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VINTAGE-KLASSIKER
Mit seinem skandinavisch-schlichten Gehäuse hebt sich das „Parsifal“ vom Gelsenkirchener Barock der 50er ab.
Die Fender Stratocaster in ihrer urpsrünglichen Form mit rot-brauner Sunburst-Lackierung. Nordmende „Parsifal“ mit dem typischen schönen Schein von Röhrentechnologie. Von den Senderskalen ist allerdings nur noch die UKW alltagstauglich.
Gelegentlich hatten auch die 80er Jahre Klasse. Der Mercedes W123 CE Coupé ist unter Sammlern hoch begehrt. Gut erhaltene Exemplare mit geringer Lauf leistung werden langsam selten. Die Preise sind bislang aber noch bodenständig. ZEITLOS
Während die Warenwelt um den kurzlebigen Konsum kreist, besinnen sich immer mehr Deutsche zurück auf langlebige Produkte der Vergangenheit, die noch heute ihren Stellenwert haben.
Der feine Unterschied KLASSIKER VERSUS KREMPEL
EINE TRÜFFELSUCHE VON TIM HOLZHÄUSER
Die uns umgebende Welt ist tü- nimmt Fahrt auf!“ ckisch, denn häufig liegen gut Diese Beifahrer-Beschwerde lässt die Beund schlecht dicht beieinan- sitzer eines W123 CE milde lächeln. Das der. Nicht immer fällt die Un- Auto ist eine Entschleunigung mit knapp terscheidung leicht. Ekstase über 100 PS. Es bringt das Kunststück ferliegt neben Hysterie, Mut neben Dumm- tig, in keiner Weise abgehängt zu wirken. heit, Talent neben Asperger-Syndrom. Ho- Wundervolle Linienführung, zweckmäßihe Kunst kann deckungsgleich sein mit ei- ges Interieur, cremiges Fahren und das unner Fettecke oder einem Urinal. Und der abstreifbare Gefühl, sich in bekannten Ge„Klassiker“, der auf einer Auktion überra- filden zu bewegen. Diese Coupé-Variante schend zur Altersvorsorge avanciert, ran- ist eleganter als der herkömmlichen 80er giert eine Haaresbreite neben Krempel ... Jahre „Merser“, aber nicht abgehoben. Die Vielleicht wird die Preziose auch über Preise für gut erhaltene Exemplare steigen Nacht zu Krempel. Seltene Briefmarken (es werden ja nicht mehr), aber wer einer haben mal ein Vermö- geregelten Tätigkeit gen gekostet. Antike nachgeht und einen Perserteppiche galten findet, kann ihn sich als stabile Anlage, das höchstwahrscheinlich Fürstenzimmer als zeit- auch leisten. Interesloser Schatz. senten müssen aller-
Heute Krempel. dings ihre Hausaufga-
Aber was passiert, ben machen, also wenn man Geld außer recherchieren. Auf die acht lässt und sich ein- Details kommt es an. fach fragt: Was ist heu- Die Version ohne Mitte noch funktionstüch- telsäule (im Bild) ist tig und gleichzeitig deutlich gefragter als schön? Werthaltig im die herkömmliche Kaeigentlichen Sinne! rosserie. Auch die Langlebig, durchdacht und im besten Falle von zeitloser Ästhetik! Details wie fehlende Mittelsäule und Lederinterieur führen zu deutlichen Preisunterschieden. Handschaltung hat in Deutschland mehr Fans als die spritfresWas verändert unser sende Automatik. eigenes Leben zum Positiven mit der Kraft Aber generell gefragt: Warum ausgeder Vergangenheit? rechnet ein hübsches, altes, langsames Au-
Im Folgenden finden sich fünf solche to? Weil es einem die Langsamkeit Klassiker in einer Würdigung. Die Aufstel- schmackhaft macht. Denken wir mal an lung ist natürlich nicht vollständig, son- Michael Endes „Momo“. Kleiner Tipp: Die dern Anregung und Aufforderung, weitere grauen Männer mit den „Zeitkonten“ sind zu finden. da nicht die Guten.
Preis: Gut erhalten, mit Handschaltung
Mercedes W123 CE Coupé ab 10.000 Euro. Der Wagen hat ein paar „Dieses Auto beschleunigt nicht, es rostanfällige Stellen, die der örtliche
Safari-Jacke als Schneiderarbeit aus schwerem Baumwoll-Twill. Wichtige Elemente sind die Blasebalgtaschen, Schulterstücke und häufig auch der Rückengurt. Leichtere Exemplare werden mit Hemdkragen gefertigt.
Mechaniker meist gut kennt und prophylaktisch behandeln sollte.
