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Ernüchternd und vernichtend

CORONA

Ernüchternd und vernichtend

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Martin Sprengers unbestechlicher Faktencheck nach zwei Jahren Pandemie

Es ist Sommerzeit. Die Corona-Infektionen steigen stark. Trotzdem hat die Politik bei den Pandemie-Maßnahmen die Stopp-Taste gedrückt. Warum eigentlich? Keine Alarmstimmung im ORF, keine Panik. Die Wenigsten fürchten sich. Es fällt daher leichter, diesen Faktencheck* von Martin Sprenger zu konsumieren. Dieser fällt leider ernüchternd und vernichtend für die Verantwortlichen aus. Viel wäre geholfen, würden ALLE, eingeschlossen der Noch-Landeshauptmann, nach dem Lesen dieser Daten und Fakten sich selbst hoffentlich eingestehen, damit wissender geworden zu sein.

Authentisch, kompetent und vor allem unbestechlich unterzieht der in Graz lebende Arzt und Gesundheitswissenschaftler seine Prognosen und Einschätzungen aus dem Jahr 2020 einem Faktencheck. Zu vielen wichtigen Fragen der Pandemie gibt es inzwischen gute Antworten. Manche Aspekte sind aber noch immer rätselhaft.

Ein Opfer: die Wahrheit

„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“, heißt es. Das gilt auch für die Pandemie. Die politische Inszenierung sorgte dafür, dass es viel mehr um bestimmte Narrative als um wissenschaftliche Fakten ging. Im Zweifelsfall wurden diese zurechtgebogen oder zurechtmodelliert. Dabei ging viel Vertrauen verloren. In einem Editorial im Journal „Public Health“ stellen die Autoren fest, „es wurde zu viel verschleiert und beweisfreie Meinungen geäußert. Viele davon basieren auf Angst und Emotionen. Wir fordern ein Umdenken und einen ehrlichen, öffentlichen Dialog, der alle Mitglieder der Gesellschaft einbezieht, einschließlich Kinder und Jugendliche sowie diejenigen, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind.“

In Deutschland und Österreich wurde aus dem wissenschaftlichen Diskurs ein Glaubenskrieg. Der Historiker Mischa Meier meinte auf die Frage, warum die Religion in der Pandemie nun überhaupt keine Rolle mehr spiele: „Ich glaube, dass die Bereitstellung von Orientierungshilfen durch die Religion in andere Bereiche übergegangen ist. Wenn man sieht, wie aktuell dazu aufgerufen wird, der Wissenschaft zu folgen, wird das recht deutlich. Ich bin selbst Wissenschaftler. Aber ich würde nie davon sprechen, dass die Wissenschaft etwas sagt oder vorgibt. Wissenschaft ist immer Diskurs und Debatte und sie zeichnet sich dadurch aus, dass es keine Eindeutigkeiten gibt, sondern alles zur Diskussion steht und immer wieder neu durchdacht werden muss. Nur so entsteht wissenschaftlicher Fortschritt. Wenn aber stets auf die Wissenschaft verwiesen wird, dann scheint mir hier eine Funktion von Religion sichtbar zu werden.“

Früher war es eine akademische Tugend, kritisch zu sein, zu hinterfragen, neue Perspektiven einzubringen, durch These und Antithese den akademischen Diskurs und die wissenschaftliche Lernkurve zu fördern. Heute kann diese Tugend karrierehinderlich sein. Früher war es eine journalistische Tugend, die vielen Sichtweisen auf ein gesellschaftliches Phänomen zu erfassen, Chancen und Risiken, UnsicherMartin Sprenger, 59, Impf-Befürworter, leitet den Universitätslehrgang Public Health an der Med Uni Graz und lehrt an zahlreichen Fachhochschulen und Universitäten, ist freier Unternehmensberater und an verschiedenen nationalen und internationalen Gesundheitsprojekten beteiligt. Im Frühjahr 2020 war er vier Wochen lang Mitglied der Coronavirus-Taskforce des Österreichischen Gesundheits- und Sozialministeriums.

heiten und offene Fragen verständlich und korrekt darzustellen, die öffentliche Debatte zu fördern, ohne zu polarisieren und zu emotionalisieren. Heute ist diese Tugend eine Seltenheit geworden. Früher war es eine politische Tugend, auf die Verhältnismäßigkeit politischer Entscheidungen zu achten, den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen zu fördern. Heute ist diese Tugend dem Populismus und der message control gewichen (ebenda 208-209).

