Kult Dezember 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. Dezember 2015.

kult ist die erste und mit dieser Ausgabe vorläufig die letzte Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

DIE SINNLOSIGKEIT 19. November 2015 Jelena Keller Irgendwann, etwa im Alter von 30, 40 oder 50 oder bei Krankheit oder Schicksalsschlag, wird einem bewusst, dass man dem Tod ein bisschen näher gerückt ist. Es ist nicht so, dass man ihn vermeiden oder ignorieren möchte. Man stellt sich derTatsache, dass der Tod unausweichlich kommt. Die Erkenntnis über die eigene Sterblichkeit führt, wenn positiv, dazu, das eigene Lebensmodell zu überdenken und zu ändern, im Negativen aber dazu, dass sich unendliche Sinnlosigkeit einstellt. Wozu weitermachen in dieser Einöde, wenn man sowieso stirbt? Was ist der Sinn des Lebens? Ist die Frage erst einmal gestellt, gibt es kein zurück aus der Gedankenspirale, die einen verzweifeln lässt, weil man als Mensch in der Regel dazu geboren wurde strukturiert zu denken. Reize fluten in unser Gehirn und verlangen danach verarbeitet, geordnet und konfiguriert zu werden. Zufällige Ereignisse, die wir nicht einordnen können, lassen uns hilflos fühlen, verzweifeln. Von Natur aus wollen wir uns und alles um uns herum erklären und somit beherrschen, weil wir uns auf diese Weise mächtig und handlungsfähig fühlen. Religiöse und spirituelle Menschen werden verschont vom Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit weil sie auf alle Fragen eine universelle Antwort haben: Gottes Wille, Gottes Wort. Es müssen also vor allem die logischen Denker sein, die mit ihren kreisenden Gedanken zu kämpfen haben, sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens begeben, nur um ständig feststellen zu müssen, dass es keine allgemeingültige, konkrete, einzig logi-

Famous Final Scene Minder befriedigend ist wohl der Gedanke, dass alles dieser Welt eine Kehrseite hat. Dass Liebe nur durch Verlust, Erfolg nur durch Niederlage, Glück nur durch Unglück und dass Leben nur durch Tod existieren kann. Wie machen wir also die Ungewissheit über den Sinn des Lebens erträglicher?

sche Antwort gibt auf die grösste Frage, die sich die Menschheit je gestellt hat. Therapeuten empfehlen düster denkenden und verzweifelten Menschen damit aufzuhören Fragen zu stellen, auf

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: VW. 17. November 2015 Reinhold Weber. Auch wenn die Cowboys von drüben jetzt sauer sind, weil ihre FussballWM-Kandidatur den Hudson runter ging und deren Autoindustrie baden: wir bleiben dabei. Das war einer der besten Slogans, der je in der Werbung gefahren wurde. Ehrlich. Hochachtungsvoll: KULT. Das Zeitung.

die es keine Antworten gibt. Sie sagen, der Mensch müsse unbedingt, um frei von kreisenden Gedanken und glücklich zu sein, lernen die Ungewissheit zu ertragen.

Indem wir das tun, was wir meistens tun, wenn ein Gefühl unerträglich wird und man es überleben will: Bestmöglich ablenken. Dies geschieht im Falle der Frage zum Sinn des Lebens: indem wir so oft wie möglich sinngebenden Tätigkeiten nachgehen und somit die zermürbende Frage nach dem Lebenssinn vergessen. Was auch immer erfüllend für uns ist, ob wir nun kreativ sind, anderen helfen, einer Religion, einem Beruf oder einem Hobby nachgehen, Kinder gross ziehen, Leidenschaften entdecken: Solange wir aktiv daran beteiligt sind unsere kostbare Zeit trotz Verpflichtungen für uns individuell und sinnbringend zu gestalten – soviel ist sicher – werden wir uns die Frage nach dem Sinn des Lebens weniger stellen müssen. Weil wir abgelenkt sind damit, unserem Dasein Freude zu bereiten, uns gebraucht zu fühlen, uns zu verwirklichen mit Tätigkeiten, die uns einen Grund geben morgens aufzustehen. Bis wir irgendwann merken, dass unser Ablenkungsmanöver eigentlich zur langersehnten Antwort geführt hat: Wir haben den Sinn des Lebens in unserem sinnvollen Tun entdeckt. Machen wir es uns einfacher, indem wir die Frage anders stellen. Nicht WAS IST DER SINN DES LEBENS, sondern WELCHE TÄTIGKEIT GIBT MEINEM LEBEN SINN.

für alle, die auch in zukunft nicht auf kult verzichten wollen

Think in terms of bridges burned Think of seasons that must end See the rivers rise and fall They will rise and fall again Everything must have an end Like an ocean to a shore Like a river to a stream Like a river to a stream It's the famous final scene And how you tried to make it work Did you really think it could How you tried to make it last Did you really think it would Like a guest who stayed too long Now it's finally time to leave Yes, it's finally time to leave Take it calmly and serene It's the famous final scene It's been coming on so long You were just the last to know It's been a long time since you've smiled Seems like oh so long ago Now the stage has all been set And the nights are growing cold Soon the winter will be here And there's no one warm to hold Now the lines have all been read And you knew them all by heart Now you move toward the door Here it comes the hardest part Try the handle of the road Feeling different feeling strange This can never be arranged As the light fades from the screen From the famous final scene (Bob Seger – Famous Final Scene)

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich

5. Dezember 2015 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum bringen wirs hier mal.<

WOW, SIE SEHEN HEUTE RICHTIG GUT AUS! Kleine Gefälligkeiten, die das Zusammenleben bereichern. Jetzt auf vbzonline.ch

Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Reinhold Weber, Alex Flach, Midi Gottet, Pete Stiefel, Christian Platz, Dominik Hug, Jelena Keller, Michèle Binswanger Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.


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"Ich wollte aufhören, solange ich selber entscheiden kann" sächlich aber habe ich einfach Lust auf neue Sachen.

4.12.2015, Matthias Ackeret "Rainer Kuhn stellt nach 18 Jahren die gedruckte Ausgabe des "Kult" ein und zieht sich für ein Jahr zurück. Mit persoenlich.com spricht der 54-Jährige über die Gründe und er erklärt, was er mit der Webseite kult.ch vorhat. Herr Kuhn, Sie stellen das gedruckte "Kult" ein. Kam dieser Entscheid überraschend oder gab es einen Auslöser?
 Das war ein Prozess. Ich fand, nach 18 Jahren ist es irgendwie langsam an der Zeit, auch mal was anderes zu machen. Die abnehmende Dialog- und Konsensfähigkeit im öffentlichen und medialen Diskurs und die Entwicklungen im konzernbeherrschten Media- und Mediengeschäft haben meinen Entscheid sicher beeinflusst. Die Medien- und Mediabranche hat sich in eine Richtung entwickelt hat, die mir nicht mehr gefällt. Haupt-

Wurde es Ihnen langweilig? Ich bin jetzt 54, will mich persönlich weiterentwickeln, das ist schwierig, wenn man immer nur dasselbe macht. Ich dachte, wie bisher weiter zu machen, wäre am Ende für mich doch nicht viel mehr als eine Wiederholung in einer weiteren Variante. Das kann man machen, das hat das 'Kult' auch immer ausgezeichnet. Dass es sich immer wieder neu erfunden hat. 'Kult' war in diesen 18 Jahren zuerst ein medien- und szenesatirisches Partymagazin, dann ein Reportagemagazin, dann ein Magazin für Schriftsteller und Fotografen, dann ein Interviewmagazin, dann eine 'Blick'-Kolumne, dann eine Website, dann eine Website und eine Blog-to-Print-Zeitung. Jede Printphase dauerte so plus minus vier Jahre, die Zeitung ist nach 50 Ausgaben ohnehin dort angekommen. Haben Sie mit der Zeitung draufgelegt?
 Ich habe mit meinen Leuten für 300'000 Franken pro Jahr 12 gedruckte 'Kult'-Ausgaben und 365 Tage im Jahr kult.ch konzipiert, geschrieben, produziert und vertrieben. 2015 war unser bestes Jahr seit Langem. Wir sind immer etwa rausgekommen. Ich konnte alle Rechnungen in der Regel pünktlich bezahlen. Die Abonnentenzahl stieg laufend und auch die Zahl der Anfragen jener, die gerne fürs uns schreiben würden. Aber ich wollte aufhören, solange ich das

WAS MACHT EIGENTLICH … JIMI HENDRIX?

6. November 2015 Reinhold Weber. Blöde Frage. Jimi lebt, ist für die Befreiung von Laub & Piece zuständig und fegt uns mit seinem 100-Watt-MarshallLaubbläser die Ohren weg.

noch selber entscheiden kann, und nicht, wenn ich aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen werde. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es in Zeiten wie diesen vielleicht klug wäre, leichter zu werden, als Unternehmen, als Person mal den Fuss vom Gas nehmen, um zu schauen, wie sich die nächsten Monate so entwickeln. Das ist besser, als ungebremst in eine Wand zu fahren. 'Kult' ist ein kleines eigenfinanziertes Unternehmen, welches extrem ökonomisch mit seinen finanziellen Kräften umgehen muss. Was bedeutet dies für kult.ch?
 Eigentlich wollte ich ja auch kult.ch zumachen. Denn auch Midi Gottet will mal ein bisschen Pause machen und an seinem neuen Programm arbeiten. Er war ja praktisch von Anfang an dabei. Aber Alex Flach, Christian Platz, Peter Stiefel, Jelena Keller und Dominik Hug wollten unbedingt weitermachen. Sie meinten, dass es uncool wäre, 50'000 monatlichen Besuchern und 13'500 Facebook-Fans eine ihrer LieblingsSites wegzunehmen, nur weil ich keine Lust mehr habe. Und dass sie immer noch extrem Bock darauf hätten. Ich sagte, ok, dann macht mal. Sie sind jetzt dran, sich zu organisieren, frisches Blut zu pumpen und neue Geschichten zu konzipieren. Da tut sich einiges und ich freue mich total darüber, dass eine neue Generation das Ruder übernehmen will. Die sind alle extrem motiviert. Es zeigt, dass kult.ch nicht einfach nur Kuhn ist. Ich befürchte sogar, dass kult.ch ohne mich im nächsten Jahr besser sein wird, als es die letzten

sechs Jahre war. Kult.ch wird einen neuen Frühling erleben.

Kunstrichtungen bei ihren Geschichten unterstützen. Mit den Möglichkeiten, die ich habe. So wie sie meine Aber Hand auf’s Herz: ist unterstützen mit den Möglichkeiten, "Kult" ohne Sie überhaupt möglich?
 die sie haben. Den interdisziplinären Viele denken so. Ich war ja auch ei- Austausch in all den verschiedenen ner, der so dachte. Aber wir liegen Bereichen suchen. Lernen von ihfalsch. Wenn ich diese neue Dyna- nen. So ungefähr ist mein Plan. Vielmik sehe, dann ist es ist nicht nur leicht kommt aber auch alles ganz möglich, es ist bereits so. Tönt völlig anders. Auch gut. komisch, wenn ich das selber sage: Aber Kult ohne Kuhn wird richtig Werden Sie während Ihrer gut. Es gehört mir ja immer noch mit. Auszeit redaktionell eingreifen?
 Ich hänge jetzt einfach ein bisschen Sie meinen, den Autoren dreinreden? mit Midi Gottet auf der Tribüne ab Redigieren oder so was? Das habe und schau mal, was die "Jungen" so ich noch nie gemacht. Wer fürs 'Kult' vom Stapel lassen. schreibt, hat eine Carte Blanche. Das Sie nehmen nun eine Auszeit. Was war schon immer so. Das war auch planen Sie während diesem Jahr?
 nie ein Risiko. Du musst einfach Die Auszeit bezieht sich ja vor schauen, dass die, die für dich schreiallem aufs 'Kult'. Das heisst, ich zie- ben, keine Idioten sind. Dann kann he mich von der Front zurück. Ich auch nichts passieren. Und drum werde immer noch im Hintergrund kann man im 'Kult' Sachen lesen, die die Sponsoren betreuen und sol- man so sonst nirgends lesen kann. che Sachen. Es ist ja nicht nur so, Das macht’s ja aus. Nein, wenn ich dass ich das 'Kult' geprägt habe, das redaktionell eingreife, dann höchs'Kult' hat auch mich geprägt. Aber tens irgendwann mit einer Anfrage, ich will jetzt in meinem Leben mal ob ich als Schreiber wieder mit tun Dingen Raum geben, die bisher zu kann. kurz kamen... Die Idee von Warhols Factory hat mich schon immer fas- Wovon leben Sie im nächsten Jahr?
 ziniert. Es ist alles dasselbe. Egal ob Ich werde Fussballprofi. Oder Zuhäldu schreibst, Musik machst, malst ter. Oder Wetterfee. oder fotografierst, das Endprodukt fühlt sich zwar unterschiedlich an, sieht unterschiedlich aus, trifft dich auf unterschiedlichen Ebenen, aber die Schöpfungskraft entspringt aus einem einzigen Seelenpool... Wir Das Interview erschien am 4.12.2015 werden sehen - ich lass mich über- auf www.persoenlich.com. raschen. Sicher werde ich vermehrt Fragen: Matthias Ackeret auch Freunde aus den verschiedenen Bild: Jost Wildbolz

VIELLEICHT IST ER EIN ARSCHLOCH

18. November 2015 Pete Stiefel. Er hat sich vor dich reingedrängt, dich abgedrängt, dich nicht beachtet, ist dir frech gekommen, hat dir Unrecht getan, ist dir auf den Schlips oder auf den Schuh getreten? Arschloch! Vielleicht hat er sich aber auch gerade eben den Kaffee über den Anzug gegossen. Vielleicht ist er gestrauchelt und hat sich das Fussgelenk verstaucht, dabei wollte er dieses Wochenende hoch hinaus. Vielleicht ist er viel zu spät dran, weil Unerwartetes dazwischen gekommen ist. Seine Mutter, die ohne ihn nicht konnte, seine Kinder, die ohne ihn nicht wollten, weil ihre Mutter nicht mehr mit ihm will. Vielleicht wurde ihm Zeit gestohlen, vielleicht die Uhr. Vielleicht wurde ihm eine unheilbare Krankheit und langsames, schmerzvolles Verrecken pro-

gnostiziert, vielleicht ist sein bester Freund gerade so krepiert. Vielleicht hat er Schaden angerichtet, persönlichen, materiellen, grossen, irreparablen, unverzeihbaren, unbezahlbaren. Vielleicht wurde er verletzt, körperlich, seelisch, vielleicht leidet er an den Wunden, vielleicht an den Narben. Vielleicht weiss er weder ein, noch aus, vielleicht ist er orientierungs-, perspektiven- und optionenlos. Vielleicht hat er Angst, viele Ängste, Panik, den Boden unter den Füssen verloren. Aber vielleicht läuft ihm wie dir immer alles rund. Vielleicht kann er es einfach nicht ausstehen, dass es da noch jemandem konstant blendend geht, und er hat sich deshalb genau dich ausgesucht, um dir den Tag zu vermiesen. Vielleicht ist er wirklich einfach ein Arschloch.


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ABSCHALTEN 18. November 2015 Christian Platz Wir müssen jetzt alles abschalten. Weltweit. Nicht nur die Maschinen. Auch uns selber. Und zwar ausgerechnet jenen Teil von uns, den wir gerne als den vernünftigen bezeichnen. Denn wir sind überdehnt, überdreht, überlastet. Dies kollektiv. Wir haben die Schrauben der Produktivität nämlich zu stark angezogen, die Fesseln der Vernunft zu eng geschnürt, haben zu fest am Rad gedreht. Und uns dadurch die Köpfe verdreht. In die falsche Richtung. (You shake my nerves) Wir haben die Wirtschaft zum Kriegsschauplatz gemacht. Und damit echte Kriege erzeugt. Wir haben die Arbeit zum permanenten Überlebenskampf erklärt. Und uns damit in lebende Tote verwandelt, die ohne Sinn, ohne Zweck vorwärtsdrängen, obwohl wir ja gar nicht mehr wissen, wo vorne oder hinten ist, geschweige denn links oder rechts. Ja, wir haben den Fortschrittsgedanken derart forciert, dass er sich in einen – nur allzu – realen Rückschritt verwandelt hat. Unsere eigenen Zeichen haben sich gegen uns gedreht. Unsere eigenen Warntafeln und Verbotsschilder sind als Knüppel aus dem sprichwörtliche Sack gesprungen, schlagen uns nun die Köpfe ein, wenn wir uns nicht gerade gegenseitig auf die Birnen hauen, aus purer Verzweiflung – über das Nichterreichen von Zielen, die Nichterfüllung von Plänen, die Nichteinhaltung von Vorgaben. (And you rattle my brain…) Doch was sind das für Ziele? Pläne? Vorgaben? Taugen sie dazu, das Leben angenehmer zu gestalten? Bescheren sie uns neue Erkenntnisse? Machen sie die Welt besser für ihre Bewohnerinnen und Bewohner? Es sieht nicht so aus. Es sieht eher nach dem Gegenteil aus. Und zudem riecht es nach verbrannter Erde, nach verbrannten Seelen. Ich glaube nicht, dass die so genannten Burnouts eine Modekrankheit darstellen. Vielmehr scheinen sie ein kollektives Symbol dafür zu sein, dass wir uns geradewegs und unter Volldampf Richtung Nichts bewegen.

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Ein kleiner bis mittelgrosser Unternehmer war früher zufrieden, wenn er seine Angestellten bezahlen konnte, selber ein gutes Geld verdiente und seinen Laden im Griff hatte. Heute wird er sich, weil “man” das jetzt halt einfach so macht, einen teuren Einflüsterer ins Haus holen. (Too much lovin’ drives a man insane…) Der wird ihm sagen, dass er sich von jetzt an jedes Jahr um 20 Prozent vergrössern müsse, dies bei gleichzeitiger Einsparung von 20 Prozent. Dann winke traumhafte Rendite, ansonsten drohe der Untergang. Und was macht der Unternehmer? Er glaubt den Blödsinn, verwandelt seine nette Firma in ein Hamsterrad für lebende Tote. Und am Ende begräbt die Lawine, die er aufgrund der Einflüsterungen ausgelöst hat, noch ihn selber. Denn es können nicht alle Unternehmen jährlich um 20 Prozent wachsen. Bei gleichzeitigen Einsparungen von 20 Prozent. Die Welt liefert weder die Nachfrage, die dies möglich macht, noch die Arbeitskräfte, die bei stetig wachsendem Erfolg stetig sinkende Einkommen hinnehmen, ohne dabei zu geheimen Saboteuren zu werden. Oder – eben – auszubrennen. Haben Sie einen Fünfjahresplan für Ihre Karriere? Klar. Hat Ihre Kollegin im Büro auch einen? Sicher. Und der jungen Mann im Büro nebenan; hat der auch einen? Natürlich. Dumm nur, es ist derselbe Plan, doch nur einer kann das Ziel erreichen. Der Startschuss für das grosse Rattenrennen ist gefallen. Und die Siegerin, der Sieger wird von der Bratpfanne direkt ins Feuer geraten. Wo man ganz besonders effizient ausgebrannt wird. Was ist das für ein Leben? Ein Leben auf der Höhe der Erkenntnisse, der Kulturen, der Weisheiten, die in der Menschheitsgeschichte zustande gekommen sind? Wohl eher weniger… Reden wir einmal über etwas anderes, über die Schätze und Reichtümer zum Beispiel, die in der Menschheitsgeschichte zusammengetragen worden sind. Und über deren Verteilung.

(You broke my will…)

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Ich sage Ihnen, es ist genug da. Genug, um alle Leute auf dieser Welt einen schönen Zeitraum lang dafür zu bezahlen, dass sie die meiste Zeit damit verbringen, einfach irgendetwas zu machen, dass – und dies wäre wohl die Hauptsache – möglichst niemandem schadet. Scherenschnitte zum Beispiel oder Likörmischungen, Kerzenziehen zum Beispiel oder Schminkexperimente, Tuba spielen, Lügenmärchen spinnen, Kasperlefiguren entwerfen – und natürlich Sex. Ja, man sollte die Leute dafür bezahlen, dass sie Sex haben, dass sie ficken, bumsen, blasen, singen und saufen – oder halt gepresste Blümchen sammeln – oder mal wieder über den Gesamtausgaben der Werke von Agrippa, Alfred Jarry, Georges Bataille, Mary Shelley, Anaïs Nin, Anne Declos brüten. Und an einem Tag in der Woche könnte jede und jeder etwas tun, um die notwendige Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Das würde vollauf reichen. Wir müssen bloss das Rattenrennen beenden, das Hamsterrad anhalten, müssen abschalten. Weltweit. Nicht nur die Maschinen. Auch uns selber. Vor allem uns selber. Abschalten!

(What a thrill…) So. Und jetzt muss ich gehen. Ich habe mit Lana abgemacht. Wir wollen in ihrer gemütlichen Wohnung zusammen einen kleinen Amateurporno drehen, mit scharf und allem, den wir dann am Abend auf die Hauswand gegenüber projizieren. Dazu werden wir eine LiveVertonung improvisieren. Auf unseren elektrischen Sitars – und lauthals singen werden wir ein Mantra. Für Rati und Kamadeva. Zwei Gottheiten, die sich in einem ewigen Kreis ständig permutierender sexueller Variationen drehen, welcher den Kosmos immer wieder neu erschafft, statt in einem Hamsterrad.

23. November 2015 Reinhold Weber Hier der Beginn einer kleinen vorweihnachtlichen Serie, in welcher wir besonders festliche Weihnachtsdekorationen und -beleuchtungen vorstellen. Den Anfang macht ein Optiker am Zürcher Limmatquai. Originell: Der Schuhabtreter “Merry Christmas” (mit Vögeli) im Schaufenster sowie die gelungene Materialisie-

rung dieser kunstvoll abstrahierten Buchsbaum-Attrappe aus Schwemmholz, brüniertem Zinkblech und Echtnerz-Kragen der Ehefrau des Ladenbesitzers. Ein – wie wir meinen – gelungener Start unserer kleinen Fotoreihe, den wir auch prompt bewerten: huit points für unseren Optiker. Was für ein Augenmensch!

DIE ZEIT

Die Leute werden staunen. Die Leute werden fluchen. Die Leute werden uns erlösen. Indem sie uns umbringen. (Goodness gracious great balls of fire!)

25. November 2015 Jelena Keller Man wird 30. Und dann überlegt man tagelang, was man gemacht hat die letzten 10 Jahre. Wo sie hin ist, die Zeit. Mit 40 überlegt man, was man die letzten 20 Jahre gemacht hat, mit 50, was man die letzten 30 Jahre gemacht hat, mit 60, was man die letzten 40 Jahre gemacht hat und so weiter. Das Jahr 0 ist beim Menschen das Jahr, in dem er 20 wurde, denn ab da wird die wahre Lebenszeit gezählt. Ab 20, damals, als man noch verliebt war in diese stinkende Welt. Was bis dahin geschah spielt keine so grosse Rolle für die essentiellen Fragen der Midlife Krise, weil vorher Kind und Teenager und ein bisschen dumm im Weltall herumgeschwirrt und sowieso keinen Lebensentwurf und kein Gefühl für die Zeit und ihren Wert gehabt in der Regel. Im Alter von 30 Jah-

ren versteht man, dass die Zeit unglaublich rast. Das Schlimme daran ist, dass sie noch schneller vorbeihuscht, wenn man sie spassig zubringt. Deshalb müsste man sich eigentlich wünschen keinen Spass mehr zu haben und ständig auf etwas zu warten, weil sie so weniger schnell verginge. Depressiv könnte man auf den Tod warten. Was aber ebenso wenig Sinn machen würde, weil man dann mit 40 und 50 merkte, dass die Zeit trotzdem vergangen ist. Zwar ein bisschen langsamer, weil man traurig war und wartete, dass sie vorüber geht, sie aber letztendlich trotzdem vorbeigezogen, und nie mehr zurückzuholen ist. Wenigstens merkte man dann, dass der Ausgang der selbe ist und man sie lieber spassig zubringt, auch wenn sie schneller vergeht. Lieber kurz und gut, statt langwierig und schlecht, nicht?


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FRÜHER WAR MEHR LAMETTA (2)

3. Dezember 2015 Reinhold Weber Im zweiten Teil unserer vorweihnachtlichen Serie der festlichsten Advents-Dekorationen 2015 möchten wir das Schaufenster einer Apotheke an bester Passantenlage in der Zürcher City vorstellen. Die äusserst gelungene, sinnliche Form des Kerzenständers möchten wir allegorisch nicht weiter vertiefen, sondern vielmehr die ökologisch vorbildliche Haltung des Apothekers hervorheben, stammen die dekorativen Weihnachtsguetzli doch aus dem Adventsmonat des vergangenen Jahres.

Hier wurde umweltbewusst und nachhaltig recycelt statt weggeworfen. Bravo, unser grüner Daumen hoch! Auch die Wahl des im Schaufenster ausgestellten Medikamentes zeugt von Feingefühl: Priorin, ein Mittel gegen Haarausfall, stammt von Bayer. Was dem nicht mehr ganz knusprigen St. Nikolaus gleich doppelt gefällt, ist er doch bekanntermassen ein waschechter Bayer. Und leidet – wie bei Mannsbildern seines Alters üblich – an Haarproblemen.

