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4.3.3.2 Mikromorphologische Beobachtungen

Der Kern (1) des Lehmfragments

Im Dünnschliff (Abb. 69) zeigt sich der Kern des Lehmfragments (Schicht 1) als kompakter, toniger, feinsandig-siltiger Lösslehm mit wenig Grobsand (5–10%) und regelmässig Feinkies (15–20%, Abb. 70). In der kalkfreien Matrix mit Eisenoxiden ist Quarz, Feldspat und Glimmer in der Sandfraktion vertreten. In der Kiesfraktion sind u.a. Radiolarit und Molassemergel vorhanden. Das rotgelbliche Lehmfragment hat eine Porosität von ca. 10% und weist ein komplexes Gefüge auf (u.a. Kammer- und Rissgefüge). Die Zugabe einer künstlichen Magerung (organischer oder minerogener Herkunft) konnte nicht beobachtet werden. Selten sind organische Reste vorhanden, die als Verunreinigung bei der Verarbeitung des Rohmaterials in dem Lehm gelangten. In einzelnen Zonen weist die Matrix unter gekreuzten Polarisatoren eine schwache bis fehlende Doppelbrechung auf, was auf Hitzeeinwirkung hindeutet.

Der äussere Rand (2) der Lehmoberfläche

Auf der glatten Oberfläche des Lehmfragments (Schicht 2) zeigt sich im Dünnschliff eine 220 µm dicke, stark verglaste Zone, die unter gekreuzten Polarisatoren isotrop ist (Abb. 71). Dies deutet auf das Schmelzen von minerogenen Komponenten im Lehm hin. Im Durchlicht zeigt dieser Bereich deutliche Blasenbildungen (Abb. 72), was für eine hohe Temperatureinwirkung von über 1000 °C spricht.254

Das anhaftende Sediment (3) auf der Lehmoberfläche einem siltig-tonigem Lehm.

Direkt über der verglasten Zone ist im Dünnschliff eine 150 µm mächtige kalkhaltige Auflage (Schicht 3) mit gut erhaltenen Ascherhomboedern erkennbar (Abb. 71 [3a]).255 Die äussere kalkhaltige Partie ist verdichtet und bildet eine ca. 22 µm dicke braungraue Kruste. Diese wird wiederum durch ein lehmiges Umgebungssediment bedeckt (Abb. 71 [3b]).

Für die Lehmkonstruktion kam ein ungemagerter, lösshaltiger Schwemmlehm aus dem Bt-Horizont zum Einsatz, der unweit der Fundstelle natürlich vorkam. Die ursprüngliche Verwendung des Lehms kann mikromorphologisch nicht eruiert werden. Infrage kommt Ofenlehm einer Feuerstelle oder Baulehm eines Gebäudes. Falls es sich um Ofenlehm handelt, fanden an dieser Feuerstelle handwerkliche Tätigkeiten statt, die Temperaturen von über 1000 °C erreichten, wie sie etwa bei metallurgischen Arbeiten entstehen.256 War der Lehm jedoch als Baulehm für ein Gebäude verwendet worden, dürfte dieser während eines Schadfeuers Temperaturen von über 1000 °C ausgesetzt gewesen sein.257 Zudem zeigt die optische Untersuchung des Lehmfragments eindeutig, dass der ursprünglich als mögliche Tünchung angesprochene Bereich kein intentioneller Auftrag, sondern das Resultat eines Brandes ist. Die Verglasung und Bildung von Gasblasen an der äusseren Partie des Lehmfragments (Schicht 2) führt zu einer Lichtbrechung, was unter dem Binokular eine weisse, feinkörnige Erscheinung zur Folge hat. Unter dem Mikroskop konnte, anders als unter dem Binokular, in dieser Zone eine fliessende Grenze beobachtet werden, die auf den nach innen abnehmenden Temperaturgradienten zurückgeht. Farbaufträge, die einen Materialwechsel (u.a. durch den Auftrag einer oxidhaltigen, silikatischen oder kalkhaltigen Schicht) mit sich bringen, heben sich im Dünnschliff durch einen deutlichen Schichtübergang zum Lehm ab. Untersuchungen von verziegelten Wandkonstruktionen mit Bemalung aus der eisenzeitlichen Viereckschanze in Nordheim (D) belegen, dass hohe Temperaturen bis ca. 1000 °C keinen Einfluss auf solche Farbaufträge haben.258 Der anhand von Salzsäure ermittelte Kalkanteil konzentriert sich hauptsächlich auf die äussere glatte Zone des Lehmfragments, der unter dem Binokular ursprünglich der Schicht 2 zugewiesen wurde. Mikromorphologisch konnte der Kalkanteil dank seiner optischen Eigenschaften und der eindeutig erkennbaren Form der Ascherhomboeder der Schicht 3a zugeordnet werden.259 Diese kalkhaltige Aschelage gelangte unmittelbar nach dem Brand auf die glatte Oberfläche des Lehms und ist zusätzlich, wie die Dünnschliffanalyse zeigt, durch ein lehmiges Umgebungssediment überlagert (Schicht 3b).

4.4 Die Tierknochen

Sabine Deschler-Erb

4.4.1 Einleitung

Die Grube Pos. 273 ist der einzige spätbronzezeitliche Befund von Osterfingen, der für eine Auswertung genügend Knochenmaterial geliefert hat. Detaillierte archäozoologische Untersuchungen zu dieser Periode und für diese Region sind immer noch rar.260 Mit der hier vorgelegten Untersuchung kann diese Forschungslücke etwas gefüllt werden.

4.4.2 Material und Befund

Die Grube hatte einen ovalen Grundriss von 2,3 × 1,6 m und war noch ca. 60 cm tief erhalten. Das ausgegrabene Volumen beträgt somit 2,2 m3. Insgesamt wurden hier 427 Knochenfragmente mit einem Gesamtgewicht von 1382,3 g geborgen. Die Funddichte beträgt insgesamt 194 n/m3 bzw. 628,3 g/m3 und ist damit als relativ gering zu bezeichnen. Das Fundmaterial verteilte sich allerdings nicht regelmässig auf die Grube, sondern konzentrierte sich auf die mittleren Schichten Pos. 379 und 343.Die darüber- und darunterliegenden Schichten enthielten jeweils nur wenig Knochenmaterial (Abb. 73).

4.4.3.1 Taphonomie

Das Durchschnittsgewicht beträgt lediglich 3,2 g (Tab.1), was für ein sorgfältiges Einsammeln des Fundmaterials während der Grabung spricht. Neben den vielen Klein- und Kleinstfragmenten fallen fünf relativ schwere (>40 g und <104 g), nicht oder kaum verbrannte Fragmente von Hausrind, Hauspferd und Wildschwein auf.

