60 Jahre KÜNSTLER HAUS BOSWIL
erhaJ 06 RELTSNÜK SUAH LIWSOB
1953 gegründet, feiert die Stiftung Künstlerhaus Boswil 2013 ihr 60-JÄHRIGES JUBILÄUM. Es ist die Geschichte einer legendären Schweizer Kulturinstitution: Beheimatet in den historischen Liegenschaften auf dem Boswiler Kirchenhügel rund um die Alte Kirche Boswil, wandelte sie sich vom KÜNSTLERASYL zur KULTURWERKSTATT, vom KULTURZENTRUM zum ORT DER MUSIK. Im Jahr 2000 erschien der mittlerweile vergriffene Band «Weltkunst auf dem Land», der die schillernde Geschichte dieser Institution nachzeichnet. Aus aktuellem Anlass schlägt diese Jubiläumsbroschüre mit vielen noch nie veröffentlichten Aufnahmen den Bogen über sechs Jahrzehnte.
Abendessen im Künstlerheim mit den Hausgästen LISSY SANDEN (Dritte von links), STÉPHANIE DARRAS (Zweite von rechts) und WALTER ARNOLD STEFFEN (im Vordergrund) 1981
KÜNSTLER HEIM 1953 – 1991
KÜNSTLER HEIM 1953 – 1991
Aus ferner Zeit leuchtet ein Konzertereignis herü-
Zahlreiche Musikerinnen und Musiker traten in der
ber: Am 30. August 1955 spielte die legendäre
Folge auf: das Tonhalle-Orchester Zürich unter
Pianistin Clara Haskil in der Alten Kirche zugunsten
Volkmar Andreae, der Pianist Wilhelm Backhaus,
der Stiftung – «très heureuse d’avoir pu poser une
der Cellist Pablo Casals, der in Boswil auch seinen
modeste pierre pour l’édification de la grande
85. Geburtstag feierte, Yehudi Menuhin, um nur
œuvre que vous avez entreprise», schrieb sie auf
einige der berühmtesten zu nennen. Sie spielten
einer Karte. Die Idee dahinter war: Eine weltbe-
ohne Gage zugunsten auch jener unbemittelten
rühmte Künstlerin spielt für gleichaltrige Kollegin-
Künstlerinnen und Künstler, die ohne Rente aus-
nen und Kollegen, die nicht über die gleiche Fortune
kommen mussten und die im Künstlerhaus eine
verfügten und auf Hilfe angewiesen sind. Der
Chance erhielten, weiterhin künstlerisch zu arbei-
Künstler als Mäzen des Künstlers: das war der inno-
ten oder schlicht ohne Not ihren Lebensabend zu
vative Grundgedanke. Zwei Jahre zuvor – die Stif-
verbringen. Durch die Einnahmen aus den Benefiz-
tungsurkunde datiert vom 13. Mai 1953 – hatten der
konzerten konnte das Boswiler Pfarrhaus saniert
Lichtplaner Willy Hans Rösch und der Glasmaler
und zu einem Künstlerheim umgerüstet werden.
Albert Rajsek hier die Stiftung gegründet mit dem
Gleichsam nebenbei erkannte man bei dieser Gele-
Ziel, das Anwesen vor dem Zerfall zu retten und
genheit, dass die Alte Kirche eigentlich einen stim-
einem nützlichen Zweck zuzuführen, und sie fanden
mungsvollen Rahmen für Konzerte bildete – wovon
dafür breite Unterstützung.
Musikergenerationen bis heute profitieren.
Von 1960 bis 1991 war das Künstlerhaus die Heimat älterer Künstlerinnen und Künstler: U. a. lebten hier der Konzertsänger Otto Resch, die Maler Walter
Besten. Die offene Atmosphäre im Haus fegte
Arnold Steffen, Carl Zürcher und Walter Maier, die
gleichsam alle Künstlerallüren weg und förderte
Illustratorin Margarete van Leeuwen, die Musik-
das Gespräch untereinander.
