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1. Einleitung

Jonas Nyffeler

Die Ortschaft Osterfingen liegt im Haarteltal, einem Seitental des Südrandens im Kanton Schaffhausen. Eingefasst vom Wannenberg im Norden und dem Rossberg im Süden, öffnet sich das Tal gegen Westen zum Wangental hin, welches in die Klettgauer-Ebene führt (Abb. 3). Im Jahr 2015 wurde am westlichen Ende des Dorfes bei der Anlage einer Rennbahn für Islandpferde der Fundplatz Osterfingen-Haafpünte entdeckt. Der Bau der horizontal verlaufenden Rennbahn erforderte im hangseitigen Bereich einen umfangreichen Geländeabtrag. Die Kantonsarchäologie begleitete die Baggerarbeiten. Dabei wurden mehrere prähistorische Strukturen und eine fundführende Schicht freigelegt und in der Folge eine Rettungsgrabung durchgeführt. DiefreigelegtenFundeundBefundezeigten,dassderSchwemmfächer des Haartelbachs bereits in der Urgeschichte ein beliebter Siedlungsplatz war. Auf der dokumentierten Fläche liessen sich drei verschiedene Nutzungsperioden aus der Spätbronzezeit, der Späthallstatt-/Frühlatènezeit sowie der Spätlatènezeit nachweisen. Weitere Befunde stammten aus dem Hochmittelalter (Abb. 2).1

Die vorliegende Publikation präsentiert die Spuren einer spätbronzezeitlichen Besiedlung. Sie ist der letzte Band der insgesamt dreiteiligen Reihe zur prähistorischen Nutzungsgeschichte des Areals von Osterfingen-Haafpünte. I m Z entrum der Auswertung steht eine mit Brandschutt gefüllte Grube, deren Inhalt einen umfassenden Einblick ins spätbronzezeitliche Osterfingen gewährt.

Band 1 der Auswertungsreihe bietet einen umfassenden Überblick zur Fundstelle mit Informationen über die Geologie der umgebenden Landschaft, über die Grabungstechnik, den allgemeinen Schichtaufbau, die Erhaltung und die Datierung der verschiedenen Nutzungsperioden und ihrer Strukturen. Des Weiteren sind im ersten Band die Siedlungsspuren und Funde der späten Hallstatt- und frühen Latènezeit vorgelegt. Der zweite Band präsentiert die Funde und Befunde eines spätlatènezeitlichen Werkareals mit den Resten von zwei Töpferöfen und mehreren Wegen.

2.Die Fundstelle2

Jonas Nyffeler

2.1 Stratigrafie und Schichtgenese

Die bronzezeitliche Siedlung Osterfingen-Haafpünte lag auf dem Schwemmfächer des Haartelbaches (Abb. 3). Der Bach formte das Haarteltal mit Verlauf nach Westsüdwesten und verlief in geringer Distanz südöstlich der Siedlung. Das Terrain der Fundstelle sinkt nach Südsüdwesten leicht ab (Abb. 4). Gegen Norden steigt es Richtung Wannenberg immer steiler an. Über das gesamte Grabungsareal liess sich ein ähnlicher Schichtaufbau verfolgen (Abb. 5).3 Ergänzt wurden die archäologischen Erkenntnisse mit Ergebnissen einer geoarchäologischen Untersuchung von Sedimentkolonnen aus dem Nordprofil der Felder 10 und 50 (Abb. 10). Die Zusammensetzung der Schichten sowie Beobachtungen zur Erhaltung von Funden und Befunden lieferten verschiedene Hinweise zur Schichtgenese. Die untersuchten Sedimentkolonnen enthielten in allen Schichten teils starke Bioturbationsspuren.4 Entsprechend herausfordernd war das Erkennen von Befunden im Osterfinger Boden, die sich aufgrund diffuser Schichtgrenzen meist sehr undeutlich abzeichneten.5

Wilchingen

Siblingen

Gächlingen

Neunkirch

Oster ngen

Quartär

Holozän - Pleistozän

Bachschuttkegel

Gehänge-, Schwemm-, &Verwitterungslehm

Schwemmlehme

Pleistozän

Moräne - Riss

Rinnenschotter - Riss

Oster ngen-Haafpünte

Tertiär

Oligozän

Obere Meeresmolasse

Eozän

Jüngerer Deckenschotter

Bolustone

Jura

Malm

Weissjura

Dogger

Braunjura

Opalinus-Ton

Lias

1000 m

Trias

Keuper u.a.Stubensandstein

Muschelkalk

Trigonodus-Dolomit

Hauptmuschelkalk

Wellenkalk

Posidonienschiefer

Obliqua-Schichten & Obtusus-Ton

Abb. 3: Topografisches Geländemodell der Umgebung von Osterfingen (Grundlage: Swisstopo: DHM25) mit geologischer Karte (Geologischer Atlas der Schweiz, Blatt 74. Hofmann 1981). Grafik: R. Jagher.