Gegen 30% der Fragmente weisen neue Bruchkanten auf. Während der Bestimmungsarbeit konnten vor allem bei den verbrannten Knochen einige Passfragmente entdeckt und zusammengefügt werden,261 weitere dürften unentdeckt geblieben sein. Der hohe Fragmentierungsgrad und das relativ geringe Durchschnittsgewicht dürften folglich weniger mit menschlichen Tätigkeiten in der Bronzezeit in Zusammenhang stehen, sondern sind hauptsächlich während und nach der Ausgrabung entstanden. Der geringe Anteil an Knochenfragmenten mit verrundeten Bruchkanten (2,6%) und Carnivorenverbiss (2,6%) spricht dafür, dass das Material rasch und ohne Zwischenlagerung einsedimentiert wurde.

Drei Viertel des Fundmaterials waren mit Feuer in Kontakt. Unter den verbrannten Knochen kommen alle Verbrennungsgrade von bräunlich-grauer Verfärbung bis zu vollständiger Kalzinierung vor. Die Knochen mit Kalzinierungsspuren (>600 °C) machen dabei den grössten Anteil aus (Abb. 74). Dies bedeutet, dass ein grosser Teil der Knochen über einen längeren Zeitraum recht hohen Temperaturen ausgesetzt war. Von Brandspuren betroffen sind die Knochen von Hausrind, Hausschwein, Schaf/ Ziege und Rothirsch; bei Letzterem handelt es sich allerdings nur um eine leichte Verkohlung. Keine Brandspuren finden sich bei Hauspferd, Hund und Wildschwein (Abb. 75).

Feine Zerlegungsspuren sind bei stärker verbrannten Knochen oft schwer zu erkennen. Dies könnte im vorliegenden Falle zumindest zu einem gewissen Grad erklären, wieso nur bei drei Knochenfragmenten Zerlegungsspuren beobachtet werden konnten, bei denen es sich zudem um tiefere Hackspuren handelt, die leichter erkennbar sind. Zwei dieser Knochenfragmente stammen vom Rind, eines von einem Pferd. Das geringe Durchschnittsgewicht und der hohe Fragmentierungsgrad führen dazu, dass nur 102 Fragmente (23,9%) artlich bestimmbar sind. Aus diesemGrundesindweiterearchäozoologischeUntersuchungen nur zum Gesamtkomplex und ohne weitere stratigrafische Unterteilung möglich.

4.4.3.2 Tierartenspektrum

Es fanden sich Überreste sowohl von Haus- als auch von Wildtieren. Dabei handelt es sich aber ausschliesslich um solche von Grosssäugetieren (Tab. 1 und Abb. 75).

Sowohl nach Fragmentanzahl (73,5 n%) als auch nach Gewicht (77,5 g%) ist das Hausrind klar dominant (Abb.76). Hausschwein (12,7 n%, 5,8 g%) und Schaf/Ziege (8,8 n%, 1,3 g%) sind deutlich seltener vertreten. Weitere Haustiere sind mit zwei Hundeknochen (Lendenwirbel und Rippe) und mit einem Equidenknochen (Tibia), wohl von einem Hauspferd, belegt. Es handelt sich um ein distales, unverbranntes Tibiafragment mit deutlichen, längs verlaufenden Hackspuren. Beim distalen Gelenk konnten zwei Masse abgenommen werden (Bd 65,8 mm, Dd 39,7mm). Zwei Knochenfragmente stammen von Wildtieren. Es handelt sich um den Radius eines Rothirsches und die Tibia eines Wildschweins. Der Wildtieranteil beträgt insgesamt 2 n% bzw. 8,5 g%.

Brandspuren n% völlige Kalzinierung

40.0 keine Brandspuren 24.1

Bräunlich-grau (bis ca. 250°C) 2.4

Grau, blaugrau, Kompaktainnenz.T. schwarz (bis ca. 550°C) 4.9 par�elle Verkohlung 13.3 par�elle Kalzinierung 5.9 par�elle Verkohlung und par�elle Kalzinierung 1.2 völlige Verkohlung mit par�eller Kalzinierung 6.8 völlige Verkohlung 1.4

4.4.3.3 Skelettteilspektrum

Unter den drei wichtigsten Tierarten sind quasi alle Skelettregionen vertreten (Tab. 2). Dies spricht dafür, dass die Tiere vor Ort geschlachtet und zerlegt und nicht nur Teile von ihnen hergebracht wurden.

Beim Hausrind sind die Kopfteile, allerdings ohne Hornzapfen, und das Zygopodium (Radius, Ulna, Tibia) im Vergleich zu einem vollständigen Skelett deutlich übervertreten (Abb. 77). Besonders viele Schädelfragmente stammen aus Pos. 343. Es könnte sich dabei um die Überreste eines einzigen, subadulten Individuums handeln.

4.4.3.4 Schlachtalter

Es konnten nur wenige Fragmente altersbestimmt werden (Tab. 3). Beim Hausrind liegen zwölf Knochen von juvenil bis subadulten Individuen sowie eines jungadulten Tieres vor. Vier Fragmente konnten nicht genauer als adult bestimmt werden. Überreste seniler Individuen fehlen. Das deutet darauf hin, dass die Fleischproduktion und nicht die Sekundärnutzung im Fokus stand. Auch die Hausschweine bewegen sich zwischen juvenilsubadult und jungadult, also im Schlachtalteroptimum, das ungefähr bei zwei Jahren lag.

Abb. 77: Skelettteilanteile (g%) der Rinderknochen aus den eisenzeitlichen Strukturen von Osterfingen-Haafpünte in Relation zu einem vollständigen Vergleichsskelett (IPNA Inv. Nr. 2426). (https://ipna.duw.unibas.ch/de/forschung/archaeobiologie/archaeozoologie/methodik/)

Abb. 76: Häufigkeit (n% und g%) der nachgewiesenen Tierarten.

Unter den Knochenabfällen fanden sich einige Fragmente, die zwei Artefakten zugeordnet werden konnten (Kat. 143 und 144, Abb. 78). Beide Objekte wurden aus Rinderrippen hergestellt. Diese sind längs gespalten und weisen Politur auf den flachen Seiten sowie überarbeitete Kanten auf. Bei den meisten Fragmenten ist die lange Seite überarbeitet; bei Kat. 143 ist die Schmalseite abgerundet. Knochen- und Geweihartefakte haben in der Bronzezeit im Vergleich zum Neolithikum deutlich an Bedeutung verloren,262 und eine direkte Parallele zu den Osterfinger Objekten konnte bislang nicht gefunden werden. Sie erinnern mit der Rohmaterialwahl und der Herstellungstechnik am ehesten an die neolithischen Rippenspitzen oder sogenannten Hechelzähne, die für die Textilverarbeitung eingesetzt worden sein sollen. Allerding sind diese Objekte bei der Schmalseite zugespitzt.263 Die Objekte aus Osterfingen müssen also für andere Tätigkeiten eingesetzt worden sein. Rinderrippen mit abgerundeten Schmalseiten könnten auch bei der Textilverarbeitung oder der Gerberei eingesetzt worden sein. Dies würde sich möglicherweise durch trasseologische Untersuchungen feststellen lassen.

