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3. Die Befunde
Jonas Nyffeler
Für die Befundauswertung der spätbronzezeitlichen Siedlungsperiode standen insgesamt 92 Strukturen zur Verfügung. Mit Ausnahme eines Grabens handelte es sich dabei ausschliesslich um Pfostengruben und weitere Gruben. Insgesamt liessen sich 15 Befunde sicher der spätbronzezeitlichen Nutzungsperiode zuweisen. Diese streuen locker über die gesamte nordwestliche Hälfte der Fläche. Für 77 Strukturen muss mangels diagnostischer Funde aus ihren Verfüllungen auch eine eisenzeitliche Datierung in Betracht gezogen werden, weshalb sie lediglich prähistorisch datiert werden können (Abb. 10 sowie Kap. 2.3). Sämtliche Befunde sind im Befundkatalog mit den wichtigsten Angaben erfasst. Befunde mit speziellem Aussagewert werden in den folgenden Unterkapiteln nach Befundkategorien gegliedert besprochen.
3.1 Pfostengruben
Als Pfostengruben wurden Gruben mit steiler bis senkrechter Wandung, flacher oder leicht gerundeter Sohle und einem Durchmesser von 20 bis 70 cm angesprochen. Insgesamt liessen sich sieben Pfostengruben der spätbronzezeitlichen Besiedlungsperiode zuordnen. Ein sicherer Nachweis der Interpretation war lediglich bei Pos. 873 mit einer 18 cm breiten Pfostenstandspur möglich. In zwei Fällen lagen zwei Pfostengruben in direkter Nähe zueinander (Abb. 10: Pos. 835, 839, Feld 15; Pos. 36 und 646, Felder 18 und 14). Pos. 36 und 646 weisen zudem sehr ähnliche Masse und Unterkanten auf, sodass eine ZusammengehörigkeitdieserzweiStrukturenwahrscheinlichist. Spätbronzezeitliche Pfostenbaugrundrisse lassen sich in Osterfingen auch unter Zuhilfenahme der 62 prähistorisch datierten Pfostengruben (Abb. 10) nicht erkennen.
3.2 Gruben
Sieben Gruben liessen sich über zum Teil umfangreiche Keramikfunde in die Spätbronzezeit datieren. Ihre Verteilung auf der Grabungsfläche zeigt keine Auffälligkeiten. In zwei Fällen konnte auf den primären Zweck der Gruben rückgeschlossen werden.
Grube Pos. 273 (Abb. 10, Feld 11/16) hatte einen ovalen Grundriss von 2,3 × 1,6 m und war noch ca. 60 cm tief erhalten. Der Übergang zur horizontalen Sohle war leicht gerundet (Abb. 8). Die unterste Verfüllschicht bildet die sterile, siltige Pos. 616. Darüber lag ein Verfüllungspaket bestehend aus den Pos. 606, 405 und 615. Die lockere Mischung aus Asche und Silt Pos. 606 wurde von der massiven Pos. 405 überlagert, einem Konglomerat aus gebranntem Lehm, siltigem Erdmaterial, wenig Asche, Holzkohle und weiteren verkohlten Pflanzenresten, möglichen Fragmenten eines Mondhorns sowie zum Teil hitzeversehrten Keramikfragmenten. Gegen die nördliche Wandung stieg Pos. 405 stark an (Abb. 9). Pos. 615 bestand hauptsächlich aus Asche und war mit wenigen Fragmenten gebrannten Lehms durchsetzt (Abb. 11).
