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4. Die Funde

4.1. Die Gefässkeramik

Miriam Hauser

4.1.1 Gefässformen

Die Definition der Grundformen basiert auf dem Gliederungssystem spätbronzezeitlicher Gefässe nach Rychner.51 Dieses System bietet eine einfache und klare Untergliederung der Formen basierend auf dem Profilverlauf und vermeidet dabei eine Vermischung von Gefässaufbau, Machart und Verzierung. Die Gefässe lassen sich in drei Grundformen unterteilen (Abb. 25):

• Schalen: einteiliger Gefässaufbau mit konischer Form, die nach oben offen ist.

• Bikonische Gefässe: zweiteiliger Gefässaufbau mit bikonischer Form. Durch eine Verengung des Halses ist das Gefäss geschlossen.

• Halsgefässe: Der bikonische Gefässkörper wird durch ein abgesetztes Halsfeld ergänzt, wodurch der Gefässaufbau dreiteilig ist. Auch diese Form ist aufgrund des verengten Halses geschlossen.

Anhand des Profilverlaufs und der Randausbildungen (Kap. 4.1.1.1) lassen sich die Grundformen weiter in Unterformen und Typen gliedern (Abb. 26). Die Klassifikation lehnt sich dabei an die bestehende Terminologie publizierter Spätbronzezeitkomplexe an.

4.1.1.1 Randformen

Auf Basis des vorliegenden Materials konnten fünf Randformen beobachtet werden (Abb. 27):

•Schrägrand (1a): kurzer, stark ausknickender Rand. Eine Variante ist der gekehlte Schrägrand, bei dem die Gefässwand unterhalb des Randknicks deutlich abgesetzt ist (1b).

•Auslaufender Rand (2): Der Rand geht nahtlos aus dem Gefässkörper hervor und bildet kein eigenes Gefässglied. Der Randabschluss kann dabei gerade (z. B. konische Schalen), oder konvex (z. B. gerundete Schalen) ausgeformt sein.

•Steilrand (3): nahezu senkrecht ausgeformter Rand. Halsgefässe, deren Zylinderhals nicht durch einen Schrägrand abgeschlossen ist, besitzen ebenfalls einen Steilrand.

•Trichterrand (4): ausknickender Rand, der deutlich länger ist als ein Schrägrand.

Aus Abbildung 27 lässt sich erkennen, dass der Schrägrand die am stärksten vertretene Randform darstellt. Zusammen mit der gekehlten Variante macht sie etwa 88% aller nachgewiesenen Ränder aus. Die anderen Randformen sind vergleichsweise selten.

Abb. 25: Schematische Darstellung der Grundformen und ihrer Gefässpartien: 1: Schalen, 2: bikonische Gefässe, 3: Halsgefässe. Nicht massstäblich gezeichnet.

Abbildung 28 zeigt die verschiedenen Ausformungen der Randlippen. Unter den Schrägrändern kommen gerundete und schräg nach innen abgestrichene Lippen etwa gleich häufig vor. Die anderen Lippenformen sind ebenfalls zu finden, aber selten. Auslaufende Ränder sind fast immer mir einer gerundeten Lippe abgeschlossen, selten nach innen abgestrichen oder blockartig. Während unter den Steilrändern sowohl gerundete wie auch blockartige Lippen vorkommen, verfügt der einzig nachgewiesene Trichterrand über eine gerundete Lippe.

55

Grundform Unterform Typen

Schalen S

Osterfingen-Haafpünte

Konische Schale Sko mit Schrägrand Sko1 mit gekehltem Schrägrand Sko2 gestuft und mit Schrägrand Sko3 mit auslaufendem Rand Sko4

Inv.-Nr. 110773.847

Bikonische Gefässe Biko

Knickwandschale Skn Grundete Schale Sg

Inv.-Nr. 110360.793 M 1:3

503

Inv.-Nr. 111216.735 M 1:3

43

110089.1159

FZ erstellt im August 2021

Ingrid Berney Illustrationen

Sihlquai 75 8004 Zürich

Halsgefässe Hg

Halsgefässe Hg

Schultergefässe HgS

Inv.-Nr. 111075.664 M 1:3 office@figuro.ch

110560.501

55

Inv.-Nr. 110557.501 M 1:2

Oster ngen-Haafpünte Auswertung Spätbronzezeit Inv.-Nr. 111019.488

FZ erstellt im Juli 2021 durch: mit auslaufendem Rand Biko2 mit Steilrand Biko3 mit Trichterrand Biko4