4.4.4 Fazit

Grube Pos. 273 hat relativ wenige näher bestimmbare Tierknochenfragmente geliefert. Trotzdem sind gewisse Aussagen zu ihrerZusammensetzungundihrerAblagerungsgeschichtemöglich.

Das Tierartenspektrum entspricht im Grossen und Ganzen den Resultaten anderer archäozoologischer Untersuchungen zu spätbronzezeitlichen Siedlungen der Nord-, Ost- und Zentralschweiz, wie Schleitheim auf der Egg SH, Möriken-Kestenberg AG, Cresta-Cazis GR oder Savognin-Padnal GR:264 Der Anteil der Wildtierknochen ist mit 2 n% bzw. 8 g% für eine Trockenbodensiedlung erwartungsgemäss gering.265 Typisch ist auch, dass in Osterfingen unter den wenigen Wildtierknochen der Rothirsch und das Wildschwein vertreten sind.266 Von ihnen fanden sich keine Kopf- und Fussteile, sondern Überreste der mittleren Extremitäten, was dafür sprechen könnte, dass lediglich die fleischreichen Teile der Jagdbeute in die Siedlung gebracht wurden.

Typisch für spätbronzezeitliche Trocken- sowie Feuchtbodensiedlungen des schweizerischen Voralpengebietes ist die deutliche Dominanz der Rinderknochen; eher ungewöhnlich ist hingegen der sehr geringe Anteil (jeweils unter 20%) von HausschweinundSchaf/Ziege.267 Bemerkenswertistdereinzigenachgewiesene Equidenknochen (488.1, Pos. 341): Es handelt sich um ein distales, unverbranntes Tibiafragment mit deutlichen, längsverlaufenden Hackspuren. Da sonst beim Fundmaterial kaum Zerlegungsspuren festgestellt werden konnten und Equidenknochen an und für sich selten für die Bronzezeit sind, kam die Frage nach der zeitlichen Einordnung dieses Knochens auf. Seine stratigrafische F undlage i nmitten d er Grubenverfüllung spricht allerdings gegen eine jüngere Datierung.

Allgemein lässt sich sagen, dass Pferdeknochen in bronzezeitlichen Siedlungen häufiger und stetiger gefunden werden als in den neolithischen Fundstellen. Trotzdem macht ihr Anteil in der Regel nur bis maximal 8% aus. In der Spätbronzezeit sind sie etwas häufiger als in der Frühbronzezeit vertreten und kommen in Seeufersiedlungen häufiger vor als in terrestrischen Fundstellen. Sie wurden primär nicht als Fleischtiere gehalten, sondern als Reit- und Zugtiere eingesetzt. Ihre Widerristhöhe (WRH) lag zwischen 120 und 140 cm.268 Beim Osterfinger Fund kann zwar keine WRH berechnet werden. Der Vergleich der distalen Tibiamasse mit denjenigeneines Przewalski-Pferdes269,daseineWRH von 134 cm aufwies, lässt ein etwas kleineres, aber in den bronzezeitlichen Rahmen passendes Pferd postulieren. Ob man dieses Pferd zu Lebzeiten als Reit- oder Zugtier eingesetzt hat, lässt sich aufgrund des Knochenfundes nicht sagen. Aufgrund der Hackspuren ist aber davon auszugehen, dass man sein Fleisch kulinarisch nutzte.

Beim Knochenmaterial aus Grube Pos. 273 kann es sich aufgrund des Skelettteilspektrums um Schlacht-, aber auch um Küchenbzw. Speiseabfälle handeln. Bemerkenswert ist der Zustand der Tierknochen: Ein grosser Teil von ihnen muss über einen längeren Zeitraum recht hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen sein. Verschiedene Ursachen könnten dafür infrage kommen: Es könnte sich um Schlacht- sowie Küchen- oder Speiseabfälle handeln, die zufällig in ein Herdfeuer gelangt sind und dann in der Grube entsorgt wurden. Allerdings weisen Vergleichskomplexe oft einen deutlich geringeren Brandspurenanteil auf als derjenige, der bei der Grube Pos. 273 festgestellt werden konnte. 270 Im vorliegenden Falle wäre es daher auch denkbar, dass in einem Haus liegen gebliebene Küchen- oder Speiseabfälle bei einem Gebäudebrand mit Feuer in Kontakt gekommen sind. In solch einem Falle ist nicht unbedingt mit einem hohen Brandspurenanteil zu rechnen, wie das Beispiel des Holzbaugebäudes J der römischen Villa von Biberist zeigt.271 Trotzdem spricht der hohe Brandspurenanteil bei den Knochen von Grube Pos. 273 per se nicht gegen eine Deutung als Hausbrandüberreste. Denn der Brandspurenanteil dürfte davon abhängen, ob und in welchem Ausmass Knochenfragmente vor dem Brand in den Boden eingetreten bzw. mit Erde überdeckt und somit geschützt waren.

Schliesslich ist zu diskutieren, ob es sich bei den Knochen um die Überreste eines Rituals beziehungsweise eines Brandopfers handelt. Bei diesem hätte man Tiere oder Tierteile bewusst einem Feuer ausgesetzt. Unter dem Material von Grube Pos. 273 fanden sich verbrannte Knochen aller drei wichtigsten Tierarten. Dies ist auch in alpinen spätbronze- bis römerzeitlichen Brandopferplätzen der Fall, auch wenn dort die Rinder- und Schaf-/Ziegenknochen im Vergleich zu den Schweinknochen oft übervertreten sind. Es ist aber häufig auch eine Dominanz der Kopf- und Fussknochen festzustellen,272 die in Grube Pos. 273 nicht vorliegt. Auch finden sich in den alpinen prähistorischen Brandopferplätzen oft Metallfunde, u.a. Waffen. Daher müsste es sich hier um ein anderes Ritual gehandelt haben.

In mehreren Gruben des bronzezeitlichen Siedlungsplatzes Altdorf-Römerfeld, Landkreis Landshut (D), fanden sich Konzentrationen von Keramikfragmenten, die A. Stapel als intentionelle Depositionen deutet. Mit diesen vergesellschaftet wurden Knochen diverser Haus- und Wildtiere gefunden, hauptsächlich von Rind, Schwein und Schaf/Ziege, im Fall der Grube 131 auch je einmal Pferd, Rothirsch und Hase. Bei den drei häufigsten Arten sind – wie in Osterfingen – alle Körperregionen gleichermassen vertreten. Allerdings kommen verbrannte Knochen eher selten vor;273 Ausnahmen mit ausschliesslich verbrannten, meist unbestimmbaren Tierknochen fanden sich in Altdorf, Grube 58, sowie in Pilsting-Waibling, Landkreis Dingolfing-Landau (D), Grube 50 und 205.274 Eine rituelle Deponierung der Knochen kann also auch im Falle von Grube Pos. 273 von Osterfingen nicht ausgeschlossen werden. Zu einer solchen Deutung würden auch ein vollständiges Keramikgefäss, mögliche Fragmente eines Mondhorns sowie Teile eines Mahlsteins passen, also Objekte, die ebenfalls im Kontext von Deponierungen bekannt sind (Kap. 3.2).