ES IST OKAY

AUF DER ANDEREN SEITE 1. Dezember 2015 Christian Platz Du willst die Vergangenheit loswerden, all diese Krämpfe und Brüche? Doch das kannst Du nicht. Solange Du unter den Lebenden weilst. Die Vergangenheit ist der Resonanzkörper Deiner Gegenwart. Und die Zukunft ist, ach, so ungewiss. Klar, sie haben Dein Herz gebrochen. Doch ist es wieder zusammengewachsen. Vielleicht erscheint es nicht mehr so wohlgestalt wie vorher, mit all diesem wuchernden Narbengewebe. Doch tut es seinen Dienst noch. Es schlägt ja. Ich weiss noch, wie Du dort auf dem Bett lagst, im Hotel zur allerletzten Laterne. Nackt. Dich in Tränen aufgelöst hast. Bis Du davon geschwommen bist. Ins Niemandsland Deiner schweren Träume und bitteren Illusionen. Ich weiss noch, wie Du am nächsten Morgen aufgewacht bist. Nicht weniger traurig. Aber gefasst. Immerhin bereit für einen weiteren Kaffee, eine weitere Zigarette, einen weiteren Tag. Und Wochen zuvor bist Du noch geritten, auf den Wogen des Glücks, schreiend, auf meinem Schoss, mit fliegenden Haaren, geschlossenen Augen, hüpfenden Brüsten. Und Wochen zuvor hast Du noch gespielt, auf meiner Flöte, kniend, ein Lied, das nachhallt, in den Labyrinthen meiner Erinnerungen. Vor allem in jenen tiefen sternenlosen Nächten. Hier drüben, wo ich nun als Schatten unter Schatten wohne. Und Wochen zuvor hast Du Dich noch umgedreht, mit einem Angebot, dem ich nicht widerstehen konnte. Und ich bin, wie jenes alte Wüstenkamel, durch ein Nadelöhr ins Wunderland gekommen. Ja, wie Kannibalen haben wir uns aneinander gelabt. Ich habe Deine Himmel kennengelernt – und Deine Abgründe, ach, Deine Abgründe. Ich bin in Deinem Meer geschwommen. Habe Deinen Staub eingeatmet. Und gerne habe ich es getan. Doch dann wurde ich plötzlich abgeholt, von jenem Fremden, dessen Einladungen man nicht ausschlagen kann. Bin ihm gefolgt, ums nächste Eck nur. Bis ich plötzlich feststellen musste, dass wir an einem Ort angekommen waren, von dem es keine Wiederkehr gibt.

Nun kann ich Dich sehen. Doch Du siehst mich nicht mehr. Ich umhülle Dich. Wie ein flüchtiger Dunst. Du magst etwas spüren. Doch kannst Du nicht wissen, dass ich es bin. Wer jenseits der Schwelle angekommen ist, wird keine Körper mehr berühren. Nur noch die Seelen, gleichsam wie ein Hauch. Aber auch das vergeht mit der Zeit. Ich weiss noch, als Du dort auf dem

Bett lagst, im Hotel zur allerletzten Laterne. Nackt. Dich in Tränen aufgelöst hast. Bis Du davon geschwommen bist. Ins Niemandsland Deiner schweren Träume und fiebrigen Visionen. Doch ich habe auch gesehen, wie Du wieder aufgestanden bist, Dich in den Strom des Lebens geworfen hast. Er hat Dir Glück gebracht. Was mich gefreut hat. Hier, auf der anderen Seite. Im Reich der Schatten.

WARUM «SCHATTENKOMMANDO» SCHAUEN VS. WAHLUNTERLAGEN AUSFÜLLEN EINE KLARE ANGELEGENHEIT DARSTELLT 17. November 2015 Pete Stiefel Es ist okay, wenn du nicht immer eine Meinung hast und auch mal schweigst. Es ist okay, wenn du nach einem schrecklichen Ereignis einfach mal geschockt bist, gelähmt, entsetzt. Es ist okay, wenn du nicht unmittelbar danach die Frage nach dem Warum beantworten kannst, wenn du nicht bereits die Schuldigen kennst und weisst, wie du sie bestrafen würdest, und in welcher Heftigkeit und mit welcher Bestimmtheit, welcher Endgültigkeit. Es ist okay, wenn du einfach zuerst leidest, gemeinsam mit den Leidtragenden. Es ist okay, wenn du dich nicht dafür rechtfertigst und wenn du dich nicht daran orientierst, was die anderen tun, und wie, und mit welchen Worten und Taten. Es ist okay, wenn du ratlos bist, wenn du ratlos bleibst und nicht um Rat ringst, weil jedermann um dich herum Berater ist.

Es ist okay, wenn sich Wut in deine Trauer mischt, es ist okay, wenn du diese Gefühle nicht nach aussen trägst, zur Schau, damit die anderen sehen, wie du dich fühlst. Es ist okay, wenn du mal deine Augen verschliesst vor allem, deine Ohren und deinen Mund. Es ist okay, wenn du ruhst und die anderen in Ruhe lässt. Es ist okay, wenn du dabei ganz bei dir bist, nicht bei allen andern, die kaum etwas hören, weil sie so viel reden, dabei nichts sagen, und dies jeder sieht. Es ist okay, wenn du einmal unsicher bist, ob dein Empfinden just in diesem Moment das Richtige ist, dein Handeln korrekt, dein Nichtstun angebracht. Wenn du nicht mit absoluter Sicherheit sagen kannst, dass du A meinst und nicht B. Möglicherweise X willst, und nicht vielleicht doch Y oder Z. Es ist okay. Du bist okay. Okay? (Bild: gratisography.com)

Shadows in Paradise) sind es Mark Dacascos, Armand Assante, Tom Sizemore, Danny Trejo und Bruce Boxleitner. Ein ziemlich cooler Cast eigentlich.

29. September 2015 Dominik Hug Seit The Expendables sind sogenannte Ensemble-Filme speziell im Actionbereich wieder ganz in Mode. Im vorliegenden “Schattenkommando” (im Original

Inhalt: Der Einsatz einer US-Eliteeinheit misslingt katastrophal: Special Forces-Lieutenant Max Forrester (Mark Dacascos) muss seine Verlobte Sasha Villinoff (Sofya Skya) in den Händen seiner Feinde zurücklassen. Zwei Jahre später: Sasha taucht wieder auf. Als Spionin der Gegenseite! Max macht sich sofort auf die Suche nach der Wahrheit. Ein nervenzerreißendes Katz- und Mausspiel beginnt. Schon bald stehen Max und Sasha zwischen allen Fronten: Es geht um ihr nacktes Überleben … Was konnte man von Regisseur J. Stephen Maunder bezüglich Schattenkommando erwarten? Der Mann hat als Regisseur bisher nur Tiger Claws 2 & 3 auf seinem Regiekonto. Nicht zwangs-

läufig die grössten Werke dieser Erde. Gerne würde ich nun berichten, dass Schattenkommando ein wahrlich tolles Actionfest darstellt und mich während seiner gesamten Laufzeit prächtig unterhalten hat. Ich würde gerne vermelden, dass die Schauspieler allesamt an die Grenzen ihrer Schauspielkunst gingen, in Actionszenen sich wahrlich den Hintern aufgerissen haben und das Drehbuch dem Zuschauer auf der Couch grossartige Dialoge in die Ohren wandern liess. Die Wahrheit ist jedoch, Schattenkommando ist einer der schwächsten BKracher der letzten Jahre. Die Geschichte langweilig, die technische Umsetzung langweilig, die Actionszenen langweilig, die Darsteller effektiv vor die Säue geworfen. Da können auch Dacascos, Assante, Trejo, Sizemore oder Boxleitner noch etwas reissen. Fazit: Vermeiden. Die Wahlunterlagen auszufüllen ist spannender.


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Land des Fressens, der Hoffnungslosigkeit und der Gewalt

12. Oktober 2015 Dominik Hug "Plenty of room at the Hotel California Any time of year (Any time of year) You can find it here" Bei Ankunft fühlst du dich irgendwie müde und kaputt und beim Verlassen des Flughafens steigt dir dieser beissende Chlorgeruch in die Nase. Chlor, vermischt mit anderem, Dreck oder Benzin vielleicht. Die Buschauffeurin, eine ältere dunkelhäutige Dame, hilft dir dein schweres Gepäck in ihrem klapprigen Untersatz zu verstauen. Der Bus fährt los und du kapierst zum ersten Mal, du befindest dich nach Jahren wieder auf den Strassen der Stadt der Engel. Durchschnaufen und realisieren. Auf der anderen Seite der Welt. In etwa. 10’000 Kilometer von zu Hause entfernt. Dein praktisch neuer Mietwagen jagt über die Freeways und springt im rhythmisch wie ein motorisierter Hase über die Bodenplatten. Auf den Fahrspuren und am Strassenrand liegen kaputte Reifen. Diese scheinen jedoch eher ein kleines Problem darzustellen, denn nur mit Mühe gelingt es dir dich an den Fahrstil dieses Landes anzupassen. Offensiv, beinahe Feindselig, jagen die anderen Wagen neben dir her, kämpfen mit dir um jeden freien Meter. Dein Puls beruhigt sich langsam wieder. Die Backen aufblasen, durchschnaufen, runterfahren. Du beziehst dein temporäres neues Heim. Das Hotel wirkte auf den Bildern im Internet irgendwie geiler. Einchecken, Zimmer aufsuchen, kurz chillen und zurück auf die Strasse. Dem Stress ausweichen und ab in einen Vorort. Ein gutes Restaurant aufsuchen, gemütlich mit der Freundin essen gehen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Jeden-

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falls hier, in Los Angeles, der Stadt der Hektik. Die Lokale überbewertet. Fast Food Buden überall. Selbst der angepriesene Italiener im Vorort ist nur ein billiger Thekenfrassladen. Amerika, Land des Fressens. Wir sehen die Angelenos. Arbeiter, die sich wohl gewöhnt sind, jeden Tag stundenlang im Auto zu sitzen. Menschen, die noch immer ihre Träume verfolgen, egal wie hoffnungslos die Lage doch scheint. Oder haben die meisten etwa doch innerlich bereits aufgegeben und sich ihrem Schicksal gefügt? Ist der American Dream tot und wird nur künstlich von den Medien aufrechterhalten? Amerika, Land ohne Traum? Obdachlose überall. Fast egal wo du bist, sie scheinen an jeder Ecke zu lauern. Du würdest gerne helfen, einen Dollar hier, eine Flasche Wasser da. Du traust dich nicht. Zu crazy wirkt das Szenario auf dich. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – zumindest für die, die genügend Schotter gebunkert haben. Amerika, Land der Hoffnungslosigkeit. Mord im TV, Gewalt überall. „Soll der Selbstmörder doch springen“, scheinen die geschätzt dreissig Fotografen zu skandieren, in der Hoffnung das perfekte Bild oder die perfekte Aufnahme eines an einer Brücke herumhangelnden lebensmüden Spinners zu machen, vielleicht noch während er auf dem Boden aufprallt. Amerika, Land der Gewalt. Und doch würden wir wieder zurückgehen in das Land des Amerikaners, das Land der Konsumsucht. Jederzeit. Für eine kurze Weile. Um doch immer wieder zu schätzen was wir in unserer kleinen und verschlafenen Heimat doch alles haben. Denn eigentlich wollen wir hier gar nicht weg.

Star Trek III Auf der Suche nach Mr. Spock

12. Oktober 2015 Dominik Hug Nachdem mit Star Trek II - Der Zorn des Khan die Kinosääle erobert wurden, war es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Fortsetzung erscheinen sollte, die auch direkt an den zweiten Teil anschloss. Inhalt: Nach der schweren Auseinandersetzung mit Khan kehrt die Enterprise ins Sonnensystem zurück und soll ausser Dienst gestellt werden. Die Crew trauert doppelt, ist nicht nur der kommende Verlust ihres Schiffes ein herber Schlag - auch der Verlust ihres ersten Offiziers ist noch nicht überwunden. Speziell Dr. McCoy scheint an Spocks Tod zu zerbrechen. Währenddessen erkunden Lt. Saavik und David Marcus den künstlich erzeugten Planeten Genesis und machen eine äusserst faszinierende Entdeckung. Spocks Sarg hat den Abschuss auf den Planeten an einem Stück überstanden - und ist leer. Wenig später finden die beiden dann eine junge, schnell älter werdende Ausgabe von Spock. Sein Körper scheint sich auf dem GenesisPlaneten zu regenerieren. Verfolgt von einem klingonischen Trupp, welches hinter dem Geheimnis des Genesis-Projekts ist, müssen die drei versuchen zu überleben bis Hilfe eintrifft. Doch der Mutara-Sektor wurde leider zur verbotenen Zone erklärt. Wirklich ein Hindernis für Kirk und seine Crew? Spock am Ende von Star Trek II sterben zu lassen war ein riskantes Unterfangen. Zum einen war dies erwünscht vom Schauspieler Leonard Nimoy, der einfach keinen Bock mehr hatte ewig mit dem Halbvulkanier verglichen zu werden. Jedoch für zukünftige Trek-Abenteuer war Spocks Tod (zumindest zu diesem Zeitpunkt) ein

Bremsklotz, war Nimoys Figur wohl die beliebteste der alten Kirk-Crew. Kein Wunder, versuchten die Produzenten alles um Nimoy zu überreden Spock zu "reaktivieren". Das Ende von Star Trek II wurde mit einigen Nachdrehs so konzipiert, dass die Türe für Spocks Rückkehr offen stand. Jedoch wollte Nimoy noch ein wenig mehr und übernahm so die Regie für das dritte Kinoabenteuer des Raumschiffs Enterprise. Star Trek III beginnt wohl nur wenige Tage nach dem Ende des zweiten Teils. Die Mannschaft wirkt Müde und das Schiff ist schwer gezeichnet vom Kampf gegen Khan und Dr. McCoy wirkt, als stünde er am Rande eines Nervenzusammenbruches. Die Hiobs-Botschaft der Verschrottung der Enterprise wirkt sich auch nicht wirklich positiv auf die Gefühlslage der übrigen Crew aus. Scotty wurde auf die neue Excelsior versetzt. Jeder normale Ingenieur freut sich eigentlich über so eine Beförderung. Nicht Scotty, der für seine alte Enterprise alles machen würde um sie vor der Verschrottung zu bewahren. Im Vergleich zu Star Trek II geht dieser Film zu Beginn weniger kriegerische Wege. Nachdem Kirk von Spocks Vater Sarek erfahren hatte, dass Spocks Geist "zwischengespeichert" in McCoy noch existiert, nimmt der Film fahrt auf. Kirks Diebstahl der Enterprise wurde spannend inszeniert und ist ein erstes Highlight. Die Excelsior verkam jedoch in diesem Streifen zum Objekt des Humors, wohl auch dank ihres sehr überzeichneten Captains. Der klingonische Commander Kluge, gespielt von Zurück in die Zukunft-Star Christopher Lloyd, kann man getrost als fieses Arschloch bezeichnen. Zwar hat er nicht

die epische Grösse eines Khan, wirkte jedoch immer noch fies genug, um beim Publikum herrliche Hassgefühle entstehen zu lassen. Davids Tod war als ein erster kleiner Schock für das Publikum gedacht. Der Sohn des Kirk, der kann doch eigentlich gar nicht draufgehen. Doch, kann er. Und William Shatner hatte daraufhin seine wohl beste Kirk-Szene ever abgerufen. Kirks Reaktion, nachdem er vom Tode seines Sohnes erfahren hat, wie er schwankt und vor Schock zu Boden geht, ist eine starke Leistung von Shatner. Well done. Die Zerstörung der Enterprise gabs ebenfalls zu bewundern. Das geliebte Schiff explodieren zu sehen muss für die Hardcore-Trekker damals schon ein herber Schlag ins Gesicht gewesen sein. Das Filmende mit Kirk und seinen Mannen, mit einem Bird of Prey fliehend vom zerfallenden Genesis-Planeten war okay. Jedoch, die Planetenoberfläche wurde mit sehr wenigen Mitteln dargestellt. Dies war leider mehr als nur offensichtlich und wirkte stellenweise sogar sehr peinlich. Immerhin konnte Kirks Kampf mit Kruge relativ überzeugen. Sehr passend wurden jedoch wiederum die Szenen auf Vulkan dargestellt mit einem für Star Trek wiederrum sehr typischen und positiven Ende, welches das Tor zum vierten Teil bereits weit aufstiess. Fazit: Star Trek III ist ein ordentlicher Star Trek-Streifen. Regisseur Leonard Nimoy machte fast alles richtig und gab Shatner den nötigen Freiraum, den er sich wohl auch sonst geholt hätte. Die Enterprise zerstört, Spock zurück, ein Kriegsgerichtsverfahren im Anmarsch, ein grossartiger vierter Teil musste her.


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Die ZVV-Ticket-App: Praktisch, wenn man nur eine Hand frei hat. Einzelbillette und Tageskarten einfach und schnell kaufen.


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VON DER KELLNERIN ZUR MILLIONÄRIN Was magst du an den USA? Und was nicht? Man ist frei. Frei im Geschäftemachen, frei persönlich zu sein wie man möchte. Wenn man Mut, Ideen und Arbeitswillen hat, gelingt einem hier alles. Gleichzeitig haben wir ein „Nanny Country“. Uns wird vorgeschrieben welche Glühbirnen wir zu benutzen haben und welche Flaschengrösse von Softdrinks wir kaufen dürfen. Woher kommt deine Passion für Mexiko? Du hast eine authentische mexikanische Ranch, dann das populäre mexikanische Restaurant LULA Cocina Mexikana?

28. Oktober 2015 Jelena Keller Diese Irin ist die Verkörperung des Amerikanischen Traums. Vor 40 Jahren mit 300 Dollar, nach Los Angeles gekommen, hat Geraldine Gilliand heute über 70 Angestellte und geht diversen Geschäftsfähigkeiten nach, die, wie sie sagt, allesamt ungeplant gewesen seien. Sie besitzt mehrere Restaurants, darunter das in Santa Monica bekannte mexikanische Lula sowie ein Irish Pub namens Finn McCool’s, dessen Interieur sie aus Irland einschiffen liess. Auf ihrer wunderbaren authentischen mexikanischen Ranch in den Malibu Canyons veranstaltet sie Charity Events, Hochzeiten, beherbergt Airbnb Gäste und kümmert sich um vom Tode bedrohte Hunde. Auf der Ranch lebt ein älteres Ehepaar sowie ein Restaurant Mitarbeiter, die ihre Häuser verloren hatten. Im Pub arbeiten irische Studenten, die sie mittels Sponsoring zum Austausch holt und ihnen eine bessere Zukunft ermöglicht. Zurückzugeben sei nötig für den Erfolg, sagt sie. Für all das brauche man aber überhaupt nicht gut in der Schule zu sein. „Street Smart“ reiche da völlig aus. Worauf sie besonders stolz ist? 2015 wurde sie von der vorherigen irischen Präsidentin Mary Mc Aleese zur „Irishwoman Of The Year“ ausgezeichnet. Überreicht würde ihr die Auszeichnung am St. Patrick’s Day an der grossen Gala des irischen Konzils. Wieso bist du vor 40 Jahren in die Staaten gekommen? Ich war in den 70ern Hauswirtschaftslehrerin in Irland. Es war Winter und eiskalt wie immer, die Wände waren schimmlig. So sassen wir herum: Zwei andere Lehrerinnen und ein Musiker, wir sagten uns: „Wir müssen nach Amerika diesen Sommer“. Wir sparten genug Geld für einen zweimonatigen Greyhound Bustrip durch die Staaten.

Ich kam in Santa Monica an und wusste, dass ich bleiben wollte. Das Wetter, die Happy Hours mit Gratisessen und Gratisdrinks (lacht). Die anderen flogen nach unserem amerikanischen Abenteuer zurück, aber ich blieb. Dazu muss ich noch sagen: Im damaligen Irland hatte eine Frau genau vier Möglichkeiten im Leben: Hausfrau, Lehrerin, Nonne, Krankenschwester. So wollte ich aber nicht sein. Wie waren deine Anfänge in Kalifornien? Ich blieb also mit fast keinem Geld und einem Rucksack in Santa Monica. Da ich niemanden kannte hier, keine Bekannten oder Familie hatte, musste ich an Türen klopfen um Jobs zu bekommen. So briet ich Hamburger in einem Fast Food Laden, schöpfte Eis, arbeitete in irischen Bars und Shops. Irgendwann bekam ich meinen ersten Job als Kochlehrerin für indische Küche. Ich unterrichtete in Kaufhäusern und wurde dann von vielen damals in LA aufkommenden Gourmet-Kochschulen angefragt um dort zu unterrichten. Ich entschied so hart wie möglich zu arbeiten und machte mir innerhalb von zwei Jahren einen Namen als gute Lehrerin und Köchin. Bis 1984 unterrichtete ich und machte Catering. Dann kam das erste Restaurant. Es war so, dass meine Kochschüler gesagt hatten, dass sie, falls ich je ein eigenes Restaurant eröffne, investieren würden. Und sie taten es. Ich hatte 20 Investoren und eröffnete mit einem Startkapital 200.000 Dollars, was auch damals nichts war, mein erstes Restaurant. Theodor, mein verstorbener Mann, den ich kurz davor kennengelernt hatte, führte 20 Jahre lang einen Antiquitätenladen an der Main Street in Santa Monica. Er kannte dieses Gebiet gut und fand meine erste Lokalität.

Ich habe in den 90ern in einem Kochmagazin über zehn der einflussreichsten mexikanischen Köchinnen gelesen. Dies waren allesamt wohlhabende Frauen, die zurück in die Gesellschaft wollten und deshalb eine Organisation gegründet hatten, die jungen, armen Frauen das Kochen beibrachte, damit diese in Restaurants arbeiten durften. Frauen wurden damals nämlich nicht so gut ausgebildet wie die Männer. Besonders Lula Bertran hatte mich in ihren Bann gezogen. So flog ich dorthin um ihr Handwerk der wahren mexikanischen Küche zu erlernen. Sie wurde meine Mentorin. Du siehst sie hier auf dem grossen Bild. (zeigt auf grosses Gemälde, in der Mitte Lula, rechts Geraldine, links der Chefkoch von Lula Cocina Mexicana) Ich flog dann oft nach Mexico um auch bei anderen Köchen zu lernen und entwickelte so immer mehr eine Leidenschaft für Essen, Land, Leute. Besonders die Kultur hatte es mir angetan mit ihrer Integration der Toten, der Mystik, die eng verbunden ist mit dem Katholizismus aber auch das Heidentum. Die Kruzifixe und Totenköpfe, die ganze Chicano Art. So etwas ist doch einmalig. „Dia de los muertos“. Statt einer Trauerverantstaltung, ein farbenprächtiges Volksfest. Fantastisch.

Hattest du jemals eine Vision für deine Geschäfte? Nein. Ich habe immer getan was ich mochte und habe genommen, was sich mir angeboten hat. Es war eine Aneinanderreihung von Zufällen und unsere Wahrnehmung dieser, die mich hier hingebracht haben. Und die Bereitschaft Risiken einzugehen. Bei all den Tätigkeiten, denen du nachgehst, brauchst du auch ein grosses Team, das dich unterstützt. Wie findet man vertrauenswürdige Mitarbeiter?

Ich hatte unehrliche Leute, keine Frage. Meistens sind es die Menschen mit guten Positionen, denen man am Meisten vertraute, die einen betrügen. Im Grossen und Ganzen hatten wir Glück, wenige Wechsel und viele langjährige Mitarbeiter. Wie etwa die drei Chefköche, die über 25 Jahre dabei sind. Früher war es ein Cash Business, heute mit all den technologischen Mitteln, ist es schwieriger geworden zu klauen. Ich kriege zum Beispiel eine Benachrichtigung auf meinem Mobiltelefon, wenn etwas Ungewöhnliches passiert. Wie etwa, wenn ein Trinkgeld von 100 Dollars gegeben wird bei einer Rechnung von 10 Dollars. Es gibt viele Wege unehrlich zu sein in einem Restaurant, aber ich würde sagen wir haben grossartige Systeme und können den Schaden minimieren. Wie kam die Idee eine Ranch zu bauen und Hunde zu retten? Ich wohnte mit meinem Mann im Topanga Canyon. Wir hatten drei Hunde. Eines Tages kam ich nach Hause und sah diese kleinen Beagle Welpen, die überall herumrannten. Sie waren dreckig und nass und hatten kein Namensschild, eines hatte ein gebrochenes Bein. So brachten wir es zum Tierarzt, der uns sagte, dass meine Nachbarn schon dagewesen waren, die Summe von 180 Dollars nicht bezahlen wollten um das Bein einzugipsen. Also nahmen wir die Welpen zu uns und hatten ab da ein Platzproblem. Das Weibchen mit dem gebrochenen Bein tauften wir Chiquita und benannten unsere Ranch Rancho de Chiquita, die ab da unter anderem als Tierheim für vom Tode bedrohte Hunde fungierte seit mich eine Freundin darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Beagles oft in Tötungsstationen landen. Wovor sind die Hunde bedroht? Was viele nicht wissen: In Kalifornien werden Beagles für kosmetische Tests benutzt. Sobald sie ausgemerzt und krank sind, werden sie getötet. Man benutzt bevorzugt Beagles weil sie schnell verzeihen und bedingungslos lieben, somit einfacher zu handhaben sind. Ich arbeite mit dem ARME’s Beagle Freedom Project. Unser Ziel ist es Hunde aus den Tötungsstationen zu befreien und gegen das Gesetzt zu kämpfen, sodass sie nicht mehr umgebracht werden dürfen. Das Beagle Freedom Project hat auch eine kostenlose App namens „Cruelty Cutter“, mit der man während des Einkaufs mittels Barcode einfach herausfinden kann ob Kosmetikprodukte an Tieren getestet wurden. Als ihr die Ranch zu einem Teil gebaut hattet, starb dein geliebter Mann. Es war Weihnachten 2003. Am Weihnachtsabend fühlte er sich nicht gut, weshalb wir einen Arzt aufsuchten. Man brachte ihn sofort in das Krankenhaus, wo man ein Computer Tomographie seiner Arterien und seines Herzens machte. Ich blieb bis Mitternacht. Weil es stark regnete und niemand bei den Tieren war, ging ich nach Hause. Um 3.00 Uhr morgens erhielt ich die Nachricht, dass er verstorben war. Einfach so. „Er hatte noch zu mir gesagt: „Babe, ich habe das Gefühl, dass ich heute sterben werde.“ Und ich sagte: „Sei nicht albern, es ist nur ein CT.“ Er hatte eine Kardiomyopathie, ein vergrössertes Herz. Man hatte nichts mehr tun können. Wie macht man weiter nach dem Tod eines geliebten Menschen? Wie findet man Sinn darin das Business weiterzuführen? Du wirkst heute sehr glücklich.

