Kult Juni 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. Juni 2015.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

«Jetzt isches hald passiart» 15. Juni 2015 Gimma Der Apfel fällt nicht weit vom Nervenzusammenbruch. Eigentlich wollte ich mein Auto beim Gebrauchtwagenhändler abgeben, aber es gibt wichtigeres in den Ferien. Weil wieder passiert etwas ungeheuerlich-spannendes und wieder bin ich live dabei – tatsächlich live – ich sitze zu Hause am Computer, Fenster auf, Bierchen am zischen, schaue diese tolle Apple Tittenschau mit Live-Ticker. Bin gespannt was für ein Streaming-Dienst präsentiert wird. Ist ja schliesslich die Zukunft, da will man dabei sein. Auch wenn ich nicht mehr Musiker von Beruf bin, das ist schon interessant. Ehrlich, ich mag Streaming persönlich nicht. Zum einen kaufe ich nach wie vor CD's. Plus will ich das haptische Album-Erlebnis haben. Ich bin kein digitaler Mensch. Abo für Musik kommt nicht in Frage. Aber sogar meine Musik findet sich inzwischen teilweise auf Spotify. Die Plattenfirmen wollen das so. Warum auch immer. Die verdienen ja auch kaum etwas. Meine Sachen, die ich ohne Plattenfirmen veröffentliche, finden dort nicht statt. Die gibt's bestenfalls bei iTunes. Gell, Apple wir sind Freunde? Bis gerade eben zumindest. Apple zeigt stolz sein ADHS-mässiges Überkonzept AppleMusic, das einfach alles ist! Inklusive Tiki-Bar und Tinder. Du kannst streamen, Radio hören, Künstler-Promo machen: du kannst ziemlich alles machen, woran du als Musiker kaum verdienst und doch Geld bringst. Coole Sache für Newcomer, denke ich mir. Nehme einen Schluck und will Richtung Klo als von Apple-Boss Cue der Satz folgt.

"30 Millionen Songs aus dem iTunes Katalog werden direkt im Streamingportal verfügbar sein. Also alle Werke auf iTunes!" Grosse Zahl, der Ticker blinkt, der Journie freut sich, Leute klatschen im Netz, irgendwo beginnt ein Hipster zu weinen. Warte kurz. Meine Alben auf iTunes, die EP's, die Singles… werden per Stream verfügbar? Meine?! Moment.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: NORMA

13. Mai 2013 Reinhold Weber Norma Farbstifte für Profis, Norma Farbstifte für die Schule. Haben Sie das verstanden oder müssen wir Ihnen eine Zeichnung machen?

Stellen Sie sich vor, sie verkaufen ihr Auto, stellen es beim Händler ab. Der Preis beträgt günstig genug. Einen Monat später kommen Sie beim Autohaus vorbei: die Karre ist weg! Sie eilen zur Kasse, wollen Ihr Geld. Aber da ist keins. Man übergibt Ihnen ein strahlendes Lächeln. "Ihr Auto wurde nicht verkauft, wir vermieten es nur! Für eine Gebühr von einem Lolli kann jeder einen Monat

damit fahren! Und wenn einer keinen Lolli hat, verleihen wir es. Wie war noch ihr Name?! Ja, wir haben Ihr Auto mit Werbung vollgeklebt!" Dabei wollten Sie es ja eigentlich "nur" verkaufen. Wie ich meine Musik auf iTunes. Aber wer will die noch kaufen, wenn er sie streamen und sogar offline streamen kann? Eben. Sie wollen Ihr Auto zurück. "Geht nicht, tut uns leid! Wir müssen es hierbehalten, bis Sie und Wir alle Papiere haben!" Nach etwas Recherche - es dauerte dann doch Zwei fuckin Tage – konnte ich herausfinden, dass man sehr wohl mit etwas Aufwand unterbinden kann, gestreamt zu werden. Bei den Tonträgern ohne Plattenfirma kein Problem. Wenn aber eine Plattenfirma und Verträge beteiligt sind, Aussichtslos wie Höhlen. In meinem Falle wären 6 Plattenfirmen und 2 Vertriebe beteiligt. Es wäre einfacher, eine von allen Journalisten geliebte Tatort Folge zu schreiben, als das noch juristisch oder sinnvoll hinzubiegen. "Jetzt isches hald passiart", sagte meine Oma jeweils. Und so bin ich jetzt mit beinahe meinem gesamten Katalog unfreiwillig doch bei einem Streaming-Dienst gelandet. Auch so kann man Spotify an den Karren fahren: in dem man alle Musiker im Streaming-Boot hat, die nie gestreamt werden wollten. Nimm das Taylor Swift! "Vielen Dank für das Geschenkte Auto! Haben Sie noch mehr Autos für uns? Wollen Sie Werbung auf anderen Autos machen?"

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

5. Novmber 2015 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum bringen wirs hier mal.

Verzeihen Sie Ich bin kein Journalist, wenn ich einer wäre, dann wüsste ich es, vielleicht sind Sie einer, oder Sie kennen einen, dann fragen Sie ihn doch mal, was denn jetzt so läuft in Sachen FIFA und so. Und bei dieser Gelegenheit: Ob in zum Beispiel Fukushima jetzt alles in Ordnung sei, man habe täglich davon gehört, damals, vor ein paar Monaten, und das Schrecklichste wurde prophezeit, nun, wie ist das jetzt? Glück gehabt? Oder doch nicht? Darf man davon ausgehen, wenn man nichts über solche Sachen liest, dann alles paletti sei, ansonsten die Journalisten ja darüber berichten würden. Oder nicht? Doch. Drum nehmen wir an, dass der Flugzeugabsturz in der Ukraine auch ... was denn jetzt schlussendlich eigentlich? Und wie lief das ab dort mit dem Regierungswechsel und der Privatisierung der Staatsbetriebe? NSA? Freihandelsabkommen? Automatische Gesetzesharmonisierungen? Bargeldkriminalisierung? Blickt irgendjemand von den Journalisten noch durch, und wenn ja, kann er mir bitte erklären, wo ich das Nachlesen kann, und wenn nicht, kann er mich beruhigen, dass alles im Sinne einer freien Menschheit abläuft? Und ich drum auch nirgends etwas lesen muss? Verstehen Sie mich nicht falsch, das ist keine Medienschelte, es interessiert mich einfach, weil ich nicht in diesem täglichen News-Geschäft bin, ich krieg ja auch alles aus irgendwelchen Medien mit. Oder eben nicht mit. Drum mal so ganz allgemein: Wie ist das so mit Sachen, von denen man plötzlich von einem Tag auf den anderen nichts mehr hört? Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer KuhnAutoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Jelena Keller, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund. Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.

Wir waren schon 1882 im Netz. www.facebook.com/zuerilinie


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Mit der Schere ins Pic gegrätscht

18. Mai 2015 Midi Gottet Ich freue mich ja auch darüber, dass wir nicht schon

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wieder ein Inzest-Iberisches Champions Leage Finale über uns ergehen lassen müssen. Aber Fotos wie dieses verderben mir schnell wieder den Appetit. Fussballer sind halt auf Facebook-Pics genau so wenig originell wie in ihren PflichtInterviews nach dem Spiel. Lichtsteiner und Pogba machen hier einen auf Manila Ice und Magermilch P. Diddy und geben uns, ganz wie sie es in den Rap-Videos falsch abgeguckt haben, die Schere. Die Schere feiert mittlerweile ihren internationalen Durchbruch in der FB-Pics-Szene und heisst auf gut Deutsch übersetzt so viel wie: Ich habe keinen blassen Schimmer was ich hier tue aber alle anderen machen es auch. Ich gebs auf. Der Einzige, der noch die Schere machen darf, ohne von mir gleich mit einer Blutgrätsche niedergemäht zu werden, ist mein Coiffeur. Word to you mama mofos.

LIEBE SOZIALE MEDIEN

ACHTUNG LIFESTYLESCHEISS. ABER RICHTIG.

16. Juni 2015 kultpromotion Kaum ein paar Tage Sonne und schon rennt einem der visuelle Sommerhit überall vors Visier. Goldene Aufklebe-Tattoos. Sogar das Friday hats gebracht. Was für uns eigentlich ein Grund wäre, es nicht zu bringen, aber hey, wir lassen uns doch von einem Friday nicht vorschreiben, war wir nicht cool zu finden haben. Abgesehen davon pushen wir hier nicht die amerikanischen Wahllos-Sujets, sondern die Einheimischen, die von mymantra.ch.