Safari-Jacke
Erst ist sie in den Krieg gezogen (gefährlich), dann auf Großwildjagd (politisch bedenklich) und schlussendlich im Großstadtdschungel angekommen: Die Sarafi-Jacke ist eine unverwüstliche Jacke mit Schulterstücken und vielen Taschen, gefertigt aus dem festesten Baumwoll-Canvas, den die Nähmaschine gerade noch bewältigen kann. Der Schnitt geht auf die Tropenuniformen britischer Koloniatruppen zurück. Er wurde von Herrenschneidern für das zivile Leben adaptiert und galt bereits in den 1930er Jahren als Klassiker.
Heute findet man sie sporadisch überall zwischen der Savile Row in London und der örtlichen H&M-Filiale – dann häufig etikettiert als „Field Jacket“. Originalgetreue Exemplare sind sandfarben und ungefüttert. Achtung: Baumwolle läuft beim Waschen ein und bleicht aus. Eine praktikable Variante ist, die Jacke passend zu kaufen und dann hin und wieder in die Trockenreinigung zu geben.
Die meisten Schneider sind in der Lage, nach Fotovorlagen eine Safari-Jacke anzufertigen. Den passenden Stoff gibt es online bei www.merchantandmills.com
Perser-Teppiche waren lange Zeit purer Luxus. Heute sind sie kaum noch gefragt, die Preise tief.
Röhrenradio Nordmende Parsifal
Warum Röhrentechnik, wenn moderne Transistoren es auch tun, kleiner sind und billiger?
Musiker und HifiNerds kennen die Antwort: Röhren klingen besser. Viel besser! Ein Messgerät würde widersprechen: Klingen schlechter, verzerren leicht und reagieren auf das Signal. Das menschliche Ohr aber interpretiert diesen unperfekten Sound als Wärme und Dynamik, die ihren Höhepunkt in den 60er Jahren erreichte. Ein Radio-Museum urteilte über das Modell „Parsifal Stereo“, hergestellt bis 1966 von der Bremer Nordmende: „In einem Meter Hörabstand eröffnet der Druck auf die Stereotaste auch heute noch dieses akustische Urerlebnis, das seit jeher auf viele Audiophile prägend wie richtungweisend war. In dieser Hinsicht ist das Parsifal mehr highend als sämtliche Edel-Stereoanlagen zusammen.“
Was das „Parsifal“ heute außerdem zum Klassiker macht, ist seine Optik. Während die meisten Röhrenradios im Gelsenkirchener Barock heute allenfalls noch als Filmrequisite taugen (jüngst zu sehen in „Der Goldene Handschuh“ von Fatih Akin), überzeugt das „Parsifal“ mit Echtholzfurnier und skandinavischer Linienführung.
Gut erhaltene Exemplare brauchen eine Wartung, neue Röhren aus Restbeständen
Die Safari-Jacke findet man heute sporadisch zwischen der Savile Row in London und der örtlichen H&M-Filiale …
Eindrucksvoll auf Bildern, aber wer möchte Antiquitäten in der Wohnung stehen haben? Immer weniger. Die Preise für viele alte Möbel sind daher im freien Fall ...
und klingen dann so gut, dass auch Laien aufhorchen müssen. Weichgespülte Sender wie „Klassik Radio“ erklingen mit einer Wärme und Klangtiefe, dass selbst Brahms‘ „Ungarische Tänze“ wieder Spaß machen. Besitzer ertappen sich dabei, dass sie eher dem Radioklang selbst zuhören, als der Hot Rotation. Dank vorhandener Anschlüsse lassen sich aber auch moderne Geräte wie MP3-Player mit dem „Parsifal“ verbinden. Das Radio fungiert dann als Röhren-Endstufe.
Preis: Gut erhalten und spielfähig um die 250 Euro, Tendenz steigend. Reparatur-Adressen finden sich im Netz oder nach Anruf beim örtlichen Radio-Techniker.
Fender Stratocaster
Das Design stammt aus dem Jahre 1954 und wenn ein Laie es heute beschreiben soll, dann sagt er etwas wie: „Eine typische E-Gitarre“.
Die Stratocaster wirkt nicht alt (wie ihr Vorgänger Telecaster), sondern zeitlos und sie funktioniert ohne jede Einschränkung. Man könnte eine der ersten Stratocasters nehmen, das Kabel einstöpseln und loslegen. Sicher, das Vibrato-System ist nicht so stimmstabil wie neue Modelle, aber es ist immun gegen Schäden, quasi unzerstörbar. Statocasters sind von Autodächern gefallen, in Hafenbecken versenkt worden, angezündet etc. – und wurden dann direkt danach auf der Bühne gespielt. Funktional, robust und schön. Wer sie dreht, findet immer neue interessante Blickwinkel. Allein der Korpus, der doch so organisch und einfach wirkt, offenbart noch nach Jahren interessante Rundungen.