pädagogin Lissy Sanden, der Filmcutter Hermann Haller, die Tänzerin Stéphanie Darras und der
«In Boswil sind wir Lernende und Lehrende zugleich,
Regisseur Kurt Früh. Ihre Werke, die sie hier in der
erweitern unser Wissen und ändern uns – aufeinan-
Abgeschiedenheit schaffen konnten, würden eine
der zu», schrieb einmal der Schauspieler Felix Rell-
eigene, hochinteressante Ausstellung füllen. Es
stab. Zahlreiche Ideen wurden hier noch spätabends
wird der Hausleitung damals nicht immer leicht-
bei einem Glas Wein geboren und ausdiskutiert;
gefallen sein, diese Familie von teilweise kauzigen
manche lebenslange Freundschaft begann. Mag
Eigenbrötlern zusammenzuhalten. Zahlreiche Anek-
sein, dass wir heute jene Zeit auch etwas idealisie-
doten haben sich aus jener Zeit erhalten. Berei-
ren, und dennoch: Damals wurde das Künstlerhaus
chernd für sie alle war, dass sich das Künstlerhaus
zu einem Ort der Begegnung und des Austausches
immer wieder mit jüngeren Menschen belebte, die
über Generationen hinweg. Dieser Genius Loci ist
hier Kurse besuchten. Bis spätabends sassen dann
trotz aller Wandlungen bis heute zu spüren. Bis
die Seminarteilnehmer mit den Pensionären im
1991, als die letzte Pensionärin starb, blieb der
Speisesaal des Künstlerhauses zusammen, disku-
ursprüngliche Stiftungszweck des Künstlerheims
tierten und sangen zuweilen auch, denn Nino Ferrari,
bewahrt; gleichzeitig jedoch wurden die Qualitäten
das Faktotum des Hauses – seine Frau Paolina
des Ortes immer intensiver für andere Zwecke ge-
leitete die Küche – gab gerne Arien von Verdi zum
nutzt.
Linke Seite: Klavierabend mit dem Pianisten WILHELM BACKHAUS
1962
Rechte Seite:
Die Musikp채dagogin LISSY SANDEN
1983
Linke Seite: Beim Konzert zum 80. Geburtstag des Cellisten Pablo Casals spielte ebenfalls YEHUDI MENUHIN 1956
Rechte Seite: Die Tänzerin
Rechte Seite: Der Maler
STÉPHANIE DARRAS
WALTER ARNOLD STEFFEN
1982
1980
Linke Seite: Die Maler ALFRED BERNEGGER und CARL ZÜRCHER – hier auf dem Platz vor der Alten Kirche – gehörten zu den ersten Pensionären des Künstlerheims 1960
Rechte Seite: Neueröffnung der renovierten Alten Kirche durch das Zürcher Kammerorchester unter EDMOND DE STOUTZ
1966
Linke Seite: Der Maler WALTER MEIER
1982
Rechte Seite: Der Cellist PABLO CASALS signiert das G채stebuch anl채sslich seines 80. Geburtstages 1956
Tagung «Musik in dieser Zeit» 1985
KULTUR WERKSTATT 1964 – 1991
KULTUR WERKSTATT 1964 – 1991
Weil sich der Ort in diesem Rahmen so sehr bewährte, folgten bald – stets parallel zum gleichzeitig «Was ich ganz besonders bewunderte in Boswil, war
betriebenen Künstlerasyl – weitere Initiativen. Der
die Mischung von sozialem Denken und Kunstpfle-
ETH-Dozent Ueli Schoop gab Bildhauerkurse; mit
ge.» So schrieb einmal der der Flötist Aurèle Nicolet.
den Jahren entwickelte sich ein immer reicheres
Nicolet war es, der der Stiftung im Gespräch mit
Angebot. 1969 fand unter der Leitung von Klaus
Willy Hans Rösch einen wesentlichen Anstoss gab:
Huber ein erstes Internationales Komponistensemi-
Ob sich in Boswil denn nicht auch Kurse organisie-
nar zusammen. Ein höchst anregendes Arbeitsklima
ren liessen? Der Ort sei doch äusserst geeignet
herrschte: In der Kirche sassen die Musiker über
dafür. Daraufhin lud man den weltberühmten Marcel
den Partituren und diskutierten; danach diskutier-
Moÿse ein, einen Meisterkurs zu geben: Eine hervor-
ten sie im Künstlerhaus drüben weiter. Wie ein Who
ragende Wahl, denn seine Ausstrahlung war enorm.
is who der Neuen Musik liest sich die Liste der ersten
Jemand, der auf die Frage «Qui est le plus grand
Teilnehmerrunde: Helmut Lachenmann und Franco
flûtiste du monde?» antworten konnte: «Moi», war
Donatoni waren darunter, Marek Kopelent und Per
gerade der Richtige für diese eigentliche Initialzün-
Nørgård, aus der Schweiz Heinz Holliger, Hans Ulrich
dung. Gestandene Flötisten, aber auch junge Kurs-
Lehmann, Urs Peter Schneider und Jürg Wytten-
teilnehmer kamen aus aller Welt nach Boswil. Bis
bach. 1972 wurde ein weiteres Seminar durchge-
1984 kehrte Moÿse alljährlich für diesen Meisterkurs
führt, bis 2005, dem letzten mit dem Arditti Quartet,
zurück.
waren es insgesamt sechzehn.
