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4.1.4 Verzierungen

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4. Die Funde

4. Die Funde

4.1.4.1 Verzierungstechniken

Am Material von Osterfingen-Haafpünte konnte eine Reihe von Verzierungen beobachtet werden. Diese weisen verschiedene Richtungsverläufe auf:

• Horizontal: das Gefäss umlaufend.

• Hängend: leicht schräg und vertikal verlaufend. Dieses Muster ist meist an der Gefässschulter zu finden.

• Konzentrisch: bogenförmig verlaufende Muster. Sie sind meist auf der Innenseite von Schalen zu finden.

• Halbkreisförmig: Das Muster bildet exakt einen Halbkreis.

Folgende Techniken (Abb. 34) lassen sich im Material voneinander unterscheiden: horizontal hängend konzentrisch halbkreisförmig

• Ritzlinien: Ritzverzierungen werden mit einem spitzen Gegenstand wie z.B. einer Nadel angebracht. Mit dieser Verzierungstechnik kann eine grosse Bandbreite an feinen Mustern erzeugt werden (z.B. Kat. 19). Einfache Ritzlinien verlaufen meist horizontal, für die Innenverzierung von Schalen können sie jedoch auch konzentrisch sein. Ein Halsgefäss wies zudem hängende Ritzlinien auf (Kat. 96).

• Doppelritzlinien: Die Technik entspricht den einfachen Ritzlinien. Hier verlaufen jedoch stets zwei Ritzlinien sehr dicht und parallel zueinander, die vermutlich mit einem doppelzinkigen Werkzeug erzeugt wurden. Auch hier konnten horizontale, konzentrische und hängende Doppelritzlinien beobachtet werden (z.B. Kat. 6, 20, 45).

• Geritztes Winkelband: Hierunter versteht man Ritzverzierungen, die im Zickzackmuster verlaufen. Sie kommen typischerweise an Schalenrändern vor (z.B. Kat. 1, 108, 109).

• Rillen: Bei den Rillen wird analog zu den Ritzverzierungen der Ton mithilfe eines dünnen Gegenstands herausgekratzt oder eingedrückt. Rillen sind jedoch tiefer und breiter als Ritzlinien (z.B. Kat. 50, 95, 96). Die Rillen verlaufen fast alle horizontal. Es gibt nur Einzelfälle von konzentrischen oder halbkreisförmigen Rillen. In einem Fall kann von einem Rillenbündel gesprochen werden. Hier wurden viele horizontale Rillen sehr dicht aneinander angebracht (Kat. 87).

• Riefen: Riefen ähneln den Rillen, sind jedoch wesentlich breiter und schwächer ausgeführt. Hierzu eignen sich stumpfe Hilfsmittel wie Holzstäbe oder Finger. Sie kommen als horizontales oder hängendes Dekor vor (z.B. Kat. 53, 54, 99).

• Kammstrich: Unter einer Kammstrichzier versteht man mehrere, sehr feine Linien, die parallel zueinander verlaufen. Dieses Muster konnte mit einem Hilfsmittel erzeugt werden, das aus mehreren, sehr feinen Zinken besteht.55 Meist sind sie zu schmalen Bündeln von mindestens drei Linien zusammengefasst, die horizontal, hängend oder konzentrisch verlaufen (z.B. Kat. 22, 42, 129).

• Kerbenreihen: Kerben sind kurze und schmale Eintiefungen, die mit einem Messer oder mit einem anderen schneidenden Gegenstand eingedrückt werden. Meist kommen sie in horizontalen Reihen vor, wobei die Kerben leicht schräg ausgeführt sind (z.B. Kat. 36, 58, 92).

• Stempel: Mit verschiedenen Hilfsmitteln können Muster in den Ton eingedrückt werden. Die Bandbreite an möglichen Formen ist gross. Stempelverzierungen sind in OsterfingenHaafpünte sehr selten. In einem Fall wurden rechteckige Eindrücke auf der Randlippe entdeckt (Kat. 124). Ein anderes Gefäss war mit sehr kleinen schlitzartigen Eindrücken versehen (Kat. 99).

• Einstiche: Einstiche zeigen sich in kleinen, runden Eindrücken. Sie wurden mit einem dünnen, spitzen Gegenstand ausgeführt (Kat. 96).

• Fingertupfen: Eindrücke mit Fingerkuppen erzeugen runde bis halbrunde Vertiefungen, die zum Teil sehr flau, zum Teil aber auch so tief sein können, dass der Fingernagel noch erkennbar ist. Zu unterscheiden sind Fingertupfenreihen, bei denen das Muster direkt in die Gefässwand gedrückt wurde (z.B. Kat. 31, 39, 84), und Fingertupfenleisten, bei denen die Fingertupfen auf plastischen Leisten angebracht wurden (z.B. Kat. 41, 103 125).

• Fingernageleindrücke: Auch hier werden die Finger als Hilfsmittel verwendet, jedoch nur der Fingernagel. Dies zeigt sich in schmalen, sichelförmigen Eindrücken, die horizontal angeordnet sind (z.B. Kat. 33, 34, 37).

• Leisten: Leisten gehören zu den wenigen plastischen Verzierungselementen, die sich in Osterfingen-Haafpünte nachweisen liessen (Kat. 126). Diese können entweder aufgesetzt oder direkt aus der Gefässwand herausgezogen werden.

• Buckel: Buckel sind deutliche Wölbungen im Gefässprofil. Sie können sehr flach oder spitz zulaufend sein. Kleine Buckel konnten leicht aufgesetzt werden. Die eher flachen Buckel entstanden hingegen durch Herausdrücken von innen. Dieses vergleichsweise alte Verzierungselement (Kap. 4.1.8.1) ist in Osterfingen-Haafpünte mit umlaufenden Rillen kombiniert (Kat. 49).

• Henkel: Henkel dienen sowohl als Verzierung wie auch als praktische Handhabe. Im vorliegenden Material sind sie sehr selten (Kat. 17, 71, 105).

Aus Abbildung 35 ist erkennbar, dass Verzierungen mit Fingertupfen den grössten Anteil im vorliegenden Material ausmachen. Sie bilden das typische Verzierungselement für Töpfe und Schüsseln. Ebenso sind Fingernageleindrücke oder Kerben an diesen Gefässen zu finden. Bei den Halsgefässen überwiegen Kammstrichverzierung, Rillen, Riefen sowie Ritz- und Doppelritzlinien. Auch die Innenseiten von Schalen sind mit Ritz- und Doppelritzlinien oder Rillen, vereinzelt auch mit Kammstrich verziert. Das geritzte Winkelband findet man dagegen nur auf den Schalenrändern.

Stempel oder Einstiche sind sehr selten. Ebenso sind die plastischen Elemente Leisten, Buckel oder Henkel nur marginal vertreten.

Ritzlinien

Doppelritzlinien

Winkelband

Rillen Riefen

Kammstrich

Kerben

Stempel

Einstiche

Fingertupfen

Fingertupfenleiste

Fingernageleindrücke

Leiste

Einzelverzierungen / Applikationen

Buckel

Henkel auf dem Rand Randknick innen

Abb. 34: Übersicht der verschiedenen Verzierungstechniken.

Abb. 35: Anzahl der Verzierungstechniken an den einzelnen Gefässformen.

Abb. 36: Anzahl und Anteil verzierter Gefässe nach Grundform.

Abb. 37: Anzahl der Gefässe nach Verzierungsklasse: 0: keine Verzierung, 1: einmalig eine Verzierungstechnik, 2: eine Verzierungstechnik mehrfach wiederholt, 3: zwei Verzierungstechniken, 4: drei und mehr Verzierungstechniken.

4.1.4.2 Verzierte und unverzierte Gefässe

Knapp 37% aller Gefässe tragen Verzierungen (Abb. 36). Im Hinblick auf die einzelnen Gefässformen fällt sofort der hohe Anteil verzierter Töpfe und Schüsseln auf. Auch bei den Halsgefässen trägt weit über die Hälfte aller Individuen mindestens eine Verzierung. Bei den Schalen beschränken sich die Verzierungen ausnahmslos auf konische Schalen, und auch hier findet man sie nur bei knapp einem Drittel der Gefässe.

In der Forschung wurde bereits mehrfach diskutiert, inwieweit der Verzierungsreichtum eines Gefässes auf dessen Wert bzw. auf den sozialen Status der herstellenden Person schliessen lässt.56 Festzuhalten gilt es, dass jede Oberflächenbehandlung und jede Verzierung einen Mehraufwand bei der Herstellung bedeuteten. Somit können reich und sorgfältig verzierte Gefässe zum einen die Kunstfertigkeit der Töpferin oder des Töpfers widerspiegeln und somit deren Sozialprestige steigern. Zum anderen kann bei anspruchsvoll verzierten Gefässen davon ausgegangen werden, dass sie für besondere Anlässe genutzt wurden, in denen ihr Vorzeigecharakter zum Tragen kam, etwa beim gemeinsamen Essen.

Die Gefässe aus Osterfingen-Haafpünte können im Hinblick darauf in fünf Verzierungsklassen unterteilt werden: auf dem Rand am Randknick innen

• 0: Gefässe ohne Verzierung.

• 1: Gefässe mit einem einzelnen Verzierungselement, das einmal angebracht wurde.

• 2: Gefässe mit einem Verzierungselement, das mindestens einmal wiederholt wurde.

• 3: Gefässe mit zwei Verzierungselementen.

• 4: Gefässe mit drei Verzierungselementen.

Aus Abbildung 37 ist zu erkennen, dass ein Grossteil der Gefässe unverziert ist und damit der Klasse 0 zugeordnet werden kann. Unter den verzierten Gefässen gehören die meisten der Klassen 1 und 2 an; sie sind also eher zurückhaltend verziert. Bei einigen Exemplaren zeigt sich jedoch auch eine grosse Verzierungsfreude, insbesondere bei den Halsgefässen.

4.1.4.3 Verzierungszonen

Innenfläche

Innenfläche auf dem Rand am Randknick innen

Innenfläche

Randlippe

Randansatz

Schulter

Randlippe

Randansatz

Schulter

Randlippe

Randlippe

Für die jeweiligen Gefässformen lassen sich Präferenzen erkennen, welche Bereiche mit Verzierungen versehen wurden (Abb. 38). Hierbei zeigte sich, dass insbesondere jene Gefässpartien verziert wurden, die von oben oder von der Seite gut sichtbar waren. Bei den Schalen ist dies der Randbereich, wo bandförmige Muster sowohl auf der Oberfläche des Schrägrandes wie auch direkt unterhalb des Randknicks angebracht wurden. Grossflächige Verzierungen wie Kammstrich oder Doppelritzlinien verteilen sich hingegen auf der gesamten Innenfläche der

Randlippe

Randansatz

Schulter

Randlippe

Hals

Schulter

Abb. 38: Schematische Darstellung der Verzierungszonen nach Grundform.