Weil wir Lokalpatrioten sind. Und regionales Schaffen würdigen. Die Leute von mymantra haben sich nämlich schon überlegt, was man besser auf die Haut macht und was nicht. Im Wissen, dass Tattoos, auch wenn sie nur aufgeklebt sind, die Zellstruktur des Menschen beeinflussen, haben sie Motive wie “die Blume des Lebens” und andere positiven Zeichen gemacht. Die sehen nicht nur besser aus, sie sind auch besser. Wenn jetzt die Jungs unter Ihnen meinen, das ganze gehe sie nichts an,

weil eben Lifestylescheiss und so: Man kann die temporären Tattoos auch ziemlich untemporär auf alles kleben. Zum Beispiel auf die Gitarre. Oder aufs Moleskine. Oder auf die Handyhülle. Auto und Töff geht auch. Wenn Ihnen also bald ein Girl mit einem mymantraTattoo entgegenkommt, können Sie sagen “Ah, schau, die sieht ja gleich aus wie meine Gitarre”. Erhältlich sind die Dinger online über www.mymantra.ch oder physisch direkt bei www.brigitteotto.com

CHRISTIAN HAT BEI GALAXUS.CH HÄNGENDE SCHLUPFWARZEN GEKAUFT 2. Juni 2015 Midi Gottet Die FIFA sorgt für Skandale ohne Grenzen und Galaxus macht weiterhin schlechte Werbung als wäre nichts gewesen. Spontan hätte man die Welle so richtig surfen können und mit Instant-Shit wie, ich sag jetzt einfach mal was für den Kübel, “Sepp hat sich bei galaxus.ch ein gutes Gewissen gekauft”, oder “Luis hat sich bei galaxus.ch eine Voodoo-Puppe gekauft” oder “Blatter hat auf galaxus.ch ein “Tschau Sepp” gekauft” oder “Gary hat sich auf galaxus.ch einen Scharfschützen-Crash-Kurs gekauft”, so Zeugs halt. Kleines Brainstorming und das Ding steht. Aber nein, die ollen Kloppköpfe kommen wieder mit der gleichen TrotzKampagne um die Ecke wie letzes Jahr. (Implosives in mich hinein schnauben) Da müssen wir wieder irgendwelche Normalos beaugäpfeln, die bei anderen

Normalos normale Sachen zu normalen Preisen gekauft haben. In diesem Fall ist der Typ wenigstens durchtrainiert aber leider aus einem unglücklichen Winkel geschossen. Er besteht ausschliesslich aus Waden und Sonnenbrille. Fehlt nur noch ein Drink mit Schirmli und eine Tagesration Ritalin-Gummibärchen im wasserdichten Hipbag. Und sowieso, das Teil auf dem er schwimmt, heisst nicht Luftmatratze sondern Floating Recliner Lounge – aber dieser fremdländisch klingende Begriff wäre für die Kundschaft von Galaxus zu motherfucking crazy gewesen, deshalbt hat der gute Texter vorsorglich, mittels der Signalfarbe Orange, alles übersetzt. Wenigstens ist das Ding mit obigem Claim “Wir reden auch über psychische Krankheiten” in bester Gesellschaft. Bravo.

JURASSIC WORLD VERLOSUNG 15. Mai 2015 Michèle Binswanger Ich ertrage es nicht mehr. Keine einzige Sekunde, keinen einzigen dieser bescheuerten Clips. Die immergleiche Dramaturgie. Die immergleichen Jurorenfressen – die sehen nämlich alle irgendwie identisch aus, wie verdammte Cyborgs. Und dann die Darbietungen: Ein übergewichtiges Mädchen steppt den Bären ins Koma, ein unidentifiziertes Objekt wirbelt mit Saltos und Flicflacs über die Bühne und erweist sich als Dreijähiger Knirps in Windeln. Oder eine Magersüchtige brüllt so eindringlich zu Heavy Metal, dass es dir die Trommelfelle ruiniert. Das ist alles bewundernswert und ich zolle der Leistung dieser Talentierter Respekt. Aber verschont mich mit den Clips! Denn die nächste Einstellung geht dann auf die Juroren, der erste hat das Gesicht zu einer Maske der Verblüffung verzogen, der nächste atmet pustend aus, als sei ihm soeben Jesus erschienen, wäh-

rend die dritte Tante den Kopf schüttelt, aber vorsichtig, damit der Puder nicht verrutscht und ihre Föhnfrisur nicht durcheinanderkommt. Unvermeidlich folgt dann der Kameraschwenk über ein begeistert applaudierendes Publikum, bevor man uns wieder das in Tränen aufgelöste Wunderkind zeigt, am besten in inniger Umarmung mit der in noch mehr Tränen aufgelösten Mutter oder dem Vater. Ich kann nicht mehr, es kotzt mich an. Ja, es sind aussergewöhnliche Leistungen, krass. Aber wie soll man das überhaupt noch bemerken, geblendet von dieser hirnlosen Scheissshow mit der immer gleichen hirnlosen ScheissDramaturgie und den Idioten-Juroren? Wer schaut sich diesen Bullshit eigentlich an? Wer ist schuld, dass wir immer aufs Neue damit zugemüllt werden? Das prangere ich an. Dann werde ich noch lieber mit der Bachelorette gefoltert.

25. Mai 2015 kultpromotion Am 11. Juni 2015 kehren die Echsen der Urzeit wieder auf die Leinwand zurück. 22 Jahre nach dem grandiosen ersten Teil haben Dinosaurier nichts an ihrer Faszination eingebüsst. Im Gegenteil. Wir wissen nun sogar, die Dinger hatten Federn. Doch davon wollen wir Filmdinofans nichts wissen. Wir wollen die Kinodinos wiedersehen. Nackt und ohne Fell oder Federn, wie (Film-)Gott Steven Spielberg sie schuf. Wir wollen das Comeback unserer Fleischfressenden Echsenfreunde so richtig zelebrieren. Und in Zusammenarbeit mit Grayling Schweiz AG und mit Dank an Universal Pictures International Switzerland verlosen wir 3x die klassische Jurassic Park-Trilogie auf DVD. Schreibt einfach eine Mail mit dem Titel Jurassic World an kultpromotion@kult.ch und hinterlasst euren Namen und eure Adresse. Die Gewinner werden von uns nach der Verlosung kontaktiert.


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DER GROSSE ABSTURZ 22. Mai 2015 Christian Platz Als die Engel, die Vögel, die Flugzeuge allesamt von Himmel gefallen waren, starb zuletzt auch die Hoffnung. Jene auf eine bessere Zukunft. Die Menschen wollten nur noch im Jetzt leben. Die Gegenwart wurde für sie zum einzigen sicheren Ort. Mit der Vergangenheit mochten sie sich nicht mehr befassen. Denn die hatte ja zu jener Scheisse geführt, in der man nun bis zum Hals steckte. Zukunft war gestrichen. Also pack alles rein. In das ganz grosse Jetzt. Mach dir keine Gedanken. Du kommst aus dem Nichts. Du gehst ins Nichts. Also tu, was du kannst, tu, was du magst, tu, was du willst. Was Du nicht in die Gegenwart packen kannst, hat keine Chance mehr darauf, jemals realisiert zu werden. So wollten sie es also übertreiben, wollten alle Grenzen und Gesetze überwinden, über jeden Strang schlagen. In jedem einzelnen kostbaren Moment, der ihnen noch blieb, in dem sie sich aufzulösen, in dem sie gleichsam Ewigkeit zu erfahren hofften. Folgerichtig begaben sie sich auf eine kollektive Suche nach Grenzen, Gesetzen, Strängen. Doch diese gestaltete sich gar nicht so einfach… Denn die Engel, die Vögel und die Flugzeuge waren alle vom Himmel gefallen, waren auf dem harten Boden des blauen Planeten aufgeprallt, zerplatzt wie Marmeladenbomben, andere waren in Meeren und Seen versunken, Beute blinder Aasfresser, der letzten Bewohner einer einst blühenden Unterwasserwelt. Das war natürlich alles nicht einfach so passiert. Der grosse Absturz hatte seine Vorgeschichte, die ausserordentlich verdriesslich gewesen ist, soviel kann ich Ihnen versichern, Ladies & Gents. Eine Vorgeschichte, in deren Rahmen alle, die da waren, gravierende Fehler begangen hatten. Dann hatten sie sich diese Fehler gegenseitig vorgeworfen. Endlos. Mit Worten, Gesängen, Schlachtrufen, unter Einsatz von Schmähschriften, Gerichtsverfahren, öffentlichen Demonstrationen, schwerem ballistischem Geschütz. Tag und Nacht. Bis dann alle zugaben, Fehler gemacht zu haben. Und sich fortan zurückzogen, sich die Köpfe mit Selbstvorwürfen zermarterten. Nun brüteten sie aber weiter. Jede und jeder für sich. Die Fehler, die sie gemacht hatten, empfanden sie nun als derart schwerwiegend, dass sie einfach nicht mit dieser Schuld leben konnten. Sie konnten diese Schuld keinesfalls wegdenken, rationalisieren, verdauen.

