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Ein Überbleibsel der Eiszeit
Eldorado für Windsurfer ... ... und Segel-Fans, aber auch Kletterer
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Der Gardasee mit Palmen, Weingärten, Olivenhainen. Elisabeth Hewson war dort.
Ausgewaschen durch einen Seitenast des Etschgletschers, dessen Endmoränen mit ihrem fruchtbaren Schotter aus Kalkstein, Granit, Gneis und Dolomit die Landschaft und Vegetation prägen: Der Gardasee. Mit seiner wunderbaren Vegetation, mit Palmen, Weingärten, Olivenhainen und seinem ausgeglichenen Klima Sehnsuchtsort für Italien-Urlauber. Im nördlichen Teil, in Riva, Arco oder Torbole, heute eigentlich eine einzige Siedlung, von den Einheimischen „La Busa“ genannt, ein Eldorado für sportliche Gäste. Segler und Windsurfer drehen vor Riva im Nachmittagswind „Ora“ ihre gischtenden Kurven; begeisterte Kraxler üben bereits seit den 80-er Jahren ihre Schwindelfreiheit im Klettergebiet Massone bei Arco, wo sie in den Kalksteinwänden 160 verschiedene Routen in allen Schwierigkeitsgraden finden - berüchtigt die Kletterroute „Underground“.
Wer es gemütlicher haben will
Für den gibt es die vielen Mountainbike- und Wanderwege zu den vielen kleinen Seen, auf Gipfel oder in den Weinbergen. Einer führt zum Canyon von Limarò – eine Naturskulptur aus glatt ausgeschliffenem rotem und grauem Kalkgestein. Oder zur „Mondlandschaft“ mit Saurierabdrücken im Gestein: Marocche di Dro, ein riesiger Bergsturz (der größte der Alpen), den der Gletscher zusammengeschoben hat. Eine interessante Rundtour für eine leichtere Wanderung.
Für eine Wanderung durch die Weingärten, in denen die autochtone Traube Nosiola gehegt und gepflegt wird, kehrt man am besten bei Winzern ein und verkostet diesen spätreifenden Tropfen, vom „Falstaff“ als „fruchtig, mit flacher Struktur, wenig Säure und einem leichten Bitterton“ beschrieben. Er
Jahrhunderte Altes wiederbelebt
leitet seinen Namen wahrscheinlich vom Geschmack gerösteter Haselnüsse her, der da ein wenig mitschwingt, kommt nur noch im Trentino vor, und fühlt sich auf diesen steinigen Moränenböden offensichtlich besonders wohl. Übrigens muss sich die Nosiola-Traube (wie auch die Segler auf dem Gardasee für die verlässliche Brise) bei dem ständigen Wind bedanken, der ihre Anfälligkeit für Mehltau wegbläst. Und uns den Vino Santo schenkt, einen Süßwein ohne Klebrigkeit aus dem Valle dei Laghi. Dafür sammelt man von September bis in den Oktober hinein die schönsten Reben, die man auf Holzrosten im Wechsel von Pelér (Vormittags-Wind vom See her) und Ora (bläst umgekehrt und verlässlich am Nachmittag von den Bergen) trocknen lässt. Am Samstag vor der Karwoche wird dann das Keltern begonnen, selbstverständlich mit einem feierlichen Ritual in Santa Massenza – im Trentino ist jeder Anlass zum Feiern willkommen. Die Pressung muss dann auch noch sechs bis sieben Jahre in Eichenfässern ausgebaut werden, bevor sie, in Flaschen abgefüllt, nochmals ebenso lange lagert: Ein kostbarer Tropfen. Die älteste noch erhaltene Flasche von 1925 soll übrigens in drei Jahren mit großem Brimborium geöffnet werden – wieder ein Anlass für eine Feier. Auch Grappa wird aus dem Vino Santo destilliert. Den kann man nach einer Weinwanderung im Valle dei Laghi am besten in der Cantina Toblino verkosten, nachdem man von Santa Massenza um den schilfreichen Toblinosee gewandert ist, vorbei am Castel Toblino in Madruzzo: ursprünglich ein antiker Tempel, einst eine Seefestung, später berühmt für Seidenraupenzucht, heute ein Genusstempel für Vino-Santo-Genießer. Oder man besucht die Cantina Pisoni an den östlichen Hängen des Sarca-Tales, wo die Familie seit 1852 nicht nur Vino Santo zelebriert, sondern auch Rot-und Weißweine keltert.
Von Riva ins Mittelalter
Der traditionelle Kurort Riva del Garda hat sich den Ehrentitel „Perle des Gardasees“ mehr als verdient. Mit mildem Klima, italienischer Kulinarik und Weinkultur und einem verlässlich fächelnden Lüftchen. Und natürlich mit den vielen Palazzi und den engen, pittoresken Gassen, dem Yachthafen, der Piazza direkt am See und den Wehrtürmen. Und dem Forte del Bastione, im 16. Jahrhundert als Befestigungsanlage erbaut, zerstört 1703. Die Burgruine und damit eine wunderbare Aussicht auf Riva, den Gardasee und das weite Valle dei Laghi, erreicht man mit einem gläsernen Aufzug, oder auf einem netten Serpentinenweg.
Feste ohne Ende ... Doch sollte man sich nicht nur auf Riva und seinen bunten Trubel konzentrieren, sondern auch das Hinterland entdecken, eine Zeitreise ins Mittelalter unternehmen. Zum Beispiel zu den „schönsten mittelalterlichen Ortschaften Italiens“, ins Canale di Tenno, Richtung Tennosee. Nach arbeitssuchenden Auswanderern fast völlig verlassen, entdeckte in den 1960ern ein Künstler aus dem Piemont, Giacomo Vittone, seine Liebe zu den alten Gemäuern, eröffnete ein Atelier. Seine Casa degli Artisti belebte die Gegend rundum, und immer mehr Besucher kamen. Immer mehr Künstler mieteten sich ein, um hier in Ruhe zu arbeiten, immer mehr Häuser wurden gekauft und renoviert. Heute bietet man Sommercamps für Kunststudenten an, man veranstaltet Workshops, es entstehen Gemeinschaftsprojekte, man hört Musikschulen im Garten proben, man gibt Konzerte, lädt zu einem Mittelalterfest ein. Auch der nahe Lago di Tenno mit seinen leuchtenden Grün- oder Blautönen mit einem bequemen Rundweg ist ein Anziehungspunkt für Ausflügler.
Und dann sind da noch die vielen, teils kuriosen Feste, die besucht werden wollen: Wie das BrokkoliFest Sagra del Broccoli di Torbole. Oder das Olivenölfest, das Schokoladenfest, das Mittelalterfest, das Drachenfest, das Tortellinifest, das Erntefest, das Weinfest, das Kartoffelfest, das Jazzfest ...