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Sagen Sie mal ...
... Frank Wartenberg, Fotograf
Künstliche Intelligenz ist ein heiß diskutiertes Thema. Sie schreibt Klausuren, Bewerbungen und generiert Fotos. Aber hat sich die neue Technologie schon als Teil des Profialltags etabliert oder bleibt sie eine Spielerei?
Artsmart.ai, Midjourney, Supermachine. Es gibt immer mehr frei zugängliche KIs, die Bilder generieren. Ist das ein Hype oder wird sich das langfristig durchsetzen?
Das ist eine gute Frage. Als reiferer Mensch hat man in seinem Leben immer wieder HypeSituationen erlebt, die haben sich so oder so oder so entwickelt. Und ich glaube, dass das sich auch wieder abkühlen wird, denn es ist letztendlich nur ein Tool, was in der kreativen Arbeit eingesetzt werden kann.
Und eigentlich ist KI auch nicht komplett neu, wenn man zum Beispiel an Moods denkt. Es ist jetzt nur frei zugänglich für alle und entwickelt sich ständig weiter.
Spielt KI schon eine Rolle in Deinem Alltag als Fotograf?
Die Antwort ist zweigeteilt. Es spielt noch keine Rolle in meinem fotografischen Alltag, für meine kreative Arbeit. Da bin ich der Künstler und treffe die Entscheidungen. Ich sehe die Möglichkeiten, finde sie interessant, wende ich noch nicht an, vielleicht steige ich tiefer ein und probiere es auch aus.
Natürlich spielt KI im weiteren Sinne aber doch eine Rolle, weil sie schon viel länger in der Branche dabei ist. Die Kameras haben Programme, bei denen die Kamera selbst entscheidet, ob hell oder dunkel, Autofokus und so weiter. Alles, was technische Hilfsmittel sind, nutze ich schon länger und finde das gut.
Kennst du Kollegen, die das schon regelmäßig im Alltag nutzen?
Nein, das liegt aber nicht daran, dass das nicht gemacht wird, sondern dass es unter Fotografen tatsächlich nicht so dieses typische miteinander gibt, sondern wir sind alle Einzelkämpfer.
Kannst du dir Bereiche vorstellen, bei denen KI Dir eine Hilfe sein kann oder wo du sie eventuell nutzen könntest?
Natürlich, ich kann mir immer sehr, sehr viel vorstellen. Ich beschäftige mich auch damit, ich finde das spannend und denke, es ist wichtig, Trends zu verfolgen.
Und trotzdem sehe ich mich aktuell nicht bei den Anwendungsgebieten. Ich mache Porträts, ich mache Bilder von Menschen. Und die entstehen im direkten Kontakt, Mensch zu Mensch. Es geht um Emotionen, um Gefühle, um Verletzlichkeiten. Das Licht spielt eine Rolle. Und letztendlich treffe ich die Entscheidungen, welches Licht, welcher Hintergrund, welche Mimik, welche Pose. Das kann mir keine KI abnehmen.
Das klingt so, als könnte die KI aber in anderen Bereichen der Fotografie schon eingesetzt werden.
Ich bin der Meinung, am ehesten von Werbeagenturen. Eigentlich funktioniert Werbefotografie schon lange so. Da werden oft Bilder zusammengebaut, das eigentliche
Objekt nicht vor dem wirklichen Hintergund abgelichtet oder auch komplett projiziert. Und jetzt kann man noch mehr machen. Jetzt würde man ein Fantasiebild formulieren und einen passenden Prompt absetzen und dann ist man vielleicht schon sehr dicht an dem, was man haben möchte. Es ist quasi ein neuer Zwischenschritt, an dem man weiterentwickeln kann.
Was ist mit Bereichen der Fotografie, wo nicht der Mensch im Vordergrund steht wie bei Porträts? Landschaften, Architektur, Food oder auch Mode?
Da müsste man mit anderen Leuten sprechen. Vielleicht kann KI das irgendwann besser. Dann sind wir auch wieder bei der Frage, ob ein Berufsfeld verloren geht. Ja, vielleicht. Aber die Welt funktioniert so. Immer wieder verändern sich Dinge. Ich sehe das von der kreativen Seite als ein On-Top.
Ist KI also langfristig eine Bedrohung? Kann sie Fotografie ersetzen?
„Ich sehe das, ich find das spannend, ich probiere das. Aber im Alltag brauche ich KI in der Form nicht.“
Nein, sie besetzt aber Teile der Fotografie, wo Bilder entstehen. Das heißt, es wird meiner Meinung nach die Fotografie immer geben, und sie wird erweitert. Es wird eine Mixtur geben.
Es wird sich verbessern, es wird größere Möglichkeiten geben, es wird im Privaten eingesetzt werden und das finde ich gut. Es wird eine Demokratisierung stattfinden. Aber am Ende des Tages muss man selber Ideen haben. Wenn man die nicht hat, dann kann man rumspielen – vielleicht ist das auch ein Talent.
Es kann auch sein, dass man sagt „KI ist im Preisverhältnis günstiger, als wenn wir das wirklich konkret realisieren wollen mit den ganzen Menschen, mit dem ganzen Hintergrund und so weiter und so fort.“ Das ist besonders für Laien toll. Aber wo wird es dann eingesetzt? Im Profibereich wird ja nochmal ein feinere Klinge geschwungen.