Nicht einmal die Zeit hat geholfen. Die Mühlen ihrer Gehirne arbeiteten unter Volldampf weiter. Und dann kam ihnen – allen beinahe gleichzeitig – ein anderer Lösungsansatz in den Sinne. Der funktionierte etwa folgendermassen: „Moment mal. Ich habe diesen und jenen Fehler nur gemacht, weil andere vorher Fehler gemacht hatten. Meine Fehler wurden nur möglich durch die Fehler anderer. Ich hatte doch gar keine Möglichkeit, anders zu handeln, war durch die Verfehlungen der Anderen prädestiniert. Meine Fehler beruhten auf einem fehlerhaften Fundament, das andere gebaut hatten. Ich kann also nicht zur Verantwortung gezogen werden; weder vor einem menschlichen, noch vor einem göttlichen Gericht, noch vor

meinem Selbst.“ Dieser Lösungsansatz führte zu einem individuellen Aufatmen, welches allerdings nur von kurzer Dauer war. Denn es war der Atem des Drachen, der damit in die Welt kam. Dieses individuelle Aufatmen erzeugte nämlich die schlimmste kollektive Hölle, die es auf dieser Erde jemals gegeben hat. Denn nun suchte jede und jeder bei allen anderen die fundamentalen Fehler, auf deren Grundlage ihre oder seine eigenen Fehler ja erst möglich geworden seien. So wurde der Mensch des Menschen allerschlimmster Feind. Auf die Zerknirschung und die Selbstvorwürfe folgte ein Kampf: Alle gegen alle. Dabei war allen jedes Mittel recht,

5 FRAGEN DAZU 11. Mai 2015 Midi Gottet 1. Seit wann schauen Schüler Pornos, ohne es danach abzustreiten?

denn der Zweck heiligt die Mittel – vom Morgenstern bis zur Atombombe. So bekämpften sich die Menschen. Selbstverständlich wurde die Umwelt dabei in Mitleidenschaft gezogen. Doch darauf achtete niemand. Derart wichtig war es allen einzelnen Individuen, zu beweisen, dass die Grundfehler, aus denen alle anderen Fehler emporgewachsen waren, nicht bei ihnen selber zu suchen waren, sondern bei anderen. Doch das Leiden der Umwelt war echt. Und weil es echt war, hatte es Konsequenzen, schuf es Realitäten. Eine Kette von Plagen legte sich um den blauen Planeten, die eben darin gipfelte, dass die Engel, die Vögel, die Flugzeuge alle eines Tages vom Himmel gefallen sind.

Als Reaktion darauf brachen die Menschen ihre Kämpfe ab. Entschlossen, die Vergangenheit zu begraben, da es ja keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft mehr gab. Und sich ganz auf die Gegenwart, auf den Moment zu konzentrieren, dabei einfach alles, alles, alles zu tun, nach dem ihnen der Sinn stand – und vor allem eins: Über die Stränge schlagen! So suchte also jede und jeder nach ihrem oder seinem Sinn, versuchte zu lesen, was denn nun in ihrem oder seinem Sinn stehe, auf dass sie es ausführen könnten. So suchte also jede und jeder – wie weiter oben erwähnt – nach ihrem oder seinem Strang, über den man schlagen wollte. Doch seltsam, sie fanden keinen Sinn mehr, in dem sie lesen könnten, sie fanden keinen Strang mehr, über den sie schlagen könnten, fanden keine Ideen, Hemmungen, Regeln, Gesetze mehr, gegen die sie verstossen könnten, keine Grenzen mehr, die sie überwinden könnten. Fanden daher auch keinen Moment mehr, in dem sie sich auflösen könnten. Und so hat das Ende dieser Welt ausgesehen. Ganz bleich und leer und sinnlos geworden hauchten sie am Ende ihre Seelen aus, die sich verflüchtigen. Wie Zigarettenrauch. Jenseits des Horizonts alles Denkbaren. Und zu Staub wurden ihre Körper. So weit hatten sie es also gebracht, weil sie sich ihre Fehler weder selbst noch gegenseitig vergeben konnten, weil sie damit begonnen hatten, die Fehler hinter den Fehlern, hinter den Fehlern, hinter den Fehlern, ja die – oder den – Urfehler zu suchen. Die Ironie der Geschichte ist, dass ein kosmischer Schreiber den Untergang des blauen Planenten einige Jahrzehnte später bemerkte, was für ihn eine äusserst kurze Zeitspanne darstellt, denn er ist 7’55’327’812 Jahre alt; bemerkte, anhand eines kleinen Lichteffekts im gekrümmten Raum. Sein kurzer Eintrag dazu lautet wie folgt: „Objekt Gaia. Untergegangen. Kein Überleben festgestellt. Vorgang folgerichtig. Unsere Denker haben dem Objekt von Anfang an keine lange Lebensdauer prognostiziert. Weil vermutlich fehlerhaft konstruiert.“ Also verfasste der Schreiber noch eine Notiz. An die Schöpfungsabteilung: „Fehler bei der Erschaffung des Objekts Gaia höchst wahrscheinlich. Überprüfen bitte. Und bei weiteren Schöpfungen vermeiden!“ Dann machte der kosmische Schreiber Feierabend. Ging zu seiner Freundin. Und liess sich von ihr den Knorpel polieren. Bis dieser glänzte. Wie eine Posaune im blutroten Licht eines Sonnenuntergangs…

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2. Seit wann schauen Schüler Pornos und schauen den Damen dabei ins Gesicht? 3. Wieso wird eine Frau, die so aussieht, Lehrerin und nicht einfach Pornodarstellerin – oder Ehefrau von Lothar Matthäus? 4. Seit wann wird die Einnahme von Kokain als offizielle Entschuldigung für IRGENDWAS auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen? 5. Wieso fehlt in diesem hervorragend recherchierten Blick-Artikel jede Spur eines möglichen Links, um der Dame mal beim arbeiten zusehen zu können?

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KEIN WUNDER, SEHEN WIR KEINE TAUBEN-BABYS 6. Mai 2015 Midi Gottet In unserer Welt ist kein Platz für Tauben-Babys. Diese fliegenden Ratten sollen bloss keine Gelegenheit bekommen in Ruhe ein paar Eier zu legen um sich fortzupflanzen. Und trotzdem gibts immer wieder neue Tauben. Viele Tauben. Die waren doch mal Babys, oder? Wo waren die, bis sie erwachsen geworden sind? In fucking Mösopotamien? Dort werden alle in einem Container in die Schweiz geflogen und überm Zürihorn ausgeschüttet, oder wie? Und die Möwen? Auch keine Babys. Habe noch nie ein Möwen-Baby gesehen. Enten-Babys und Schwan-Babys gibts wie Pickel an Katy Price’s Hintern, aber keine Tauben- und Möwen-Babys, geschweige denn taube Möwen-Babys oder gar Babys von Anatol Taubmann. Nix. Nada. Niente Peking-Ente. Ausser Möwen, äh Mösen, äh Spesen nix gewesen. Wo sind die Tauben- und Möwen-Babys? Diese Frage habe ich der KULT-Leserschaft schon vor zehn Jahren gestellt.

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Keine Antwort. Niemand weiss es. Nicht mal Hans A. Traber oder gar Ueli Prager. Ich weiss, ich könnte hier einfach kurz “Tauben-Babys” googeln und hätte im Nu, was weiss ich, 20’000 Pics von Tauben-Babys, die blöd in die Kamera grinsen. Tu ich aber nicht. Ich googel mir doch nicht meine scheiss Kolumne in den Hintern.

WIE ES SICH ANFÜHLT

EIN HIPSTER NAMENS LARA. 20. Mai 2015 Jelena Keller Lara. Lara. Lara. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Lara. Lara. Lara. Wie ein Lala. So ein lalalala wenn man über Wiesen rennt und Blumen pflückt. Oder sich das Abwaschen interessanter gestalten möchte. Wenn einem der Text von dem Lied heute Morgen im Radio nicht mehr in den Sinn kommt, sondern nur noch vage die Melodie. So tönt mein Name. Wie ein lalalalal. Tralla lala lala! Und so fühle ich mich. Ich bin zwar durch jemandes Kopf gehuscht, doch habe ich nicht genug Eindruck hinterlassen, dass man meinen Text, also meine Geschichte noch kennen würde. Man erinnert sich nur ein bisschen an mich. Ich komme wie eine Frühlingsbrise und ich winde mich davon. Bis der nächste, viel bessere, richtige Ohrwurm meinen Platz einnimmt. Eigentlich habe ich mich schon immer so unbedeutend gefühlt wie ein Lala. Vergleiche mit der Natur, wie eben mit der Brise, helfen mir dabei, mir doch einzureden, dass ich etwas wert bin. In der Natur hat alles seinen Wert, nicht? Aus einer Brise ist schon mal ein Tornado entstanden, aus einem Lala schon mal ein Liebeslied mit einem Heiratsantrag. Aber eigentlich nur selten. Wenn ich mich so betrachte, würde ich sagen, ich bin ganz klar unbedeutend. Ich verbringe meine Zeit grösstenteils damit, mich selbst zu optimieren. Eine Krankheit meiner Generation, ja klar. Weil es in nächster Umgebung nicht mehr viel zu optimieren gilt, optimieren wir halt an uns selbst herum. Frauenrecht ist schon ein alter Hase, gegen Amerika wollen wir sowieso nichts tun, das lässt unser Pazifisten Dasein nicht zu. Für artgerechte Tierhaltung setzt sich hie und da einer ein, aber wohl auch nur, weil er die verseuchten Tiere nicht essen will. Isst er denn kein Fleisch, setzt er sich für Bio-Mode ein. Mode. Mode, die dann alle tragen, um gleich auszusehen. Das muss man sich mal vorstellen. Individualität steht hoch im Kurs, lustig ist bloss, dass wir alle gleiche Interessen haben, die ach so individuell sind. 9 von 10 Freunden gehen zum Psych-