Schale. Auf der Aussenseite ist keine der Schalen verziert. Töpfe und Schüsseln sind hingegen nur aussen verziert. Hier konzentrieren sich die Verzierungen auf den oberen Teil des Gefässes. Meist wurden die Verzierungen direkt auf die Randlippe oder bündig mit dem Randabschluss angebracht. Je nachdem, wie stark der Rand nach aussen gebogen war, wählte man die Verzierungszone so, dass sie von vorne bzw. von oben gut sichtbar war. Der zweite wichtige Bereich liegt direkt unterhalb des Randansatzes, wo vorwiegend Fingertupfenreihen zu finden sind. Verzierungen auf der Gefässschulter sind hingegen selten. Damit unterscheiden sich die bikonischen Gefässe deutlich von den Halsgefässen, wo die Schulter die wichtigste Verzierungszone darstellt. Während hier in erster Linie hängende Muster angebracht wurden, dient der Hals als Fläche für horizontale Verzierungselemente wie Kammstrich oder Rillen. Anders als bei den Schalen und bikonischen Gefässen bleibt der Randbereich in der Regel ohne Verzierung.57 Auch Verzierungen, die bis in den Bereich unterhalb des Bauchumbruchs verlaufen, sind selten. Da die deutlich nach aussen gewölbte Schulter den unteren Bereich des Gefässes verdeckt, war eine Verzierung der unteren Gefässhälfte unnötig.

4.1.5 Technologische Merkmale

4.1.5.1

Fein- und Grobkeramik

Klassischerweise wird bronzezeitliche Keramik in Fein- und Grobkeramik unterschieden. Die Definition dieser beiden Materialgruppen ist in vielen Fällen jedoch schwierig. Hinzu kommt, dass in manchen Auswertungen die Machart schon von vornherein bei der Erstellung der Gefässtypologie miteinfliesst,58 was wiederum die Definition von Fein- und Grobkeramik erschwert. Die Forschungsliteratur stützt sich meist auf Merkmale wie Magerung, Oberflächenbehandlung und Wandstärke. Manche Au- torinnen und Autoren lassen zudem die Brandfarbe oder die Verzierung miteinfliessen.59 Eine sichere Unterscheidung zwischen Grob- und Feinkeramik ist aber häufig problematisch, da Merkmale beider Materialgruppen kombiniert auftreten können. So gibt es durchaus dünnwandige Gefässe mit überraschend grober Magerung wie auch dickwandige, nur rudimentär bearbeitete Gefässe mit fein gemagerter Struktur. Oft hängt die Zuteilung zur jeweiligen Materialgruppe vom persönlichen Empfinden der Bearbeiterin bzw. des Bearbeiters ab und kann mitunter auch dort inkonsistent sein. Um diesem Problemen entgegenzuwirken, wurde das vorliegende Material auf drei Merkmale hin untersucht und in messbare Klassen eingeteilt: Magerung, Wandstärke und Oberflächenbehandlung.

Magerung

Die Betrachtung der Magerung wurde ausschliesslich visuell und makroskopisch durchgeführt. Für die Einteilung der mittleren Korngrösse konnte auf die in der Forschungsliteratur gängigen Kategorien zurückgegriffen werden60:

• fein: > 1 mm

• mittel: 1–3 mm

• grob: < 3 mm

Die Zuteilung erfolgte nicht auf Basis des grössten Magerungskorns, sondern danach, welche Korngrösse mehrheitlich in der jeweiligen Scherbe zu beobachten war. Es ist daher weder ungewöhnlich, dass auch in grob gemagerten Gefässen feine Magerungspartikel zu sehen sind, noch dass einzelne grobe Magerungskörner in fein gemagerten Stücken auftauchen können. Sämtliche Gefässe waren mineralogisch gemagert. Hierfür verwendete man Schottergesteine nahe gelegener Moränen und aus dem Bachschuttkegel des Haartelbachtals (Abb. 39).61 Vereinzelt zeigten sich auffällig rotbraune oder dunkle Einschlüsse, die sich als magnetisch erwiesen (Abb. 40). Hierbei handelt es sich meist um Bohnerz, das in den nahe gelegenen Bolustonvorkommen eingebettet war (Abb. 3). Zum Teil könnte es sich auch um Eisenoolithe handeln, die in kleinen Aufschlüssen um den Siedlungsplatz auftauchen. Die Seltenheit dieser Zusatzstoffe spricht aber eher dafür, dass es sich hierbei nicht um eine bewusst zugefügte Magerung handelte, sondern um Bestandteile des verwendeten Rohtons. Boluston wurde im Klettgau bereits seit dem Neolithikum genutzt62 und galt bis in die frühe Neuzeit als hochwertiger Rohstoff. Er ist auch am keramischen Material weiterer bronzezeitlicher Fundstellen im Klettgau nachgewiesen.63

Der Nachweis von Schamott ist eher schwierig. In archäologischen Experimenten zeigte sich, dass fein zerkleinerte Schamottmagerung selbst im Dünnschliff oft nicht mehr zu erkennen war.64 Es verwundert daher nicht, dass Schamottteilchen im Material von Osterfingen-Haafpünte nur in den grob gemagerten Töpfen und Schüsseln erkennbar waren. Die Verwendung dieses Materials liegt jedoch auch für feine Magerung nahe, denn Schamott war wesentlich einfacher zu beschaffen als Gesteinsmaterial, liess sich leichter zerstossen und reduzierte das Risiko für Spannungsrisse erheblich. Zudem war es leichter als eine Gesteinsmagerung und konnte damit das Gewicht von Gefässen reduzieren.65

Wandstärke

Die Wandstärke wurde in vier Gruppen untergliedert:

• sehr dünn: > 4 mm

• dünn: 4–6 mm

• dick: 7–10 mm

• sehr dick: < 10 mm

Oberflächenbehandlung

Als dritter Punkt wurde untersucht, ob die Oberfläche sauber geglättet oder nur grob überarbeitet wurde. Die Kategorien beschränken sich somit auf:

• geglättet

• nicht geglättet

Die Untersuchung bezieht sich dabei auf die Schauseite der Gefässe, das heisst im Fall der Schalen auf die Innenseite, bei allen anderen Gefässformen auf die Aussenseite.

Fazit

Aus den oben genannten Merkmalen wurden folgende Kriterien als charakteristisch für feine Ware festgelegt:

• feine oder mittlere Magerung

• sehr dünne oder dünne Wandstärke

• Glättung der Oberfläche

Sofern mindestens zwei von drei Merkmalen für feine Ware erfüllt waren, wurde das jeweilige Gefäss zur Feinkeramik gerechnet. Alle anderen Gefässe wurden der Grobkeramik zugeschlagen. Einzige Ausnahme: Gefässe mit sehr dicker Wandstärke (< 10 mm) wurden nicht zur Feinkeramik gezählt, auch wenn weitere Voraussetzungen erfüllt waren.

Das Bild, das sich bei den Gefässformen zeigte, ist wenig erstaunlich (Abb. 41). Fast alle Schalen (ca. 98%) können der Feinkeramik zugerechnet werden, ebenso die Halsgefässe (ca. 95%).

Bei den Töpfen und Schüsseln überwiegen hingegen die grobkeramischen Gefässe (ca. 89%).

Insgesamt dominieren feinkeramische Gefässe (ca. 64%). Dies zeigt sich auch bei den drei materialreichsten Befunden, wo der Anteil an Feinkeramik meist deutlich über 50% liegt (Abb. 42). Analog zu den Verzierungen (Kap. 4.1.4.2) spiegelt sich in den Merkmalen der Fein- und Grobkeramik der Aufwand wider, der für die Herstellung in Kauf genommen wurde. Ein dünnwandiges, sauber geglättetes Gefäss erfordert mehr Zeit und Können als es ein dickwandiges Exemplar, das man nicht weiter zu überarbeiten braucht. Die Magerung beeinflusst dabei im Wesentlichen die Stabilität und Plastizität des Tons. Je grober die Magerung, desto weniger Masse geht beim Trocknungsprozess verloren, was das Risiko von Rissbildungen beim Brand reduziert.66 Gleichzeitig bilden grobe Magerungskörner ein Stützgerüst bei der Herstellung grosser und dickwandiger Gefässe.67 Will man hingegen ein Gefäss mit gleichmässig glatter Oberfläche und feinen Verzierungen herstellen, eignet sich ein möglichst fein gemagerter Ton besser.68 Hier muss bei der Herstellung und beim Brand wesentlich sorgfältiger und vorsichtiger vorgegangen werden, um keine Spannungsrisse zu riskieren. Folglich wurden an Schalen und Halsgefässe andere Anforderungen gestellt als an Schüsseln und Töpfe. Für feinkeramische Gefässe stand offensichtlich die Ästhetik im Vordergrund, während grobkeramische Gefässe in erster Linie funktional waren. Zu denken wäre hierbei an unterschiedliche Nutzungskontexte.

Ästhetisch ansprechende Gefässe erfreuten nicht nur die Besitzerin oder den Besitzer, sie hatten auch Vorzeigecharakter gegenüber anderen Personen, zum Beispiel Gästen. Grobkeramische Gefässe blieben dagegen in einem Nutzungskontext, der nicht nach aussen gezeigt wurde, etwa die Zubereitung oder Lagerung. Die Zusammensetzung der Gefässe von OsterfingenHaafpünte spiegelt alle diese Nutzungskontexte wider (Kap. 6).

