Kult November 2014

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. November 2014.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

Wieso Frauen nur schlecht sind, wenn sie sich selbst schlecht machen 29. Oktober 2014 Jelena Keller Heute sass ich mit Freundinnen beim Kaffee. Wir laberten so daher. Eine meinte, sie sei das typische Beispiel dafür, dass man auch eine gute Ausbildung haben könne, auch wenn man nicht der hellste Stern am Himmel sei. Man müsse bloss genug lernen. Über ihre These dachte ich gar nicht mehr nach, folgte dem Gespräch nicht weiter, denn ich machte mir Gedanken darüber, ob es wohl stimme was sie über sich sagt. Eigentlich hatte ich noch NIE zuvor darüber nachgedacht, ob sie nun ein wenig dumm sei oder nicht. Dies passierte erst, als sie es selbst erwähnte. Natürlich konnte ihre massiv realitätsferne Selbsteinschätzung sofort wieder ad acta gelegt werden. Ihre Aussage entsprach keinesfalls der Realität – das wusste ich von Anfang an. Was war es also, das mich trotzdem kurz überlegen liess? Wenn man selbstironisch über sich selbst lacht, witzige Bemerkungen über seine Schwächen macht, dann wird nicht weiter darüber nachgedacht. Man spielt mit Klischees, witzelt so daher, das nimmt das Gegenüber auch so wahr. Äussert man sich allerdings nicht nur kritisch, sondern ernsthaft degradierend über sich selbst, so werden die Gedanken in den anderen Köpfen weiter gesponnen. Logisch, denkt sich das Gehirn des Gegenübers, der andere redet ernsthaft – also hat man es mit Wahrheiten zu tun. Natürlich kann man unter Freundinnen über eigene Unsicherheiten sprechen, man ist ja unter sich. Freundinnen sagen dann: „Ach, was du dir wieder einbildest!“ Das tut

dann erst mal gut. Und trotzdem haben sie einem das erste Mal auf die Pickel geschaut und vielleicht sogar welche gefunden, die sie ansonsten vorher nie entdeckt hätten. Das Aufmerksamkeits-Prinzip: Wir lenken die Aufmerksamkeit unseres Umfelds unterbewusst auf die negativen Dinge und bringen es automatisch dazu, diese zu glauben. Dann fielen mir all die anderen Freundinnen ein, mit ihren eingebildet

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viel zu grossen Oberschenkeln, dünnen Haaren, Cellulite-Ärschen, Pickelgesichtern, Unterbäuchen und schrägen Nasen. Diese lächerlich selbstkritische Haltung führt dazu, dass ihr Umfeld Dinge an ihnen bemerkt, die es vorher nie gesehen hatte. Sagt eine Frau ihrem Mann, dass sie Cellulite hat, wird er dies auf einmal auch sehen. Ein Mann hat dieses überdimensional ästhetische Empfinden in den meisten Fällen nicht. Wenn ihr ihm gefallt, dann wendet er

sich nicht von euch ab, nur weil er auf einmal Dellen bemerkt. Nach dem ersten Mal nackt sehen, ist das Bild schon fix. Macht es also nicht unnötig kaputt. Man geht ja auch nicht zum Chef und erzählt, dass man letzte Woche drei Mal verschlafen hat, als er im Urlaub war. Würdet ihr jemandem eine Wohnung verkaufen und dabei ständig auf Makel aufmerksam machen? Ein wenig dreckige Schubladen im Bad, die Küche ein wenig aus der Mode, der verfettete Abzug müsste auch gewechselt werden, die Garage braucht einen neuen Anstrich. Wieso macht ihr das?! Hört auf damit! Lernt von den Männern und verkauft euch stets, egal ob beim Vorstellungsgespräch oder beim Date, einfach immer besser. Klar rennen wir Schönheit, Wissen, persönlicher Entwicklung nach, optimieren hier und dort an uns herum. Das können wir aber getrost auch im Stillen machen. Übrigens: Eine an sich herumnörgelnde Frau ist immens unattraktiv. Wie sollen uns jemand respektieren, wenn wir uns selbst nicht respektieren? Die Menschen um euch herum, sehen euch genauso, wie ihr euch selbst seht. Wollt ihr, dass man euch als trauriges, hässliches, unsicheres Entlein wahrnimmt, oder als selbstsichere, starke, moderne, Powerfrau? Eben. Bitte keinen Buckel mehr machen, nicht mehr herumlaufen, als wollte man sich vor der Welt verstecken. Brüste raus, Arsch raus, Bauch raus, Haare in den Nacken werfen, bezauberndes Lächeln aufsetzen und los! Erfolg ist eine Frage der Haltung. Der EIGENEN Haltung.

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

24. September 2014 Reinhold Weber. Wir bei Kult mögen, wie Sie sicher wissen, nicht bloss ein edles Tröfchen, sondern auch gekonntes Artwork, gepflegte Fotografie 5. Novmber 2014 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist und süffige Texte. Deshalb verleihen wir dem Hanseatischen Wein & Sekt Kontor übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum nachträglich den Goldenen Korkenzieher. bringen wirs hier mal.

Sieben Minuten Das sei doch alles nicht so schlimm, sagt einer, der schon etwas älter ist, lacht leise und schüttelt vergnügt seinen Kopf. Ein paar Minuten früher oder später. Das sei doch kein Drama, denkt er sich, und er denkt es so laut, dass ich es hören kann, und ich stehe grad gut fünf Meter entfernt von den anderen, ich muss ja auch nicht auf den Zug, ich bin nur am Bahnhof Zigaretten holen. „Doch“, sagts der, der sich lautstark aufregt, weil der Zug sieben Minuten Verspätung haben würde, und wegen dem der Alte drum grinsend seinen Kopf schüttelt. Immer noch. Das sei ein „Gopfertami Huereschissdräck“. Da könne er ja grad wieder nach Hause gehen. „Wegen sieben Minuten? Den ganzen Tag hinschmeissen? Ach kommen Sie ...“. Der Versuch des einen, den anderen, für den sieben Minuten Verspätung ein „Gopfertami Huereschissdräck“ ist, ein bisschen mit Geschichten über die Relativität der Eregnisse auf dieser Welt zu besänftigen, kam gar nicht erst zum fliegen, weil der, der sich aufgeregt hat, sich jetzt noch mehr aufregt und wie eine unlackierter Taktstock den Alten belehrt, dass wenn er nicht um 8.31 abfahren könne sondern erst um 8.38, dann würde er dort erst um 9.42 ankommen statt schon um 9.35, und um 9.39 fahre der andere Zug ab, ohne ihn, weil er ja erst um 9.42 ankomme, und drum eine Stunde lang auf den nächsten Zug warten müsse und dann eine Stunde zu spät an die Sitzung komme, die Sitzung aber nur bis elf Uhr gehe, eine Stunde also, und diese eine Stunde sei er genau zu spät, diese sieben Minuten würden ihm also genau genommen eine ganze Stunde kosten. Und der Alte, der die ganze Zeit zugehört hat und nicht mehr mit dem Kopf schüttelt, schüttelt ihn jetzt wieder und meint: „Sie sehen das falsch. Diese sieben Minuten haben Sie nicht eine Stunde gekostet, sie haben Ihnen eine Stunde geschenkt. Jetzt, wo Sie sie schon haben, machen Sie doch etwas Gescheiteres damit, als sich aufzuregen.“ Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund. Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh. www.kult.ch/gmbh

Wir freuen uns über jeden Anhänger: www.facebook.com/zuerilinie


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THERE’S AN APP FOR THAT

17. Oktober 2014 Pete Stiefel Endlich eine Orientierungshilfe für unter meiner Gürtellinie.

MAL EINFACH ALLES SCHEISSE SEIN LASSEN 13. Oktober 2014 Yonni Meyer Heute ist ein Arschlochtag. Mein Stolz und mein Herz sind gleichermassen angeknackst, die Leute sind grundlos unfreundlich zu mir, mein Tee ist ausgekippt (auch unfreundlich) und ich habe das Gefühl, dass kein Mensch und keine Menschin auf der Welt versteht, was ich fühle. Schlicht: Falscher Fuss, Meitlitag, was über die Leber, Herzklemmen, Weltschmerz, PMS, Überlastung und – arbeitung, Schlafmanko. Schiessmichtot. Ich stosse an solchen (seltenen) Tagen die Menschen dann auch oft vor den Kopf, weil die sich nicht gewohnt sind, dass ich unterkühlt oder kurz angebunden am Start bin. Dann sind sie bitz verwundert oder beleidigt und ich werde noch ein bisschen mieser drauf, weil ich das dann fast ein wenig unfair finde, weil mir ja auch mal das Herz wehtun darf. Bin ja kein Einfrauunterhaltungsprogramm. Zumindest nicht immer. Lösungsvorschläge sind an Tagen wie diesem für die Katz. „Morn ischs wieder besser!“ DINI MUETER ISCH MORN WIEDER BESSER. „Du bisch eifach überarbeitet!“ DINI MUETER ISCH ÜBERARBEITET. „Muesch nur positiv dänke, weisch? Carpe diem.“ STIIIIIIIIRB! Sage ich natürlich so nicht. Ich sage eher etwas wie: “Grmljachweiss, schguet, lahmisii.“ Und deshalb habe ich gelernt, an solchen Tagen die Scheisse einfach mal Scheisse sein zu lassen – nein, die

KULT GOES KRAKOW II

15. Oktober 2014 Dominik Hug. Das Gefühl durch eine unsichere Gegend zu spazieren hatten wir das letzte Mal in Los Angeles. Damals, es war bereits dunkel, liefen wir die North Vermont Avenue hinauf. Die Strecke zwischen unserem Hotel und der Sportbar, bei der wir ein paar Bier kippen wollten, betrug etwa 2 Kilometer. Da wir beide trinken wollten entschlossen wir uns zu Fuss zu gehen. Jeder gute Amerikaner wäre hier natürlich gefahren. Und da wir diverse Obdachlose gesehen haben, die in Schlafsäcken auf den Trottoirs nächtigten und sonstige Gestalten, bei denen wir das Gefühl hatten jederzeit überfallen oder einfach so abgestochen zu werden, fühlten wir uns doch ein bisschen sehr kotzig rund um die Magengegend. Auf den Strassen von Krakau konnten wir jedoch weder gestohlene Velos noch sonstige Verbrecher ausmachen. Einige Gegenden waren vielleicht etwas

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heruntergekommener, aber das ist die Gegend rund um den Claraplatz in Basel auch irgendwie. Aber in Krakau wird gesoffen. Und zwar richtig. An praktisch jeder Ecke findest du einen Laden mit der grossen Aufschrift ALKOHOLE, dessen einziger Zweck der Verkauf von Alkohol darstellt. Musst du bei uns im Coop noch schamerfüllt die drei Wodkaflaschen hinter dem WC-Papier und dem Tostbrot verstecken, kannst du in Krakau deiner Leidenschaft problemlos frönen und dir für ein paar wenige Zloty hochprozentiges kaufen und anschliessend hinter die Binde kippen. Jedoch aufgepasst, in Polen ist es generell verboten, Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken, ausser in Bars, Restaurants oder an Konzerten oder Sportveranstaltungen. Irgendein Kultautor wird garantiert noch eingebuchtet werden. Wetten werden angenommen.

Scheisse fast ein bisschen zu zelebrieren. BRINGT MIR MEHR SCHEISSE! LOS! Bin dieses Jahr noch nie so richtig auf die Fresse geflogen: HEUTE IST DER ZEIT-

PUNKT! Bring on the Bananeschaale! Oder wie wär‘s mit einem vergessenen Schlüssel? Wenn ich an einem Tag draussen in der Kälte stehen sollte, dann HEU-

TE! Ja, am besten stehe ich in meiner Stoffjacke im Herbstregen draussen für drei Stunden, damit ich auch garantiert eine Lungenentzündung bekomme. BRINGT! MEHR! SCHEISSE! Und dann, wenn ich an einem solchen Tag nach Hause komme, dann weine ich sehr sehr bitterlich und herzzerreissend für zwei bis drei Stunden. In meinem Herzlipischi und meinen Rentiersocken mit Stopperli dran, zusammengerollt unter meiner Wolldecke, die ich sehr kunstvoll mit meinem verlaufenen Mascara verschmiere und dann noch viel mehr weinen muss, weil das Scheissding nur von Hand gewaschen werden kann. Scheiss Designer-Wolldecke. Dummes Designopfer-Pony. Heul. Schluchz. Wein. Um Mitternacht schleppe ich mich dann in mein Bett, meine Wolldecke wie ein Kleinkind hinter mir her ziehend, und heule da noch ein bisschen weiter. Wein. Wein. Heul. Schnudder. Und irgendwann weichen die Bitterkeit und die Leere einer Art erleichterten Erschöpfung. Kennt Ihr das? Wenn man einfach fertig traurig ist für einen Tag und hundemüde? Dann schläft man ein und am nächsten Morgen ist tatsächlich einfach alles viel besser. Man sieht zwar aus wie wenn man zwei Monate gefoltert worden wäre und das Herz trägt noch ein Pfläschterli, aber alles ist schon wieder ein bisschen leichter. So ist das mit den Scheisstagen. Embrace the shittiness!

Keine Regel ohne Bauer

5. November 2014 Rainer Kuhn Sie kennen das vielleicht noch, Emil Steinberger mit der Milchkanne auf der Bühne und rezitiert Bauernregeln: Im Januar, im Januar, isch alles schtif und schtarr ... im Februar, im Februar, isch immer no alles schtif und schtarr ... Das könnte man so als Schweizer Bauer jetzt über die weiteren 10 Monate unverändert lassen und läge damit konstant richtig. Jetzt kommen aber unsere Freunde von Zweifel Chips und wollen da von ihren Kunden mal ein bisschen was Neues hören. Denn wer hört die Kartoffel besser wachsen als die, die sie sackweise verschlingen? Eben. Abggesehen davon kann man damit auch grad eine lustige Promo machen. Und die geht so: Sie sind also aufgefordert, eine Bauernregel zu erfinden und sie an folgende Adresse zu schicken: http://www.zweifel.ch/de/wettbewerbe/bauernregel Die witzigsten Bauernregeln werden belohnt, und zwar mit einem Bauern-

wochenende. Dort können Sie dann all die Regeln überprüfen und noch ein paar andere Sachen machen. Um vier Uhr morgens aufstehen und in den Stall, zum Beispiel. Damit Sie nun nicht so planlos vor dem Compi sitzen, haben wir die Aufforderung mal durch unserer Redaktion laufen lassen. Herausgekommen ist unter anderem das da: Zeigt das Shirt das Arschgeweih, ist sicher Wonnemonat Mai. Macht dir der See den Pimmel klein, muss es Herbst geworden sein. Ists im Juli immer noch kalt, kommt der Sommer sicher bald. Wenns im Dezember meterhoch schneit, ist der Winter nicht mehr weit. Schneit es im August, hat man zum Baden keine Lust. Fliegen die Satelitten im Sommer tief, lief wohl bei der Nasa etwas schief. Hat der Sohn des Bauern einen schwarzen Grind, ist es wahrscheinlich nicht sein Kind. Schaut der Dölf vom Rähmlideckel,

ist der Herbst ein kalter Seckel. Sucht der Bauer eine Frau, geht er ins Fernseh die alte Sau. Friert die Zunge am Geländer, ist wohl bereits wieder Dezember. Jucken die Augen, tränt das Gesicht, ist der Juni da, der Wicht. Reibt dir die Grete im März den Hammer, ist's vorbei mit dem Winterjammer! Samichlaus' weisses Haar weht des kühlen Windes, die Rute bald am Arsch des Kindes Siehst du überall rotbraune Grinder, da ists im Solarium auch schon Winter. Gibts im Winter teure Pakete, geht die Schlampe ab wie ne Rakete. Wahrscheinlich fällt Ihnen was Besseres ein. Nicht, dass wir uns keine Mühe gegeben hätten. Aber als Freunde von Zweifel sind wir eh nicht teilnahmeberechtigt. Im Gegensatz zu Ihnen. Also hopp, Bauernregel niederschreiben, an Zweifel schicken und auf die Gewinnbenachrichtigung warten.