iater, weil sie meinen, es stimme etwas nicht mit ihnen, weil sie eben doch wie alle Normalen sein wollen. Ich möchte schon lange in eine Gesprächstherapie. Weil ich am Unscheinbarkeits-Syndrom leide und weil ich endlich jemanden brauche, der dieses Problem ernst nimmt. Es macht mich depressiv, dass sogar meine Mutter nur an ein laues LALA dachte, als sie mich im Bauch trug. Letztes Mal, als ich wieder davon anfing, lachte sie. Haha! Lara sei doch ein moderner, schöner Name voller Klang und Stärke. Der vordere Teil sei lächerlich, sagte ich ihr. Und der zweite einfach nur hässlich. LA-RA. Wer nennt sein Kind bloss so? Und die Kürze? Was ist damit? Kurz, damit wir bloss nicht zu viele Buchstaben verschwenden an dieses niemands-Kind. Ich hiesse lieber Ekaterina oder Afjafjköghgöha, wie der Vulkan in Island. Der Bruder von Lara ist Nena. Einer aus dem Westen beschrieb das Singen mit lala, einer aus Asien mit nana. Die Asiaten können ja das R nicht aussprechen. Der könnte dann keine Melodien singen, ohne den Text zu kennen. Also erfand man das nanananaaaaa. Was ich natürlich nie im Leben öffentlich aussprechen würde, denn wir sind ja alle noch so tolerant und voller Akzeptanz. Fokussiert auf Entwicklung statt auf Stagnation. Zu sagen einer könne etwas nicht, macht mich gleich zu einem Monster. Zu einem Rassiten noch

dazu, wenn die Herkunft mit einbezogen wird. Was ist so falsch daran, zu sagen, dass einer wegen seiner Herkunft einen Buchstaben nicht aussprechen kann? Ich wäre lieber eine Rassistin. Wenigstens hätte ich dann Profil, im Gegensatz zu jetzt. Manchmal hätte ich Lust, mir ein Nazikostüm zu leihen und all diese politisch korrekte Scheisse aufs übelste zu degradieren. Einfach mal Weiber und Nutten zu rufen, ohne dass sie Sittenpolizei kommt. Ohne dass mich 7 Feministinnen gleichzeitig anspucken. Morgen läuft bei mir. Die unbedeutende Lara geht in den Nachtclub. Volllaufen, Mut ansaufen und mit Jungs im Bett raufen. Kurzer Ego-Pusher. Die Party hat irgend so einen deutschen Namen. Back to the Roots ist jetzt wieder in. Veramerikanisierung adieu. Hab ich nichts dagegen. Jedenfalls kann ich auf die Gästeliste, weil eine Freundin von einer Freundin mit dem DJ kopuliert hat. Auf der Gästeliste stehen ist aber auch nichts besonderes, denn die Schlange vor dem Eingang auf der Seite der Gästeliste ist nämlich länger als beim normalen Eingang. Weil ja der Grossteil der Leute speziell ist. Das muss man sich mal vorstellen. Manche sagen meine Generation sei der Inbegriff einer Opferrolle, sei voller Widersprüche und denke zu sehr über sich selbst nach, dass und das noch wahnsinnig machen würde irgendwann. Mich macht es schon jetzt wahnsinnig. Ich möchte doch bloss etwas erreichen. Die Welt lässt mich nicht. Künstlerin sein, anders als alle anderen. Mit dem Namen bin ich aber schon prädestiniert zu einem langweiligen Lebensentwurf. Lara. Lara. Lara. Wie unästhetisch. Sogar Kanyes neue Kollektion ist ästhetischer. Meine Mutter hat auch bei dieser wichtigen Aussage gelacht. Die kann gut lachen. Die konnte ja noch für unser Stimmrecht kämpfen, das Böse erleben – und jetzt, in den guten Zeiten, da lacht sie halt. Ich wünschte ihre Generation hätte nicht so rasch vorwärts gemacht mit dem Fortschritt. Dann hätten wir jetzt noch etwas Sinnvolles zu tun. Egal wie bescheuert unsere Namen sind. Dann könnten wir uns endlich wichtig fühlen.

DE SEPP ISCH EN TUBEL

21. Mai 2015 Pete Stiefel Wie es sich wohl anfühlt, wenn man nicht mehr kann? Wenn man weiss, dass es das war? Es einfach nicht mehr geht? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man das Meer nie sah? Nie warmer Sand zwischen den nackten Zehen? Nie Salz auf den Lippen, nie Brise im Haar, nie blutrote Sonne am Horizont? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man nie fort war? In der Ferne zwar, aber nur in seinen Träumen? Nie alles hinter sich? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man müde ist bis in die Knochen? Die Müdigkeit mit dem Schlaf nicht mehr weicht? Es morgen vielleicht kein Morgen mehr gibt? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man immer da war? Für alle, doch nie für sich? Vieles wollte, kaum etwas konnte? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man den Schmerz längst

nicht mehr fühlt? Wenn er trotzdem lähmt und hemmt? Ihn zu heilen sich nicht mehr lohnt? Wie es sich wohl anfühlt, ganz alleine zu sein? Nur noch sich selbst? Ich? Wie es sich wohl anfühlt, keine Entscheidungen mehr treffen zu können? Zu wissen, dass diese eine damals die falsche war? Dass heute alles anders wäre – oder trotzdem nicht? Wie es sich wohl anfühlt, nie gemeinsam gewesen zu sein? Nie zusammen, nur gemeinsam einsam? Wie? Wie es sich wohl anfühlt zu warten, Tag für Tag, Nacht für Nacht? Woche für Woche, Jahr für Jahr? Doch worauf? Wie es sich wohl anfühlt, wenn man so gerne noch einmal möchte? Doch es nun einfach nicht mehr geht? Nie mehr? Wie es sich wohl anfühlt? Wie fühlt man sich? Fühlt man sich? Fühle ich? Ich mich? Ich.

28. Mai 2015 Pete Stiefel Heute ist es einfacher denn je, ein guter Mensch zu sein. Korrektur: Sich als besseren Menschen zu fühlen und allen vorzugaukeln, auch tatsächlich ein besserer Mensch zu sein. Tagtäglich werden es mehr mehr oder minder prominente Persönlichkeiten und/oder Institutionen, die uns Anlass geben, sich über sie zu empören – uns im Irrglauben leben lassen, wir seien so viel besser als sie, die Proleten und Despoten. Heute ist es der Blatter Sepp, welcher die Gemüter erhitzt und zum Überbrodeln bringt. Dabei haben wir es doch schon lange gesagt, schon IMMER gewusst: Die FIFA ist ein korrupter Haufen, den es auszumisten gilt. Alle käuflichen Schweinehunde raus – übrig bleibt das pure Fussballglück. Oder so. Jetzt mal losgelöst von der Tatsache, dass es Machenschaften im Weltfussball (und in der Politik und in der Wirtschaft und in der Öffentlichkeit und im Privaten) gibt, die tatsächlich haarsträubend sind: Blatter, Putin, Berlusconi & Co. dienen uns als willkommene Feindbilder, ohne welche unser Alltag ein grosses Stück ärmer wäre. Wen würden wir boykottieren, wenn Monsanto und Nestle nicht wären? Wen könnte man dissen, wenn es den ennet der Grenze einkaufenden Schnäppchenjäger nicht gäbe, wen, wenn wir alle

ganz generell. Wobei: Auch der Hasser wird gehasst. Sei er links oder rechts, je extremer, desto verhasster. Aber auch jener in der Mitte ist ein jämmerlicher Waschlappen, ein Opportunist – einer, der alles kann und doch nichts ist. Jener, der geht, soll bleiben, wo er ist. Und derjenige, der kommt, ist nur dann willkommen, wenn er ein Gastgeschenk mitbringt. So gehört sich das einfach. Wer gibt, ist schliesslich selig, wer nimmt, ein Dieb. Und ein weiser Spruch sagt: «Alle wollen Individuen sein – doch wehe, wenn einer anders ist.»

vegan lebten, keine Energieverschwender, Raser oder Taugenichtse wären? Wer würde den Sündenbock mimen, wären wir allesamt heilig und fromm, würden weder fluchen, noch schlagen, weder misshandeln, noch fehlentscheiden? Allerdings, von wegen fromm: Auch die Kirche steht unter Dauerbeschuss, Glaubensrichtungen und ihre Angehörigen

Dabei ist möglicherweise derjenige der Tubel, der den ersten Stein wirft und mit jedem weiteren Stein nichts anderes tut, als von seiner eigenen Person abzulenken. Wer unermüdlich solidarisierend und moralisierend danach strebt, ein besserer Mensch zu WERDEN – oder eben: wie ein besserer Mensch wahrgenommen zu werden, indem er andere als Schlechtmenschen anprangert, verpasst eines ganz bestimmt: Tatsächlich ein guter Mensch zu SEIN. Und Sepp ist wahrhaftig auch ein Tubel. Nicht aber weil er tat, was er immer noch tut, sondern weil er uns schon wieder die Möglichkeit bietet, unsere Äusserlichkeiten noch weiter vom inneren Kern zu entfernen. Tubel. Nein, echt jetzt.