Über diesem Verfüllungspaket lag entlang der Grubenränder Pos. 1265 ohne Anzeiger von Hitzeeinwirkung. Das Sediment wies Ähnlichkeiten zu Pos. 616 auf, war jedoch mit zahlreichen Keramikfragmenten durchsetzt, sodass eine natürliche Einschwemmung unwahrscheinlich ist. Darüber befand sich mit Pos. 379 und 343 ein weiteres Verfüllungspaket. Erstere zeigte eine vergleichbare Zusammensetzung wie Pos. 615. Pos. 343 wies auffällig viel grossstückig zerscherbte Keramik auf (Abb. 12), darunter die vollständige Schale mit Henkel Kat. 17 und das Fragment eines Mahlsteins. Ebenfalls aus dieser Schicht stammen 45% der insgesamt 539 aus der Grube geborgenen Tierknochenfragmente. An diesen wie an den Scherben liessen sich ebenfalls häufig Spuren sekundärer Hitzeeinwirkung feststellen, wenngleich das umgebende, siltige Sediment vergleichsweise wenig Asche, gebrannten Lehm und Holzkohle enthielt. Die obersten drei Verfüllschichten Pos. 272, 329 und 341 hoben sich von den übrigen durch eine deutlich homogenere Matrix mit weniger klar ersichtlichen Brandanzeigern ab. Auch aus diesen Positionen stammt hitzeversehrte Keramik.
Über Passscherben lassen sich fast alle Verfüllungen miteinander verbinden (Abb. 13). Die Grube wurde somit zügig mit Material aus einem begrenzten Bereich der Siedlung verfüllt. Die unregelmässigen Oberkanten der Verfüllungen und regellos orientierte Fragmente von Keramik und gebranntem Lehm (besonders in Pos. 405, vgl. Abb. 9) zeigten, dass das Material ohne Sorgfalt in die Grube geschüttet wurde. Aufgrund der hohen Anteile von Asche, gebranntem Lehm und hitzeversehrter Keramik lässt sich das Material als in der Grube deponierter Brandschutt ansprechen. Dass die Sedimente der obersten drei Verfüllungen weniger Hitzeanzeiger enthielten, könnte auf taphonomische Prozesse zurückzuführen sein. Diese führten wahrscheinlich im gesamten Grabungsareal zu einer Homogenisierung der oberflächennahen Schichten und vermischten im vorliegenden Fall hitzeversehrtes Sediment wie Asche und Holzkohleflitter stark mit umliegendem Schichtmaterial (Kap. 2.1). Keramikfragmente sind häufig grossformatig erhalten und zeigen kaum verrundete Kanten; Tierknochen weisen kaum Bissspuren auf (Kap. 4.4). Beide Beobachtungen legen nahe, dass der Schutt bereits kurz nach dem Brandereignis in die Grube verfüllt wurde. Die Grubenwandung und -sohle selbst zeigten keine Spuren von Hitzeeinwirkung. Ob die Grube vor ihrer Verfüllung für einen anderen Zweck genutzt wurde, ist nicht bekannt. Die unterste, fundlose Schicht Pos. 616 (Abb. 8) scheint entlang der steilen Grubenwände eingeschwemmt und nicht anthropogen eingebracht. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Grube vor der Verfüllung mit Brandschutt für einige Zeit offenstand.
Zahlreiche Fragmente des gebrannten Lehms aus Pos. 405 wiesen eine originale Oberfläche auf. Trotz intensiver Suche liessen sich keine Merkmale feststellen, welche Rückschlüsse auf den konkreten Zweck des gebrannten Lehms erlaubt hätten (Kap. 4.3.1). Von einem kleinen Fragment wurde im Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Basel (IPNA) ein Dünnschliff angefertigt und mikromorpho- logisch untersucht. Die so festgestellte, verglaste Oberfläche bestätigte den Verdacht, dass der gebrannte Lehm hohen Temperaturen über 1000 °C ausgesetzt war (Kap. 4.3.3.2). Einen weiteren Hinweis auf sehr hohe Temperaturen lieferten stark hitzeversehrte Keramikfragmente sowie ein verschmolzenes Bronzeobjekt (Kap. 4.2.1).