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ALLE LIEBEN HEUTE DIE ZUKUNFT! ALLE SCHEISSEN AUF DIE GEGENWART … 8. Oktober 2014 Christian Platz Zweifelsohne: Die Zukunft wird vorbereitet. Allüberall. Auf sämtlichen Regie-Ebenen. In Amtstuben, auf Reissbrettern, in der Schule, in Planungszirkeln, bei der Eisenbahn. Da laufen Analysen, Prozesse, Vorprojekte, Projekte. Da dreht sich das fröhliche Karussel der professionellen Prognostizierenden, Prozessberatenden, Projektbegleitenden munter um sich selbst. Und die Fähnchen – an jenen Stangen befestigt, die die bunten Holzpferdchen am ebenso farbenfrohen Zeltdach unseres Karussells fixieren – flattern dazu. Im Winde der Nachhaltigkeit. Es könnte einem gar schwindlig werden! 30 Millionen Franken für die Vorphase der Vorbereitungsphase eines Vorprojekts? Kein Problem! 25’000 Franken Wochenhonorar für einen externen Beratenden, der einen EmpowermentWorkshop anleitet, welcher die Weichen für die Implementierung der Grundlagen eines Optimierungsprozesses stellen soll? Kein Problem! 5000 Franken Tageshonorar pro Kopf für die externen Prozessbegleitenden, die unterwegs den Nachhaltigkeitsgedanken sicherstellen? Aber gern! Die Leute sind das Geld ja Wert! Schliesslich habe sie alle Meisterdiplome vorzuweisen. Von der Hogwash School of Witchcraft and WiXardry®. Deshalb sind sie Fachhexpertende für jeden Fall. Sie führen die Stadtplanung in eine güldene Zukunft, aber auch die Gummibärchen-Fabrik oder das Sozialamt oder die Manufaktur für sexuelle Hilfsmittel. Sie haben zwar weder von Stadtplänen eine Ahnung, noch von Speisegummi, besonders sozial sind sie auch nicht – und auf dem sexuellen Feld fühlen sie sich ein kleines bisschen unwohl… Aaaaaber: Sie halten das geheimnisvolle Wirken und Weben der Strukturen hinter den Dingen fest im Griff, indem sie fleissig Methoden auswendig gelernt haben, mit denen man alle Metiers in eine gloriose Zukunft führen kann. Selbst dann, wenn man von der Welt der Materie keinen blassen Schimmer hat! Waaaas? Die erbärmliche Kreatur dort drüben, ja die hinkende, mit dem Stock, die auch noch die ganze Zeit hustet (hat gewiss ein Leben lang geraucht. Schande!), bezieht offenbar hundert Franken überschüssige Sozialhilfe im Monat?! Sauerei. Sofort abziehen. 300 Franken müssen für 30 oder 31 Tage reichen! Waaaas? Das Team des Jugendhauses am Stadtrand, in dem 200 Kids aus Unterschichts-Familien, die sonst auf der Strasse rumlungern würden, Tag für Tag willkommen sind, arbeitet nicht exakt nach den amtlich gut geheissenen Grundsätzen der kohäsiven soziokulturellen Administration?! Sofort schliessen! Dieser Betrieb kostet ja über 200’000 Franken im Jahr! Waaaas? Dieses Pflegeheim beschäftigt Pflegehilfen, die durch das Netz der umfassenden horizontalen, vertikalen sowie vierdimensionalen Qualitätskontrolle gefallen sind?! Und die kosten erst noch ganze 20 Franken brutto in der Stunde? Umgehend entlassen, die Leute! Aber; der Huster mit dem Stock ist doch wirklich ein armer Kerl, der ohne Hilfe auf offener Strasse eingehen würde, unter unser aller Augen, wie die Kräuter auf dem Fenstersims im weissen Winter… Aber; das Team des Jugendhauses kümmert sich prima um emotional ausgehungerte Kids, die ohne Zuwendung wohl in der Öffentlichkeit

Die Politik, die Hochfinanz, die grossmächtige Industrie, all diese Lenkerinnen und Lenker der materiellen Dinge, all die Signalstellerinnen und – steller haben die Gegenwart längst aufgegeben. Nasenrümpfend beseitigen sie das historisch Gewachsene und ersetzen es durch gutgemischtes Durchstrukturiertes aus der Küche der Zauberschule. Denn heute wollen alle wie wild an Strukturen herumschrauben, von Inhalten will keine Sau mehr etwas wissen. Da müsste man am Ende ja noch Verantwortung übernehmen. Das kann man Leuten in führenden Positionen doch weiss Gott nicht zumuten, dafür sind die viel zu gut bezahlt!

Randale machen würden… Aber; die Patienten lieben diese Pflegehilfen, vertrauen ihnen…. Ach hören sie mir doch auf. Das sind alles nur historisch gewachsene Probleme, Einrichtungen, Figuren. Die werden in unserer gloriosen Zukunft keinen Platz mehr haben. Bevor wir die Zukunft optimal vergolden können, müssen wir mit den alten Klamotten aufräumen. Wir brauchen klare Strukturen, sonst kommt es nicht gut, sonst steht die Zukunftsplanung auf wackligen Beinen und die Nachhaltigkeit ist nicht gesichert!!! Verantwortung? Berufserfahrung? Herzblut? Kommen Sie mir nicht mit solchen Vagheiten. Das ist doch alles Schnee von gestern. Wir brauchen in unserer heutigen, herausforderungsreichen Zeit messbare Qualitätsnormen. Wir brauchen echte Qualifikationen, schwarz und weiss, auf echtem Papier! Und Studien von echten externen Fach-Hexperten, von Absolventen der Hogwash School of Witchcraft and WiXardry®! Wir wollen die totale Optimierung! Aber zuerst brauchen wir eine neue Bushaltestelle in der Innenstadt, dafür müssen wir zunächst die Planungsgrundlagen schaffen, einen Architektur-Wettbewerb ausschreiben und den Ausführungsprozess den Qualitätsnormen nach “Zertifikat P.UBU 56B679Zc9%8912ON14562829″ anpassen. Kostenpukt: 28’000’000 Franken. Ein Schnäppchen! Ach, ich sehe es schon so schön leuchten… …das Gold der Zukunft. Sie wollen etwas von einem Amt? Etwas, das Ihnen bürgerrechtlich, steuerrechtlich, subventionsrechtlich verbrieft

ist? Sie rufen also dort an. Nach tagelangem Warten auf Rückruf meldet sich bei Ihnen der Assistent des Assistenten der zuständigen tausendfach qualifizierten und zusatzqualifizierten Fachperson, die natürlich nie mit einfachen Leuten telefoniert. Weil sie derart vergeistigt ist. Sie bringen nun ihr Anliegen vor. Die Antwort, nicht unhöflich, leicht gelangweilt vielleicht: „Ja. Das ist ein legitimes Anliegen. Leider können wir ihm momentan jedoch nicht entsprechen. Wissen Sie, wir haben in diesem Bereich gerade eine externe Studie in Auftrag gegeben. Darauf folgt dann eine Planungsphase, die in einen umfassenden Organisationsentwicklungs-Prozess mündet, der es uns ermöglichen wird, die Zukunft zentimeterweise auf solide Beine zu stellen. Aber zuvor müssen noch einige Meilensteine gesetzt werden! Sie dürfen uns gerne in fünf Jahren wieder anrufen, wenn unsere Fünfjahres-Planung solide Tatsachen geschaffen hat. Dann werden wir Ihnen auch nachhaltig helfen können. Auf Wiederhören.“ Fünf Jahre später rufen Sie wieder dieses Amt an. Die gleiche Stimme am anderen Ende. Vielleicht noch ein bisschen gelangweilter: „Hallo. Sie schon wieder. Mit Ihrem legitimen Anliegen. Ah, das war bereits vor fünf Jahren, wie die Zeit vergeht. Wir können ihrem Anliegen leider immer noch nicht entsprechen. Wir befinden uns gerade in einer internen Evaluation, die von einer externen Beratungsfirma geleitet wird. Der besten Beratungsfirma der Welt. Wissen Sie, nach der Organisationsentwicklung durften wir wahrnehmen, dass wir vieles gelernt haben. Neue Tatsachen sind dabei ans Licht

gekommen. Diese Tatsachen machen es nun notwendig, eine neue Studie von Extern anfertigen zu lassen, die einen weiteren zielführenden Organisationsentwicklungs-Prozess ermöglicht. Schliesslich wollen wir Ihnen künftig ein nachhaltig verbessertes Angebot präsentieren! Ein echtes Zukunftsangebot. Wir werden die Resultate unseres neuen Organisationsentwicklungs-Prozesses zeitnah umsetzen, komplett mit soliden Meilensteinen. Bitte rufen sie uns in fünf Jahren nochmals an. Auf Wiederhören.“ Ist es nicht wunderbar, wie wir heutzutage alle an der goldenen Zukunft arbeiten? Einer paradiesischen Zukunft. Nachhaltig paradiesisch!!! Wir schmeissen aberhunderte von Millionen in Stadtplanungskonzepte. Doch der Müll wird nicht mehr abgeholt. Wir stecken hunderte von Millionen in Nah- und Fernverkehrskonzepte. Doch Sie stecken Tag für Tag im Autostau – oder wie eine Büchsensardine in einem überfüllten, verspäteten Zug; die Fahrkartenpreise werden nächstes Jahr übrigens um 25 Prozent erhöht, die Bahn braucht schliesslich Mittel für die Zukunftsplanung. Wir hauen Dutzende von Millionen in Sicherheitskonzepte. Doch Sie werden auf der Strasse überfallen und zusammengeschlagen, während die Polizeienden gerade an einem Workshop sind, an dem sie lernen, korrekt zwischen Edelmigranten und Elendsmigranten zu differenzieren – und /–Innen natürlich; im Rahmen von flächendeckenden Grosseinsätzen. Alle lieben heute die Zukunft! Alle verachten die Gegenwart! Denn die Gegenwart ist doch ein Scheisshaufen… …und die Zukunft sei der Schatz im Silbersee.

Vor diesem Hintergrund muss einfach alles perfekt werden. Oder etwa nicht? Nein! Ich muss Sie leider enttäuschen. Wer die Gegenwart zur Müllhalde verkommen lässt, kann auf deren Basis leider keine köstliche Zukunftszwiebelsuppe ansetzen. Wer das Heute im Treibsand versinken lässt, wird kein schönes Morgen mehr ernten können. Wer sich eine Überdosis Optimierung in die Venen schiesst, wird eines Tages mausetot im Scheisshaus des Universums liegen bleiben. Eure Meilensteine werden Eure Grabsteine sein!!! Es ist ganz einfach. Wenn wir es nicht fertigbringen, die Gegenwart einigermassen menschentauglich und menschenwürdig zu managen, wird die Zukunft schrecklich sein. Weil unter dem Gewicht der ehrgeizigen Imagination unserer Zukunftsplanerinnen und -planer das Reale stetig nachgibt – es knirscht schon böse im Gebälk – und mit der Zeit unweigerlich zusammenbrechen wird. Unreparierbar! Und zwar nachhaltig… Das historisch Gewachsene ist, eben weil es gewachsen ist, oft genug stärker, wirksamer und ausdauernder als die meisten neuen Rezept aus der Fachhexenküche. Das historisch Gewachsene sollten wir in den meisten Fällen hegen, pflegen und – wenn notwendig – behutsam verbessern. Am besten unter Anwendung inhaltlicher Kenntnisse und Erfahrungen. Wenn wir einfach alles davon übermütig in den Papierkorb schmeissen und löschen, löschen wir uns damit letztlich wohl selber aus. Und es wäre wohl angemessen, in die Lebenden zu investieren. Wenn es denen nämlich dreckig geht, ist das nicht gerade eine gute Grundlage für die Kommenden. Die greifbare Gegenwart zu bewältigen, bedeutet unaufgeregte Knochenarbeit; wilde Zukunftsträume zu verwalten, bedeutet fiebernde Schwelgerei. Und der Zeitgeist der Mächtigen hat sich für das Fieber entschieden. Perverserweise, ohne Not, aus Langeweile, aus Überdruss halt. Weil man doch in den besseren Kreisen unseres scheinbar demokratischen und egalitären Systems ach so überaus weise und wichtig ist. Vor allem, wenn man ein Diplom der Hogwash School of Witchcraft and WiXardry® im Bilderrahmen aus Mahagoni hängen hat! (- Oder war es Mahagonny?) Und sollte es so weitergehen, können wir froh sein, wenn wir überhaupt noch eine Zukunft erleben… …im schlimmsten Fall müssen wir uns nämlich mit einer Kuhzunft zufrieden geben. Also lassen Sie sich schon mal Fell und Hörner wachsen! Letztere können wir dann ja noch kupieren. Bevor wir Sie an die Melkmaschine anschliessen…


! A A D A T ! E M IM T S E IN E D R Ü F E DANK

E N N E I S I R A P DEINE ! A D T S I N G I S E IM NEUEN D BLEIBT GLEICH DER GESCHMACK

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno.