Rolle der Medien, Politik

Was mich persönlich immer erstaunt, ist, wie trotz dieser unsicheren Datenlage fast jeden Tag in den Medien Politiker, Journalisten, aber auch manche Experten mit vollkommener Überzeugung die „unbestrittene“ und „bewiesene“ Wirksamkeit vieler nicht-medikamentöser Maßnahmen verkündeten und noch immer verkünden.

Auf der Behandlungsebene wäre es unethisch und unverhältnismäßig, eine Maßnahme ohne bestätigtes Wissen über ein mit guten Studien belegtes positives Nutzen-RisikoVerhältnis zu verordnen. Auf der politischen Ebene schien dies in den letzten beiden Jahren ziemlich egal zu sein. Da wurden viele Maßnahmen mit unbekanntem Nutzen und möglicherweise enormen gesundheitlichen, psychosozialen und wirtschaftlichen Risiken verordnet. Oft über Nacht, ohne Gesundheitsfolgeabschätzung und ohne eine differenzierte interdisziplinäre Debatte.

Mein persönliches Fazit: Deutschland und Österreich fl ogen mit einem Cockpit durch die Pandemie, in dem wesentliche Instrumente fehlten oder falsche Werte anzeigten. Für den Nutzen und die Risiken vieler nicht-medikamentöser Maßnahmen fehlt noch immer die Wissensbasis. Es wird wohl noch Jahre dauern, bis wir halbwegs verstehen, auf Basis welcher Annahmen welche politischen Entscheidungen mit welchen gesundheitlichen, psycho-

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sozialen und wirtschaftlichen Folgen getroffen wurden. Ob es dann noch zu einer Klarstellung, zu einer Rechtfertigung der jetzt politisch Verantwortlichen kommt, kann aus heutiger Sicht nicht abschließend beantwortet werden. Auf der Strecke bleiben jene, denen die Maßnahmen deutlich mehr geschadet als genutzt haben. Dazu gehören Kinder und Jugendliche ebenso wie die sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft (Seite 76/77).

Vertrauen lässt sich nicht mit Annoncen und Werbeeinschaltungen kaufen. Jegliche Polarisierung, Spaltung und Angstmacherei von Seiten der und Angstmacherei von Seiten der Politik oder ihrer Presseabteilungen Politik oder ihrer Presseabteilungen zerstört nachhaltig das Vertrauen und wirkt sich negativ auf den soziaund wirkt sich negativ auf den sozialen Zusammenhalt, das Sozial-Kapilen Zusammenhalt, das Sozial-Kapital einer Gesellschaft, aus.

Zerstörtes Vertrauen

Zwischen dem Frühjahr 2020 und dem Frühjahr 2021 war in keinem EU-27-Land der Vertrauensverlust in EU-27-Land der Vertrauensverlust in die Regierung größer als in Österreich. Sprengers persönliches Fazit: reich. Sprengers persönliches Fazit: In Deutschland und Österreich reduzierte sich die Grundlage, die Gesundheits- und Sozialpolitik auf Gesundheits- und Sozialpolitik auf eine Krankenversorgungspolitik, die noch dazu – im Sinne eines Tunnelblicks – ein Krankheitsrisiko über alle anderen Krankheiten, aber auch Gesundheit und Soziales, stellte. Darauf folgten unverhältnismäßige und unethische unverhältnismäßige und unethische Maßnahmen, die oft auch einer rechtlichen Überprüfung nicht standhielten. Die Autonomie vor allem von älteren Menschen wurde ebenso missachtet, wie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Viel zu oft wurde aus populistischen Gründen auf weniger restriktive Maßnahmen verzichtet und die gesundheitliche Ungleichheit deutlich vergrößert. Interessenskonfl ikte wurden nicht offengelegt, Entscheidungsgrundlagen nicht transparent gemacht und/oder begründet. Eine Partizipation von betroffenen Gruppen fand nicht statt. Der daraus resultierende Vertrauensverlust war enorm und wird noch lange nachwirken. Die permanente Angst-Rhetorik hat die Bevölkerung müde und mürbe gemacht. Keine gute Voraussetzung, um zukünftige Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. nahmen zur Eindäm-