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BLUE SHADOWS FALLIN’ – CAUSE THE BLUES BOY HAS GONE HOME 15. Mai 2015 Christian Platz Nimm all die anderen Instrumente für einen kleinen Moment weg. Nur diese Lead-Gitarre soll bleiben: Töne mit Flügeln, die dem Himmel entgegen schweben, irgendwo hinter den Wolken verschwinden. Und wenn sich diese Töne aneinanderreihen, erzählen sie Geschichten, frohe, tieftraurige, grimmige, triumphale… Sie berichten von den blauen Schatten, die fallen, wenn dein Baby Dich verlässt… Von der gnadenlos verschlossenen Tür, auf die dein Baby eines Tages stossen wird, weil sie dich betrogen hat… Vom Akt der Liebe, der gut für dich ist… Und von der Power des Blues, die alles durchdringt, alles, was eine Seele besitzt, die fühlen kann… Die Gitarre, die dies alles erzählt, heisst Lucille. Dies will aber nicht bedeuten, da muss ich Sie enttäuschen, Ladies and Gents, dass es nur eine einzige Lucille gibt. Aber es gab mal eine ganz besondere Lucille… Damals – in den Fifties – als Riley, man nannte ihn Beale Street Blues Boy, unermüdlich tourte, hunderte von Konzerten im Jahr, durch jenen tiefen Süden der USA, seiner Heimat und der Heimat des Blues, hatte er die Gibson ES 335 für sich entdeckt. Vorher war die Axt seiner Wahl eine Fender Telecaster gewesen. Dann bekam er diese Gibson – mit ihren beiden Humbuckern – in seine starken Mississippi-Hände. Und verliebte sich in ihren Klang. Anfänglich hatte er ihr allerdings noch keinen Namen gegeben. Bis zu jenem Tag, als ein Club, in dem seine Band spielte, brannte. Heftig brannte. Zwei Menschen sind in den Flammen ums Leben gekommen. Der Beale Street Blues Boy stürzte sich in die Flammen. Um seine ES 335 zu retten. Was ihm gelang. Danach taufte er sie auf jenen berühmten Mädchennamen. Dies würde ihn, so sagte er gerne, fürs Leben daran erinnern, dass man keine solchen Dummheiten begehen solle, man solle sich weder in die Flammen stürzen, um eine 30 Dollar-Gitarre (damals für den Blues Boy eine stattliche Summe) zu retten, noch solle man sich um Frauen streiten… Es war nämlich so: Zwei Streithähne, die sich um eine Lady geprügelt hatten (Hat diese Lady wirklich Lucille geheissen? Die Wahrheit über diesen Fakt ist in den Nebeln der Zeit verloren gegangen.), stiessen einen Kerosinofen um, dies entfachte den Brand. Nun. Aus dem Blues Boy von der Beale Street wurde BB King. Einer der Könige des Blues, einer der letzten Überlebenden der massgebenden ersten Generation des elektrischen Blues. Die Firma Gibson hat ihm in all den Jahren eine Menge ES 335-Modelle auf den Leib geschneidert, sie alle haben auf den Namen Lucille gehört, sie alle haben in den Händen des grossen Mannes gesungen, vibriert, jubiliert. Riley B. King. Am 16. September 1925 ist er geboren, in bettelarmen Verhältnissen, auf einer Baumwollplantage, bei Itta Bene, Mississippi, einem der ärmsten Bundesstaaten der USA. Als er zwölf Jahre alt war, hat er seine erste Gitarre gekauft. Für 15 Dollar. Schon als Kind hatte er in der Baptistenkirche, die seine Familie besuchte, von Herzen gerne gesungen. Nach kurzer Zeit kam er dann unter den Einfluss der Urväter des Delta Blues, lernte auch eine der ganz grossen dieser Vaterfiguren kennen: Bukka White (1909 – 1977) wurde sein Mentor. 1943, gerade 18 Jahre alt geworden, begann Riley in Indianola, Mississippi, wo heute

das grossartige BB King-Museum steht, wo zudem ein anderer König des Blues geboren ward, der grosse Albert King (1923–1992), als Traktorfahrer zu arbeiten. Gleichzeitig spielte er Abend für Abend mit dem St. John’s Quartet, das damals sehr beliebt war – oft in einem Club in Inverness, Mississippi. Damals hat er auch geheiratet, seine erste Frau, sie hiess Martha. 1946 hat ihn Bukka White dann erstmals nach Memphis, Tennessee, mitgenommen. Eine Stadt, die afroamerikanische Musiker magisch anzog, wegen ihrer Beale Street, Strasse der Musik, der Magie, der Freuden, Leiden, des Vergnügens, der Sexualität, der Gewalt. Strasse des Blues! Die heute leider nur noch einen Schatten dessen darstellt, was sie damals war; die – weisse – Stadtverwaltung hat dafür gesorgt. 1948 zogen Riley und Martha dann endgültig in die Bluff City, die direkt an jenem mächtigen Old Man River liegt, dem Taufbecken des Blues. In Memphis spielte BB überall, in den Clubs, auf der Strasse, an privaten Festen, er musste Schulden abbezahlen, die er in den Jahren zuvor angehäuft hatte. Es gelang ihm, sich einen Namen zu schaffen. Alsbald wurde er von Aleck „Rice“ Miller (1912–1965), der unter dem Namen Sonny Boy Willamson Karriere gemacht hatte – man setzt in seinem Fall in der Regel ein römisches II hinter den Namen, denn es gab noch einen anderen grossen Sonny Boy Willamson (1914–1948), dessen Name der junge „Rice“ einfach übernahm -, in dessen populäre Radioshow auf dem Sender WDIA eingeladen. WDIA war ein Sender für afroamerikanische Ohren, in afroamerikanischem Besitz. Die Leute im Studio mochten den jungen Riley. Und alsbald hatte er seine eigene Sendung. Für diese Sendung und sein neues Engagement, regelmässige Shows im Sixteenth Avenue Grill nämlich, wollte er einen Künstlernamen. So nannte er sich zunächst Blues Boy King. Die Hörerinnen und Hörer seiner Radiosendung nannten ihn ihrerseits Beale Street Blues Boy. Daraus wurde innert kurzer Zeit BB King. 1952 wurde seine Version des LowellFulsom-Songs „Three O clock Blues“ zum nationalen Hit. Auf den afroamerikanischen Radiostationen. BB hat übrigens Zeit seines Lebens immer gerne Lieder des grossen Lowell Fulsom (1921–1999), manchmal auch Fulson geschrieben, gespielt. Fulsom war der Sohn einer afroamerikanischen Mutter und eines indianischen Vaters, vom Stamme der Choctaw, geboren in einem Reservat bei Tulsa, Oklahoma. Er war einer der wichtigsten Pioniere des elektrischen Blues

und des Rhythm&Blues, ein ungeheuer origineller Musiker und Charakter. BB King, Albert King, Freddie King, Earl King, die vier Könige des elektrischen Blues eben, haben ihn alle als Vorbild geschätzt. Dann schrieb BB den Klassiker – gut, es gibt schon ältere Versionen dieser Nummer, aber BBs Umsetzung war frisch und originell – „Woke Up This Morning“. Sie machte ihn alsbald zu einem Super Star. Auf der afroamerikanischen Musikszene der späten Fifties. Zwischen 1952 und 1958 begann BB eine explosionsartig wachsende Zahl von Konzerten zu geben. Am Ende spielte er über 300 Shows pro Jahr. Diesen Rhythmus behielt er bei – bis ins hohe Alter hinein. 1952 verliess ihn seine erste Frau Martha. Sie hielt seine dauernde Abwesenheit und seine unzähligen Affären nicht mehr aus, wie so viele Frauen von Blues-Musikern. Seine zweite Frau Sue Carol verliess ihn 1966, aus ähnlichen Gründen. Danach hat der Blues Boy nie mehr geheiratet… 1965 baute BB King dann die ganz grosse Brücke. Was vor ihm keiner wirklich geschafft hatte. Natürlich hatte es schon lange weisse Hipster (ich meine hier nicht die so genannten Hipster aus Zürich, jene aus unseren traurigen Tagen halt, mit den Bärten, ich meine Hipster im Sinne von Norman Mailers (1923 – 2007) berühmtem Essay „The White Negro“ (1957) , mit dem ich mich persönlich bis tief in die Knochen hinein identifiziere) und Musikfanatiker gegeben, viele von ihnen waren übrigens Juden, die den Blues liebten. Doch die grosse Masse der weissen Musikfreunde kannte weder den alten Delta Blues – noch kannten sie dessen Baby, den genuinen elektrischen Blues, dessen Pioniere BB King und seine Musiker-Generation waren. Mit einer Serie von Konzerten – einige davon im berühmten Rocktempel Fillmore East in New York, New York – gewann er plötzlich abertausende von weissen Fans. Weisse US-amerikanische Bluesmusiker wie Charles Musselwhite, Paul Butterfield (1942 – 1987), Mike Bloomfield (1943 – 1981) waren damals schon seit einigen Jahren enthusiastische Jünger ihrer grossen afroamerikanischen Vorbilder gewesen, deren Musik sie quasiakademisch studierten. Sie machten die Welt auf ihre Vorbilder aufmerksam; genauso wie die britischen Blueser der 1960er; aber wir sind hier in den USA… Und mit BB King gingen them Blues weltweit, eroberten die Herzen von Millionen. Vier Könige kennt die Geschichte des modernen elektrischen Blues; BB King

war der letzte von ihnen, der heimgegangen ist. Zum Lord Almighty, der am endlosen Himmel des Deep South über die Blues-Leute wacht. Die anderen drei Könige haben unsere Welt lange vor ihm verlassen, sie alle hatten eine grundlegende, eine ureigene Art entwickelt, wenn es darum ging, mit einer elektrischen Gitarre ganz grosse Geschichten über die Menschenseele zu erzählen – und damit gleichzeitig ganz direkt zu den Seelen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer zu sprechen. Als erster hat uns Freddie King (1934 – 1976) verlassen, der Texas Cannonball, geboren in Gilmer, Texas, die Äxte seiner Wahl waren die Gibson Les Paul (gold top mit zwei P90-Tonabnehmern) und die ES 335, eine Schwester von BBs Lucille gewissermassen (aber mit einem F-Loch mehr).

