmenchef Jean-François Decaux war nun jener Mann, der die Initialzündung für die Jochen-Rindt-Würdigung in Graz setzte. Weil dem französischen Konzern in Österreich 67 Prozent an der Gewista Werbegesellschaft gehört (der Rest ist im Besitz der Stadt Wien), entschloss sich Decaux dazu, sich auch am Ankünder im Südosten Österreichs mit 33 Prozent zu beteiligen. Damit eröffnete sich für den Ankünder die Möglichkeit, seinen Kunden auch österreichweite Werbung anzubieten. Dieter Weber: „Eine echte Win-win-Situation für beide Seiten.“ Der Ankünder ist nunmehr in der Regel über 49 Prozent Beteiligungen auf den Märkten in Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien (Megaboard) direkt vertreten. Darüber hinaus haben Ankünder und Gewista unter dem Namen Europlakat bereits seit Anfang der 1990er-Jahren den slowenischen und kroatischen Markt erschlossen.

Die rund 60 Mitarbeiter des Ankünder erwirtschafteten von Graz aus im Jahr 2019 einen Rekordumsatz von 16 Millionen Euro und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Konzernergebnis der Holding Graz. Nach dem Corona-Jahr 2020 rechnet Dieter Weber auch für heuer wieder mit einem sehr guten Ergebnis. Er kam vor 18 Jahren von der Styria Media AG zum Ankünder und führte vor vier Jahren digitale Werbung in Graz ein. „In Zukunft wird es einen Mix aus analog und digital geben“, so seine Prognose.

Alexander Wankhammer, Ralf Baumgartner, Daniel Hojka, Peter Sciri (v.,l.)

Die Soundmacher aus Graz

Als Startup mit Plugins im Höhenfl ug

Wenn es wegen Hunger um Nahrungsaufnahme oder Lebensmittel geht, dann sind die Mitarbeiter von Sonible bestens vernetzt. Liegt doch das erfolgreiche Grazer Startup nur einen Steinwurf hinter dem Obst- und Gemüsemarkt am Kaiser-Josef-Platz. Gibt’s die Lust auf Uni-Luft, dann ist die TU in der Rechbauerstraße gleich um die Ecke oder zum Entspannen das dortige Kult-Kino. Doch jetzt, in Corona-Zeiten ist für die knapp 20 Mitarbeiter meist Homeoffi ce angesagt. Eine intelligente Vorsichtsmaßnahme. Das ist auch das Stichwort für den KLIPP-

Unauffällg, aber erfolgreich

Die KI-Plugin-Schmiede

Bericht und den Umstand, dass die drei Startup-Gründer Ralf Baumgartner, Peter Sciri und Alexander Wankhammer leicht greifbar sind. Daniela Hütter, die rechte Hand der Geschäftsführung, auch für das Marketing verantwortlich: „Wir setzen ganz stark auf Artifi cial Intelligence. Konkret ermöglicht die von uns entwickelte Technologie, dass Audiospuren automatisiert verbessert werden – und zwar mit Plugins.“ Was ist smart dabei? Hütter: „Im Hintergrund arbeiten auf Musiksignale trainierte Algorithmen.“ „Unauffällig“ die Büro-Location – Ecke Haydngasse/Wastiangasse. Umso auffälliger ist der Erfolg. Rund 15.000 MusikProfi s weltweit profi tieren von dieser Zeitersparnis. Darunter die Produzenten von Coldplay oder Alicia Keys oder der Streaming-Gigan Netfl ix. Sonible ist im Höhenfl ug.

Im Jahr 2016 hatte sich die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) an Sonible über die Finanzierungsaktion „Risikokapital“ beteiligt und so wesentliche Wachstumsschritte ermöglicht. Kürzlich wurden die knapp 30 Prozent der Anteile zurückgekauft und mit sattem Aufschlag an die Innsbrucker Go Invest weiter verkauft. Christoph Ludwig, Geschäftsführer der SFG: Man sei stolz, Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein.

