BOSWIL AKTUELL September – Oktober 2018 Ku l t u r e r b e t a g S t e p h e n Ko v a c e v i c h Festival Piano4 Projekt Sigristenhaus Impressionen Boswiler Sommer Sebastian Bohren & Chaarts
Inhalt
September – Oktober 2018 Grüezi
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Programm
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Sorgt für den guten Ton: Klavierstimmer Dirk Jenfeldt Bauen für die Zukunft: Sigristenhaus Interview mit Architekt Gian Salis Rückblick Boswiler Sommer
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Blick nach Afrika: der Pianist Paul Hanmer Rückblick: Weitere Aktivitäten in Kürze CD-Tipps
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Förderverein/Impressum Agenda
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Titelbild: Katia und Marielle Labèque
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Grüezi
Vo n S c h w e i z e r p s a l m u n d M o n d h o r n
1. August
Zehn Jahre ist es her, seit die Gemeinde Boswil mit dem Slogan «Boswil klingt» nicht nur ein neues Erscheinungsbild ins Leben rief, sondern auch die Brücke zum Künstlerhaus als «Ort der Musik» und Aushängeschild des Dorfes schlug. Die Beziehungen des Künstlerhauses zur Standortgemeinde waren in den letzten Jahren eng – und die Gemeinde hat unsere Aktivitäten und Pläne stets mit grosser Unterstützung und Sympathie begleitet. Doch eine Premiere war es dann, was sich am 31. Juli, um 20 Uhr abspielte: das Künstlerhaus mit einem Gastauftritt an der 1.-AugustFeier der Gemeinde! Der ad-hoc-Chor der erstmals durchgeführten Boswiler Sommer-Chorakademie (Seite 25) – darunter vier Teilnehmer aus Hongkong – sang nicht nur vierstimmig den Schweizerp salm, sondern auch drei weitere Lieder aus dem erarbeiteten Repertoire, aufmerksam verfolgt von den 150 Besuchern der Bundesfeier. Eine wunderbare Kooperation, über die alle glücklich waren und welche ein Stück der im Künstlerhaus geleisteten musikalischen Arbeit auf der Dorfbühne präsentierte. Kulturelles Erbe ist beides – der Chorgesang und die Tradition der 1.-August-Feier – und es formt Identitäten und Gemeinschaften. Ohne Kultur, ohne kulturelles Erbe im engeren (Musik, Literatur, Kunst, Theater etc.) oder weiteren Sinn (Werte, Normen, Einstellu ngen, Traditionen) ist menschliches Leben an sich nicht denkbar. Und die Musik befriedigt nicht nur das Bedürfnis nach sinnlichem Erlebnis und seelischer
Nahrung. Sie stärkt auch allgemein unsere kognitiven Fähigkeiten, also die Art, wie wir wahrnehmen, planen und lernen. Dabei ist sie flüchtig, immateriell und als solche Teil unseres kulturellen Ausdrucks, unseres immateriellen Kulturerbes. Diesem Kulturerbe ist das ganze Jahr 2018 gewidmet, das «Europäische Kultur erbe-Jahr» (www.kulturerbejahr.ch), mit zahlreichen Veranstaltungen in der ganzen Schweiz. Und so stehen die Gemeinde Boswil und das Künstlerhaus nur drei Wochen nach der 1.-August-Feier im Fokus eines Boswiler Kulturerbetages am 26. August.
Erleben Sie Führungen, Workshops und Kinderveranstaltungen rund um das Thema (Seite 4) und erfahren Sie, was es mit dem geheimnisvollen «Mondhorn» auf sich hat. Mit musikalischen Grüssen Michael Schneider Geschäftsführer Künstlerhaus Boswil
Peter Wipf Präsident Stiftungsrat Künstlerhaus Boswil 3
Sigristenhaus
Boswil Spezial
Kulturerbetag Boswil Am Kulturerbetag Boswil eröffnen Kantonsarchäologie und Denkmalpflege des Kantons einen neuen Blick auf die über 3000-jährige Geschichte der Gemeinde. In der Alten Kirche werden die schönsten archäolo gischen Funde gezeigt, darunter das berühmte Mondhorn aus der Spätbronzezeit. Beim Gemeindehaus, bei der Kapelle St. Martin und rund um die Alte Kirche findet ein reichhaltiges Programm für Jung und Alt mit Führungen, Workshops und Verpflegung statt. Auch am Künstlerhaus selber laden eine Ausstellung und Führungen ein zu spannenden Einblicken in die Geschichte – und Ausblicken in die Zukunft. Sonntag, 26. August 2018 Eintritt frei 10.00 – 17.00 Uhr Ausstellung in der Alten Kirche: Die schönsten archäologischen Funde aus Boswil. Workshop für alle: Upcycling Grabungsplachen 10.00 / 13.30 Uhr Führung: Alte Kirche, neuer Anbau: ein kontroverses Paar. Führung mit Jonas Kallenbach, Kantonale Denkmalpflege und Gian Salis, Architekt
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10.30 / 12.30 Uhr Führung: Von Mondhörnern und Kultgruben. Neuste Erkenntnisse von der Grabung «Huebacher» aus dem Jahre 2016. Mit Stephan Wyss, Kantonsarchäologie 11.30 / 13.00 / 14.00 Uhr Musik als Kulturerbe – eine klingende Zeitreise, mit Michael Schneider, Geschäftsführer Künstlerhaus Boswil und Julia Püntener, Harfe 12.30 / 14.30 Uhr Führung: Achtung Umbau: das Sigristenhaus. Mit Philipp Schneider, Kantonale Denkmalpflege und Cecilie Gut, Kantonsa rchäologie. Weitere Veranstaltungen bei Gemeindehaus und Kapelle St. Martin: www.kulturerbejahr.ch
Seite 16: Bauprojekt Sigristenhaus
Boswiler Akademie
Meisterliche Violinen Laia Valentin Braun (GB) Eliza Burkitt (GB) Melinda Csenki (NOR) Yacin Elbay (CH) Tom Grundy (GB) Patrizia Lichtscheidl (GB) Lone Meinich (NOR) Philomène Michel (CH) Tuva Odland (NOR) Anna Stäuble (CH) Katherine Wang (NOR) Alfred Linus Wang (NOR) Renée Wirth (LUX) Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Meister kurses spielen Höhepunkte des Konzert- und Sonaten repertoires.