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D HÜMNE

20. Oktober 2014 Pete Stiefel Fabian: „Du, Cédric, muesch lose!“ Cédric: „Hoi Fabian. Dir au en wunderschöne, guete Morge.“ Fabian: „Hoi Cédric. Mässi. Aber ETZ muesch lose!“ Cédric: „Die Junge, Alte… immer eine uf TGV. Mach mal bitz Interregio – da hasch viel meh vom Läbe.“ Fabian: „Kei Ziit, Mann. Tami viel z tue! Du chasch ja guet rede, DU bisch nöd Juso Präsi. So als Nationalrat hätmes ebe scho viel chilliger. Wänn ich no würd go schaffe näbedbii, hetti gar kä Ziit meh zum mit dir abhänge!“ Cédric: „Bummler, Couchette… eifach mal bitz d Seel bambele laa…“ Fabian: „Jahaaa! Das chani dänn mit Füfzgi, wänni is Altersheim chume. Cédric: „Geil, Altersheim! Chum, mer nämed ois es Doppelzimmer. Eigetli bini scho hüt z fuul, mer sälber de Arsch z butze. Chömmer nödechli früener?“ Fabian: „Über das redemer no. Aber losmeretz hueresiechnamal zue. Han nämmli letschti es Lied ghört im UKW Radio. Das wär DIE Hümne fürd Juso. Tummerwiis weissi nüme, wies heisst. S isch vo somene alte tüütsche Sack, woni de Name ä fägässe han. Aber d Melodie vom Röffrää gaat eso: (summt) Hmmmm, hmmm, hm, hm, hm.“ Cédric: „Und etz häsch s Gfühl, ich wüssi, was füres Lied du meinsch? Bin imfall nöd im Konsi gsii und au nöd bide Brämer Stadtmusikante.“ Fabian: „Scheisse, uf dich isch scho kän Fälass. Aber wart, ich han no en anderi Idee. Ich summe das Lied emal de Siri vor.“ (kramt sein iPhone aus der Tasche) Cédric: „Bisch veruckt?! Steck dä Imperialischteprügel ewägg! Da loset d NASA mit!“ Fabian: „Ou, färeckt, isch wücki wahr? Hmmm… dänn lüüti halt vom Huustelifon vo mine Eltere uus de Uuskumft aa.“ (wählt) Telefon: „Tuut, tuut“ Frau: „Uuskumft, Si wünsched?“ Fabian: „Grüezi, da isch de Fabian. Si, ich hett e Frag.“ Frau: „Super, Fabian. Da bisch bi mir genau am richtige Ort glandet.“ Fabian: „Aso, s isch eso: S git da es Lied, woni sött wüsse, wies heisst, und vo wem dasses isch. De Röffrää tönt so: (summt) Hmmmm, hmmm, hm, hm, hm.“ Frau: „Hahahahaha! Jööö, hahahahaha! SOOO häärzig!“ Fabian: (leicht verärgert) Was lachedsi so?“ Frau: „Es Chinder-Schabernack-Telifon! Das hani ja scho sit foifezwänzg Jahr

nüme ghört! Sägemal, Bueb – isch hüt Schuelsilväschter? Hahahahaha! Fabian: (verärgert) ICH MEINS IMFALL ERNSCHT! WÜSSEDSI ÜBERHAUPT, MIT WEM SIE DA REDED??? Frau: „Hahahahaha…“ Fabian: (schmettert den Hörer auf die Gabel) „Tummi Chue!“ Cédric: „Hey Alte, wücki voll asi und reschpäcktlos! Die würi grad zur Telifonischtegwerkschaft userüere! Chum, ich han e besseri Idee: Mer gönd in Musig Hug, döt käneds alli Lieder vo dere Wält. Däne chasch ein einzige Ton vorpfiife, und scho knalledsder die Schallplatte uf de Trese, wott gsuecht häsch. Ich schwör!“ (beide gehen zur Tür hinaus) Musik Hug Verkäufer: „Grüezi mitenand, die Härre. Si wünsched?“ Cédric: „Grüezi. Händsi öppis vom Bob Marley?“ Fabian: „Hey schliichdi, Alte! Die Kifferplatte chaschder ade Langstraass go hole. Etz bin ICH dra. Si, sägedsi, wüssedsi, wer das Lied komponiert hät: (summt) Hmmmm, hmmm, hm, hm, hm. Musik Hug Verkäufer: „Ja, klar! Es isch de Fuessballer Moldovan gsii.“ Fabian: „Hä!?“ Cédric: „Hä?!“ Musik Hug Verkäufer: „Es chliises Scherzli miinersiits, äxgüsi. Das Lied isch am einedriissigschte März Nünzähundertsächsedachzg usechoo, elf Wuche ide düütsche Charts gsii, maximale Platz drüüädriissg. Und, laami überlege, zäh Wuche ide Schwiiz, sogar bis uf Platz Zäh cho. Uf de Langschpiilplatte „Sprünge“, s Lied „Kinder an die Macht“ vom Herbert Grönemeyer. Fabian: „Wältklass! Die nimi! Hänzi ä Kasette?“ — Referenz: Herbert Grönemeyer, Kinder an die Macht (Fabian singt neben Cédric im Tram, mit Walkman Kopfhörern auf den Ohren): Die Armeen aus Gummibärchen Die Panzer aus Marzipan Kriege werden aufgegessen kindlich genial Es gibt kein gut, es gibt kein böse Es gibt kein schwarz, es gibt kein weiß Es gibt Zahnlücken Statt zu unterdrücken Gibt’s Erdbeereis auf Lebenszeit Immer für ‘ne Überraschung gut Gebt den Kindern das Kommando Sie berechnen nicht, was sie tun Die Welt gehört in Kinderhände Dem Trübsinn ein Ende Wir werden in Grund und Boden gelacht Kinder an die Macht Sie sind die wahren Anarchisten Lieben das Chaos, räumen ab Kennen keine Rechte, keine Pflichten Ungebeugte Kraft, massenhaft Ungestümer Stolz Gebt den Kindern das Kommando Sie berechnen nicht, was sie tun Die Welt gehört in Kinderhände Dem Trübsinn ein Ende Wir werden in Grund und Boden gelacht Kinder an die Macht

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WALKING TALL: THE PAYBACK wie die grosse Neuentdeckung des Actionkinos. 2007 folgte dann die (zumindest namentliche) Fortsetzung “Walking Tall: The Payback”.

14. Oktober 2014 Dominik Hug Da gab es vor zehn Jahren im Kino doch diesen kurzen aber heftigen Actionfilm namens “Walking Tall” mit Wrestler Dwayne “The Rock” Johnson in der Hauptrolle. Dieser hatte es in sich, war “The Rock” damals so was

Story: Nick (Kevin Sorbo) kehrt in seine Heimatstadt zurück, nachdem sein Vater, der Sheriff, unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Schnell findet er heraus, dass die liebenswerte Stadt, in der er aufwuchs, inzwischen von einer brutalen Bande skrupelloser Verbrecher beherrscht wird, die mit Einschüchterung und Erpressung die Bewohner dazu bringen, ihnen Geschäfte zu verkaufen. Mit Hilfe eines FBI-Agenten und ein paar alten Freunden gelingt es Nick, selbst Sheriff zu werden. Er gelobt, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Gang und ihren rücksichtslosen Anführer zu vernichten und seine Stadt zurückzuerobern. Kevin Sorbo als Vertretung von “The

DANKE, LIEBE VEGETARIER!

27. Oktober 2014 Pete Stiefel Na prima, das haben wir unseren Vegetariern zu verdanken. Dann gibts zum Kotelett halt ein Schnitzel.

Rock”, kann das gut gehen? Kann der Herkules den Wrestling-Muskelberg würdig vertreten? Jein, den zum einen hinkt der Vergleich brutal, da der Kinofilm einige Gänge höher fährt als die hier vorliegende minderwertige Direct-to-Video-Fortsetzung. Prügeleien, Schiessereien, Explosionen, alles wäre da, nur wirken die Geschehnisse auf den Zuschauer sehr distanziert. Das reisst echt keinen vom Hocker. Kevin Sorbo als Hauptdarsteller weiss zu gefallen. Die Story, die eigentlich eine herrliche Rachestory hätte sein können, lässt mich als Zuschauer jedoch nur an gewissen Stellen mitleiden und mitfiebern (Beerdigung, diverse Gewaltszenen) und leider wirkt der Film an den meisten Stellen wie ein etwas besserer TV-Film. Hier hat Schreiberling und Seagal-Kollege Joe Halpin ganz klar nicht viel Innovatives geleistet. Immerhin, das Setting lies sich sehen und der Film hatte so was wie Atmosphäre. Fazit: Muss man nicht sehen.

KEINE AHNUNG, WAS DAS BEDEUTET

28. Oktober 2014 Reinhold Weber Sieht aber gut aus.

MUSS MAN NICHT HABEN: EIN BLIND-DATE, DAS BEIM BON JOVIKONZERT GANZ VIELE FOTOS VON «BON» MACHEN MÖCHTE

24. Oktober 2014 Midi Gottet. Denn, wie hoch darf der Preis für Beischschlaf sein?


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November 2014

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HALLOWEEN IST SCHEISSE? DU BIST SCHEISSE. 16. Oktober 2014 Jelena Keller. Bald ist wieder Halloween. Ein Fest wie viele andere, die noch so gern und noch so oft verpönt werden von den trostlosen Schlechtredern. Geldmacherei, Globalisierung, Kapitalismus, Idiotie, Veramerikanisierung, Unruhestiftung, ExhibitionismusFörderung, religiöse Kacke. Und dann stolpert man über das Geheimnis: Eine von vielen Definitionen, die meist in die vorchristliche Zeit führen, leitet das Fest aus alten keltischen* Bräuchen ab. Erstmals dokumentiert wurde die Tradition im 8. Jahrhundert, als christliche Synoden versuchten, solche Riten abzuschaffen. Am Totenfest gedachte man den Verstorbenen mit Freudenfeuern, indem man auf Hügeln Knochen des Schlachtviehs verbrannte. In

dieser Nacht sei die Verbindung zwischen Dies- und Jenseits besonders einfach gewesen, weshalb man den Toten nochmal zu begegnen gedachte. Verkleidungen dienten der Vertreibung böser Geister. Des Weiteren war Wahrsagerei üblich. Wie sich der Brauch weiter verbreitet hat ist umstritten. Historiker glauben nicht an die direkte Überlieferung, vielmehr seien die keltischen Ansätze durch andere Feste ersetzt, erweitert und christianisiert worden. Eine spätere Dokumentation erklärt, das Brauchtum sei im 19. Jahrhundert von christlichen irischen Einwanderern in die USA gebracht worden und wurde nur von dieser Volksgruppe gefeiert, aufgrund seiner Attraktivität dann aber von anderen übernommen. Von Frankreich ausgehend verbreiteten

sich die Halloweenbräuche in den 90ern in Europa. Es gibt also durchaus Interpretationsspielraum, wenn man diesem Fest begegnet. Will man alte, nicht-christliche Bräuche feiern, will man dem Christentum gedenken, will man einfach die Rampensau aus dem monotonen Hamsterrad lassen oder nach der Streetparade wieder ein bisschen exhibitionistisch sein? Einer, der etwas gegen Halbnackte hat, ist in der neuen Welt, bei der eigenen Sexualität nicht angekommen. (Sexy Fest – sexy Kleider. Face it) Unsere eigenen Bräuche lassen wir deswegen nicht verkümmern. Halloween ist ja nicht am gleichen Tag wie Sächsilüte. Ein Grund mehr zu Saufen! (aha jetzt bist auf meiner Seite) Wer seinen Geburtstag feiert, an Fas-

nacht Schminke und Konfetti, seiner Mama zum Muttertag Blumen und der Frau zum Valentinstag ein Schmuckstück kauft, sogar für die eigene Hochzeitsfeier Unmengen von Geld ausgegeben hat, wird mit dem Argument des Materialismus nicht weit kommen. (Ich weiss was du gestern gekauft hast) Ob Weihnachten dann auch ein Globalisierungs-Ding ist, wenn es doch aus Israel zu uns kam? (Jesus on Tour) Sollen wir den Schulsilvester abschaffen, sodass wir uns auch mit diesem Lärm um nichts, nicht mehr quälen müssen? Nimm ihnen den letzten Spass, dann wird erst recht randaliert. („The Purge“ kennst?) Sollen wir den Kindern und Erwachsenen nun die Lebensfreude nehmen, nur um sie dann deprimiert, mit herunterhängenden

Mundwinkeln im Coop neben uns an der Kasse stehen zu sehen? Nein, oh nein du Freudloser, armseliger Motzkopf. Den Gefallen machen wir dir nicht. Wir feiern fröhlich weiter, vielleicht zeigst du uns zur Abwechslung einen milden, süsses Anblick, statt dein ewig saures Scheissgesicht. Trick or Treat, Motherfucker. *Es gibt keine antiken Belege zum Glauben der vorchristlichen, vor-römischen Kelten. Antike Autoren des römischen Reichs passten die keltischen Götter und Kulte den eigenen an und ordneten diesen römische Interpretationen und Götternamen zu. Diese Sitte wurde „Interpretatio Romana“ genannt. Deshalb ist es schwierig nicht-römische Gegebenheiten zu rekonstruieren.


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November 2014

WAS BEDEUTET INTELLEKTUELL?

21. Oktober 2014 Jelena Keller Vage, so denke ich, habe ich eine Vorstellung von der Definition: Die, die alles reflektieren, die gebildet und intelligent sind. So würde ich die Intellektuellen beschreiben. Natürlich gibt es eine Unmenge intelligenter Menschen, welche nun in ihrem Leben die Möglichkeit nicht hatten, sich zu bilden, gedanklich herausgefordert zu werden, um so auf die Stufe der Intellektuellen aufzusteigen. Ist es nicht so, dass diese Bezeichnung tatsächlich nur Privilegierten zukommt? Man denke an einen mittellosen Jungen, irgendwo in ärmsten Verhältnissen geboren, mit dem Drang nach Wissen. Er wird, sofern er Lesen gelernt hat, auf irgendeine, geschickte Weise Bücher auftreiben, sie studieren und mit seinen Gedanken vereinbaren, sich selbst Fragen stellen und diese seinen Mitmenschen höchstwahrscheinlich mitteilen und nachfragen. Oftmals werden Diese, erschrocken durch ihr eigenes Unwissen, obwohl Sie vielleicht einmal selbst in seinen Schuhen steckten, seine Erzählungen als Humbug, sogar Idiotie abtun und erniedrigen. Dies wird den Jungen nicht unbedingt ermutigen, seine weiteren Entdeckungen zu teilen, weshalb seine ganze Bildung auf eigener Interpretation beruht. Nun gibt es zwei Enden dieses Schicksals: 1. Er merkt, dass es auf der Welt mehr geben muss, als das, was ihm vorgesagt wird und bricht vollen Mutes auf, um es selbst zu erfahren. 2. Entmutigt von seinem Umfeld, gibt er sich mit den gegebenen Umständen zufrieden und steckt ein Leben lang am gleichen intellektuellen Fleck mit Radius von zir-

ka zehn Wissens-Kilometern fest. Natürlich gilt dieses Geschichtchen nicht nur Kindern in Drittweltländern, sehen Sie sich doch in Ihrem Umfeld um, wie viele Fragen von Kindern werden nicht oder gar herablassend beantwortet, aus Angst sich vor dem Kinde entblösst zu fühlen. Nun, glücklicherweise soll die Schule so eine Institution sein, die den Intellekt fördert, doch diese MeinungsMassenabfertigung und Zerstörung des Individuums scheint dieser Erwartung nicht immer gerecht zu werden. Gemäss Synonymwörterbuch ist ein Intellektueller: geistig, abstrakt, mit dem Verstand denkend und aufgeklärt. Menschen, die sich von (Bauch-)Gefühlen leiten lassen sind also primitiv? “Ein Intellektueller ist einer, der sogar bei gutem Wetter Bücher liest” (unbekannt) Wikipedia (eine evtl. un-intellektuelle doch populäre Quelle) meint: “Als Intellektueller wird ein Mensch bezeichnet, der wissenschaftlich (ok), künstlerisch (Definition?), religiös (im Ernst?), literarisch (Messlatte?) oder journalistisch (Blick?) tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat, und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder affirmativ Position bezieht. Dabei ist er nicht notwendig an einen bestimmten politischen, ideologischen oder moralischen Standort gebunden. Der Bedeutungsinhalt des Begriffs Intellektueller wechselte im Laufe der historischen Entwicklung, eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs gab es nie.” Will mir diese Definition weiss machen, dass nur Wissenschaftler, Künstler, Päpste und Schreiberlinge, höher in der gesellschaftlichen Hierarchie stehen, demnach intellektuell sind? Kann nicht auch ein sehr belesener Handwerker intellektuell sein? Einer, der schlicht in jungen Jahren andere Interessen, als die akademischer Natur hatte, heute aber informierter ist als mancher fleissige, tunnelblickende Student? Einer, der weiss wie lange er hungern kann, bis er stirbt? Einer der weiss, wie man im Dschungel überlebt? Einer, der weiss wie man Schicksalsschläge verkraftet? Ist solch einer nicht mutiger, erfahrener, weiser, in der Hierarchie höhergestellt als der Intellektuelle, der den ganzen Tag nur