Ingrid Berney Illustrationen

Sihlquai 75 8004 Zürich office@figuro.ch mit Schrägrand Biko1 mit Kegelhals Hg1 mit Zylinderhals Hg2 mit Trichterhals Hg3 mit Steilrand Hg4

FZ erstellt im August Ingrid Berney Illustrationen Sihlquai 75 8004 Zürich o ce@ guro.ch

Inv.-Nr. 110552.903 und 110554.903 M 1:3 57

Inv.-Nr. 111019.488 M 1:3

Inv.-Nr. 110557.501

Inv.-Nr. 110342.905 und 109879.905

Inv.-Nr. 112734.488 und 110551.903

Abb. 26: Übersicht der Grundformen, Unterformen und Typen aus Osterfingen-Haafpünte. Nicht massstäblich dargestellt.

Inv.-Nr. 111216.735

Offene Formen (Schalen)

Geschlossene Formen (Bikonische Gefässe, Halsgefässe)

4.1.1.2 Bodenformen

Die Gefässböden lassen sich in Flachböden, Standböden und Omphalos unterteilen (Abb. 29). Unter den Flach- und Standböden fanden sich jeweils auch nach innen verdickte oder gewölbte Varianten.

Flachböden bilden etwa zwei Drittel aller Böden und sind unter allen Gefässformen vertreten (z.B. Kat. 17, 27, 82). Ansonsten handelt es sich meist um Standböden (z.B. Kat. 76, 136). Sofern diese einer Gefässform zuzuordnen waren, waren dies ausschliesslich bikonische Gefässe. Nur in einem Fall konnte ein Omphalos nachgewiesen werden (Kat. 102), bei dem sich die Gefässform jedoch nicht mehr bestimmen liess.

4.1.1.3 Schalen

Die Schalen lassen sich drei Unterformen zuordnen:

Konische Schalen (Sko)

Konische Schalen sind charakterisiert durch eine weit ausladende Form. Die Innenseite des Gefässes ist dadurch deutlich sichtbar und bietet eine grosse Verzierungsfläche an.52 Allerdings ist nur ein kleiner Teil der konischen Schalen von Osterfingen-Haafpünte tatsächlich verziert (Kap. 4.1.4.2). Dennoch ist die Innenfläche in allen Fällen sorgfältig gearbeitet und geglättet, was verdeutlicht, dass hier die Schauseite lag. Typisch für konische Schalen ist der deutlich nach aussen gelegte Schrägrand (Sko1, z.B. Kat. 2, 94, 112), zum Teil auch in gekehlter Ausführung (Sko2, z.B. Kat. 5, 6, 114). Eine Innenkannelur des Schrägrandes kommt ausschliesslich bei diesem Schalentyp vor (z.B. Kat. 12, 104, 114). Ein weiterer Typ der konischen Schalen ist die gestufte Form (Sko3), die im vorliegenden Material jedoch selten ist (Kat. 117, 118). Nur in wenigen Fällen zeigte sich bei den konischen Schalen ein auslaufender Rand (Sko4, z.B. Kat. 16, 17, 119).

Die Lippen sind meist nach innen abgestrichen oder gerundet, selten auch blockartig oder keulenförmig. Sofern ein Boden bestimmbar war, handelte es sich ausnahmslos um Flachböden.

Knickwandschalen (Skn)

Bei den beiden Knickwandschalen Kat. 24 und 25 zeichnet sich im obersten Viertel des Gefässes ein markanter Knick im sonst konischen Profilverlauf ab. Die Gefässwand verläuft in diesem Bereich fast senkrecht oder leicht einziehend und geht dann in einen Schrägrand über. Die Lippen sind gerundet oder nach innen abgestrichen. Der Gefässdurchmesser ist bei der Mündung leicht grösser als jener beim Knick. Die Abgrenzung zu den bikonischen Schüsseln (Kap. 4.1.1.4), bei denen diese beiden Durchmesser etwa gleich gross sind, ist fliessend.