4.1.5.2 Primärbrand

Ein Grossteil der Keramik aus Osterfingen-Haafpünte ist sekundär verbrannt (Kap. 4.1.6.1). Daher sind Aussagen zur primären Brandführung in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Einige gut erhaltene Fragmente geben aber noch einen Hinweis auf die ursprüngliche Brandatmosphäre. Hier bestätigt sich die Beobachtung, die auch schon an anderen bronzezeitlichen Fundstellen gemacht wurde, wonach für die feinkeramischen Schalen und Halsgefässe eine einheitliche schwarze Oberfläche angestrebt wurde (Abb. 43).69 Dies war nur durch einen sorgfältig kontrollierten Brand unter reduzierenden Bedingungen möglich.70

Neben durchwegs schwarzen Fragmenten fallen zahlreiche Objekte auf, bei denen ein Wechselbrand erkennbar ist. Zwischen dem dunklen Kern der Scherbe und der ebenso schwarzen Oberfläche zieht sich eine dünne rotbraune bis beige Schicht, die nur unter oxidierenden Bedingungen entstehen kann (Abb. 44). Diese Brenntechnik ist in erster Linie – aber nicht ausschliesslich –an feinkeramischen Gefässen zu finden und hatte vielleicht ästhetische Gründe. Unter der dünnen schwarzen Oberfläche schimmert die braune Schicht leicht hervor und erzeugt dadurch einen auberginefarbenen Glanz. Ob dies so beabsichtigt war, muss offenbleiben. Tatsächlich wurde es auch schon an anderen Fundstellen ab Beginn der Spätbronzezeit beobachtet und ist damit keine Lokalerscheinung.71 Ob es sich hierbei tatsächlich um einen frühen Hinweis auf einfache Brennöfen handelt, müssen weitere Forschungen zeigen.72

Grobkeramische Gefässe sind braun bis beige und oft dunkel gefleckt (Abb. 45). Die zusätzlichen Arbeitsschritte, die für die Erzeugung einer schwarzen Oberfläche notwendig gewesen wären, wurden hier nicht vollzogen.73 Seifert äussert deshalb die berechtigte Vermutung, dass grob- und feinkeramische Gefässe getrennt voneinander gebrannt wurden.74 Die meist dunkel gefleckte Oberfläche könnte in manchen Fällen für eine unregelmässige Brandatmosphäre sprechen. Ein ähnliches Muster entsteht jedoch auch, wenn Gefässe beim Gebrauch mit Feuer in Berührung kamen und so ihre Farbe im Laufe der Zeit veränderten (Kap. 4.1.6.1).75

1 cm

4.1.6 Taphonomische Beobachtungen

4.1.6.1 Sekundärbrand

Schon bei der Ausgrabung zeigte sich, dass ein Grossteil des keramischen Materials von sekundären Brandspuren überprägt war. Diese Beobachtung ist für bronzezeitliches Fundmaterial nicht ungewöhnlich, dennoch wird in vielen Publikationen gar nicht oder nur sehr am Rande darauf eingegangen. Nur wenige Autorinnen und Autoren widmen diesem taphonomischen Phänomen besondere Aufmerksamkeit.76

Eine Betrachtung aller thermischen und physikalischen Zusammenhänge beim Sekundärbrand würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Hier kann aber auf die Ergebnisse der Untersuchung bronzezeitlicher Keramikdeponierungen zurückgegriffen werden, die häufig von sekundär verbranntem Material geprägt sind.77 Ebenso werden aktuelle Forschungsprojekte bald neue Erkenntnisse zu diesem Thema erbringen.78

Deutlichstes Anzeichen für eine sekundäre Verbrennung ist eine Farbveränderung des Scherbens. Leuchtende Orangetöne oder stumpfe Vergrauung sind klare Indikatoren, subtiler sind hingegen schwarze Flecken oder grossflächige Brauntöne. Hier spielt nicht nur die Temperatur, sondern auch die Sauerstoffzufuhr beim Sekundärbrand eine wesentliche Rolle. Vergrauung und Schwärzung entstehen unter reduzierenden Bedingungen, Rötungen hingegen in oxidierender Atmosphäre. Da ein Sekundärbrand selten unter kontrollierten Bedingungen stattfindet, können beide Erscheinungen an denselben Fragmenten vorkommen. Auch der Zustand von Oberfläche und Bruchkanten wird von sekundärer Hitzeeinwirkung beeinträchtigt, was sich durch Abrieb, Abplatzungen, Rissbildung und Verrundung bemerkbar macht.79

Hinsichtlich der Ursachen gilt es zwei Arten zu unterscheiden. Zum einen werden leichte Brandspuren durch ein einfaches Herdfeuer hervorgerufen. Dabei können die Gefässe entweder aktiv im Feuer gebraucht worden sein (z.B. Kochtöpfe) oder wurden nahe einem solchen Feuer genutzt oder gelagert. Letzteres bedeutet, dass die Gefässe nicht zwingend noch in Gebrauch gewesen sein mussten und daher schon zerscherbt sein konnten.

Zum anderen entstehen massive Brandüberprägungen durch sehr hohe Temperaturen, wenn die Gefässe durch einen Unfall (z.B. Hausbrand) oder intentionelle Zerstörung ins Feuer gelangen. Bei der ersten Gruppe ist die Identifizierung oft schwierig, weil die Verbrennungen eher oberflächlich sind und sich schwer von einer unregelmässigen Primärbrandführung unterscheiden lassen (Kap. 4.1.5.2). Letztere Gruppe zeigt sich dagegen durch starke Farb- und Strukturveränderungen. In Extremfällen sind die Fragmente völlig vergraut, stark aufgeblasen oder verschlackt, was bei Temperaturen über 1000 °C entsteht 80

Das Material von Osterfingen-Haafpünte konnte hinsichtlich der sekundären Brandspuren in drei Gruppen eingeteilt werden (Abb. 46):

• Fragmente ohne Brandspuren: Hier findet sich keine nennenswerte Farbveränderung, die Oberfläche zeigt nur sehr leichte Beschädigungen, Risse oder abgeriebene Stellen.

• Fragmente mit leichten Brandspuren: Hierzu zählen oberflächliche Farbflecken, einzelne Risse oder Beschädigungen wie auch ein leichter Abrieb der Oberfläche.

• Fragmente mit starken Brandspuren: Die Fragmente sind durchgängig vergraut und/oder gerötet, zeigen deutliche Beschädigungen, die bis in den Kern reichen, und starken Abrieb. Zum Teil ist die Oberfläche mit vielen engen Rissen durchsetzt (Krakelierung), oder der Scherben ist völlig aufgebläht oder verzogen.

Abbildung 48 zeigt, wie sich die verschiedenen Gruppen auf die untersuchten Befunde verteilen. Auffällig dabei ist der hohe Anteil an Scherben, die sekundäre Verbrennungsspuren aufweisen. Die deutliche Mehrheit weist dabei eher leichte Brandspuren auf, während der Anteil an sehr stark verbranntem Material marginal ist. Dies widerspricht jedoch keineswegs einer Interpretation als Brandschutt (Kap.6). Unter den Gefässen mit leichten und starken Brandspuren befinden sich auch auffällig viele Schalen und Halsgefässe. Diese Gefässgattungen kommen in der Regel während ihres Gebrauchs nicht mit Herdfeuer in Kontakt, daher kann hier eine Veränderung durch Hitze während ihrer Nutzung ausgeschlossen werden. Ebenso können auch die starken Brandspuren an einigen Töpfen und Schüsseln nicht allein durch den Gebrauch am Herdfeuer erklärt werden. Auffällig viele feinkeramische Gefässe zeigen eine deutliche Farbveränderung durch Reoxidation, weisen aber ansonsten kaum Beschädigungen der Oberfläche auf (Abb. 47). Es ist daher wohl zu einfach gedacht, wenn man automatisch davon aus- geht, dass bei einem Schadfeuer sämtliche Keramik extremen Bedingungen ausgesetzt ist. Forscher in der Ukraine konnten in einem Experiment belegen, dass bei einem Hausbrand an verschiedenen Stellen im Gebäude unterschiedliche Temperaturen und Bedingungen herrschen, wodurch stark deformierte Fragmente ebenso wie völlig unversehrte Stücke zurückbleiben können.81

Abb. 47: Durch sekundäre Hitzeeinwirkung wechselt schwarz gebrannte Keramik zu einer braunen Farbe. Die Oberflächenbeschaffenheit zeigt trotzdem kaum Veränderungen.

In allen Befunden aus Osterfingen-Haafpünte zeichnet sich ein ähnliches Muster hinsichtlich der sekundären Verbrennung ab (siehe Abb. 48). Demnach spiegelt das Material ein solches Brandereignis wider. Jedoch müssen zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend alle Gefässe noch in Gebrauch gewesen sein oder in intaktem Zustand vorgelegen haben. An einigen Beispielen lässt sich sehen, dass Gefässe bereits vor dem Brand zerbrochen waren (Abb. 49). Zudem liegen viele Individuen nur in einzelnen Fragmenten vor. Hier offenbart sich womöglich ein Aspekt des Entsorgungsverhaltens, auf das hier nicht weiter eingegangen werden kann, sich aber für zukünftige Forschung anbietet. Davon ausgenommen sind wenige Ausnahmen von Gefässen, die fast vollständig erhalten geblieben sind und keine sekundären Brandspuren zeigen (Abb. 50). Diese werden als rituelle Deponierungen interpretiert (Kap. 3.2).

Grube273(n=1335)Bachrinne726(n=671)Grube1256(n=247)Grube1082(n=153)Grube686(n=138)

Grube700(n=43)Pfostenloch321(n=9) Pfostenloch872(n=10)Grube1251(n=9)Grube1234(n=8)Pfostenloch645(n=6)Pfostenloch265(n=2)

Abb. 48: Anteil der Keramikfragmente nach Verbrennungsstufen in den verschiedenen Positionen.

Abb. 50: Auffallend sind einige Gefässe, die noch weitgehend vollständig und nicht verbrannt sind (Kat. 17, 82, 95, 104). Möglicherweise wurden sie gezielt in Gruben mit Brandschuttresten deponiert (Kap. 3.2).

Abb. 49: Beispiele von Passscherben, die unterschiedliche Veränderungen durch Sekundärbrand aufweisen. Der deutliche Unterschied entlang der Bruchkante zeigt, dass die Fragmente zum Zeitpunkt der Hitzeeinwirkung bereits gebrochen waren und dann unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt waren.

4.1.6.2 Fragmentierung

Zur Bestimmung des Fragmentierungsgrads wurden die Scherben grob in sechs Fragmentierungsstufen unterteilt, die sich jeweils nach dem Gewicht richteten. Hierbei muss natürlich berücksichtigt werden, dass nicht nur die Grösse, sondern auch die Wandstärke das Gewicht der Fragmente beeinflusst. Die maximale Breite der Scherben wurde daher als Orientierungshilfe angegeben, um zu zeigen, in welchem Rahmen sich die Grösse der Scherben in der Regel bewegt. Einzelne Abweichungen sind möglich.

So entstanden folgende Stufen:

• 1: < 100 g (< 10 cm)

• 2: 50–100 g (7–10 cm)

• 3: 20–50 g (5–7 cm)

• 4: 10–20 g (3–6 cm)

• 5: 3–10 g (2–4 cm)

• 6: > 3 g (> 2 cm)

Eine aussagekräftige Beurteilung der Fragmentierung war nur für jene Befunde möglich, bei denen mindestens 100 Fragmente vorlagen. Hier zeigt sich bei allen Befunden ein ähnliches Bild (Abb. 51): Die meisten Scherben bewegen sich in den Stufen 4 bis 6, nur sehr selten liegen grosse Fragmente (Stufe 1 und 2) vor.