1971 rief der Musikwissenschaftler Kurt von Fischer, Ordinarius an der Universität Zürich, eine zweite wichtige Tagung ins Leben, die den Titel «Musik in
Günter Grass prägte während eines Aufenthalts
unserer Zeit» trug und sich vor allem an Musikkriti-
den Satz: «Boswil ist der Ort, das Neue zu versu-
ker wandte. Hier widmete man sich nicht der Aus-
chen, ohne vorschnell nach dem Gelingen zu fra-
bildung angehender Journalisten, sondern unter-
gen.»
nahm, wie ein regelmässiger Teilnehmer, Max Nyffeler, schreibt, «den Versuch einer Bestandes-
Boswil war auch Ort der Begegnung: auch das hatte
aufnahme des Status quo und gab Anstösse zur
damals seine politischen Dimensionen. 1972 wurde
überfälligen Änderung mancher in Würde verkrus-
zum Beispiel der ostdeutsche Komponist Paul-
teten Strukturen des öffentlichen Musiklebens». Im
Heinz Dittrich zum Kompositionsseminar eingela-
Kompositionsseminar und in der Kritikertagung
den: Erstmals erhielt er eine Reiseerlaubnis. «Es
waren Ende der 70er-Jahre beide Fraktionen – Kom-
begegneten mir Menschen in Boswil, denen ich
ponisten und Kritiker – zugegen, und wie es sich für
mein volles Vertrauen schenkte … Boswil ist ein
einen Think Tank gehört, wurde dabei heftig gestrit-
Ausgangspunkt – zugleich aber auch ein Anfang für
ten. Man darf von heroischen Zeiten sprechen.
mich geworden.» Und so erging es vielen Künstlern
Schliesslich waren alle vom Geist des Jahrs 1968
aus dem Ostblock bis zur Wende – und noch darü-
infiziert.
ber hinaus. Sie erlebten hier eine andere Welt, erhielten vielleicht sogar ein Stipendium, um länger
Ein Ton war da nie nur ein Ton, sondern wurde nach
im 1970 erworbenen Atelierhaus arbeiten zu kön-
seiner politischen Bedeutung befragt und ob er
nen – und einige von ihnen setzten sich sogar in den
Grenzen überschritt. Boswil war ein Ort der Utopie.
Westen ab.
Linke Seite: Der Pianist und Komponist GEORGE GRUNTZ
1982
Rechte Seite: Ballettseminar in der Alten Kirche 1969
Linke Seite: Studierende eines Bildhauerkurses an der Arbeit 1966
Rechte Seite: Gesellige Runde nach einem «Lyrischen Abend», mit dem späteren LiteraturNobelpreisträger GÜNTER GRASS (in der Mitte), dem Flötisten AURÈLE NICOLET (Zweiter von rechts), dem Schriftsteller PETER BICHSEL (Zweiter von links) und dem Historiker JEAN-RUDOLF VON SALIS (ganz links) 1966
Linke Seite: Jazz-Workshop mit JOHN TCHICAI
1986
Rechte Seite: Feier zum 80. Geburtstag des Dirigenten und Komponisten ERICH SCHMID (links), mit dem Künstlerhaus-Gründer und Stiftungspräsidenten WILLY HANS RÖSCH (Zweiter von links) und dem langjährigen Hausangestellten NINO FERRARI (stehend) 1987
Linke Seite: Erstes Internationales Komponistenseminar unter der Leitung von KLAUS HUBER (stehend hinten: HEINZ HOLLIGER) 1969
Rechte Seite: K端nstleratelier im Werderhaus: STEFAN GRITSCH
1981
Linke Seite: Der berühmte französische Flötist MARCEL MOŸSE im Gespräch mit Studierenden bei seinem ersten Boswiler Meisterkurs 1964
Rechte Seite: Das legendäre Trio PFURI, GORPS UND KNIRI spielt im Künstlerhaus 1978
SoirĂŠe africaine 1996
ORT DER KULTUR 1991 – 2005
ORT DER KULTUR 1991 – 2005
Viele Ideen hatten sich also überlebt, anderes jedoch erwies sich durchaus als weiterhin tragfähig. In eben jenem Jahr 1991 legte zudem der langjähri-
1991 starb in Boswil die letzte Pensionärin, die hol-
ge Leiter und Spiritus rector Willy Hans Rösch sein
ländische Illustratorin Margaretha van Leeuwen. Da
Amt nieder. Damit war es an der Zeit, sich neu zu