Diese begann 2013. Ralf Baumgartner, Peter Sciri und Alexander Wankhammer haben als Studenten der TU Graz bereits als Techniker bei Live-Konzerten oder im Tonstudio – unabhängig voneinander – viel mit „Signal-Verarbeitung“ zu tun gehabt. „Alle haben wir die gleichen Probleme gehabt, aber keine wirklichen Lösungen dafür.“ Im Studiengang „Audio Engineering“, einem gemeinsamen Projekt der TU und der Kunstuni Graz, den alle drei besuchten und sich dort ihre akademische Würde erarbeiteten, entstand die Idee für die Gründung von Sonible. Das Gründer-Trio: „Die Herausforderung war, mit KI und den digitalen Möglichkeiten ein sinnvolles Werkzeug zu entwickeln.“ Für die Plugins mit KI überweisen die weltweit arbeitenden Kunden knapp 130 Euro pro Stück. „Sie übernehmen zum Teil die Arbeit des Ton-Ingenieurs bei einer Produktion“, so die Sonible-Macher. Damit können die Profi s, aber auch jene, die zu Hause im Wohnzimmer ihre Video- und Audio-Produktionen machen, mit einer Digital Audio Workstation (DAW) und den Plugins von Sonible die Hörqualität entscheidend verbessern. Und die SoundTüftler arbeiten bereits an der nächsten Generation.

Geheiratet wird immer

... und nicht digital. Darauf setzt Isabel Tropper.

Bevor wir von Graz kommend auf der B66 in „Gleichenberg City“ einfahren, fällt uns auf der linken Seite ein riesiges Schaufenster mit Hochzeitsmode auf. Ziel erreicht. Wie bitte, warum gerade hier? „Zu uns kommen nur die, die uns brauchen“, erklärt die Geschäftsführerin Isabel Tropper-Hölzl KLIPP den Vorteil. „Daher fi ndet uns auch jeder.“ Hufnagl Fashion am Hauptplatz im Zentrum von Bad Gleichenberg und der im Mai eröffnete SecondhandShop für Marken- und Designerware. „Ich weiß nicht, ob es an unserer musischen Ader liegt, aber uns gehen die Ideen nie aus.“ Eine „tägliche Sorge“ macht Isabel Tropper-Hölzl ganz schön zu schaffen: Die Suche nach gelernten

Die 41-jährige Chefi n des Modehauses weiß um die digitale Welt, den Onlinehandel, hat sich aber dennoch dem „Face-to-Face“-Verkauf, dem persönlichen Kontakt mit dem Kunden verschrieben. Studiert hat sie klassisches Klavier, war Musiklehrerin. Die Eltern wollten mit der Brautmode aufhören – da entschied sie sich, den Betrieb ihrer Eltern als Übergangslösung zu übernehmen. Flexibel sein, ist ihr Lebensmotto. Sie ist bis heute im Geschäft geblieben. „In fünf Jahren haben wir den Umsatz verdoppelt und auf 25 Mitarbeiter aufgestockt – und das zu einer Zeit, in der alle Unternehmen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise spürten.“

Ehemann Uwe Hölzl macht das Controlling. Auch er ist als ursprünglicher Musiker und Tontechniker ein Quereinsteiger. Krisen nutzen die beiden bis heute zur Weiterentwicklung. Drei Standorte werden bespielt: Der Brautsalon Hufnagl an der B66, eines der größten Hochzeitsmodehäuser Österreichs, Schneidern – ob weiblich oder männlich. Daher will sie Lehrlinge ausbilden – auch mit dem Risiko, dass sie nicht bleiben. Ein ungewöhnlicher Schritt in einem Mangelberuf. Maß anlegen, aber auch Änderungen erfordern Kreativität, so Tropper. Da nütze die Erfahrung aus einer Serien- oder Fabrik-Produktion wenig. Die Arbeiten brauchen Zeit und kosten auch Geld. „Kostenlos geht nicht, da wären wir wirtschaftlich bald am Ende.“