Dann ist Albert King (1923 – 1992) von uns gegangen, der Mann aus Indianola, Missisippi, die Axt seiner Wahl war die Gibson Flying V, die er übrigens Lucy nannte (und es war wie bei Lucille, es gab keineswegs nur eine Lucy). Dann hat sich Earl King (1934 – 2003) verabschiedet, der Mann aus New Orleans, Louisiana, ist auf der internationalen Musikszene wohl der am wenigsten bekannte unserer vier Könige. Doch dort unten, in der unvergleichlichen Crescent City der Südstaaten, wird er von den Musikern verehrt wie ein Halbgott, als einer, der die Musik der Stadt zutiefst geprägt hat. Dies absolut zu Recht, war er doch Autor vieler ganz grosser Bluesund Rhythm&Blues-Songs („Come On“ oder „Trick Bag“ zum Beispiel), die Axt seiner Wahl war die Fender Stratocaster. Und nun ist BB tot! Mit 89. Schlafend gestorben, schwer krank. Ausgerechnet in Las Vegas, wo er ein Haus besass. Kein ungewöhnlicher Tod. Für einen Mann dieses Alters. Doch er war nicht einfach nur ein Mann. Er war einer der grössten Poeten der elektrischen Gitarre, ein lebendes Monument des Blues. Er ist mir immer wie ein Unsterblicher vorgekommen… The sky is crying – der Beale Street Blues Boy hat uns verlassen – ich hatte befürchtet, dass er bald sterben wird, weil sein gesundheitlicher Zustand in letzter Zeit derart schlecht gewesen ist – doch ich habe heute den ganzen Morgen geweint, noch jetzt habe ich Tränen in den Augen – ich schäme mich keineswegs dafür, seine Musik hat mein Musikverständnis zutiefst geprägt, seit ich sie für mich entdeckt habe, 1976, als elfjähriger Bub. BB King hat uns verlassen. Seine Musik wird in uns allen weiterleben. In mir werden sie jedenfalls weiterleben, bis ich selber den Löffel abgeben muss: Them Blues!

Reklame, die wir gerne öfter sähen, heute: Sierra Tequila.

17. April 2015 Reinhold Weber. Eine potthässliche Flasche haben und dies den Leuten dann auch noch jahrelang um die Ohren hauen. Gefällt uns.


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AN ALLE HYPOCHONDER: BITTE NICHT HINSCHAUEN 19. Mai 2015 Midi Gottet Nennen sie mich einen miesepetrigen Motzlurch mit chronischer Brechreiz-Tendenz, aber diese wunderschön abgesetzte Buswerbung fürs UniversitätsSpital Zürich wirkt auf mich doch eher negativ angehaucht. Glaubt man dieser Werbung, hat niemand in der näheren Umgebung von Zürich auch nur die geringste Chance gesund genug durchs Leben zu kommen, um nicht in diesem Spital zu enden – oder zu verenden. Okay, ich gebe zu, sterben müssen wir alle irgendwann, aber dazu muss man ja nicht unbedingt ins UnsiversitätsSpital Zürich gehen – obwohl das bestimmt auch helfen würde. Nein, zum sterben kann man sich auch, wie alle anderen Zürcher, während den Stosszeiten vor eine S-Bahn legen.

"We hate the dealer but we love the drug” und was mir in dieser Angelegenheit FBI-FIFA-BLATTER sonst noch so durch den Kopf geht

TIPPS ZUR AUFRECHTERHALTUNG EINER HARMONISCHEN BEZIEHUNG

26. Mai 2015 Yonni Meyer Für ihn: – Sei immer ehrlich. Wenn sie etwas zugenommen hat, sag ihr das unbedingt – vor allem kurz vor dem Ausgang, wenn sie ihr neues Kleid anzieht und fragt, ob es ihr steht. Ehrlichkeit ist die Basis einer harmonischen Beziehung. – Nenn’ sie ab und an «Alter» oder «Dude». Das gibt ihr das Gefühl, nicht nur deine Liebhaberin, sondern auch deine beste Freundin zu sein. – Schenk ihr zum Geburtstag etwas, das sie braucht. Zum Beispiel diesen neuen Mopp von Swiffer. Begründe das Geschenk damit, dass sie so beim Wischen nicht so lange die Sicht auf den Fernseher versperrt . – Wenn du ihr Blumen schenkst (tu’ das nicht zu oft, sonst ist es nichts Besonderes mehr), erwähne unbedingt, wie teuer sie waren. Falls die Verkäuferin hübsch war, erwähne auch dies. – Wenn ihr gemeinsam einen Ausflug plant, betrink dich am Abend vorher sehr sehr sehr fest mit deinen Jungs. Am besten nimmst du dazu auch noch Drogen, damit du direkt vom Ausgang zum Treffpunkt gehen und dann auf der Reise immer wieder einschlafen kannst. – Überrasch’ deine Partnerin ab und zu! Das ist wichtig. Frauen freuen sich zum Beispiel immer über Vorschläge wie «Einen Dreier mit deiner besten Freundin» oder «Fussball mit mir und den Jungs – Luigi bringt seine Vuvuzela». – Wenn du eine andere Frau attraktiv findest, sag ihr das und frage auch sie nach ihrer Meinung. Sie wird das spannend finden und sich integriert fühlen. – Und zum Schluss: Geschenke erhalten die Harmonie. Falls du noch Schmuck hast, den dir deine Ex zurückgegeben hat, zögere nicht, ihn deiner jetzigen Freundin zu schenken. Die Gravur ist ja ganz klein.

Für sie: – Frage ihn regelmässig (ca. zweimal pro Tag), wie er sich fühlt. Er mag so tun, als wolle er nicht über seine Gedanken reden, aber du weisst es ja besser. Im Innern ist er sehr sensibel und es tut ihm gut, sich auszutauschen. – Überfordere ihn nicht mit deinem Verlangen nach Sex. Nicht jeder Mann hat Freude an Blowjobs – nimm also Rücksicht und verzichte am besten ab und zu für zwei Wochen vollständig auf körperlichen Kontakt. Er ist ein Mensch, kein Sextoy! – Ruf ihn mindestens fünfmal pro Tag an um zu fragen, was er gerade macht. Das wird ihm zeigen, dass du dich interessierst und dass du an ihn denkst. – Mach ihn zum Vegetarier! Er ist schliesslich kein Tier. Er wird es dir später danken. – Sei nicht zu lustig. Das ist unweiblich und könnte ihn abstossen. – Ändere deine Meinung bei jeder noch so kleinen Entscheidung mindestens zehnmal. Er wird dich so, auch wenn ihr schon länger zusammen seid, für mysteriös und spannend halten. – Entscheide du, wann seine Lieblingskleider in die Altkleidersammlung gehören – er hat nicht so ein Gespür dafür. Ausserdem hat ja sowieso irgendwer seinen Namen auf sein Lieblingstrikot gekritzelt. Das kann er so eh nicht mehr tragen. – Wenn er dich an einer Party mit seinen Jungs nicht beachtet, ziehe erst einen sauren Stein – dann mach’ eine Szene. Er wird dich dafür bewundern, dass du dich wehrst. – Zum Schluss: Immer, wenn du wütend bist und er dich fragt, was los sei, sag: «Nichts». Verschränke dabei die Arme. Er wird sofort wissen, was du denkst, was dich verletzt hat, wieso und was er nun tun muss. Ich schwör!

9. Juni 2015 Rainer Kuhn Fussball ist eine gefährliche Substanz. Jährlich sterben weltweit mehr Menschen an den Folgen rund um den Fussballkonsum als bei anderen Drogen wie z.B. Kokain. Und wie bei jeder Droge, die erfolgreich ist, geht es rund um die Produktion nie wirklich sauber zu. Was will man denn erwarten, es geht um schliesslich um Drogen. Und hier ist es nicht das Medellin-Kartell oder die CIA, sondern die FIFA. Und macht Milliarden-Umsätze. Die FIFA ist unter anderem der Produzent der feinsten Variante der Droge Fussball: Die Weltmeisterschaften. Sauber aufgebaut und verteilt über den ganzen Erdball. Einmal ein den USA, dann in Europa, dann in Asien, dann in Europa, dann in Südafrika, dann in Südamerika, dann in Russland, dann im Arabischen Raum, und jeder der Verbände hat gleich viel Gewicht, ob England oder Papua Neuguinea, viel demokratischer kann man eine Diktatur nicht gestalten, das macht Sinn, auch für die Sponsoren unendlich wertvoll, sie kommen in Regionen, deren klassische Bearbeitung teurer gekommen wäre, Der Chef der FIFA ist drum seit gefühlten hundert Jahren Chef der FIFA, weil all die Papua Neuguinieas zusammen mehr sind als die paar Englands, die vielen Papua Neuguinieas aber viel weniger haben und drum sich dankbar zeigen, wenn sie etwas bekommen, Geld, Fussballplätze, wasauchimmer, Sachen, die sie vorher nicht hatten, die anderen aber schon. Geld, das von den Sponsoren kommt, weil sie in den Medien kommen und den Übertragungsrechten, damit die Medien Werbung darum herum verkaufen können, und den Unternehmen, die eben diese Werbung um das drumherum schalten. Sie alle geben jenem Mann ihre Stimme, der ihnen mehr Möglicheiten gibt und sie zuvorkommender behandelt, ist ja logisch. Der Chef der FIFA ist wie jeder Drogenbaron ein schlauer Mann, sein Im-