4.5 Pflanzenreste

Örni Akeret

4.5.1 Einleitung

Aus Grube Pos. 273 wurden zwei Erdproben auf Pflanzenreste untersucht. Sie stammen beide aus Schichten des unteren Verfüllungspakets (Pos. 405 und 606, Abb. 8), einem Konglomerat bestehend aus gebranntem Lehm, siltigem Erdmaterial, Asche und verkohlten Pflanzenresten. Bei der Einfüllung handelt es sich um entsorgten Brandschutt, wobei die Fundzusammensetzung auf die Überreste eines abgebrannten Gebäudes hindeutet. Der archäobotanische Forschungsstand zur Spätbronzezeit in der Schweiz ist mittlerweile relativ gut, was vor allem auch durch die guten Erhaltungsbedingungen in den Seeufersiedlungen begründet ist.275 Abseits der Seen ist der Kenntnisstand lückenhafter, und für den Kanton Schaffhausen ist dies die erste Untersuchung von Pflanzenresten aus der Bronzezeit insgesamt.

4.5.2 Material und Methoden

Die Volumina der beiden Proben unterschieden sich stark: bei Probe 31 aus Pos. 405 waren es 29,0 Liter, bei Probe 32 aus Pos. 606 3,1 Liter. Die Sedimentproben wurden an der Integrativen Prähistorischen und Naturwissenschaftlichen Archäologie (IPNA) der Universität Basel nach der Methode der Halbflotation aufbereitet.276 Dabei wurden Siebe mit den Maschenweiten 4, 1 und 0,35 mm verwendet.277 Die Fraktionen wurden trocken aufbewahrt, da keine feucht erhaltenen Pflanzenreste festgestellt wurden. Sie wurden unter einem Binokular mit Vergrösserungen von 6,3- bis 40-fach ausgelesen. Die 4- und 1-mm-Fraktionen wurden vollständig ausgelesen, aus dem feinsten Sieb wurden zwecks Zeitersparnis Stichproben untersucht. Zur Bestimmung diente die Vergleichssammlung moderner Samen und Früchte der IPNA. Die Nomenklatur der wissenschaftlichen Pflanzennamen richtet sich nach der Checkliste der Gefässpflanzenflora der Schweiz.278

4.5.3 Ergebnisse

Beide Proben erwiesen sich als ausserordentlich fundreich: Probe 31 enthielt 8882 Pflanzenreste, was einer Konzentration von 306,3 Resten pro Liter entspricht, in Probe 32 waren es gar 77’906 Reste, und folglich 25’131,0 Reste pro Liter (Abb. 79). Für Mineralbodenverhältnisse sind solche Werte klar überdurchschnittlich, die Regel sind Konzentrationen im ein- oder zweistelligen Bereich. Auch die Diversität ist beachtlich mit 42 Taxa279 und einer Mindestartenzahl von 36. Sämtliche Reste sind verkohlt erhalten.

Dominiert werden beide Proben vom Weissen Gänsefuss (Chenopodium album). Zu dieser Art dürfte auch der allergrösste Teil der nur als Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae) bestimmten Samen gehören. Letztere konnten nicht auf Artniveau bestimmt werden, da entweder nur der innere Teil des Samens vorhanden war oder weil sie noch nicht voll ausgereift waren. Zusammen machen sie gut 90% aller Funde aus. Dieser hohe Anteil ist aussergewöhnlich. Der Weisse Gänsefuss ist zwar eine häufige Art und kommt in fast allen archäobotanischen Proben seit dem frühen Neolithikum vor. Die Pflanze wächst auch heutzutage regelmässig als Unkraut in Feldern und Gärten oder in Siedlungen. Da sie die Hauptmenge der Funde ausmacht, kann es sich hier nicht lediglich um unbeabsichtigt eingeschleppte Beifunde handeln. Sowohl die Samen wie auch junge Blätter und Sprosse können gegessen werden.280 Aus den Samen kann Mehl gewonnen werden oder sie werden als Brei oder Grütze konsumiert. Sie sind somit ein Getreideersatz und vergleichbar mit Quinoa (Chenopodium quinoa), die zur selben Gattung gehört. Die Blätter können als Gemüse genossen werden, in derselben Art wie Spinat – letzerer gehört ebenfalls zur Familie der Fuchsschwanzgewächse. Beide Verwendungsmöglichkeiten können hier in Erwägung gezogen werden; wobei das Vorhandensein vieler nicht ausgereifter Samen auf das Ernten ganzer Pflanzen hindeutet. Der Erntezeitpunkt muss im Sommer oder Herbst gewesen sein, und falls Blätter gegessen wurden, wäre das auch der Zeitpunkt der Nutzung. Falls Samen genutzt wurden, kann zur Jahreszeit des Verzehrs nichts gesagt werden, da man diese ja viele Monate lang lagern kann.

Der Weisse Gänsefuss wurde schon vor dem Neolithikum als Nahrungsmittel genutzt, wie mesolithische Funde zeigen.281 Er spielte seit Beginn des Neolithikums eine wichtige Rolle, was insbesondere für die Bandkeramik belegt werden konnte.282 Es wird vermutet, dass gerade im Neolithikum der Ertrag von Kulturpflanzen nicht zur Versorgung der Bevölkerung ausreichte und dass Wildpflanzen weiterhin einen unverzichtbaren Anteil an der Ernährung hatten. Gemäss Schätzungen könnte ihr Anteil bis zur Hälfte oder sogar darüber hinaus betragen haben.283 So wurden denn auch grosse Mengen von Samen des Weissen Gänsefusses in einzelnen pfyn- und horgenzeitlichenProbenaus der Fundstelle Zürich-Kanalisationssanierung ZH im Seefeld verzeichnet.284

Die grossen Mengen in Osterfingen-Haafpünte sind dennoch erstaunlich. Da nur eine Grube untersucht wurde, wissen wir nicht, ob der Gänsefuss allgemein eine wichtige Nahrungspflanze war oder ob es sich hier um einen ausserordentlichen Befund handelt. Es könnte sein, dass infolge einer Missernte Mangel an Getreide herrschte, der durch verstärktes Sammeln kompensiert werden musste. Ein eigentlicher Anbau scheint unwahrscheinlich, da sonst regelmässiger grosse Fundmengen bei archäobotanischen Untersuchungen auftauchen müssten.