liest und mal hier und mal dort philosophiert und labert? Was ist mit dem Handwerker, der plötzlich DIE IDEE hat, dann erfolgreicher Unternehmer wird, als er auf sein Bauchgefühl, seine Intuition, manchmal gar nicht auf seinen Kopf gehört hat? Er wird dem ewig Grübelnden, nicht sehr erfolgreichen, um einige Schritte voraus sein. Insgeheim, insgeheim wird der Intellektuelle auch vom Wunsch nach Erfolg, nach Wahrnehmung, nach Einfluss und finanzieller Sicherheit getrieben. Er will gehört und gesehen werden, sich exponieren. Hat er vielleicht Komplexe? Irgendwie fallen mir gerade prompt die Herren Schawinski und Köppel in ihren Podiumsdiskussionen ein. Ja, sie informieren das Volk, sie debattieren, und trotzdem hat sich der Schawi noch nie auf eine andere Meinung eingelassen. Gemäss Wikipedia also kein Intellektueller? Haben sich die Züge des Intellektuellen vielleicht gewandelt? Musste er früher aufklären, so ist heute fast jeder Interessierte, dem Internet sei Dank, selbst genug informiert und besitzt eine Meinung. Muss er diese nun öffentlich kundgeben, um intellektuell zu sein? Gemäss Wikipedia schon, demnach wäre jeder Facebook-er nun intellektuell? Oder religiöse Fanatiker, die lauthals gegen Verhütungsmittel propagieren? Wenn ich nun eine vorzeige-Intellektuelle sein möchte, wo sollte ich meine Meinung nun am besten posaunen? In den Büchern von Simone de Beauvoir hat man das Gefühl ganz Paris habe aus Intellektuellen bestanden, die nichts anderes zu tun hatten, als über Gott und die Welt zu diskutieren. Tatsache: Heute gibt es keine Kaffeehäuser mehr, wie im damaligen Wien, keine geheimen Treffen im Untergrund, wie in den 30er Jahren. Es ist schlicht nicht verboten seine Meinung zu äussern, was diesen Akt möglicherweise gerade deshalb weniger interessant macht. “Intellektuelle Erkenntnisse sind Papiere. Vertrauen hat immer nur der, der von Erfahrungen redet.” (Herrmann Hesse) So bleibt nur noch der eigene Freundeskreis fürs intellektuell spielen. Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, so habe nicht alle studiert und sind keineswegs stets am Weltgeschehen interessiert und auch nicht immer an dem, was ich gerade wichtig finde. Doch sind sie erfolgreiche in ihren Berufen, Hobbies und sozialen Kreisen, haben Familien, erleben Glück. Dazu geführt haben viele Kompetenzen, Auseinandersetzungen und natürliche Intelligenz geführt, um die ich sie allesamt beneide. Sie haben alle eigene Interessen, wundervolle Eigenschaften und sind vor allem tolle, unersetzbare Freunde. So picke ich mir jede Freundschaft mit Ihren Vorzügen aus und nutze diese vorteilhaft: Mit dem Einen lache ich mich über primitive Witze schlapp und lästere mal, mit der Anderen diskutiere ich mit Liebe zum Detail und gehe in Museen, mit anderen wiederum teile ich unvergessliche Momente aus der Kindheit., einer spielt mir manchmal so wundervoll Gitarre vor. Dazu brauche ich nicht zwingend einen Intellektuellen. Nicht jeder von ihnen mag Wissenschaftler oder Schriftsteller sein, doch wissen Sie in ihren jeweiligen Fachgebieten mehr, als ich jemals zu wissen vermag und – sie wissen mich zu berühren. Für diese Bereicherung meines Lebens danke ich und sage: egal welchen Titel wir uns gerne selber zuschreiben würden, nichts ist so erfüllend wie das Wissen und die Wertschätzung eines jeden Freundes. – Ja, eines jeden Menschen.

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THE KING OR NOT THE KING

16. Oktober 2014 Pete Stiefel. Man KANN Burger King mögen, MUSS es aber nicht.

KEINE AHNUNG, WAS DAS BEDEUTET.

10. Oktober 2014 Reinhold Weber. Sieht aber gut aus.


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JETZT KOMMTS KNÜPPELDICKE: DIE MIT MÄCHTIG VIEL POULETMIE HERBEIGEHUNGERTE TOP5 DER KRASSESTEN HUNDE IM NETZ, DIE AUSSEHEN WIE VERDAMMT NOCHMAL LEBENSMITTEL

9. Oktober 2014 Midi Gottet. Und ja, eigentlich heisst diese Rubrik hier “Finde den motherfucking Wischmob”. Da habt ihr nämlich schon recht, ihr spitzfindigen Racker ihr. Och, ihr. Seid mir welche, ihr.

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WIE ICH FRASS, SOFF, RAUCHTE, KAUFTE – UND DABEI NACH DEM FALSCHEN GLÜCK SUCHTE 24. Oktober 2014 Jelena Keller Es gab eine Zeit, da überlastete ich regelmässig meine Kreditkarte. Ich kaufte ein, als gäbe es kein Morgen mehr. Schuhe, Taschen, Kleider, Accessoires – ich war nicht nur auf dem neusten Stand, ich hätte auch sofort einen eigenen Second Hand Laden eröffnen können. Dann das exzessive Trinken, Party machen nach jeder Arbeitswoche (oft schon bevor die Woche zu Ende war. Genau genommen am Dienstag), die Kater, ganze Samstage und Sonntage lang. Unproduktive, grässliche Tage, voller Rachen- und Kopfschmerzen, an denen man die Sonne nur durchs Fenster flimmern sah. Hauptsache ich hatte beim nächsten Mal lustige Anekdoten zu erzählen im Freundeskreis und vergass den Alltag für ein paar Stunden. Ich lebte von Wochenende zu Wochenende und bemerkte nicht, dass das wahre Leben an mir vorbeizog. Ewig der Kampf ums Schlanksein und trotzdem ewiges Überessen. Diäten, Hungern, Kuren, Tabletten, Spritzen – im ewigen Rennen gegen die Gelüste. Bist du traurig? Nimm ein wenig Kuchen. Hast du die Prüfung bestanden? Nimm ein wenig von den Donuts. Hast du heute alles satt? Nimm trotzdem ein wenig von den Spaghetti mit extra viel Käse. Wärst du nur dünner, dann wärst du bestimmt glücklich. Stress vor der Prüfung? Intravenös Red Bull mit 2,3,5, Zigis gleichzeitig, bis ich ein Sauerstoffzelt brauche. Immer mehr und mehr von allem. Fressen, Abnehmen, Saufen, Rauchen, Kaufen, Fressen, Saufen, Rauchen, Kaufen, Fressen, Abnehmen, Saufen, Kaufen – das falsche Streben nach Glück. Was passierte? Ich wurde immer unglücklicher. Bis ich irgendwann begriff, dass dieses destruktive Verhalten nur Ersatz für meine eigentlichen Sehnsüchte gewesen war. Ich hatte versucht meine inneren Defizite mit unmittelbarer Belohnung auszugleichen. Ich arbeitete gegen mich, weil ich mir unterbewusst nicht erlauben wollte, glücklich zu sein. Also drehte ich mich tagein tagaus im Kreis. Jedes Mal, wenn ich unbefriedigt da sass und die Lust, vielmehr den Zwang verspürte, einzukaufen, zu essen oder zu trinken, fragte ich mich: Wieso? Möchtest du das heute, weil du ehrlich Spass daran hast, oder weil du eine innere Leere verspürst und deshalb musst? Wonach sehnst du dich wirklich? Was befriedigt dich? Was ist dein Antrieb? Was deine Leidenschaft? Was macht dein Leben lebenswert? Welches Hobby wolltest du ewig ausüben? Dir fehlt die Zeit? Schalte den Fernseher aus. Welchen Ort wolltest du schon immer bereisen? Geh einmal weniger Shoppen und spare auf dein Ziel hin. Brauchst du Nähe und Geborgenheit? Scheue dich nicht danach zu fragen. Jede Liste, jede Erkenntnis wird individuell sein, doch eines ist bei allen sicher: Sobald du dich liebst, dir Selbstachtung schenkst, werden sich Türen öffnen. Du wirst dich vielleicht verlieben, Möglichkeiten und interessanten Menschen begegnen, Ballast abwerfen, Freundschaften knüpfen, dich von alten Freunden trennen – vor allem aber wirst du das Glück entdecken. Warte nicht darauf, dass dich jemand bereichert. Das kannst du selbst. Wichtig ist nur was dich zufrieden macht, niemals was andere denken. Groll bringt dich nicht weiter, lass ihn los und lass dich endlich glücklich sein. Eliminiere die negativen Stimmen aus deinem Kopf und aus deinem Umfeld – mache heute deine Liste mit Dingen,

die dich erfüllter und ausgeglichener machen, ohne dass du dich anstrengen musst, sie auszuüben: Mit Mutter wieder einmal Kaffee trinken gehen, barfuss im Grass sitzen, Fotografieren, Zumba, Gefühle offenbaren, regelmässig Schlafen, jeden Morgen Zeitung lesen, eine Freundin anrufen, Früchte für das ganze Büro mitnehmen. Lesen, Gitarre spielen, Fonduabend veranstalten, klar auch mal Ausgehen, klar auch mal Partyferien machen, mal eine gute Zigarre rauchen, einen teuren Whisky trinken, Berührungen, Umar-

mungen, Meditation, Sprache lernen, inspirieren lassen, einfach anrufen, Groll loslassen, in einer Hüpfburg herumspringen, gesund essen, Zeit in der Natur verbringen, jeden Abend aufschreiben wofür man dankbar ist. Fokus auf das Gute, nennt sich das. Was dich glücklich macht, spielt keine Rolle. Ein schlechtes Gewissen bekommst du vom Geniessen garantiert nicht. Von Zwängen schon. Wo Erfüllung geschieht – dort entspringen Träume.


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Ein mittagessen mit Christof MoseR Mittwoch, 6. November 2014 Von Rainer Kuhn

ja ein 90er-Kind, da war der Staat kein Feindbild, der Staat hat weggeschaut, als es die Hanfläden gab, die Streetparade kam auf, eben, Happy-Times halt, das hat sich natürlich geändert, spätestens seit wir wissen, dass wir gezielt überwacht werden musst Du heute – ob Du links bist oder rechts – auf jeden Fall Regierungskritiker sein und auf jeden Fall in die Opposition gehen, da gibt’s gar nichts anderes. Also wer heute zu mir kommt und sagt, der Staat sei der Papa, der für einen schaut ...

Das zweitletzte Interview aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt – welch Überraschung – aus der Brasserie Lipp in Zürich. Wie immer. Weil die Moules&Frites da Kult sind. Die haben wir dann auch genommen. Gegessen hab ich mit Christof Moser. Indirekt mit Gery Müller also. Aber das habe ich erfolgreich ausgeblendet. Schliesslich habe ich einen der hoffnungsvollsten Journalisten des Landes zu Tisch gebeten, und nicht einer dieser ... dann haben wir noch kurz die Ecopop-Initiative gestreift, und zum Schluss hatte ich das Gefühl, er hätte mich interviewt und nicht ich ihn, aber das passiert noch schnell, wenn man ein Interview mit einem Journi macht. Aber egal, Essen ist da.

Ja, das ist ja wohl Geschichte ... ... und das führt mich zum Wolf, ich hatte letzte Woche ein Interview mit dem Wolf, ich fands ja noch interessant, weil es ist ja eigentlich völlig egal, ob sieben FDPler die Stadt regieren oder sieben Linke oder sieben AL, es ist immer genau gleich, die Alkis werden immer vertrieben in der Bäcki und soweiter, es ändert sich ja nicht wirklich etwas, und das wollte ich von ihm wissen, was er eigentlich in diese Regierung einbringe, was denn nun eingentlich anders sei.

Christof: ... wenn wir jetzt noch schnell Ecopop fertig machen, da waren die 90er, happy times, die Geschichte war zu Ende, alles war gut, dann kam 9/11 und die ganze Welt wurde neu schattiert ... die Leute die ich kenne, die jetzt da für diese Initiative sind, Linke ...

Und was sagt er? Das ist ja das, was Du vorhin gesagt hast, dass die Politiker sich in das System einfügen, sie haben ja gar keine andere Möglichkeit. Jetzt kann man sagen, dass sei positiv, weil es letztlich alle auf eine ähnliche Handlungsebene einschwört ...

Rainer: Linke sind für Ecopop? Wieso? Ja so "Antiwachstum" oder "Der Wirtschafts mal eins reinbrennen" oder so, aber ich mein, diese Leute, das sind alles junge Leute, die hatten die 80er, 90er, es ging immer nur aufwärts, und jetzt in diesem Wohlstand steckenbleiben in den Vororten und denken, dass jetzt alles anders laufen müsse und man stoppen müsse, das geht mir schon auf den Sack. Schliesslich ist es unsere Generation, die in die Zukunft gehen muss ... ... ja das hör ich immer wieder, aber die ältere Generation hat auch eine Zukunft,, die ist vielleicht nicht mehr so lang, aber trotzdem, sie wird stattfinden. Man ruft immer so schnell nach den Jungen, dabei machen die Jungen einfach die gleichen Fehler wie die Alten nochmals, einfach anders. Das ist ja eins der grossen Probleme des Journalismus, dass die alten Kämpen nicht mehr dabei sind, die wurden alle ausrangiert, weil sie zu teuer waren, und jetzt sind die ganzen Newsrooms voll von ... ... nur schon, dass es Newsrooms überhaupt gibt, ist eine Bankrotterklärung. Gut, davon kommt man bereits wieder weg, nachdem man für Millionen welche eingerichtet hat. Ich mein, da streitet man hier unten immer links gegen rechts und rechts gegen links, ich sag immer, hört auf mit diesem Scheiss, das Problem ist nicht links oder rechts, das Problem ist, das heute die Regierung, die Medien und die Konzerne auf der einen Seite stehen und das Volk auf der anderen. Die Medien sind nicht mehr die Kraft, die die Regierung kontrolliert. Kopp hatte ihrem Mann telefoniert und musste gehen. Der amerikanische Präsident hat die Welt angelogen und in einen Krieg gestürzt und es passierte nichts. Da fragt man sich schon, wieso man seine Parkbusse bezahlen soll, wenn man nicht mal mehr für einen Krieg zur Verantwortung gezogen wird.

Was ist daran denn positiv? Stabilität. Wenn Du dieses System gut findest, dann ist Stabilität einer der grössten Werte. Vielleicht geht’s der Schweiz drum ja so gut, weil wir ein so stabiles System haben, weil wir nicht Regierung und Opposition im klassischen Sinn haben, die alle vier Jahre wechseln.

Die Frage ist doch, was der Grund dafür ist, dass die Medien ihre Rollen nicht mehr wahrnehmen können. Ich hab das ja selber erlebt als Bundeshausjournalist, wie in den letzten zwölf Jahren in der Bundesverwaltung diese PR-Strukturen hochgezogen wurden. Ich kann heute nicht mehr mit einem Bundesrat am Rande der Arena ein paar Worte wechseln, da ist sofort ein PR-Mann oder eine PR-Frau da und drängt einen weg. Das ist auch eine Entfremdung, man kann kaum mehr mit ihnen in Dialog treten, ich mein, was macht ein Journi? Er stellt Fragen, oder? Ich finde sowieso, dass die Politik völlig überschätzt wird. Ich würde nie ein Interview mit einem Politiker machen wollen, was will der denn schon erzählen? Ich hab Dir ja erzählt, ich arbeite 50%, das heisst, ich versuche also dem, was wir jetzt die ganze Zeit diskutiert haben, dem konventionellen Journalismus, dieser News-Getriebenheit, dem Wandel zur industriellen Herstellung, dass ich mich zu 50% aus diesem System herausnehme, um meine eigenen Sachen zu machen.