Daher verrechnet man im Brautsalon oder im Modehaus pro Minute Arbeitszeit 90 Cent. „Wir machen den Kunden auch den Wert der Arbeit verständlich, dass das eine qualifi zierte Arbeit ist.“ Und sie überzeugt die meisten mit dem entwaffnenden Argument: „Wenn Sie das woanders billiger bekommen – bitte, ich versteh’ das. Kaufen Sie dort.“ Das tut sie allerdings mit dem Wissen, dass es keine Alternativen gibt. „Und daher kauft der Kunde doch bei uns.“

Eine steirische Vision

Initiator Jürgen Roth: „eFuels können helfen, dass Autofahren leistbar bleibt“

Es ist geplant, dass in Österreich – von der EU so vorgegeben – ab 2030 keine Autos mit fossilen Treibstoffen mehr zugelassen werden. Jürgen Roth, Initiator der eFuel Alliance Österreich und Fachverbandsobmann Energiehandel WKO, zweifelt ohnehin daran. „Selbst wenn das der Fall ist, dann fahren die Autos woanders am Planeten herum. CO2 hat ja keinen Reisepass“, auf das Corona-Virus anspielend. Und dem angestrebten Klimawandel helfe das nichts. Ja zum Umstieg auf Elektromobilität und Alternativenergien. Hinten komme zwar kein CO2 heraus, der Strom, der getankt wird, komme aber zum Großteil aus Kohlekraftwerken. In Europa gebe es bis 2030 sicher nicht genügend grüne Energie. Der Totalumstieg und damit der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, Treibstoffen sei ambitioniert, aber unrealistisch. Weltweit gäbe es 1,4 Milliarden Autos auf dem Markt. In Österreich sind es 7,5 Millionen. Im Rahmen des Projekts „Innovation Flüssige Energie“ wird die AVL bis 2022 synthetische Brenn- und Kraftstoffe herstellen, die zu leistbaren eFuels weiterverarbeitet werden können. Die Steiermark wird damit eine Vorreiterrolle übernehmen. Dies erfolgt unter anderem durch den Einsatz von GrünStrom, grünem Wasserstoff und CO2, Kohlendioxid. Woraus bestehen eFuels? Es handelt sich um überschüssige Energie aus nachhaltigen Quellen wie Sonne, Wasser oder Wind. Und diese wird erstmals fl üssig lagerfähig. „Ob CO2-neutral oder nicht“, so Helmut List, „entscheidet sich zu Beginn der Kette. Der verwendete Strom im Auto muss grün sein, sonst nützt es nichts für den Klimawandel.“ „Die eFuels“, so Jürgen Roth, „könnten auch als Gamechanger angesehen werden. Die Beimengung zum ,normalen fossilen Brennstoff’ – zuerst 10 Prozent und dann schrittweise mehr – bewirkt, dass die energetische Nutzung dann CO2-neutral ist.“ Damit braucht es aber auch keine teuren Umrüstungen, man braucht nicht auf die bewährte Infrastruktur in der Mobilität, aber auch im Flug- und Schiffsverkehr und sogar am Raumwärmemarkt verzichten.

Wirtschaftslandesrätin Barbara EibingerMiedl bei der Präsentation im AVLHauptquartier in Graz: „Ambitionierte Umweltschutzziele erreicht man nicht mit Verboten, sondern durch Technologieoffenheit.“ Die Befürworter von eFuels waren sich einig, dass Österreich mit der Entwicklung einen entscheidenden Beitrag für sozialverträgliche Energiewende leisten könne. Denn vom Preis her koste die Beimengung von einem Liter eFuel geschätzt einen Euro. Vor fünf Jahren waren es noch fünf Euro. Jürgen Roth: „Es ist also für die Autofahrer leistbar.“

Fotos: @IBEX.agency / Klaus Pressberger

Prof. Helmut List (CEO AVL List GmbH)

Barbara Eibinger-Miedl (Wirtschaftslandesrätin Steiermark

Jürgen Roth (Fachverbandsobmann Energiehandel WKO und Vorstandsvorsitzender der eFuel Alliance Österreich)

Es ist angerichtet

Grazer Startup entwickelt fermentiertes Superfood

„Kennst du das: Du bist bei der Arbeit, hast keine Zeit zu kochen und trotzdem willst du eine gesunde, warme, vegane Mahlzeit, die noch dazu glutenfrei ist?“ - mit diesem Satz beginnt Neena Gupta-Biener das Promotion-Video der Wortschöpfung Viffff – steht für „Vegetarian International Fermented Functional Food Factory“.