Dafür lohnt es sich wohl wieder aufzustehen. Den ersten Monat war ich völlig taub und benebelt. Ich war zu nichts fähig. Aber dann holen dich die Papiere ein. Das unfertige Haus, die Restaurants, die Verträge, die Mitarbeiter, die auf dich zählen und von dir abhängig sind. Ich hatte keine andere Wahl als weiterzumachen. Ich fokussierte mich also auf all meine Kraft und stand auf. Was ist der „Key To Happiness“? Immer etwas zurückgeben, egal wie erfolgreich man ist. Alltägliche, kleine Dinge wahrnehmen. Gestern war einer meiner langersehnten freien Tage. So sass ich auf der Terrasse meines wundervollen Hauses mit meinen Hunden und einem wunderbaren Buch, einer Flasche Wein und ich dachte: Es stimmt alles. Alles ist an seinem Platz. Was hältst du von den Bio-vegan-glutenfrei-Rohkost Trends? Ich glaube dass sich der Veganismus bleiben wird. Auch als nicht-Veganerin mag ich die neuen Geschmäcker, die Diversität und Ideen, die die Vegane Küche mit sich bringt. Immer mehr Menschen werden Veganer. An Rohkost glaube ich nicht, da für die Meisten schwierig durchzuziehen. Der glutenfrei Trend hat seine Spitze erreicht. Hat man keine ernsthafte Erkrankung, ist das doch lächerlich. Es handelt sich bloss um ein Protein im Weizen. Bio wird sich auch halten. Die Menschen achten immer mehr auf die Qualität des Essens und sind auch bereit mehr dafür zu bezahlen. Was gibst du jungen Unternehmern mit auf den Weg? Mein Onkel und mein Grossvater waren erfolgreiche Geschäftsmänner. Sie sagten immer: „Egal wie viel Geld du auf der Bank hast – arbeite hart, keep your friends close and your enemies closer, sei nicht naiv, egal was du verkaufst, du verkaufst immer auch dich selbst. Andere teilhaben lassen am Erfolg, Gutes tun, helfen. Man muss auch verzichten können. Es erstaunt mich immer wieder, wie diese jungen Kids denken im Leben kriege man alles geschenkt. Wir haben beispielsweise 356 Tage offen und brauchen Mitarbeiter, die hier sind. Die Kids gehen dann lieber an ein Konzert statt zuverlässig zu sein und verlieren dann halt ihren Job. Kurzfristiges Denken und Erfolg gehen nicht Hand in Hand. Noch was: Ihr müsst nicht zwingend gut sein in der Schule. Ich war nicht gut. Meine beste Freundin Maraid Whyskers übrigens auch nicht, die heute die erfolgreichste irische Designerin ist. „Street Smart“ sein reicht vollkommen aus.


Foto: Marco Felix


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Juni 2014

bisschen reden mit Bobby «Pantichrist» butler Donnerstag, 15. Novmber 2015 Von Rainer Kuhn Das ist wieder eines der Interviews, die einfach irgendwo anfangen und dann irgendwo wieder aufhören, keine eigene Dramaturgie hat also, sondern eher so ein Ausschnitt aus einem Gespräch darstellt. Als hätte man eine Zeit lang in der Beiz daneben gesessen und dann gehen musste, weil man sonst den Zug verpasst hätte.

Rainer: Ich glaub, das ist das Elende an all dem digitalen Scheiss: Dass wenn Du all die Kanäle nicht andauern abcheckst, Du das Gefühl hast, Du verpasst etwas. In Wahrheit ist es so, dass während Du Dich im digitalen Leben befindest, Du das analoge Leben verpasst, oder nicht?

Ja, früher, ging man auf Tournee, um Promo für die Platte zu machen, die man dann im Plattenladen kaufen konnte. Jetzt ist es das Gegenteil. Zudem machst du heute alles selber. Du bist das Label, der Booker, der Tourmanager, alles selber. Bezüglich Digitalisierung bin ich eher romantisch und habe ja noch einen kleinen Plattenladen. Die Leute kommen rein, hören sich Vinyl an und finden es super, würden es gerne kaufen, aber sagen dann: Hab leider keinen Plattenspieler. Dann verkauf ich ihm halt noch einen Plattenspieler. Der kostet auch nicht mehr die Welt. Vinyl wird ja wieder mehr verkauft, da wächst eine neue Sensibilität heran, wobei: Die VinylPlatten, die wieder neu aufgelegt in den Läden sind, sind Sachen wie Boston oder ELO oder so, nicht Beyoncé.

Bobby: Ja natürlich. Aber Du hast ja jetzt eine Siebdruckerei gekauft. Was machst Du eigentlich sonst noch so? Grafiker? Musiker? Ja, zudem Siebdruck und Radio. Ich hatte auf Piratenradio.ch die letzten 5 Jahre eine eigene Sendung. Das ist eine coole Station. Vorher habe ich in Bern 6 Jahre lang analoges Radio gemacht. Aber Radio hat sich ja auch verändert. Die Jungen sitzen nicht mehr vor dem Radio und hören hin, sie hören Musik über ihr Handy. Ich mach das selber ja auch. Als ich aufgewachsen bin, war es so, dass man herausfinden musste, welche Station spielt am ehesten noch den Sound, der einem gefällt. Und viel Auswahl war da nicht. Wir hatten Ö3, SWF3, und die Schweizer Hitparade am Sonntagabend. Viel mehr war da nicht. Dann kam das Privatradio und alle dachten: Super, jetzt wird alles besser. Und heute? Werbung, Zuhörerspielchen, Konzernkonserven. Bei allen dasselbe. Dann kam der ipod und solche Sachen und Du wurdest unabhängg von den Stationen. Beim Fernsehen ist es ja ähnlich. Ich kenne keinen in meinem Umfeld, der noch Fernsehen schaut.

Boston kannst Du ja auch dreimal kaufen. Die wird auch beim dritten Mal kaufen nicht besser. Es ist ja auch eine Kultur, wie man damit umgeht. Du hast eine grosse Hülle, greifst sachte rein, holst die schwarze Scheibe sorgfältig raus, und zwar so, dass du keine Abdrücke hinterlässt ... ... ja, genau, das ist eine richtige Erfahrung, man nimmt sich Zeit, kein Handygefummel dazwischen, man geht in den Plattenladen, hört sich die Songs zu Ende, ohne zu zappen, es ist ein Gefühl. Ich rede viel mit Leuten über Musik. Die meisten haben zehntausende Songs auf der Playlist, aber sie hören nicht einen ganz bestimmten Song, weil sie den jetzt grad hören wollen, sondern, weil der halt grad kommt. Dazwischen noch eine SMS oder Whatsapp-Nachricht, Mail checken, nächster Song shuffeln, so. Wenn ich Musik höre, dann gehe ich nach Hause, drehe mir einen grossen Joint, schalte das Handy aus, lege die Platte auf, die ich hören will und tauche in eine andere Welt ein. Das machen die Leute heute auf der Strasse, hat ja mittlerweile jeder Fussgänger ein Kopfhörer an. Die flüchten auch in eine andere Welt.

Apple TV? Nein, das habe ich nicht, ich bin ein Pirat. Ich lade die Filme runter, die ich sehen will. Komm, Du bist auch Künstler, Du kannst das doch nicht unterstützen, oder doch? Zum Beispiel Napster. Als das kam, ging ich auf die Site und habe meine Bands gesucht. Ok, kannst alles von Elvis finden. Aber eben auch alles meiner alten Bands. Gratis. Seither bin ich selber Pirat. Meine Musik ist ja auch gratis geworden. Aber als Musiker ist es ja schwierig geworden, wenn keiner mehr Deine Musik kauft. Genau. Du musst heute möglichst viele und gute Konzerte spielen. Aber auch da. Bekommst vielleicht 500.- und teilst das mit der ganzen Band ... ... und hast einen guten MerchandisingStand mit coolen Sachen, und machst dort auch noch was ... Lustig ist doch, dass die ganze Digitalisierung die Musik wieder Analog gemacht hat. Vielleicht nicht für die Weltspitze, aber für alles darunter schon.

Ich frage mich: Wovor flüchten die denn? Musste ich früher auch so permanent in eine andere Welt flüchten? Nein, ich musste nicht. Vielleicht hat das mit den Reizen zu tun, denen man 24 Stunden am Tag ausgesetzt ist. Vielleicht muss man sich einfach schützen und das tut man dann mit seiner Musik aus seinen Kopfhörern. Oder sind einfach alle auf ihrem Ego-Trip und es interessiert sie gar nicht mehr, was um sie herum abgeht? Heute hast Du ja fast keine „eigene Welt mehr“. Mit den sozialen Medien bewegst Du Dich mit dem Lesen von anderer Leute Posts praktisch immer in deren Welten. Und wenn Du das grad nicht machst, dann pimpst Du Dein Profil und bist auch nicht unbedingt in Deiner Welt, sondern baust eine, in der Du für alle anderen möglichst gut aussiehst. Deine eigene Welt ... viele haben gar keine eigene Welt mehr... oder wissen nichts davon. Woran liegts? Falsche Erziehung? Nein, die Eltern sind nicht schuld. Die Kinder sind auch nicht schuld. Die Zeit, in der wir leben ist schuld. Heute stand ich an einer Busstation. Und niemand wollte mir in die Augen schauen. Jeder schaute in sein Telefon.

Ja, sie chatten grad mit jemandem, der nicht da ist. Aber dabei sind sie ja sehr intim. Sie texten und posten Sachen, aber haben Angst, mit jemandem live zu kommunizieren. Es ist einfacher, ein „like“ zu setzen, als „hallo“ zu sagen. Ich bin ein Romantiker, sagte ich schon, wenn ich raus gehe, dann lasse ich mein Telefon zuhause, dann geh ich raus, sehe den Herbst, die Bäume, die Farbe der Blätter, wie sie sich ändern, für mich sind diese Sachen „like“, „like“, „like“ ... das ist Leben, ich kann es sehen, ich kann es riechen ... Die Befreiung läuft heute eher in die entgegengesetzte Richtung. Wann kam der Fax? Vor 25, 30 Jahren vielleicht? Gibt’s ja heute kaum mehr. Wer faxt denn noch? Oder CD’s. Hat man zwar auch noch, aber als Speichermedium ists überholt. Es ändert sich alles so schnell, alles wird dabei so normal und selbstverständlich, auch, dass man gar nicht mehr Sorge tragen muss, in zwei Jahren kommt eh wieder was neues. Langsam fängt man an zu merken, dass das alles Zuckerwatte ist, weißt Du? Ein rosarotes Riesending um einen Holzstängel, und wenn dus in den Mund nimmst, machts „Fluff“, da ist ja gar nichts gewesen, und Du hast immer noch Hunger danach. Ich glaube, das merkt man dann halt irgendwann, und dann musst die die analoge Welt wieder entdecken, so wie man damals die digitale Welt entdeckt hat. Es gab immer wieder kleine Sensationen. Die verschiedenen Farben der Blätter im Herbst kann dann eben auch so eine sein. Je mehr man sich von Programmen oder Computern abnehmen lässt, desto mehr gibt’s Du auch die Kontrolle über Dein Leben ab. Man merkt zunehmends, dass man keine Macht mehr über nichts hat. Nicht einmal über Deine Musik hast Du Macht. Sie gehört dir ja nicht einmal mehr wirklich. Du leihst sie nur aus. Eine Schallplatte gehörte Dir. Da warst Du stolz drauf. Ich habe in meinem ganzen Leben nur positive Erfahrungen mit analoger Musik gemacht. Ich bin Jahrgang 66. Wir hatten eine andere Kultur rund um die Musik. Du wusstest, eine Platte kommt in zwei Wochen raus, Du hast dem entgegengefiebert, bist dann an dem Tag in den Plattenladen gegangen, wenn Du Pech hattest, waren die 3 Platten, die der Laden eingekauft hat bereits weg und Du musstest sie bestellen und nochmals eine Woche warten. Dieses darauf hinfiebern, und wenn Du sie dann hast und damit nach Hause gehst, es kaum erwarten kannst, es aber nochmals 15 Minuten dauert, bis Du zuhause bist, und dann braucht zuerst noch die Katze Futter, dann legst Du sie auf den Plattenspieler und nimmst den Arm und setzt die Nadel vorsichtig vor dem ersten Song ab. Und wenn es dann auch wirklich eine gute Platte war, dann war das eine Woche lang Deine Platte, oder einen Monat, dann hattest Du nichts anderes gehört. Das alles gehörte dazu. All diese Umständlichkeiten, wie man sie heute benennen würde, waren Teile eines Rituals: Musik zu kaufen und zu hören. Und mit diesem Ritual verbunden, ganz viele Gefühle, Erlebnisse, Höhepunkte.. Die stellen sich nicht ein, wenn man einoder zweimal mit der Maus klickt. Die Musik selber hat sich ja nicht unbedingt verändert. Ok, die Lyrics sind schlechter geworden, aber früher war auch nicht alles Bob Dylan. Ich meine, die Musik, das worums geht, ist immer noch dasselbe, nämlich Musik. Aber alles drumherum hat sich verändert. Hat es schon immmer. Und wird es auch immer. Die Art der Produktion, das Übermitteln des Songs vom Musiker zum Hörer, der Umgang damit.

Ich habe heute mehr Freude daran, Tobey Lucas im Stall 6 oder Bob Spring im Bogen F hören zu gehen, als Bon Jovi im Hallenstadion. Mir gefällt es, wenn das Drumherum um die Musik ein bisschen intimer und sinnlicher ist. Und ja, das ist wahrscheinlich auch eher eine romantische Sichtweise.

Es gibt ja zwei Möglichkeiten. Entweder machst du alles selber, weil du aus der Not eine Tugend machst, weil du kein Geld hast um all die Leute zu bezahlen, die es besser können, dann musst du es halt selber machen, oder du machst alles selber, weil du denkst, ausser dir checkt eh keiner, was du willst. Wie ist das bei Dir?

Ja, Local Bands in kleinen Clubs. That’s it. Wobei, ich bin dieses Jahr zum allerersten Mal ins Hallenstadion gegangen. KISS. Ich bin nicht unbedingt ein KISS-Fan, aber ich wurde eingeladen, VIP-Tickets, und ... wow! ... ok, das war für mich eine neue Erfahrung, weil ich gehe nicht oft an Konzerte auf grossen Bühnen, und wenn, dann bin ich eher so eine VIP-Tussi, ich hasse zu grosse Menschenmassen, 10'000, 50'000, da werde ich nervös, bekomme Platzangst, darum. Ich gehe mindestens zweimal pro Woche in Musikclubs, Bern ist ein grosses Dorf mit einer unglaublichen Musikkultur ...

Von beidem etwas. In Bern gibt es so viele gute Musiker. Ich bin draussen, treffe einen, frage ihn, was er denn so mache, und schon bin ich bei ihm im Übungsraum und wir jammen. Wenn du Single bist und Sex suchst, gehst du vielleicht in einen Club und suchst dir was, das funktioniert genau gleich, wenn du Musik suchst, du gehst in eine Bar und innert zehn Minuten bist du im Gespräch mit Musikern.

... angefangen mit den Berner Troubadouren damals, oder Rumpelstilz ...

Was druckst Du hauptsächlich?

... richtig. Es hat so viele gute Bands bei uns, viele kleine Szenen, aber die kommen alle zusammen ... ... erleb ich hier in Zürich auch, man tauscht sich aus ... ... ich kann auch nicht nein sagen, wenn jemand kommt und mich um meine Unterstützung bittet, obwohl ich nicht wahnsinnig viel Zeit habe, aber ich machs gern, es geht um den Spirit. Für meinen Video-Clip suchte ich Material, ich wollte Surfer-Aufnahmen, die noch wirklich mit einer 8mm-Kamera gefilmt worden sind, kein High-Speed, keine GoPro, ich hab dann einen gefunden in Italien, David Pecchi, einer der alten Garde der italienischen Surfszene, er schickte mir tonnenweise Filmaufnahmen, wollte kein Geld, er meinte: „Look, i’m not interrested in money, i’m interested in helping good people making good stuff...“. Grossartig, oder? Ich hatte meine erste Platte Mitte Siebziger gemacht. Seither arbeite ich für die Musikszene, obwohl du dabei nicht wirklich Geld verdienen kannst. Aber es gibt halt nichts Grösseres, es gibt dir diese Energie, die bekommst du sonst fast nirgends. Als was verstehst Du Dich denn so in erster Linie? Immer zuerst als Mensch. Aber Du machst so viel, Bist Du Musiker? Oder Siebdrucker? Oder Grafik-Designer? Oder willst Du Dich gar nicht definieren? Ich bin alles von dem. Ich mache Sachen für die Musikszene, mache meine eigene Musik, produziere für andere, mache auch Mastering, schreibe Songs, ich liebe alle diese Bereiche, ich will mich da nicht einschränken müssen, das würde mich langweilen. Und die verschiedenen Bereiche befruchten sich ja auch gegenseitig. Bei der Arbeit an einem Projekt lernst du vielleicht was, das du in einem anderen Projekt brauchen kannst. Kann auch sein, dass Du ein Kontroll-Freak bist? Ja total.

Reden wir über Deine Siebdruckerei. Wie läuft die so? Die läuft richtig gut. Ich wäre jetzt besser dort als hier, weil ich soviel Arbeit habe.

Hauptsächlich Shirts. Und verschiedene andere Sachen für Freunde. Vor zehn Jahren habe ich viele Plattenhüllen gemacht. Aber der Aufwand ist ziemlich gross, das lohnt sich kaum. Von meiner neuen Platte hab ich 500 Vinyl-LP’s gemacht. Wenn die verkauft sind, mach ich wieder 500. So ist es für mich kalkulierbar. Schritt für Schritt halt. Vinyl hat ja auch was mit Romantik zu tun. Es ist auch ein State of Mind. Derselbe, der Vinyl kauft, kauft auch Hardcopy-Bücher. Man will es in den Händen halten können. Nicht auf einem Bildschirm durchscrollen. Auf jeden Fall. Musik war schon immer da. Der Träger und der Vertrieb hat sich geändert. Mit jeder Änderung wurde eine noch bessere Qualität versprochen. Auch bei den CD’s. Heute wissen wir, sie haben uns angelogen. Die Qualität einer VinylLP ist halt einfach besser als die einer CD. Da hab ich gemerkt: Aha, es geht nicht um die scheinbar bessere Qualität, es geht darum, dass die Marge bei CD’s grösser ist. Ich habe vor ein paar Jahren all meine CD’s abgespitzt und auf dem Flomi verkauft. Meine zwei Kisten Vynil-Platten aus meiner Jugend würd ich nicht verkaufen wollen. Und erst recht nicht digitalisieren. Ich hab mal eine Plattentaufe gemacht. Aber wir hatten Probleme mit der Pressung und die Lieferung ist nicht rechtzeitig zum Konzert eingetroffen. Da kam so ein junger Typ nachher, der meinte: „Hey, das ist doch eine Plattentaufe, oder? Da musst Du die Platte doch hier haben!“. Ich sagte, tut mir leid, aber Du kannst jetzt einen Gutschein kaufen und nächste Woche vorbeikommen, dann bekommst Du sie. Er so: „Bist Du wahnsinnig? Deswegen bin ich heute ja hier. Ich hab ein paar Eurer Songs im Internet angehört. Und jetzt will ich die Platte kaufen!“ Ich hab ihm dann eine der fünf Testpressungen gegeben. Hab gesagt, „ok, nimm die, Du musst mir nichts bezahlen, nimm sie einfach.“ Ich dachte, einer, der diese Kultur noch so richtig lebt, den darf ich jetzt nicht enttäuschen. Mehr von Robert Butler hier: misterbutler.ch ilovetheshit.bandcamp.com facebook.com/ilovetheshit



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Dezember 2015

WIR MÜSSEN IM GOTTVERDAMMTEN PARADIES GELANDET SEIN 24. November 2015 Christian Platz Schon kurz nachdem ich mir am späteren Morgen den Traumschleim aus den Augen gewischt habe, erlebe ich den ersten bemerkenswerten Moment. Normalerweise dröhnen dort draussen, in der feindseligen Welt vor meinen Fenstern, Türen, meinen schützenden Wänden, um diese Zeit schon die Presslufthämmer und Bohrmaschinen los. Metallsägen singen ihr unignorierbares Lied dazu. Wie die Sirenen des Inferno. Heute ist es hingegen ruhig… Nein, nicht ganz, ich höre dezente Flötenklänge. Oder sind es Synthesizer? Oder elektrische Gitarren? Mit ganz und gar exotischen Effektgeräten zwischen Instrument und Röhren-Amp? – Oder vielleicht sogar von hinten in den Amp hinein gestöpselten Effekten? Jedenfalls handelt es sich um Klänge, deren Frequenzen eine angenehme Stimmung verbreiten. Beruhigend. Aber durchaus auch beschwingt. Freundlich. Aber durchaus auch ein bisschen absurd und humoristisch. Harmonisch. Aber eben auch ein klein wenig gefährlich erotisch. Eine ideale Mixtur fürwahr. Ich wundere mich, braue meinen grossen bösen Morgenkaffee. Ich giesse das dickflüssige Schwarze nun in meine mächtige Tasse, auf der folgendes Zitat prangt: „But if we are without a narcotic, an unbreathable void reveals itself.“ * Ich nehme den Kaffee sowie ein frisches Päckchen Zigaretten… Ich muss den Tag einfach mit einem frischen Päckchen beginnen, deshalb rauche ich ein angebrochenes nächtens immer leer, bevor ich ins Labyrinth der Träume hinabsteige. Ich nehme also den Kaffee und die Fluppen mit an den Tisch, auf dem mein Laptop liegt. Setze mich, klappe mein elektronisches Fenster zur Welt auf. Wie jeden Tag – ach, und die Tage vergehen so schnell. Allzuschnell. Ich begebe mich nun auf die üblichen Internetseiten. Warum positioniert man eigentlich alles oben, was im Computer steckt – in der mentalen Geographie? Man könnte doch auch sagen: Ich begebe mich in die üblichen Internetseiten hinein. Jedenfalls – what the fuckin’ heck? – nur erfreuliche Meldungen flimmern über den Bildschirm, statt der üblichen Hiobsbotschaften, schöne Bilder, prickelnde Spannung: Steely Dan veröffentlichen heute ein neues Studio-Album, meine KULT-Geschichten werden verfilmt, der 82-jährige Tinto Brass – eines meiner persönlichen Idole – wird Regie führen, Andreas Kloppmann fertigt jetzt auch Mini-Humbucker, die ich in meine Vintage Firebird einsetzen lassen kann, Martin Scorsese hat einen fünfstündigen Dokufilm über die Geschichte von The Band gemacht, mein Lieblingsroman „Earthly Powers“ von Anthony Burgess ist in einer, bislang unbekannten, tausend Seiten längeren Version aufgetaucht und erschienen. Die neue Collection von Trashy Lingerie ist noch umwerfender als alle vorherigen zusammen. Wow. Und Kenneth Anger hat jetzt tatsächlich „Histoire d’O“ verfilmt, dreistündig, sein altes pet project; mit 88. Morgen Nachmittag läuft der Streifen im Studio Central an. Zudem mag mich Aureola offenbar doch (noch), wenn ich jenen digitalen Hinweis korrekt interpretiere. Nun schreite ich ins Badezimmer, wo es heute ausserordentlich gut riecht. Danach begebe ich mich zum Kleiderschrank. Wie ich diesen schwungvoll öffne, in meinen Hemden, sweat shirts, Pullovers zu wühlen beginne, entdecke ich – tief unten, im Kastenfuss – ein ver-

gessenes Päckchen. Gar nicht mal so klein das Ding. Ich öffne es und finde einen Riesenbrocken schwarzen Afghanen, schön in Plastik eingeschweisst. Von Profis vakuumiert. Ausreichend für mindestens drei Monate. Möglicherweise vor einiger Zeit, nach einer Amsterdam-Fahrt, in totaler Amnesie… …ich weiss es echt nicht mehr. Ein Geschenk aus dem Nichts sozusagen. Das Schwarz, das Grau, das Feldgrün, das verwaschene Blau, die Farben meiner Klamotten wirken heute ausnahmsweise so ausserordentlich ansprechend. Als hätte das Ariel-Gespenst Klementine hier über Nacht gewirkt. Jetzt muss ich aber raus, den Schutz meines Logis verlassen, alle Türen sind mit mehreren Schlössern gesichert, haben Metallverstrebungen, überall in mei-

ich ihm Rechnungen, Mahnungen, Drohungen. Heute enthält er allerlei bunte Päckchen und Briefchen, Einladungen zu ausschweifenden Festen, Liebesgrüsse aus Moskau, einen zutiefst erlösenden Brief von Aureola, dem sie einige wunderbare freizügige Fotos von sich beigelegt hat. Zudem ein Amazon-Paket, das zwölf rare Rhtyhm&Blues-Scheiben von Künstern wie Johnny Otis, seinem Sohn Shuggie, Bo Diddley, Hank Ballard enthält, die ich vor Monaten bestellt, mit deren Eintreffen ich eigentlich nicht mehr gerechnet habe. Herzerwärmend, sogar für mich, denn mein Herz ist ja schon seit vielen Jahren von einem dicken Eismantel umhüllt. Ich betrete also die Bühne, die man Strasse nennt, deren Boden aus Asphalt