perium ist wie jeder globale Konzern ein die Welt umspannender Staat ohne Land. Da ist es schwierig, einerseits seinen Einfluss zu wahren und gleichzeitig nicht von irgendeinem Heckenschützen abgeschossen werden. Man mag den Chef der FIFA nicht. Man mag all das, was er gemacht hat und macht, und was andere in seinem Zusammenhang machen, Restaurants, Hotels, Weltfussballer-Verleihungen, schöne Sachen die berauschen, aber den, der einem das alles beschert, den mag man nicht. Weil man die menschenverachtenden Umstände mit den Stadionbauten nicht hinnehmen will, weil man sein Grinsen nicht mehr sehen kann, weil seine Abteilungen für die Durchsetzungen der Sponsorenrechte penetrant sind, weil es wahrscheinlich wie bei jedem in dieser Position noch eine Menge anderer Sachen gibt, die man nicht wissen will. Brabeck bei Nestlé? Ziehen weltweit Gemeinden das Grundwasser ab, um es in Flaschen abgefüllt zu verkaufen. Völlig Korruptionsfrei? In diesem Unternehmen wurden noch nie Ausgänge von Entscheidungen mittels irgendwelchen Zuwendungen in die eine oder andere Richtung begünstigt? Oder BP? SHELL? Wie liefen all die Vergaben der Bohrrechte denn genau ab? Man wird bei jedem einzelnen Konzern Unzulänglichkeiten und Vergehen finden, wenn man sie suchen will. Man muss aber schon irgendwelche Vorteile sehen, wenn man sich ans Suchen macht. So wie etwas herausspringen soll, wenn man einen Staat mit Land untersucht, nach Afghanistan geht, 80% der weltweiten Opiumproduktion zum Beispiel, oder andererorts Ölquellen. Oder wieder andererorts Schiefergasvorkommen. Andere suchen in Afrika, oder in Panama. Hat der Staat kein Land, dann wenigstens Cash. Sonst muss man nicht suchen. Die FIFA ist eines der mächtigsten Staaten ohne Land. Die Fifa hat keine direkten staatspolitischen Interessen. Sie ist so mächtig, dass sie auf die Pläne

der Staaten mit Land keine Rücksicht nehmen, Die FIFA hat Milliarden an Vermögenswerten, ist also reicher als praktisch jedes Land dieser Erde. Die FIFA ist nicht an der Börse, man kann sie also nicht über die Wall Street übernehmen. Kurzum: Die FIFA ist eine unkontrollierbare Komponente in Zeiten, wo Kriege nicht nur über Waffengewalt sondern auch über die mediale Beeinflusung geführt werden. Die Droge Fussball kann also durchaus auch von politischem Interesse sein, wenns eng wird. Und es ist eng, in Tagen wie diesen. Zusammengefasst: Das FBI überfällt die FIFA, setzt den demokratisch gewählten Präsidenten ab, zeigt durch die New York Times der Welt, was für ein übler Kerl er war, und wie korrupt das System, verpasst ihr eine Milliardenstrafe, setzt eine neue Führung und ein neues Reglement ein, die bisherigen Vergaben der WM’s wird verurteilt und die noch nicht stattgefundenen annuliert, Russland und Katar werden also nicht stattfinden, für Russland springt Kanada ein, die machen ja grad die Frauen-Fussball-WM, und dann wird ein Araber Präsident und der FIFA-Hauptsitz wird zum Schutz vor Korruption und Terroranschlägen nach New York überführt. Eine Win-Win-Win-Situation. Dafür lohnt es sich, zu suchen. Zumal man nicht – wie bei Staaten mit Land – die Armee bemühen muss, sondern lediglich ein paar Anwälte und Banker. Das rechnet sich noch mehr. Andererseits: Wenn die FIFA nicht in Zürich gewesen wäre, sondern z.B. in London, wenn der Präsident nicht Blatter gewesen wäre sondern z.B. Bourgiba. Hätte ich mir diese Gedanken auch gemacht? Was, wenn sie nicht stimmen? Was, wenn doch? Was, wenns völlig egal ist? Was es auch ist? Zeit totgeschlagen. Ein bisschen wie an der Börse spekulieren. Oder Lottoscheine ausfüllen. Einfach ohne Gewinnchancen. Also für nichts.


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VON DER EROTIK DER TRAGÖDIE

13. Mai 2015 Pete Stiefel Es ist kein Phänomen, das erst seit kurzem in Erscheinung tritt. Aber eines, das sich damals, als es noch keine Onlinemedien gab, nur in einem einzigen Schmuddelblatt ereignete. Und dieses kaufte man anno dazumal nicht selten am Kiosk als „Tagi mit“: Einer in den würdevolleren Tagesanzeiger eingerollten, etwas weniger würdevolleren Blick-Zeitung. Die Rede ist von Unfällen, schrecklichen Ereignissen und Gräueltaten, die dem Leser hübsch verpackt in emotionaler Bubble-Folie, in Form von bunt ausgeschmückten Rahmen- und Hintergrundinformationen aufgetischt werden. Es hat sich eine richtiggehende Schreibindustrie etabliert, die aus nüchternen Polizeimeldungen aufwühlende Storys erschafft. Als wäre es nicht tragisch genug, dass ein offensichtlich völlig neben seinen Schuhen stehender junger Mann seine Schwiegereltern, den Schwager, einen unbeteiligten Nachbarn und anschliessend sich selbst erschossen hat, doppeln, drei-, ja gar zehnfacheln Boulevardmedien in ausschweifenden Erzählungen nach, die Rosamunde Pil-

cher und ihre seichten Liebesschnulzen bleich aussehen lassen. Das tönt dann etwa so: «Auf dem Hochzeitsfoto strahlen Semun A.* († 36) und seine Braut Elisa. Es ist ein Bild aus glücklichen Tagen. Am Samstag drehte der 36-Jährige in Würenlingen AG durch. Er erschoss zuerst seine Schwiegereltern Elisabeth († 59) und Karl L.* († 57) sowie seinen Schwager Jonas L.* († 31).» Oder «Die Polizei sei damals mehrfach da gewesen. Einmal habe ich die Ehefrau mit einem dicken blauen Auge gesehen. Sie sei freundlich gewesen, aber schüchtern. Wenn es wieder Streit gegeben hatte, zog sie sich völlig zurück, sagt der Nachbar.» Redefreudige Personen aus dem persönlichen Umfeld, idealerweise aus der direkten Nachbarschaft, werden besonders gerne befragt nach einem solchen Ereignis. Idealerweise streckt man ihnen Mikrofon und Notizblock unmittelbar nach einer Tat oder eines Unfalles entgegen, wenn den indirekt beteiligten Augenzeugen noch der Schock in den Gliedern steckt, ihnen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben ist und die Stimme unter Tränen versagt. Dann reibt sich der Boulevardartist die Hände und der

Leser oder Zuschauer eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann werden Schicksale greifbar, ekelhaft menschlich, und erdrückend real. “Das hätte auch in meiner Nachbarschaft geschehen können… Oder noch schlimmer: Mir selber!” Wobei, nein. Meine Familie ist ja nicht mit solchen existenziellen Schicksalen konfrontiert, und in meinem Quartier sind alle langweilig ruhig. Bis auf das Paar, das sich zu nächtlichen Unzeiten lauthals zankt. Aber sonst? Nichts. Und dann: „Ich hätte ihm das nie zugetraut. Er war so ein netter, junger Mann… Und sie doch so hübsch, in der Blütezeit ihres Lebens. Die Arme!“ Immer wieder und immer häufiger ertappen wir uns dabei, dass wir uns an diesen menschlichen Schicksalen aufgeilen. Dass wir uns längst nicht mehr damit begnügen, nach einer Naturkatastrophe die Anzahl der Toten zu erfahren (wen interessieren schon die Verletzten, es sei denn die SCHWERverletzten, wenns nicht genügend Tote gegeben hat). Nein, wir wollen wissen, dass es ein frischvermähltes Paar getroffen hat, oder Bruno S., der nächste Woche seine Verlobte Sarina K. ehelichen wollte, die Kindergartenschüler Simon und Bianca B., die auf einen Schlag Eltern Franz und Johanna B. und die Grosseltern Erna und Hansjörg U. verloren haben. Oder ein Liebespaar im ersten gemeinsamen Urlaub. Je mehr Einzelheiten zum Täter, je mehr Details aus seinem Leben, seiner Jugend, zu seinen bisherigen Taten – je präzisere und intimere, vielleicht pikante Brosamen aus dem Leben der Opfer, desto besser. Aber nicht zum Zweck, eine Gewalttat besser zu verstehen, nicht dazu, den Hinterbliebenen auf ihrem nun beginnenden Leidensweg in irgend einer Form beizustehen, sondern schlicht und einfach um unterhalten zu werden. Leserzahlen wollen gesteigert, die Konkurrenz übertrumpft werden. Schliesslicht ist es nicht bloss der Stärkste, der überlebt, sondern auch ausschliesslich derjenige, der sich am besten anzupassen vermag. Und anpassen müssen sich die Redaktionen an die vermeintlichen Konsumentenbedürfnisse: Unsere Leser wollen das so! Die Halbwertszeit für das Vergessen eines Dramas ist umso geringer, je weniger Informationen wir dazu haben. Oder je schneller ein neues geschieht, ein grösseres, ein unglaublicheres, ein fürchterlicheres – ein geileres. Wir besitzen schliesslich weder die geistige, noch die emotionale Kapazität, uns morgen noch an die Geschichten von gestern zu erinnern. Das Leben geht schliesslich weiter. Jedenfalls meines. Wir haben nicht das Vermögen, das Rad der Verboulevardisierung unseres Alltages zu stoppen oder gar zurückzudrehen – schon gar nicht, wenn MitbürgerInnen zum Gaffen aufgerufen werden, und man sie hinterher Leserreporter nennt. Wir können auch keinen einzigen Journalisten daran hindern, Ereignisse im Dreigroschenroman-Stil zu romantisieren, und wir können auch keine einzige Tragödie ungeschehen machen oder verhindern. Aber wir können uns Gedanken darüber machen, ob unser Tag ein besserer war, wenn wir uns am Schicksal anderer erlaben und sich in rasantem Tempo verflüchtigendes Mitleid vorhäucheln. R.I.P. – next – R.I.P. – next… Oder ob es möglicherweise in unserem ganz persönlichen Umfeld nicht auch Schicksale gibt, die unser – und zwar unser ganz persönliches und ernst gemeintes – Mitgefühl verdienen. Und sollte das nicht reichen, dann können wir uns ja immer noch «Blumen im Regen» von Rosamunde Pilcher zu Gemüte führen. Oder «Zerrissene Herzen. Oder «Wind der Hoffnung».