Könntest ja auch einfach halbtags arbeiten. Nur am Morgen oder so. Nein, ich mach’s am Stück, weil wenn ich mich dann in eine andere Geschichte hineinbegebe, also zum Beispiel die Istanbul-Szene anschauen gehe, sie mit der Schweiz vergleiche, was läuft da anders, zum Beispiel die ganze Gezi-Park-Sache, das sind sehr ähnliche Themen, die wir hier auch haben. Natürlich kommt dort der Erdogan mit seiner streng islamischen Haltung, wo die Leute kein Bier

Das ist ja eins der grossen Probleme des Journalismus, dass die alten Kämpen nicht mehr dabei sind, die wurden alle ausrangiert, weil sie zu teuer waren, und jetzt sind die ganzen Newsrooms voll von ... mehr kaufen können Abends, wo Clubs zugemacht werden, aber es hat daneben hat es einen ganz klassischen An-

teil wie hier auch, also zum Beispiel die Kommerzialisierung, das Wegbrennen der Subkultur, das sind sehr ähnliche Mechanismen, und um mir das anzuschauen bin ich dann zwei Wochen lang dort in dieser Szene, treffe Leute, bin unterwegs, auch im Nachtleben, spüre, was die Leute spüren, und dann schreibe ich darüber, das ist eigentlich meine Art von Journalismus, das liebe ich. Und die anderen zwei Wochen arbeitest Du, um die Miete bezahlen zu können. Ja. Und die Geschichte aus Istanbul, die publizierst Du dann auch? Ja, das war jetzt grad die Titelgeschichte vom Surprise. Du verschenkst sie also. Ja fast, für fünhundert Stutz. „Und plötzlich sind wir Feinde“ war der Titel. Die Jungen merken ja plötzlich – und das hat auch mit dem Überwachungsstaat zu tun, das haben wir hier ja auch ... Das wollte ich vorhin ja noch sagen, ich bin

Ist jetzt aber ein bisschen schöngeistig, oder? Weil wir ein stabiles System haben, geht es uns gut? Ich sage, es geht uns gut, weil wir einen zweiten Weltkrieg hatten und alle ihre Kohle hier in Sicherheit gebracht haben und wir uns danach aufs Bankgeheimnis berufen haben und die Kohle nicht mehr rausgerückt haben. Nicht dass Du mich jetzt falsch verstehst, ich finde das System nicht per se gut. Ich hab bloss gesagt, dass man es durchaus als Vorteil ansehen kann, dass man einen Linken in die Regierung wählen kann und es kommt am Schluss mittelmässiger Durchschnitt raus, und dass man einen Rechten in die Regierung wählen kann und es kommt am Schluss mittelmässiger Durchschnitt raus. Das kann ein Vorteil sein, dass es alles ein bisschen einmittet. Das ist ja das interessante daran, dass man das als positiv beurteilt. Eigentlich ist es ja völlig gegen die Natur, oder gegen den Menschen, der diese emotionale Bandbreite halt hat und diese auch leben will. Dieser konstante mittelmässige Durchschschnittsscheiss tötet die ganze Leidenschaft ab. Politik in der Schweiz ist so was wie Ritalin, da gibt’s keine Hochs und keine Tiefs, nichts, wo man sich ein bisschen spürt. Vernunft ist der Feind der Lebensfreude. Ja, ok ...


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... dass man es durchaus als Vorteil ansehen kann, dass man einen Linken in die Regierung wählen kann und es kommt am Schluss mittelmässiger Durchschnitt raus, und dass man einen Rechten in die Regierung wählen kann und es kommt am Schluss mittelmässiger Durchschnitt raus. Das kann ein Vorteil sein, dass es alles ein bisschen einmittet. Oder die Amis, die den Terrorismus ausmerzen wollen, wie sie sagen, aber das geht ja schon per Definition nicht, und dann wollen sie jeden einzelnen überwachen, am Flughafen jeden durchleuchten und scannen ... und was ist die Folge? Damit sie ein paar wenige fangen können, müssen sich Millionen freie Menschen täglich ficken lassen. Da komm ich dann irgendwann an einen Punkt wo ich sage, ok, wegen mir müsst ihr das nicht machen, ich lebe lieber mit dem Risiko, ich will lieber wieder die Freiheit spüren. Wenn Freiheit der Preis für Sicherheit ist, dann leb ich lieber mit dieser Unsicherheit. Ja das ist aber so, Sicherheit kriegst Du nur zum Preis von Freiheit, Aber Du bist wahrscheinlich auch ein relativ angstfreier Mensch ...

... genau ... Ich glaube, es sind mehr. Es sind mindestens fünftausend ... ... aber ich glaube, es gibt doch immer wieder so viele Unwegbarkeiten und Zufälligkeiten, es gibt immer wieder von Fall zu Fall Leute, die davon profitieren, natürlich gibt es ein Herrschaftssystem, es gibt ein Bankensystem, es gibt die Börse, es gibt diese Firmen ... ... die Frage ist doch aber, ob diese Systeme zusammenhängen, oder in einem grösseren System aufgehen ...

eben nicht wie die offizielle Version. Ich meine, dass die NATO eine kriegstreiberische Gesellschaft ist, jetzt zum Beispiel in der Ukraine zwischen Europa und Russland, das ist keine Verschwörungstheorie, dass siehst Du an ihren Äusserungen, das siehst Du an ihren Forderungen. Ist doch auch so eine komische Geschichte. Der Flieger in der Luft explodiert und am Boden neue Pässe und unversehrte Koffer und so ... solche Sachen krieg ich einfach nicht zusammen, und dann der Flugschreiber, der von den Engländern und den Holländern ausgewertet worden sei, und deren Ergebnisse bis heute nicht veröffentlicht wurden, das möchte man doch schon erklärt bekommen, vor allem, wenn vorher mit Kriegsgedanken gespielt wurde ... Ich mein, die Chance, dass da irgendwelche Mächte Interessen verfolgen, in einer Dimension, die wir gar nicht nachvollziehen können, ist doch relativ gross. Ja, schon, aber ich habe zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass sobald ein paar Leute zusammensitzen und eine Idee aushecken, dass es dann immer irgendwo eine undichte Stelle gibt. Für

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es war ein Journi, der aufgrund öffentlich einsehbaren Kameras und Bilder nachvollziehen konnte, wo die Rakete herumgefahren wurde. Der hatte genug technisches Verständnis, um diese neuen Möglichkeiten auch zu nutzen und einzusetzen. Und dann gibt’s ja immer welche, die diese technischen Möglichkeiten noch besser verstehen, weil sie sie ja gebaut, gekauft und betrieben haben. Also wenn wir jetzt an diesem Punkt sind, können wir sagen: Wir wissen nichts, möglicherweise ist sehr viel gefaked und wir können nichts dagegen tun. Dann wäre ja der Journalismus überflüssig ... ... der News-Journalismus auf jeden Fall, ja ... ... aber was macht man dann damit? Dann gibt’s ja nur noch den Rückzug zu sich selber. Und alles, was man sich Gedanken verschwendet ans System und wie man es ändern könnte, ist völlig für die Füchse. Das wär dann so die Grundstimmung.

... nicht unbedingt, die Regierungen machen mir eigentlich fast mehr Angst als die schon fast homöopatische Wahrscheinlichkeit, dass ich hier am Bellevue in die Luft gesprengt werde ...

Kann ich ja nicht, ich weiss ja nicht, wers ist. Der Staat versucht das ja herauszufinden.

Ja, schon, aber ich habe zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass sobald ein paar Leute zusammensitzen und eine Idee aushecken, dass es dann immer irgendwo eine undichte Stelle gibt. Da bin ich Deiner Meinung. Angst ist ein Herrschaftsinstrument. Wenn Du als Regierung Deine Bevölkerung im Griff haben willst, dann musst Du Angst streuen ...

... die Frage ist mehr, wie bewusst sie zusammenhängen. Das Wort Verschwörungstheorie hat ja grad zwei schwierige Wörter in sich. Verschwörung ... ... und Theorie, ja ... ... Verschwörung ist ja eher so etwas Organisiertes, das andere ist Theorie, also nicht praxiserprobt, also stimmt es wahrscheinlich auch nicht. Für mich ist wirklich entscheidend: Spielen diese Systeme zusammen? Dass Entwicklungen im Gang sind, ist offensichtlich, dass Sachen laufen, deren offziellen Erklärungen nicht zusammenstimmen, ist für jeden sichtbar. Ob Elvis noch lebt, oder ob die Mondlandung stattgefunden hat, ist mir scheissegal, aber zwing mich nicht, die offizielle Version von 9/11 zu glauben. Jeder, der sich ein bisschen darum kümmert, kommt zum Schluss, dass die offizielle Version nicht stimmen kann. Und bevor mich interessiert, was da eigentlich wirklich abgelaufen ist, interessiert es mich, wieso die Regierungen eine solche Version der Ereignisse verbreiten und die auftauchenden Fragen dazu nicht beantworten oder die Fragesteller lächerlich machen oder aber als Staatsfeinde behandeln.

Du bist ja ein Verschwörungstheoretiker! Nein, das ist doch keine Verschwörungstheorie. Ich finde es nur dann schwierig, ich mein, ich glaube nicht, dass die Welt von fünf Leuten gesteuert wird ... ... und am Schluss immer der Rotschild schuld ist ...

Kürzlich kam im Gainsbourg eine zu mir und meinte, sie interessiere sich eigentlich nur für sich. Und ich dachte, ist das jetzt etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Ich fand diese Ausage auf jeden Fall wahnsinnig ehrlich. Aber sie hat mich auch ein bisschen schockiert. Ich glaube schon, dass es eine höhere Ebene braucht, wo man sich zusammen seine Gedanken macht ... Kämmerlein und denkt, er sei ja selber schuld, und macht nichts, weil er glaubt, er bringe es einfach nicht. Das ist die eine Seite. Das andere ist, die Individualisierung – wie gesagt, ich bin ein Kind der 90er, ich liebte das, die Freiheit, ich kann mich selber entfalten – aber am Schluss, ich meine, die „Pimperleins“ mit denen die Leute sich zum Teil beschäftigen, rund um die Uhr nur irgendwelchen Bullshit, das kann auch krank machen, das "in sich selber ertrinken" ...

Du lebst also mit dem Risiko, dass irgendein durchgeknallter ... Du willst ihn also nicht präventiv vernichten ...

Mit welchem Erfolg? Dass jeder, der etwas dunkelhäutiger ist und einen langen Bart hat, schräg angeschaut wird? Oder wenn einer nur schon ein bisschen Fieber hat, dann ist er ein möglicher an Ebola Erkrankter und kommt in Quarantäne ... da gibt’s Plätze auf der Welt, wo die Leute mittlerweile glauben, dass wenn sie nur schon einen Schwarzen im Fernsehen sehen, sie am nächsten Tag von der Seuche hingerafft oder ihnen die Köpfe abgeschnitten werden. Das ist doch krank. Das hat nichts mehr mit verantwortungsvollem Handeln der Regierungen gegenüber dem Volk zu tun. Das ist das genaue Gegenteil. Das ist auch mein Vorwurf an die klassischen Medien. Sie sind zu reinen Angstschleudern verkommen. News sind nichts anderes als Munition für diese Angstschleudern.

Wir sind ja auch eher beim individualistischen Gedanken, der andere Bereiche auslöscht, diese neoliberale Idee, dass im Grunde jeder selber schuld an seiner Situation sei, was ja auch nicht richtig ist, weil man keinen Systemgedanken mehr hat, da geht dann keiner mehr auf die Strasse und sagt, dass sich etwas ändern muss, da sitzt jeder zuhause im

Aber das ist keine Verschwörungstheorie. Du sagst, dass Du die offizielle Version nicht stimmt. Du sagst nicht, dass der Chenney und der Bush im Zimmerchen gesessen sind und blablabla ... da fängts nämlich an, zur Verschwörungstheorie zu werden, wenn man der ofiziellen Version eine konkrete Theorie gegenüberstellt, die genauso schlüssig ist oder

mich ist es darum nicht vorstellbar, dass eine Mondlandung gefaked ist. Ich sage nicht, dass es nicht so sei ... Das ist dann immer der Killersatz. Dass es doch immer irgendwie rauskommen würde. Und genau drum kommts eben nicht raus. Weils gar niemand wissen will. Wir sind hier in der Schweiz, wo alles so stabil ist, da will man sich solche Sachen gar nicht vorstellen, wenn man nicht muss. Dann würdest Du also sagen, dass die Medien insgesamt so kontrolliert sind, dass sie diesen Fragen gar nicht nachgehen wollen, gar nichts aufdecken wollen ... ... das kann ich so nicht absolut sagen. Das wär ja dann die Logik. Wenn ich verfolgt habe, was seit dem Flugzeugabsturz in der Ukraine im April bis heute zu diesem Thema in den grossen westlichen Medien unisono abgegangen ist, dann komm ich halt unweigerlich auf diese Idee. Reisserische, hässliche, unrecherchierte, unreflektierte Artikel und Reportagen in Wort und Bild, das hat doch nichts mehr zu tun mit einem unabhängigen und kritisch denkendem Journalismus. Man hat sich vom ersten Tag auf eine Version eingeschossen und nie überlegt, ob es noch andere Versionen geben könnte. Und auch hier interessiert mich als erstes die Frage „Wieso?“. Es hat da eine sehr beindruckende journalistische Leistung gegeben, ich weiss nicht mehr wo ich das gelesen habe,

Manchmal komme ich auf diesen Schluss ja. Man gilt dann zwar als Ignorant, aber wenn jeder wieder mehr für und auf sich schauen würde ... dann könnte einer kommen, dem es nicht so gut geht und Du hast die Kraft und die Energie, ihm zu helfen. Aber wenn Du an all dem Scheiss, der da erzählt wird auch noch teilnimmst, dann regt dich der am Ende des Tages nur noch auf und Du hilfst ihm nicht. Hast ja auch keine Zeit mehr, hast ja an all dem Scheiss der da erzählt wird, teilgenommen. Kürzlich kam im Gainsbourg eine zu mir und meinte, sie interessiere sich eigentlich nur für sich. Und ich dachte, ist das jetzt etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Ich fand diese Ausage auf jeden Fall wahnsinnig ehrlich. Aber sie hat mich auch ein bisschen schockiert. Ich glaube schon, dass es eine höhere Ebene braucht, wo man sich zusammen seine Gedanken macht ... Ich glaube, das macht nur Sinn, wenn Du diese Sachen dann auch mit Dir verknüpfst. Das ist ja dann auch das einzige, was Du beurteilen kannst, wie es auf Dich wirkt, wie die Ereignisse auf Dich wirken, die Leute, und was Du damit machst, das ist doch am Schluss das Entscheidende. So ist es glaub nichts Falsches, wenn sie sagt, sie interessiere sich nur für sich. Aber es ist gesellschaftlich nicht chic, man nennt das „egoistisch“ und das Wort ist negativ aufgeladen. Kürzlich war da doch die Frage, ob man jemanden töten würde, um selber zu überleben, und die Mehrheit meinte „ja“, und dann hiess es, wir seien eine Gesellschaft von Egoisten.