lange kennen. Was ich denn heute noch vorhätte, fragt sie mich. Ich antworte – wie fast immer in solchen Fällen – mit jenem einen kurzen Wort: „Nichts.“ Sie würde gerne bei mir vorbeikommen, so in 45 Minuten, sowie sie ihre Einkäufe zuhause abgeladen habe, sagt sie – und ihre Augen leuchten dabei wie zwei Fixsterne am Abendhimmel der westlichen Kultur. Sie könne sich vorstellen, dass wir gemeinsam einen sehr lustigen Tag verbringen würden. Vielleicht bringe sie noch ihre Freundin Lana mit, eine junge Austauschstudentin aus Kolkata. Ich höre mich sagen: „Aber sehr gerne, Frau Zutti, das würde mich freuen“. Und denke: „Wow, Kolkata, ich liebe diese Ultramegalopolis, sie ist ja quasi die Vatikanstadt meiner geliebten Göttin Kali.“ Der ich schon so manches Blutopfer dar-

ner Behausung liegen zudem geladene Knarren und Messer herum. Sie sind geschickt platziert, auf dass ich im Notfall sofort eine Waffe greifen, jeden Eindringling im Handumdrehen zu Hackfleisch verarbeiten kann. Ich hänge mir also zwei japanische Kampfmesser, scharf wie Skalpelle, in Schulterhalftern um den Oberleib, Griffe nach vorne, Lederjacke drüber, Hut auf – und raus. Unten angelangt öffne ich den Briefkasten. Ich spüre es sogleich, das Wetter ist wirklich ideal. Normalerweise scheisse ich aufs Wetter. Also ist es bemerkenswert, dass mir diesbezüglich etwas auffällt. Es ist nicht zu kalt, nicht zu heiss; warm genug, um draussen eine ausgedehnte Nummer zu schieben. Frisch genug, dass man dabei nicht übermässig schwitzen würde. Der Inhalt des Briefkastens überrascht mich enorm. Normalerweise entnehme

besteht, nicht aus jenen sprichwörtlichen Brettern, die einst – in einer besseren Zeit – die Welt bedeutet haben. Eine Bühne, die heutzutage vor allem den Schauplatz für Streitereien, lärmende Maschinenarbeiten, gewalttätige Auseinandersetzungen aller Art abgibt. Nicht so am heutigen Tag. Kaum habe ich zum Marsch auf dem Asphalt angesetzt, da kommt mir doch die hübsche Nachbarin, Frau Zutti, entgegen, zwei gutgefüllte Einkauftaschen in wohlgeformten Händen. Heute lächelt sie mich wahnsinnig freundlich an. Sie trägt – kaum traue ich meinen Augen – lediglich ein Elastic Cage Bra-Set aus der Bad Girl-Linie von (ausgerechnet) Trashy Lingerie. Sowie kniehohe GladiatorSandalen. Sie verwickelt mich in ein Gespräch, sehr vergnüglich, wir lachen, lachen, lachen. Es ist, als würden wir uns schon

gebracht habe. Und die jungen indischen Damen sind ja oft wunderschön. So marschiere ich munter weiter, dem nächstgelegenen Einkaufstempel entgegen, mit dem mich eine ausgesprochene Hassliebe verbindet. Ich liebe einige der Dinge, die hier feilgeboten werden, ich hasse jedoch den Ort. – Sie kennen das, meine lieben Damen (und Herren), da bin ich mir sicher. Doch auch hier ist heute alles anders, besser, viel besser als sonst. Ein güldener Schein leuchtet in den Hallen des Konsums, ein angenehmer Duft durchweht sie, die Rolltreppe trägt mich plötzlich mit einer besonderen Beschwingtheit nach unten, welche anregend im Genitalbereich kitzelt. Und als Soundtrack läuft das geile Funk-Album „Crazyhorse Mongoose“ von GALACTIC aus New Orleans, Lousiana. – Woher sonst? Die Leute tanzen förmlich durch die

Verkaufsgänge, begrüssen einander mit Umarmungen, mit freundschaftlichen Handshakes. Und – kaum zu glauben – alle Damen sind in knappen Badekleidern, in Lingerie oder so nackt, wie die grosse Göttin Kali sie nach ihrem Ebenbild geboren hat, unterwegs, herrlich arschwackelnd werfen sie mir einladende, dreckige Blicke zu. Die Herren sind elegant, frisch rasiert, mit beschwingten Schritten unterwegs – und charmantem Lächeln. Keine Arschlöcher in den Hallen, ausser denen, die uns die grosse schwarze Mutter bei der Geburt mitgegeben hat, keine Idioten, sauren Fratzen, abschätzigen Minen, aggressiven Attitüden. Wundersam. Die Produktauswahl ist erfreulicher als üblich, ein Repertoire, wie ich es mir immer schon gewünscht habe. Als ich ganz hinten ankomme, im Dschungel der Regale, bei den Konservendosen, machen mir zwei Damen eine spontane, fröhlichaufmunternde, kleine Nacktschau vor, ich applaudiere begeistert. Danach frage ich sie, ob sie – zur Belohnung – auf einen starken Drink und einige afghanische Lungenzüge bei mir daheim vorbeikommen möchten. Hocherfreut sagen sie zu. Eine von Ihnen, sie heisst Matangi, berichtet, dass sie noch ein bisschen Schnee vom Kilimandscharo dabei habe. So wackeln und tanzen wir beschwingt Richtung Kasse. Die Damen machen den Vortrab. Ich hinterher. Doch, da sind keine Kassen. Sondern Spaliere von Bettie Page Doubles, in ausgesuchtester Unterwäsche aus den Rock’n’Roll Fifties, die sich im Rhythmus des Fonk aus N’awlins wiegen und biegen, gleichsam wie Weiden im Winde. Wundergeschöpfe, die dich zum Abschied umarmen, in beinahe biblischer Manier, die Verkäufe sodann nach allen Regeln der Kunst einpacken, dir noch einen wunderschönen Tag wünschen. Und alles ist gratis. Alles G-R-A-T-I-S!!! So schwebe ich nun – mit den beiden heissen Damen aus dem Einkaufstempel im Schlepptau – Richtung zuhause. Kaum sind wir dort angekommen, klingelt es an der Tür. Frau Zutti und Lana sind auch schon da. Tja, und letztere ist in den Tat wunderschön, wie die Hindu-Göttin Bhairavi, wenn sie mit ihrem Flammenleib den gesamten Kosmos verbrennt, eine der zehn unvergleichlichen tantrischen Mahavidyas eben, deren Tausend-NamensHymnen mir – so oft, so tröstend – durch den Kopf vibrieren. Nun hebt ein wunderbar angenehmer Nachmittag an, meine verehrten Besucherinnen und meine Wenigkeit lernen uns besser kennen, pflegen einen intensiven, ausserordentlich angenehmen nachmittäglichen Austausch, der sich in eine noch erfreulichere Nacht hineinzieht. Die Zeit scheint stillzustehen. Alles ist gut, wird immer nur noch besser; zum Rhythmus der heissesten Musik; des Blues, des Soul, des Funk, alles aus dem tiiiiiiefsten Süden. Und dann, unerwartet, unvermittelt, in the heat of the night, fliegt sogar Aureola zu einem meiner beiden Wohnzimmerfenster rein, wie ein Himmelswesen, stösst zu unserer glücklichen Runde. Sock it to me, Big Momma! Plötzlich ist dieser Gedanke da, leuchtend, auf der Leinwand meines Bewusstseins. Wir sind wahrscheinlich alle gestorben, alle coolen Leute – und aus Versehen auch ich – zumindest, und im gottverdammten Paradies gelandet. Ja, meine sehr geehrten Damen (und Herren), wir sind wohl im gottverdammten Paradies gelandet! Wo alles möglich ist. Ohne jegliche bittere Konsequenz. Boom Shakalak!!! * Georges Bataille


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A U R O R A TA U R I E L L O RISTORANTE D’AURORA ONKEL TOM’S HÜTTE C A S A D E LV I N O . C H


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Dezember 2015

JA, ICH BIN MODEL

12. Oktober 2015 Midi Gottet Also nicht wirklich Model, eher so eine Art Aushängeschild für EditorialDesign-Art-Work-Fachzeitschriften. Also nicht wirklich Fachzeitschriften, eher einfach nur Zeitschriften. Also nicht wirklich Zeitschriften, eher so Heftli, die beim Zahnarzt im Wartezimmer rumliegen. Also nicht wirklich im Zahnarztwartezimmer, eher in Bahnhofshallen – am Boden, zwischen Toten Tauben und Erbrochenem. Aber es sind schöne Heftli, so mit Hochglanz und so. Also nicht wirklich Hochglanz, eher Mattglanz, oder ganz matt halt.

Und es sind auch gar keine Heftli. Nur die Titelseite, also nur eine Seite. Man könnte dem ganzen auch Werbekarton sagen, okay? Auf diesem Werbekartons, welche in den Trams rumhängen, sieht man mein Gesicht, wie es gerade eine Ladung Käsebrot reingeschoben bekommt. Aber ich sehe sehr gut aus dabei. Also nicht wirklich gut – aber gut genug. Okay, ich sehe scheisse aus und die Agentur hat mir die Gage für diese unterirdische Kampagne immer noch nicht überwiesen. Aber wenigstens bin ich gesund und habe keine unheilbaren Geschlechtskrankheiten, die ich mir beim Billigurlaub auf Mösopotamien zugezogen habe. Also gut, ich müsste vielleicht mal einen Test beim Urologen machen, denn seit kurzem juckts mich so am Kurzen und brennts etwas beim furzen. Aber hey, das heisst noch lange nicht, dass ich nicht 1A funktioniere beim spontanen Verkehr mit absolut fremden Frauen wie du eine bist. Hey, wo rennst du denn hin? So wie du aussiehst kriegst du nie wieder eine Chance, Sex mit einem Model zu haben! Ja, ich bin Model…!!! Also nicht wirklich Model…, eher so…., ach kackt euch doch alle in die Kniekehlen und schnupft dabei eure frisch abgeraspelte Fersenhornhaut.

LIEBE PEETEETEE 2. Dezember 2015 Pete Stiefel Ich: Guten Tag, ich komme ein Paket abholen. Post: Grüezi. Moment, bitte. Bitte. Ich: Danke. Da wäre noch etwas. Der Paketbote schreibt jeweils nicht auf den Abholzettel, für wen die Sendung ist. An unserer Adresse befinden sich aber mehrere Empfänger. Es wäre wirklich von grossem Vorteil, wenn er den Namen drauf schreiben würde. Wir haben nicht alle von allen die jeweiligen Vollmachten. Post: Der Paketbote weiss das. Ich: Er tut es aber nicht. Post: Aber er wüsste, dass er das tun müsste. Ich: Trotzdem tut er es nicht. Er hat es nun schon fünfmal hintereinander nicht getan. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, ihm dies mitzuteilen? Post: Nein, ich sehe ihn nicht. Sehen Sie ihn denn jeweils nicht? Ich: Nein, deshalb erhalten wir ja immer diese Abholzettel. Nein, wir sehen ihn nicht. Post: Sonst könnten Sie es ihm sagen. Ich: Da haben Sie recht. Aber ich sehe ihn nicht. Wir sehen ihn nicht. Post: (leicht aufgebracht) Da kann ich auch nichts tun. Er weiss es. Ich: Das ist aber schade. Gibt es nicht vielleicht die Möglichkeit, ihm eine interne Notiz zu schreiben? Post: (stärker aufgebracht) Nein! Das gibt es nicht! Ich: So. Das finde ich nun etwas unbefriedigend. Post: (sehr aufgebracht) Ich kann höchstens ein Beschwerdeformular ausfüllen und dies nach Bern schicken. Ich: Nein, so weit wollen wirs jetzt auch nicht kommen lassen. Vielleicht sehe ich ihn ja mal. Post: Gut. Ich: … gut. Post: (zuvorkommend und freund-

lich) Darf es sonst noch etwas sein? Ein Handy-Abo? Ein Handy? Eine HandyHülle? Ein Handy-Aufladekabel? Eine Autobahnvignette? Einen Eisschaber? Mit Handschuh? Ohne Handschuh? Einen Schokoriegel? Ein Notizbuch? Ein Päckchen Gummibärchen? Ein Buch? Ein Magazin? Einen Snack? Ein Haushaltgerät? Einen Mixer? Einen Staubsauger? Einen Kärcher? Einen Wischmop? Putzlappen? Seife? Brillenputztücher? Einen Computer? iMac? PC? Laptop? Tablet? Ich: (irritiert) Na gut, eine Briefmarke nehme ich. Post: (nett) A-Post? B-Post? Ich: (entnervt) A-Post. To go. Danke. Adieu. Post: (zuckersüss säuselnd) Aufwiedersehen, haben Sie einen schönen Tag!

LIEBE VEGANER, ERZÄHLT DOCH KEINEN KÄSE

7. Dezember 2015 Pete Stiefel Ich habe letzte Woche einen Käsereibetrieb besucht und heute ein Rezept für veganen Käse gelesen. Zwei Welten, die weiter auseinander nicht liegen könnten. Eines vorweg: Ich habe grosse Achtung für die vegane Lebensweise. Ganz ehrlich. Wers schafft, sich und vielleicht gar seine Kinder nicht an Mangelernährung draufgehen zu lassen, ohne zu tierischen Produkten zu greifen, hat meine ungeteilte Bewunderung. Nicht, weils für mich dann mehr Steaks übrig hat, sondern weil ich ganz generell etwas übrig habe für Menschen, die ihren Prinzipien treu sind. Solange sie niemandem damit schaden oder einfach auf den Sack gehen. Dass Veganer bisweilen das Gefühl haben, alleine mit ihrer Predigerei die Welt retten zu können, und dass es notwendig sei, ihr Umfeld nonstop damit zu betexten, kann ich ihnen verzeihen. Schliesslich regen sie mit ihren Gedanken auch uns Normalos an und appellieren nicht zu Unrecht hin und wieder an die Verbrauchervernunft der Überflussgesellschaft – und, last but not least, schmeckt die vegane Küche (in der Regel) auch noch ziemlich lecker. Nun bin ich im weltweiten Netz aber auf etwas gestossen, das mich meine üblicherweise babypoglatte Stirn runzeln liess: Ein Rezept für veganen Käse. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: VEGANER KÄSE. Käse ist ja per Definition “ein Nahrungsmittel, das aus der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen hergestellt wird.” Ja, ich weiss. Es gibt auch Veganer, die ums Verrecken Schnitzel und Würste essen müssen. Natürlich nicht aus Fleisch, sondern aus Tofu, oder aus anderem vollkommen geschmacksneutralen Zeugs, das man in Schnitzel- und Wurstform presst und mit Gewürzen und Saucen in einen einigermassen geniessbaren Zustand bringt. Man merkt: Tofu zähle ich nicht zu oben genannten veganen Leckereien, die mir Spass bereiten. Es sei denn, in eine schmackhafte Sauce getunkt oder mit Marinade eingeschmiert. Aber mit diesen Hilfsmitteln kann man ja auch eine Scheibe Wellkarton oder Styropor essbar machen. Doch zurück zum Käse. Dem „V.E.G.A.N.E.N. K.Ä.S.E.“. Ja, ich mache gerade wieder dieses Gesicht, bei dem man die Augen rollt, die Stirn

runzelt und mit Zeige- und Mittelfinger der linken und der rechten Hand links und rechts von seinem Kopf in Gebärdensprache Gänsefüsschen in die Luft kratzt. Die Autorin des Rezeptes heisst Sophia, ist eine gutaussehende, junge Deutsche, die sich dem veganen Lebensstil verschrieben hat. Natürlich nicht, weils gerade ultra-hip ist, sondern weil sie sich dank gesundem Lebensstil einfach rundum gut fühlt. Item. Sophia lockt die Gemeinde mit: „Veganer, schnittfester Käser der auch noch schmilzt? Das ist jetzt kein Mythos mehr!“ Nun gut, denke ich mir. Ein Stück Gummi schmilzt auch, wenn ichs auf den heissen Herd lege. Würde ich das deswegen essen wollen? Sophia berichtet, dass sie lange tüfteln musste, bis sie auf das tolle Resultat gestossen ist, wie sies uns heute präsentieren kann. Die Vorbereitungsarbeiten dauern lediglich 15 Minuten, die anschliessende Zubereitung eine mickrige Stunde. Ha! HAHAHA! Denke ich mir. Vielleicht prustete ich beim ersten Lesen auch laut raus, ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Ganz genau erinnern kann ich mich hingegen an meinen Besuch eines Käsereibetriebes im Zürcher Oberland von vergangener Woche. Ein Erlebnis sondergleichen. Hier reifen wundervolle Käsekreationen monatelang heran, werden täglich gehätschelt und getätschelt, bis sie schliesslich Genussreife erlangen und in der Vitrine zwischen anderen Laiben um die Gunst von Käseliebhabern buhlen. Ich zügle meine Emotionen und konzentriere mich auf die Zutaten, welche sich laut Sophia zu einer Masse zusammenkleistern lassen (ich will nicht werten, ich will nicht werten, ich will wirklich nicht werten), die schnittfest sein soll, bei Bedarf schmilzt und im Geschmack „ein wenig“ einem „würzigen“ Gouda ähneln soll. Für den Laien: Gouda ist ein ursprünglich aus Holland stammender Käse, der sich nicht zuletzt in Deutschland grösster Beliebtheit erfreut. Mit Käse hat dieses Produkt allerdings erdenklich wenig zu tun, liebe Freunde. Jedenfalls wenn wir vom industriell hergestellten Gouda sprechen. Selbstverständlich werfe ich den liebevoll auf Bauernhöfen aus frischer Kuhmilch hergestellten Gouda nicht in den selben Kupfertopf. Aber

Sophia meint ganz offensichtlich den kunstoffähnlichen, lahmarschigen, massentauglichen, seelenlosen Instantfarbrikäse. Die Kittmasse, mit der man in Norddeutschland auch gerne Fenster von Leuchttürmen abdichtet. Man kann zugegebenermassen seine Gründe dafür haben, der Kuh ihre Milch nicht wegnehmen zu wollen. In etwa den selben Grund, weshalb man auch der Biene den Honig lassen soll. Ich teile die Ansicht nicht und reibe mir verwundert die Augen, wenn Sophia aus Süsskartoffeln, Cashews, Hefeflocken, Wasser, Zitronensaft, Paprika- & Cuminpulver, Salz, Pfeffer und Agar Agar (what the hell!) einen „K.Ä.S.E.“ (Gänsefüsschen, Gänsefüsschen!) zubereitet. Nicht mein Problem, wenn ihr keinen Käse essen wollt. Und keine Würste und keine Schnitzel. Aber auch nicht mein Problem, wenn ihr keine Namen findet für die Dinge, die ihr euch als Alternativen ausdenkt und zusammenbraut. Merke: Ein Käse ist ein Käse ist ein Käse. Es benötigt unheimlich viel Können, Geduld und Fingerspitzengefühl, um aus Milch und Bakterien und Zeit, viel Zeit, einen Käse auf die Käseplatte zu zaubern, einen richtig guten Käse. Im Tösstal werden sage und schreibe 250 verschiedene Käsesorten produziert, von denen jeder einzelne seinen eigenen Charakter besitzt. Einen Geschmack, eine Konsistenz und eine Farbe, die unter anderem davon beeinflusst wird, ob die Kuh am Morgen oder am Abend gemelkt wird, welche Gräser und Blumen gerade blühen, welche Jahreszeit herrscht, und mit welchen Kräutern man die Rinde über Monate hinweg massiert. Und da kommt eine vegane Bloggerin und will der Welt weismachen, dass sie in eben mal 1 1/4 Stunden einen „K.Ä.S.E.“ macht? B.I.T.T.E.! Ich weiss, ich reagiere gerade wieder etwas emotional, aber: Wer keinen Käse isst, der soll verdammt nochmals auch keinen Käse predigen. Seid gut zu Tieren, esst euren gewürzten Kautschuk, haltet ihn für lecker und lasst gut sein. Aber mischt euch bitte nicht in unsere Wurst-, Schnitzel- und Käsewelt ein. Amen. Referenz: Rawberryvegan – Veganen Käse selber machen


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

2. Januar: Coco & Breezy (USA) im Alice Choo

Fashionable! Coco & Breezy, gegründet von Corianna „Coco” und Brianna „Breezy“ Dotson, zwei eineiige Zwillinge mit afroamerikanischen und puertoricanischen Wurzeln, erlebt in den US of A gerade einen Hype sondergleichen: Die Fashion Accessoires des Zweiergespanns hängen, stehen und liegen auch in den Ankleideräumen von Kelly Osbourne, Lady Gaga, Nicki Minaj und Serena Williams. Diese vier Namen sind auch ein Hinweis darauf, dass es bei Coco & Breezy

nicht gerade dezent zu- und hergeht: Die Sonnenbrillen des Labels dürften gar einem Elton John bisweilen etwas sehr gewagt erscheinen. Adidas gefällt’s jedenfalls, denn die Firmenoberen haben sich dazu entschlossen, mit Coco & Breezy im Rahmen ihres „Originals White Space“Projektes zusammen zu arbeiten. Das eigentlich erstaunliche an der ganzen Geschichte: Als Corianna und Brianna ihr Label 2009 gegründet haben, waren die beiden gerade mal 19 Jahre alt.

8. Januar: Monte (D) im Hiltl Club

Es gibt so Pseudonyme, die sorgen bei Rechercheabhängigen Arbeitern nicht für sonderlich viel

Freude. Googlet man beispielsweise nach Monte, kriegt man jede Menge (hoffentlich) frische Milchprodukte angezeigt, aber herzlich wenig Musik. Gut gibt’s da Veranstalter wie Morgan Selleck, die einem was Kleines vortexten können, auch wenn sie die Vorgabe 1‘000 Zeichen dahingehend interpretieren, dass man auch locker nur 300 (oder so) schreiben kann… „Mit Monte kommt am 08.01.2016 ein ganz spezieller Gast zu Besuch in den Hiltl Club Zürich. Schon als Kind baute er sich seine eigenen Instrumente und spielte diese bis er sie perfekt beherrschte. Seine schon früh beginnende Begeisterung zur Musik brachte ihn mit seinen Tracks auf die Spitze der Beatport Deep House Charts womit er internationale Erfolge verbuchen konnte. Monte bringt euch zurück in die glorreiche Zeit von „Beverly Hills Cop“ und „Miami Vice“ untermalt durch seine einzigartigen Funk Grooves“. Danke Morgan. Auch für die fehlenden ca. 700 Zeichen.

15. Januar: Simian Mobile Disco (UK) im Hinterhof Basel

8. Januar: Jonas Rathsman (SWE) im Hive

Januarloch; Ebbe in der Kasse, Wüste in der Basler Kulturlandschaft. Nun ja; glücklicherweise gibt’s die Hinterhof Bar, denn hier kann man auch mitten im Januar für verhältnismässig mässig Kohle reichlich reiche Kultur erleben. Auch heute, beispielsweise: Simian Mobile Disco, bestehend aus Jas Shaw und James Ford, bereichert seit bald zehn Jahren die Welt unter der Discokugel. Mit Songs wie The Count, aber auch durch ihre Remixarbeiten für renommierte Bands und Musiker wie Muse, Klaxons, The Go Team! und Air haben sie

im Laufe der Jahre reichlich Renommee angehäuft. Der endgültige Durchbruch gelang Simian Mobile Disco bereits kurz nach Gründung und zwar mit dem Hit namens Hustler (2006). Ihre Alben Attack Decay Sustain Release (2007), Temporary Pleasures (2009) und Unpatterns (2012) knackten allesamt die Top 100 der UK Charts, wobei es Temporary Pleasures auch in die Schweizer Hitparade schaffte. Neben SMD sorgen heute Jamie Shar und Diskomurder für den Ton qui fait la musique.

15. Januar: Solar Bears (IRL) in der Zukunft

Die Schweden sind ein Phänomen; hinter den USA und Grossbritannien bringt kein Land mehr Musiker hervor, die in der westlichen Welt mehr Platten verkaufen. Die Tradition reicht weit zurück und untermauert wurde der Ruf Schwedens als fleissige Hebamme von gigaselling Popartisten natürlich von ABBA. Aber auch im elektronischen Bereich kullert mit schöner Regelmässigkeit erfolgreiches aus der skandinavischen Nation und Jonas Rathsman aus Göteborg ist derzeit einer der spannendsten, elekt-

ronischen Artisten aus Schweden. Seine erste Veröffentlichungsplattform war das French Express Label. Mit seinem dortigen Debüt-Release erregte er auch die Aufmerksamkeit von The Magician und kurze Zeit später auch jene von Pete Tong, der seine Produktionen „Since I Don’t Have You“ und „W4W“ in seiner legendären Sendung auf Radio BBC 1 spielte. Zu Rathsmans Remix-Klientel zählen Grössen wie Monkey Safari, London Grammar, Duke Dumont, Disclosure und Sam Smith.

Solar Bears heissen die ECHL-Eishockeyaner von Orlando (FL). Nach diesen haben sich die irischen Musiker gleichen Namens aber nicht benannt (ginge rein chronologisch schon nicht, denn die Band gibt’s zwei Jahre länger). Nein: Die Solar Bears haben ihren Namen von einem SciFi-Streifen von Andrei Tarkovsky, was auch viel besser zu ihrer Musik passt als Schlittschuhe. John Kowalski und Rian Trench haben sich während ihrer Ausbildung zum Toningenieur kennen gelernt. Ihren gemeinsamen Nenner fanden Sie

mit ihrer Vorliebe für die Filmmusik eines Ennio Morricones oder eines George Delerue. Ihre Musik ist denn auch filmreif: Die Solar Bears vermischen Programming, akustische Instrumente, Synthesizer und Vintage-Tape-Maschinen zu einer einzigartigen Mélange, die sie auf die „artists to watch“-Liste der renommiertesten Musikmagazine der westlichen Welt gesetzt haben. Die Solar Bears kreieren musikalische Universen, deren Urknall stets ein anderer zu sein scheint – Variation als roter Faden.