Im Schlusskonzert präsentieren die hochbegabten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Schweiz, Grossbritannien, Norwegen und Luxemburg die Früchte einer intensiven Arbeitswoche. Bereits zum 16. Mal leitet Detlef Hahn den Meisterkurs Violine am Künstlerhaus Boswil. Der renommierte Pädagoge ist überzeugt: «In einer oberflächlichen Zeit, in der alles auf Effekt, Präsentation und ‹Hype› ausgerichtet ist, ist die intensive und auf sich bezogene Ruhe des Studiums auf dem Lande besonders ergiebig.» Der Meisterkurs mit Einzel- und Gruppenstunden umfasst jeweils Höhepunkte aus dem Konzert- und Sonatenrepertoire für Violine solo resp. Violine und Klavier. Freitag, 7. September 2018, 19.30 Uhr Eintritt frei, Kollekte
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Boswiler Meisterkonzert
Stephen Kovacevich Stephen Kovacevich, Klavier Johann Sebastian Bach (1685–1750) Präludium und Fuge Nr. 4 cis-Moll BWV 849 Ludwig van Beethoven (1770–1827) Klaviersonate Nr. 30 E-Dur op. 109 Johannes Brahms (1833–1897) Ballade Nr. 4 B-Dur op. 10 Intermezzo Nr. 1 b-Moll op. 119 Intermezzo Nr. 3 As-Dur op. 76 Capriccio Nr. 7 d-Moll op. 116 Franz Schubert (1797–1828) Klaviersonate B-Dur D960 Nach Trevor Pinnock im Mai kommt mit Stephen Kovacevich nochmals ein bedeutender Musiker der selben Generation an die Boswiler Meisterkonzerte. 1940 geboren, konzertiert Kovacevich seit seinem Debüt 1961 auf den Podien der Welt, sowohl in Solorezitalen als auch als Kammermusiker. Schon früh spielte er mit der legendären Cellistin Jacqueline du Pré, zu seinen späteren Kammermusikpartnern zählen Emanuel Pahud und Truls Mork. Seit den 1980er-Jahren profilierte er sich auch als Dirigent. Schon früh wurden Kovacevichs Artikulationsfähigkeit und Ausdruckskraft als Pianist gelobt, mit denen er sich vor allem den Sonaten von Beethoven widmet, aber auch von Mozart, Schubert, Schumann, Chopin und Brahms und von 6
Komponisten der klassischen Moderne wie Bartók, Berg und Strawinsky. Die englische Zeitung «The Guardian» bezeichnete sein Spiel als «ein Muster musikalischer und intellektueller Klarheit». Boswil im Gespräch, 16.00 Uhr David Schwarb im Gespräch mit Stephen Kovacevich Sonntag, 9. September 2018, 17.00 Uhr Eintritt: CHF 75.–/60.–/50.– Stud./Lehrl.: CHF 25.– Kinder bis zwölf Jahre: freier Eintritt Abendkasse ab 16.30 Uhr Vorverkauf: www.kulturticket.ch, office@kuenstlerhausboswil.ch Telefon 056 666 12 85 Konzertmenu nach dem Meisterkonzert, serviert im Künstlerhaus Boswil vom Gasthof Sternen, CHF 48.– Eine Reservation ist unerlässlich, die Platzzahl ist beschränkt.
Seite 26: CD-Tipp
Paul Hanmer
Derek Gripper
Zu Gast am Künstlerhaus
Blick nach Afrika Paul Hanmer, Continuo-Orgel und Clavichord Derek Gripper, Gitarre
Gitarre adaptiert. Ganz aktuell hat er Bachs Solo- Violinsonaten auf die Gitarre übertragen.
Werke von Georg Friedrich Händel Arvo Pärt Eigenkompositionen von Paul Hanmer Derek Gripper und Kora-Traditionals
Das Boswiler Konzert schöpft aus dem reichen Fundus all dieser Musik und taucht sie in ein ungewöhnliches Klanggewand, indem Hanmer in Boswil nicht auf dem Konzertflügel, sondern auf Clavichord und ContinuoOrgel spielt.
Zwei der prominentesten Jazz-Musiker Südafrikas spielen erstmals zusammen und eröffnen einen Blick auf die Jazz-Tradition ihres Heimatlandes, aber auch auf Adaptionen der berühmten Kora-Musik aus Mali. Paul Hanmer ist seit 2009 regelmässig in Boswil zu Gast – u.a. mit Kompositionsaufträgen für unsere Jugendorchester. Beeinflusst von Keith Jarrett, gilt er als einer der prominentesten Jazz-Pianisten Südafrikas und arbeitete unter anderem mit Stars wie Miriam Makeba und Hugh Masekela zusammen.
Freitag, 14. September 2018, 19.30 Uhr Eintritt: CHF 30.– Tickets nur an der Abendkasse erhältlich. Zusätzlicher Konzerttermin (mit Konzertflügel): Kulak Jazz, Stanzerei Baden, Freitag, 21. September 2018, 19.30 Uhr.
Seite 24: Interview mit Paul Hanmer
Der Gitarrist Derek Gripper hat als Instrumentalist und Komponist stets versucht, neue Wege zu beschreiten und verschiedene Traditionen für die Gitarre zu adaptieren. Seit 2012 widmet er sich intensiv der westafrikanischen Kora-Musik, deren Einzigartigkeit er kongenial für die 7
Boswiler Akademie
Young Composers Concert Ensemble YCP Heidy Huwiler, Klarinette Joren Elsen, Posaune Dominik Meyer, Violine Deborah Di Marco, Cello Elizaveta Parfentyeva, Klavier Kompositionen von: Jonas Achermann Francesca Altorfer Alessandro Kaufmann Alena Müller Fabian Nikiel Arielle Rüfenacht Linus Signer Annika Stocker Paula Stoll Das Young Composers Project am Künstlerhaus Boswil ist weiterhin eine Erfolgsgeschichte. Auch bei der schon zehnten Durchführung 2018 haben sich neun junge Komponistinnen und Komponisten zwischen 16 und 19 Jahren, über ein halbes Jahr verteilt, an sechs Wochenenden mit dem Handwerk des Komponierens beschäftigt. Unter der Leitung von Bettina Skrzypczak und Roman Digion haben sie ihr musiktheoretisches Wissen vertieft, praktische Instrumentenkunde betrieben und an eigenen Kompos iti onen gearbeitet.
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Die Werke, die im Rahmen des Projekts am Künstlerhaus Boswil entstanden sind, werden am Schlusskonzert von einem speziell für den Anlass zusammengestellten Ensemble uraufgeführt. Dabei kann sich nicht nur das Publikum auf Entdeckungen freuen. Auch für die jungen Komponistinnen und Komponisten ist die Urauffüh rung eines eigenen Werkes ein Höhepunkt in ihrer noch jungen kreativen Laufbahn. Sonntag, 23. September 2018, 11.00 Uhr Eintritt frei, Kollekte
Boswiler Akademie
Schlusskonzert der Orchesterakademie Orchester der Orchesterakademie Boswil Rosa Elvira Sierra, Sopran Anne-Cécile Gross, Leitung Michail Ippolitow-Iwanow (1859–1935) Armenische Rhapsodie op. 48 (1895) Reinhold Glière (1875–1956) Konzert für Koloratursopran f-Moll op. 82 (1943) Anton Rubinstein (1829–1894) Symphonie Nr. 4 «Dramatische» d-Moll op. 95 (1874) Die Orchesterakademie für Laienmusikerinnen und -musiker ist ein generationenübergreifendes Projekt, das mit der Unterstützung von zwei Musikphysiologinnen seltenes Repertoire zur Aufführung bringt. Im Schlusskonzert werden die Resultate der intensiven Arbeit der Orchesterakademie präsentiert. Das Konzert bietet eine Reise in die russische Spätromantik. Die drei Komponisten, deren Werke im Zentrum der Akademiewoche stehen, sind eng miteinander verbunden. Rubinstein war Dozent von Tschaikowsky. Der wiederum empfahl Ippolitow-Iwanow für die Stelle als Direktor des Moskauer Konservatoriums. Ippolitow- Iwanow war dann einer der Kompositionsdozenten von Glière.