mung der Corona-Pandemie gewonnen wurden, ist schwer zu berechnen oder zu modellieren. individuelle Risikobewertung, ist eines der noch ungelösten Rätsel in dieser Pandemie. Die Daten waren immer vorhanden.

Ein ebenfalls einzigartiges

Phänomen am Beginn der

Pandemie war der plötzlich nicht mehr gestattete Vergleich von Corona mit Infl uenza-Viren. Jahrzehntelang haben wir unterschiedliche Krankheits- und

Sterberisiken verglichen, die

Krankenhausaufnahmen und

Kosten aufgrund von Krebs- und

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gegenübergestellt. Aber plötzlich ist der Vergleich von zwei saisonalen Viren ein Grund, von den Medien als „Corona-Verharmloser“ diffamiert zu werden. (ebenda 100)

Jugendliche leiden

Es geht immer um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Umgelegt auf die Pandemie bedeutet das, es müssen mehr gesunde Lebensjahre durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gewonnen werden, als durch die Unter- und Fehlversorgung von Nicht-Covid19-Erkrankungen, die negative Beeinfl ussung der Dominanzen von Gesundheit, Bildung, Wirtschaft etc. und durch die psychosozialen Folgen der Maßnahmen verloren gehen. Wie viele Lebensjahre, insbesondere gesunde Lebensjahre, durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gewonnen wurden, ist schwer zu berechnen oder zu modellieren. Es sind zum Glück nur wenige Kinder und Jugendliche in Österreich schwer an Covid19 erkrankt. Es gibt jedoch hunderttausende Kinder und Jugendliche, die unter den Folgen der Maßnahmen leiden. Sehr viele von ihnen leider schwer. Bei viel zu vielen wurde das ganze Leben beeinträchtigt. Auf der Behandlungsebene wäre dies ein massiver Kunstfehler, der vor Gericht enden würde. (ebenda 91) Was das Risikomanagement angeht: Österreich gibt pro Jahr ca. 150 Millionen Euro für Vorsorgeuntersuchungen aus. Über 18-Jährige können diese kostenlos ein Mal pro Jahr in Anspruch nehmen. Ärzte arbeiten da in Österreich mit der New Zealand Risk Scale, in Deutschland arbeiten Ärzte mit Arriba und in England mit Qrisk. Alle diese Tools beruhen auf epidemiologischen Studien. Das künftige Risiko kann nicht exakt berechnet, aber doch abgeschätzt und auch verständlich kommuniziert werden. Warum gibt es solche Tools nicht schon längst zu Covid19? Die epidemiologischen Daten sind vorhanden. Die Register sind vorhanden. Trotzdem gibt es noch immer keine verständliche und wissensbasierte Bewertung und Kommunikation des Covid19-Risikos. Warum global Milliarden für alles Mögliche ausgegeben wurden, aber so wenig für eine individuelle Risikobewertung, ist eines der noch ungelösten Rätsel in dieser Pandemie. Die Daten waren immer vorhanden.