Ich glaube manchmal, man muss auch nicht immer die Welt retten, früher wollte ich immer die Welt retten, das will ich zwar heute noch, aber manchmal denke ich, hör doch auf mit dem Scheiss, Rainer, die Welt musst Du nicht retten, die Welt wird auch in Millionen von Jahren irgendwo durch den Weltraum fliegen, das muss man nicht retten, lass die Leute doch machen, was sie machen, manchmal kommts halt so raus, manchmal anders. Die Idee, die ganze Menschheit in eine einzige Denk- und Lebensform zu zwingen, all diese Individuen zu normieren ... das ist so wie wenn ein Päärchen sagt, dass sie überhaupt nicht zusammen passen, weil sie nichts gemeinsam hätten. Sie könnten auch sagen, dass sie perfekt zusammenpassen, weil der andere alles das ist und hat, was man selber nicht ist und hat ... man kann das auch als Erweiterung sehen und nicht als Einengung. Wir sollten vielleicht weniger an den Gemeinsamkeiten, dafür mehr an den Unterschieden Freude haben. Wir werden durch Social-Media auch ein bisschen da hineingedrängt, am Schluss bist Du mit den gleichen fünfzehn Meinungen, die Du eh schon kennst, und wo Du die ganze Härte spürst, wenn Du mal eine andere Meinung hast.


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November 2014

DIE EIERKRATZENDE FLATRATESAU 14. Oktober 2014 Pete Stiefel Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage: Ich bin ein Streamer. Will heissen: Ich besitze ein Netflix-Abo und einen Spotify Premium-Account. Man darf mich jetzt steinigen. Ganz zu schweigen von den Brunch Buffets, an denen man sich zum Fixpreis den Bauch vollschlagen kann. Die mag ich auch. Und ich kenne zudem die Tricks und Kniffs, die es anzuwenden gilt, wenn man den Preis auch wirklich rausschlagen will (Fragen beantworte ich gerne im Anschluss an dieses Referat). Ausser im Dolder Grand, wo man nach dem 2 1/2 Stunden dauernden Zmorgezmittag auch noch das Besteck einpacken muss, damit sich die 100 Franken Investition für Erwachsene lohnt (50.- für Kinder unter 12 Jahren). Ich korrigiere: Einpacken MÜSSTE, damit es sich lohnen WÜRDE. Ich habe in diesem Luxustempel noch nie etwas geklaut. Allerdings fühlt man sich tatsächlich wie ein Räuber, wenn man sich öffentlich outet, von Pauschalarrangements Gebrauch zu machen. Okay, das tönt jetzt etwas altbacken. Aber die Flatrate ist eben keine Erfindung der Neuzeit. Neu ist lediglich, dass man nicht mehr nur im Hotel einen Preis bezahlt und dafür nebst Bett alle Mahlzeiten erhält, sondern an vielen anderen Orten des täglichen Bedarfs einmal bezahlt und dann so viel bekommt, wie man will. Respektive KANN. Gerade im Flate Rate Puff hat sichs nämlich sehr schnell mal ausgepufft. Kaum einer kann mehr als einmal, wenn überhaupt. Das liegt in der Natur der schönsten Nebensache. Deshalb lohnt sich ja dieses Geschäftsmodell ja, auch andernorts. Ich kann jeweils nur ein Lied hören oder einen Film schauen, und dies auch bloss 24 Stunden pro Tag. Allerdings meist eher weniger, da ich auch noch anderen Nebenbeschäftigungen nachgehe nebst dem Streamen. Das Leben immer teurer, und am Ende des Monats bleibt immer weniger in der Geldbörse übrig. Logisch, dass man da gerne weiss, was es für einen bezahlten Preis gibt. Ohne Netz und doppelten Boden, ohne böse Überraschungen und Nachforderungen mit Zins und Zinseszins. Eine Monatsrechnung fürs Handy und dafür telefonieren können, ohne die Minuten zu zählen. Ein ÖVMonatsabonnement kaufen, anstatt auf

halber Strecke stehen zu bleiben, weil die Moneten ausgegangen sind. Eine Wochenkarte für ein ganzes Skigebiet statt Lochkarte… Et cetera, et cetera. Nebst der Musikanten- und der Filmgilde jammert seit neuestem auch noch die Buchbranche. Dies, nachdem Amazon zur Frankfurter Buchmesse eine E-Book-Flatrate angekündigt hat. Für 9.99 Euro pro Monat Zugang zu einer Auswahl Bücher – was für eine Sauerei! Was für eine Sauerei? Ich erinnere mich an eine Flatrate, von der ich vor über dreissig Jahren schon à discrétion profitiert habe: Für einen Franken pro Monat Tummult auf der Kyburg, Das Fliegende Klassenzimmer, Die Drei ??? und vieles mehr – so viel ich lesen konnte, aus der städtischen Bibliothek. Weshalb denn jetzt plötzlich diese Aufregung? Nein, hier handelt es sich nicht um eine abschliessenden Auseinandersetzung mit der ‚All you can eat’-Thematik, sondern um eine emotionale Bestandesaufnahme aus der Sicht eines Konsumenten. Ja, auch den gibt es noch in der Nahrungskette, und er ist ein nicht unrelevantes Glied davon. Wir befinden uns mitten in der technischen Evolution, bei der die Zahnräder immer schneller drehen. Wer nicht mit der Zeit geht,

der geht mit der Zeit. Und wenn ich an dieser Stelle noch Charles Darwin (1809 – 1882) zitieren darf: “Nicht die Stärksten überleben oder die Intelligentesten, sondern die am meisten bereit zum Wandel sind.” P.S.: Flatrates gibts übrigens auch zum Nulltarif, und an jeder Strassenecke. Einmal lächeln beispielsweise ergibt rundherum gute Laune; eine gute Tat führt zu gehobener Stimmung und Anstand und Fairness zu gesteigerter Lebensqualität. Einfach probehalber mal anwenden und nicht erstaunt sein, wenn massenhaft davon retour kommt. P.S. 2: Eierkratzende Flatratesau? Eine Anlehnung an die „Eierlegende Wollmilchsau (auch eierlegendes Woll(milch)schwein) ist eine umgangssprachliche Redewendung, mit der etwas (eine Sache, Person oder Problemlösung) umschrieben wird, das „nur Vorteile bringt, alle Bedürfnisse befriedigt, allen Ansprüchen genügt“. Die Redensart benutzt zur Beschreibung dieser Eigenschaft das Bild eines Nutztiers (Hybridwesen), das Eigenschaften von Huhn (Eier legen), Schaf (Wolle liefern), Kuh (Milch geben) und Schwein (Fleisch) in sich vereint. (Quelle: Wikipedia)“

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INTERVIEW: NORTHCOTE

13. Oktober 2014 Dominik Hug Es war einer dieser seltenen Momente. Du hörst einen Musiker zum ersten Mal und schon vom ersten Ton weg bist du fasziniert von der Erscheinung auf der Bühne und bist wie verzaubert von seinen Texten und seiner Stimme. Matt Goud (Künstlername Northcote) ist einer der Gänsehaut auslösen kann. Einer, der vom einfachen Leben singt, vom Arbeiter, seinen Träumen und von den Fragen des Lebens. Ich hatte das Vergnügen ihm einige Fragen stellen zu dürfen. KULT: Matt, wo bist du momentan? Northcote: Auf dem Rücksits des Vans, zusammen mit Austin Lucas, Jon Snodgrass, Jake Orvis, Anna und Sally. Wir sind auf dem Weg zu unserem Konzert in Boston und momentan in der Nähe von New York City. KULT: Für die Leser, die noch nicht wissen wer Northcote ist, wer bist du denn? Northcote: Mein Name ist Matt Goud. Ich bin ein tourender Songwriter aus Saskatchewan Kanada. Jetzt lebe ich jedoch in Vancouver Island an der Westküste Kanadas. KULT: Welche Musiker hatten den grössten Einfluss auf deine Musik? Northcote: Neil Young, Chuck Ragan und Sheryl Crow. KULT: Kannst du uns dein Tourleben ein wenig beschreiben? An was für Orten übernachtest du so? Northcote: Jede Tour ist einzigartig und benötigt unterschiedliche Planung. An einigen Touren reise ich zusammen mit der Northcote-Band in meinem Van, hin und wieder bin ich auch in meinem Zweisitzer solo unterwegs. In Europa bevorzugen wir Zugreisen. Wir schlafen in Hotels, Herbergen, im Van oder auch bei engen Freunden. KULT: Habt ihr überhaupt Zeit die Städte in denen ihr spielt ein wenig abzuchecken? Northcote: Ja. Wir haben oft einige Stunden zwischen Soundcheck und Türöffnung. Dann gehen wir normalerweise einen Happen Essen, dösen ein

wenig, duschen oder schauen uns die Nachbarschaft der jeweiligen Locations an. Etwa einmal die Woche machen wir etwas spezielles, schauen uns ein Baseballspiel an, gehen ins Museum, besuchen eine Touristenattraktion oder fahren mit dem Zug in eine andere Ortschaft und gehen essen oder mal wieder was trinken. KULT: Organisierst du deine Tour selbst oder hast du ein Management, welches diese Dinge für dich erledigt? Northcote: Ich habe Menschen in verschiedenen Städten, die ich anweise meine Tour für mich zu buchen. Mein Manager lebt in Toronto und hilft mit mich zu organisieren. Wir sind fast täglich in Kontakt um sicherzustellen, dass wir den bestmöglichen Job machen. KULT: Du bist verheiratet. Begleitet dich deine Frau während du auf Tour bist? Northcote: Gelegentlich. Sie versucht an Wochenenden oft bei mir zu sein. Es kommt bei ihr auf die Arbeit an, denn sie arbeitet an einer sehr aufregenden Karriere. KULT: Du spielst immer mal wieder mit Dave Hause. Seid ihr zwei wirklich Freunde oder einfach zwei Musiker, die sich gegenseitig respektieren? Northcote: Dave ist ein enger Freund. Wir traffen uns auf einer Tour im Frühjahr 2010 kurz nachdem wir beide unsere Solokarrieren gestartet haben. Sollte Dave mich bitten in einen Pool voller verdorbener Milch zu springen, ich würde es tun. KULT: Wenn du die Chance hättest ein Konzert mit einem Künstler deiner Wahl zu spielen, wen würdest du aussuchen? Northcote: Craig Finn KULT: Im Dezember bist du wieder zurück in der Schweiz. Hast du bereits ein neues Album in der Pipeline? Northcote: Ja, wir haben das kommende Album mit Freunden im September 2014 in Vancouver aufgenommen. Im Frühjahr 2015 soll es erscheinen Northcote könnt ihr am 4. Dezember 2014 in der Bar Rossi in Zürich sehen. Tickets gibts HIER.


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November 2014

Seite sechszehn

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November 2014

ES HERBSTET

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FINDE DEN BATMAN

23. Oktober 2014 Midi Gottet. Wer ihn findet, kriegt eine halbe Kiwi. Guti guti, feini feini.

23. Oktober 2014 Yonni Meyer Es herbstet, meine Lieben, aber nicht nur draussen, sondern auch bei mir. Gestern unterhielt ich mich schriftlich mit einem Liker, der aus derselben Region kommt wie ich – und da kommt man natürlich auf eventuelle gemeinsame Lehrer zu sprechen. Es folgte „Ich kenne leider keine Lehrer aus deiner Zeit“. Aus DEINER Zeit. Zagg, mitten in die Fresse. Aber er hat Recht: Die Matur machte ich vor 12 Jahren, damals war ich 20. Als ich kürzlich mit einem Gspähnli aus Spielgruppen-Tagen durch Schottland düste, fanden wir heraus, dass wir uns fast 30 Jahre kennen. 30. DRÄISSIG! Eine Zahl, die sonst eigentlich nur die Eltern in den Mund nehmen, wenn sie von Ruedi oder Werni erzählen, mit dem sie damals mit dem VW Bus nach Afghanistan gefahren sind. Genauso eine Realitätskeule in die Visage ist es, wenn man im H&M gesiezt wird. Ich versuche immer wieder, die Verkäuferinnen zum Du zu zwingen, indem ich mich hinstelle und mit viel zu hoher, süsslicher Stimme „Ho-ooooi“ sage. Aber nein. Es folgt das obligate „Grüezi“ und im Anschluss ein sehr anständiges „Adiä“. Kürzlich war ich am Samstag sogar in meinem türkis Regenbogen-Sternli-Shirt unterwegs und beim Türken an der Ecke sagte der Verkäufer Grüezi zu

mir. Langstrasse. Türkenlädeli. Regenbogenshirt. GRÜEZI. Ich persönlich bin der Meinung, dass ich in diesem Shirt aussehe wie 12. Gerade deshalb war das ein sehr trauriger Moment für mich und das kleine, sommerbesprosste Meitli in meinem Kopf weinte sehr bitterlich. Nebst diesen objektiven Tatsachen macht sich mein fortschreitendes Alter aber auch in meinem Verhalten bemerkbar. Der Ausgang besteht heute aus gutem Essen, ein paar Drinks, wenn’s hoch kommt ein bisschen Tanzen und dann aus gaaaaaanz viel Schlaf (mit Schlafmaske und Ohropax). Clubs meide ich vehement, weil ich erstens mittlerweile gerne mit den Menschen, die mich begleiten, reden und sie auch verstehen möchte und weil zweitens ein eventueller Kater heute in etwa zwei – sehr elende – Tage dauert, mich aussehen lässt wie 60 und meinen Schädel in ein kleineres Kriegsgebiet verwandelt. Ich reise auch nicht mehr mit dem Rucksack und penne bei irgendwelchen Leuten, die ich gerade kennengelernt habe, auf dem Boden. Stattdessen müssen es schon 4 Sterne sein – inkl. Mahi-Mahi auf einem Bett aus karibischem Seeigelwurzelgemüse und einem Schaum aus Kaviar-Trüffel-EinhornMilch. Früher: Fischstäbli mit Ketchup. Easystyle.

Mein Make-Up kaufe ich mittlerweile bei Clarins und verzichte damit auf Billig-Make-Up, das womöglich an Hobbitbabys getestet wurde. Kurzer Exkurs: Kürzlich war ich mal wieder bei Frau Clarins in der Beratung und diese schaute mich an und sagte: „Erstuunlich, Sie sind liicheblass, chönd aber trotzdem Sänfgääl träge. Das chönd suscht nur Lüt, wo wenigstes es bitzli bruun chön werde.“ DINI MUETER CHAN BRUUN WERDE! Memo to me: Zu Lancôme wechseln. Frau Clarins darüber informieren. Hämisch lachen. So haben sich denn in den letzten Jahren viele Dinge in meinem Leben verändert – ganz langsam und leise, ohne dass ich es wirklich wahrgenommen hätte. Noch bin ich von grauen Haaren und Falten (naja, weitestgehend, aber Lachfalten sind ja charmant, nöd wahr) verschont. Noch trinke ich lieber Migros Ice Tea als Earl Grey. Noch diskutiere ich mit meinen Freunden lieber über die Konsistenz von Elefantenkacke als über die 3. Säule. Das wird sich irgendwann alles noch ändern, aber auch wenn dem so ist, wird da immer dieses kleine, sommerbesprosste Mädchen in meinem Kopf sein, das lustig giggelnd Gummitwist macht. In diesem Sinne: auf das Alter!