Anton Rubinstein war nicht nur ein wichtiger Innovator des russischen Musiklebens, sondern auch ein gefeierter und weltgewandter Pianist, mit dem es in Bezug auf Ruhm zu Lebzeiten nur Franz Liszt aufnehmen konnte. Michail Ippolitow-Iwanow leitete als Direktor das Moskauer Konservatorium und griff in seinen glänzend instrumentierten Werken oft auf russische und kaukasische Volksmusik zurück. Reinhold Glière, vertreten mit seinem ungewöhnlichen Konzert für Koloratursopran und Orchester, avancierte in der sozialistischen Sowjetunion zu einem hochangesehenen Komponisten und «Volkskünstler der UdSSR». Dies obwohl in seinem Werk der Einfluss Tschaikowskys mindestens so anklingt wie der sozialistische Realismus, für den er mit höchsten Würden bedacht wurde. Samstag, 6. Oktober 2018, 19.30 Uhr Eintritt frei, Kollekte Zusätzliches Konzert: Sonntag, 7. Oktober 2018, 11.00 Uhr Alter Gemeindesaal Lenzburg In Zusammenarbeit mit dem Museum Burghalde Lenzburg 9
Boswiler Meisterkonzert
Sebastian Bohren & Chaarts Sebastian Bohren, Violine Chaarts, Chamber Artists Gábor Takács-Nagy, Leitung Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) Violinkonzert G-Dur KV 216 Violinkonzert A-Dur KV 219 Sinfonie A-Dur KV 201 Sebastian Bohren beeindruckte als Festival Artist am Boswiler Sommer 2015, Gábor Takács-Nagy, der von Musikern wie Andras Schiff oder Martha Argerich wegen seiner klugen und leidenschaftlichen Musikalität hochgeschätzt wird, als Dirigent der Chaarts am Boswiler Sommer 2018. Mit einem reinen MozartProgramm kehren sie nach Boswil zurück. Sowohl die beiden Violinkonzerte in G- und A-Dur als auch die A-Dur-Sinfonie KV 201 sind Werke des 18/19-jährigen Komponisten, entstanden in Salzburg in den Jahren 1774 und 1775. Spielfreude, Heiterkeit, aber auch Tiefsinn und Melancholie – ein wunderbares Programm, das die ganze Palette menschlicher Emotionen vereint. «Chaarts erreicht interpretatorische Tiefe, die elektrisierender kaum sein könnte.» (Klassik Heute) Boswil im Gespräch, 16.00 Uhr Anna Kardos im Gespräch mit den Musikern
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Sonntag, 14. Oktober 2018, 17.00 Uhr Eintritt: 70.–/55.–/45.– Stud./Lehrl.: CHF 25.– Kinder bis zwölf Jahre: freier Eintritt Abendkasse ab 16.30 Uhr Vorverkauf: www.kulturticket.ch, office@kuenstlerhausboswil.ch Telefon 056 666 12 85 Konzertmenu nach dem Meisterkonzert, serviert im Künstlerhaus Boswil vom Gasthof Sternen, CHF 48.– Eine Reservation ist unerlässlich, die Platzzahl ist beschränkt.
Seite 26: CD-Tipp
Festival Piano4
Festival Piano4 Vier Klavierduos, vier Konzerte – das Festival «Piano4» bietet ein Panorama der Musik für Klavierduo von Bach bis Bernstein.
26.–28. Oktober 2018
Im Zentrum des Festivals steht – nach «Schubert» 2011 und «Debussy/Ravel» 2014 – wiederum die Gattung Klavierduo. Dieses Mal allerdings nicht monothematisch einem Komponisten gewidmet, sondern in Form eines Mini-Festivals, das breiter gefächert Höhepunkte für Klavierduo, aber gleichzeitig auch Entdeck ungen und Raritäten präsentiert. Eine tour d’horizon auf zwei Steinways: mit vier erstklassigen Duos, die je ein in sich geschlossenes Programm interpretieren.
Eintritt: CHF 50.–/40.–/30.–, ausser Konzert Labèque CHF 70.–/50.–/40.– Stud./Lehrl. CHF 25.– Festivalpass: CHF 200.–/150.–/120.– Kinder bis zwölf Jahre: freier Eintritt Abendkasse jeweils eine halbe Stunde vor dem Konzert
Den Auftakt des Festivals macht das Schweizer Duo Soós-Haag. Das deutsch-israelische Klavierduo Tal-Groethuysen ist nach dem Schubert-Projekt und einem Meisterkonzert bereits zum dritten Mal in Boswil zu Gast. Mit dem koreanischen Klavierduo ShinPark konnte eines der weltweit besten und bereits vielfach prämierten jungen Duos verpflichtet werden. Die eigentliche Sensation des Festivals ist der Auftritt des vielleicht berühmtesten Klavierduos weltweit, die französischen Zwillingsschwestern Katia und Marielle Labèque. Zweifellos ein besonderes Highlight für den Kulturkanton Aargau.