Abb. 4: Das Grabungsareal mit der Ausdehnung der beiden Grabungsetappen und der modernen Topografie vor den Baumassnahmen (M. 1:400). Die überhöhten Profile (M. 1: 250) zeigen den Verlauf der Geländeoberfläche sowie die Oberkanten des Schichtpakets Pos. 764/790 (Oberkante der eisenzeitlichen Befunde) und der Schicht Pos. 18 (Oberkante spätbronzezeitliche Befunde).

Die Schicht Pos. 19 bestand aus siltigen, mit etwas Kalkkies durchsetzten Verwitterungslehmen des Haartelbaches. Bei Überflutungsereignissen lagerte dieser jeweils geringmächtige Sedimenteinträge auf dem Gelände ab. Ein humoser Anteil in Pos. 19 weist auf eine intakte Vegetationsdecke während des Schichtaufbaus hin (soil-sedimentary-system). An der Oberkante von Pos. 19 wurden diverse nicht datierbare Pfostengruben sowie eine ebenfalls nicht datierbare Grube dokumentiert (Abb. 10). Wie weiter unten gezeigt wird, gehören diese Befunde wahrscheinlich zur spätbronzezeitlichen Besiedlung.

Pos. 18 wies eine sehr ähnliche Zusammensetzung wie die darunterliegende Pos. 19 auf, sodass von einer vergleichbaren Ablagerungsgeschichte ausgegangen wird. Im Vergleich dazu sind die Komponenten von Pos. 18 jedoch weniger deutlich geordnet, Kalkpartikel sind korrodiert. Ab der Oberkante dieser Schicht tiefen die spätbronzezeitlichen Befunde ein.

Mehrere Befunde deuteten darauf hin, dass nach der spätbronzezeitlichen Besiedlung des Areals ein bedeutender Sedimentverlust stattfand. Der wichtigste Hinweis war ein fehlender Nutzungshorizont zur spätbronzezeitlichen Siedlung. Oberflä- chennahe Strukturen wie Feuerstellen oder Steinsetzungen waren nicht überliefert. Die korrodierten Kalkpartikel in Pos. 18 zeigten zudem, dass in diesem Bereich taphonomische Prozesse intensiver wirkten als in der darunterliegenden Pos. 19.6 Weitere Hinweise auf die Aufarbeitung und Erosion des Bodens lieferte der Erhaltungszustand mehrerer Gruben. Generell ist diese Befundkategorie mit wenigen Ausnahmen nur noch geringfügig tief erhalten (Befundkatalog). Die Befundgrenzen von Pos. 686 und 1082 fielen im oberen Bereich zudem kontrastärmer aus (Kap. 3.2). An der Oberkante Pos. 18 kaum wahrnehmbar, zeichneten sie sich im Profil in zunehmender Tiefe deutlicher ab. Grube Pos. 1256 wurde nur durch Zufall beim Verlegen einer Telefonleitung 10 cm unter der scheinbar befundlosen Oberfläche von Pos. 18 entdeckt (Kap. 3.2). Ein in der Grube eingegrabenes Lagergefäss (Kat. 92) muss ursprünglich deutlich über dieses Niveau hinaus bestanden haben und weist damit ebenfalls auf einen substanziellen Schichtabbau nach der spätbronzezeitlichen Besiedlung hin (Abb. 5). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch taphonomische Prozesse zahlreiche Strukturen innerhalb der Schicht Pos. 18 relativ stark aufgearbeitet wurden und dadurch auf diesem Niveau kaum oder gar nicht mehr wahrnehmbar waren. Vergleichbare Schwierigkeiten hinsichtlich Befunderhaltung zeichneten sich auch bei Befunden des über Pos. 18 liegenden, eisenzeitlichen Schichtpakets Pos. 764/790 ab. Zahlreiche Strukturen, die aufgrund datierbarer Funde ihrer Verfüllungen an der Oberkante des Schichtpakets hätten erkannt werden müssen, wurden erst auf tieferen Niveaus innerhalb des Schichtpakets oder sogar erst auf Pos. 18 festgestellt.7

Die oben ausgeführten Beobachtungen und die ähnliche Zusammensetzung von Pos. 18 und 19 führten zur These, dass diese beiden Straten ursprünglich eine Einheit bildeten. Erst nach der Aufgabe der spätbronzezeitlichen Besiedlung wurde der