Hieraus lässt sich schliessen, dass das Material starken äusseren Einflüssen ausgesetzt war. Hierunter fallen sowohl mechanische Einwirkungen (Druck, Schlag etc.) als auch Hitzeeinwirkungen (Dehnung).82 Dies dürfte zum einen die Folge des Schadfeuers gewesen sein, dem das Material ausgesetzt war (Kap. 6), zum anderen dürfte ein Teil des Materials wohl schon in zerscherbtem Zustand vorgelegen haben, als es vom Feuer erfasst wurde (Kap. 4.1.6.1).

4.1.6.3 Oberflächenerhaltung

Das Keramikmaterial wurde hinsichtlich der Oberflächenerhaltung in vier Gruppen unterteilt:

• Kaum Verwitterung

Die Originaloberfläche ist noch zum Grossteil erhalten, es ist kaum Abrieb erkennbar, die Bruchkanten sind kantig.

• Leichte Verwitterung

Die Originaloberfläche ist noch an einigen Stellen erhalten, ansonsten zeigt sich an vielen Stellen ein leichter Abrieb, die Bruchkanten sind leicht verrundet.

• Mittlere Verwitterung

Es ist keine Originaloberfläche mehr vorhanden, stattdessen ist die Magerung an vielen Stellen sichtbar. Die Oberfläche ist zum Teil rissig, die Bruchkanten sind verrundet.

• Starke Verwitterung

Die Oberfläche ist stark angegriffen, die Magerung dadurch fast überall deutlich sichtbar, die Bruchkanten sind stark verrundet.

Unter diesen Gesichtspunkten zeigt sich, dass ein beachtlicher Anteil des Materials mittel bis stark verwittert ist (Abb. 52). Dies lässt sich vor allem auf die sekundäre Verbrennung zurückführen, bei der Oberflächen und Bruchkanten stark in Mitleidenschaft gezogen wurden.83 Bei den unverbrannten Gefässen zeigt sich hingegen eine bessere Erhaltung. Dies spricht dafür, dass der Grossteil des Materials keiner länger andauernden Erosion ausgesetzt war und relativ zügig in die Gruben verfüllt wurde.

Abb. 51: Anteil der Keramikfragmente nach Fragmentierungsgrad in den verschiedenen Positionen. 1: < 100 g (< 10 cm), 2: 50–100 g (7–10 cm), 3: 20–50 g (5–7 cm), 4: 10–20 g (3–6 cm), 5: 3–10 g (2–4 cm), 6: > 3 g (> 2 cm).

Abb. 52: Anteil der Fragmente nach Verwitterungsgrad der Oberfläche im gesamten Material und innerhalb der drei Verbrennungsstufen 0: keine Verbrennung, 1: leichte Verbrennung; 2: starke Verbrennung. Es zeichnet sich ab, dass sich die Oberfläche angegriffener präsentiert, je stärker sekundäre Hitze auf die Keramik eingewirkt hat.

4.1.7 Gefässfunktionen

Bei der Betrachtung der Gefässfunktionen gilt es zu beachten, dass es nur bei einem hypothetischen Ansatz bleiben kann, da Gefässe oft auch mehrere Funktionen erfüllen können oder sich ihre Nutzung im Laufe der Zeit ändern kann.84

Zur Funktionsbestimmung wurden folgende Kriterien betrachtet:85

• Zugänglichkeit zum Inhalt

• Verschlussmöglichkeit

• Handlichkeit

• Standfestigkeit

• Fassungsvermögen

Schalen bilden die grösste Formengruppe (siehe Abb. 33). Mit ihrer weiten, offenen Form ist jeglicher Inhalt gut zugänglich und durch Ausschütten oder Schöpfen leicht zu entleeren (z.B. Kat. 5, 10, 16 ).86 Sie eignen sich daher für eine kurzfristige Aufbewahrung, etwa zum Bereitstellen von Nahrungsmitteln während einer Mahlzeit. Zwar ist bei den Schalen kaum ein vollständiges Profil erhalten, doch die gesicherten Mündungsdurchmesser (15–37,5 cm) zeigen, dass das Fassungsvermögen für eine kleine Gruppe reichte. Insbesondere die konischen Schalen sind durch ihre sorgfältige Bearbeitung und Verzierung hervorzuheben (Kap. 4.1.4.2). Hier dürfte es sich um Geschirr mit repräsentativem Charakter gehandelt haben. Demgegenüber sind die bikonischen Gefässe sehr einfach gearbeitet. Hier lassen sich drei Gruppen voneinander unterscheiden. Die kleinen Töpfchen (Kat. 37, 38) haben lediglich einen Mündungsmesser zwischen 4,5 und 10 cm und sind ohne Schrägrand. Der Gefässinhalt kann daher leicht entleert werden. Durch die schlanke, hohe Form ist der Inhalt dennoch gut geschützt. Das Fassungsvermögen ist sehr gering und dürfte wohl nur für eine Einzelperson bestimmt gewesen sein. Trinkgefässe wären hier ebenso denkbar wie Schöpfgeräte.

Die mittelgrossen Töpfe (Mündungsdurchmesser 12–17 cm) sind leicht zu transportieren (z.B. Kat. 33, 34, 35). Ihr Hals verengt sich nur leicht, sodass der Inhalt gut zugänglich ist. Eine Nutzung als Aufbewahrungs- oder Kochgefäss wäre möglich.

Der Inhalt grösserer bikonischer Gefässe (Mündungsdurchmesser 21–25 cm, z.B. Kat. 28, 39) war durch die deutliche Verengung des Halses gut geschützt und das Gefäss verschliessbar. An den Inhalt kommt man nur über ein Schöpfgerät heran, da die Gefässe zu unhandlich sind, um sie auszuschütten. Ein immobiler Gebrauch liegt hier nahe, etwa zur längerfristigen Vorratshaltung. Vergleichbare Vorratsgefässe in anderen Fundstellen zeigen, dass der Bodendurchmesser in Relation zum Gefässkörper auffällig klein ist.87 Daher mussten die grossen Vorratsgefässe abgestützt oder eingegraben werden. Konkret nachweisen lässt sich dies in Osterfingen-Haafpünte beim Halsgefäss Kat. 92 (Kap. 3.2). Dies erklärt, warum sie nur an der Randzone verziert waren, denn der Rest der Gefässe war meist gar nicht sichtbar.

Halsgefässe sind sorgfältig gearbeitet und zum Teil aufwendig verziert (Kap. 4.1.4.2). Man kann zwei Gruppen voneinander differenzieren. Die kleinen Halsgefässe mit einem Mündungs- durchmesser von 5 bis 18 cm waren einfach zu handhaben. Durch den Hals war der Inhalt gut geschützt. Die schlanken, hohen Schulter- und Halsgefässe sind als Trinkbecher anzusprechen (z.B. Kat. 42, 43, 44). Der Schrägrand ermöglichte einen guten Ausguss flüssiger Inhalte, das Fassungsvermögen eignete sich für eine Einzelperson. Die eher gedrungenen, breiten Exemplare gehören zu den Schüsseln (z.B. Kat. 46, 48). Die Öffnung war weit genug, dass man auch aus ihnen schöpfen konnte. Zusammen mit den konischen Schalen gehörten diese Schüsseln sicher zum repräsentativen Serviergeschirr.

Die grossen Halsgefässe erfüllten wohl einen ähnlichen Zweck wie die bikonischen Gefässe mit Schrägrand (z.B. Kat. 56, 57, 62). Jeglicher Inhalt war durch den engen Hals gut geschützt, das Fassungsvermögen reichte für eine kleine bis mittlere Personengruppe. Ein Gebrauch als Kochtopf kommt durch den engen Hals nicht infrage.88 Denkbar wäre also auch hier die Vorratshaltung, jedoch sind sie wesentlich sorgfältiger gearbeitet als bikonische Gefässe. Ob hier also eine differenzierte Nutzung der Grossgefässe erfolgte, muss offenbleiben.

4.1.8 Chronologische Einordnung

Im Folgenden soll die Keramik aus Osterfingen-Haafpünte chronologisch eingeordnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass Fundkomplexe von Vergleichsfundstellen der Stufen Bz D bis Ha A1 nur in sehr begrenzter Zahl vorhanden sind. Meist sind sie rein typologisch datiert. Dem gegenüber stehen die spätbronzezeitlichen Seeufersiedlungen, die durch ihre Dendrodaten absolutchronologisch sicher fixiert sind (Abb. 53). Für die Datierung der Osterfinger Keramik wird daher auch die Menge der Form- und Verzierungselemente in den einzelnen Fundstellen berücksichtigt. So ergeben sich Anhaltspunkte, wann sich Merkmale fest etablierten.

Die chronologische Einordnung der Keramik baut in erster Linie auf dem Inhalt der Grube Pos. 273 auf, der den übrigen Befunden gegenübergestellt wird.

4.1.8.1 Grube Pos. 273

Schalen

Die Gefässe aus Grube Pos. 273 bestehen in erster Linie aus konischen Schalen, wobei der überwiegende Teil unverziert ist (Kap. 4.1.1.3). Sofern Verzierungen angebracht wurden, sind diese eher zurückhaltend gestaltet. So finden wir Winkelbänder auf dem Schrägrand (Kat. 1, 9) oder Kammstrichgirlanden und Doppelritzlinien auf der Innenfläche (z.B. Kat. 5, 6, 20, 22, Kap. 4.1.4.1). Die Form der konischen Schalen entwickelt sich im Laufe der Stufe Bz D. Zu den ältesten Belegen gehört eine konische Schale aus Grab 26 in Neftenbach ZH, das aufgrund der begleitenden Gefässe klar der Stufe Bz D1 zugewiesen werden kann.89 Diese einfachen, unverzierten Schalen sind typochronologisch schwierig einzuordnen, da sie keine nennenswerte Veränderung bis in seeuferzeitliche Kontexte durchlaufen.90

Ebenso sind die ersten konischen Schalen im Gräberfeld von Ensisheim-Reguisheimerfeld (F) am Ende der Belegungsphase 2 nachgewiesen, die der Stufe Bz D2 / Ha A1 entspricht.91 Im Gräberfeld von Singen-Nordstadtterrasse (D) tauchen konische Schalen hingegen erstmals in der Belegungsphase IIa auf, die in Ha A2 datiert.92