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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

22. Januar: Etherwood (UK) in der Amboss Rampe

Tram und Bus! So zwischendurch und gelegentlich dürfen’s auch für uns radendtrommelnde Bässe, ausufernde Flächen und Betas im stop’n’go-Modus sein. Durchaus! …solange die von Meistern gemixt werden, die wissen wie ein Drum’n’Bass-Set aufgebaut sein muss. Das ist gar nicht so einfach: Nicht wenige sind der Ansicht, dass dies das Genre ist, bei dem man am meisten Talent braucht um zu reüssieren, einfach weil es schweineschwer zu mixen ist. Einer der das zweifelsohne kann (dnb mixen)

ist Etherwood. Er ist bei Hospital gesignt, seines Zeichens die feinste Adresse im DnB-Geschäft. Seine Veröffentlichungen schaffen es bis in die offiziellen britischen Charts und kriegen Airplay von Radio BBC 1. Er hat’s auf die Nummer 4 der Billboard’s „Next Big Sound“-Liste geschafft und die Fachpresse verneigt sich im Kollektiv vor diesem Mann, dem die clubbige Zukunft gehört. Als Reinhorcherchen eignet sich sein zweites Album „You’ll Always Be a Part of Me“.

26. Dezember: Just Emma (D) im Schlaflos Aarau Aargau? Aargau! Ja… auch da tut sich mittlerweile was. Nun ja… mittlerweile trifft’s eigentlich nicht so ganz: Die Kiste Baden gibt’s nun schon eine ganze Weile und auch das Schlaflos in Aarau hat den ersten Geburi bereits hinter sich gebracht. Höchste Zeit also das dortige Tun mit einer Preview zu würdigen und für Just Emma lohnt sich auch für Zürcher die kurze Fahrt in die Kantonshauptstadt AG: Manchmal bedarf es gar nicht allzu vieler Worte um sich ein Bild von etwas zu schaffen. In Zeiten in denen selbst Newcomer 2seitige Biographien verschicken, verlegt sich Just Emma auf die Kunst mit minimaler Quantität alles zu sagen. Und es gelingt: „Sie wohnen über den Wolken und ihre Heimat ist das Meer, so sagen sie selbst. Sie haben bereits Releases auf HanseHertz und Underyourskin zu verzeichnen, ihre Tracks sind deep und melancholisch. Ihre Musik ist Kunst.“ Damit

wäre eigentlich schon alles gesagt; Just Emma machen Clubmusik, die sich diese Bezeichnung auch redlich verdient.

28. Januar: YouYou w/ Mr. Carmack (USA) im Exil Das Exil ist immer wieder mal für ein Highlight gut. Nun ja… eigentlich drücken sich dort die Highlights die Klinke in die Hand. Das nächste Klinkendrücken steht heute Abend an und zwar eines von Mr. Carmack. Der Produzent/Songwriter aus Los Angeles ist Teil des Team Supreme Kollektivs Los Angeles und auch einer von Soulection, einer internationalen Gruppierung unterschiedlicher Produzenten mit kreativem Lebensmittelpunkt in Kalifornien. Seinen Durchbruch erlebte Mr. Carmack 2013, mit einem zweimaligen No. 1-Spot auf Bandcamp mit seinen Veröffentlichungen „Bang Vol. 3“ und der „Life/Death EP“. Seine Single „Birth Control“ wurde auf Soundcloud sagenhafte 200‘000 mal angehört und seither stehen bei ihm Grössen wie Pharrell, Diplo, Watsky, LIZ, Hodgy Beats und Denzel Curry mit Kooperationswünschen auf der Matte. Mr. Carmack hat in London ein Boiler Room-Set zum Besten gegeben und selbstredend bespielt er mittlerweile die feinsten Clubs der westlichen Hemisphäre (und darüber hinaus).

30. Januar: Breyn W/Culoe de Song (SA/CH) im Nordstern

Worldmusic: Selten hat der Begriff besser in den Nordstern gepasst, denn die beiden Musiker die hier und heute für den guten Ton sorgen stammen aus komplett unterschiedlichen Kulturregionen, vereint unter einem elektronischen Dach. Culoe De Song heisst eigentlich Culolethu Zulu und stammt von der Ostküste Südafrikas und machte 2007 erstmals auf sich aufmerksam. Damals veröffentlichte er einen Track namens “100 Zulu Warriors & carries”. Unter den Fittichen von Black Coffee generierte Culoe de Song

schnell internationale Aufmerksamkeit und sein Engagement an der Red Bull Music Academy trug das Ihrige dazu bei - Releases auf Innervisions waren ein weiterer Schritt. Das Equipment teilt sich Culoe de Song mit Breyn, einer Kooperation zwischen den Baselspielern und -produzenten Le Roi und Yare. Le Roi gilt vielen als einer der besten House-DJs der Schweiz und seine Produktionen erscheinen auf international renommierten Imprints. Komplettiert wird das Line Up von Paolo Francesco und Cipmo.

30. Januar: Wahrhaftig Ritter Butzke Studio Showcase im Hangar 11 Winti

Die Berliner haben eine Vorliebe für kuriose Gaststättennamen. An die Wilde Renate und den Berghain hat man sich mittlerweile ja gewöhnt und auch an den Club der Visionäre. Auch die Macher des Ritter Butzke und des Club-eigenen Plattenlabels Ritter Butzke Studio hegen ein offensichtliches Faible für Namenkuriositäten. Da passt auch der Headliner des heutigen Abends wie die Faust aufs Auge: Kuriose Naturale, bestehend aus Deph und TanaThan, die beide seit 1995 auflegen,

stehen für einen ziemlich schrägen Clash der unterschiedlichsten Technostile. Die Ritter Butzke-Residents haben auch schon am SoneMondUndSterne gespielt und waren in den wilden Berliner 90ern in Clubs wie Tresor, Casino, Subground, Nontox, Lime Club, Pfefferberg und Pepperpint aktiv. Neben Kuriose Naturale spielen an diesem wahrhaftigen Hangar 11 Mario Aureo, Manuel Moreno und The Toyboys. Im Mini Floor spielen Nici Faerber, Soame, Beez und Simo.


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WIE DIE SCHULE BESTIMMT OB UNSERE KINDER INTELLIGENT SIND 8. Dezember 2015 Jelena Keller Warum es falsch ist sich auf über hundertjährigen Bildungskonzepte zu stützen Stellen sie sich einmal vor, eine fremde Person würde ohne ihre Zustimmung darüber bestimmen, wie ihr Kind zu denken und in welchen Strukturen es sich zu bewegen hat, um als intelligent, fleissig, sozial oder einfach normal zu gelten. Stellen sie sich vor, diese fremde Person würde ihnen mit Bestimmtheit lauthals ins Gesicht sagen, ihr Kind sei dumm. Wahrscheinlich würden sie dies als einen unerhörten Angriff in ihre Privatsphäre empfinden und sie empört davonjagen. Wieso also sprechen sie der Schule Macht zu, darüber bestimmen zu dürfen, wozu ihr Kind fähig ist? Ein Schulsystem aus dem Zeitalter der Industrialisierung Bis Mitte des 19. Jahrhunderts erfüllte die Mittelschulbildung in der Schweiz und beim grossen Vorbild Preussen, eine allgemeinbildende Funktion welche auf bürgerliche Berufe ausgerichtet war. Jungengymnasien hingegen zielten auf auf akademische Beamtenkarrieren und boten nur dem männlichen Geschlecht eine höhere Schulbildung. Mit dem Eintreten des Industriezeitalterns gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass diese beiden Bildungswege den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr gewachsen waren und erweitert werden mussten. Die zunehmende Industrialisierung verlange nach differenzierter geschulten Arbeitnehmern, die die Volksschule bis dahin nicht zu bieten hatte. So würden Modernisierungsbemühungen angestellt, welche sich vor allem mit dem lehrplanorientierten Gymnasium, dem Ausschluss der Mädchen von der höheren Schulbildung, der Bildungsbegrenzung in den Volksschulen sowie der Berufsbildung befassten. Vor diesem Hintergrund stellte die Königliche Akademie Erfurt die Preisfrage: „Wie ist unsere männliche Jugend vor der Entlassung aus der Volksschule, bis zum Eintritt in den Heeresdienst am zwecksmässigsten für die staatsbürgerliche Gesellschaft zu erziehen?“ Der Pädagoge und späterer Begründer der Berufs-Arbeits und Volksschule, Georg Kerschensteiner erhielt für seine Ausarbeitung den 1. Preis. Folgende Auszüge helfen dabei die Überlegungen nachzuvollziehen, welche den Weg für die Berufsbildung ebneten: „Das erste Ziel der Erziehung für die aus der Volksschule tretende Jugend ist die Ausbildung der beruflichen Tüchtigkeit und die Arbeitsfreudigkeit und damit jener elementaren Tugenden, welche die Arbeitstüchtigkeit und Arbeitsfreudigkeit unmittelbar zum Gefolge hat: der Gewissenhaftigkeit, des Fleisses, der Beharrlichkeit, der Verantwortlichkeit, der Selbstüberwindung und der Hingabe in ein tätiges Leben. (…) Hier lernt der einzelne sich unterordnen unter andere(…). Arbeit hat vor allem deshalb einen so hohen erzieherischen Wert, weil sie, jene Willensbegabungen übt, welche die Grundlagen der wichtigsten bürgerlichen Tugenden sind: Fleiss, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Beharrlichkeit, Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit, Geduld, Selbstbeherrschung.“ (Wilhelm 1979, S. 109) Unterrichten bedeutet Richten Es entstand ein Bildungs- und Berufsbildungssystem, welches auf Konkurrenz, Auslese und Gehorsam basiert und auf die Anforderungen der Industriegesellschaft ausgerichtet ist. Schwächere Schüler wurden zu formbaren Bürgern und Arbeitern ausgebildet, die mit den angeeigneten

„Tugenden“ eine gute Gefolgschaft für Arbeitgeber und Staat darstellten. Man hatte einen Menschen geschaffen, der das Hinterfragen in der fachorientierten Schule und später, da okkupiert mit Arbeit, nie gelernt hatte. Man war sich bewusst: Für Kriege, Militär und Wirtschaft braucht es funktionalisierte, abgerichtete Menschen, die Befehle befolgen – was bis zum zweiten Weltkrieg wunderbar funktionierte. In der Nachkriegszeit waren die von Leidensgeschichten und Ängsten geprägten Menschen auf ihre Grundbedürfnisse, wie etwa finanzielle und persönliche Sicherheit, Ruhe, Essen und eine Behausung bedacht. Ihre aus der Vergangenheit resultierte Angst und Genügsamkeit reichte ebenso nicht aus, Strukturen in Frage zu stellen und sich gegen diese aufzulehnen. Ihre Kinder, bemüht die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen, widersetzten sich alten Strukturen und erreichten teilweise Veränderungen, die zu einer offeneren Grundhaltung führten, jedoch ausserhalb des Schulsystems anzusiedeln sind. Heute jedoch, in einer Zeit in der stets zugängliche Medien aller Art, neue, freidenkende, sich vergleichende und offene Generationen dazu beitragen, dass der Mensch den Drang hat sich selbst zu verwirklichen, dass er informierter, freier, kritischer und selbstsicherer geworden ist – wieso hinterfragt er die altbackenen Systeme nicht, die ihn einengen, klassifizieren und unterordnen? Wieso akzeptiert er, dass weiterhin Tugend, Profitmaximierung und Kapitalismus als einzige Möglichkeiten gepredigt werden? Ausserschulische Interessen der Kinder wahrnehmen Neben den obligatorischen Schulfächern existiert eine Fülle von Beschäftigungsmöglichkeiten, die zu unseren Talenten gehören könnten, wir aber nicht fähig sind zu entdecken, weil wir mit ihnen schlicht nicht in Berührung kommen, weil sie uns nicht zugänglich gemacht werden. Einerseits sind Lehrpersonen allzu oft überlastet um aufmerksam beobachten zu können, welche Begabungen und Interessen ein Kind in sich trägt und machen deshalb den Eltern gegenüber viel zu selten Vorschläge, wie sich die Kinder nach der Schule betätigen könnten. Andererseits scheitert die ausserschulische Förderung oft an den Kosten, die in mittelständischen Familien Hürden darstellen. Ist das finanzielle Problem gelöst, folgt auch bei der Auswahl der Aktivitäten Ernüchterung: Sie ist enorm limitiert. Landet das Kind dann doch in einem, der Tennis, Piano oder WerkKurse, merkt man schnell, dass es nicht zu persönlichen Höchstleistungen motiviert wird, weil es sich in der Regel um oberflächlich konzipierte und anspruchslose Veranstaltungen ohne Endziel handelt. Künste werden, ganz elitär, nur den Gymnasiasten angeboten, was gänzlich ausschliesst, dass sich ein Kind mit niederer Mittelschulbildung ohne elterlichen Einsatz in eine künstlerische Richtung entfalten kann. Es geht vergessen, dass individuelle Förderung der Neigungen im Kindesalter, auch bei schulisch weniger begabten Kindern, nicht nur die

besten Resultate hervorbringt sondern auch langanhaltende Lebensfreude und sinnvolle Beschäftigung mit auf den Weg gibt. Eine Leidenschaft, die die nächsten Generationen davon abhält Schönheitsidealen, Materialismus und Konsum nachzueifern. Gibt man dem Kind Zufriedenheit von innen, muss es sie nicht mehr aussen suchen. Neben der Aufgabe der Schule, ist es ebenso die elterliche Pflicht Kindern zu zeigen wie sie Interessensgebiete ergründen können. Dies muss nicht zwingend an finanziellen Voraussetzungen scheitern. Förderung beginnt schon damit, achtsam zu sein. Zu bemerken, welche Fragen ein

Kind stellt, welche Fernsehsendungen es mag, welche Ausflüge und Aktivitäten Spass machen oder welches Buch es in der Bibliothek auswählt. Öffnen wir unseren Nachkömmlingen die Tore zu einer vielfältigen Welt damit sie leidenschaftlich lernen können – unwichtig, ob sie zur Schule gehen oder nicht. Unnützes Schulwissen Bereits in der ersten Klasse lernt das Kind Englisch. Eine vom Lehrplan als wichtig empfundene Sprache, da sie eine wichtige Voraussetzung darstellt, um erfolgreich sein zu können in der modernen Welt. Das Kindergarten Kind ist sich dessen jedoch nicht bewusst und macht als Erstes die schulische Erfahrung, dass es etwas lernen muss, das es nicht braucht. Man erklärt ihm darauf ein Schulleben lang, dass es sich gerade mit etwas befassen muss, was für die Zukunft wichtig ist. Die Gegenwart wird hierbei ausser Acht gelassen, obwohl sie eine der stärksten treibenden Kräfte ist im Lernprozess. Wie schon gesehen, hat jeder Mensch die Fähigkeit, sich aus purem Willen, Sprachen und andere Kenntnisse anzueignen, wenn sie ihm denn von Nutzen und Nöten sind. Was verzweifelte Eltern schon immer gewusst haben, bestätigt der Hirnforscher Gerhard Hüther: „Man kann Menschen nicht dazu zwingen sich zu bilden. Man kann sie nur dazu einladen.“ Da bedarf es keines Antriebs und keiner Motivation von aussen. Versuchen wir also herauszufinden, was unsere Kinder lieben und sie werden aus eigener Energie und von sich aus wachsen. Behinderte Bahnbrecher Pablo Pineda ist eines der grossartigen Beispiele dafür, was passieren kann, wenn Kinder uneingeschränkten Zugang zu Förderung bekommen. Der 41-Jährige ist ein spanischer Lehrer der Pädagogischen Psychologie, Schauspieler, Buchautor und der erste Europäer mit Down Syndrom, der einen Universitätsabschluss hat. Ausserdem hat er eine Organisation gegründet, die sich für die Integration Behinderter einsetzt. Dank seiner Eltern

und seines Mentors, des Professors der Universität Malaga, Miguel-Lopez Melero und seiner Frau, die ihn anspornrten, statt degradierten, hat Pineda erreicht, was viele seiner Mitmenschen, doch vor allem die Schule für ausgesprochen unmöglich hielt: Trotz Handicap steht er seinen gesunden Mitmenschen in nichts nach. Mit bedachten und reflektierten Worten erklärt der inspirierende Pineda, dass wir uns dem Individuum generell zu wenig zuwenden: „(…)Die Auswahl des Kindes à la carte ist nicht gut. Denn schlussendlich wählen wir das Perfekte. Und wenn dann alle gleich sind, sind wir um vieles ärmer. Auch Blumen sind verschieden, und alle sind schön. Der Drang zur sozialen Homogenisierung ist ein Übel der Gesellschaft. Wenn alle gleich denken, gleich aussehen, alle „uniform“ sind, dann ist das Faschismus.“ Und weiter: „Das größte Manko der Gesellschaft ist, das Anderssein nicht verstehen zu können. Gleich wie Pablo Pineda, sagte man anderen Exoten, wie Albert Einstein oder Thoman Edison, heute zu den erfolgreichsten Menschen der Welt gehörend, sie würden es niemals zu etwas bringen, weil sie schwache Schüler seien und mit ihrem Verhalten von der Norm abwichen. Unzählige weitere Beispiele für schulische Unfähigkeit, doch persönliche Grossartigkeit, ausserhalb des vorgegebenen, sturen Sytems, lassen sich in der Geschichte der Menschheit finden. Der Begriff „Bildung“ muss neu definiert werden Nach Innovation strebende und zukunftsorientierte Unternehmen stellen fest, dass kreativer Nachwuchs schwierig zu finden ist. Hat man doch erkannt, dass Menschen, die Neues erschaffen und revolutionär denken, oft nicht die sind, welche klassisch ausgebildet wurden. Sie haben verstanden, dass dieses Schulsystem ausführende Personen produziert, die zwar gut funktionieren in gewissen Bereichen des Unternehmens, in kreativem Denken aber oftmals scheitern. Menschen, die kreativ sind, sich nicht scheuen neue Wege zu gehen und Grenzen zu sprengen, wurden in ihrem Leben und ihn ihrer schulischen Laufbahn dazu ermutigt dies immer wieder zu tun. Sie lernten, dass ihnen eine offenere, weitläufigere Welt ausserhalb der Schule und derer Pflichtfächer zur Verfügung steht, die sich auf eigene Art und Weise ergründen und neu definieren lässt. Je früher man also beginnt seinem Kind zu zeigen, dass die Welt noch vieles mehr zu bieten hat, desto eher hat es die Möglichkeit sein Selbstbewusstsein zu stärken, Kreativität zu leben und sogar bahnbrechende Gedanken zu formen. Es ist an der Zeit neu zu definieren, was „Bildung“ bedeutet. Ob ein gebildeter Mensch einer ist, der zu formalen Abschlüssen fähig war und sich in Rastern zu bewegen gelernt hat, oder ob dies jemand ist, der seiner Leidenschaft nachgehen und sich deshalb in verschiedenen Gebieten umfangreicher und in kürzerer Zeit auf einen hohen Wissenstand bringen konnte, deshalb fähig war neuartige Denkansätze und Herangehensweisen zu entwickeln?

Kindliche Entwicklung und Kreativität richtig fördern Schon früh beginnen Erwachsene Kinder in Schablonen zu pressen, die die kreative Entwicklung im Keim ersticken. Kommt ein Kind beispielsweise nach Hause und erzählt, es habe ein Monster auf dem Heimweg getroffen, wird man es ermahnen keine Dummheiten zu erzählen und seinen Entwicklungsprozess abrupt unterbrechen. Fragte man es hingegen: „Wie hat es ausgesehen? Was hat es gesagt? Wie war seine Stimme?“, trüge man dazu bei nicht nur die Kreativität des Kindes zu fördern, sondern liesse es auch Erzähltechniken entwickeln, die etwa einen späteren Harry Potter ausmachten. Dass es nicht förderlich ist, Kinder in unsere erwachsene, rationale Welt hineinzupressen, entdeckte auch der Experte für Kunsterziehung, Pädagoge, Autor und Wissenschaftler, Arno Stern. Nachdem er 1946 als Mitarbeiter in einem Heim für Kriegsweisen entdeckt hatte, wie wichtig das Spiel ist, vorausgesetzt es geschieht unter geeigneten Bedingungen, erfand er dafür eine besondere Einrichtung, die bis heute weiterbesteht: Der „Malort“ in Paris. Ein Häuschen, in dem Kinder ganz nach ihren Vorstellungen, ohne Vorgaben und Einwirkung von aussen, malen und kreativ austoben können. Er lädt zum freien Spiel ein und nicht zur „anerzogenen Kunst und Abstraktion“. Seine 60-jährige Sammlung von Kinderwerken bringt Erstaunliches zutage: Jüngere Kinder malen in der Regel auf ihre eigene Art und völlig losgelöst von jeglichen Konventionen. Sobald sie älter werden, versuchen sie den Anforderungen der Erwachsenen und der Schule gerecht zu werden und verlieren dabei durch die negative Einwirkung des Belehrens immer mehr ihre Einzigartigkeit und Fantasie. Wenn man ein Kind zwingt Dinge zu tun, die es von Natur aus nicht fähig ist zu bewältigen, beginnt es Frustrationen aufzubauen und stagniert. Arno Stern’s Sohn André ging nie zur Schule. Er wurde auch nicht zu Hause geschult. Seine Eltern gaben ihm Zeitvorgaben und Strukturen, liessen ihn jedoch selbst entscheiden, womit er sich befassen möchte. Dies resultierte darin, dass der 1971 Geborene, Vater, Musiker, Komponist, Gitarrenbaumeister, Journalist und Bestseller Autor sowie Dozent ist und vier Sprachen perfekt spricht. Vater und Sohn sind sich sicher: „Wir müssen Menschen nicht formen und sie zu etwas machen, was sie nicht sind. Zu Menschen, die vor einem leeren Blatt sitzen und als erstes überlegen, wie sie den Erwachsenen befriedigen können. Machen wir weiter wie bis anhin, produzieren wir unzufriedene Menschen, die sich in den Konsum flüchten und in Formeln denken.“ Wenn die Schule aufhört unsere Kinder zu okkupieren mit Pflichtfächern, die ihre kostbare Zeit damit vergeuden ihre Schwächen, statt ihre Stärken zu fördern, wenn Schule und Eltern beginnen ihre Verantwortung gleichermassen wahrzunehmen, indem sie darauf achten, welche Interessen Kinder hegen, wenn sie sie ausserhalb der Strukturen spielen lassen – dann werden sie sich nicht nur einzigartig sondern in jedem Fall grossartig entwickeln. Sie mögen nicht alle Wunderkinder werden, die wissenschaftliche Neuentdeckungen oder Nobelpreise nach Hause tragen, doch wachsen sie ausnahmslos zu gebildeten und zufriedenen Individuen heran, die ihre Leidenschaften kennen und etwas kreieren statt bloss zu konsumieren. Sie werden zu ausgeglichenen Menschen, die sich und die Welt bestmöglich entdeckt und herausgefordert haben.


„DETAILS MAKE THE DIFFERENCE„ WIR SIND AUF DENIM IN SEINER URSPRÜNGLICHEN FORM SPEZIALISIERT. WIR SIND PERFEKTIONISTEN. WIR SIND KÜNSTLER. WIR SIND LIEBHABER. UNSERE LIEBE ZU DENIM BESTIMMT UNSER HANDELN. DA GEHEN WIR KEINE KOMPROMISSE EIN. NUR DER BESTE STOFF IST UNS GUT GENUG. DABEI VERWENDEN WIR HAUPTSÄCHLICH RAW-DENIM. DENN IM VORDERGRUND SOLL DIE AUTHENTIZITÄT DES STOFFES STEHEN. RAW-DENIM GEWINNT MIT DEN JAHREN AN PERSÖNLICHKEIT. DURCH DAS TRAGEN DER JEANS, DIE INDIVIDUELLE ABNÜTZUNG FORMT SIE SICH EINEN EIGENEN CHARAKTER UND ERZÄHLT IHRE EIGENE GESCHICHTE. DAS IST DAS FASZINIERENDE. DAS IST UPPER CLASS.