Ein ebenfalls einzigartiges

Phänomen am Beginn der

Pandemie war der plötzlich nicht mehr gestattete Vergleich von Corona mit Infl uenza-Viren. Jahrzehntelang haben wir unterschiedliche Krankheits- und

Sterberisiken verglichen, die

Krankenhausaufnahmen und

Kosten aufgrund von Krebs- und

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gegenübergestellt. Aber plötzlich ist der Vergleich von zwei saisonalen Viren ein Grund, von den Medien als „Corona-Verharmloser“ diffamiert zu werden. (ebenda 100)

Keine Gesellschaft ohne Schaden durch Pandemie

SARS-CoV-2 war und ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Es nehmendes Gesundheitsrisiko. Es gab und gibt genügend Menschen, die an Covid19 schwer erkranken oder versterben können. Deshalb war es notwendig, mit geeigneten Maßnahmen das Infektionsgeschehen einzudämmen, Hochrisiko-Personen schlau und unter Wahrung ethischer Prinzipien bestmöglich zu schützen und den Schaden durch SARS-CoV-2 zu minimieren. Es war aber falsch zu glauben, dass es nur mehr ein Gesundheitsrisiko gibt. Auch während der Pandemie erlitten an einem einzigen Tag ca. 100 Menschen in Österreich einen Herzinfarkt, etwa ein Drittel verstarb daran. Jeden Tag erfuhren ca. 120 Menschen, dass sie Krebs haben. Jeden Tag verstarben ca. 60 Menschen daran. Jeden Tag infi zierten sich im Schnitt 100 bis 150 Personen mit einem Krankenhauskeim. Jeden Tag verstarben 10 bis 15 Menschen daran. Jeden Tag wurden vor der Pandemie ca. 8.000 Menschen in ein öffentliches Krankenhaus aufgenommen. Während der Pandemie waren es deutlich weniger. Trotzdem haben sich alle diese Menschen mit anderen Gesundheitsrisiken ebenfalls eine qualitativ hochwertige Versorgung verdient.

Angst erhöht Risiko

Es ist auch falsch zu glauben, dass Ängste, Arbeitslosigkeit, Schulschließungen usw. kein Risiko für unsere Gesundheit darstellen. Ganz im Gegenteil. Arbeitslosigkeit, ja sogar die Angst vor Arbeitslosigkeit, erhöht das Erkrankungs- und Sterberisiko enorm, verdoppelt bis vervierfacht es. Nur einem Schaden ein Dashboard zu gewähren, alle Energien nur auf die Minimierung eines Gesundheitsrisikos zu konzentrieren, koste es, was es wolle, ist unwissenschaftlich, ungerecht, unfair und unsolidarisch. Eine Pandemie trifft immer alle Menschen und alle Bereiche einer Gesellschaft. Eine Pandemie nur virologisch-medizinisch zu betrachten, war und ist ein gefährlicher, eindimensionaler Tunnelblick. (ebenda 107)

Ignoriert: 3 Mio. Genesene

Zu den Genesenen: In Österreich gibt es offi ziell fast drei Millionen nach einer Infektion mit SARS-Cov-2 genesene Personen. Mit der unbekannten Dunkelziffer sind es sicher deutlich mehr. Eigentlich wäre zu erwarten, dass es für diese große Bevölkerungsgruppe detaillierte, wissensbasierte und verständliche Informationen gibt und eine offi zielle Anlaufstelle für Fragen, was zum Beispiel den Schutz vor schweren Verläufen, die Bedeutung verschiedener Typen von Antikörpern (Ig, IgM, IgA), die Höhe von AntikörperTitern, T-Zellen oder die Dauer der Immunität, die Studienlage zur Impfung von Genesenen, die Häufi gkeit von Long Covid und vieles andere betrifft. Aber alles das gibt es nicht. Im Vergleich zu den laufenden Impf-Kampagnen, denen Millionen Euro für Marketing und Werbung zur Verfügung gestellt wird, könnte man fast an ein absichtliches Übersehen glauben. Die Frage, warum mehr als ein Drittel der Bevölkerung dermaßen ignoriert wird, hat sicher einige spannende Antworten. Geld spielt dabei immer eine wichtige Rolle. Eine Aufwertung der genesenen Personen ist aus Sicht des Marktes, aus Sicht der Pharmaindustrie, aber anscheinend auch der Regierungen, einfach nicht attraktiv. (ebenda 233)

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