Absolutchronologisch fixieren lassen sich die Belege ab dem mittleren 11. Jahrhundert v. Chr. (Ha A2/B1). Hier findet man konische Schalen mit Winkelbändern auf dem Schrägrand in der dendrodatiertenFundstellevonHitzkirch-MoosLU.93 Typischfür die konischen Schalen wird ab der Stufe Ha A2 die Innenverzierung mit bogenförmigen Girlanden aus Ritzlinien oder Kammstrich, wie sie beispielsweise an Kat. 5 bis 8 oder Kat. 19 bis 22 zu finden sind.94 Dieses Verzierungsmuster ist auch bei den konischen Schalen der Phase IIa (Ha A2) in Singen-Nordstadtterrasse(D)erkennbar.95 ZahlreichekonischeSchalenmitvergleichbarem Dekor sind auch in den frühen Seeufersiedlungen belegt, etwa in Greifensee-Böschen ZH,96 Zürich-Grosser Hafner ZH,97 Wollishofen-Haumesser ZH,98 Zürich-Alpenquai ZH99 sowie der älteren Schicht aus Zug-Sumpf ZG100 oder der ersten Phase in Sursee-Zellmoos LU 101

Der Henkel an der Schale Kat. 17 scheint ein eher älteres Elementzusein,dennauchinGreifensee-Böschen,102 Zug-Sumpf103 oder der ältesten Phase von Sursee-Zellmoos104 sind gehenkelte Schalen nur in geringer Zahl belegt. Hingegen fehlen sie in den jüngeren Siedlungen wie Zürich-Mozartstrasse ZH oder ZürichAlpenquai ZH. Dafür fehlen in Osterfingen-Haafpünte Dekorelemente wie Fischgrätmuster oder schraffierte Dreiecke, wie sie vereinzelt in Greifensee-Böschen vertreten sind,105 und gestempelte Dreiecke, die ab der Stufe Ha B1 üblich werden 106 Ebenso fehlen grossflächige, komplexe Verzierungen im Schaleninneren, die bei der jüngeren Siedlungsphase in Zug-Sumpf107 oderin Zürich-Alpenquai108 auftreten.Sie gehörendem «reichen Stil» an, der ab Ha B1 üblich wird.109

Ein charakteristisches Formelement der frühen konischen Schalen der Stufe Ha A2 stellt die Kehlung des Schrägrandes dar, die in Grube Pos. 273 mehrfach nachgewiesen ist (Sko2, Kat. 5–14). Dieser markante Absatz unterhalb des Randes entwickelt sich aus dem Wandknick der Knickwandschalen heraus,110 die in dieser Zeit aus dem Fundspektrum spätbronzezeitlicher Siedlungen

Fundstelle Datierung Dendrodaten

Neftenbach ZH Bz D1

Fällanden-Wigarten, Brandstelle 3 ZH Bz D1

Frick-Seckeberg AG Bz D1

Reinach-Alte Brauerei BL Bz D1

Vuadens FR Bz D1

Elgg-Breiti ZH Bz D

Tiengen-Untere Gaisäcker (D) Bz D

Ensisheim-Reguisheimerfeld (F)

Singen-Nordstadtterrasse (D)

Phase 1 Bz D1

Phase 2 Bz D2/ Ha A1

Phase 3 Ha A2

Phase Ia Bz D1

Phase Ib Bz D2/ Ha A1

Phase IIa Ha A2

Andelfingen-Auf Bollen ZH Bz D2/ Ha A1

Oberengstringen ZH Bz D2/ Ha A1

Otelfingen-Bonenberg ZH Bz D2/ Ha A1

Schötz-Schulhausareal Hofmatt LU Bz D2/ Ha A1 Hitzkirch-Moos langsam verschwinden (siehe unten). In Greifensee-Böschen sind einige Beispiele für dieses Merkmal zu finden.111 Ebenso kommen sie an Schalen in Hitzkirch-Moos112 oder in Phase IIa in Singen-Nordstadtterrasse113 vor.

Abb. 53: Übersicht der Vergleichsfundstellen für die typochronologische Einordnung der Keramik.

Gekehlte Schrägränder an konischen Schalen verschwinden in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts v. Chr. Sie sind in Stratum 3 in Zürich-Grosser Hafner belegt, verschwinden dann aber ab Stratum 2 fast völlig.114 Die Kehlung der Schrägränder ist im unteren Teil der älteren Siedlungsschicht von Zug-Sumpf nur noch schwach ausgeprägt,115 im oberen Teil der älteren Schicht praktisch nicht mehr anzutreffen.116

In Osterfingen-Haafpünte überwiegen k onische S chalen mit Schrägrand (Sko1 und Sko2, Kat. 1–14) gegenüber jenen mit auslaufendem Rand (Sko3, Kat. 15–18) (Kap.4.1.1.1). Bereits das obengenannteBeispielausNeftenbachhateinenSchrägrand.117 EbensofindetmansieanSchaleninHitzkirch-Moos118 oderGreifensee-Böschen 119 In der älteren Schicht von Zug-Sumpf sind sie hingegen seltener vertreten und nehmen im Vergleich zur jüngeren Schicht zugunsten Schalen mit auslaufendem Rand ab.120 Auch in Zürich-Grosser Hafner ist die Mehrheit der Schalenränder in Stratum 3 stark ausgeknickt, wohingegen in Stratum 2 und 1 die Ränder immer steiler werden und sich schliesslich zu auslaufenden Rändern formen.121 In Zürich-Mozartstrasse sind Schrägränder nur noch selten.122 In Ürschhausen-Horn TG haben praktisch alle konischen Schalen einen auslaufenden Rand.123 Dies bedeutet jedoch nicht, dass konische Schalen mit auslaufendem Rand nicht auch in älteren Kontexten vorkommen können. So sind die konischen Schalen ohne Schrägrand aus Grube Pos. 273 vergleichbar mit Beispielen aus Hitzkirch-Moos124 oder Greifensee-Böschen,125 die parallel zu Schalen mit Schrägrand vorkommen können. Folglich kann festgehalten werden, dass Schrägränder an konischen Schalen im Verlauf der Stufe Ha B1 deutlich abnehmen und zu Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr. fast völlig von auslaufenden Rändern abgelöst werden. Die Dominanz der Schrägränder in Grube Pos. 273 verdeutlicht, dass das Material vor dieser Entwicklung anzusetzen ist.

Die zweite Schalenform in Grube Pos. 273 ist die Knickwandschale (Skn) (Kat. 24, 25). Klassische Knickwandschalen sind nicht sehr bauchig, sondern eher niedrig und breit. Sie entsprechen dem Typ 78 nach Sperber, der bereits in der von ihm definierten Stufe Ib (Bz D2) auftritt.126 Auch in der Belegungsphase Ib (Bz D2/HaA1)inSingen-NordstadtterrassesindbereitsKnickwandschalen belegt.127 Weitere Exemplare findet man in Fundstellen der Stufe Bz D2 / Ha A1 in Andelfingen-Auf Bollen ZH128 oder in Schötz-Schulhausareal Hofmatt LU.129 Die Knickwandschalen aus Osterfingen-Haafpünte sind mit Exemplaren aus Greifensee-Böschen vergleichbar.130 Die Abgrenzung zu den Schüsseln (Kat. 26, 27) ist fliessend, weshalb je nach Bearbeiterin oder Bearbeiter diese Form auch als Schüsseln (mit ausladendem Rand) geführt wird.131

In den frühen Seeufersiedlungen machen Knickwandschalen gegenüber den konischen Schalen nur noch einen sehr geringen Anteil aus. In Greifensee-Böschen stellen sie nur noch 0,5% aller nachgewiesenen Schalen,132 was mit den ca. 2% aus Oster- fingen-Haafpünte vergleichbar ist (Kap. 4.1.3). In Siedlungen wie Zug-Sumpf, Wollishofen-Haumesser oder Zürich-Alpenquai sind sie nicht mehr vertreten.

Bikonische Gefässe

Von den bikonischen Gefässen in Osterfingen-Haafpünte hat sich kein vollständiges Gefässprofil erhalten, weshalb sie in erster Linie aufgrund ihrer Verzierung und der Randgestaltung chronologisch eingeordnet werden. Im Gegensatz zu den Schalen und Halsgefässen bietet die Verzierungstechnik an Töpfen und Schüsseln wenig chronologische Aussagemöglichkeiten. Zum typischen Repertoire gehören schräge Kerbenreihen sowie Fingertupfen- und Fingernageleindruckreihen (Kap. 4.1.4.1). FingertupfenleistenaufderGefässschulter(Kat.40,41)sind noch kein aussagekräftiges chronologisches Merkmal, denn sie sind ein langlebiges Verzierungselement, das bereits seit der Frühbronzezeit bekannt ist und bis in seeuferzeitliche Kontexte vorkommen kann.133 In Greifensee-Böschen verzieren sie grosse Halsgefässe.134

In der Mittel- und frühen Spätbronzezeit sind Fingertupfenleisten ein typisches Mittel zur Gefässgliederung. Dabei unterteilt eine Leiste auf der Schulter das Gefäss in eine Randzone und einen Gefässkörper. An dieser Gliederung orientieren sich auch noch manche Töpfe in Bz D2 / Ha A1.135 Sie wurde durch einen grob verstrichenen Schlickbewurf auf dem Gefässkörper betont, der diesen deutlich von der geglätteten Randzone abhob. An Grossgefässen der beginnenden Spätbronzezeit lässt sich dieses Muster häufig beobachten.136 Vereinzelt findet man Schlickbewurf auch später noch in Andelfingen-Auf Bollen,137 jedoch nicht mehr nach der Stufe Bz D2 / Ha A1. In Osterfingen-Haafpünte konnte Schlickbewurf nicht festgestellt werden. Auch Verzierungselemente auf der Gefässschulter sind bei den bikonischen Gefässen in Osterfingen-Haafpünte nur noch in Einzelfällen anzutreffen (Kat. 40, 41). Insbesondere bei Gefäss Kat. 41 unterscheidet sich die Machart deutlich vom Rest des Materials in der Grube Hier ist davon auszugehen, dass älteres Material in die Grube gelangte. Für Kat. 40 konnte die Gefässform nicht klar bestimmt werden. Denkbar wäre auch, dass das Fragment zu einem Halsgefäss gehörte, das wie Kat. 92 (Kap.4.1.8.2) gestaltet war und mit Gefässen aus Greifensee-Böschen vergleichbar ist.138

Die deutliche Mehrheit der Fingertupfen, Fingernageleindrücke oder Kerben konzentriert sich auf die Randlippe oder den Randansatz (Kap. 4.1.4.3). Diese Verschiebung der Verzierungszonen gegenüber der oben beschriebenen Gefässgliederung nach mittelbronzezeitlicher Tradition vollzieht sich vermutlich mit dem Übergang in die Stufe Ha A2. Denn in den Seeufersiedlungen des 11. Jahrhunderts v. Chr. haben sich diese neuen Verzierungszonen bereits fest etabliert und halten sich bis zum Ende der Spätbronzezeit.139