Programmdetails auf der nächsten Doppelseite
Vorverkauf: www.kulturticket.ch, office@kuenstlerhausboswil.ch Telefon 056 666 12 85
Seite 26: CD-Tipp
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Festival Piano4
Festival Piano4
Adrienne Soós, Klavier Ivo Haag, Klavier
Katia Labèque, Klavier Marielle Labèque, Klavier
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) Larghetto und Allegro KV deest für zwei Klaviere Béla Bartók (1882–1945) Suite für zwei Klaviere op. 4b Frédéric Chopin (1810–1849) Rondo C-Dur op. 73 für zwei Klaviere Rudolf Kelterborn (*1931) Klavierstück 7 (Quinternio) für zwei Klaviere Franz Schubert (1797–1828) Fantasie f-Moll D 940 für Klavier zu vier Händen
Bryce Dessner (*1976) El Chan Leonard Bernstein (1918–1990) Songs from West Side Story Maurice Ravel (1875–1937) Ma Mère l'Oye Philipp Glass (*1937) Four Movements for Two Pianos
Klavierduo Soós-Haag
Das ungarisch-schweizerische Klavierduo feierte in der jüngsten Vergangenheit grosse Erfolge beim Lucerne Festival und beim Berner Symphonieorchester unter Mario Venzago. Im scheinbar Altbekannten Neues entdecken, entlegene Winkel des Repertoires erkunden, dafür steht der Name des Klavierduos seit einem Vierteljahrhundert. Freitag, 26. Oktober 2018, 19.30 Uhr
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Katia und Marielle Labèque
Die Schwestern Katia and Marielle Labèque sind berühmt für ihre Verschmelzung von technischer Perfektion und charismatischer Energie. Mit ihrer Neuinterpretation von Gershwins «Rhapsody in Blue» sorgten sie für Furore. Seither haben sie mit allen grossen Orchestern und berühmten Dirigenten auf der ganzen Welt zusammengearbeitet. Mit einer eigens gegründeten Stiftung fördern sie die Erforschung und Verbreitung des Repertoires für Klavierduo. Samstag, 27. Oktober 2018, 19.30 Uhr
Festival Piano4
Festival Piano4
Clara Mijung Shin, Klavier Samuel Sangwook Park, Klavier
Yaara Tal, Klavier Andreas Groethuysen, Klavier
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Concertino op. 94 für zwei Klaviere Sergej Tanejew (1856–1915) Präludium und Fuge op. 29 für zwei Klaviere Sergej Rachmaninow (1873–1943) Suite Nr. 2 op. 17 für zwei Klaviere György Kurtág (*1926) 3 Stücke aus «Játékok» Johann Sebastian Bach (1685–1750)/ György Kurtág (*1926) Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit Maurice Ravel (1875–1937) La valse für zwei Klaviere Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) Sonate für zwei Klaviere D-Dur KV 448
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) Sonate D-Dur KV 381 für Klavier zu vier Händen Felix Mendelssohn (1809–1847) Oktett op. 20, Fassung für Klavier zu vier Händen Robert Schumann (1810–1856)/ Claude Debussy (1862–1918) Six Études en forme de canon für zwei Klaviere Claude Debussy (1862–1918) La Mer, Bearbeitung für zwei Klaviere: André Caplet
Klavierduo ShinPark
Clara Mijung Shin und ihr Partner Samuel Sangwook Park haben sich erst 2013 während des Studiums in Wien zum Duo zusammengefunden. Seither hat das koreanische Duo unzählige Preise gewonnen. Sonntag, 28. Oktober 2018, 11.00 Uhr
Klavierduo Tal-Groethuysen
Die israelische Pianistin Yaara Tal und ihr deutscher Partner Andreas Groethuysen bilden heute eines der weltweit führenden Klavierduos. Ein besonderes Markenzeichen des Duos ist – neben einer massstabsetzenden Homogenität und Spontaneität des Spiels – die Kreativität in der Gestaltung der Programme, in denen neben den Zentralwerken der Literatur auch immer wieder zu Unrecht vernachlässigte Schätze des Repertoires zu neuer Geltung kommen. Sonntag, 28. Oktober 2018, 17.00 Uhr
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Festival Piano4
Dirk Jenfeldt: «Das menschliche Gehör ist besser als jede Elektronik!» Wenn beim Festival «Piano4» vom 26. bis 28. Oktober vier Klavierduos in der Alten Kirche auftreten, geht ohne ihn gar nichts: Der Klavierbauer Dirk Jenfeldt ist offizieller Steinway-Techniker und stimmt seit über zehn Jahren die Konzertflügel des Künstlerhauses. Dirk Jenfeldt schlägt die Stimmgabel an seinem Knie an und führt sie zum Ohr. Was er nun hört, ist der Kammerton, der mit 442 Hertz schwingt, das eingestrichene a. Dieser Ton ist der Ausgangspunkt für die Stimmung des Flügels. Von ihm aus baut Jenfeldt zuerst eine Oktave auf. Nach und nach stimmt und kontrolliert er anschliessend das Verhältnis sämtlicher 88 Töne zueinander. Und warum macht er das nicht viel einfacher mit einem elektronischen Stimmgerät, wie es etwa bei der Gitarre gang und gäbe ist? «Das menschliche Gehör ist besser als jede Elektronik, wenn es darum geht, den Klang zu bestimmen. Die Elektronik kann lediglich die korrekte Tonhöhe bestimmen. Aber das ist eben nur ein Teil der Klavierstimmung.»
Dirk Jenfeldt absolvierte bei der Firma eine Ausbildung zum Klavierbauer und blieb der Firma danach zehn Jahre lang treu. Als er zu Beginn seiner Lehre erstmals ein Klavier stimmen durfte, sass er den ganzen Tag hinter den Tasten und war überzeugt: Das lernt er nie. Das Klavierstimmen gehörte während der ganzen Ausbildung zum täglichen Brot. Denn das gute Gehör ist kein Geschenk Gottes – jahrelanges Stimmen macht den Meister.
« D i e Ku n s t b e s t e h t d a r i n , dass sowohl der Künstler als auch ich mit dem Flügel zuf r ie den sin d.»
Dirk Jenfeldt hat ein sehr gutes Gehör. Er kann zwar nicht blind sagen, was für einen Ton er hört, aber er kann bei jedem Ton sehr genau sagen, ob er verstimmt ist.
Nach zehn Jahren bei Steinway & Sons in Hamburg kam Dirk Jenfeldt 1993 in die Schweiz, wo er über zwanzig Jahre lang als Klaviertechniker für ein grosses Musikhaus arbeitete. Heute ist er selbständig und lebt im zürcherischen Limmattal. Natürlich steht auch bei ihm zuhause ein Flügel. Er spiele aber selten. Nach einem Arbeitstag sehne sich sein Gehör nach Ruhe, die er im Garten und im Wald finde. Eigentlich könnte man sagen, die Stille sei sein Hobby.
Das Klavier begleitet Dirk Jenfeldt schon fast sein ganzes Leben lang. Er ist in Hamburg aufgewachsen, wo die weltberühmte Pianomanufaktur Steinway & Sons beheimatet ist. Schon sein Vater arbeitete beim legendären Hersteller, sein Bruder arbeitet noch heute dort.
Bis ein Klavierbauer erstmals eine Konzertstimmung machen kann, braucht er viele Jahre Erfahrung. Dirk Jenfeldt erinnert sich noch gut an seine erste Konzertstimmung. Das war in der Zürcher Tonhalle. Während des Konzerts sass er im Publikum und starb fast vor Nervosität.
