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DAS SAGT DIE PRESSE « Bildstarke Hommage an das Theater»
Die Uraufführung der musiktheatralischen Séance Selig sind die Holzköpfe! begeisterte sowohl das Publikum wie die Kritik. Jonas Knechts letzte Regiearbeit als Schauspieldirektor wurde gelobt als poetische und ausdrucksstarke Spurensuche, das Kulturmagazin Saiten nannte sie eine «bildstarke Hommage an eine eindrückliche Frau – und an das Theater».
Mit einer Uraufführung um die Figur der Paula Roth, der Bellaluna-Wirtin im Albulatal, verabschiedet sich Schauspieldirektor Jonas Knecht vom St.Galler Publikum. Selig sind die Holzköpfe! ist eine bildstarke Hommage an eine eindrückliche Frau – und an das Theater. […]
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Die Bühne (von Michael Köpke, Licht Andreas Volk) ist ein Stoffparadies. Die Bilder prägen sich ein: Eine träumerische Zauberlandschaft, unter einem weissen Riesentuch versteckt liegen die Kleiderberge, bis sie zum Vorschein kommen. Im Hintergrund tauchen Baumsilhouetten auf und verschwinden, eine Treppe führt in den imaginären Keller hinab. Mit poetischen Bildern wird das Bellaluna so plastisch, wie dies keine Kulisse vermöchte.
Andi Peters und Anna Trauffers LiveMusik verschlickt, beschwingt und verdichtet das Spiel. Die Kostüme (Sabine Blickenstorfer), so schillernd wie die Hauptfigur, Schauspiel und Maskenspiel, alles passt passgenau ineinander. Die Texte des Autor*innen-Teams (Katja Brunner, Anja Horst, Ariane von Graffenried und Martin Bieri) sind teils lyrisch, teils lebenschronologisch, mal assoziativ, mal in Paula Roths eigenen träfen Worten. […]
Mit Selig sind die Holzköpfe! ist Jonas Knecht nochmal dieser Spagat geglückt, mit einem Ensemble und Leitungsteam, das seine Hommage an eine charismatische Frau auch zur Hommage an den scheidenden Schauspieldirektor werden liess. Lang anhaltender Applaus.
Saiten
Jonas Knecht macht aus Paula Roths Leben einen poetischen Bilderbogen. Wenig Biografisches wird angetupft, Knecht folgt dem Mythischen, Mystischen, Verwunschenen der Person Paula Roth und des Ortes im Albulatal. […] Er setzt ganz auf die Kraft seiner Bilder – die haben es in sich. Die Winterlandschaft zu Beginn (Bühne: Michael Köpke) wird zum Winterwald, zur Messielandschaft, zum Messiegebirge, bis der Raum leergeräumt wird und eine leuchtende Jukebox im Dunkeln erzählt. Jonas Knecht fängt Stimmungen ein und zeichnet sie mit sieben Schauspieler*innen und zwei Musiker*innen auf die Bühne. Schafe blöken, Paulas zucken, Uhus erkunden das stille Gasthaus. Mächtige Windstösse legen die Kleiderlandschaft frei, im Kleidergebirge wird versucht, Ordnung zu schaffen (Paula Roth muss messiehaft gelebt haben), Pappköpfe – wie sie Paula Roth ins Fenster stellte, um Einbrecher abzuschrecken – formieren sich zum Tableau. Stimmungsvoll auch die Musik von Anna Trauffer und Andi Peter. Mal Soundteppich mit traumverlorenem Glockenspiel, mal videospielpoppig, mal Choral, mal Schuberts Leiermann zitierend und quergeschnitten mit dem Berner Volkslied vom Vogulisi – die Atmosphären, die Jonas Knecht auf die Bühne zeichnet, setzen Trauffer und Peter in Klang um.
Nachtkritik
Bei den Ermittlungen im Fall Paula Roth tappen die Wachtmeister Branko L. und Gianduri Caviezel auf groteske Weise im Dunkeln. Dem einen geht glatt die Zigarre aus vor lauter Nebel (oder womöglich heimlichem Tränenflor). Der andere ist felsenfest davon überzeugt, dass es sich «um Übertötung» handeln muss. Viel mehr aber bringen die ironischen Cliffhanger der knapp zweistündigen Uraufführung im St.Galler Theaterprovisorium nicht ans Licht über das tragische Ende der Bellaluna-Wirtin 1988. Und das ist kein Fehler. Es soll schliesslich nicht Tatort oder Krimikomödie gespielt werden. Sondern jene Art kritisch-poetisches, in der Region verwurzeltes Heimattheater, mit dem Jonas Knecht 2016 in seiner Geburtsstadt St.Gallen als Schauspieldirektor angetreten ist. Die Mythen, die sich bereits zu Lebzeiten um die aus dem Thurgau stammende Gastwirtin, Naturheilerin und Künstlerin Paula Roth rankten, stiften reichlich Material, um nun zu Knechts Abschied ein Pendant zu seinem fast schon ebenso legendären, 2010 uraufgeführten Stück Vrenelis Gärtli zu kreieren – mit Texten von Katja Brunner, Anja Horst, Ariane von
Graffenried und Martin Bieri. Mit der nie ganz greifbaren Präsenz der Schauspielerinnen und Schauspieler. Nicht zuletzt mit der Livemusik von Anna Trauffer und Andi Peter.
Die beiden hauchen der rauen Bergwelt, dem Haus, den Tieren und Menschen darin Leben ein, Magie: Sie hexen und zaubern, von bassgrundtief bis tierlauthoch; sie spielen mit Evergreens der Verlassenheit, von Eleanor Rigby bis zu Schuberts Leiermann und Samuel Barbers todtraurigem Adagio. Oder sie treiben es bunt wie die überdrehten Städter, die Showprominenten, die im schaurigen Albulatal zwischen schwindelerregend hohen Kleiderbergen schmausen und abhotten, das Hexeneinmaleins im Kanon singend bis zur Sperrstunde. Und immer singt das Ensemble berückend schön.
St.Galler Tagblatt
Regisseur Jonas Knecht erzählt nicht Paula Roths Biografie nach, sondern greift wenige Aspekte aus ihrem Leben heraus. Es ist eine Spurensuche, eine poetische Annäherung an diese ungewöhnliche Frau und ihre Welt.
SRF 2 Kultur