Schrägränder bilden sich an bikonischen Gefässen im Verlauf der Stufe Bz D / Ha A1, zunächst als kurze, schräg abgestrichene Randlippen,140 dann als deutlich ausgeknickte Gefässglieder.141 Ab Ha A2 sind stark ausladende Ränder bereits festes For- menelement der bikonischen Gefässe.142 Hier findet auch das Material von Osterfingen-Haafpünte seine beste Referenz. In jüngeren Siedlungen ab Ha B1 ist zu beobachten, dass die Gefässprofile flauer werden, die Ränder also immer steiler werden. Gleichzeitig wandeln sich die Randlippen von kantigen zu gerundeten Formen.143

Hals- und Schultergefässe

Gefässe mit Trichter- und Zylinderhälsen bilden sich im Verlauf der Stufe Bz D1.144 Halsgefässe kennt man auch aus der Stufe Bz D2 / Ha A1 aus Oberengstringen,145 Andelfingen-Auf Bollen146 oder Schötz-Schulhausareal Hofmatt.147 Ab Ha A2 entwickelt sich dann die klare, geradlinige Profilierung, wie sie in Osterfingen-Haafpünte zu finden ist (z.B. Kat. 55, 56, 57) und wie sie auch in Greifensee-Böschen deutlich wird.148

Die abgesetzte Schulter entwickelt sich nach Sperber bereits in der Stufe IIa (Ha A1) in einer Frühform der Schultergefässe.149 Doch erst in der Stufe IIb (Ha A2) sind Schultergefässe durch eine kantige Profilierung mit klar abgesetzter Schulter charakterisiert, wie sie auch in Osterfingen-Haafpünte (HgS, Kat. 42-52) zu finden sind.150 Diese Schulterbecher und Schulterschüsseln sind typisch für die frühen Seeufersiedlungen bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr.151 Erst im Verlauf der Stufe Ha B ist dann eine zunehmende «Verflauung» der Gefässprofile zu beobachten.152

Sofern die Hals- und Schultergefässe verziert sind, zeigen sie klare Verzierungszonen: horizontale Kammstrichverzierung, (Doppel-)Ritzlinien oder Rillen am Hals bzw. in der unteren Halshälfte und hängende Kammstrichverzierung oder (Doppel-)Ritzlinien über der Gefässschulter (Kap. 4.1.4.3). Die früheste Entwicklung der Kammstrichverzierungen liegt laut Sperber gegen Ende der Stufe IIa (Ha A1).153 In den frühen Seeufersiedlungen wie Greifensee-Böschen gehört die Kammstrichverzierung zu den dominanten Verzierungen unter den Gefässen mit abgesetztem Halsfeld.154 In Singen-Nordstadtterrasse sind mit Kammstrich verzierte Gefässe erst ab der Belegungsphase IIa (Ha A2) gesichert,155 und auch in Ensisheim-Reguisheimerfeld gehört Kammstrichverzierung ab Phase 3 (Ha A2) zum Verzierungsrepertoire.156 In Zug-Sumpf ist Kammstrich hingegen nur marginal bei Schultergefässen der älteren Schicht unten zu finden,157 während in Wollishofen-Haumesser praktisch keine Kammstrichverzierung auftritt.158 Ähnlich präsentiert es sich in Zürich-Alpenquai, wo Kammstrich nur selten anzutreffen ist.159 Während Kammstrich also in Fundkontexten der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts v. Chr. stark vertreten ist, verschwindet er danach deutlich. Da all diese Siedlungen zur gleichen Kulturregion gezählt werden können (Kap. 4.1.9), dürfte es sich also beim Rückgang eher um ein chronologisches als um ein regionales Phänomen handeln.

In den jüngeren Straten von Zürich-Grosser Hafner nimmt die Komplexität und der Reichtum der Verzierungen an Schulterbechern deutlich zu.160 Dieser sogenannte «reiche Stil» etabliert sich ab der Stufe Ha B1 sowohl bei den Hals- und Schultergefässen als auch bei den Schalen (siehe oben).161 Solche grossflächigen Verzierungen mit schraffierten Dreiecken, Einstichen,

Mäandern oder Mustern in Sticheltechnik fehlen aber in Osterfingen-Haafpünte völlig.

Ein vergleichsweise traditionelles Verzierungselement stellt der umrillte Buckel dar, der an Gefäss Kat. 49 zu finden ist. Grosse Buckel, die mit Rillen oder Riefen umgeben sind, gehören zum typischen Verzierungselement der Stufe Bz D1162 und halten sich bis in Bz D2 / Ha A1 163 In seeuferzeitlichen Siedlungen sind sie zwar selten, aber nicht unbekannt. So wie an Kat. 49 sind die für die Stufe Ha A2 typischen Buckel in ihrer Form am Bauchumbruch meist abgeschnitten.164 Vergleichbare Verzierungen findet man auch in Greifensee-Böschen.165

Fazit

Die Entwicklung von Formen und Verzierungen spätbronzezeitlicher Keramik erlaubt eine chronologische Einordnung der Gefässe aus Pos. 273 in die Stufe Ha A2. Hierbei zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Material aus Greifensee-Böschen, das in die Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr. gehört. Jedoch lassen sich in Osterfingen-Haafpünte auch einige ältere Elemente finden. Die Knickwandschalen sind zwar ähnlich selten wie in Greifensee-Böschen, hingegen gehören mehr konische Schalen mit Kehlung zum Gefässspektrum. Gleichzeitig fehlen Merkmale der frühen Stufe Ha B1, die in Greifensee-Böschen bereits auftauchen. Somit ist von einer Datierung von 1150–1050 v. Chr. auszugehen.

4.1.8.2 Weitere Gruben (Pos. 700, 1082, 1256), Pfostenlöcher und die Bachrinne Pos. 726

Das Material aus den Gruben Pos. 700, 1082 und 1256 sowie den Pfostenlöchern Pos. 321, 645 und 872 lassen sich an das Spektrum der Grube Pos. 273 anschliessen. Die Schalen, bikonischen Gefässe und Halsgefässe weisen die gleichen Form- und Verzierungsmerkmale auf und gehören demnach ebenfalls in die Stufe Ha A2. Besonders hervorzuheben ist das grosse Halsgefäss Kat. 92, das – vermutlich als Vorratsgefäss – in den Boden eingegraben war (Kap. 3.2). Solche grossen Halsgefässe findet man zahlreich in Greifensee-Böschen.166 Sofern sie dort verziert sind, tragen sie wie Kat. 92 meist eine einfache Leiste auf der Schulter. Grosse Halsgefässe sind auch noch in jüngeren Siedlungen anzutreffen, sind dort aber meist mit komplexen Mustern im «reichen Stil» verziert.167

Die Gefässe aus der Bachrinne Pos. 726 können ebenfalls der Stufe Ha A2 zugeordnet werden. Chronologische Unterschiede innerhalb der Rinne liessen sich beim Vergleich der einzelnen Fundkomplexe nicht erkennen. Das Material bildet das bereits besprochene Spektrum von konischen Schalen, bikonischen Gefässen sowie Hals- und Schultergefässen ab.

Ergänzend ist noch eine gerundete Schale (Sg) zu nennen (Kat 121). Gerundete Schalen sind jedoch schwierig einzuordnen. In ihrer Grundstruktur handelt es sich um eine offene, eingliedrige Form mit konvexem Profilverlauf (Kap. 4.1.1.3). Hierunter fallen

Belege, die von den Stufen Bz D168 bis in Ha B3169 reichen. Der leicht einziehende Rand von Kat. 121 erinnert an die Form einer Kalottenschale. In Greifensee-Böschen fand man von solch einer Schalenform nur ein mögliches Exemplar.170 In weiteren Siedlungen ab Ha B1 treten sie zunehmend in Erscheinung und gehen mit einer grossflächigen Verzierung der Aussenseite im «reichen Stil» einher.171 Eine solche Aussenverzierung von Schalen ist in Osterfingen-Haafpünte gänzlich unbekannt. Die Schale Kat. 121 könnte also unter den vertretenen Formen in Osterfingen-Haafpünte zu der jüngsten gehören, liegt jedoch noch vor den typischen Kalottenschalen seeuferzeitlicher Fundstellen.

Gestufte konische Schalen (Sko3) gehören in einen frühen seeuferzeitlichen Kontext.172 Sie stellen eine Weiterentwicklung der gekehlten Schalen dar, die ab der Stufe Ha B1 allmählich verschwinden (Kap. 4.1.8.1). Da sich von ihnen in OsterfingenHaafpünte nur zwei kleine Randfragmente erhalten haben (Kat. 117, 118), dürfte es sich hier (noch) nicht um eine häufige Schalenform gehandelt haben.

4.1.8.3 Grube Pos. 686

Das Material aus Grube Pos. 686 unterscheidet sich von den anderen Befunden. Auffallend sind für Kat. 96 bis 98 die kurzen Trichterhälse mit dem stark abgewinkelten Schrägrand. An Kat. 96 ist zudem eine eher bauchige Form zu erkennen, bei der die Gefässschulter durch das Rillenbündel deutlich hervorgehoben wird. Dies sind Merkmale, die Sperber bereits für das sog. «Mengener Stilstadium» (Typ 40) definiert hat und die somit in Sperbers Stufe Ia (Bz D1) auftreten, aber durchaus auch noch in der Stufe Ib (Bz D2) vorkommen können.173 Insofern steht die Form auch dem leicht jüngeren Typ 71 nahe.174 Ein vergleichbares Randprofil findet man in der Bz-D1-zeitlichen Fundstelle von Fällanden-Wigarten ZH, Brandstelle 3.175 Ähnlich verhält es sich mit Kat. 95. Hier gehört die Form klar zu den Schrägrandgefässen des Typs 41 nach Sperber aus der Stufe Ia (Bz D1), wozu auch der relativ tiefe Bauchumbruch und die nur schwach profilierte Randlippe passt.176 Eine Weiterentwicklung dieser Form in Stufe Ib (Bz D2) ist der Typ 69.177 Die Belege reichen mit Andelfingen-Auf Bollen178 oder Otelfingen-Bonenberg ZH179 bis in die Stufe Bz D2 / Ha A1. Schrägrandgefässe dieses Typs gehören jedoch allenfalls in die früheste Phase von Sperbers Stufe IIa (Ha A1).180

Augenfällig ist auch der Verzierungsstil. Die Kombination aus horizontalen Rillen mit daran anschliessenden Riefen (Kat. 99) oder Ritzverzierungen (Kat. 96) gehört klar einem Bz-D-zeitlichen Verzierungsschema an.181 Die Kombination von kleinen Einstichen über solchen Rillenbündeln ist unter anderem beim Bz-D-zeitlichen Grab von Tiengen-Unterer Gaisäcker (D) bekannt.182

Das charakteristische Verzierungsschema aus Rillenbündeln und Riefen kann sich noch bis in Bz D2 / Ha A1 halten, ist danach aber nicht mehr zu finden. Es steht damit im deutlichen Kontrast zur Kammstrichverzierung, die sich im Laufe von Ha A1 entwickelt und ab Ha A2 zum typischen Verzierungselement gehört.