Kulturpflanzen machen nur 0,2% aller Funde aus, was für vergleichbare Befunde ein sehr niedriger Wert ist. Das Getreidespektrum ist für die Spätbronzezeit nicht aussergewöhnlich, es umfasst die Spelzweizenarten Emmer (Triticum dicoccon) und Einkorn (Triticum monococcum), Spelzgerste (Hordeum distichon/vulgare) sowie Hirse (Panicum miliaceum). Dinkel (Triticum spelta) wird allgemein während der Spätbronzezeit auch häufig angebaut;285 sein Fehlen hier dürfte eher auf die geringe Anzahl untersuchter Proben als auf eine tatsächliche Abwesen- heit zurückzuführen sein. Hülsenfrüchte sind ebenfalls ein wichtiger Teil des spätbronzezeitlichen Speiseplans. Sie sind in Osterfingen durch den Fund einer Ackerbohne (Vicia faba) belegt.

Erwähnung verdienen auch die relativ zahlreichen Funde von Leindotter-Samen (Camelina spec.). Es war nicht möglich, sie bis auf die Art zu bestimmen, somit ist nicht klar, ob es sich um die kultivierte Camelina sativa oder um eine der Unkrautarten handelt. Die Samen dieser Arten sind ölreich, das bedeutet, dass sie sich in verkohlter Form nur schlecht erhalten. Als Vergleich können hier die ebenfalls ölreichen Leinsamen (Linum usitatissimum) dienen: In Proben von Zürich-Parkhaus Opéra ZH waren nur 8,5% der Samen verkohlt erhalten, die restlichen lagen in Feuchterhaltung vor.286 Dies lässt die Vermutung zu, dass es sich ursprünglich um eine deutlich grössere Anzahl von Leindottersamen handelte, dass sie somit eine nicht unwesentliche Bedeutung hatten und dass es sich folglich wahrscheinlich um den angebauten Leindotter handelte. Diese Ölpflanze taucht im Gebiet der heutigen Schweiz seit der Spätbronzezeit auf,287 scheint hier allgemein aber nie eine herausragende Rolle zu spielen wie im nördlichen Mitteleuropa288 oder im nördlichen Frankreich.289

Dass das Sammeln von Wildpflanzen von Bedeutung war, wurde oben schon angesprochen. Neben dem Gänsefuss konnten als Nahrungspflanzen Haselnüsse (Corylus avellana), Wacholderbeeren (Juniperus communis), Holzäpfel (Malus sylvestris), Schlehen (Prunus spinosa), Beeren vom Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum) und Eicheln (Quercus spec.) nachgewiesen werden. Letztere sind heute bei uns als Nahrungsmittel nicht mehr im Gebrauch, finden sich aber sehr regelmässig in prähistorischen Befunden. Sie sind sehr kalorienreich, müssen aber vor dem Verzehr durch Wässern oder Rösten geniessbar gemacht werden.290 Durch Missgeschicke beim Rösten kam es dann auch zum Verkohlen. In bronze- und eisenzeitlichen Fundstellen tauchen Eicheln regelmässig auf.291

Bei den Unkräutern handelt es sich grösstenteils um Arten, die in den Feldern wachsen; sie dürften mit dem Erntegut zur Fundstelle gelangt sein. Fünf weitere Arten wachsen heutzutage bevorzugt auf Wiesen und Weiden. Dies passt zur Beobachtung an anderen Fundstellen, dass sich Grünland in unserer Region ab der Spätbronzezeit entwickelt,292 während zuvor Tierfutter und Weidegründe nur im Wald vorhanden waren. Von den Grünlandpflanzen war das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) besonders zahlreich. Diese Pflanze wird bis in die heutige Zeit als Heilpflanze genutzt, vor allem zur Beruhigung, als Antidepressivum und zur Wundheilung. Ob sie in Osterfingen in dieser Art genutzt wurde, muss offen bleiben, der Erntezeitpunkt spricht eher dagegen, denn der optimale Zeitpunkt wäre die Blütezeit und nicht die Samenreife.

Die beiden Proben lieferten somit eine reiche Ausbeute an verkohlten Sämereien. Es handelt sich grösstenteils um Nahrungspflanzen, wir haben es also mit verkohlten Vorräten zu tun oder mit Nebenprodukten der Essenszubereitung. Ein Hausbrand dürfte sich kurz nach einer schlechten Getreideente zugetragen haben, die man durch intensives Sammeln von Wildpflanzen zu kompensieren versuchte. Die Brandrückstände wurden rasch in die Grube Pos. 273 eingefüllt. Für einen schnellen Einfüllvorgang sprechen die hohen Konzentrationen und der gute Erhaltungszustand. Verkohlte Pflanzenreste sind brüchig und werden rasch fragmentiert, wenn sie längere Zeit der Witterung ausgesetzt sind. Dies unterstützt die These einer raschen Einfüllung, die auch aufgrund der Oberflächenerhaltung der Gefässkeramik (Kap. 4.1.6.3) und der archäozoologischen Ergebnisse (die Tierknochen zeigen kaum Verbissspuren, Kap. 4.4.3.1) aufgestellt wurde.

5. Datierung

Miriam Hauser

Zur Datierung der bronzezeitlichen Befunde von Osterfi ngenHaafpüntewurdenzweiMethodenherangezogen:dietypochronologische Einordnung des Fundmaterials sowie eine C14-Datierung von Holzkohleproben aus der Grube Pos. 273 und der Bachrinne Pos. 726. Erstere Methode stützt sich ausschliesslich auf die Keramik. Der Bronzering (Kat. 78) und das Fragment einer Rollenkopfnadel (Kat. 79) konnten die Datierung nicht näher eingrenzen.293

Die Form- und Verzierungselemente der Keramik konnten basierend auf der typochronologischen Einordnung nach Sperber und verschiedenen Vergleichsfundstellen in die Stufe Ha A2 kurz vor den ersten Seeufersiedlungen eingeordnet werden (Kap 4.1.8.4). Insgesamt zeigt sich damit eine Datierung um 1150–1050 v. Chr.

Dieser typochronologischen Einordnung gegenüber stehen C14-Analysen von Holzkohleproben, die im Rahmen der Grabungsnachbereitung an der ETH Zürich durchgeführt wurden. Drei der Proben (Pos. 373 bis 616, Abb. 8) wurden aus der ma-terialreichen Grube Pos. 273 entnommen. Die beiden anderen Proben stammen aus der Bachrinne Pos. 726 (aus den Verfüll-schichten Pos. 757 und 758, Abb. 21). Beide Befunde wurden auf Basis der Keramik der Stufe Ha A2 zugeordnet (siehe oben). Die drei Proben aus Pos. 273 decken zusammengefasst im σ2-Bereich die Zeitspanne 1390–1055 v. Chr. ab, die Proben aus Bachrinne Pos. 726 den Zeitraum 1375–1115 v. Chr. (Abb. 80). Das typologisch bestimmte Ergebnis von 1150–1050 v. Chr. liegt noch ganz am Ende dieser Zeitspanne (Abb. 81).