Bei den Fragmenten gebrannten Lehms könnte es sich um den Abraum eines Ofens oder einer Feuerstelle handeln. In Kombination mit der hitzeversehrten Keramik, den Getreideresten, den Tierknochen, dem Mahlsteinfragment und der grossen Menge an Asche scheint es hingegen naheliegender, im Brandschutt die Überreste eines abgebrannten Gebäudes zu sehen.15
Vergleichbare Funde wurden im Rahmen eines Brandexperiments in der Ukraine gemacht: Bei einem unter kontrollierten Bedingungen abgebrannten Pfostenbau mit lehmverputzten Wänden wurden während der folgenden Ausgrabung viel Asche sowie unterschiedlich stark gebrannte Wandfragmente freigelegt, deren Oberflächen teilweise verglast waren. Im Haus platzierte Gefässe wiesen unterschiedlich starke Hitzespuren auf. Die Bandbreite reichte von wenigen unversehrten Scherben bis zu einem durch die grosse Hitze deformierten Stück.16
Die Ergebnisse des Experiments lassen sich damit sehr gut mit dem Osterfinger Befund vergleichen. Die Lehmfragmente mit verglaster Oberfläche aus der Verfüllung Pos. 405 dürften eher von einer Gebäudewand als von einem Stampflehmboden stammen: Entsprechend hohe Temperaturen bilden sich besonders im oberen Bereich eines abbrennenden Gebäudes mit ausreichend Zugluft.17 Bei abgebrannten Häusern von ÜrschhausenHorn liess sich ebenfalls feststellen, dass die oberen Gebäudebereiche stärker vom Feuer zerstört wurden. Bei diesen Befunden sind jedoch die von Osterfingen abweichenden Bodenverhältnisse zu beachten. Wahrscheinlich trug der feuchte Untergrund in der Feuchtbodensiedlung zusätzlich dazu bei, dass die unteren Bereiche des Hauses weniger stark vom Feuer beeinträchtigt wurden.18
Die Menge an Holzkohle in den Grubenverfüllungen scheint für einen Hausbrand relativ gering. Dies könnte einerseits darauf hindeuten, dass das Holz des Gebäudes vollständig verbrannte.19 Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Holzkohle und angekohlte Bauhölzer nicht entsorgt, sondern als Brennmaterial recycelt wurden.
Die Motivation hinter der Lagerung des Brandschuttes in der Grube Pos. 273 muss offenbleiben. Einerseits könnten Reste des zerstörten Gebäudes in der Grube primär entsorgt worden sein, um den ehemaligen Gebäudestandort für ein neues Haus vorzubereiten. Möglich wäre jedoch auch, dass im Rahmen eines Rituals der Vorgang der Deponierung selbst wichtiger war als der anschliessend geräumte Baugrund. Denkbar wäre zum Beispiel ein Auflassungsopfer, bei welchem Teile des zerstörten Hauses «bestattet» wurden.20 Hintergrund einer solchen Handlung könnte die Bedeutung des Hauses als sozialer und kultureller Raum sein, in dem sich ein Grossteil des gemeinschaftlichen Lebens einer Gruppe abspielt. Die Auflassung eines Hauses ist demnach ein bedeutendes soziales Ereignis, das durch diverse rituelle Aktivitäten begleitet werden kann. Ebenfalls könnte die Aufgabe oder Zerstörung eines Hauses selbst eine begleitende Aktivität für ein anderes bedeutendes soziales Ereignis sein wie beispielsweise den Tod dessen Besitzers.21 Für den Brandschutt aus Grube Pos. 273 lässt sich eine ritualisierte Handlung schwer nachweisen. Ein sorgfältiges Hineinschichten der Keramik oder eine spezielle Anordnung anderer Fundgruppen liess sich nicht feststellen. Auffällig ist hingegen die fragmentierte, aber vollständig erhaltene Schale mit Henkel Kat. 17. Die meisten Scherben lagen dicht beieinander in Pos. 343 und waren vom bereits erwähnten Mahlsteinfragment Kat. 81 überdeckt (Abb. 14). Das Gefäss weist keine Spuren von Hitzeeinwirkung auf. Seine Vollständigkeit und die fehlenden Hitzespuren sind deutliche Hinweise darauf, dass es nicht aus dem Kontext des Hausbrandes