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Dezember 2015

Mein Freund, der alte Mann 12. Dezember 2015 Pete Stiefel Ich habe einen Freund, der ist über hundert Jahre alt. Ich habe mich seiner angenommen, weil er vieles nicht mehr so gut kann und er froh ist, wenn man ihm im Alltag da und dort etwas unter die Arme greift. Altersbedingt sieht er nicht mehr sehr viel und hört auch beinahe nichts mehr. Manchmal scheint es mir, als sei er gar nicht unglücklich darüber. So viel hat er schon gesehen in seinem langen Leben, so viel gehört. Da kann man wohl irgendwann gar nicht mehr, will bloss noch sehen, was einen betrifft, nicht mehr all das, was man ohnehin nie mehr wieder erreichen wird. Da ist der eigene Tellerrand dann die Grenze seines ganz eigenen Universums, und das ist gut so. Wenn man nur noch hört, was einem sein Inneres sagt und seine Engsten, dann ist man ganz bei sich angekommen, es braucht nicht mehr das unergreifbare ganze Drumherum. Mein Freund lehrt mich, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt. Er erinnert mich, dass ich mich über jeden Sonnenstrahl freuen soll, weil er zu wärmen vermag, und diese Wärme ist unbezahlbar. Er zeigt mir aber auch, dass man an einem nasskalten Morgen wie heute niemandem Fröhlichkeit vorzuspielen braucht, sondern es ganz okay ist, sich grummelnd nochmals in die Decke einzuwickeln und darauf zu warten, dass es besser wird. Er lehrt mich, dass man sich über einen vollen Teller Essen freuen soll, als sei es der letzte, dass man sich an jedem Bissen laben soll, als gäbe es keinen nächsten. Denn Essen ist Glück, ist Energie, ist Freude – eine der wenigen Freuden, die einem noch bleiben, wenn einem nicht mehr viel bleibt, insbesondere von der Zeit. Wer denkt, der alte Mann sei bettlägerig, liegt falsch. Ganz im Gegenteil: Mein alter Freund hat eine weitere Leidenschaft, die ihm geblieben ist. Er liebt ausgedehnte Spaziergänge, auf denen er gemeinsam mit mir die Welt immer wieder aufs Neue

entdeckt. Eine Welt, die mir so klein erscheint und ihm so gross. An ganz besonders guten Tagen, man glaubt es kaum, besteht er gar darauf, mit seinen alten, klapperigen Beinen eine gewisse Strecke zu rennen. Zu rennen! Dann ist ihm sein Frohmut ins Gesicht geschrieben, denn Rennen bedeutete schon immer sein grösstes Glück. Wenn man eine Passion, die einen durch die wilden Jugendjahre begleitet hat, auch im Greisenalter noch erleben darf, dann ist das wohl ein Glücksgefühl, das man nur ganz für sich alleine geniessen kann. Ich lerne die Dankbarkeit von ihm, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn einen die Beine und Füsse tragen, jeden Tag, Tag für Tag, bis zum letzten. Mein Freund ist stumm, hat irgendwann aufgehört, sich mitzuteilen. Jedenfalls so und in einer Lautstärke, dass es alle hören. Denn es müssen gar nicht immer alle alles hören, habe ich von ihm gelernt. Und schliesslich verfügt er noch immer über seine Ausdrucksmittel um zu sagen, was es zu sagen gilt, auch ohne zu reden. Die Angesprochenen müssen einfach ein klein wenig besser hinhören und hinfühlen, und das schadet nicht. Zeichen wieder lesen zu lernen, ohne dass sie uns vorgelesen werden, schärft unsere Sinne und damit das Feingefühl. Etwas, das im Alltag gerne auf der Strecke bleibt. Es ist wenige Tage her, da war er müde, der alte Mann, mein Freund. Sehr, sehr müde – deutlich müder als sonst, wenn das Wetter garstig ist, der Tag ungerecht. So müde, dass er nicht mehr zu wollen schien. Wie ein Blitz durchzuckte es mich. War nun dieser Tag gekommen, der Tag, vor dem ich mich so sehr fürchte? Alles deutete darauf hin. Es war der letzte sonnige Herbsttag, die Tage, die er so sehr liebt. Die Sonne im Gesicht, auf dem ganzen Körper, Wärme, Geborgenheit. Sollte er sich gemeinsam mit diesem Herbsttag von mir verabschieden, mit dem letzten Sonnenstrahl gehen? Ich war traurig, obwohl mir

FRÜHER WAR MEHR LAMETTA (3)

mein Freund zu sagen schien, dass ich es nicht sein soll. Aber wer kann schon seine Traurigkeit steuern! Er schien keine Schmerzen zu haben, das beruhigte mich ein wenig. Denn schliesslich ist er in meiner Obhut, ich bin dafür verantwortlich, dass es ihm gut geht, dafür, dass seine Zeichen gelesen werden. Was, wenn es keine Zeichen mehr gibt? Erleichterung machte sich breit: Zwei Tage später waren die Lebensgeister in seinen Körper zurückgekehrt. Gleichzeitig schämte ich mich ein wenig. Was ist bloss in mich gefahren, dass ich diesem alten Mann nicht auch seine schlechten Tage eingestehe? Dass er einfach in Ruhe gelassen werden möchte, mit sich selbst sein, einfach so? Auch etwas, das ich von meinem Freund gelernt habe: Du kannst nicht immer das Beste für alle wollen. Manchmal braucht es einfach Zeit, denn die Zeit kann heilen, besänftigen und Dinge gut sein lassen, ohne dass man sie noch besser machen kann. Und gleichzeitig hat es mir wieder einmal aufgezeigt, dass es auch nach dunklen Nächten einen Morgen gibt. Dass Kräfte zurückkommen, da hin, wo sie gänzlich verloren schienen. Jetzt geht es ihm gut, meinem Freund. Er schläft und tut, was er manchmal, immer seltener tut, wenn er sehr tief schläft: Er spricht, gluckst, wimmert, kläfft und bellt leise vor sich hin. In diesen Momenten stelle ich mir vor, dass er ganz bestimmt von seinem langen, aktiven und erfüllten Hundeleben träumt. Den Tagen, an denen er anderen Hunden nachstellte, in unmoralischer Absicht, frech und zielstrebig. Dem Postboten auf seinem Fahrrad nachrannte, um ihn aus dem Garten zu jagen, mit den Kindern herumtollte, Bällen hinterhersprang und Stecken, um sich und seinem Besitzer Freude zu bereiten. Ich mag dich sehr, mein Freund. Danke, dass ich dich zu diesem Ende begleiten darf, und dass du mir zeigst, was es heisst, zu geniessen, zu leben und zu sein. Danke.

9. Dezember 2015 Reinhold Weber Im dritten Teil unserer vorweihnachtlichen Serie der festlichsten Weinachtsdekorationen stellen wir das kreative Werk einer Confiserie (mit Tea Room) an der Zürcher Goldküste (!) vor. Man richte sein Augenmerk auf die überdimensionale Plastikschneekugel, die im nächsten Augenblick vom Sankt Tarzan weggerammt wird. Ein visuelles Gleichnis, welches viel christlichen Sinn macht, wenngleich uns auch nicht vollends klar ist, welchen. Aber das ist bei jedem grossen Kunstwerk so. Bemerkenswert: Die rotweissen Einparkhilfen für Zweit-SOVs erfüllen mehr als nur einen dekorativen Zweck, und die Installation “Weihnachtsstern mit weihnachtlich einsamem, altem Schneeball” treibt uns Tränen über die Wangen. Etwa so wie, sagen wir, beim Zwiebeln hacken.




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Er liebt dich einfach nicht. Sie liebt dich einfach nicht. 12. Oktober 2015 Jelena Keller Wie man Menschen erkennt, die emotional unerreichbar sind. Sie sind emotional distanziert, beenden emotionale Gesprächsthemen oder Konflikte ohne auf diese eingegangen zu sein Sie sind vor allem interessiert an Sex, nicht daran sich emotional oder spirituell zu verbinden Sie sind narzisstisch und denken nur an die eigenen Gefühle, nie an deine Sie geben alles von sich um deine verlorengegangene Aufmerksamkeit

zu erlangen, distanzieren sich aber, wenn sie deine Nähe bekommen Sie bevorzugen es per Kurznachrichten oder Email zu kommunizieren, weil sie sich so einerseits Unterhaltung bekommen, wann immer sie mögen und andererseits mit diesen Kommunikationsmitteln schnell aus einer unangenehmen Situation befreien können Sie geben dir keine richtigen Antworten verhalten sich ambivalent, flirten etwa mit anderen aber weichen aus, wenn du sie konfrontierst Sie sind eventuell verheiratet oder in einer Beziehung mit jemand anderem

müde sind oder verschwinden grundlos für längere Zeit Sie stellen dich nicht ihrer Familie oder Freunden vor

Sie verführen dich, machen Versprechen, doch ihre Worte und ihr Verhalten passen nicht zusammen Sie lügen, dass sie immer arbeiten,

Sie sind Alkoholiker, Sex- oder Drogensüchtige oder haben mit anderen Abhängigkeiten zu kämpfen Sie sagen dir was du hören willst, um vor dir zu bekommen, was sie wollen Sie lassen dich nicht an ihrer Gefühlswelt teilhaben und öffnen sich dir gegenüber nicht Sie nutzen deine Fähigkeiten, Finanzen, Beziehungen etc. zu ihrem eigenen Vorteil

Sie geben sich keine Mühe an den für dich wichtigen Ereignissen teilzuhaben und dir diese zu verschönern Sie liebt dich einfach nicht. Er liebt dich einfach nicht. Lass dich nicht mehr manipulieren und gebe dir die Liebe, die sie dir nie geben konnten. Das Leben besteht aus so viel mehr, als darauf zu warten, dass jemand deine Schönheit erkennt. Treffe Freunde, lache, probier jede Woche etwas Neues aus. Mache endlich Platz für Gutes, indem du loslässt. Tu was dich gut fühlen lässt. Du hast es dir verdient.

VON WILDEN FRAUEN UND MÄNNERN BEWOHNT 12. Oktober 2015 Christian Platz Das Böse und sein kleines Brüderchen, das Dumme, schleichen durch eine dunkle, neblige, arschkalte Winternacht. Auf der Suche nach einer Aufgabe. Und die werden sie auch noch finden, zweifelsohne, bevor der nächste Morgen kommt. Wenn er denn kommen will. So schleichen sie vorbei. An den Liegenschaften der Reichen und Schönen, den Museen, in denen das verratene Erbe der Menschheit verstaubt, an den Kirchen, in denen Wein und Brot in Blut und Fleisch verwandelt werden. An jedem verdammten Sonntag. Die beiden nächtlichen Rabauken können sich problemlos Zutritt verschaffen - zu fast jedem Gebäude. Durch jede Ritze im Mauerwerk, durch Kamine, notfalls auch von unten, durch die Kanalisation. Und wenn sie einmal drinnen sind, ist es sehr schwer, sie wieder loszuwerden, da sind Küchenschaben und Bettwanzen ein Zuckerschlecken dagegen. Tatsächlich haben sie fast jedes Haus, an dem sie vorbei schleichen, schon einmal besucht, markiert, infiziert. Ausser jener Bruchbude. Am Stadtrand. In der niemand wohnen möchte, der etwas auf sich hält, wie man zu sagen pflegt. Doch für jene, die sie bewohnen, stellt sie ein Schloss dar, eine magische Burg. Die Kräfte, die das Haus umwehen, bilden einen starken Schutzwall, den selbst das Böse und sein kleines Brüderchen, das Dumme, nicht überwinden können. Erstaunlich daran ist der Umstand, dass jene, die unsere Bruchbude bewohnen, sich des Schutzes, den sie geniessen, nicht einmal bewusst sind. Wenn sie darum wissen würden, täte sich der Schutzwall allerdings sofort im Nichts auflösen, wie sich Zucker in einem jener heissen Schnapskaffees auflöst, die im tiefen Winter Bäuche, Herzen, Köpfe so vortrefflich wärmen... ...und die Stimmung gerade im richtigen Mass lösen. Für eine Runde heftiger Unzucht unter dem Mistelzweig. Wie aber ist der mächtige Schutzwall zustande gekommen, der ausgerechnet jene Bruchbude umgibt? Nicht einmal die schönste Kirche, der nobelste renovierte Altbau (mit Lift), das altehrwürdigste Museum verfügen über einen derart mächtigen Zauber... Der Schutzwall hat sich über vie-

le Jahrzehnte geformt, in denen das windschiefe Mehrfamilienhaus am Stadtrand, dessen Wände brüchig, dessen Leitungen verrostet, dessen Dachbalken angefault sind, durch Generationen von Wilden bewohnt wurde und wird, die sich den Teufel darum scheren, wie „die dort draussen“ diese unsere Welt haben wollen. - Von wilden Frauen und Männern bewohnt wurde und wird, die sich nicht um die Regeln, Selbstverständlichkeiten, Empfindlichkeiten des imaginären Gebildes scheren, das man da Gesellschaft nennt. Sie haben ihre eigenen Gesetze. Sie helfen ihren Mitmenschen, wenn sie können. Doch sie versuchen nicht, anderen Leuten ihren Trip aufzuschwatzen. Sie sind ein bisschen laut, bunt, exzentrisch, gestehen diese Eigenschaften jedoch auch allen anderen zu, die in diesem Jammertal namens Welt existieren. Sie kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten – ihre einzige Erwartungshaltung an ihre Leidgenossen, ihre Mitmenschen draussen eben, ist, dass diese auch so verfahren. Sie tun, was sie wollen, tun, was sie können, leben ihre Träume, soweit das physikalische Universum es zulässt – und noch ein bisschen darüber hinaus. Doch niemals versuchen sie, die

Träume anderer Leute zu zerstören. Und weil sie so sind, werden sie von den Mitgliedern jenes imaginären Gebildes, das man Gesellschaft nennt, in der Regel scheel angeschaut, misstrauisch beäugt, niederschmetternd bewertet, scharf verurteilt. Aus purem Neid. Denn die Bewohner unserer Bruchbude sind Meisterinnen und Meister des Verbrechens; der opferlosen Verbrechen. Sie ziehen ihre Energien und Inspirationen nämlich just aus jenen Dingen, welche den Mitgliedern jenes imaginären Gebildes, das man gemeinhin Gesellschaft nennt, gegen den sprichwörtlichen Strich gehen, weil sie sich so sehr vor dem Tod fürchten. Genau diese Dinge halten auch das Böse und sein kleines Brüderchen, das Dumme, auf Distanz. Und erzeugen die Elemente, formen die Bausteine des Schutzwalls, der die alte Bruchbude umgibt. Ihre Nächte sind lang. Morgens stehen sie spät auf. Dergestalt sind die Bewohnerinnen und Bewohner der Bruchbude am Stadtrand desorganisiert. Sie warten seelenruhig auf die erste Mahnung, auf die zweite – und verscheuchen am Ende noch den strengsten Gerichtsvollzieher. Sie kleiden sich so, wie es ihnen passt. Sie beten zu den Göttinnen,

Göttern, Dämoninnen und Dämonen, in die sie sich gerade verliebt haben. Sie beschäftigen sich hemmungslos mit Fragen und Gedanken, die sie in philosophische und theologische Untiefen sowie Widersprüche führen, welche den Mitgliedern jenes imaginären Gebildes, das man Gesellschaft nennt, natürlich überhaupt nicht behagen, weil sie nicht „zielführend“, nicht „produktiv“, nicht „wirtschaftlich“ sind. Sie nehmen sich ihren Teil aus dem Sortiment der körperlichen Liebe, exzessiv, zu zweit, zu dritt, zu viert, wie es gerade passt. In allen Tonarten, die der Quintenzirkel der körperlichen Ausschweifungen hergibt. Zudem vibriert die ganze alte Hütte vor Musik. Etwa achtzig Jahre ist es her, als der Jazz in diese Wände eingezogen ist, später kam mit Macht der Rock’n’Roll dazu, dann erschienen Blues, Soul, Funk, tropische Rhythmen, Reggae, HipHop, elektronische Beats, samt und sonders leben dieses Musikstile heute friedlich unter dem alten Dach zusammen. Hier sind alle Hausgenossinnen, Hausgenossen ziemlich laut, deshalb stört niemand die anderen. In den Wohnungen, im Treppenhaus, im Keller riecht es beruhigend nach Haschisch, Marihuana, Zigarren, Zigaretten, alle helfen einander

gerne aus, wenn jemand mal kein Salz hat, keine Suppe, keinen Schnaps, kein Horoskop, kein MDMA, keinen Pulverschnee. Yeah, Ladies and Gents, die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Hauses wünschen sich kein langes Leben, sie wünschen sich ein erfülltes Leben. Sie nehmen sich, was sie bekommen können. Ohne irgendjemanden zu irgendetwas zu nötigen. Und sie bekommen es eben meistens trotzdem, denn sie sind beredt, entspannt, offen, tragen ihre Exzentrizitäten stolz durchs Leben; das sieht bekanntlich immer gut aus. Wenn sie mit irgendwem mal nicht klar kommen, trennt man sich einfach voneinander, ohne Gram, denn in dieser alten Bruchbude kennt man weder die Rache – noch den Neid. You go your way. I go mine. - Ganz einfach eigentlich. Egal, was draussen geredet und geschnödet wird, in diesem windschiefen Haus am Stadtrand wird ununterbrochen musiziert, hemmungslos diskutiert, wird vorzüglich fabuliert, halluziniert, orgasmiert. Leider soll dies aber nicht so bleiben. Dem Bösen und seinem kleinen Brüderchen, dem Dummen, ist es nämlich gelungen, Herrn Bisenbender und seine böse Freundin, Frau Absudr, sie wohnen im grauen Block gegenüber, wo er als Wart arbeitet, davon zu überzeugen, der alten Bruchbude den roten Hahn aufs Dach zu setzen. Die Brüder spielen diesmal also gewissermassen über die Bande. In der späten Nacht des 24. Dezember wird das böse Paar unser Haus mindestens semi-professionell (sie haben reichlich geübt) in Brand stecken. Weil sie der „Unmoral ein Ende setzen müssen“, so ihre Rechtfertigung. Alle guten Leute, die im Hause wohnen, werden verbrennen, während sie sich vergnügen. Gemeinsam mit ihren Haustieren, Bibliotheken, Musiksammlungen, Voodoo-Altaren, Sexspielzeugen, Drogen-Arsenalen... Am frühen Morgen des Weihnachtstags wird schwarzer Rauch gen Himmel steigen. Dort draussen am Stadtrand. Doch wird die Orgie weiter gehen. In der Unterwelt. Wo die Schatten wohnen. "None, breathed the light, faint & faery, of the stars, and two. For I am divided for love's sake, for the chance of union. This is the creation of the world...“ ABRA-HAD-ABRA!


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BETRIFFT: PARIS 11/13. LIEBER ROGER DE WECK, NIMM DEN SOGENANNTEN PROGRAMMDIREKTOR RUEDI MATTER AUS DEM TVPROGRAMM. UNVERZÜGLICH.

14. November 2015 Reinhold Weber Lieber Roger. Hundertausende von SRF-Gebührenzahlern sitzen am Abend des 11/13 erschüttert vor dem Fernseher, um sich über die Terroranschläge in Paris laufend zu informieren. So auch ich. Ich brauchte – wie wohl viele andere auch – einen Schnaps. Und habe mich, wie die meisten anderen auch, durch alle möglichen Nachrichtenund Sondersendungen gezappt, auch durch die Programme des öffentlichrechtlichen Schweizer Fernsehens SRF-1, SRF-2 und SRF-Info. Da lief aber keine Sondersendung, Roger. Da lief programmgemäss der Krimi

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TROTZ BRATE IM OFE NÖD GANZ BACHE: DIE FRISCH BEFRUCHTETE UND DOCH LEICHT ÜBERTRAGENE TOP5 DER GEILSTEN SCHWANGERSCHAFTSBÄUCHE IM NETZ, DIE MIT ETWAS FARBE ZU WAHREN KUNSTWERKEN WERDEN

“Borsalino” mit Jean-Paul Belmondo und Alain Delon (zwei französische Schauspieler immerhin), die Wdh. von SF bi de Lüüt, irgend ein irrer Horror-B-Movie, die Wdh. der Sportschau und von 10 vor 10. Terroranschläge in Paris? Nix da. Fand bei SRF nicht statt. Die vom Service Public Leutschenbach waren wohl alle schon im Weekend oder bei einer Retraite zum Thema “Relevanz”. Ich habe mir vorgestellt, was in Deutschland so abginge, wenn zu diesen katastrophalen Ereignissen in Paris auf den öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF so tote Hose gewesen wäre wie gestern Abend auf SRF. Und ich bin mir sicher, da kennen wir uns lange genug, Roger, Du weisst es auch. Es ist ein Skandal. Deshalb nimm den sog. Programmdirektor Ruedi Matter aus dem Programm. Schmeiss ihn raus. Hochkant. Schick’ ihn in Pension, in die Wüste oder dort hin, wo der Pfeffer wächst. Sofort. Unverzüglich. Denn, wie gestern für jedermann ersichtlich: Matter hat eine Mattscheibe. Und, mit Verlaub: die gesamte Nachrichtenredaktion ebenso. Es grüsst Dich ein nachdenklicher, etwas verstörter R.

MUSS MAN HABEN: EINEN STAATS-TROJANER

November 2015 Midi Gottet. Jaja, wenn die Bälger noch friedlich im Bauch schlummern, ist die Euphorie noch gross. Aber erst mal geworfen, schmieren sie mit Farbe das Elternzimmer voll und niemand lacht mehr.

DAS BUNDESAMT FÜR GÄNGELUNG (BAG) TEILT MIT 12. November 2015 Reinhold Weber Der Anteil der minderjährigen RaucherInnen zwischen 15 und 17 Jahren – warum eigentlich nicht zwischen 14 und 20 Jahren? – habe zwischen 2012 und 2014 um 1,5 Prozentpunkte von 18,7 auf 20,2 Prozent zugenommen. Dies zeigt eine neue Studie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), und dies sei natürlich ein Drama, interpretiert ebendieses.

10. November 2015 Reinhold Weber. Nicht weinen, Mario Fehr. Kann ja jedem mal abstürzen.

Deshalb wollen Bundesrat Berset und KollegenInnenX die völlig wirkungslosen Tabakpräventionskampagnen des BAG verbieten, die Steuern

auf Tabakwaren senken, Raucherbars wieder erlauben, die Abschreckungsbildchen auf Tabakpackungen wegund 500 Leute des BAG entlassen. Dies könnte der (un)gesunde Menschenverstand so meinen.

Indessen wollen Berset & Co. die Werbung für Tabakwaren künftig fast ganz verbieten und weitere Restriktionen denjenigen anderer europäischen Länder anpassen, welche dort viel härter als hierzulande seien (obschon sie dort auch nicht viel nützen). Dies ist die Regierungs-, Behörden- und Volkserzieherlogik. Und dies wohlgemerkt zwei Tage, nachdem – im weltweiten Kontext gesehen – der Anteil an Rauchern zwischen 91 und 100 Jahren signifikant gesunken ist. Da sei mir die Frage erlaubt: Was haben die bloss geraucht?