Oberkante späthallstatt-/ frühlatènezeitliche sowie spätlatènezeitliche Befunde

Oberkante spätbronzezeitliche Befunde

Datierung ohne diagnostische Funde: prähistorisch

Datierung ohne diagnostische Funde: Eisenzeit obere Bereich (Pos. 18) mit den darin enthaltenen Befunden durch taphonomische Prozesse stärker aufgearbeitet. Auf der Ausgrabung wurde Pos. 18 deshalb anhand der weniger stark geordneten Komponenten und erodierter Kalkpartikel als eigene Schicht angesprochen und vom unteren Bereich (Pos. 19) getrennt.

Abb. 5 : Schematischer Aufbau der Schichten aus dem Nordprofil von Feld 31, vermutete Situation zur Spätbronzezeit (oben) und bei der Ausgrabung: (3) C-Horizont; (101) steriler, alter Humus; (19) Verwitterungslehm; (18) Verwitterungslehm, Oberkante bronzezeitliche Befunde; (790/764) Verwitterungslehm, Oberkante der eisenzeitlichen Befunde; (2) Verwitterungslehm mit neuzeitlichen Funden; (1) rezenter Humus.

Bei den ab Pos. 19 dokumentierten Befunden handelt es sich damit nicht um eine eigene, ältere Phase. Eher waren auch diese Strukturen ab der damaligen spätbronzezeitlichen Oberfläche eingetieft, liessen sich im Bereich von Pos. 18 aufgrund der schlechten Erhaltung jedoch nicht fassen. Der Grossteil der auf Pos. 19 festgestellten Befunde wies denn auch «erschwerte Entdeckungsbedingungen» auf: Viele der Strukturen waren fundleer (vgl. Befundkatalog), der Grossteil hatten einen Durchmesser unter 25 cm. Der einzige Befund mit einem Durchmesser von über 50 cm war die Grube Pos. 1071 (Abb. 10, Feld 58). Auch die durchschnittliche Erhaltungstiefe aller Strukturen ab Pos. 19 von lediglich 21 cm weist darauf hin, dass das zu den Befunden gehörende Gehniveau deutlich über der erhaltenen Oberkante dieser Schicht gelegen haben muss.

Die Homogenisierung von Pos. 18 könnte zum Teil bereits während der spätbronzezeitlichen Nutzung des Areals durch anthropogene Einflüsse wie die Geländebegehung und Erdumlagerungen oder durch Bodenwühler eingesetzt haben. Im Zuge dessen wurden wohl auch kleinere Keramikfragmente in die Schicht Pos. 18 eingearbeitet. Diese traten regelmässig im ansonsten fundlosen Schichtmaterial auf und liessen sich – soweit möglich – in die Spätbronzezeit datieren. Ein Teil dieser Funde könnte auch aus Verfüllungen spätbronzezeitlicher Strukturen stammen, die zusammen mit dem Schichtmaterial unbeobachtet abgetragen wurden.8

Gründe für die Bodenerosion könnte der Einfluss von Wasser gewesen sein. Mehrere Wasserrinnen deuten darauf hin, dass nach der spätbronzezeitlichen Besiedlung der Haartelbach das Gelände überprägte und zumindest für einen Teil des Schichtabbaus verantwortlich war.9 Ebenfalls denkbar ist eine Erosion des Areals durch landwirtschaftliche Nutzung. Das eisenzeitliche Schichtpaket 764/790 über Pos. 18 (Abb. 5) zeigt, dass der spätbronzezeitliche Nutzungshorizont bereits vor der eisenzeitlichen Besiedlung des Geländes erodiert war. Wohl bis in die moderne Zeit wurde der Boden durch Bioturbation (siehe oben) weiter überprägt und durchmischt.

2.2 Vorgehen10

Die Ausgrabung wurden während zwei Kampagnen vom November 2015 bis Mai 2016 sowie vom Januar bis März 2017 durchgeführt. Die grossflächig freigelegte Oberkante von Pos. 18 markierte meist das untere Ende der Schichtgrabung. In Pos. 18 eingetiefte Befunde wurden vollständig ausgenommen, das sie umgebende Schichtmaterial jedoch nicht abgetragen. Eine Ausnahme bildeten die Felder 10, 15, 50, 55, 57, 58 und 61, wo die gesamte Schicht Pos. 18 abgebaut wurde (Abb. 6). Auf der darunterliegenden Oberfläche von Pos. 19 liessen sich 20 zusätzliche Befunde fassen. Es ist anzunehmen, dass auch auf der übrigen Grabungsfläche Befunde auf der Oberkante von Pos. 19 vorgelegen haben. Dort wurde Pos. 19 sporadisch in Profilen von ab Pos. 18 eingetieften Strukturen dokumentiert.