MUSS MAN NICHT HABEN: EXFREUNDINNEN, DIE EINFACH NICHT LOSLASSEN KÖNNEN

22. Oktober 2014 Midi Gottet. “Tyler, ruf mich sofort an! Die Kinder haben das Spiel am TV gesehen und stellen Fragen.”

STÖCK, WYYS, STICH!

23. Oktober 2014 Pete Stiefel Kaum zu glauben: Junge jassen! Und dafür ist nicht etwa Roman Kilchsberger verantwortlich, indem er wie die alte Fasnacht von Ortschaft zu Ortschaft tingelt und vor laufender SRF Kamera den Schieber zelebriert – nein, es ist eine Handvoll Zürcher und eine Zürcherin, welche zweimal im Jahr zum «Zürcher Jass-Derby» einladen. Letzten Samstagnachmittag bereits zum 16. Mal, ich mitten drin. Doch alles der Reihe nach. Wir schreiben das Jahr 2011, den 30. April. An besagtem Samstagvormittag erhalte ich von meiner Freundin Diana eine WhatsApp Nachricht: „Heute Jassturnier. Mein Gspänli hat jedoch Migräne. Sponti Zeit am Nami?“ Hatte ich. Migräne wird also nicht bloss als Keine-Lust-Auf-Sex-Ausrede verwendet, sondern auch als Alibi, um nicht an einem miefigen Jassturnier teilnehmen zu müssen. Nun gut. Ich finde es ja eigentlich begrüssenswert, wenn junge Leute, anstatt auf der Strasse rumzuhängen und Drogen zu konsumieren, etwas Rustikales tun: Beispielsweise im Johanniter hocken und Bier trinken. Und jassen. Im Johanniter im Zürcher Niederdorf angekommen stelle ich fest, dass sich dieses vermeintlich verstaubte Jassturnier als eine überaus spassige Angelegenheit erweist: Lauter ausgelassene, fröhliche Menschen, vereint in einem Gemeinschaftssinn, der ansteckt… So stelle ich mir eine ICF-Veranstaltung vor. Mit dem Unterschied, dass in dieser heiteren Runde keinem Gott gehuldigt wird (wenn, dann Jass-Gott Göpf Egg), sondern man in bierseliger Laune einer gemeinsamen Leidenschaft fröhnt: Dem Jasssport. So muss es sich

angefühlt haben, irgendwann im Jahre 2006, als der künftge Vorstand mit Regula Scheidegger, Daniel Strässle, Oli Niederer, Melvin Steiner, Jodok Ludwig und Mark Winiger rund um einen Jassteppich sitzend beschlossen hatte, dieses Derby ins Leben zu rufen. Inspiriert von einer ähnlichen Veranstaltung die im Kaufleuten, bei Handörgelimusik und Kafi Lutz ein, zweimal stattfand. Den Szene-Event im Kaufleuten gibts längst nicht mehr, das Zürcher Jass-Derby hingegen sehr, heuer im achten Jahr. Meine Jasspartnerin habe ich mittlerweile gegen einen neuen Partner ausgetauscht, Mein Ex-Gspänli hat nun ihrerseits halbjährlich eine Ausrede parat, um nicht mit von der Partie sein zu müssen. Nicht die einzige einschneidende Veränderung im Laufe der Zeit: Aus Platzgründen ist man mittlerweile in den einen Steinwurf entfernten Weissen Wind disloziert – dem Ort, an dem sich üblicherweise Guy Landolt und Peach Weber die Klinke in die Hand geben und ihr Publikum bespassen. Lustig gings indessen auch am vergangenen Samstag wieder zu und her, ganz ohne professionellen Clowns. Trotzdem kaum ein Tisch der mittlerweile über 160 Teilnehmenden, an dem nicht pausenlos schallendes Gelächter ertönt. Die Gründe für die heiteren Momente mögen mannigfaltig sein, als Basis haben sie alle das Eine: Die ungebremste Faszination am traditionsreichen Kartenspiel. Ohne Mief – dafür mit Bier. Viel Bier. Von wegen: „Bei den Jungen ist Hopfen und Malz verloren!“ Das 17. Jass-Derby findet am 28. Februar 2015 statt. www.jassderby.ch


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November 2014

TRASHGEDICHT

7. Oktober 2014 Jelena Keller Für Mädchen. Zum Ausdrucken und Ausschneiden. Ich will dich küssen müssen, mir jeden Tag mit deiner feuchten Zunge versüssen müssen. Dafür würd ich sogar vor dir niederknien und deine haarigen Füsse küssen. Meine Welt für immer voll von deinen Samenergüssen, die genüsslich meinen Körper grüssen. Ich will dich essen und dann nie mehr scheissen müssen. So sehr will ich dich küssen, meinen

Mageninhalt mit deinem Speichel versüssen. Ich wartete und erwartete, doch du wolltest nichts wissen, hast mich nur ins herz gebissen. Lebewohl, ich hätte es selber merken müssen. Ich bin noch ganz in dich verbissen, bloss weg mit den Gewissenbissen. So leid es mir tut, ich will dich Arschgesicht nicht einmal mehr auf die Backe küssen. In Wahrheit würd ich dann arg kotzen müssen.

NEUN DINGE (WARUM EIGENTLICH NICHT ZEHN?), DIE ICH DER SCHWEIZ SCHON IMMER SAGEN WOLLTE. 20. Oktober 2014 Reinhold Weber 1. Deine drei Riesentitten im Berner Oberland finde ich noch immer höchst imposant. 2. Mach nicht immer so viel Käse. 3. Ich mag Dich trotz deines eidg. Fernsehs. 4. In Graubünden bist du am schönsten. 5. Einigen Zeitgenossen solltest du gelegentlich mal die Fresse polieren (eine Liste schicke ich dir via Facebook-PN). 6. Mach dir nichts aus all den Neidern. 7. Manchmal bist du eine schier unerträgliche Zicke. 8. Dennoch hast du es nicht verdient, von den Schweizer Zeitungsverlegern mit so einer Aktion dermassen verarscht zu werden. 9. Tschuldigung.

neunzehn

… KOMMT SIE WIE EIN FEUERSTURM 21. Oktober 2014 Christian Platz Mit dem Abend kamen der Nebel und Magdalena. Letztere unerwartet. Denn die Distanz – von ihrem Planeten zu meinem – ist beträchtlich. Alles andere als ein Katzensprung. Deshalb erscheint sie hier nicht gar so oft. Wenigstens rede ich mir gerne ein, dass die Distanz der Grund für ihre seltenen, allzu seltenen Besuche sei. Doch wenn sie kommt, kommt sie wie ein Feuersturm, der noch den härtesten Stahl zum Schmelzen bringt. Und die Schokolade war sowieso schon vorher weg. Sie ist wahrlich Madame 100’000 Volt. Das war sie bereits in der Schule. Das war sie schon in jener berüchtigten Umkleidekabine, wo es immer recht streng gerochen hat. Doch wenn sich die Schwellkörper bis zum Bersten füllen, wird der Geruchssinn bekanntlich schön betäubt. Verdankenswerterweise. Und hinter verschlossenen Türen – mit viel Zeit und wenigen (aber genau den richtigen) Textilien im Handge­päck – ist sie es erst recht. Sie löst Dich auf. Wie einen Zuckerwürfel, der unter einem Strahl von Absinth zergeht. Da bleiben keinerlei Bakterien übrig. Nicht einmal jene Mikroorganismen vom Stamm 121, die sich von Eisen ernähren, deren geliebte Heimat die schwarzen Raucher auf dem Meeresboden sind. So legt sie sich neben mich, wenn ich am Boden liege. So geht sie mit mir, selbst wenn ich zur Schädelstätte hinan schreite. So fliegt sie mit mir. In die höchsten Höhen hinauf. Wo die Luft so dünn wird, dass die dümmsten Ideen aus meinem Hirnschlamm empor kriechen. Und auch sogleich in die Realität gezerrt werden. Ohne Rücksicht auf Verluste oder Verletzungen. Um die kümmern wir uns erst nach der Landung. Falls es überhaupt zu einer Landung kommen sollte… Doch ich sollte mir keinerlei falsche Hoffnungen machen. Bis anhin ist jedenfalls noch immer eine Landung erfolgt. Und die war jeweils hart. Schmerzhaft genug für tagelanges Humpeln, Zittern, Bluthusten, Galleund Schaumkotzen. Doch nicht hart genug. Um tödlich zu sein. Wenn der Tod plötzlich kommen würde. Wenn er gleichsam wie eine dicke schwarze Decke über meine Welt fallen würde. Ich hätte wohl nichts dagegen. Doch so wird es nicht. Er wird auf jeden Fall schmerzhaft sein. Der Tod. Schmerzen über Schmerzen. Vorher nie gekannte, nicht einmal geahnte Leiden. Und – jede Wette – gerade einer wie ich wird nach dem Ende dieses Lebens wohl nicht in der Dunkelheit zerfliessen dürfen.

Sondern vor irgendein despotisches göttliches Gericht geschleppt werden, dass mich zu ewigen Höllenqualen verdammt. Oder zu einer Wiedergeburt als Silberfischchen in einem öffentlichen Scheisshaus zu Kolkata, das vielleicht sogar direkt vor dem Kalighat-Tempel steht… Wegen jener Todsünden wahrscheinlich, die ich mit Magdalena begangen habe. Und jener anderen rabenschwarzen Sünden meinerseits, die sich auch noch in das Kerbholz meiner Seele eingebrannt haben, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht… Doch nun steht sie vor der Tür. Magdalena. Im Nebel. Unerwartet. Und ich spüre, dass ich lebe, dass mein Blut pulsiert. Fühle mich wie ein glühender Tauchsieder, der alsbald in einem Melassetopf versinken wird, wie ein Perlentaucher auf dem tiefsten Grund. Sekunden nur, nach seinem wertvollsten Fund. Und sie hat alles mitgebracht. Alles, was ich will und – vielleicht sogar – brauche. Bereitwillig, überaus grosszügig beschenkt sie mich. Um danach wieder auf ihren Planenten zurückzufliegen, der so weit entfernt liegt von meinem. Doch ich darf sie niemals fragen, wann

sie wiederkommt. Weil diese Frage unweigerlich dazu führen würde, dass ich sie nie mehr empfangen könnte, dass sie nie mehr meine Laterne sein könnte, in meinem dunklen Verliess. Wenn mich auch nur die leiseste Ahnung beschleichen würde, dass sie mir gehört, wäre sie für immer weg. Denn sie empfängt meine Gedanken wie Radiowellen…. Geben und empfangen. Nichts besitzen. So lautet die Formel von Magdalena. So lautet die Formel der Magie… Und die Magie, verteidigt sich selbst. Also brenne ich wieder wie ein Feuerrad, das auf jener endlosen Strasse der Träume rollt, dem Irgendwo, dem Nirgendwo entgegen. In der Hoffnung, dass meine nächsten Verwandten bald die Nachricht von meiner finalen Explosion entgegennehmen dürfen. Einer Explosion, die mich in derart kleine Stücke zerpulvert, diese über den ganzen Kosmos – und noch darüber hinaus – verstreut, dass mich auch die findigsten Geheimpolizisten nicht mehr aufspüren können. Egal, ob sie nun im Auftrag eines despotischen göttlichen Gerichts unterwegs sind… …oder als Agenten der Reinkarnation. 93s


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November 2014

Seite einundzwanzig

ALS ICH AN DER BUCHENEGG OSTWAND ZERSCHELLTE 10. Oktober 2014 Midi Gottet Sie kennen das. Irgend jemand kennt jemanden, der jemanden kennt, der beim alljährlichen Rennen an der Buchenegg Ostwand im Team „Rostfrei“ mitfährt und Franziska heisst. Und diese Franziska hat in ihren Velo-Ferien mal einen entfernten Stiefcousin eines alten Schulfreundes vom Oliver kennengelernt und der Oliver hat es ja noch gut mit dem Moritz und darum hat der Phillipe dann dem Niklaus gesagt, dass es für den Wolfgang völlig okay sei, wenn dieser Midi vom KULT ausnahmsweise mal einen Startplatz fürs Bergzeitfahren bekäme. Und darum händigte mir dann auch Mark, ein alter „Chettehünd Zurigo“-Teamkamerad von Adrian, in Langnau am Albis ganz feierlich die Startnummer 137 aus. Und da stand ich nun, mit meiner Vitamin-B-meets-Zufall-meets-Vetterliwirtschaft-Startnummer in der Hand und konnte mein Glück kaum fassen. Gut – der Moment wäre noch schöner gewesen, wenn ich die letzten 15 Jahre auch nur ansatzweise für diesen Event trainiert hätte. Aber hey, ich musste stattdessen zwei Kinder grossziehen, eine Scheidung mit ganz viel Alkohol wegtrinken und die Gangschaltung meines alten Serottas ist auch schon lange kaputt. Aber hey, ich schweife ab. Ist das hier wirklich ein Velorennen? Als ich mich so umsah, hatte ich eher das Gefühl an einer Woodstock-GedächtnisVeranstaltung zu sein. Die Teilnehmer tranken Bier, rauchten selbstgebastelte Zigaretten und klopften ihre CrackPfeifen an retrogestylten Velorahmen aus. Okay, letzteres war nicht der Fall. Ich wollte nur testen, ob sie noch da sind. Wie auch immer, alle 45 Sekunden machte sich einer der 150 Bergflöhe auf den Weg. Bei der Stoppuhr am Start hatte jemand „Quäl dich.“ auf die Strasse gesprayt, als Reminder, falls man die Qual unterwegs vergessen sollte. Jeder Fahrer wurde kräftig angefeuert. Für Fahrerinnen gabs noch zusätzliche Respekt-Dezibel dazu. Doch mit jeder „Ab-

zu Grabe und schaltete ins kleine Ritzel. Wie eine Bergschnecke im Sekundenleim-Schleim-Elend kroch ich die Ostwand hoch. Unterwegs standen ein paar Zuschauer, die mich aus Mitleid etwas zu lautstark anfeuerten. Als wäre ich ein angeschossenes Reh, schaute mir ein Streckenposten stumm und entgeistert hinterher. Gerne hätte ich ihm erklärt, dass jemand, der jemanden kennt, mich hier angemeldet hat, liess es aber dann sein. Wo blieb bloss Adi mit der Startnummer 140? Vor dem Rennen haben wir noch darüber gescherzt, dass er mich bald wiedersehen werde, doch jetzt liess er auf sich warten. Oder war ich etwa plötzlich schneller geworden? Nix da, Adi tauchte wie aus dem Nichts auf. Mit unseren gehäckelten Retro-Handschuhen machten wir den im Voraus vereinbarten Fist-Bump. Gerade als bei mir ob dieser bruderschaftlichen Geste ein Gefühl der Zugehörigkeit aufkeimen wollte, wurde Adi von der 141 und diese von der 142 überholt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Innert fünf Sekunden wurde ich von drei

reise“ wurde die Traube kleiner und die Anfeuerungsrufe zurückhaltender. Mit der Startnummer 137 gabs für mich zwar nur noch dreizehn Verbleibende, die mich hochjubeln, aber auch nur noch dreizehn, die mich überholen konnten. Ich startete, wie von der Tarantel geritten und vom Teufel gestochen. Weit über meinen Verhältnissen. Aber das tat jeder, denn die ersten hundert Meter der Strecke war man für die anderen noch sichtbar. Erst dann kam die erste Kurve. Das war der Moment, als ich panikartig vom grossen ins mittlere Ritzel

PROST!

