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AMTSGERICHT
Das Amtsgericht
Aus dem Amtsgericht Nicht wie bei Amazon
Die Verhandlung um den wegen Betäubungsmittelbesitzes in nicht geringer Menge angeklagten Jonas M. (Name geändert) beginnt mit einer Erklärung, wie es zu der „nicht geringen“ Menge von 10 Gramm Heroin gekommen war. Oder waren es nur 5 Gramm oder sogar 20? Oder vielleicht gar nichts, da das bestellte Heroin nie bei Jonas M. ankam? Es beginnt ein juristisches Wirrspiel, das besonders vom sich begriffsstutzig gebenden Staatsanwalt auf die Spitze getrieben wird. Hier die Kurzform: Der Angeklagte bestellt 2018 bei einem niederländischen Händler im Darknet 5 Gramm Heroin (geringe Menge!) und bezahlt es im Voraus. Der Stoff ist nach ein paar Tagen nicht da. Jonas M. bestellt weitere 5 Gramm und bezahlt diese ebenfalls. (Dass Heroinsüchtige nicht lange auf ihren Nachschub warten können, ist offensichtlich.) Der Händler bietet an, ihm 10 Gramm zu senden (Achtung! Nicht geringe Menge!), sollte auch die zweite Sendung nicht eintreffen. Stattdessen taucht die 10-Gramm-Sendung und eine weiter 10Gramm-Sendung, ebenfalls an den 35-Jährigen adressiert, im Versandzentrum der Post im Emsland auf. Die Polizei stellt sie sicher und es kommt zur Anklage. Der Großteil der dreistündigen Sitzung dreht sich um juristische Spitzfindigkeiten: Ist
ein versuchter Erwerb automatisch auch schon ein versuchter Besitz? Nicht alles ist gleichermaßen strafbar. Ist der Vorsatz auf eine nicht geringe Menge gerichtet gewesen? Als juristischer Laie steigt man für eine Weile aus und wartet auf das Urteil. Eine Kriminalbeamtin wird als Zeugin gehört und beschreibt die Untersuchung der vielen Drogensendungen, die in der Region in der Post gelandet waren. Anschließend kommt die große Stunde des Anwalts, der das Führungszeugnis seines Mandanten reinhalten möchte, um dem Physikprofessor – der seit fast drei Jahren kein Heroin mehr konsumiert – nicht die Karriere zu versauen. Er dekliniert „... fehlende Beweiskraft der Unterlagen ...“ dem Gericht die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Falls vor und bietet alles zwischen Freispruch und geringfügiger Bestrafung. Nur die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug ist damit wegdiskutiert. Besonders die Ausführungen der Beamtin werden so auseinandergedröselt, dass man den Eindruck von schlampiger Arbeit und fehlender Beweiskraft der Unterlagen bekommt. Am Ende ist man so verwirrt, dass man die Grundlage der Anklage nicht mehr versteht. Zum Glück behält die Richterin einen klaren Kopf und verurteilt Jonas M. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 130 Euro. Damit gibt es keinen Eintrag ins Führungszeugnis. AD