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Das Künstlerhaus Boswil besitzt zwei Konzert flügel Modell D-274 von Steinway & Sons. Wie die Modellbezeichnung sagt, ist das Instrument 274 Zentimeter lang. Es wiegt über eine halbe Tonne. Was der Name Steinway & Sons nur erahnen lässt: Ein neuer Konzertflügel kostet über 180'000 Franken. Der Flügel besteht aus vielen kostbaren Teilen. Eines davon ist der Resonanzboden, hergestellt aus möglichst gerade gewachsener, astloser Bergfichte, die auf einer Höhe von rund 1000 Meter wuchs. Das Gehäuse des Flügels besteht aus verschiedenen Harthölzern. Auf seltene Tropen hölzer und Elfenbein für die Tastenbeschichtung wird heute aufgrund des Artenschutzes verzichtet. Beim Stimmen eines Flügels geht es nicht nur darum, dass alle Töne in der korrekten Höhe stehen. Es geht vor allem um den guten Klang des Instruments. Und da gibt es kein richtig oder falsch. Dirk Jenfeldt sagt: «Die Kunst besteht darin, dass sowohl
der Künstler als auch ich mit dem Flügel zufrieden sind.» Oft sind die Künstlerinnen und Künstler vor dem Konzert nervös. Dirk Jenfeldt hat gelernt, mit solchen Situationen umzugehen: «Mit den Künstlern zusammenzuarbeiten und ihre Wünsche zu erfüllen, ist meine Profession.» Mit dieser Einstellung scheint Dirk Jenfeldt gut zu fahren. Oliver Schnyder, Radu Lupu, Lang Lang, Martha Argerich, Marielle und Katia Labèque – für sie alle hat er schon gestimmt. Und sie alle waren zufrieden mit dem Resultat.
S eite 11: Festival Piano4
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Bauprojekt Sigristenhaus
Bauen für die Zukunft: Sigristenhaus Proberaum mit viel Tageslicht: Visualisierung des grossen Musiksaals
Nach dem Foyer für die Alte Kirche steht ein weiteres zentrales Bauprojekt des Künstlerhauses an: Das denkmalgeschützte Sigristenhaus wird aufwendig ausgebaut und modernisiert. Als multifunktionales «Haus der Musik» bietet es der Stiftung den – dringend benötigten – Raum für eine zukunftsgerichtete Arbeit. Das Baugesuch wurde am 12. Juli publiziert. Als moderne Stiftung nutzt und belebt das Künstlerh aus Boswil das historische Gebäudeensemble bestehend aus Odilo-Kapelle, Alter Kirche, Pfarrhaus und Sigristenhaus. Die alte Bausubstanz trägt wesentlich zur Ausstrahlung und zum besonderen Zauber des «Orts der Musik» bei. Gleichzeitig erfordern die histo rischen Gebäude viel Aufmerksamkeit und Respekt im Umgang. Als die Alte Kirche 2016/17 durch ein modernes Foyer erweitert wurde, arbeitete die Stiftung eng mit der kantonalen Denkmalpflege zusammen. Das Resultat 16
ist ein Anbau, der sich harmonisch ins Gebäude ensemble einfügt. Das gleiche Resultat streben Bauherrschaft, Architekt und Denkmalpflege nun bei der Modernisierung des Sigristenhauses an. Unter dem charaktervollen und denkmalgeschützten Dach sollen verschiedene Nutzungen gebündelt werden, die zurzeit in teilweise ungünstigen und provisorischen Räumen auf dem Gelände des Künstlerhauses verteilt sind. Geplant sind zwei Musiksäle für Proben, die vor allem den Jugendprojekten zugutekommen werden. Sieben Gästezimmer sollen Musikerinnen und Musiker beherbergen, die am Künstlerhaus auftreten, Kurse belegen oder projektbezogen arbeiten. Im Erdgeschoss kommen die Büros, ein Sitzungszimmer, das Archiv, eine Werkstatt und das Lager unter. Das ehemalige Tenn, das den Blick vom Erdgeschoss bis unter das Dach freigeben wird, dient künftig als Entrée.
Das Sigristenhaus wurde vermutlich um 1700 erstellt und mehrmals umgebaut sowie stark erweitert. Das Haus besteht aus einem Wohntrakt in Bohlen- Ständerbauweise und einem anschliessenden Tenn mit Stall als Hochstudkonstruktion sowie einem später hinzugefügten Stall. Das Haus steht seit 1979 integral unter kantonalem Denkmalschutz. Viele kennen es noch als Atelier und Wohnhaus des Glasmalers Albert Rajsek, einem der Gründerväter des Künstlerhauses Boswil. Das Umbauprojekt wurde 2014 in einem Studien auftrag unter fünf Architekturbüros ermittelt. Das Siegerprojekt stammt vom Architekten Gian Salis (Interview Seite 18), der bereits für den Bau des Foyers verantwortlich gezeichnet hatte. Begleitet von der kantonalen Denkmalpflege wurde das Wettbewerbsprojekt zum vorliegenden Bauprojekt weiterentwickelt. Der Charakter des einfachen Holzhauses soll bestehen bleiben. Läuft alles nach Plan, sollte das «Haus der Musik» 2020 bezugsbereit sein.
Von den veranschlagten Gesamtkosten von 5,4 Millionen Franken sind bereits 4,4 Millionen gesichert. Wir freuen uns, wenn Sie uns mit einer Spende auf der Zielgeraden unterstützen. IBAN: CH25 0900 0000 6138 7486 6 Stiftung Künstlerhaus Boswil Liegenschaftsprojekt 5623 Boswil
S eite 4: Führungen durch das Sigristenhaus S eite 18: Interview mit Architekt Gian Salis
Moderne Nutzung in einer historischen Hülle: Das geplante Entrée gibt den Blick frei auf die Hochstudkonstruktion
Die historischen Bohlen-Ständer-Wände werden wo möglich sichtbar gelassen und nur gereinigt: eines der sieben geplanten Gästezimmer
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Bauprojekt Sigristenhaus
Sigristenhaus: Alle Nutzungen unter einem Dach
Der Zürcher Architekt Gian Salis ist verantwortlich für den Ausbau und die Modernisierung des Sigristenhauses. Sein Büro liegt im Erdgeschoss eines Hofhauses direkt hinter der Kirche Guthirt beim Zürcher Rosen garten. Die Umgebung ist grün und lauschig, der Lärm der Stadt weit weg. An den Wänden hängen Pläne und Visualisierungen. In der Mitte des hellen Raums sticht das Architekturmodell des Sigristenhauses ins Auge: aus einfachen Materialien gebaut, bevölkert von Miniaturmenschen aus Papier. Der 45-Jährige hat es selbst gebaut. Normalerweise machen Architekten Modelle um ihre Visionen zu visualisieren. Sie bauten die Tragstruktur des historischen Sigristenhauses, so wie es heute existiert, als Miniatur nach. Warum? Ich erinnere mich noch gut an die erste Begehung des Gebäudes. Das war sehr spannend. Aber ohne die Hilfe von Geschäftsführer Michael Schneider hätte ich nur schwer wieder hinausgefunden. Ein eindrückliches Labyrinth, das von Albert Rajsek, einer faszinierenden Persönlichkeit, bewohnt und gebaut worden war. Wie ich in diesem Gebäude all die von der Bauherrschaft geforderten Nutzungen unterbringen würde, war mir damals ehrlich gesagt schleierhaft. Um das Haus besser zu verstehen, baute ich dieses Modell im Massstab 1:33. Das half mir, zu erkennen, was mich an diesem Haus besonders interessiert. Die Hochstudkonstruktion fasziniert mich. Das Haus ist wie ein Zelt aufgebaut mit mächtigen Mittelpfosten, die vom Boden bis in den First reichen. Sehr archaisch, das passt zur Nutzung für Musikproben. Überhaupt ist das mächtige Dach ganz klar das prägende Element dieses Gebäudes. 18
Ein ambitioniertes Vorhaben: Sie wollen ein Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert in ein modernes «Haus der Musik» verwandeln. Ja, es ist ein massiver Eingriff und eine riesige technische Herausforderung. Im Innern des Gebäudes planen wir eine komplette Veränderung. Aber es zeigt sich, dass die hölzerne Baustruktur transformierbar ist. Mit einer geschickten Planung, können wir die alte Struktur sehr wohl für die heutigen Bedürfnisse nutzen und auch die gewünschte Offenheit hineinbringen. Zudem müssen wir uns bewusst sein: In seiner Geschichte erlebte das Sigristenhaus immer wieder massive bauliche Veränderungen und Ergänzungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben es laufend ihren Bedürfnissen angepasst. Diesen Prozess führen wir heute weiter.