stammt, sondern als Deponierung an- zusprechen ist.22 Die Zusammensetzung und Lage von Gefässdeponierungen in spätbronzezeitlichen Siedlungen sind sehr vielseitig, sodass sich bislang kaum Muster zu Deponierungssitten herausarbeiten lassen.23 Entsprechend variabel und komplex werden auch die mit den Deponierungen verbundenen Rituale gewesen sein.24 Festhalten lässt sich zumindest, dass vollständige deponierte Gefässe in Siedlungsgruben in der Spätbronzezeit ein verbreitetes Phänomen waren.25 Mit Brandschutt vergesellschaftete Gefässdeponierungen sind auch aus anderen urnenfelderzeitlichen Fundstellen bekannt, so beispielsweise in der Silogrube 192 aus Altdorf-Römerfeld, Landkreis Waldshut (D). Ein Becher sowie je zwei Schalen und Tassen wurden in einer Nische der Grube deponiert und mit Brandschutt mit hitzeversehrten Tierknochen, Lehm- und Keramikfragmenten und dem Fragment des Läufers einer Getreidemühle überdeckt.26 In Grube 166 aus Altheim, Landkreis Landshut (D), wurden ein Becher, eine Schale und eine Tasse deponiert. Die Gefässe waren vollständig oder leicht beschädigt. Die weitere Verfüllung enthielt mehrere hitzeversehrte Fragmente von Mahlsteinen und zahlreiche Keramikfragmente. Gebrannter Hüttenlehm war hingegen kaum vorhanden. Beide Gruben stammen aus Siedlungen. Bei der Grube aus Altheim wird die Zugehörigkeit zu einem Pfostenbau vermutet.27 Die Kombination von Brandschutt mit verziegeltem Lehm und verbrannten Tierknochen zusammen mit Gefässdeponierungen kann in weiteren urnenfelderzeitlichen Gruben in Deutschland, Österreich und Tschechien beobachtet werden.28
Eine spezifische Befundgruppe mit Ähnlichkeiten zur Grube Pos. 273 in Osterfingen stammt aus Bayern und Böhmen. Es handelt sich um bis zu 11 m lange, schmale, von Nord nach Süd ausgerichtete Gruben, die häufig mit Brandschutt, gebranntem Lehm sowie hitzeversehrten Keramikfragmenten und Steinartefakten verfüllt sind. Entlang der Grubennegative sind in der Regel keine Hitzespuren feststellbar. Mitunter finden sich in diesen Gruben vollständige, unverbrannte Kleingefässe aus Keramik. Die Verfüllungen dieser Gruben werden ebenfalls als Reste abgebrannter Gebäude gesehen. Die unverbrannten Gefässe werden als Deponierungen während der Räumung beziehungsweise einer rituellen «Bestattung» der Hausruine diskutiert.29 Keramikdeponierungen im Zusammenhang mit dem Hausbau sind ausserdem aus Pfostengruben der Spätbronze- und Eisenzeit aus Süddeutschland bekannt. Dabei beschränkten sich Deponierungen nicht nur auf den Bau des Hauses, sondern sie fanden zum Teil auch erst nach dem Abbruch eines Gebäudes beziehungsweise nach dem Ziehen des Pfostens statt.30
Die genannten, exemplarisch beigezogenen Vergleiche zeigen, dass sich die Grube Pos. 273 aus Osterfingen in eine Gruppe ähnlicher urnenfelderzeitlicher Befunde einreiht. Gemeinsamer Nenner ist die Deponierung eines oder mehrerer vollständiger beziehungsweise fast vollständiger Gefässe in einer Grube, die daraufhin mit Brandschutt verfüllt wurde. Der Brandschutt wird mit den Überresten abgebrannter Gebäude assoziiert. Bei den Befunden handelt es sich jeweils um Siedlungsgruben unterschiedlicher Formen. Möglicherweise wurden nicht nur die vollständigen Gefässe, sondern auch der Brandschutt oder zumindest einzelne darin enthaltene Fundgattungen wie Mahlsteine in einem rituellen Kontext niedergelegt. Demnach könnte in Osterfingen der Abbruch eines Gebäudes der Anlass für ritualisierte Handlungen gewesen sein, die sich in der Verfüllung der Grube Pos. 273 manifestieren. Wie sich diese Handlungen abspielten und welche konkreten Vorstellungen dabei eine Rolle spielten, bleibt vorerst offen.