Gerundete Schalen (Sg)

Gerundete Schalen haben einen einfachen, konvexen Wandverlauf, der nahtlos in den Rand übergeht. Im Gegensatz zu den konischen Schalen ist die Innenseite weniger exponiert, weshalb dieser Gefässtyp innen nicht verziert ist (Kap. 4.1.4.3). Aus Osterfingen-Haafpünte liegt nur eine Schale dieser Unterform vor (Kat. 121), deren Rand leicht einziehend und die Lippe gerundet ist. Ein Boden ist nicht erhalten.

4.1.1.4 Bikonische Gefässe

Bikonische Gefässe (Biko) lassen sich normalerweise in Töpfe und Schüsseln unterteilen. Ausschlaggebend ist hierfür das Verhältnis zwischen Gefässhöhe und Maximaldurchmesser. Während Töpfe zu den Hochformen gezählt werden, gehören Schüsseln zu den Breitformen. Diese Gliederung erwies sich für das Material von Osterfingen-Haafpünte als wenig hilfreich. Die Profile waren selten so weit erhalten, um eine Gefässhöhe abzuschätzen oder den Maximaldurchmesser zu erkennen. Nur in zwei Fällen sind Schüsseln gesichert (Kat. 26, 27).

Eine weitere Differenzierung erfolgte anhand der Randausbildung. Hier tragen viele der bikonischen Gefässe einen Schrägrand (Biko1, z.B. Kat. 28, 33, 85). Des Weiteren gehören bikonische Gefässe mit auslaufendem Rand (Biko2, Kat. 37, 38), Steilrand (Biko3, Kat. 39) und mit Trichterrand (Biko4, Kat. 103) zum Gefässspektrum. Bei den Bodenformen überwiegen Flachböden, die zum Teil verdickt oder gewölbt sein können, gegenüber einzelnen Standböden.

4.1.1.5

Halsgefässe

Halsgefässe bestehen aus einem bikonischen Gefässkörper mit abgesetztem Halsfeld (Kap. 4.1.1). Die Böden zu den Gefässen haben sich nicht erhalten. Insgesamt lassen sich zwei Unterformen voneinander unterscheiden:

Halsgefässe (Hg)

Die Gefässschulter der Halsgefässe zieht sich vom Bauchumbruch geradlinig oder leicht konvex zum abgesetzten Halsfeld hinauf. Bauchumbruch und Halsansatz sind so deutlich durch den Schulterbereich voneinander getrennt (z.B. Kat. 56, 57, 87). Je nach Verlauf des Halses lassen sich die Halsgefässe in vier Typen gliedern. Bei den Kegelhalsgefässen (Hg1 – z.B. Kat. 55, 56) zieht der Hals zum Rand hin leicht nach innen. Zylinderhalsgefässe (Hg2 – Kat. 57, 58) besitzen einen fast senkrechten Hals. Bei den Trichterhalsgefässen (Hg3 – Kat. 59, 60) ist der Hals zum Rand hin leicht nach aussen geneigt. Bei all diesen Typen wird der Hals durch einen Schrägrand abgeschlossen.

Hinzu kommen noch die Halsgefässe mit Steilrand (Hg4 – Kat. 61, 62), bei denen der Hals fast senkrecht verläuft und ohne Schrägrand endet.

Schultergefässe (HgS)

Schultergefässe unterscheiden sich zu den Halsgefässen in ihrer kurzen, deutlich nach aussen gewölbten Gefässschulter. Das Halsfeld wirkt länger und wird dadurch stärker betont. Handelt es sich um eine Hochform, spricht man vom Schulterbecher (z.B. Kat. 42, 43, 44), eine Breitform wird als Schulterschüssel bezeichnet (z.B. Kat. 46, 48).53

Die erhaltenen Halspartien konnten ausnahmslos als Kegelhälse bestimmt werden, die von einem Schrägrand abgeschlossen werden.

4.1.1.6 Gefässe mit unklarer Grund- und Unterform

Nicht alle Gefässe liessen sich eindeutig einer Grund- oder Unterform zuordnen. Neben einzelnen Wand- und Bodenscherben, bei denen die typologische Zuordnung völlig offenbleiben muss, wurde eine Reihe von Gefässen unter der Gruppe der Schrägrandgefässe zusammengefasst. Der Randbereich dieser Gefässe erlaubt zwar die Bestimmung des Schrägrandes, der weitere Profilverlauf ist jedoch unklar. Eine bikonische Gefässform käme hier ebenso infrage wie ein abgesetztes Halsfeld (z.B. Kat. 63, 65, 69).