Die gebürtige Inderin hat das Startup gemeinsam mit ihrem Partner Johannes Biener im Jahr 2019 gegründet. „In zweijähriger Forschungsarbeit haben wir ein neues Lebensmittel entwickelt und dieses mittlerweile sogar europaweit präsentiert“, erklärt sie KLIPP gegenüber. „Die Intention war, eine nahrhafte und bekömmliche Speise herzustellen, die nicht nur vegan ist, sondern auch eine vollwertige Mahlzeit darstellt.“ Die Viffffs genannten Knödel basieren auf Hülsenfrüchten und Getreide, die dann in einem komplexen Verfahren fermentiert werden. „Fermentation kennt man ja vom Sauerkraut“, so das Wissenschaftler-Duo. „Sie macht viele Speisen geschmackvoller und vor allem auch bekömmlicher. Und das ist bei unseren Viffffs sehr wichtig, da sie ja einen hohen Hülsenfrüchte-Anteil haben – also Erbsen, Bohnen, Linsen.“ Aufgrund der Fermentierung haben die Knödel aber trotz des hohen Kohlehydratanteils auf den Blutzuckerspiegel keinen Einfl uss. „Der Blutzucker schießt also nach dem Essen nicht hoch, was sehr hilfreich für Diabetiker ist und ihnen einige Insulinspritzen erspart“, so Neena Gupta-Biener. Auch Ausdauersportler, die proteinreiche Kost benötigen, profi tieren davon. „Die Viffffs sind reich an leicht verdauli-

Neena Gupta-Biener, Johannes Biener in „ihrer Küche“ am Nikolaiplatz in Graz Hm, machen Appetit. Die Viffffs einfach im Wasserbad oder in der Mikrowelle erwärmen.

chem Eiweiß, enthalten wenig kurzkettige Kohlenhydrate, haben einen niedrigen glykämischen Index, sind fettarm, glutenfrei und fördern die Entwicklung einer gesunden Darmfl ora“, fasst die Mikrobiologin zusammen.

Ab Dezember werden Viffffs in einer isolierten Mehrwegbox tiefgefroren an die Endverbraucher verschickt. Online kann man diese bereits vorbestellen. Daheim kann man sie entweder im Wasserbad oder in der Mikrowelle erwärmen und hat so nach fünf bis sieben Minuten eine komplette warme Mahlzeit.

Für die Herstellung ihres neuen Lebensmittels hat das Duo eine auf Tiefkühlprodukte spezialisierte Großküche in Wien gewinnen können. „Die Produktion ist ein komplexer, automatisierter und digitaler Prozess. Wir nutzen auch künstliche Intelligenz. Es hat ein ganzes Jahr lang gedauert, bis die Mannschaft trainiert war und wir den Prozess soweit automatisiert hatten, dass wir bis zu 10.000 Teller pro Tag herstellen können“, kommt sie auf die Herausforderung zu sprechen. Derzeit gibt es eine Kürbiskern-Variante und eine Mais-Variante vom Vifffff. „Nächstes Jahr planen wir eine mit Lupinen.“

Wichtig ist den beiden Wissenschaftlern auch der CO2-Fußabdruck. „Wir haben eine nachhaltige Verpackung und beziehen auch unsere Bio-Zutaten soweit wie möglich regional, haben Kooperationen mit Bauern der Region usw.“ So ist das Startup auch Teil der „Climate Initiative“ von Arnold Schwarzenegger. Neena Gupta-Biener: „Wenn er im nächsten Jahr nach Österreich kommt, wird er hoffentlich unsere Viffffs probieren können.“

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