« ‹Al l e Nutzungen unter ein em Dach › , das ist b ei m Si g r i stenha us kei n b emü h te s Sch lagwor t, sonder n effek t iv phy sisch er le bbar.»
Wie wägen Sie ab zwischen modernen Ansprüchen und Bewahrung des historischen Bestands? Ich lege Hierarchien fest. Für mich hat das charakteristische Dach einen zentralen Stellenwert, weil es das ganze Haus zusammenbindet und eine äusserst präsente Erscheinung hat. «Alle Nutzungen unter einem Dach», das ist beim Sigristenhaus kein bemühtes Schlagwort, sondern effektiv physisch erlebbar. Das Dach wird nicht nur von aussen erlebbar sein. Auch innen – etwa in den Musiksälen – wird die Grosszügigkeit und die aussergewöhnliche Konstruktion dieses Dachs sichtbar sein. Wird man das Sigristenhaus nach dem Umbau noch erkennen? Von aussen auf jeden Fall! Da werden wir nur wenig verändern. Die Holzfassade ist, auch dank des
grossen Vordachs, in einem guten Zustand. Grössere verglaste Partien werden wir mit Holzlamellen kaschieren. Innen ist es eine andere Geschichte. Da werden wir nur die historische Grundkonstruktion beibehalten. Viele der neueren Um- und Ausbauten werden wir entfernen. Albert Rajsek würde sein Haus wohl nicht mehr erkennen. Ein früherer Bewohner des Sigristenhauses würde es aber in seiner wiedererlangten Klarheit und Einfachheit sehr wohl wiedererkennen. Interview: Patrick Schellenberg
Seite 16: Bauen für die Zukunft: Sigristenhaus
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Rückblick Boswiler Sommer 2018
Ein Sommer ohne Sorgen in Boswil 14 Konzerte auf höchstem Niveau, von Bach bis zu den Beatles, lockten in der ersten Juli-Woche insgesamt 2870 Besucherinnen und Besucher ins Künstlerhaus Boswil. Unter dem Motto «Sans Souci» bot das Klassikfestival Boswiler Sommer ein vielfältiges Programm. Als der Alphornspieler Arkady Shilkloper im Eröffnungskonzert des Boswiler Sommers zu seinen virtuosen Solis ansetzte, rieben sich manche im Publikum die Augen. Was der Russe aus dem Schweizer Nationalinstrument herausholte, war schlicht phänomenal. Begleitet wurde er in Leopold Mozarts Sinfonie für Alphorn und Streicher von den Chaarts. Geleitet wurde das Festivalorchester vom Dirigenten Gábor Takács-Nagy. Ebenfalls auf der Bühne: der Geiger Jonian Ilias Kadesha, der als Festival Artist mit seinem virtuos- emotionalen Spiel das Festival prägte. Dass Virtuosität kein Geschenk des Himmels, sondern der Lohn harter Arbeit ist, bewies der Grieche eindrücklich. Zwischen den offiziellen Proben mit dem Orchester und den Konzerten zog er sich jeden Tag in die Odilo-Kapelle zurück um zu üben. Und weil er natürlich nie der einzige war, der intensiv übte, war das Künstlerhaus eine Woche lang erfüllt von den Klängen der unterschiedlichsten Instrumente.
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Prägten den Boswiler Sommer: Dirigent Gábor Takács-Nagy (l.) und der künstlerische Leiter Andreas Fleck
Bereits am ersten Abend wurde deutlich, was den Boswiler Sommer so einmalig macht: Bei aller Kunst und Virtuosität, die die Klassik-Stars allesamt mitbringen, steht die Spielfreude und die Lust am gemeinsamen Musizieren im Mittelpunkt. Das abwechslungsreiche Programm mit Repertoirestücken und Trouvaillen bot eine perfekte Plattform, um Musik auf höchstem Niveau präsentieren zu können. So demonstrierte etwa die deutsche Sopranistin Sophie Klussmann, auch sie Festival Artist, eindrücklich ihr stimmliches Spektrum. Während sie im Matinee-Konzert spätromantische Stücke von Zemlinsky und Respighi sang, rührte sie das Publikum am Abend mit Dowland-Liedern von 1604.
E r w achen hei terer G efühl e b ei der An ku n f t in der A l ten Ki rche: D a s Schlusskon zer t de s Bosw iler S omm er s , B e e thovens « Pa stor a l e» , spie lten die Ch aar t s u n ter der L ei tung von Gáb or Takács-Nag y vor a u sver kau f ten Rän gen
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Rückblick Boswiler Sommer 2018
Be geister te b ei «Walk & Won der» a m Schweizer Nat ion alin st r u men t: der r ussisch e Vir t u ose Ar kady Sh ilklop er
Das Konzert für Violoncello und Blasorchester von Friedrich Gulda gerät zu einem regelrechten Triumph für die junge Cellistin Anastasia Kobekina. Angefeuert von einer Standing Ovation stemmt die Russin ihr Instrument wie eine Trophäe in die Höhe. Einer der ersten Gratulanten ist ihr Kollege Giovanni Sollima. Der sizilianische Cellist – in Italien ein gefeierter Star – brachte eine eigene Komposition mit an den Boswiler Sommer, die sich perfekt in ein Programm aus dem 18. Jahrhundert einreihte. Als Zugabe spielte der charismatische Italiener «Smells Like Teen Spirit» von Nirvana. Da war er wieder, der Spirit des Boswiler Sommers. Wo sonst treffen sich klassische Virtuosität und aufregende Repertoireentdeckungen so befruchtend auf einer Bühne? Und wo sonst teilen sich Stars wie das Duo BartolomeyBittmann, das Janoska Ensemble oder der Flötist Henrik Wiese die Bühne mit aufstrebenden Talenten wie etwa dem Bratschisten Timothy Ridout. 22
Musikalische Sternstunde: Die Sopranistin Sophie Klussmann mit dem casalQuartett
Zaub er haf ter A u sk l a ng ei nes Konzer tab en ds: Da s Ess en des Hote l s Krone a us L enzbu r g b e g e i s t e r t e e i n e Wo c h e l a n g d a s Pu b l i k u m
Einen ganz und gar aussergewöhnlichen Abend bot das Gastspiel des Zürcher Theaters Rigiblick. Gemeinsam mit den Chaarts brachte ein Ensemble aus Sängerinnen und Sängern und einer Rockband das legendäre Beatles-Album «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» auf die Bühne. 2870 Festivalbesucherinnen und -besucher sahen insgesamt 110 Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt in 14 Konzerten. Und weil bekannt lich niemand von der Kunst alleine lebt, servierte die Küche des Künstlerhauses hungrigen Musikerinnen und Musikern 1300 Menus.