Auch die auf der Schulter angebrachte Fingertupfenleiste des Topfes Kat. 103 steht der Gliederung von Töpfen der frühen Spätbronzezeit näher als den typischen Verzierungszonen an Randansatz und Randlippe der Stufe Ha A2 (Kap. 4.1.8.1).

Da die konischen Schalen Kat. 93, 94 unverziert sind, ist eine nähere chronologische Einordnung nicht möglich. In Neftenbach183 sind sie bereits für die Stufe Bz D1 nachgewiesen (Kap. 4.1.8.1), sodass diese Form einer frühen Datierung der Grube Pos. 686 in Bz D nicht widerspricht. Eine typologische Ähnlichkeit mit breiten konischen Schalen mit Hohlkehle, wie sie in den anderen Befunden vorkommen, ist für die Osterfinger Stücke nicht zu erkennen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Form- und Verzierungsmerkmale der Gefässe in Grube Pos. 686 klar in der Stufe Bz D zu verorten sind. Manche Merkmale reichen bis in die Stufe Bz D1 zurück. Gleichzeitig fehlen jüngere Merkmale der Stufe Ha A2 wie Schulterbecher oder Kammstrichverzierung, die in den anderen Befunden typisch sind. Durch die starke Verhaftung mit Merkmalen aus der Stufe Bz D1 und unter Berücksichtigung einer Laufzeit bis in Sperbers Stufe Ib (D2) ist die Keramik mit einer Datierung um 1350–1250 v. Chr. sicher älter als das restliche Material von Osterfingen-Haafpünte.

4.1.8.4 Fazit

Im Keramikmaterial aus Osterfingen-Haafpünte lassen sich zwei Phasen voneinander trennen (Abb. 54). Zur älteren Phase gehört die Keramik der Grube Pos. 686. Die kurzen Trichterhälse mitdemstarkabgewinkeltenSchrägrandunddiebauchigeForm der Gefässe Kat. 95 bis 98 wurden von Sperber bereits für die Stufe Bz D1 definiert (Kap. 4.1.8.3). Ebenso können die Kombination vom Rillenbündel mit hängenden Riefen oder Ritzungen (Kat. 96, 99) und auch unverzierte konische Schalen (Kat. 93, 94) schon ab der beginnenden Spätbronzezeit nachgewiesen werden. Eine zeitliche Verortung des Materials in die Stufe Bz D liegt deshalb nahe. Auch unter Berücksichtigung, dass manche Merkmale noch bis zu Beginn von Ha A1 vorkommen können, ist die Keramik mit einer Datierung um 1350–1250 v. Chr. älter als das Material in den übrigen Befunden.

Der bei Weitem grösste Teil des Materials lässt sich der Stufe Ha A2 zuordnen. Die Form- und Verzierungsmerkmale zeigen weitgehende Übereinstimmungen mit dem Material aus GreifenseeBöschen, das durch die dendrochronologische Datierung in der Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr. einen chronologischen Fixpunkt bildet. Jedoch zeigen sich leichte Unterschiede, bei denen ältere Elemente wie die Kehlung des Schrägrandes noch stärker vertreten sind, während Elemente des frühen Ha B1, die in Greifensee-BöschenbereitsdeutlichinErscheinungtreten,nochfehlen (Kap. 4.1.8.1).Folglich ist das Materialaus Osterfingen-Haafpünte insgesamt etwas älter als Greifensee-Böschen. Die noch aus der Mittelbronzezeit fortgeführte Gliederung von Töpfen durch Fingertupfenleisten auf der Gefässschulter und die Aufrauung durch Schlickbewurf, die noch bis in die Stufe Bz D2 /

Dekorkombination: Rillenbündel und hängenden Riefen/Ritzungen

Kurze Trichterhalsgefässe mit stark ausknickendem Schrägrand konische Schalen (unverziert)

Knickwandschalen

Konische Schalen mit gekehltem Schrägrand

Verzierung: Winkelband und Kammstrichgirlanden an konischen Schalen

Schulterbecher mit kantigem Profil

Kammstrichverzierung

Verzierungszonen bikonischer Gefässe an Randlippe und

Abb. 54: Übersicht der typologisch relevanten Merkmale zur chronologischen Einordnung: schwarz=häufig, grau=selten. Für die Mehrheit der Befunde aus Osterfingen-Haafpünte zeigt sich eine Übereinstimmung in der Stufe Ha A2. Das Material aus Grube Pos. 686 gehört der Stufe Bz D1 an.

Ha A1 nachweisbar ist, ist in dieser Siedlungsphase nicht mehr üblich. Ebenso fehlen alte Verzierungselemente aus Bz D1 wie Kerbschnitt, lange schraffierte Dreiecke oder feine Kerbenleisten.184

Knickwandschalen, die noch in der Stufe Bz D2 / Ha A1 in den Siedlungen häufig zu finden sind, sind in Osterfingen nur noch marginal vertreten (1%). Stattdessen dominieren konische Schalen mit gekehltem Schrägrand das Gefässspektrum, die ab dem 11.Jahrhundert v. Chr. zeitlich gesichert sind. Hier werden sie zur typischen Schalenform der frühen Seeufersiedlungen.185 Die Kehlung verschwindet ab der Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr., genau wie die Schrägränder an konischen Schalen. Auch die grosse Zahl von Schulterbechern und Schulterschüsseln spricht für eine Datierung in die Stufe Ha A2. Gleichzeitig wird die Kammstrichzier an Halsgefässen und Schalen zu einer beliebten Verzierungstechnik, während bikonische Gefässe mit Fingertupfen, Fingernageleindrücken oder Kerben an der Randlippe und/oder am Randansatz verziert werden. Die eher einfach gehaltene Verzierung feinkeramischer Gefässe mit Winkelbändern, Kammstrich oder Rillen wird ab der Stufe Ha B1 durch den sogenannten «reichen Stil» mit grossflächigen Verzierungen aus schraffierten Dreiecken, Mäander-Mustern, Muster in Furchentechnik oder mit Fadenlöchern abgelöst. Von diesem «reichen Stil» ist in Osterfingen-Haafpünte nichts zu spüren. Da auch die Kammstrichverzierung in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts v. Chr. deutlich zurückgeht, ist das Material von Osterfingen-Haafpünte sicher vor diesen Entwicklungen anzusetzen.

Insgesamt datiert das Material damit kurz vor den ersten Seeufersiedlungen, insbesondere Greifensee-Böschen. Die Formund Verzierungselemente entsprechen weitgehend den von Sperber definierten Merkmalen für seine Phase IIb, die Ha A2 entspricht, die aber vereinzelt bereits gegen Ende der Stufe IIa (Ha A1) auftreten.186 Somit kann die jüngere Phase von Osterfingen-Haafpünte etwa in die Zeit um 1150–1050 v. Chr. gesetzt werden.

4.1.9 Geografische Einordnung

Aus der chronologischen Einordnung (Kap. 4.1.8) wurde bereits ersichtlich, welche Merkmale das keramische Material von Osterfingen-Haafpünte auszeichnen: konische Schalen mit ausgebogenen und gekehlten Schrägrändern, kantig profilierte Halsgefässe sowie die Verwendung von Kammstrich-, Rillen- und Ritzverzierungen in linearen oder radialen Mustern. Diese Elemente charakterisieren einen breiten geografischen Raum, der nach Vogt und Kimmig als französisch-rheinisch-schweizerische Gruppe bezeichnet wird.187 Dieser Kulturraum umfasste ein weites Gebiet vom Elsass über den südlichen Oberrheingraben und Südbaden, die Nordwest- und Ostschweiz bis in die Zentralschweiz und schloss damit auch den Klettgau mit ein.188

Im Material von Löhningen-Bachtel SH findet man trotz des stark fragmentierten Zustands Belege für feinkeramische Gefässe mit Kammstrich-, Rillen- oder Ritzverzierung (Abb. 55).189 Einige der konischen Schalen tragen auf der Innenseite ein Kammstrichmuster, das mit denen von Osterfingen-Haafpünte vergleichbar ist.190 Schalen mit stark ausbiegenden Schrägrändern überwiegen, wobei gekehlte Formen eher selten sind.191 Auch tauchen erste Hinweise auf komplexere Muster auf.192 Dies spricht dafür, dass Löhningen-Bachtel etwas jünger anzusetzen ist als Osterfingen-Haafpünte.

Weitere spätbronzezeitliche Fundstellen im Kanton Schaffhausen sind kaum publiziert. Vergleichbare Form- und Verzierungselemente findet man aber unter dem Material von BeringenHagenwiesen SH,193 Beringen-Unterer Stieg SH194 oder Gächlingen-Goldäcker SH.195

Wie Seifert in seinem umfassenden geografischen Vergleich zeigt, zeichnen sich in Richtung Ostschweiz bereits erste Unterschiede ab.196 So kommen etwa Kammstrichverzierungen und die spätere Sticheltechnik nur sehr selten bis gar nicht vor, während Riefen und Ritzverzierungen beliebter sind. Auf der Insel Werd bei Eschenz TG beispielsweise lassen sich viele Merkmale der Schweizer Seeufersiedlungen wiederfinden, hingegen fehlt die dort häufige Kammstrichverzierung völlig.197

Abb. 55: Die Keramik aus Löhningen-Bachtel SH ist zeitlich etwas jünger gestellt als Osterfingen-Haafpünte, weist in Form- und Verzierungen jedoch viele Gemeinsamkeiten auf, was für einen gemeinsamen Kulturraum spricht.