Abb. 6: Das Grabungsareal mit den jeweils untersten dokumentierten Schichtoberflächen Pos. 764/790 (Eisenzeit), 18 und 19 (Spätbronzezeit) und der natürlichen Rinne Pos. 230 (jünger

Pos. 18).

1:400.

2.3 Befunddatierung

Taphonomische Prozesse führten in Osterfi ngen zu einer herausfordernden Befunderhaltung. Durch die Aufarbeitung des eisenzeitlichen Schichtpakets Pos. 764/790 (Abb. 5) liessen sich zahlreiche eisenzeitliche Befunde erst auf dem darunterliegenden, spätbronzezeitlichen Niveau Pos. 18 erkennen (Kap. 2.1).11 FüreinesichereUnterscheidungvonspätbronzezeitlichen und eisenzeitlichen Befunden ab der Oberkante von Pos. 18 war deshalbdiagnostischesFundmaterialzwingendeVoraussetzung für eine sichere Zuweisung.12 Lagen aus den Verfüllungen keine chronologisch aussagekräftigen Funde vor, konnte keine sichere Datierungvorgenommenwerden.ZweiBefundewurdenimRahmen der Grabungsnachbereitung für eine erste zeitliche Einordnung der Fundkomplexe C14-datiert (Kap. 5). Auf eine serielle Datierung unsicher zuweisbarer Strukturen mit C14-Messungen wurde verzichtet. Auf dem Befundplan Abb. 10 und im Befundkatalog werden diese als prähistorisch angesprochen. Einen Datierungshinweis zu den prähistorischen Strukturen liefert die Horizontalstratigrafie: Südlich der Linie zwischen den Feldern 19 und 59 liessen sich keine Befunde sicher der bronzezeitlichen Nutzungsperiode zuweisen (Abb. 7), sodass sich in diese Richtung wohl eine Grenze der Besiedlung fassen lässt. Bestimmt wurde diese möglicherweise durch den Einflussbereich des Haartelbaches: Die Sedimentschichten Pos. 19 und 18, auf denen die spätbronzezeitliche Siedlung errichtet war, bestanden grösstenteils aus Bachablagerungen und zeugten vom Einfluss des nahen Baches (Kap. 2.1). Dieser dürfte bei Starkre- gen sporadisch über die Ufer getreten sein, weshalb nicht direkt am Wasser gesiedelt wurde. In Kontrast dazu waren sicher datierbare späthallstattzeitliche und jüngere Befunde auch ganz im Süden der Fläche vertreten (Abb. 7). Das dazu gehörige Schichtpaket Pos. 764/790 zeigte zudem kaum Hinweise auf den Einfluss von Wasser. Aus diesem Grund wird vermutet, dass der Bachlauf im Zuge der hallstattzeitlichen Besiedlung verbaut und die betreffende Fläche dadurch nutzbar gemacht wurde.13 Prähistorische Befunde im Süden des Grabungsareals haben deshalb mit grosser Wahrscheinlichkeit einen eisenzeitlichen Ursprung.

Keine der ab der Oberkante von Pos. 19 dokumentierten Befunde enthielt diagnostische Funde; die meisten dieser Strukturen waren fundleer. Die Datierung ihrer Verfüllungen muss somit offenbleiben. Mehrere Argumente seitens Schichtgenese sprechen jedoch dafür, dass diese Befunde ursprünglich mindestens bis an die Oberkante von Pos. 18 reichten (Kap. 2.1). Mit grosser Wahrscheinlichkeit zählen sie deshalb zur spätbronzezeitlichen, in Einzelfällen sogar zur eisenzeitlichen Besiedlung. Dass es sich bei den Befunden ab der Oberkante von Pos. 19 um eine eigene, ältere Nutzungsperiode des Geländes handelt, wird angezweifelt. Auch ältere diagnostische Funde waren äusserst selten: Mit dem Fragment einer schnurkeramischen Steinaxt und einer linearbandkeramischen Scherbe sind vom gesamten Grabungsareal lediglich zwei Einzelfunde bekannt, die älter als die Spätbronzezeit datiert werden konnten.14

Abb. 7: Verteilung der spätbronzezeitlichen, späthallstatt-/frühlatènezeitlichen und spàtlatènezeitlichen Befunde. Die spätbronzezeitlichen Befunde beschränken sich auf die nördliche Hälfte des Grabungsareals.

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