Diese Diskrepanz ist nicht neu. A. Mäder führte bei seiner Untersuchung der Brandstellen und Brandbestattungen von Elgg an geeigneten Holzkohleproben sowohl C14-Analysen wie auch eine Dendrodatierung durch.294 Das Ergebnis war ernüchternd. Nur zwei der acht C14-Sequenzen deckten sich mit den ermittelten Dendrodaten, und dies auch nur peripher.295 Alle anderen Proben wiesen eine Abweichung von 50 bis 100 Jahren in beide Richtungen auf.

Für den Moment müssen die Ursachen dieser Abweichungen offenbleiben. Mit Greifensee-Böschen steht jedoch eine gut stratifizierte Fundstelle als Orientierungspunkt zur Verfügung. Mit Ausnahme der Grube Pos. 686 steht das Material von Osterfingen-Haafpünte dieser Fundstelle so nahe, dass die typologische Zuordnung zur Phase Ha A2 hier ausser Frage steht. Unsicherheiten bestehen lediglich in der absoluten Datierung dieser Stufe, die je nach Forschungsmeinung um 1155–1085 v. Chr.296 oder um 1130–1060 v. Chr.297 liegen kann. Beide Ansätze liegen jedoch innerhalb des durch C14 bestimmten Zeitrahmens. Insofern erlaubte die typochronologische Bestimmung des Materials in die Stufe Ha A2 eine engere Eingrenzung der Datierung im Vergleich zu den C14-Daten.

Davon abzugrenzen ist das Material aus Grube Pos. 686. Hier liegen keine C14-Daten vor, weshalb das Material ausschliesslich typologisch datiert wurde. Einige Merkmale können laut Sperber in der frühen Phase seiner Stufe IIa (Ha A1) noch vorkommen. Somit zeichnet sich hier eine Datierung um 1350–1250 v.Chr. ab (Kap. 4.1.8.3).

Das Areal Osterfingen-Haafpünte wurde demnach in der Spätbronzezeit zu zwei unterschiedlichen Zeiten genutzt. Lässt sich in der Stufe Bz D lediglich die Grube Pos. 686 nachweisen, lassen die Befunde der Stufe Ha A2 auf eine kleine Siedlung schliessen (Kap. 3). Ob diese beiden Nutzungsphasen miteinander zusammenhängen, muss vorerst offenbleiben.

Pos.757, ETH-95121

Pos.758, ETH-95123

Pos.373, ETH-95120

Pos.615, ETH-95118

Pos.616, ETH-95119

Abb. 80: Ergebnis der C14-Analyse an Holzkohlen aus der Grube Pos. 273 (Pos. 373, Pos. 615 und Pos. 616) und der Bachrinne 726 (Pos. 757 und Pos. 758).

Keramik Pos. 686

Keramik übrige Befunde

C14-Datierung Pos.273

C14-Datierung Pos.726

Abb. 81: Die Keramik aus Osterfi ngen-Haafpünte kann typologisch in die Stufe Ha A2 eingeordnet werden (1150-1050 v. Chr.). Das Material aus Grube Pos. 686 ist mit Merkmalen aus der Stufe Bz D deutlich älter und gehört in die Zeit um 1350-1250 v. Chr. Dem gegenüber stehen die C14-Messwerte aus Grube Pos. 273 (1390-1055 v. Chr.) und der Bachrinne Pos. 726 (1375-1115 v. Chr.).

6. Synthese

Miriam Hauser/Jonas Nyffeler

Die spätbronzezeitlichen Befunde von Osterfingen-Haafpünte stammen von einer ländlichen Siedlung. Diese erstreckte sich über die gesamte nördliche Hälfte des Grabungsareals (Abb. 10). Ihre ursprüngliche Ausdehnung ist unbekannt; lediglich Richtung Süden liess sich eine befundleere Zone fassen, die die Grenze der Siedlung markieren könnte. Möglicherweise wurde dieser Bereich damals von Zeit zu Zeit vom weiter südlich gelegenen Haartelbach überflutet und aus diesem Grund als Siedlungsfläche gemieden.

Erosive Prozesse führten nach der spätbronzezeitlichen Besiedlung zu einem bedeutenden Schichtverlust. Bis in die heutige Zeit erhalten hatten sich nur noch tiefer in den Boden eingreifende Strukturen. Nutzungshorizonte und oberflächennahe Befunde wie Feuerstellen oder Steinsetzungen waren auf dem Grabungsareal nicht überliefert. Die Silogrube Pos. 1082 sowie das eingegegrabene Grossgefäss Pos. 1256 sind mit der Vorratshaltung in Verbindung zu bringen. Die primäre Funktion weiterer Gruben lässt sich nicht mehr ermitteln. In der Bachrinne Pos. 726 wurde während der spätbronzezeitlichen Besiedlung Abfall entsorgt. Diese wurde erst nach der Aufgabe der Siedlung vollständig mit Schwemmsedimenten verfüllt.

Hinweise auf konkrete Gebäudestandorte innerhalb der Siedlung fehlen. Brandschutthaltige Verfüllungen aus der Grube Pos. 273 belegen jedoch die Existenz eines abgebrannten Gebäudes: Hitzespuren an Keramik (Kap. 4.1.6.1), Knochen (Kap. 4.4.3) und gebranntem Lehm (Kap. 4.3) stammen von einem Feuer mit Temperaturen über 1000 °C. Da auf dem Grabungsperimeter Pfostengruben nur selten nachgewiesen sind, kommt als Konstruktion am ehesten ein Schwellenbau infrage. Der im Brandschutt enthaltene, gebrannte Lehm weist auf Wände aus Fachwerk hin. Beim verwendeten Baumaterial handelt es sich um einen umgelagerten, lösshaltigen Schwemmlehm (Kap. 4.3.2). Lokale Vorkommen (vgl. Abb. 3) legen nahe, dass dieser in unmittelbarer Nähe zur Siedlung abgebaut wurde. Da sämtliche dokumentierten Gruben grösstenteils hitzeversehrte Keramik enthielten (Abb. 48), ist es möglich, dass Reste des abgebrannten Gebäudes auch in weiteren Gruben deponiert wurden. Eine andere Möglichkeit wäre, dass weitere mögliche Gebäude der Siedlung in das Brandereignis involviert waren.

Das Formenspektrum und die Verzierungselemente der Keramik datieren mehrheitlich in die Stufe Ha A2, kurz vor Beginn der spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen (siehe Kap. 4.1.8.4). Aus dieser Zeit stammen nahezu alle datierbaren Befunde. Die typochronologisch bestimmte Datierung der Keramik lässt sich in das weit gefasste Zeitfenster der C14-Messwerte einfügen298 und erlaubt eine zeitliche Eingrenzung des Besiedlungszeitraums um 1150–1050 v. Chr.