Noch besser: Jedes Design-Element folgt hier der Funktion. Die Kabelbuchse ist auch im Bühnenlicht sichtbar und leicht zu erreichen. Das untere Cutaway erleichtert das Erreichen der oberen Bünde, das obere „Horn“ sorgt für die korrekte Balance. Pickupschalter und Regler befinden sich direkt unter der freien Hand. Die Stimmmechaniken liegen alle oben, weil der Musiker sie sehen muss.
Eine neue „Strat“ zu kaufen ist einfach. Ein Standardartikel im Fachhandel. Sonder- und Vintage-Modelle haben aber ihren Reiz. Sammler unterscheiden hier erst einmal zwischen MIA und MIM – Made in
America und Made in Mexico. Erstere stehen höher im Kurs. Dann geht es – grob gesprochen – nach Ausgefallenheit. Das rot-goldene Sunburst-Finish ist gefragter als popelfarbener PULack, Stevie Ray Vaughan als Vorbesitzer begehrter als Klaus Lage. Schön ist auch im Fall eines alten Instruments die Robustheit. Uhren-Revision, TÜV, neue Röhren – all das kann der Besitzer entspannt vergessen. Die Gitarre braucht keinerlei Wartung oder Pflege. Unter normalen Wohnumständen überlebt sie Jahrzehnte ohne Schäden. Sie setzt den Käufer nicht unter Druck. Wenn der mit 30 Jahren noch keine Lust zum Spielen
Gespielt mit der Wärme eines Röhrenradios machen selbst die „Ungarischen Tänze“ von Johannes Brahms wieder Spaß!
Rolex Datejust aus den 80er Jahren mit klassischem „Jubilee“- Armband und Tritium-Leuchtmasse. Keine strahlt schöner!
Briefmarkensammlungen haben ihren Wert über Jahrzehnte erfolgreich vernichtet. Verdikt: Krempel.
hat, dann aber plötzlich mit 50 – kein Problem! Neue Saiten, vielleicht bisschen justieren. Das war’s.
Der angenehmste Weg zum GitarrenKlassiker ist der Besuch bei Fachhändlern wie No. 1 Guitar Center in Altona. Hinter dem Tresen stehen hier meist Liebhaber, die gerne aufklären und seriöse Deals anbieten.
Vintage Rolex Datejust
Die klassische Rolex mit Understatement. Während die Marke heute für große Gehäuse und absurde Preise steht, war die Datejust in Stahl zwischen den 1960er und 80er Jahren einfach eine gute Uhr. Automatischer Aufzug, Datum, Schraubkrone, Metallarmband, zeitloses Design zum Preis eines Facharbeiter-Monatslohns. Der Gehäusedurchmesser von 36 Millimeter ist heute nicht zu groß und nicht zu klein. Im ersten Moment mag sie ein bisschen langweilig erscheinen, aber wenn dann die Frühlingssonne auf der Lünette funkelt oder sie einfach über Wochen mit Schweizer Pedanterie die Zeit hält – dann weiß man: Richtig gute Uhr. Winston Churchill hatte eine, Ian Fleming und auch Muammar al-Gaddafi.
Datejusts sind robust, sollten aber alle zehn Jahre gewartet werden (ab 690 Euro). Im Gegensatz zu vielen Oldtimer-Autos ist eine gewartete „DJ“ aus den 60ern dann alltagstauglich. Allein die nach Jahrzehnten ausgeleierten Metall-Armbänder sollten restauriert oder ersetzt werden.
Nun kommt häufig der Einwand: Warum heute noch eine Uhr tragen, wo doch jeder ein Smartphone bei sich hat?
Weil das Smartphone neben der Uhrzeit ungefragt mitteilt, dass man Messages über vier verschiedene Dienste bekommen hat, sechs Erinnerungen, fünf Updates ... Konzentration adé. Die Datejust hingegen teilt einem die Uhrzeit mit und das Datum. Das reicht.
Wer sich nun eine kaufen will, sei gewarnt: Rolex-Uhren werden häufig gefälscht. Gut kopiert werden allerdings eher die neueren Modelle und weniger die Vintage-Klassiker. Trotzdem sollte man sie nur aus seriösen Quellen kaufen.
Der Hype hat hier bereits eingesetzt. Während gut erhaltene Exemplare vor drei oder vier Jahren noch für 2.000 Euro erhältlich waren, ist eine „DJ“ zum Beispiel aus den 80er Jahren heute kaum noch unter 3.500 Euro zu haben.
nen von Klassikern: Sie nutzen sich nicht ab. Wer etwas Langersehntes kauft und es dann nach wenigen Tagen oder Wochen nicht mehr sieht, also nicht mehr richtig wahrnimmt, der sollte ehrlich zu sich selbst sein: Krempel gekauft. Bei den hier vorge-
stellten Dingen ist diese Gefahr jedoch klein. Die haben nicht nur Wert, sondern auch Persönlichkeit.