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Dezember 2015

LOVE LAS VEGAS 7. Dezember 2015 Jelena Keller An alle die, die meinen Glück komme von Innen: Sie irren sich. Es kommt von Aussen. Ziemlich genau aus Las Vegas, Nevada, USA. Sparen sie sich das Geld in einer Krise für den Psychiater. Gehen sie nach Las Vegas und lassen sie sich von der Energie dieser unglaublich durgeknallten, kitschigen, sündhaft spassigen Fantasiewelt anstecken. Dass sie danach geheilt sind, kann ich ihnen nicht versprechen. Im Leben ist schliesslich nichts sicher. Ausser, dass sie sich während ihrer Zeit dort wieder leichtsinnig, jung, lustig, amüsiert und kontaktfreudig fühlen werden. Egal wie ihnen dieses unberechenbare Leben gerade spielt. Als ich die erste grosse Lebenshürde zu bewältigen hatte, suchte ich nach geeigneten Urlaubsangeboten, um dem Alltag zu entfliehen. Die Wirtschaftskrise hatte die USA gerade mächtig mitgenommen, was mir ermöglichte für 700 Franken zehn Tage inkl. Flug und Hotel nach Las Vegas zu buchen. Ein finanziell bedingter Ferienentschluss, weil ich nichts über diese Wüstenstadt wusste. Der Film „Hangover“ war noch nicht in den Kinos, mein Wissen über Las Vegas mit glitzernden Bildern über Google erweitert. So flog ich zum ersten Mal dort hin, ohne zu wissen, was mich erwartet, nur um später herauszufinden, dass Vegas zu einem meiner Lieblingsorte werden würde. Trotz globaler Krise war hier keine negative Stimmung zu spüren. Dieser Ort mag einer der einzigen sein, der in schwierigen Zeiten noch stärker strahlt – dann, wenn die Menschen Inseln brauchen um von ihren schwerfälligen Gedanken loszukommen. Einer der Gründe, wieso Las Vegas zu einer der weltweit am schnellsten wachsenden Metropolregionen gehört. Hier kommt man her, um sich abzulenken, sich animalisch, statt moralisch, von Lastern und Sünden leiten zu lassen, egal was der Nachbar oder Gott darüber denkt. Man begibt sich in eine Fantasiewelt, die im Gegensatz zu der in Computern und Spielkonsolen, eine real erlebbare Flucht ermöglicht. Hier hat jeder genug Geld dabei und gibt es freudig aus, was sich unweigerlich positiv auf die Gemütslage auswirkt. Las Vegas ist ein psychologisch durchdachtes Meisterwerk, das gekonnt Rationalität und Gewissen ausblendet. Man schlendert Tag und Nacht durch einen riesigen Rummelplatz für Volljährige, der einen immer auf neue mit offenem Mund perplex stehenbleiben lässt. Casinos, atemberaubende, luxuriöse Hotels, unglaublich vielseitige Kulinarik, opulente Nachtclubs. Stylische und teuer operierte Fashionikonen, die in Balmain Kleidern in Rooftop Restaurants dinieren und mal 600 Dollar für einen Hamburger ausgeben. Solche, die händchenhaltend auf dem künstlichen Eiffelturm sitzen, und vom weit entfernten „Europe“ träumen. Sixpack-beladene Ballermänner auf der Suche nach neuen Bettgeschichten. Die, an den Slotmaschinen sitzenden Spieler, immer wieder zum oberhalb positionierten, echten Ferrari hinauf schielend, in der grossen Hoffnung, dieser und noch viel mehr, möge bald ihr Leben verändern. Die, die ihr Bier aus dem Plastikhut mit einem Strohhalm trinken und gleichzeitig in den offenen Bars auf der Strasse zu schlechter Popmusik torkelnd tanzen. Las Vegas ist für jedes Budget und jede Präferenz gemacht, das ist unumstritten. Wer Underground und Hipster sucht, ist hier an der falschen Adresse, es geht schliess-

lich darum die Wünsche der Massen zu befriedigen und das so gut, dass es eigentlich keine Rolle spielt, welcher Subkultur man zu Hause angehört. Ist es im nördlichen Teil des “Strip”, der Vergnügungsstrasse, eher ruhiger und gehobener, so wird es gen Süden mallorca-nischer. Der Massentourismus ist hier überall. Aber wenn schon, dann bitte richtig spassig hier, statt irgendwo gähnend traurig All-inclusive in Ägypten. Ausserhalb des “Strip” wartet die Normalität einer amerikanischen Wüstenstadt, deren insgesamt zwei Millionen Einwohner wohlhabender sind, weil sie höhere Einkommen erwirtschaften können. Anders die schätzungsweise 900 Obdachlosen, die unter den Hotels in den Fluttunnels wohnen. Wie alle anderen Hoffnungvollen, kamen sie hierher um ihr Glück zu suchen. Doch verloren sie dabei alles, was wir ein zivilisiertes Leben nennen. Ihr Einkommen besteht grösstenteils daraus Geld zu suchen, das den Besuchern verloren ging, auf den Strassen oder in Slot Maschinen. Betteln dürfen sie nicht, die Stadt achtet penibel darauf an der Oberfläche ordentlich und sicher zu sein. Obwohl es Hilfsprogramme gibt, die Behausungen anbieten, weigern sich Viele aus ihren häuslich eingerichteten Tunnelabschnitten zu ziehen, weil sie Angst haben vor der Überforderung draussen und davor, ihr selbstbestimmtes Leben zu verlieren. Das einzige, wovon sie mit diesem Lebensstil abhängig sind, ist der Regen. Auch wenn er in Nevada selten kommt, flutet er die Tunnels schnell und erbarmungslos. So hat er in den letzten 20 Jahren 20 Leben gekostet. Und trotzdem bleiben Sie in Vegas, die Untergrundmenschen, die Stadtkernbewohner und die temporären und wiederkehrenden 40 Millionen Touristen jährlich. Es ist eben irgendwie doch besser dort, wo die Verlockung lockt, die Menschen johlen und spielen in einer glitzernden Umgebung, statt anderswo, wo sie jammern. Waren es vor den bezahlbaren Flugangeboten und den Hangover Filmen noch grösstenteils Amerikaner, die sich in Las Vegas während ihrer kurzen Ferien dem Alltag entflohen, Spieler sowie Amerika Rundreisende, konnte sich die Stadt nun auch beim grossen, bunten Gemisch aller Nationen als sehenswerte Toristenattraktion einen Namen der machen. In Altersgruppen lässt sich nicht kategorisieren, weil tatsächlich jeder nach Las Vegas kommt und dazu eingeladen ist. Ruhesuchende und Gourmets fin-

den genauso ein Plätzchen wie Feierwütige. Eltern, die mit ihren Kindern in Nachtclubs gehen, Bachelor Parties und Gruppen von Freunden sind hier keine Ausnahme, was den nächtlichen Ausgang mehr auf Spass ausrichtet, statt aufs Anbaggern und Abschleppen. Natürlich sind im „Disneyland für Erwachsene“ One-Night-Stands, Prostituerte und Drogen so einfach zu haben, wie in allen Partymekkas, doch kann man hier sein Gewissen getrost zu Hause lassen, denn: „What happens in Vegas, stays in Vegas“. Die Energie dieses „Sin City“ ist so mitreissend, dass man sich ihr unmöglich entziehen kann, was unter anderem daran liegt, dass die Hotels Sauerstoff in ihre Hallen pumpen, um Müdigkeit effizient vorzubeugen. Uhren hängen hier keine an den Wänden, Tageslicht sieht man in den Gebäuden fast nirgends – Massnahmen, die einen das Zeitgefühl vergessen und unter Umständen in den Casinos tagelang durchzocken lassen. Tatsächlich ist es so, dass hier alles 24 Stunden am Tag offen hat. Die Möglichkeiten scheinen endlos, man wird auch nach einer Woche Vegas nicht genug gemacht und gesehen haben. Der Tag ist immer zu kurz: Bungee Jumping, Outlet Shopping, Tages -Poolparty, Manicure, Abendessen, Cirque du Soleil, Rooftop Bar, Nachtclub, frühstücken, zwei Stunden schlafen und wieder von vorne mit anderem Programm, etwa mit einem Trip zum Grand Canyon Hoover Dam, Achterbahn fahren, Aquariums- und Messe- oder Museumsbesuch. THE VENETIAN Eines der besten Hotels am Strip ist das weltbekannte „The Venetian Resort“ . Wie der Name suggeriert, wurde es der italienischen Stadt Venedig nachempfunden. Venezianische Sehenswürdigkeiten wie die Rialtobrücke, der Markusplatz oder die Campanile befördern die Besucher in einen Themenpark, der sie über viele kleine Brücken spazieren, shoppen und essen sowie auf den Wasserkanälen Gondelfahrten und singenden Gondolieri machen lässt. Dass das Wasser nur knietief ist und gefühlt tausende von Asiaten Fotos von einem machen dabei, blendet man gekonnt aus. Man befindet sich schliesslich im fröhlichen Abenteuerland, winkt und lacht in die Fotoapparate hinein. Die Umgebung passt sich der realen Tageszeit an: Nachts wird der Himmel dunkler, die Häuschen leuchten aus ihren kleinen Fenstern, in den Restaurants herrscht romantische Candle-Light Stimmung – wobei man damit rech-

nen muss, dass auch hier viele, viele Menschen an einem vorbeilaufen, was uns noch näher an das europäische Äquivalent zum Hotel erinnert, wo es, so würde ich meinen, weitaus schlimmer ist mit dem Massentourismus. Wenn der Morgen naht, nehmen die Passanten in ihrer Anzahl ab und andere Gestalt an: Leicht bekleidete Mädchen mit verschmierter Schminke und die hohen Schuhe in den Händen an, das Kichern unüberhörbar, Freunde die sich lauthals unterhalten und langjährige Paare, die wieder verliebt und erregt händchenhaltend durch die künstlichen Gassen schlendern, wie bei den ersten gemeinsamen Ferien in italienischen Städten. Das 1999 erbaute Viersterne Haus war mit seinem 2007 eröffneten und angrenzenden Schwesterhotel „The Palazzo“ bis 2015 das weltweit grösste Hotel. Alle, der insgesamt 7.128 Zimmer sind Suiten und bieten mir ihrer Standardgrösse von 60m2, drei Flachbildschirmen und 12m2 grossen Badezimmern sowie einer modern-mondänen Einrichtung, höchsten Komfort, die mich königlich fühlen lassen, dies für absolut humane Preise, die bei durchschnittlich 170 Dollar (Nebensaison) bis 280 Dollar (Hauptsaison) beginnen. Die 40 Stockwerke haben verschiedene Preiskategorien, von der aussichtslosen Suite im 3., bis zum Penthouse im obersten Stockwerk. Ein spezifischer Dress Code existiert, ganz amerikanisch und lègere – nicht. Dies gibt mir die Freiheit mit Trägershirt und Shorts herumzulaufen und mich am Abend richtig fein herauszuputzen und im Abendkleid herumzustolzieren -mit der Gewissheit, dass ich in beiden Fällen nicht unpassend gekleidet bin. Was ich an diesem Hotel besonders mag, ist, dass es mit seinem vielfältigen Angebot Menschen aller Schichten mit Wohlfühlfaktor vereint und dabei trotzdem sehr gehoben ist – ganz so, wie man sich in den Ferien fühlen möchte. Obwohl der Hotelkomplex riesig ist, fühlt man sich als Gast nicht wie eine blosse Nummer. Eher wie der Besucher einer kleinen Stadt innerhalb von Las Vegas, weil es einem möglich ist, sich fünf Tage lang nur im „The Venetian“ aufzuhalten, ohne sich zu langweilen. Ein Casino, Ein Nachtclub, ein Casino-Nachtclub, 10 Pools mit privaten Cabanas, Bars, 5 Shows, 18 Restaurants, unzählige Einkaufsmöglichkeiten (wie der Victorias Secret Shop, in dem ich mindestens 1000 Sachen gekauft habe) und ein Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett, tragen dazu bei, dass man Las Vegas erleben

kann, ohne je aus dem Hotel hinaustreten zu müssen. Sucht man verrückte, sexy Nächte mit so ist man am besten bei der hoteleigenen „TAO“ Gruppe aufgehoben: TAO Restaurant, eine der besten asiatischen Dinner-Lokale, TAO Beach Club für wilde Bikini Parties mit Lounges und berühmten Gästen sowie der TAO Nachtclub, in dem regelmässig bekannte Sänger, Schauspieler und Dj’s auftreten. Einmal sah ich dort Kim Kardashian live, was mich innerlich ein bisschen absterben liess, denn die Liebe sah aus wie ein Kind, das mir trotz killer High Heels bis zur Schulter reichte. Kleiner Kopf (der Kopf war wirklich so klein wie der eines Kindergärtners), kleine Gliedmassen, kleine Körpergrösse. Der Fernseher lässt leider nicht nur die Persönlichkeit grösser erscheinen, als sie in Wahrheit ist. Der live Gesang von Christina Aguliera an Silvester 2010 machte dieses enttäuschende Celebrity Erlebnis allerdings wieder wett. Dieses Jahr wartet Snoop Dogg am Mikrofon. Obwohl die Auswahl der Restaurants so gross ist wie die einer Kleinstadt, gibt es für mich ein Besonderes, welches mir stets unglaublich genussvolle Tage und Abende beschert. Die „DB Brasserie“ hat zwar weder einen besonders auffälligen Namen, eine spezielle Aussicht (da im Erdgeschoss), noch ein Interieur, das überwältigt, doch wird sich jeder Gourmet, der Wert auf Essen legt, in einem der besten Restaurants in Las Vegas wiederfinden. Das Restaurant gehört dem Michelin Koch und Chateau Relais Mitglied, Daniel Boulud. Sein französischer Chefkoch Vincent Pouessel, der schon als Sous-Chef im Jules Verne auf dem Eiffelturm gekocht hat, verhalf ihm dazu von diversen Koch Magazinen als bester Newcomer in Vegas für „Fine Dining“ ernannt zu werden. Das casual Bistro der Moderne ist bekannt für seine französisch-amerikanischen Kreationen, die zeitgenössisch und sensibel konzipiert sind und nur saisonale, hochwertige Zutaten beinhalten. Die zwei „signature“ Burgers sind ebenso beliebt wie die Escargots und feinste, einzigartige und elegantest Desserts in allen Variationen. Das Beste: Der Geniesser muss sich hier nicht mit kleinen Portionen abfinden und findet neben seiner Entenleber auf diverse Art auch Steakes mit Pommes Allumettes, die seine Gelüste, übrigens, mit hoch aufmerksamem Personal, befriedigen. Ein Erlebnis höchsten Geschmacks, das das beste aus der Französischen und Amerikanischen Küche vereint, uns mit seinem klassisch schlichten Ambiente jedoch fühlen lässt, als wären wir in Paris, der kulinarischen Oase Europas. Ganz weit weg von all den klirrenden Spielautomaten und jubelnden Menschen an den Pokertischen. Und wieder findet man hier einen Mikrokosmos, der einen für einige Stunden unerwartet in seinen Bann zieht. Eine Welt des Well-Being abseits des actionreichen Troubles findet sich im „Canyon Ranch Spa Club“. Eine mehrfach ausgezeichnete Wellnessoase mit Fitnesscenter, einer Kletterwand, Massagen und Behandlungen, Saunas und Bädern sowie einem in house Restaurant mit gesunder Küche. Und wenn der Saunabesuch nicht reicht, um nach durchzechten Nächten fit zu werden, läuft man eben schnell zum Oxygen Stand, wo man mit in die Nase eingeführten Schläuchen, zu direkt ins Hirn geblasenen Sauerstoff kommt. Nach 20 Minuten fühlt man sich putzmunter und kann weiterziehen zur nächsten Party, an der man man wunderbare Menschen kennenlernt, die für eine Nacht zu besten Freunden werden.


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Dezember 2015

IM GENERATIONENSANDWICH 10. Dezember 2015 Michèle Binswanger Früher fand ich Autoren, die ihre Texte mit „neulich ist mir folgendes passiert….“, einfallslos. Heute bin ich milder geworden und verurteile deswegen niemanden mehr. Zumal ich ebenfalls Dinge erlebe, die ich erzählen muss. Neulich war ich nämlich zu einem Essen eingeladen, zu dem ich nie eingeladen worden wäre, als ich noch jung war und Texte hasste, die mit „Neulich“ beginnen. Denn damals war ich alternativ und ein Freak und wenn es Essen gab, dann meistens Spaghetti in einer schmutzigen WGKüche. Aber eigentlich war es ja auch kein Essen, sondern eine Dinnerparty, wie man das in den Kreisen nennt, zu denen der Gastgeber gehört. Die Küche meines Gastgebers bekam ich nicht zu Gesicht, nur seine Bediensteten und die millionenschwere Kunstsammlung an den Wänden des Salons und des Entrées und überhaupt überall, wohin das Auge sich richtete. Die Einladung stand im Zeichen der Medienkrise, entsprechend hatte der Hausherr wichtige Menschen aus dem Umfeld von Medien und Kommunikation eingeladen, um über die Umwälzungen der Zeit zu diskutieren. Das interessierte ihn deshalb besonders, weil sein Stiefsohn ebenfalls im Medienbusiness aktiv ist, es im zarten Alter von 28 Jahren geschafft hat, ein amerikanisches Medienportal aufzubauen und für Millionen an ein grösseres Unternehmen zu verkaufen. Das dürfte den Hausherrn beeindruckt haben, vornehmlich deshalb wohl, weil er nicht versteht, was diese Jungen heute denn eigentlich verkaufen mit solchen Medienseiten. Davon verstehe ich wohl mehr als der Hausherr, aber von der Welt, in der er sich bewegt, verstehe ich überhaupt nichts, wie ich bald feststellen musste. Denn meine Wenigkeit war nicht etwa deshalb mit an Bord, weil ich eine wahnsinnig tolle Journalistin wäre, sondern weil ich mit einem Mann liiert bin, der in seinem Fach der Beste ist und an der Digitalisierungsfront ganz vorne mitspielt. Aber das sollte ich erst später entdecken. Naiv wie ich bin, ging ich davon aus, dass man mich wegen meines Namens eingeladen hatte.

Schwangerschaftsflatulenz Im Entrée wurden wir von einem Butler empfangen, dann von weiteren Bediensteten in den Salon geschleust, begrüsst, vorgestellt und mit Champagner und Häppchen alimentiert. Nach einer Runde Händeschütteln wurde ich dann in die Frauenecke bugsiert, wo man sich zwischen zwei Schluck Champagner über Schwangerschaften, Kinder und Schönheitsoperationen unterhielt. Wobei eigentlich nur ich Champagner trank, denn die anderen waren schwanger oder mussten auf ihre Linie achten, weshalb sie auch den Häppchen nur vorsichtig zusprachen. Auf der anderen Seite des Raumes standen die Herren. Wichtig, aber an den Frauen desinteressiert, denn zum Thema Schwangerschaft hatten sie wenig Substanzielles beizusteuern. Wenigstens wirkten auch sie etwas angespannt und ratlos, denn sie kannten sich ja auch nicht . Nur einer liess sich zu einem kurzen Gespräch mit mir herab, ein junger, gutaussehender Typ, der sich als Stiefsohn des Gastgebers entpuppte, der TwentysomethingMillionär. Er wirkte bescheiden und zurückhaltend, aber allzu lange konn-

immer wieder „my Generation“. Weil, so wurde mir klar, die Gefühle, Sorgen und Nöte seiner Generation der heisse Scheiss der Stunde sind. Die kann man zu Geld machen. Auch weil jenen, die über diese ach so kostbaren Gefühle schreiben, kein Geld gezahlt wird. Ganz neu ist das nicht. Neon machte das schon vor zehn Jahren, aber man kann Ideen auch zu früh lancieren und dann bestraft einen die Geschichte genauso, wie wenn man zu spät kommt. Aber so anders war die Neon-Generation auch nicht von dem, was der Jungmillionär als „My Generation“ bezeichnete. Nur ist heute alles noch ein bisschen ausgefallener. Man kennt das Konzept von Vice oder neuerdings auch von Seiten wie bento. Es geht um Sex, Drogen und Gefühle, aber ist eigentlich alles ziemlich bieder. Zumindest bei bento. Die Texte tragen Titel wie: Wie es ist, mit einem Panda auf Rohypnol beim Petting erwischt zu werden. oder: Wenn mir der Kollege ein Herzlein schickt, bin ich dann jetzt schwul? Oder: Wie es ist, als Kevin aufzuwachsen.

te ich mich nicht mit ihm unterhalten, denn bald zerrte ihn sein Stiefvater wieder weg von den Frauen ins Zentrum der Dinnerparty. Ich hielt die Stellung an der Peripherie, bei den Frauen, betrachtete die Miros und Picassos und Balkenhohls an den Wänden und dachte daran, was man mit den Millionen, die solche Bilder kosten, alles anstellen könnte, während ich mir die Geschichten über Flatulenz und Wassereinlagerungen während der Schwangerschaft anhörte und noch ein Glas Champagner trank. Dann kam das Essen. Wir gruppierten uns um die festliche Tafel und der Hausherr setzte zu einer Rede an. Er erläuterte die Gründe, warum er uns hier alle versammelt hatte: Die Digitalisierung! Die Medienkrise! Nichts mehr so, wie es früher war! Spannende Zeiten! Er stellte einen nach dem anderen vor – das heisst, er stellte die Männer vor. Und als er mit den Männern durch war sagte er: Die Frauen muss ich glaube ich jetzt nicht noch extra vorstellen.

My Generation Was für eine Demütigung, ich war fassungslos. Hat das etwas mit Geld zu tun, mit der Generation, der Klasse des Hausherrn – oder eher seiner fehlenden Klasse? Am liebsten hätte ich herumgepöbelt, aber ich lächelte nur ironisch. Aber Ironie ist eine beschämend stumpfe Waffe, zumal dann, wenn sie den anderen verborgen bleibt. Und dann kam das Erstaunlichste. Der Gastgeber forderte seinen Stiefsohn, den Jungmillionär auf, ein bisschen von seinem Medienportal zu erzählen. Erst zierte er sich, aber dann

legte er los und kam richtig in Fahrt. So sehr, dass ich bald glaubte begriffen zu haben, warum die Medienwelt sich so schnell und immer schneller

dreht. Vor allem aber erklärte er das Konzept seiner seite so, dass dort Collegestudenten darüber schrieben, was sie bewegt. „My Generation“, sagte er,

Ach, die junge Generation, ist sie nicht süss? Was für tolle Erfahrungen die macht! Und was für kluge Fragen sie sich stellt. Und die alte generation, gibt es das überhaupt noch? Und ich, ich sitze hier am Dinnertisch im Generationensandwich. Aber ich hätte dann noch eine Frage: Glaubt ihr, ihr werdet auch mal an einem Tisch sitzen und dann wird es heissen: Die Frauen stellen wir jetzt nicht extra noch vor? Glaubt ihr, ihr werdet euch dann auch nicht anders zu helfen wissen, als einen Text mit „Neulich war ich eigeladen“ zu beginnen? Und glaubt ihr auch, eigentlich solltet ihr euch darum kümmern, dass das etwa so selten passiert, wie man mit schwulen Pandas Zungenküsse austauscht? Ich hoffe es doch sehr!

REICHEN FÜNF GUTE MINUTEN AUS UM «DOOM» ALS GUTEN FILM BEZEICHNEN ZU KÖNNEN? 5. Dezember 2015 Dominik Hug Doom war und ist einer der weltbekanntesten Shooter überhaupt. Ja, ein Ballerspiel, liebe Politiker, und zwar ganz ein böses. Da werden ultrafiese Monster abgeknallt. 2005 nahm sich das mindestens ebenso böse Hollywood der DoomStory an, organisierte zwei bekannte Hauptdarsteller und einen Regisseur, der gerade ein Tripple an Actionhits auf die Kinoleinwand geschmettert hat und fertig ist der Actionhorror-Kracher namens Doom. Inhalt: Funkstille. Der Kontakt mit der MarsStation ist abgebrochen. Seit Tagen kein Lebenszeichen. In der letzten übermittelten Nachricht war von einer Quarantäne der Stufe 5 die Rede. Ein missglücktes Experiment? Eine bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheit unter dem Kommando des draufgängerischen Sarge (The Rock) wird in die unterirdischen Tunnel geschickt, um mit automatischen Waffen und Explosivgeschossen Licht ins Dunkel zu bringen. Doch in den ausgestorbenen Korridoren lauert eine Legion blutrünstiger Mutanten, deren erbarmungslose Brutalität die jeder bekannten Lebensform übertrifft… Lange lag Doom bei mir im Regal rum. Die eher durchzogenen Kritiken

und auch mein fehlendes Interesse (ich war nie der grosse Doom-Fan, Duke Nukem – The Movie wäre mehr mein Ding gewesen) waren dafür die Hauptgründe. Doch Karl Urbans grosser Auftritt als McCoy in Star Trek-Remake liess mich nun doch zur Disc greifen. Karl Urban ist auch der Hauptdarsteller des Films, holt aus den beschränkten Umständen das Beste raus und spielt gut. Dwayne “The Rock” Johnson ist ebenfalls anwesend. Sein Charakter ist jedoch unsymphatisch und sein Schauspiel fad, kann aber dank den Ende wieder einige Pluspunkte sammeln. Der Rest des Teams ist typisch für einen Billig-Ballerer. Der Freak, der junge Anfänger, ein Afro-

amerikaner mit grossem Sexdrang, viel Innovatives bietet der Film echt nicht. Und leider ist auch der Mix zwischen Action und Horror nur halb gelungen. Richtig gruselig wird es eigentlich selten und gross Action gibt es bis ins letzte Drittel auch viel zu wenig. Von grossartiger Atmosphäre mag ich auch nicht reden. Jedoch gibt es eine über fünf Minuten dauernde First Person-Sequenz, die ich einfach nur als total gelungen bezeichne. Da stelle ich mir die Frage, warum nicht der ganze Film aus dieser Sicht gedreht wurde, was doch mal ein neuer Stil gewesen wäre und der Gamerfraktion wohl sicher auch mehr gefallen hätte. Noch was zu Regisseur Andrzej Bartkowiak. Der hatte mit Romeo Must Die, Exit Wounds und Cradle 2 the Grave drei Actionhits am Stück abgeliefert. Demensprechend hoffte ich auch bei Doom auf ein optisch äusserst ansprechendes Werk. Nun, der Film sieht ordentlich aus, mehr aber nicht. Die Actionszenen sind solide, mehr nicht. Nur für die First Person-Sequenz klopfe ich dem Andrzej auf die Schulter. Fazit: Doom ist ein halbsolider Kracher, der dank einer einmaligen Sequenz und dank eines überzeugenden Karl Urban nicht ganz in der Brühe schlechter Actionfilme verschwindet.


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Juni 2014

lustig wars. danke. aber es reicht jetzt glaub. Dienstag, 1. Dezember 2015 Von Rainer Kuhn und Midi Gottet

abrufen konnte, und schon wars gelaufen. Die Leute haben ihre eigene Party mitgebracht. Ich musste nur noch einen DJ, ein paar Tänzerinnen und unsere Bartruppe mit Fabio, Barney und Simone und so hinstellen.

Jetzt, wo alles fertig ist, können wirs ja sagen. Wenn wir nur wüssten was. Und so redeten wir ein bisschen über alte Zeiten und so, in der Hoffnung, es würde uns wieder einfallen. Hat es aber nicht. Egal. Kommt ja eh nicht mehr so drauf an.

Ja, es war wunderbar. Und die Interviews mit Tom Novy und Dani König, oder Tanja Gutmann zusammen mit Hannes Hug ... ... die haben wir alle jeweils am morgen um fünf im Kaufleuten gemacht, nachdem eh schon alle ziemich breit waren ...

Midi: Eigentlich hätten wir dieses Interview schon früher machen sollen. Wir hätten sicher schon dreimal aufhören können. Aber Du musstest es ja immer wieder neu erfinden.

... und alles so gedruckt, wie es gesagt wurde.

Rainer: Musste?

Ja logisch.

Ja musstest.

Das war ja wirklich neu. Sonst werden Interviews ja immer nochmals überarbeitet, bis sie so geschliffen daherkommen, bei uns kamen sie so, wie gesprochen wurde, mit allen „äh’s“ und „hmm’s“ und so.

Es wurde mir halt immer so nach vier, fünf Jahren langweilig. Aber ja, man hätte jetzt wieder was machen müssen. Und ich hab jede Deiner Scheissbewegungen mitgemacht. Stimmt. Seit wann bist Du dabei? 1999, oder? Seit ich nach Zürich gekommen bin. Du warst hierneben Scotoni einer der ersten, den ich kennen gelernt hatte. Wir gingen ins Latino essen. Echt? Weiss ich nicht mehr. Ich dachte, wir hätten uns an dieser ADC-Verleihung kennengelernt ... Ou, fuck, ja.. ADC-Verleihung. Die Todesstrafe für jeden Künstler, da auftreten zu müssen. Du hattest mir Mut zugesprochen. Es war ja irgendwie schizo, ich wurde als toter Frank Sinatra im Sarg reingetragen, Sinatra ist damals ja gerade erst gestorben. Ich also im geschlossenen Sarg von bornieten Werber ins Kaufleuten getragen, auf die Bühne, mit Mafia-Musik, und als ich rauskam gabs Applaus und ich sang Frank Sinatra und niemand sagte was. Und dann wollte ich mein Stand-upComedy-Programm machen, deswegen war ich ja dort, und dann fingen alle an zu reden. Einer lauter als der andere, niemand interessierte sich dafür, was da gerade auf der Bühne passierte. Weiss ich nicht mehr. Wir haben damals ja unseren Goldwürfel gewonnen ... Eben. Wie alle irgendwie etwas gewonnen hatten und drum nicht aufgepasst hatten, und die, die nichts gewonnen hatten, waren eh angepisst. Aber gerade ihr, die sonst jeden runtergeschrieben habt, habt mich aufgebaut. So hat das angefangen. Kurz darauf war ich einer von Euch. Das war irgendwie schon die geilste Zeit, Du, ich, der Zentner und der Meyer ...