auch Künstler mittlerweile über eine Altersversi-
orientieren. Ein Ausschuss des Beirats erarbeitete
cherung verfügten, war der Zweck des Künstler-
neue Strukturen und Statuten, ein hauptamtlicher
heims hinfällig geworden. Ebenso hatte sich das
Geschäftsführer wurde eingesetzt, der die Verant-
Klima in den Seminaren und Workshops gewandelt:
wortung für Betrieb und Führung der Stiftung
Die kämpferischen Zeiten waren vorüber; die hefti-
übernahm. Aus dem Künstlerheim wurde das
ge Diskussionsfreude wich etwa im Kompositions-
Künstlerhaus, und ein Förderverein entstand, der
seminar der intensiveren Arbeit. Bezeichnend etwa
das Haus moralisch und finanziell unterstützt. Unter
war der Zwischenruf eines jüngeren Teilnehmers,
der Leitung von Nationalrat Anton Keller formierte
als sich Ende 1996 eine nur noch vergleichsweise
sich auch der Stiftungsrat neu. 1994 wurde ein
kleine Gruppe zur Musikkritikertagung zusammen-
neues Leitbild formuliert: «Boswil sucht nicht die
fand, um Rückschau auf die 68er-Generation zu
Ereigniskultur, sondern den Weg zurück zum ver-
halten. Er bat, man möge doch etwas konkreter
antwortlichen Menschen, zum Künstler. Im Mittel-
vorgehen: weniger Weltanschauung und dafür
punkt steht dabei der Künstler in seiner Arbeits- und
mehr Rezepte. Auch die 68er-Generation wurde da
Wirkungsstätte (Künstlerhaus), nicht mehr der alte
bei der eigenen Nostalgieseligkeit ertappt.
Künstler (Künstlerheim).»
Das hatte Auswirkungen: Nicht allen Freunden Boswils behagte die Neuausrichtung; die finanzielle Grundlage war wegen zahlreicher Renovationen und Umbauten in Kirche und Künstlerhaus nicht gesichert. Und auch die früheren Benefizkonzerte zugunsten der Stiftung hatten ihren Sinn verloren. Man musste also die Basis erneuern. Nicht nur die Musik stand im Zentrum, sondern auch Bewährt hatte sich hingegen die Kirche als Konzert-
Theater, Literatur und Bildende Kunst – diese mit
ort, und auf dieser Grundlage wurde eine neue Form
einer kontinuierlichen Folge von Ateliergästen aus
geschaffen: die Reihe der Meisterkonzerte. Bedeu-
den Ländern Osteuropas oder Afrikas. Die sprich-
tende Musikerinnen und Musiker waren zu Gast: das
wörtliche Boswiler Gastfreundschaft wurde damit
Hilliard-Ensemble, der Blockflötist Maurice Steger,
fortgeführt: Vor oder nach den Konzerten wurde
Heinz Holliger u. v. a., einige kehrten regelmässig
und wird im Künstlerhaus zu Tisch geladen. Das
zurück. Seit Pedro Zimmermann 1996 die Ge-
vielleicht schönste Zeugnis in dieser Hinsicht ist
schäftsführung übernommen hatte, konsolidierte
der Boswiler Sommer, das Festival, das 2001 vom
sich die Boswiler Tätigkeit rund um die beiden
Cellisten Andreas Fleck gegründet wurde. Das casal-
wichtigen Standbeine Konzertort und Weiterbil-
Quartett als Kern des Festivals erarbeitet dabei mit
dungsakademie: «Ich setzte mir zum Ziel, zum ei-
anderen Musikern vor Ort seine Programme, die
nen das, was an spannenden Seminaren, Symposien
dann in Konzerten präsentiert werden. Junge Künst-
und Workshops stattfand, zu intensivieren und
lerinnen und Künstler, wie zum Beispiel die Geigerin
besser nach aussen zu vermitteln. Zum anderen
Patricia Kopatschinskaja, die Cellistin Sol Gabetta
wollte ich Konzerte und Anlässe durchführen, die so
oder die Pianistin Khatia Buniatishvili, wurden hier
attraktiv sind, dass sie Besucher nicht nur aus dem
erstmals als Artist in Residence vorgestellt. Boswil
Freiamt anziehen, sondern auch aus Zürich, Zug,
hatte dabei immer wieder einen guten «Riecher».