4.1.2 Mindestindividuenzahl

Zur Bestimmung der Mindestindividuenzahl (MIZ) wurden die insgesamt 315 diagnostischen Scherben in vier Qualitätskategorien untergliedert:

• A: Eindeutig bestimmbare Randscherben, die voneinander unterschieden werden können.

• B: Markante Verzierungen und kleinere Randscherben, die gut von anderen Gefässindividuen unterschieden werden können.

• C: Bodenscherben sowie weitere Rand- und Wandfragmente, die aufgrund der Erhaltung nur schwer voneinander unterschieden werden können.

• D: Fragmente, die so klein oder so stark angegriffen sind, dass sie nicht mehr zuzuordnen sind.

Die MIZ setzt sich folglich aus den Scherben der Kategorie A zusammen und besteht aus insgesamt 130 Gefässen (Abb. 30). Vermutlich stellen auch die Gefässe der Kategorie B in vielen Fällen eigenständige Individuen dar. Ohne die Randpartie fehlt jedoch das Merkmal, um klar zu entscheiden, ob es sich um eigenständige Individuen handelt oder ob sie zu Gefässen der Kategorie A gehören. Die Gefässe der Kategorie C und D – insbesondere die Bodenfragmente – gehören wohl mehrheitlich zu den Gefässen der anderen beiden Kategorien, können diesen aber nicht sicher zugeordnet werden.

4.1.3 Gefässspektrum

Abbildung 31 zeigt den Anteil der einzelnen Gefässformen im gesamten Material. Schalen – insbesondere konische Schalen – sind am häufigsten vorhanden, dicht gefolgt von bikonischen Gefässen. Halsgefässe machen nur einen sehr geringen Anteil aus. Hinzu kommt eine nicht geringe Anzahl von Gefässen, deren genaue Form nicht mehr bestimmbar war.

Die anteilsmässige Verteilung der Formen spiegelt sich auch in den einzelnen Positionen wider (Abb. 32). Die Anzahl an Schalen und an bikonischen Gefässen liegt meist nahe beieinander, wobei bei der Grube Pos. 273 und der Bachrinne Pos. 726 Schalen die grösste Gruppe bilden, während in der Grube Pos. 1082 bikonische Gefässe überwiegen. Nur bei Grube Pos. 686 liegen die Halsgefässe leicht vorn. Bei allen weiteren Positionen war die Gesamtmenge der Gefässe zu gering, um Aussagen bezüglich Formenanteile treffen zu können.

In den spätbronzezeitlichen Siedlungen der Schweiz zeichnet sich sehr klar eine Entwicklungstendenz in der Zusammensetzung des Gefässspektrums ab (Abb. 33).54 Während in den älteren Siedlungen (Bz D/Ha A1) ein sehr hoher Anteil bikonischer Gefässe vorhanden ist, nimmt die Zahl der Schalen ab Ha A2 deutlich zu. Ab der Stufe Ha B2 ist dann wieder eine Zunahme der bikonischen Gefässe zu beobachten. Halsgefässe bleiben hingegen in allen Fällen die kleinste Formengruppe. Die Zusammensetzung des Gefässspektrums von OsterfingenHaafpünte lässt sich somit am besten mit den Siedlungen der Stufen Ha A2 und Ha B1 vergleichen. Für eine engere chronologische Einordnung braucht es jedoch eine detailliertere typologische Bestimmung (Kap. 4.1.8).

Schalen bikonische Gefässe Halsgefässe unbes�mmt

Oberengstringen,ZH(BzD2/HaA1)Andelfingen-AufBollen,ZH(HaA1)

Wollishofen-Haumesser,ZH(HaA2/B1)Greifensee-Böschen,ZH(HaB1)ZugSumpf,ZG,ältereSchicht(HaB1/B2) ZugSumpf,ZG,jüngereSchicht(HaB3)Mörigen,BE(HaB3)

Vinelz,BE,Schicht2(HaB1/B2)Vinelz,BE,Schicht1(HaB2)

Schalen Bikonische Gefässe Halsgefässe

Abb. 33: Vergleich des Gefässspektrums spätbronzezeitlicher Siedlungen verschiedener Zeitstellung. Es ist eine Verschiebung der Anteile von Schalen und bikonischen Gefässen zu beobachten.

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