In Grube Pos. 686 fanden sich hingegen Gefässformen und -verzierungen, die in die Stufe Bz D einzuordnen sind und daher in einen Zeitrahmen um 1350–1250 v. Chr. gehören. Möglicher- weise stammt Grube Pos. 686 aus einer älteren Siedlungsphase. C14-Messdaten liegen aus dem Befund nicht vor. Das Verhältnis der Grube Pos. 686 zu den übrigen spätbronzezeitlichen Strukturen ist schwierig einzuschätzen. Aus der Bachrinne Pos. 726 sind keine Bz-D-zeitlichen Funde bekannt, jedoch wurde diese auch nur ausschnitthaft ergraben und nicht bis zur Sohle dokumentiert. Auch die übrigen Befunde der Stufe Ha A2 beinhalten keine identifizierbaren sekundär verlagerten Altfunde, die auf eine Belegung des Areals in der Stufe Bz D hinweisen. Da keine Befundüberschneidungen beobachtet werden konnten, muss es sich in beiden Siedlungsphasen um eine lockere Nutzung des Areals gehandelt haben. Pos. 686 liegt am nördlichen Rand des Grabungsareals (Abb. 10); es ist gut möglich, dass sich jenseits der Grabungsgrenze weitere zeitgleiche Strukturen im Boden befinden. Zwischen den Phasen besteht ein Unterbruch von etwa 100 Jahren.

Die Keramik gehörte zum grossen Kulturraum der französischrheinisch-schweizerischen Gruppe, die sowohl den Klettgau wie auch das Hochrheingebiet umfasste und bis zu den Seeufersiedlungen der Zentral- und Ostschweiz reichte. Einzelne Gefässe sprechen aber auch für Beziehungen in nordöstliche Richtung, zum Hegau und zum Bodenseegebiet. Hier ist der Einfluss der untermainisch-schwäbischen Gruppe spürbar.

Archäozoologische und -botanische Proben aus Grube Pos. 273 gewähren einen Einblick in die Landwirtschaft der Siedlung. Das häufigste Haustier im spätbronzezeitlichen Osterfingen war das Rind. Altersbestimmungen zeigen, dass es hauptsächlich für die Fleischproduktion gehalten wurde. Die Nutzung seiner Arbeitskraft lässt sich an den Funden nicht direkt nachweisen; als Zugtier war es für Ackerbau und Rodungsarbeiten aber sicherlich von Bedeutung. In diesem Zusammenhang könnte auch der einzige überlieferte Equidenknochen stehen, auch der Einsatz als Transport- oder Reittier ist denkbar. Das Hausschwein sowie Schaf/Ziege sind deutlich seltener als das Rind vertreten. Der Nachweis von jeweils einem Wildschwein- und einem Hirschknochen bestätigt das bereits bekannte Bild, dass die Bedeutung der Jagd für die bronzezeitliche Ernährung nur noch eine geringe Rolle spielte (Kap. 4.4.4).

Erstaunlich ist der geringe Anteil an Kulturpflanzen am Gesamtspektrum der verkohlten Reste von 0,2%. Im Gegenzug sind der Weisse Gänsefuss und nicht näher bestimmbare Fuchsschwanzgewächse mit 90% vertreten. Da die botanischen Proben nur aus einem Befund (Pos. 273) stammen, sind sie für die gesamte Siedlung nicht repräsentativ. Dass diese Sammelpflanze den Probebestand so dominiert, weist jedoch auf einen klimatisch ungünstigen Sommer und eine schlechte Getreideernte hin. Die Ausfälle wurden mit intensivem Sammeln von Wildpflanzen –neben dem Weissen Gänsefuss auch Haselnüsse, Holzäpfel, Schlehen, Wacholderbeeren und Eicheln – ausgeglichen. Generell verweist das Pflanzenspektrum auf eine geöffnete Landschaft; der Weisse Gänsefuss und weitere nachgewiesene Unkräuter wuchsen in Feldern und gelangten mit dem Erntegut in die Siedlung. Weitere Arten stammen von Wiesen und zeigen, dass die Landschaft Osterfingens auch von Grasland geprägt war (Kap. 4.5). Dies war denn auch eine wichtige Grundlage für die intensivierte Rinderhaltung (siehe oben).

Von der Hypothese ausgehend, dass der Brandschutt aus Grube Pos. 273 (siehe oben) von einem einzelnen Haus stammt, lassen sich anhand der Funde Aussagen zur Ausstattung dieses Gebäudes machen. Rückschlüsse aufgrund fehlender Fundgattungen sind jedoch problematisch, da das Inventar nur ausschnitthaft vorliegt.

Die wenigen Objekte aus Bronze (Kap. 4.2.1) spiegeln die für Landsiedlungen typische Bronzearmut im Fundmaterial wider. Sie sind ein Hinweis darauf, dass der Brandschutt gezielt auf das wertvolle Material hin durchsucht wurde. Denkbar ist auch, dass die wertvollsten Gegenstände des Haushalts – dazu gehörten sicherlich auch die Bronzeobjekte – aus dem brennenden Gebäude vor seiner kompletten Zerstörung nach draussen gerettet werden konnten.

Insgesamt konnten mindestens 73 Gefässe für Pos. 273 nachgewiesen werden. Die grösste Formengruppe bilden dabei die Schalen, die zusammen mit breiten Schulterschüsseln als Serviergeschirr verwendet wurden (44% des Inventars). Besonders die konischen Schalen mit ihrer sehr flachen, ausladenden Form und der sorgfältigen Bearbeitung und Verzierung dürften zum repräsentativen Geschirr gehört haben (Kap. 4.1.4.2). Ebenso zum «gehobenen» Geschirr zählten die kleinen Schulter- und Halsgefässe. Diese konnte man als Trink- oder Schöpfgefässe nutzen (14%). Die Seltenheit dieser Gefässgruppe ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass hierfür sicher auch organische Behälter aus Holz und Horn genutzt wurden. Einzelne grobkeramische Trinkgefässe, die den bikonischen Gefässen zugeordnet werden können (Kat. 37, 38), waren deutlich einfacher gestaltet und daher wohl eher für den alltäglichen Gebrauch bestimmt. Ein beachtlicher Teil der Gefässe diente vermutlich der Vorratshaltung (ca. 37%), wozu man Gefässe mit grossem Fassungsvermögen verwendete. Auffallend ist das weitgehende Fehlen von Kochgeschirr (6%), das durch mittelgrosse Töpfe repräsentiert ist. Zu beachten ist jedoch, dass bei den Töpfen eine strikte Abgrenzung zwischen Vorrats- und Kochtopf nicht immer möglich ist.