Das war eine gute Combo, Zentner, Meyer, Du, ich ... und der Flach ... wann kam eigentlich der Flach dazu? Ein bisschen später. Er gehört quasi zu den Jungen. Flach und mich verbindet, dass wir den Einsturz der Twin-Towers zusammen erlebten. Wir sassen im Odeon, als das erste SMS kam ... Der 11. September, genau ... heute wissen wir zum Glück ein bisschen mehr als damals. Du bist ein Verschwörungstheoretiker, wenn Du die offizielle Version der Regierung anzweifelst. Und ein Landesverräter dazu. In Amerika hast Du echt ein Problem wenn Du sagst, dass es doch nicht sein kann, dass wegen 2 Flugzeugen 2 solche Bauten einstürzen und dass das WTC7, welches ebenfalls eingestürzt ist, im offiziellen Untersuchungsbericht nicht einmal erwähnt wird. 10vor10 wollte das 2011, zum 10jährigen Jubiläum des Ereignisses, ja bringen, das mit dem WTC7, haben es dann aber wieder verworfen, weil sie dachten, es gäbe eh nur wieder Probleme mit den Amis, wenn man das bringt. Noch fünf Minuten und wir sind bei den Reichsbürgern und Xavier Naidoo. Reden wir lieber übers Kult.

Der Meyer war ja der Hans Schmerz. Deftiger Scheiss. Ich glaub, das bestreitet er heute. Aber ich kanns beweisen, ich hab ja alle Ausgaben noch. Siehst Du? Hier... Du hast jeden Jahrgang als Buch gebunden? Ja, so hab ich kein Puff ... shit ... schau hier.. die „Love-Story mit Stephanie Berger“ ... Ich glaub, die hat uns damals richtig gehasst ... ... nicht nur sie ... ... da, hier bist Du das erste mal drin: „Gottet’s Wort“ ...

Reden wir lieber übers Kult. Wobei, ich muss schon sagen, dass so die allgemeine SocialMedia-Community extrem Regierungs- und Staatsgläubig sind. Und sie merken es nicht einmal. Jeder, der die Regierungen in Frage stellt, wird von irgendwelchen impotenten Junkies schnell einmal als Nazi betitelt. Was willst Du, diese Leute haben den ganzen Tag auch nichts anderes zu tun, als das Netz nach dem eigenen Namen zu durchsuchen und in durchnässten Unterhosen und mit klebrigen Fingern

vor dem Bildschirm zu hocken ...

der Szene, auch in der Promi-Szene ...

Ich muss mir das jetzt nicht wirklich bildlich vorstellen, oder?

... das war eine komische Erfahrung, Du lernst diese Leute kennen und findest die meisten ja irgendwie ok, wieso auch nicht, die machen ja auch nur ihr Ding, mit einigen freundete man sich sogar an, und dann fehlt dir plötzlich diese Distanz, die du nur hast, wenn du die Leute eben nicht kennst, und plötzlich vergeht dir die Lust, dich über sie lustig zu machen.

Doch. Och komm, bleiben wir noch ein bisschen bei damals, viele sagen, dass das Kult damals am geilsten war ... ... war es ja auch. Ich fand jede Phase noch cool. Aber ja, die Anfangszeit war so der Pfadi-Groove, wir haben einfach gerockt und es gab weit und breit nichts, wo ebenfalls so gerockt wurde. Wir haben da ja auch eine geschriebene Sprache eingeführt, die es so noch nicht gab, mit Fotos, so schlecht, dass die niemand je gedruckt hätte. Die Leute haben richtiggehend auf die neuen Ausgaben gewartet. Sie wollten wissen, ob sie a) erwähnt und b) verrissen wurden. Und wenn sie nicht darin vorgekommen sind, waren sie schon fast beleidigt. Das ist so ein Show-off-Hooliganismus, wo du hoffst, öffentlich verprügelt zu werden, damit jeder sieht, dass du wichtig bist, denn unwichtige Leute kommen nicht in der Zeitung. Und dann mussten sie noch jedes Mal gute Miene dazu machen, wär ja uncool gewesen sonst. Vor allem die Promis mussten ja irgendwie mitlachen, gezwungenermassen. Es hats auch irgendwie gebraucht, dass mal jemand kommt und die Leute da draussen ein bisschen in den Senkel stellt. Wir hatten ja keine Ahnung, wer was war. Wir kannten ja keinen. Keinen Fredi Müller, keinen Dani König, niemanden. Also hatten wir auch nichts zu verlieren. Wir waren die Buben vom Land, die in die Stadt kamen und alles ein bisschen übertrieben fanden. Das hat sich dann ja schnell geändert, mit der Zeit warst Du ja voll integriert in

Wenn du heute nach Zürich kommen würdest, dann würdest du dich wahrscheinlich genau über diesen Rainer Kuhn lustig machen ... Ja, kann sein. Wobei am Anfang war meine Figur ja eine Karikatur von einer Mischung aus peinlichen Eigenschaften anderer. Diese Figur hat ausgesehen wie ich und trug meinen Namen, nicht wie Harry Hasler, ein Pseudonym mit aufgeklebtem Brustpelz. Die meisten Eigenschaften dieser Figur entlehnten wir übrigens Roger Schawinski. Zentner und ich haben haben uns andauernd über das Gespann Schawinski/Gilli lustig gemacht, wobei er das devote Muster von Gilli getragen hat und ich das selbstverliebte Karo von Schawinski. Es war eine Comedy-Show auf Papier. Gabs das Internet damals eigentlich schon? Keine Ahnung ... 56kb-Leitung vielleicht ... das war die mit dem Knattern und Quitschen, während das Bild auf dem Monitor sich in Stundengeschwindigkeit aufbaute. Auf jeden Fall kamen dann ja die KultPartys im Roxy, die waren je extrem angesagt, wie die Blushin’ Pink oder die Backstage-Partys im Kaufleuten. Wir haben die Partys ja jeweils Mittwochs gemacht. Von 21.00 – 02.00 Uhr. Weit und breit kein Wochenende in Sicht. Nachdem ich die Location definiert hatte, wars irgendwie einfach, weil jeder, der dort zehn Jahre nach der Glanzzeit des Roxy wieder die Treppe hoch stieg, seine eigene üble Zeit in diesem Lokal wieder

Ja. Und irgendwann ist mir das Partyscheisszeugs verleidet. Ich hatte sowieso immer das Gefühl, dass Kult sehr viel intellektueller war, als es draussen wahrgenommen wurde. Ich hab dann alles verworfen und zusammen mit Sybille Berg und Shamir Yanay diese fetten, schönen Hefte gemacht. „Schriftsteller und Fotografen erklären die Welt“ war as Konzept und wir hatten regelmässig richtig gute Leute drin: Henrik Broder war Stammautor, Wiglaf Droste. Feridun Zaimoglu, Moritz Rinke, Sybille sowieso und Michel Compte war drin, Wim Wenders, Yoko Ono hatte uns 50 Seiten gestaltet, einfach so, das war diese Ausgabe, wo ich grad in Leipzig war als Sybille mich angerufen hatte und sagte, wir hätten aktuell eine Literaturnobelpreisträgerin drin, Elfriede Jelinek, die vorher und nachher Artikel für uns gemacht hatte und dann gerade eben den Preis bekam. Cooles Timing, oder? Aber ich glaub, damals hat das niemand wirklich gecheckt. Das war die Zeit, als Du sogar ein Gedicht von mir abgedruckt hast. Niemand sonst hätte so ein Gedicht publiziert. Ich hab alles publiziert, was man sonst eben nicht publiziert. Das war ja das lustige dran. Aber unter dem Strich glaube ich heute, dass wir gar nicht gewusst haben, was wir da eigentlich machen. Nein, und das war auch genau richtig. Ich mein, eine der geilsten Storys von ganz am Anfang, war diese „Sex-Partys auf Ibiza“ Geschichte, so im Stil dieser RTL2-Sendungen, aber wir wollten die ersten sein in jenem Jahr und haben die Geschichte auf den Februar gelegt. Alles war zu. Ich muss auch öfters daran denken, als ich mit Jürg Zentner da runter flog, wir mussten über Barcelona, es hatte keine Direktflüge und es ging ewig lange bis wir da ankamen ... ... Parisienne hat das ganze bezahlt und wir haben dieses Sponsoring so übertieben in Szene gesetzt, auf jedem Bild, es war so übertrieben, dass es sogar Parisienne peinlich war. Und dann seid ihr losgezogen, zu all den hippen Locations, nur waren die halt zu, es war ja Februar, aber ihr habt so getan, als obs das jetzt wär ... ... wir haben das dann so beschrieben, als wär die Hölle los: „Jetzt sind wir hier auf Ibiza, live auf dem Parkplatz des Jockey-Club“, und auf dem Bild sah man einen gottverlassenen Parkplatz unter


kult

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Wasser und der Zentner und ich in den gelben Parisienne-Shirts mit den gelben Parisienne-Käpplis und den gelben Parisienne-Taschen, wie wir euphorisiert den Daumen in die Luft streckten. Dann riefen wir den Ulysses an, aber nicht mal der war dort, niemand war dort, nur wir, und wir kannten keine Sau, und niemand wollte uns kennenlernen, wieso auch, wir gaben ja auch die Superdeppen. Wir haben dafür Gary Glitter kennengelernt, wir wussten ja nicht, dass er gerade wegen Pädophilie angeklagt wurde, wir wussten nicht mal, dass es eigentlich gar nicht Gary Glitter war, sondern ein Gary Glitter Lookalike, der dann auch noch an der Schaffhauserstrasse wohnte und plötzlich Schweizerdeutsch mit uns redete. Das war so das Highligt. Wir haben keine einzige Frau kennengelernt, aber der Artikel war es wert. Eine andere lustige Geschichte war die, als Du und ich nach Bern fuhren, weil das WankdorfStadion abgerissen wurde, das Heimatstadion von Alain Suter, der zu dieser Zeit zusammen mit Sforza vor dem Länderspiel gegen Schweden oder Norwegen oder so aus Protest gegen die französischen Atomwaffentests dieses Transparent ausgerollt hatten, auf dem Stand „Stop it Chirac!“. Wir sind da also runtergefahren um für und im Stil von Alain Suter gegen diesen Abbruch zu demonstrieren, sprayten auf dem Parplatz dieses „Stop it Chirac!“ auf ein Leintuch, gingen rein, stellten uns vor einen Bagger und liessen den Baggerfahrer ein Foto von uns machen. Das wars. Ende der Geschichte. So waren wir drauf. Wegen so einem MiniGag durch die halbe Schweiz gefahren, nur um ein Foti zu machen. Ok, das hat heute natürlich alles nicht viel mehr als einen „Nostalgiewert“, und auch das vielleicht nur für uns, niemand interessiert sich mehr dafür.

Müller wurde in den 80er Jahren ja stinkreich mit seiner Stützli-Sex-Idee, hat dann aber seine ganze Kohle versoffen und verfickt und landete am Schluss todkrank in einer von Pfarrer Siebers Einrichtungen. Ich hatte das irgendwo gelesen, es gab da ein Interview mit ihm, wo er sagte, das einzige, was er bereue wäre, dass er nie mit seinem Sohn in die Ferien gefahren ist und dass er das heute leider nicht mehr könne. Das tat mir leid und ich dachte, lass uns Geld sammeln für Godi, damit er mit seinem Sohn wegfahren kann, dann bin ich in den nächsten Strip-Laden gegangen, hab eines der Mädchen gebucht, sie musste mit mir rauskommen und dort auf der Strasse jedem ihre Titten zeigen, der einen Franken zahlte. Stützli-Sex halt. Gleichzeitig riefen wir im Heft zum Spenden auf und haben auch noch was reingelegt. Am Schluss ging ich dann mit rund 3'000 Franken zu Godi, den ich ja nicht kannte, legte ihm das Geld auf den Tisch und sagte: „So, und jetzt fahr mit deinem Sohn in die Ferien“. Der wusste ja nicht, wie im geschah und war total gerührt. Er ist dann mit dem Sohn für zwei Wochen nach Italien gefahren. Einen Monat später war er tot. Stimmt, das war ein richtig schöner Job. Ich fand diese Zeitangaben über jedem Artikel noch funny. Jeder Artikel hatte eine Zeitangabe, wie lange das Lesen des Artikels etwa dauern würde ... ... was natürlich nie gestimmt hatte ... ... was?? Ich hab am Schluss beim Blattmachen dann einfach ein paar Zahlen hingeschrieben. Echt? Ich dachte immer, das wäre die effektive Lesedauer. Hast du wirklich das Gefühl, ich sei dann mit der Stoppuhr jeden Artikel nochmals durchgegangen?

Aber immerhin wir. Ja. Oder Handirr. „Harr Harr! Han Dirr in Boulet speuzt“. Der ist irgendwie hängen geblieben bei den Leuten. Anfangs dachte ich, dass das nur für KultLeser stattfindet. Und irgendwann war ich auf Wohnungssuche und dort in der Küche hing dieses Handirr-Miniposter, das wir mal gemacht hatten. Ich kannte diese Leute nicht, und sie mich auch nicht, ich habs einfach für mich genossen, dass diese Figur sich so verselbständigte. Geil war ja, dass der, der damals beim vorderen Sternen gearbeitet hatte, gar nicht wusste, dass er der Handirr war. Pepe und Thomas gingen zu ihm und sagten ihm „Schau mal, es gibt dich als Comic, du bist ein Star!“, aber er sagte nur immer „neineinnein, das bin nicht ich.“ Diego Baches, der das alles gezeichnet hatte, musste ja dann aufhören, weil er einen Job beim Schweizerischen Geheimdienst antrat und dort solche Nebenjobs nicht mehr machen durfte. Echt? Ja, echt. Aber einer meiner Lieblingsgeschichten war die Spendenaktion für Godi Müller. Godi

Seite einunddreissig

Juni 2014

Seite des Zoo-Clubs, ich hatte alle Artikel dabei, die irgendwie mit dem Kind und dem Zoo zu tun hatten und zeigte sie dem anderen Anwalt. Und der fing an zu lesen und kicherte bei jedem Artikel. Das war natürlich eine lustige Szene. Für uns jedenfalls. Kind fand es weniger witzig. Seis drum. Damals wollten uns immer wieder irgendwelche Leute verklagen. Die Universität Zürich wollte uns sogar verbieten lassen. Irgendwie haben sies dann aber einfach nicht geschafft. Wir baden uns jetzt hier in Nostalgie, aber es war schon eine funny Zeit. Ich hatte ja noch andere Sachen gemacht, war mit dem Trio Eden viel auf der Bühne, aber das beim Kult war eine andere Disziplin. Niemand wusste, was wir gerade vorhatten. Ja. Niemand. Nicht mal wir. Einmal haben wir die Daniela Kleisner bei Patty Bosers SwissDate aif Tele24 eingeschleust. Die hat die ganze Sendung durchgestanden und dann am Schluss in die Kamera gesagt, dass sie ja nur hier sei, damit sie eine Geschichte fürs Kult darüber schreiben kann. Später kamen eine Menge andere Leute dazu: Jack Stoiker war ja eine Entdeckung von Beat Schlatter und Jürg Zentner. Später dann Sibylle Berg, Frank Bodin, Oliver Scotoni, Nadja Schildknecht, Emel, Dodo, Noldi Meyer ... Flavia Schlittler hatte eine Kochkolumne, wo sie Rezepte aus Büchsenfutter präsentierte, Helmi Sigg's Filmreviews, Luca Papinis "Schwulenecke", Joachim Bodmer ... Dazu haben haben die besten Agenturen Werbung für uns gemacht. Weber, Hodel, Schmid und Euro/RSCG holten beide ADC-Auszeichnungen damit. Legendär waren auch die "Liebesbriefe", Leserbriefe, welche wir gut und gerne kommentierten... Ein weiteres Highlight war für mich der Relaunch im Razzia, als Du kult.ch lanciert hattest. Meyer, Flach, Hugentobler, Du, ich. Henrik war glaub noch nicht dabei. Zentner auch nicht. Aber an dieser Party kamen wieder alle, die damals in der Szene eine Rolle spielten.

Nein. Urs Kind war ja auch noch. Fuck, ja. Urs Kind. Der hat uns ja so gehasst. Und ich weiss nicht einmal warum. Vielleicht, weil wir geschrieben haben, dass er eine KoksNase sei, keine Ahnung. Er rief mich ja mal morgens um halb sieben an und deckte mich mit Drohungen ein. Ich hab dir noch gesagt, komm pass auch, der kennt Leute, die sind nicht so nett, die würden dann mal vorbeikommen und so. Und du meintest nur: Jänu, dann verhauen sie mich halt. Das hatte mich noch ziemlich beeindruckt, ich weiss noch, ich dachte, fuck, der hat ja gar keine Angst. Ich hatte das auch nicht so gespührt. Ich weiss nur noch, ich war grad in Miami, da kam ein Anruf von seinem Anwalt, der ein Treffen verlangte. Ich so: Ok, treffen wir mal seinen Anwalt. Ich bin dann mit meinem Anwalt dort hin, das war ein Restaurant auf der anderen

Jürg Zentner und Midi Gottet bei Recherchen in Ibiza. Im Februar.

Nein, Zentner wollte nicht. Ich hab dann den Hugentobler aufgestellt. Hugentobler als Zentner-Ersatz. Das wird der Hugi jetzt sicher gerne lesen. Ich hätte natürlich den Zentner gerne dabei gehabt, dann wärs zu 100% die alte Truppe gewesen. Aber Hugi entpuppte sich als Glücksfall. Ok, aber es war auch so gut. Ich mein, auch wenn alle wieder dabei gewesen wären, wäre es nicht mehr dasselbe gewesen. Zeiten ändern sich und Leute auch. Die alten Sachen hatten eine eigene Qualität, etwas, was es vorher so noch gar nicht gab. Schon. Aber unter uns gesagt: Wenn ich heute diese alten Sachen wieder lese find ich einige schon nicht mehr so lustig, wie ich sie damals gefunden hatte. Heute denke ich, man hätte hier und dort noch ein bisschen mehr rausholen können. Aber ich glaube auch, darum gings ja auch gar nicht. Wir haben einfach das gemacht und gebracht, was wir selber lustig fanden. Ob

die Leser das auch so sahen, war uns eigentlich ziemlich egal. Es ist ja auch irgendwie ein Zeitdokument. Es kamen die Leute vor, die damals da waren, Geschichten, die damals grad passierten, das ganze muss man heute in diesem Kontext sehen. Wir haben auch schamlos protegiert. Klar gesagt, welche unsere Freunde sind und welche nicht. Das hast Du dann angefangen, als Du selber Promi wurdest. Nein, das haben wir schon in St. Gallen so gemacht. Diese unverholene Subjektivität, an der es nichts zu rütteln gab. In Zürich gabs dann ja schnell ein mal diese zwei Lager, in unserem Lager war das Kult, das Kaufleuten, Blushin’ Pink und die Ex-Missen, im anderen das Forecast, der Zoo-Club, das Q und so. Wir waren die Guten. Ich glaube, es haben uns alle gehasst. Ich dachte zwar immer, die fänden uns noch gut, aber im Grunde genommen haben sie uns gehasst. Eher gefürchtet. Aber lassen wir das, wir können das gar nicht mehr so genau analysieren, wir haben doch einfach gemacht. Und Du warst immer dabei. Auch als dann die Phase mit den Schriftstellern und Fotografen kam hattest Du deine Kolumne. Und als wir die Ausgaben mit den Interviews machten hat Du halt Interviews gemacht. Aber was ich noch sagen wollte: Mich hats irgendwann genervt, dass wir immer nur auf das Partygedödel reduziert worden sind. Jede Ausgabe hatte 36 Seiten, 6 davon waren diese „Short-Cuts“ aus der Partyszene, ca. 12 Seiten waren Werbung, die restlichen 18 Seiten gings um andere Sachen. Die „Seite für Sie“ und die „Seite für ihn“, zum Beispiel. Der Zentner ist da jedes Mal zur Hochform aufgelaufen. Oder als man uns immer Frauenfeindlichkeit vorgeworfen hatte und wir dem entgegenwirken wollten und die Rubrik „Superfutz des Monats“ ins Leben riefen. Mit einem richtigen Pokal und so, die erste, der wir diesen Pokal übergeben wollten, war dann die Stephanie von Monaco, die war da gerade mit dem Franco Knie zusammen und hauste in seinem Wohnwagen in Rapperswil, aber sie wollte den Preis nicht entgegen nehmen. Sie fand das primitiv. Dann war da noch diese wunderschön illustrierte Doppelseite „Geräuschlos furzen“, aber davon redete kaum jemand, dabei fand ich diese Geschichten eigentlich immer viel geiler als wieder über den Yves Spink was machen, wie er mit einer Matratze auf dem Rücken durchs Kaufleuten marschierte und schrie „Wer will ficken?“.

Der mit dem „Geräuschlos furzen“ war ja auch hohe Kunst. Saubere Illustration wie aus dem Lehrbuch, gepflegtes Deutsch ... ... wer hatte eigentlich die Illu gemacht? Wie hiess sie nochmals? Anke oder Tina oder so... das war doch damals dem Zentner seine Freundin ...

endlich von seiner Tiziana los. Da haben wir alles akzeptiert, was danach kam, es konnte ja nicht schlimmer werden. Da kam der Nappo mit seiner Lebensweisheit „Im Leben eines jeden Mannes gibt es eine Tiziana.“ Damit meinte er, dass jeder irgenwann mal eine Freundin hat, wo er untendurch muss, weil sie andere Vorstellungen von seiner Zukunft hat als er selber. Jedenfalls ... „Geräuschlos furzen“ ... das war outstanding. Besser gings nicht. Und als wir kult.ch gestartet haben, hatten wir einen ähnlichen Groove. Einfach online. Da waren wir gut beieinander. Aber wir hatten auch rausgefunden, dass wir viel mehr schreiben mussten, nicht mehr nur einmal pro Monat, sondern täglich. Meyer ging dann irgenwann los wie ein Zäpfchen, hat bis zu sechs Geschichten am Tag rausgehauen, eine deftiger als die andere, dann hatte er diese Hitler-Phase, er sagte immer, er dürfe das, er sei Jude, und dann machte es von einem Tag auf den anderen „Buff“, und weg war er. Zuviel Zeit fürs Kult verwendet, da blieb nichts mehr übrig für seine Agentur. Und da niemand wirklich vom Kult leben konnte, musste er seine Prioritäten etwas anders setzen. Man konnte zusehen, wie es die Leute irgendwann halt verblasen hat. Die Kadenz war extrem hoch, das ging an die Substanz. Und dann hast du ja „Blog-to-Print“ gemacht. Das hat bis heute niemand sonst gemacht. Die Zeitung. Und die Boxen. Da haben wir wieder richtig stattgefunden. Und auch ein neues Publikum gefunden. Meine Mutter ging jeden Monat am Schaffhauserplatz zur Box runter und hat sich eine Zeitung geholt. Das ist etwas, worauf ich mich jetzt am meisten freue, nicht mehr in dieser täglichen Kadenz gefangen zu sein. Irgendwann wird’s mechanisch. Aber es war halt einfach doch immer meistens gutes Zeugs, dass wir gemacht haben, die Leute haben es immer gerne gelesen. Drum hab ichs ja auch bis jetzt gemacht. 18 Jahre ist ja auch eine lange Zeit. Da kannst Du auch mit einem guten Gewissen aufhören. Musst ja nichts mehr beweisen. Zeig mir einen, der das so lange durchgezogen hat. Die meisten, die das versuchten, gingen ja nach nur ein paar Ausgaben pleite. Umso cooler, nach 18 Jahren aufzuhören, weil man nicht mehr will, und nicht, weil man nicht mehr kann. Ich wollte ja auch kult.ch zumachen. Aber dann die anderen Autoren so: „Spinnst Du? Nur weil Du keine Lust mehr hast, müssen wir ja nicht aufhören.“ Die wollten umsverecken weitermachen. Ich find das noch eine geile Situation. Zuzuschauen, was jetzt damit passiert, wenn wir nicht mehr dabei sind. Klar ist es heute nicht mehr wie früher. Aber wer ist das schon. Eben. Drum lassen wir jetzt mal die Jungen machen ... hats eigentlich noch Vodka? Ja.

... gut, Sandro, Nappo und ich waren damals zu St. Galler Zeiten so froh, kam der Zentner

Unser Statement zum Abbruch des Wankdorf-Stadions

Gut. Dann lass uns das hier jetzt beenden.


kult

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Dezember 2015

Tom Novy und Dani König, irgendwann im Winter 99, morgens um 5, nach einer Kosmonauts-Party im Kaufleuten

Unsere Aktion gegen den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit. Aber Stéphanie von Monaco wollte nicht mitmachen.

Life-Hack von damals: Lebenshilfe von Kult.

die definitiv letzte Seite

Nadja Schildknecht, heute Direktorin des ZFF, damals eine von uns.

Der spätere Geheimdienstler D.B. zeichnete HANDIRR

Der heutige Beststeller-Autor Thomas Meyer bei einer Street-Performance als "Hans Schmerz"


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