Die ovale Grube Pos. 686 (Abb. 10, Feld 1/5) mass 100 × 80 cm, war noch 22 cm tief erhalten und wies eine gerundete Sohle auf. Sie enthielt drei Verfüllschichten, wobei sich die oberste nur schwer vom umgebenden Sediment abgrenzen liess (Abb. 15). Die gesamte Grubenverfüllung war lokal mit wenig Holzkohle, Asche und etwas verziegeltem Lehm durchsetzt. Sie enthielt zudem zahlreiche, zum Teil grossformatige und stark hitzeversehrte Keramikfragmente (Abb. 16 und Taf. 8 und 9). Auffällig ist eine fast vollständig erhaltene, nicht von Feuer überprägte Schüssel mit horizontalen Rillen (Kat. 95). Die Grubenwände zeigten keine Spuren von Hitze, sodass ein Feuer direkt in der Grube ausgeschlossen werden kann. Der primäre Zweck der Struktur ist unbekannt. Mit der brandschutthaltigen Verfüllung und dem grösstenteils vorhandenen, nicht hitzeversehrten Gefäss Kat. 95 zeigt diese Grube auffällige Parallelen zur Grube Pos. 273.
Die Grube Pos. 1082 (Abb.10, Feld 43/52) liess sich an der Oberkante von Pos. 18 kaum erkennen und zeichnete sich erst nach einem zusätzlichen Sedimentabtrag deutlich im Grundriss ab. Sie besass ein glockenförmiges Profil mit einer flachen Sohle. Der oberste dokumentierte Querschnitt betrug 98 × 77 cm. Bis zur Grubensohle verbreiterte er sich auf 150 × 118 cm. Der Befund kann zu den Silogruben (auch Kegelstumpf- oder Trichtergruben) gezählt werden. Unter den spätbronzezeitlichen Gruben von Osterfingen war es der einzige dieser Form. Bei der noch erhaltenen Tiefe von 45 cm betrug das Fassungsvermögen der Grube ungefähr 400 Liter. Es liessen sich drei Verfüllungen feststellen, wovon die mittlere Pos. 1115 stark mit Holzkohle, Fragmenten von gebranntem wie auch ungebranntem Lehm und hitzeversehrten Keramikscherben durchsetzt war (Abb. 17). Eine unverbrannte Schale Kat.82 liess sich zu drei Vierteln des ursprünglichen Gefässes zusammensetzen. Auch in dieser Grube zeichnet sich damit das bereits bekannte Bild des Brandschuttes sowie eines unverbrannten, grösstenteils bis vollständig erhaltenen Gefässes ab. Die beiden übrigen Verfüllungen der Grube lieferten nur wenige Funde. Silogruben sind seit dem Neolithikum bekannt und wurden zur Lagerung von Getreide oder anderen Feldfrüchten eingesetzt.31 Ihr Vorkommen scheint mit klimatisch günstigenPhasen zu korrelieren. Nebst der Spätbronzezeit treten sie vermehrt in der Späthallstatt- sowie der Spätlatènezeit auf.32 Im Schweizer Mittelland sind sie während der Bronzezeit eher selten.33 Im Vergleich zu spätbronzezeitlichen Gruben aus Süddeutschland, die Durchmesser und Tiefen von mehr als 2 m erreichen,34 gehört jene aus Osterfingen eher zu den kleineren Exemplaren.
Die ebenfalls ovale Grube Pos. 700 wies eine gestufte Sohle mit zentral tiefer liegendem Bereich auf (Abb. 18). Sie war noch 16 cm tief erhalten. Ihre Konturen waren im umliegenden Sediment kaum zu erkennen. Auffällig war eine zu einem Viertel in situ erhaltene, unverbrannte Schrägrandschale Kat. 104, die sich durch weitere anpassende Stücke bis zu 60% des ursprünglichen Gefässes ergänzen liess. Der primäre Zweck der Grube ist nicht bekannt.
Am zweitletzten Tag der Ausgrabung wurde beim Anlegen eines Spitzgrabens für eine Telefonleitung die Grube Pos. 1256 entdeckt (Abb. 10, Feld 53). Die Fläche schien ab der Oberkante der Schicht Pos. 18 befundleer. Umso überraschender zeichneten sich 10 cm tiefer – was ungefähr der Oberkante von Pos. 19 entsprechen dürfte (Kap. 2.1) – mehrere Scherben im Profil des Leitungsgrabens ab. Ein Planum auf diesem Niveau zeigte, dass es sich dabei um die Reste eines grossen Topfes handelte (Abb. 19). Er war mit verstürzten Scherben, dunklem Silt, Holzkohleflittern und kleinen Fragmenten gebrannten Lehms verfüllt. Aus Zeitgründen wurden die Scherben, die sich noch in situ im Boden befanden, en bloc geborgen. Eine Dokumentation des Grubenprofils war deshalb nicht möglich.