Standing Ovations für eine charismatische junge Cellistin: Anastasia Kobekina begeisterte das Publikum des Boswiler Sommers gleich mehrmals
Seine ansteckende Begeisterung war omnipräsent: Festival Artist Jonian Kadesha
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Blick nach Afrika
Paul Hanmer: «Das Künstlerhaus ist meine zweite Familie!» ich freue mich auf neue Kooperationen. Ich werde mich mit der Dirigentin Anne-Cécile Gross treffen. Für das Jugendorchester Freiamt, das sie leitet, habe ich ein Stück komponiert, das bald uraufgeführt wird. Zudem plane ich, zusammen mit Robert Pickup, dem Soloklarinettisten der Oper Zürich, CD-Aufnahmen in der Alten Kirche zu machen.
Der südafrikanische Pianist und Komponist Paul Hanmer ist dem Künstlerhaus eng verbunden. Am 14. September tritt er mit einer Premiere in der Alten Kirche auf. Paul Hanmer, 2009 waren Sie erstmals in Boswil. Was waren Ihre Eindrücke? Ich war überrascht, dass ein kleines Dorf auf dem Land ein Zentrum für klassische Musik mit intern ati onaler Ausstrahlung beherbergt. Das Künstlerhaus zieht Menschen an, die Konzerte geben, Konzerte be suchen oder sich in Workshops und Meisterkursen weiter bilden. Es herrscht eine tolle Atmosphäre. Zusammengehalten werden all diese Aktivitäten von einem wunderbaren Team. Das hat mich wirklich begeistert. In den vergangenen Jahren waren Sie bei uns immer wieder präsent, sei es am Boswiler Sommer, als Komponist für das Jugend-Sinfonieorchester oder unseren Guinness- Weltrekord mit dem Kuhglocken-Ensemble. Nun sind Sie im September wieder bei uns. Was sind Ihre Pläne? Ich freue mich, nach Boswil zurückzukehren. Ich kenne hier bereits viele Menschen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind – wie eine zweite Familie. Und 24
Und Sie spielen am 14. September in der Alten Kirche ein Konzert. Was erwartet uns? Mein Konzert mit dem Gitarristen Derek Gripper wird eine völlig neue Erfahrung sein. Wir spielen erstmals zusammen – musikalisch und zwischenmenschlich ein Wagnis. Wir müssen unser Konzert sehr genau vorbereiten, müssen uns gegenseitig genug Raum geben, um atmen zu können und Improvisationen zuzulassen. Es wird entscheidend sein, dass wir musikalisch am gleichen Strick ziehen um den Kompositionen, unseren Instrumenten und nicht zuletzt dem Aufführungsort, der Alten Kirche, gerecht zu werden. Ich freue mich sehr auf diese Premiere! Sie spielen als Pianist in verschiedenen Jazz-Formationen. Gleichzeitig komponieren Sie klassische Musik. Ist der kreative Prozess bei beiden Schaffensgebieten gleich? Gute Frage! Das Entscheidende für beide Gebiete ist, zu versuchen, die Musik in ihrer Ganzheit zu erfassen. Das Komponieren ist natürlich viel zeitaufwendiger als das Musizieren in den Formationen. Aber der krea tive Antrieb ist immer der gleiche: Ich muss meine ganz eigene Stimme finden. Dabei sind meine eigenen Einschränkungen die grösste Herausforderung – sei es als Komponist oder als Pianist. Meinem musikalischen Ausdruck und meinen technischen Fähigkeiten am Klavier sind natürlich Grenzen gesetzt. Gegen die muss man stets ankämpfen, um wirklich das Beste zu erreichen! Interview: Michael Schneider
Seite 7: Blick nach Afrika
Rückblick
Ein Sommer voller Musik
Contemporary Percussion Music Academy
Sommer-Chorakademie
Noch vor dem Boswiler Sommer absolvierte das Jugendorchester Freiamt seine Sommertournee, die unter der Leitung von Anne-Cécile Gross und dem passenden Motto «El Sur» ein farbenfrohes Programm mit argentinischer und brasilianischer Musik bot. Die 25 jungen Musikerinnen und Musiker spielten auf einem musikalisch hohen Niveau. Die junge Perkussionistin Isabelle Süess überzeugte als Solistin im Förderprogramm JOFuture. Neben Boswil waren die Aula der Schule Falter in Oberwil-Lieli und das Schaugewächshaus des Reussparks Niederwil Premieren als Konzertorte. Drei Dozenten (Mircea Ardeleanu, Simone Mancuso und Fernando Hashimoto), 15 junge Schlagzeuger aus Brasilien, Rumänien, Italien und den USA und Dutzende von Perkussionsinstrumenten sämtlicher Couleur: Dies waren die Ingredienzen der dritten Contemporary Percussion Music Academy, die im Juni während zehn Tagen am Künstlerhaus stattfand. Neben dem furiosen Schlusskonzert stand ein Ausflug der Teilnehmer zum Nottwiler Hersteller von Schlagzeug-B ecken, Paiste, auf dem Programm.
Jugendorchester Freiamt
25 Teilnehmer aus der Schweiz, Deutschland, Dänem ark und Hongkong, unter der Gesamtleitung von Paul Phoenix und dirigiert von Dominic Lam, kamen Ende Juli zur ersten Boswiler Sommer-Chor akademie zusammen. Die klanglichen Resultate dieser Woche waren für einen Chor, der vorher noch nie zusammen geprobt hatte, spektakulär – die Woche wurde mit einem Konzert in der Alten Kirche und einem Auftritt an der Boswiler Bundesfeier abgeschlossen. Begleitet wurde die Ausschreibung der Chorwoche von einem Kompositionswettbewerb für Chor a cappella: Nicht weniger als 48 Einsendungen aus der ganzen Welt gingen ein. 1. Preis: John Rotar, Australien und John Milne, USA; 2. Preis: Alison Willis, Grossbritannien, Gordon Hamilton, Neuseeland und Ernest Hui, Hongkong. Alle Siegerstücke wurden am Schlusskonzert zumindest ausschnittweise interpretiert. 25
CD-Tipps von Frank Horn
CD-Tipps
Zum Meisterkonzert vom 9. September In den Neunzigerjahren spielte Stephen Kovacevich sämtliche Beethoven-Sonaten für EMI Classics ein; diese Aufnahmen geniessen nach wie vor Referenzcharakter und sind jetzt als günstige 9-CD-Box – inklusive den zu Unrecht vernachlässigten Bagatellen – bei Warner Classics erhältlich.