Am Nordwestufer des Bodensees werden die Unterschiede noch deutlicher. Das jüngere Material von Osterfingen-Haafpünte (Ha A2) kann hier mit der Belegungszeit A nach Schöbel gleichgesetzt werden. Somit bieten die Fundstellen Hagnau Burg (D) und Konstanz Rauenegg (D) die beste Referenz. An beiden Fundstellen lassen sich deutliche Merkmale der Schweizer Seeufersiedlungen wiederentdecken: Konische Schalen mit gerader Wand bzw. Schalen mit Henkel,198 die Innenverzierung von Schalen mit Winkelbändern und geritzten Dreiecken,199 Töpfe mit Eindruckverzierungen an Rand und Randansatz200 und in seltenen Fällen auch gekehlte Schrägränder oder Kammstrichverzierung.201 Unterschiede sind hingegen in schmalen Knickwandschalen mit Innenverzierung,202 getreppten Schrägrändern203 oder geschweiften Schalen204 zu sehen. Auch die Verzierung bikonischer Gefässe mit linearen Mustern ist in Osterfingen-Haafpünte unbekannt.205

Das Gräberfeld von Singen-Nordstadtterrasse verläuft in seiner Belegungszeit während der Phasen IIa und IIb zeitlich parallel zu Osterfingen-Haafpünte. Auch hier findet man die typischen Formen konischer Schalen (z.T. mit gestuftem Schrägrand), Knickwandschalen sowie kantig profilierter Halsgefässe.206 Was das Gefässspektrum jedoch von Osterfingen unterscheidet, sind Stufenschalen207, stark gedrückte Schulterbecher208 sowie Halsgefässe mit geblähtem Hals209. Bei den Verzierungen sind lineare Motive mit Kammstrich und Rillen vorherrschend, während geometrische Muster fehlen.210

Nach Norden und Westen wird die Quellenlage für Vergleichsfundstellen sehr dürftig. Entlang des Hochrheins gibt es zwar einige spätbronzezeitliche Fundstellen, jedoch sind diese zeitlich jünger anzusiedeln (Ha B1/B2).211 Auch das Material der ehemaligen Rheininsel in Bad Säckingen gehört in diese Zeit (Abb. 56).212 Auch wenn die genannten Siedlungen also chronologisch von Osterfingen-Haafpünte abweichen, zeigen sie die gleichen Merkmale wie die zeitgleichen Schweizer Seeufersiedlungen, gehören also dem gleichen Kulturraum an. Nach Norden hin zeigt sich ein anderes Bild. In den Gräbern von Hüfingen (D) auf der Baar findet man neben den bekannten einfachen konischen Schalen und Schulterbechern mit Rillen und Kammstrichverzierung auch einige Gefässe mit langem Hals ohne Randabschluss, die mit Doppelhenkel und Riefengirlanden versehen sind (sog. Henkelkrüge).213 Vergleichbare Gefässe tauchen sowohl am Bodensee214 wie auch im Hegau215 auf (Abb. 57). Sie können klar der untermainisch-schwäbischen Gruppe zugeordnet werden und sind beispielsweise in der Wasserburg Buchau (D) stark vertreten.216

Bereits Kimmig stellte fest, dass der Hegau eine Zone bildet, in der die untermainisch-schwäbische Gruppe und die französisch-rheinisch-schweizerische Gruppe eng ineinander verzahnt sind.217 Diese Verbindungszone setzt sich bis zum Bodensee fort und kann dort an den Fundstellen entlang des Nordufers beobachtet werden. 218 Nach Süden hin lässt der Einfluss der untermainisch-schwäbischen Gruppe deutlich nach.

Das Gefäss Kat. 62 aus Osterfingen-Haafpünte könnte mit diesen Henkelkrügen verwandt sein. Zwar fehlt der Hinweis auf einen Henkel, doch wie ein Beispiel aus Hagnau Burg zeigt, muss dieser nicht zwingend vorkommen.219 Auch das Gefäss Kat. 61 kann vermutlich dieser Formengruppe zugewiesen werden. Hier erinnert der angedeutete Buckel mit Rillen am Hals stark an die Verzierung mit Riefengirlanden, die diese Gefässe häufig zieren.220

Die Henkelkrüge finden sich auch in Schweizer Seeufersiedlungen, etwa in Greifensee-Böschen,221 Zürich-Grosser Hafner222 oder Wollishofen-Haumesser 223 Ihre Verbreitung zeigt den Einfluss der untermainisch-schwäbischen Kultur, der bis in die Ostschweiz reicht und damit auch den Klettgau erreicht haben muss.224

In der Westschweiz lässt sich im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. in Form und Verzierung der Keramik noch kein nennenswerter Unterschied zum Material anderer Schweizer Fundstellen erkennen.225 Die Gefässe der Zonen A und B aus Hautrive-Champréveyres, die den Zeitraum von Ha A2 bis B2 abdecken, zeigen beispielsweise die gleichen Merkmale, wie sie auch an Seeufersiedlungen der Zentral- und Ostschweiz vorkommen.226 Erst ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. kristallisieren sich leichte Unterschiede heraus, weil Entwicklungstendenzen in der Westschweiz verspätet oder zum Teil gar nicht aufgenommen werden.227 Inwiefern also in Osterfingen ein Kontakt zur Westschweiz bestand, bleibt unklar, zumindest was den Niederschlag im Fundmaterial angeht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Material von Osterfingen-Haafpünte wie auch der anderen spätbronzezeitlichen Fundstellen der Klettgauer Ebene sehr gut in den grossen Kulturraum der französisch-rheinisch-schweizerischen Gruppe einordnen lässt. Form- und Verzierungsmerkmale lassen sich ebenso in den frühesten Zentral- und Ostschweizer Seeufersiedlungen wiederfinden und reichen bis an die Fundstellen des Hochrheingebiets.

Unterschiede zeigen sich hingegen, je weiter nordöstlich wir uns zum Hegau und zum Bodenseegebiet bewegen, dort wo sich auch die Keramikmerkmale der untermainisch-schwäbischen Kultur bemerkbar machen. Dass sich unter dem Material von Osterfingen-Haafpünte auch Gefässe befinden, die dieser Formengruppe angehören (Kat. 61, 62), lässt erkennen, dass durchaus Beziehungen zu diesem Kulturraum vorhanden gewesen sein müssen.

4.1.10 Zusammenfassung

Das Keramikmaterial von Osterfingen-Haafpünte umfasst eine Mindestindividuenzahl (MIZ) von 130 Gefässen. Das Gefässspektrum setzt sich aus den für die Spätbronzezeit üblichen Formen aus Schalen, bikonischen Gefässen und Halsgefässen zusammen. Die konischen Schalen sind dabei am stärksten vertreten (27%), während gerundete Schalen (1%) und Knickwandschalen (1%) nur selten vorkommen. Ebenfalls einen grossen Anteil machen bikonische Töpfe und Schüsseln aus (21%). Schultergefässe (6%) und Halsgefässe (6%) ergänzen das Gefässspektrum. Für alle anderen Gefässe liess sich die Form nicht mehr näher bestimmen (38%).

Die unter den Funden nachweisbaren Gefässfunktionen ermöglichten jede Nutzung, die im Alltag wichtig war – von der Aufbewahrung über das Zubereiten bis zum Konsum. Es ist sowohl einfaches wie auch repräsentatives Geschirr vorhanden.

Knapp 37% aller Gefässe tragen Verzierungen. Feinkeramische Schalen und Halsgefässe weisen meist eine Kombination aus Kammstrichverzierung, Rillen, Riefen sowie Ritz- und Doppelritzlinien auf. Grobkeramische Töpfe und Schüsseln sind hingegen mit Fingertupfen, Fingernageleindrücken oder Kerben verziert. Die meisten Gefässe haben nur ein Verzierungsmuster. Bei einigen Schulter- und Halsgefässen ist jedoch eine Verzierungsfreude mit zwei oder mehr Techniken erkennbar. Für die einzelnen Gefässformen lassen sich Präferenzen für die Verzierungszonen erkennen. Bei den Schalen ist dies der Schrägrand sowie der innere Randansatz. Grossflächige Verzierungen wie Kammstrichgirlanden oder Doppelritzlinien verteilen sich auf der gesamten Innenfläche der Schale. Töpfe und Schüsseln sind nur aussen verziert. Hier konzentrieren sich die Verzierungen auf die Randlippe und den Bereich unterhalb des Randansatzes. Bei den Schulter- und Halsgefässen sind der Hals und die Gefässschulter die wichtigsten Verzierungszonen, während der Randbereich meist unverziert bleibt.

Fast alle Schalen (ca. 98%) können der Feinkeramik zugerechnet werden, ebenso die Schulter- und Halsgefässe (ca. 95%). Bei den Töpfen und Schüsseln überwiegen hingegen die grobkeramischen Gefässe (ca. 89%). Als Magerung verwendete man in erster Linie Schottergesteine nahe gelegener Moränen oder aus dem Bachschuttkegel, zum Teil auch Schamott. Im verwendeten Boluston sind häufig Bohnerzteilchen enthalten.

Ein beträchtlicher Teil des keramischen Materials ist sekundären Hitzeeinwirkungen ausgesetzt gewesen (91%), doch nur ein kleiner Teil davon (ca. 9%) weist Spuren extremer Hitze von 1000 °C auf. Viele der Gefässe veränderten Farbe und Oberfläche vermutlich schon während ihrer Nutzung im Zusammenhang mit Feuer. Andere Gefässe wiederum – insbesondere die Schalen – wurden wohl durch ein Schadfeuer angegriffen. Sofern die Gefässe nicht von sekundärer Hitzeeinwirkung überprägt wurden, präsentieren sich feinkeramische Gefässe mit einer gleichmässig schwarzen Oberfläche. Immer wieder wurde hier in der Bruchfläche ein Wechselbrand beobachtet, der darauf hindeutet, dass beim Brand möglicherweise ein Töpferofen zum Einsatz kam. Grobkeramische Gefässe sind braun bis beige und oft dunkel gefleckt, was vermutlich durch den Gebrauch nahe eines Feuers oder direkt darin erzeugt wurde.

Form- und Verzierungselemente verweisen auf eine Datierung in die Stufe Ha A2 kurz vor Beginn der ersten Seeufersiedlungen. Hierfür sprechen die zahlreichen konischen Schalen, die sehr einfach mit Winkelbändern und radialen Kammstrichgirlanden oder Ritzmustern verziert sind. Viele von ihnen weisen noch die für diese Zeit typische Kehlung unterhalb des Schrägrandes auf, die Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr. verschwindet. Ebenso passen Schulterbecher und Schulterschüsseln mit Kammstrich, Rillen, Riefen sowie Ritz- und Doppelritzlinien in diese Zeit. Töpfe und Schüsseln sind mit Fingertupfen und Kerben an der Randlippe und unterhalb des Randansatzes verziert. Insgesamt datiert das Material somit um 1150–1050 v. Chr. Eine Ausnahme bildet die Keramik aus Grube Pos. 686. Die kurzen Trichterhälse mit dem stark abgewinkelten Schrägrand, die bauchige Form der Schrägrandgefässe sowie die Verzierung mit Rillenbündel, hängenden Riefen und Einstichreihen (Kat. 95 bis 99) sprechen für eine Datierung in die Stufe Bz D, also für die Zeit um 1350–1250 v. Chr.

Die Keramik lässt sich der französisch-rheinisch-schweizerischen Gruppe zuordnen, die sowohl den Klettgau wie auch das Hoch-rheingebiet umfasste und bis zu den Seeufersiedlungen der Zen-tral- und Ostschweiz reichte. Einzelne Gefässe lassen aber einen Einfluss der untermainisch-schwäbischen Gruppe erkennen, was auf Beziehungen in nordöstliche Richtung, zum Hegau und zum Bodenseegebiet hindeutet.

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