Der Topf war noch 18 cm hoch in situ erhalten. Aufgrund seiner Grösse und Form (Kap. 4) darf man davon ausgehen, dass er in einer passgenauen Grube im Boden eingegraben war. Die geglättete und verzierte Gefässpartie von der Schulter bis zum Rand befand sich wohl über dem damaligen Gehniveau und war sichtbar. Fragmente dieses Bereichs befanden sich in der Verfüllung direkt über dem Gefässboden (Abb. 19). Der Topf war bei seiner Zerstörung demnach leer gewesen. Die Gefässpartie unterhalb der Schulter erodierte wahrscheinlich zusammen mit Teilen der spätbronzezeitlichen Kulturschicht (Kap. 2.1) und war nicht mehr erhalten.
Genutzt wurde der Topf wahrscheinlich zur Lagerung von Vorräten. Die Verwendung von Grossgefässen als Urnen ist beispielsweise aus Elgg belegt.35 Eine entsprechende Deutung lässt sich hier aufgrund fehlenden Leichenbrandes jedoch ausschliessen. Vergleichbare Befunde eingegrabener Grossgefässe sind aus weiteren bronzezeitlichen Landsiedlungen bekannt.36 Das Eingraben eines grossen Topfs bringt verschiedene Vorteile mit sich. Einerseits stabilisiert die umgebende Erde das Gefäss und schützt es vor Schäden durch Stösse von aussen oder den Druck, welchen der Gefässinhalt von innen auf die Keramik ausübt. Andererseits besitzt die umgebende Erde auch eine kühlende Funktion, sodass Nahrungsmittel in diesem Gefäss länger haltbar wurden. Ob sich der Topf innerhalb oder ausserhalb eines Gebäudes befand, ist nicht bekannt. Bei gelagertem Getreide scheint ein überdachter und trockener Boden sinnvoller.37 Bei Gemüse und Früchten hingegen ist ein feuchtes Klima von Vorteil.38 Auch Flüssigkeiten könnten in eingegrabenen Gefässen gelagert worden sein. In Boswil-Eibolde wurden in der Verfüllung des Topfes zwei Tassen geborgen, die zum Schöpfen von Getreide oder einer Flüssigkeit dienen konnten.39 In der Verfüllung des Grossgefässes von Orsingen entdeckte Hitzesteine könnten dazu genutzt worden sein, einen flüssigen Gefässinhalt aufzuwärmen.40
Am nordwestlichen Rand der Grabungsfläche befand sich der Graben Pos. 726. Er verlief von Nordost nach Südwest und liess sich über 24 m verfolgen (Abb. 10). Der dokumentierte Abschnitt lag grösstenteils ausserhalb des Grabungsareals und wurde lediglich oberflächlich nach dem maschinellen Abtrag der Humusschicht untersucht. Sein Verlauf wurde mit einem Tachymeter in Abständen von 3–4 m eingemessen. Die dabei dokumentierte BreitedesGrabensvariiertezwischen4,3und5,8m.DadieStruktur tiefer als die Sohle des Bauprojekts reichte, wurde sie lediglich in vier Profi len bis 1 m Tiefe dokumentiert. Die Grabensohle wurde dabei nie erreicht. Gefasst wurde jeweils die Südostfl anke des Grabens; ein durchgehendes Profi l fehlt (Abb. 20). In den Profi len A und B ist erkennbar, dass die Steigung der Ostfl anke im oberen Bereich eher fl au war, nach unten jedoch zunahm (Abb. 21). Die unterste dokumentierte Schicht Pos. 760 bestandaussiltigemLehm,dermitAusnahmekleinerHolzkohlefl itter steril war. Darüber lag Pos. 758 mit einem hohen organischen Anteil. Sie enthielt eine dichte Konzentration grosser spätbronzezeitlicher Keramikfragmente. Auch Pos. 757 enthielt Holzkohle und zahlreiche Scherben. Beide sind als anthropogene Verfüllungen anzusprechen. Das Material wurde vom südöstlichen Grabenrand eingebracht. C14-Messungen bestätigen die Datierung der Schichten in die Spätbronzezeit (Kap. 5). Darüber lagen zwei fundarme, sandige und eingeschwemmt wirkende Schichten Pos. 756 und 759. Ob die obersten zwei Schichten Pos. 725 und 755 noch zur Grabenverfüllung gehörten, ist unsicher. Eisenzeitliche Funde sowie ein hallstattzeitlicher C14Messwert aus Pos. 72541 machen es wahrscheinlich, dass es sich zumindest bei letzterer Schicht um Teile des Schichtpakets Pos. 764/790 (Kap. 2.1) handelte.