Lenzburg oder Aarau. Eine Öffnung war angesagt.»
Etliche dieser «rising stars» sind längst weltberühmt.
Linke Seite: Als Stipendiatin im Rahmen des Programms Bildende Kunst war die Rum채nin STELA LIE zu Gast am K체nstlerhaus 1995
Rechte Seite: Meisterkurs des Cellisten PETER WISPELWEY
2005
Linke Seite: Mit der Gründung des JUGENDORCHESTERS FREIAMT – hier bei einer Probe – begann die Jugendförderung am Künstlerhaus 1994
Rechte Seite: Impression aus einem Meisterkurs für Kontrabass von JOËLLE LÉANDRE 1997
Linke Seite: Impression aus einem Choreografie-Kurs 1995
Linke Seite: Die Jahrhundert-Pianistin MARTHA ARGERICH am Boswiler Sommer 2002
Rechte Seite: Der Klezmer-Klarinettist GIORA FEIDMAN und die Cellistin SOL GABETTA am Boswiler Sommer 2002
Linke Seite: Das THEATER M.A.R.I.A. UNSER probt 1992
Rechte Seite: Der s端dafrikanische Jazzpianist ABDULLAH IBRAHIM in Boswil
PIERRE-ALAIN MONOT dirigiert das ENSEMBLE BOSWIL FÜR NEUE MUSIK
2008
ORT DER MUSIK ab 2006
ORT DER MUSIK ab 2006
der Musik, seit 2006 unter der Leitung von Michael Schneider. Und doch war es nur folgerichtig, und der Stiftungsrat (dessen Präsidium 2007 von Ursula Mauch zu Peter Wipf überging) hatte diesen Schritt von Anfang an unterstützt. Boswil ist heute das
Die Musik mit ihren Bereichen von Klassik über
eigentliche Kompetenzzentrum für klassische und
Avantgarde, Jazz und freie Improvisation bis zum
zeitgenössische Musik im Kulturkanton, das in
Chanson spielte von je her eine zentrale Rolle in
jährlich zweihundert eigenen und Gastveranstal-
Boswil, aber auch die Bildende Kunst, die Literatur,
tungen 12 000 Besucher auf dem historischen
das Theater und zuweilen auch Ballett und Film
Kirchenhügel versammelt. Seither hat das Künst-
kamen zum Zug. Es war ein überaus reiches Ange-
lerhaus sein Profil noch weiter geschärft: Es hat
bot. Nun verfügt der von vielen Kleinstädten
seine Aktivitäten verdoppelt, Team und Strukturen
geprägte Aargau seiner föderalistischen Struktur
professionalisiert und neben einem weitreichenden
wegen über ein ohnehin schon vielfältiges Kultur-
Netzwerk ist es ihm gelungen, die Brücke zur Ge-
angebot. Vor allem vom Kanton kam deshalb der
meinde Boswil zu schlagen. Mit den Worten «Boswil
dringende Wunsch, statt der Diversifizierung die
klingt» begrüsst sie heute die Besucher auf ihrer
Konzentration anzustreben und sich innerhalb der
Webseite. Die Meisterkonzerte, das «Weltklassik»-
Aargauer Kulturszene ganz deutlich zu positionie-
Festival Boswiler Sommer und die Boswiler Akade-
ren. Das war für viele alte Freunde Boswils ein
mie sind allgemein anerkannt; das Kulturbiotop
zunächst schmerzlicher und doch notwendiger
Boswil hat eine Ausstrahlung weit über die Kantons-
Schritt. So wurde das Künstlerhaus 2005 zum Ort
grenzen hinaus.
begabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 16 bis 26 Jahren» zu einem beliebten Klangkörper. Dadurch werden junge Menschen (und deren Angehörige) vertieft an die klassische Musik herangeführt. Die angehenden Profimusiker aus «Boswil, als Ort für Reflexion und für Kreation, ist
den Schweizer Hochschulen schliesslich, die sich
nach wie vor präsent», sagt Michael Schneider.
für zeitgenössische Musik begeistern, treffen sich
Immer wieder kommen Ensembles hierher um
jeweils im Oktober für das Ensemble Boswil. Unter
zu arbeiten und ab und zu – sofern es der dichte
der Leitung eines renommierten Dirigenten wird
Terminkalender des Künstlerhauses zulässt – auch
ein anspruchsvolles Programm einstudiert. Und
einzelne Musiker für Atelieraufenthalte.
schliesslich gibt es seit einiger Zeit ein Pionierprojekt, das weitherum auf grosse Resonanz stösst:
Boswil ist aber nicht nur etwas für die Profis (seit
das Young Composers Project, das Jugendliche an
2006 konzertierten als ganz grosse Namen u. a.
fünf Wochenenden in die Kunst des Komponierens
Sabine Meyer, das Hagen Quartett, Christoph
einführt. Gerade dieses Projekt führt eindrücklich
Prégardien, John Williams und die King’s Singers),
vor Augen, wie es Boswil gelungen ist, sich selber
sondern auch für gute Laien bzw. angehende Musi-
treu zu bleiben und sich zu erneuern. Es zeigt, dass
ker. Gleich drei längst anerkannte junge Ensembles
sich die Institution erfolgreich geöffnet hat – und
haben sich am Künstlerhaus Boswil gebildet. Sie
wie sie auf die Zukunft hin angelegt ist. Heute kon-
erarbeiten jeweils ihre Programme in der Alten
zertieren in Boswil nach wie vor die herausragenden
Kirche und gehen anschliessend damit auf Tournee:
klassischen Musiker unserer Zeit; ein Nachwuchs-
Das Jugendorchester Freiamt bietet 11- bis 16-jähri-
programm fördert Kinder, Jugendliche und junge
gen Musikerinnen und Musikern aus der Region,
Berufsmusiker; und mit Veranstaltungen wie der
also den Bezirken Bremgarten und Muri, die Mög-
Schweizer Erstaufführung von Karlheinz Stockhau-
lichkeit, erste Orchestererfahrungen zu sammeln.
sens Helikopter-Streichquartett 2011 stellt Boswil
Das Jugend-Sinfonieorchester des Kantons Aargau
auch im digitalen Zeitalter regelmässig noch den
bildet sich zweimal jährlich aus «motivierten und
Pioniergeist seiner Gründerjahre unter Beweis.
Linke Seite: Kantonales Aush채ngeschild: Das JUGEND-SINFONIEORCHESTER AARGAU 2013
Rechte Seite: Die Geigerin DARIA ZAPPA vor der Schweizer Erstauff체hrung von Karlheinz Stockhausens HELIKOPTER-STREICHQUARTETT 2011
Linke Seite: Der lettische Komponist PETERIS VASKS besucht die Schule Boswil 2009
Rechte Seite: Das YOUNG COMPOSERS PROJECT bei seiner f端nften Durchf端hrung 2012
Linke Seite: Gesellige Runde: der legend채re australische Gitarrist JOHN WILLIAMS (Mitte) im Gespr채ch mit Studierenden 2010
Rechte Seite: WALTER LEVIN ehemaliger Primarius des
LaSalle-Quartetts, beim Streichquartett-Meisterkurs 2008
Linke Seite: Das Festivalorchester des Boswiler Sommers probt unter der Leitung des Dirigenten MARIS SIRMAIS 2009
Rechte Seite: Der Tenor CHRISTOPH PRÉGARDIEN und der Pianist MICHAEL GEES in der Alten Kirche Boswil 2009
Stiftung K端nstlerhaus Boswil Flurstrasse 21 CH-5623 Boswil +41 (0)56 666 12 85 office@kuenstlerhausboswil.ch www.kuenstlerhausboswil.ch Impressum: Texte: Thomas Meyer, Mettmenstetten Redaktion und Fotoauswahl: Michael Schneider, Thomas Meyer Fotos: Archiv K端nstlerhaus Boswil Grafik: Heusser Communicates Druck: Druckerei Huber, Boswil 息 Stiftung K端nstlerhaus Boswil, 2013