31. Oktober 2014 Pete Stiefel. Das geht nun sogar mir etwas zu weit.

KEINE AHNUNG, WAS DAS BEDEUTET

30. Oktober 2014 Reinhold Weber. Sieht aber gut aus.

Fahrern gleichzeitig durchgereicht. Da willst du nur noch Bäume umarmen und ihnen die Hucke vollheulen. Nach langen 19:37 Minuten kam ich oben an und brauchte somit doppelt so lang, wie die Spitze. Im Zielraum herrschte eine Stimmung mit Klassenzusammenkunfts-Romantik. Alle 150 Finisher redeten wild durcheinander, tranken Bier und Pepita und erfanden, wie ich, tausend Gründe, weshalb sie nicht mehr so schnell den Berg hochkommen, wie früher. Und das Schönste war, alle kannten sich über sieben Ecken, denn sonst hätten sie ja gar keine Starterlaubnis gekriegt. Genau deshalb muss das Bergzeitfahren Buchenegg Ostwand so handlich bleiben, damit sich die Oldschool-Garde einmal im Jahr ehrlich am Berg die Ehre geben kann. Oder, wie Martin Sturzenegger, Zürichs Tourismusdirektor und Captain des Siegerteams „Traktor Ostwand“ mit einem Hauch von Ironie zu sagen pflegt: „Neben dem CSI, der Weltklasse Zürich und dem Zürcher Marathon ist dieses Bergzeitfahren einer der vier wichtigsten jährlichen Sportanlässe in Zürich.“

schaltete. Und ja, ich fuhr auf meinem alten Ibis mit Mountain-Bike-Übersetzung hoch. Lieber so, als unterwegs fluchend absteigen zu müssen. Schneller, als man „Holy Shit, das ist ja steiler als mein Langzeitgedächtnis „Holy Shit“ denken kann“ sagen konnte, rauschte die 138 an mir vorbei. Verdammt. Ich stand förmlich in der Wand und schaltete die Gänge runter. Als meine Beine förmlich in Flammen aufgingen und mich gleichzeitig die 139 wie ein Dyson Handtrockner nass machte, trug ich mein letztes Quentchen Stolz

UNSERE TIPPS FÜR EIN ERFOLGREICHES VORSTELLUNGSGESPRÄCH 3. November 2014 Dominik Hug Vorstellungsgespräche sind für viele Menschen ein Graus. Doch mit guter Vorbereitung ist alles nur halb so schlimm. Hier unsere brandheissen und ungetesteten Tipps für ein unvergessliches Vorstellungsgespräch. Es ist Pflicht sich vor dem Gespräch mit Knoblauch und Zwiebeln zu ernähren.Lasst die Lackschuhe zu Hause. Die alten abgewetzten Chucks sind authentischer und geben euch das notwendige Sicherheitsgefühl Hawaiishirt, kurze Hosen und Crocs unterstreichen eure Lockerheit. Seid zum Interview auf keinen Fall pünktlich. Wer wichtig ist kommt zu spät. Ihr dürft gerne ein gekühltes Bier während des Interviews konsumieren, jedoch nur wenn ihr dem Interviewpartner auch eins mitgebracht habt. Wenn überhaupt Fragen stellen, dann nur Salär-, Ferien- oder Home Office-Fragen. Macht euch keine Notizen und bereitet keine Fragen vor, da dies ohnehin jeder macht und ihr euch ja von der Masse abheben wollt. Das Plüschtier, welches eure Freundin euch als Glücksbringer mitgegeben hat, dürft ihr jederzeit auspacken und strei-

cheln. Zudem wirkt es sehr sympathisch, redet ihr plötzlich mit der Stimme von Plüschpanda Bääri oder von Vampirschildkröte Vladimir. Den zukünftigen Chef während des Gesprächs zu imitieren ist sicherlich hilfreich. Auf Fragen bezüglich deiner Fähigkeiten antworte stets mit “Ich bin der Beste”.

Sich während des Gesprächs eine Kippe anzuzünden zeugt vom klassischen Hollywood-Style. Erkundigt euch, wie das Unternehmen zu Affären am Arbeitsplatz steht. Den Interviewpartner am Ende des Gesprächs zu Umarmen und mit einem dicken Schmatzer auf den Mund zu verabschieden ist die Geheimwaffe für euren Erfolg.


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November 2014

BLACK MUSIC?

31. Oktober 2014 Jelena Keller Letzthin skypte ich mit einer Bekannten aus Kalifornien. Sie fragte mich, welche Musik ich am liebsten möge. Ich antwortete: „Black Music“. Sie sah mich mit grossen Augen an und fragte: „Was soll das sein?“ – „Na, weisst halt so RnB, Rap, Hip Hop, Soul und so.“ -„Ach so. Aber bei uns sagt man dazu einfach „Music“. Das Gespräch ging weiter und niemand schenkte dem Missverständnis weiter Beachtung.

eine Ausnahme, weshalb man sie zusammenfassend beschrieben konnte. Heute allerdings sind die Stile bunt durchmischt. Genauso wie die Hautfarben und Nationalitäten ihrer Akteure. Chinesen machen Hip Hop, Schwarze machen Afro-Punk: http://www. youtube.com/watch?v=yBl52yROHS0. Elvis war anscheinend auch ein Freund des RnB Genres: http://www. salon.com/2014/05/17/elvis_wasnt_ the_first/

Später lag ich im Bett und liess die Konversation Revue passieren. Ich kam nicht darum, mir Gedanken über Oberbegriffe, generell Bezeichnungen zu machen. Im deutschsprachigen Raum sind wir es offensichtlich noch immer gewohnt, nach Wurzeln zu kategorisieren. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen Genres wie Country oder Pop vor Freunden „White Music“ zu nennen. Alle anderen Richtungen erklären wir detaillierter, weil sonst nicht klar wäre, was wir meinen - bei der ganzen Vielfalt. Bei Musik allerdings, die früher von Schwarzen kam, schmeissen wir alles in einen Topf und benutzen einen veralteten Oberbegriff. Früher war schwarze Musik in der weissen Welt

Es gibt also gar keine schwarze oder weisse Musik. Musik gibts allerlei und in Graustufen. Deshalb sollte man sie einfach von Anfang an genauer betiteln. Meine Bekannte sagt nur „Music“ weil sie in einer Welt lebt, in der der beste Rapper weiss ist und der beste Golfer schwarz. Ich bin dankbar dafür, ein Zeitalter zu kennen, in dem der Ausdruck „Black Music“ gar nicht mehr richtig zutreffend ist – weil sich Genres, Kulturen, Abstammungen und Weltanschauungen durchmischen. Einfach weil das Universum manchmal fast keine Grenzen mehr kennt. Globalisierung bedeutet manchmal auch Vielfältigkeit und Neues Schaffen.

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EIN TAG IM LEBEN VON: BHARAT M., SPAM MAIL AUTOR 30. Oktober 2014 Pete Stiefel Wir bekommen täglich dutzende von Werbemails, ohne dass wir danach gefragt hätten. Wo kommen sie her? Wer steckt dahinter? Wir haben uns auf den Weg gemacht und jemanden gefunden, der bereit war Auskunft zu geben. Die Reise führte nach Indien. Ich befinde mich in einem kleinen Strassencafé namens Amit (Amit bedeutet im Indischen ‚der Grenzenlose‘), unweit der Nizamuddin Station, einem der vier Bahnhöfe in Dehli. Hier sitze ich schon geschlagene drei Stunden, weil mir der Rikshafahrer, in dessen wackeliges Gefährt ich am Flughafen gestiegen bin, offenbart hat, dass mein Hotel abgebrannt sei. Seltsamerweise noch bevor ich ihm Name und Adresse gesagt hatte – aber eine Widerrede war zwecklos. Sein Angebot, mich stattdessen in eine andere Herberge zu bringen, habe ich dann allerdings abgelehnt und ihn gebeten mich in einem Lokal in der Nähe des besagten Bahnhofes abzusetzen, dem Ort an dem ich mich für heute Vormittag mit Bharat M. verabredet habe. Dass auch der Besitzer des Amit ein Verwandter meines grimmigen Chauffeurs sein muss, war mir schnuppe. Nach dem nicht überaus angenehmen Flug, der hier in Indien mitten in der Nacht gelandet ist und den nicht enden wollenden Einreiseformalitäten musste ich mich einfach irgendwo hinsetzen und Kaffee trinken. Der riecht hier zwar, wie alles andere auch, nach Curry, was aber immer noch besser ist als der Mief der Strasse. Einige Chapatis und einen grossen Blechtopf mit Dhal später trifft kurz nach neun Uhr meine Verabredung ein, ich habe ihm in der Zwischenzeit meinen Standort mitgeteilt, und er willigte ein, unser Gespräch hier zu führen. Herr M., ich begrüsse Sie und bedanke mich, dass Sie sich Zeit für ein Interview genommen haben. Wie wünschen Sie, in meinem Artikel genannt zu werden? Wie Sie per E-Mail ja sagten, möchten Sie unter keinen Umständen wiedererkannt werden. Bharat M.: Sir Spamalot. Erleichtert, dass mir da offenbar jemand mit Witz gegenübersitzt, willige ich ein. Zumindest teilweise: Ist es okay, wenn ich Sie Sir nenne? Dieser volle Künstlername scheint mir doch etwas gar lang. Sir Spamalot: In Ordnung. Sie sind Autor von Spam Mails, welche täglich Abermillionen von E-Mail Inboxen füllen. Haben Sie nicht das Gefühl, Unrecht zu tun? Wollen Sie deshalb nicht mit Ihrem richtigen Namen in der Öffentlichkeit erscheinen? Sir: Meine Familie glaubt, ich arbeite als Postbote. Es wäre mir unangenehm, wenn die Wahrheit ans Tageslicht kommen würde. Das leuchtet ein. Aber nochmals: Haben Sie kein schlechtes Gewissen wegen Ihrer Arbeit? Immerhin sorgen Sie weltweit für ziemlichen Ärger mit Ihren E-Mails. Sir: Das sehe ich nicht so. Ich helfe Menschen bei der Lösung ihrer Probleme. Was soll daran unrecht sein? Wie jetzt? Sie glauben, mit dieser Mailflut jemandem zu helfen – ausser sich selbst und Ihren Auftraggebern? Sir: Na, klar! Männern mit kleinen Schwänzen beispielsweise. Denen helfe ich, indem ich ihnen Penisvergrösserungen mittels operativem Eingriff vermittle. Oder mit einer einfachen Penispumpe. Das geht mir nun schon etwas zu sehr ins Detail. Wie sieht ein typischer Tag im Leben eines Spam Autoren aus? Sir: Daran ist nichts aussergewöhnlich. Üblicherweise stehe ich um fünf

Uhr auf. Während meine Familie noch schläft, koche ich Tee und trinke meine erste Tasse mit einem Schuss Milch. Dazu gibts Naan und Gemüsecurry vom Vorabend, und ich lese Zeitung. In der Küche liegen meistens noch einige Blätter herum, in der meine Frau Früchte oder Gemüse vom Markt nachhause gebracht hat. Wenn Hühnchen drin war, mag ich das nicht so sehr. Oft ist das Papier dann fettig, und man kann kaum einen Buchstaben erkennen. So erfahre ich, was in der Welt passiert. Manchmal sinds halt bloss Seiten mit Inseraten. Aber die lese ich trotzdem. Oder ich schaue mir die Bilder an. Und wenns mal kein Zeitungspapier im Haus hat, oder ich die selben Neuigkeiten schon 3-4x gelesen habe, lese ich Texte auf Kartonschachteln oder Shampooflaschen. Lesen ist wichtig, lesen bildet. Das hat mir meine Grossmutter beigebracht.

Okay. Und dann gehen Sie zur Arbeit? Wo arbeiten Sie? Sir: Ja, anschliessend gehe ich zu Fuss zur Arbeit. Ich möchte mir gerne ein Fahrrad kaufen, aber dazu reicht das Geld noch nicht. So gehe ich eine halbe Stunde, bis ich dann im Internetcafé eines Cousins meinen Arbeitsplatz beziehe. Dort richte ich mich zusammen mit einigen anderen Autoren ein und informiere mich im Internet darüber, was die Menschen aktuell für Bedürfnisse haben. Der Mensch eilt immer seinen Bedürfnissen hinterher. Und das machen wir uns zunutze. Wir? Sir: Meine Auftraggeber und ich. Was sind denn zum Beispiel aktuelle Themen, die der Menschheit unter den Nägeln brennen? Nebst Penisverlängerungen, Viagra Generika und was sonst noch jedes Kind so kennt? Sir: Ebola und iPhone 6 beispielsweise. Ein iPhone 6 will jeder und Ebola keiner. Darauf lässt sich aufbauen. Am Ebola-Virus will sich keiner die Finger schmutzig machen. Jeder hat Angst davor angesteckt zu werden. Lieber bezahlt man da ein paar Dollar, damit das andere für einen tun. Spendenaufrufe zum Beispiel? Sir: Genau. Und diese Spenden landen auch an ihrem Bestimmungsort? Sir: Teilweise… Ein Teil geht an meine Familie und an mein Fahrrad. Ein Teil an meinen Auftraggeber, ein Teil an PayPal, ein Teil an eine Organisation, ein Teil an die Regierung… Und ein Teil an die Ebola-Prävention? Sir: Möglicherweise. Das ist Betrug! Sir: Wie mans nennt. Ich erledige einfach meinen Job. Können Sie weitere Beispiele nennen, woran Sie gerade schreiben? Sir: Online Casinos, Darmflora, Escort Services, Cigarren, Fischer-Ausrüstungen, Kontakte zu Spermaschluckerinnen…

Das tönt ja ganz danach, als ob Ihre Leserschaft fast ausschliesslich aus Männern bestehen würde. Bekommen Frauen keine Spam Mails? Sir: Das ist in der Tat so. Frauen klicken weniger solche Angebote im Internet an. Sie fallen dafür auf andere Angebote herein. Und auf Heiratsschwindler. Sie texten ja nicht auf Indisch, sondern auf Englisch nebst anderen Sprachen auch auf Deutsch. Oder so etwas Ähnlichem wie Deutsch. Das klingt dann so: „Hallo, wie Sie wissen, bin ich ein Mann, der sein Ohr an den Boden hält fest. Es hat eine Menge Hype um OptioNavigator und die neue Software, Nach einer der Beta-Tester, kann ich offiziell sagen, dass sie es bekommen haben vor Ort auf. Zum Glück für Sie sie jetzt geben sie kostenlos an eine ausgewählte Gruppe von Menschen.“ Wer versteht sowas – und wer fällt dann auch noch auf ein solches „Angebot“ herein? Sir: Sie müssen wissen, meine Texte zielen nicht auf die Intelligentesten der Gesellschaft. Viel eher auf die intellektuelle Unterschicht, um es nett auszudrücken. Die Leute mit geringer Bildung und dafür umso grösserer Begeisterungsfähigkeit. Wenns bunt ist, und wenn ihnen Glück versprochen wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie das Angebot anklicken. Sie werden auch kaum etwas unternehmen, wenn investiertes Geld nicht den gewünschten Effekt bringt. Bei gescheiten Menschen hätten meine Auftraggeber hinterher bloss Ärger am Hals. Sir, ich bedanke mich für dieses interessante Gespräch und den Einblick in eine bisher unbekannte Berufsgattung. Sir: Eine Bitte hätte ich noch. Könnten Sie mir die E-Mail Adressen Ihrer Redaktionskollegen angeben? Ich würde ihnen gerne zu Weihnachten eine Karte senden. (Dieses Interview wurde auf Indisch geführt und anschliessend sinngemäss ins Deutsche übersetzt.)


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