Zum Festival Piano4 Das Klavierduo Soós-Haag hat Béla Bartóks entsprechende Werke – darunter die in Boswil erklingende Suite op.4b – 2012 für telos music eingespielt. Inzwischen sind dort auch die ersten beiden BrahmsSinfonien in vierhändiger Fassung erschienen.
Zum Meisterkonzert vom 14. Oktober Nach hochgelobten Aufnahmen von Beethoven, Hartmann, Mendelssohn und Schubert mit den Chaarts Chamber Artists wagt sich der Schweizer Shooting Star Sebastian Bohren jetzt an die Solo-Sonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach, von hinten angefangen mit BWV 1004-1006. Seine sensible Interpretation orientiert sich an grossen Vorgängern wie Milstein oder Menuhin. Neuerscheinung bei RCA/Sony.
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Die umfangreiche Diskographie der Labèque-Schwestern spannt den Bogen zwischen Jazz und Klassik – in Boswil erklingt pünktlich zu seinem 100. Geburtstag Leonard Bernsteins «West Side Story», bei Sony Classical genial kombiniert mit Werken von Chick Corea bis Thelonious Monk. Unter dem Titel «Colors» vereint das Klavierduo Tal-Groethuysen auf ihrer neuesten CD bei Sony Classical Werke von Richard Strauss und Claude Debussy, darunter auch die in Boswil erklingende Bearbeitung von «La Mer» durch André Caplet.
Förderverein Künstlerhaus Der Förderverein des Künstlerhauses unterstützt die vielfältigen kulturellen Aktivitäten der Stiftung. Als Mitglied sind Sie dem Künstlerhaus besonders verbunden. Sie erhalten vergünstigte Eintrittskarten, und die Programme für die Meisterkonzerte und das Festival Boswiler Sommer werden Ihnen e xklusiv frühzeitig zugestellt. Zudem bekommen Sie persönliche Einladungen für das Sommerfest und für das Weih nachtskonzert sowie für die Generalversammlung. Der Jahresbericht hält Sie zusätzlich auf dem Laufenden. Mitgliederbeiträge pro Jahr: CHF 80.– Einzelmitglied CHF 120.– Paare CHF 200.– Juristische Personen CHF 500.– Gönner (gilt gleichzeitig als Paarmitgliedschaft) IBAN CH95 0900 0000 5001 1200 6
Gönnerverein PRO JSAG Der Verein fördert ganz spezifisch das kantonale Schwerpunktprojekt des Künstlerhauses, das Jugend- Sinfonieorchester Aargau (JSAG). Als Mitglied unterstützen Sie die Ausbildung von jeweils rund 60 Jugendlichen und jungen Erwachsenen und die Ausstrahlung und Resonanz des Orchesters. Einzelmitglieder erhalten jährlich eine kostenlose Eintrittskarte, Paare /F amilien sowie Gemeinden und Firmen zwei kostenlose Eintrittskarten für einen Konzertbesuch. Mitgliederbeiträge pro Jahr: CHF 100.– Einzelmitglied CHF 200.– Paare / Familien CHF 500.– Juristische Personen
Impressum Nr. 172, September – Oktober 2018 Redaktion: Patrick Schellenberg, Michael Schneider Gestaltung: HEUSSERBISCHOFF AG, Zürich Druck: Kasimir Meyer AG, Wohlen Auflage: 5800, erscheint 5 x jährlich Vorverkauf Tickets +41 56 666 12 85 office@kuenstlerhausboswil.ch www.kuenstlerhausboswil.ch www.kulturticket.ch Wir danken: Kanton Aargau Swisslos Kanton Aargau Bundesamt für Kultur, jugend und musik Koch Berner Stiftung Josef Müller Stiftung Muri Theodor und Bernhard Dreifuss-Stiftung Josef und Margrit Killer-Schmidli Stiftung Stiftung «Perspektiven» Swiss Life Ernst von Siemens Musikstiftung EHW Stiftung Landis & Gyr Stiftung stockART Stiftung Schüller-Stiftung Rotary Stiftung Freiamt Neue Aargauer Bank (Hauptsponsor JSAG) Hypothekarbank Lenzburg Robert Huber AG Kasimir Meyer AG Bucher + Joho AG Notterkran Boswil Raiffeisenbank Boswil-Bünzen Similasan AG Pro JSAG Förderverein Künstlerhaus Boswil Privatspenden ab CHF 100.– vom 1.1.–31.7. 2018 Allgemein: Ch. Moser, J. Gut, G. Steuerwald, K. Wettstein, W. Kupper, H.P. Ruggli; Liegenschaftsprojekt: J. Peterhans, J. Gut, V. Villiger, E. Näf, M. Pentman, L. Jenny, C. Duffner, M. Wirth, M. Bosshard, D. Hug, U. Werder Hauptsponsor JSAG
IBAN CH50 0588 1059 6308 2100 0 27
Pro g r am m S ep tem b er – O k tob er 2018 26.8. Sonntag, 10.00 –17.00 Uhr Spezial Kulturerbetag Boswil
7.9. Freitag, 19.30 Uhr Boswiler Akademie Meisterliche Violinen
9.9. Sonntag, 17.00 Uhr Boswiler Meisterkonzert Stephen Kovacevich
14.9. Freitag, 19.30 Uhr Zu Gast am Künstlerhaus Paul Hanmer 23.9. Sonntag, 11.00 Uhr Boswiler Akademie Young Composers Concert 6.10. Sonntag, 19.30 Uhr Boswiler Akademie Schlusskonzert der Orchesterakademie 14.10. Sonntag, 17.00 Uhr Boswiler Meisterkonzert Sebastian Bohren & Chaarts 26.10. Freitag, 19.30 Uhr Festival Piano4 Klavierduo Soós-Haag 27.10. Samstag, 19.30 Uhr Festival Piano4 Katia und Marielle Labèque 28.10. Sonntag, 11.00 Uhr Festival Piano4 Klavierduo ShinPark 28.10. Sonntag, 17.00 Uhr Festival Piano4 Klavierduo Tal-Groethuysen
Künstlerhaus Boswil Flurstrasse 21 CH–5623 Boswil +41 56 666 12 85 office@kuenstlerhausboswil.ch www.kuenstlerhausboswil.ch