Bisher ist die Vergleichsbasis für spätbronzezeitliche Hausinventare nur sehr dünn. In Ürschhausen-Horn TG wurde an den Überresten des abgebrannten Hauses 5 keine sekundäre Umlagerung beobachtet. Das darin enthaltene Fundmaterial kann daher als ungestörtes, vollständiges Hausinventar angesehen werden.299 Das Material umfasste fast 80 Gefässe, wobei etwa die Hälfte aus Schalen und Schüsseln und etwa 40% aus Töpfen bestand. Becher waren hingegen selten (9%).300 Auffallend ist, dass der Grossteil der Keramik offenbar ausserhalb des Gebäudes entlang der Hauswand gelagert wurde.301 Gleiches wurde auch bei anderen Häusern in der Siedlung beobachtet.302

Sollten in Osterfingen-Haafpünte die Gefässe auf ähnliche Weise gelagert worden sein, muss also nicht zwangsläufig das gesamte Hausinventar beim Brand zerstört worden sein und gelangte auch nicht in die Grube Pos. 273.

Wie schwierig die Definition eines Hausinventars ist, zeigt auch das Beispiel aus Zug-Sumpf ZG. Während das Material aus der Häusergruppe 3/4 ausschliesslich aus feinkeramischen Schalen, Schüsseln und wenigen Bechern bestand, wurden bei der be- nachbarten Häusergruppe 5/6 fast nur grobkeramische Töpfe und Krüge gefunden.303 Offenbar wurden die Gebäude auf unterschiedliche Weise genutzt.

Das «Standard-Hausinventar» der Spätbronzezeit existiert also nicht. Die Zusammensetzung der Gefässe aus Pos. 273 erlaubt jedoch jede Nutzung, die im Alltag wichtig war: von der Aufbewahrung über das Zubereiten bis zum Konsum. Das Material besteht dabei sowohl aus repräsentativem wie einfach gehaltenem Geschirr. Man kann also zu Recht von einem umfassenden und reichen Keramikensemble für dieses Haus sprechen.

Unter den Funden der Grube Pos. 273 befanden sich auch drei Fragmente eines möglichen Mondhorns (Kat. 77, Kap. 4.2.2). Die unscheinbaren Standfussbruchstücke gelangten ebenfalls als Teil des Brandschuttes in die Grube; Hinweise auf eine besondere Behandlung dieser Gegenstände, wie es bei der vollständigen, deponierten Schale mit Henkel Kat. 17 (siehe unten) nachweisbar war, liegen nicht vor. Das Mondhorn gehörte demnach wohl ebenfalls zur Ausstattung des abgebrannten Gebäudes. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Seeufersiedlungen des Schweizer Mittellands, wo Mondhornfragmente nicht an einem ausgewählten Ort, sondern weit in den Siedlungen verstreut angetroffen wurden. In Zürich-Alpenquai ZH und Auvernier-Nord NE beispielsweise wurden Mondhörner meist einzeln oder in Paaren im Bereich von (Wohn-)Gebäuden gefunden.304 Die kultisch-religiöse Funktion der Objekte stand möglicherweise in engem Zusammenhang mit dem Haus oder einem Teil des Gebäudes selbst, beispielsweise als Abwehr- oder Schutzzauber. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz der Mondhörner bei rituellen Handlungen, die durch die Hausgemeinschaft vorgenommen wurden.

Der hohe Anteil an Samen des Weissen Gänsefusses im Brandschutt (siehe oben) legt nahe, dass diese Pflanze im abgebrannten Haus als Vorrat gelagert oder verarbeitet wurde. Sofern nicht nur die Samen, sondern auch die Blätter gegessen wurden, gibt dies einen Hinweis auf den Zeitpunkt des Brandereignisses im Sommer oder Herbst. Der verschwindend kleine Anteil an Kulturpflanzen lässt vermuten, dass solche nicht im Gebäude gelagert wurden.

Die Tierknochen aus der Grube sind zum Grossteil wohl als Speiseabfälle anzusprechen, die beim Kochen und Essen von Fleisch anfielen. Denkbar ist jedoch auch die Lagerung einzelner geräucherter Fleischteile am Knochen innerhalb des Gebäudes.

Aufgrund des Fundspektrums aus der Grube Pos. 273 – nebst den vielfältigen Keramikformen, wenigen Bronzefunden, Pflanzenresten, Tierknochen und dem Mondhornfragment auch das Bruchstück eines Mahlsteins – lässt sich das abgebrannte Gebäude als Wohngebäude ansprechen. Hinweise auf handwerkliche Tätigkeiten fehlen. Die geringen Verwitterungsspuren an den Knochen, der Keramik und verkohlten Pflanzenteilen sprechen dafür, dass die Reste des Gebäudes bereits kurz nach dem Brandereignis in Grube Pos. 273 verfüllt wurde.

Der auffälligste Fund aus Grube Pos. 273 lässt sich nicht dem Brandschutt zuweisen. Es handelt sich um die vollständige, nicht durch Hitze versehrte Schale Kat. 17. Sie lässt sich als rituelle Deponierung ansprechen. Sie war vom Brandschutt umgeben, der Grossteil der Fragmente war mit dem Mahlsteinfragment Kat. 81 überdeckt. In Gruben deponierte Keramikgefässe waren in der Spätbronzezeit ein weit verbreitetes Phänomen.305 Vergleichbare Befunde aus Süddeutschland, Tschechien und Österreich legen nahe, dass der Brandschutt zusammen mit der unverbrannten Schale im Rahmen eines Rituals in die Grube verfüllt wurde. Ähnlichkeiten zeigen auch drei weitere Gruben in Osterfingen: Pos. 686, 700, 1082 enthielten nebst den in allen Befunden vorherrschenden, hitzeversehrten Funden (Kap. 4.1.6.1) ebenfalls die Reste je eines unverbrannten Gefässes, die sich zu einem Grossteil zusammensetzen liessen. Womöglich ist auch in diesen Fällen von Gefässdeponierungen auszugehen, die wohl im selben Kontext wie bei Pos. 273 ausgeführt wurden (Abb. 82). Dass in der typologisch älter datierten Grube Pos. 686 ebenfalls dieses Muster auftritt, spricht für eine gewisse Tradition dieser Deponierungssitte. Alle Gruben zeigen eine unterschiedliche Form und Grösse, sodass für die Deponierung von einer sekundären Verwendung bereits bestehender Gruben ausgegangen wird.

Abschliessend lässt sich anhand der Grube Pos. 273 sagen, dass das Areal nicht direkt nach dem Hausbrand aufgelassen wurde. Der Brandschutt wurde wahrscheinlich auf Bronzeobjekte hin durchsucht und zumindest ein Teil der Hausreste in eine oder mehrere Gruben gefüllt. Die Motivation für das Deponieren des Brandschuttes konnte vielschichtig sein. Einerseits wurde damit das Gelände geräumt und der Baugrund für einen möglichen Nachfolgebau vorbereitet. Ob die Besiedlung nach dem Schadfeuer auf dem Areal fortgeführt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Andererseits zeigen die niedergelegten Gefässe, dass die Deponierung des Brandschuttes (auch) aus einer religiösen Motivation heraus erfolgte. Welches Gedankengut sich hinter dieser Handlung verbirgt, muss offenbleiben.

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