Kannst du als Profi Bilder, die KI generiert sind, von „echten“ Fotos unterscheiden?
Dazu gibt es tatsächlich etwas, was passiert ist. Jemand hat ein KI-Bild bei einem Fotowettbewerb eingereicht und hat einen Preis gewonnen. Das heißt, die ganzen Leute, die das bewertet haben, haben das nicht gesehen. Wenn man dann hinterher genau drauf geguckt hat, konnte man es doch sehen. Ich glaube, ich würde das noch erkennen.
Ein Shooting kann auch mal im Wasser stattfinden:
„Man braucht Ideen. Ich bin der Künstler als Fotograf.
Für Kreativität brauche ich keine KI.“
Woran erkennt man den Unterschied?
Es können vielleicht Dinge sein, die zu perfekt sind. Alles, was ich mir bei KI angeguckt habe, ist futuristisch oder entspringt einer
Fantasiewelt. Es ist alles sehr, sehr nah an der Perfektion und nah an der Illustration dran. Bei diesem Bild, was diesen Preis gewonnen hat, sah man hinterher, dass es Unschärfen in einem Randbereich gab und die Hände in einer Bewegung waren, die nicht natürlich war. Es ging beim Gesamtbild nicht um diesen Randbereich. Aber genau darauf würde man achten.
Stellt es eine Gefahr da, wenn Leute das nicht erkennen können?
Das kann ich pauschal nicht beantworten. Was ist denn eine Gefahr? Es wird diskutiert, ob es eine KennzeichnungsPflicht für KI-Bilder geben muss. Dann hätte jeder die Möglichkeit, sich zu informieren, ob es wahr ist, was er da sieht.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass ein Misstrauen gegenüber Fotos entwickelt wird?
Die ist auf jeden Fall da, aber das hat es im- mer schon gegeben. Mit Photoshop gab es immer die Möglichkeit, Bilder völlig zu verändern. Du kannst Dinge hinzufügen, du kannst Dinge rausnehmen und die Aussage ist anders. Vielleicht wäre es ganz schön, wenn man das kennzeichnen würde.
Du meinst, es wird eine Mixtur aus KI und Fotografie geben. Ist es auch möglich, dass KI-Fotos ein ganz eigenes Genre werden und den bisherigen Bereich der Fotografie gar nicht richtig tangieren?
Ja, vielleicht ist es tatsächlich so. Fotografie ist ja auch so vielfältig. In vielen Bereichen ist der zwischenmenschliche Kontakt einfach entscheidend und die Entscheidungen und Ideen des Fotografen. Da kann die KI nicht eingreifen.
Aber dann sehe ich in der InStyle Modefotos, die am Computer generiert wurden und real aussehen. Und KI wird sich noch weiterentwickeln, es gilt die Frage der Bildrechte zu klären, da sind wir noch lange nicht am Ende.
Du meintest, KI-generierte Bilder sind oft perfekt. Ändern sich dadurch die Sehgewohnheiten, so dass man „perfekte“ Bilder erwartet? Ja, natürlich. Aber ich denke, meine Erfahrung ist die, die wir alle gesammelt haben: Die Sehgewohnheiten verändern sich und es ist immer mehr dieser Wunsch nach Perfektionismus da. Der aber, meiner Meinung nach, gar nicht das richtige Ziel sein kann.
Dieser Optimierungswahn ist für meine Idee der Fotografie falsch. Ich bin nie interessiert an dem perfekten Bild gewesen. Ich möchte das perfekte Bild für mich, für meinen Kunden. Aber das Zufällige, das Unperfekte machen oft den Charme dieses Fotos aus. Das sind oft Bilder, die man nicht planen konnte, die in der Situation entstanden sind.
Abschließend: Was kann die KI im Bereich der Fotografie noch nicht leisten?
Das Kreative ist tatsächlich der entscheidende Punkt. Viele Menschen schöpfen das aus sich heraus. Ich schöpfe das auch aus mir heraus und freue mich, wenn das immer wieder so ist, dass ich neue Ideen habe und dass es nicht versiegt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich KI noch nicht nutze, weil bisher eben noch kein Bedarf bestand.
Auch durch dich und unser Gespräch bin ich noch mal deutlich tiefer eingestiegen, was interessant ist. Natürlich wird es im Fokus bleiben, es werden auch schon in meinem Bereich Seminare angeboten. Ich habe überlegt, ob ich das mal mache.
Das bedeutet, dass tatsächlich alles im Fluss ist, dass wir sehen werden, wie lange der Hype anhält und wie weit der Hype noch gehen wird. Ich bin gespannt.
Wir danken dir für das Gespräch.
Fragen: sophie.rhine@funkemedien.de
ZUR PERSON: Frank Wartenberg ist ein international erfolgreicher Fotograf. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg, arbeitet von hier aus, aber auch in London und New York. Seine Bereiche sind vielfältig: Er fotografiert für Modemarken wie Harrods, Bloomingdales oder auch P&C, hat an Kampagnen für Mercedes, Schwarzkopf und Wella gearbeitet oder für Magazine wie Spiegel, Cosmopolitan und Vanity Fair. Auch etliche Prominente standen schon vor seiner Kamera, unter anderem die KlitschkoBrüder, Steffi Graf, Naomi Campbell und natürlich Klaus Schümann.