Bei Profi l D (Abb. 22) konnte aus Pos. 1151 ebenfalls spätbronzezeitliche Keramik geborgen werden. Während mehrerer Ereignisse wurden in diesem Grabenabschnitt Teile der Verfüllung abgetragen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut verfüllt (Negativpos. 1165, 1166 und 1167). Die heterogeneren Pos. 1161, 1162 und 1163 schienen eher anthropogenen Ursprungs zu sein, waren aber fundleer. Pos. 1151 war umgeben von sterilen, teils gut sortierten Sedimenten unterschiedlicher Korngrössen (Abb. 23). Letztere lagerten sich unter Wassereinfluss mit verschiedenen Strömungsstärken ab. Auf den Oberflächen der geborgenen Keramik hinterliess das kalkreiche Wasser Kalksinter.42 Manganausfällungen in Pos. 1154 zeugen von Staunässe.43
Die periphere Lage des Grabens Pos. 726 auf der Ausgrabungsfläche erschwerte dessen Interpretation. Bereits auf der Ausgrabung führten seine grossen Dimensionen mit über 1 m Tiefe und mindestens 4,3 m Breite zur Idee, dass es sich dabei um die Begrenzung der spätbronzezeitlichen Siedlung handeln könnte.44 Dem ist entgegenzusetzen, dass aus der Stufe Ha A, in welche die spätbronzezeitliche Keramik Osterfingens datiert (Kap. 4.1.8), keine Talsiedlungen mit umfriedenden Gräben bekannt sind. Auch bei Seeufersiedlungen ab dem 11. Jahrhundert v. Chr. sind Befestigungen, dort in Form von Palisaden, äusserst selten.45
Im Zusammenhang mit fluviatilen Sedimenten liegt es deshalb nahe, den Graben als geologische Wasserrinne zu deuten. Auch der Verlauf des Grabens weist auf diese Interpretation hin; er folgte relativ exakt der Falllinie der rezenten Geländeoberfläche. Geomagnetische Messungen deuten seine Fortsetzung nach Südwesten an (Abb. 24). Parallel dazu sind weitere lineare Strukturen erkennbar, die wohl ebenfalls als geologische Rinnen anzusprechen sind.
Spätbronzezeitliche Funde in den Verfüllungen belegen, dass die Rinne Pos. 726 während der Besiedlung zumindest teilweise offenstand und wahrscheinlich als Abfallhalde genutzt wurde. Pos. 1161–1163 (Abb. 22) könnten anthropogene Aufschüttungen des Uferbereichs gewesen sein, die spätbronzezeitlich oder jünger datieren. Ob die Rinne zur Zeit der Besiedlung Wasser führte, ist nicht bekannt. Ebenfalls offenbleiben muss die Frage, ob sich die spätbronzezeitliche Siedlung auf der gegenüberliegenden Seite der Rinne nordwestlich der Grabungsfläche fortsetzte.
Bis zur nächsten Nutzungsperiode ab der späten Hallstattzeit wurde die Struktur fast vollständig durch Schwemmsedimente verfüllt. In diesem Zeitraum war das gesamte Grabungsareal stark vom Haartelbach beeinflusst, wovon unter anderem weitere Wasserrinnen zeugen.46