BÜROTYPEN, DIE MAN IN JEDER FIRMA FINDET TEIL 10

5. Juni 2015 Dominik Hug Der Frischluftfanatiker Er reisst bereits früh morgens das Fenster auf. Auch wenn draussen der grösste Schneesturm wütet. “Früschi Luft schadet nie” oder “Hach, es isch so stickig do inne” sind typische Sprüche von Frischluftfanatikern. Frischluftfanatiker gehören eigentlich in den Keller verfrachtet, denn sie verbreiten bereits früh morgens eine kalte Stimmung. Der Stinker Du brauchst ihn nicht zu sehen und weisst trotzdem, dass er bereits irgendwo im Gebäude herumschwirrt. Er verströmt diesen einzigartigen Duft, denn du einfach nicht zuordnen kannst. Ist es erdig? Oder bereits modrig? Oder einfach nur konservierter Schweiss der letzten zwei Monate? Möge Gott deiner Seele gnädig sein sollte der Stinker dein Tischnachbar sein. Oder dein Chef. Die “Ich war jung und brauchte das Geld” Sie versteckt sich hinter einer dicken Brille. Die Haare brav zusammengebunden. Sie ist höflich und zuvorkommend. An ihr ist nichts Anrüchiges. Ausser die im Internet gefundenen Aktphotos, welche sie vor einigen Jahren unter Pseudonym mal aufge-

nommen hat. Welche du entdeckt hast. Und natürlich deinen Mitarbeitern stolz präsentiert hast. Wie ein Jäger, der gerade einen Brontosaurier mit einem Sackmesser erlegt hat. Der Stammtischler Er liebt derbe Witze. Er haut beim Lachen oft auf den Tisch. Er trägt Bart und Holzfällerhemden. Er wählt SVP. Frauen gehören für ihn an den Herd. Er ist der Stammtischler und du wunderst dich jeden Tag aufs Neue, wie dieser primitive Vogel es geschaft hat in deiner Firma aufzusteigen und eine hohe Position zu erreichen. Das primitive Stück Sie flucht. Sie schreit. Sie grunzt und spuckt. Bei jeder gebotenen Gelegenheit flucht sie über ihren Ex-Freund ab. Und über Ausländer. Die könnten ihr ja nämlich den Job wegnehmen. Das primitive Stück ist das totale Gegenteil einer richtigen Dame. Sich mit ihr in der Öffentlichkeit zeigen zu müssen stellt für dich die grösste Strafe dar. Das zu grosse Sakko Du hast keine Ahnung wie er heisst oder was seine Position innerhalb der Firma ist. Du siehst ihn immer nur im Lift oder in der Kantine. Und du weißt nur eine Sache über ihn. Nämlich, dass er ein viel zu grosses Sakko trägt. Oder viel zu kurze Arme hat.

KORREKTER LEBEN, HEUTE: DEN OPA UMWELTFREUNDLICH KOMPOSTIEREN.

4. Mai 2015 Reinhold Weber. Und nach dem Oheim unbedingt auch den GrabkerzenPlastikmehrwegbecher umweltverträglich entsorgen, sonst kommst du nicht in den Öko-Himmel.


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

4. Juli: Grundton im Hive

Einmal jährlich, jeweils im Sommer, darf sich die Hive-Anhängerschaft auf ein Gastspiel von Gui Boratto freuen. Das passt auch ziemlich gut, stammt Boratto doch aus Brasilien und damit aus einem Land, mit dem viele tropische Nächte assoziieren. Dennoch spielt der Mann nicht etwa Salsa, Bachata oder Merengue: Der auf Kompakt releasende Clubmusiker bringt für seine Kunst die unterschiedlichsten Genres unter einen Hut und bereits seine ersten Veröffentlichungen fanden ihren Weg in die Cases von Sven Väth und Laurent

Garnier. Ursprünglich noch als Werber tätig, brach sich sein überragendes Talent schon bald Bahn, was wiederum zu Kooperationen mit so unterschiedlichen Musikern wie Garth Brooks und Manu Chao führte. Heute ist Gui Boratto einer der elder statesmen der elektronischen Musik, nicht zuletzt dank so herausragender Tracks, EPs und Alben (wie beispielsweise das aktuelle „Abaporu“, 2014 erschienen), aber auch dank Remixarbeiten für Grössen wie Goldfrapp, Moby, Massive Attack und Terranova.

04. Juli: Clubnacht im Revier „Ha! Den Typ auf dem Bild kenne ich doch…“. Ebendies mag sich der eine oder andere nun denken. Und liegt richtig damit: Das ist Jake the Rapper und den hatten wir auf dieser Doppelseite schon mal. Aber was sollen wir denn bitteschön tun: Der Mann ist nun einfach mal eine Wucht und zudem hat er eine riesige Schatztruhe voller Farbefoteli, von denen jedes einzelne ein Abdruck wert ist. Ansonsten haben wir eigentlich alles bereits erzählt: Jake The Rapper stammt aus

Brooklyn, ist aber seit vielen, vielen Jahren in Berlin ansässig. Er war einer der Gründe für den Hype um die ehemalige Bar 25, zählte er doch zu deren Inventar. Längst ist er jedoch nicht nur ein Bar 25-Original, sondern sowas wie die gelebte Berliner ClubGemütlichkeit. Zumindest sieht er so aus… dem Vernehmen nach soll Jake The Rapper bisweilen ziemlich wüst tun können. Muss er ja wohl, bei so vielen Jahren im quirligsten Nachtleben Europas.

11. Juli: Fact im Café Gold Ein guter Club braucht gute Labels. Fact ist eine dieser guten Feiermarken. Zum einen weil sich hier alles um die Musik dreht, zum anderen, weil dennoch der Spass nicht vergessen wird. Wobei man natürlich auch via Musik Spass generieren kann. Das wiederum weiss auch Andre Crom. Der Wahlberliner und sein Label Off Recordings stehen für Clubmusik mit Seele, für Tunes, die so ziemlich das Gegenteil düster wabernder Beats kultivieren und die den Clubbern stets ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Off Recordings-Releases finden regelmässig Eingang in die Spitzenpositionen der wichtigsten Charts, so auch in jene auf Resident Advisor: „Crom’s sets move fluidly from sleazy deep underground pop tunes to jacking house to reduced grooves“ – so könnte man den Sound des Meisters idealerweise umschreiben. Dass das Ganze tanzbar ist wie sonst was, versteht sich von selbst. Was uns wieder auf das Ding mit dem Spass zurückbringt: Wer an diesem 11. Juli an der Fact tanzt, der wird auf jeden Fall 1A versorgt.

16.–19. Juli: 32. Gurtenfestival Und nochmal verlassen wir die Zürcher Stadtgrenzen und schauen über den Tellerrand hinaus. Der Gurten bei Bern wird einmal jährlich zum Schauplatz des wohl eigentümlichsten und heimeligsten Open Airs des Landes – alleine die Anfahrt ist was für Abenteurer. Am Gurten stehen die Bands und Musiker nicht alleine im Zentrum, es geht um das Gesamtpaket, dieses unvergleichliche Gurtengefühl, das man erlebt haben muss. Da wir das an dieser Stelle aber nicht so wirklich wiedergeben können, zählen wir trotzdem mal auf wer da dieses Jahr so spielt: Die Fantastischen Vier, Cro, Casper, Farin Urlaub Racing Team, Faithless, Ellie Goulding, Kraftklub, Patent Ochsner, Patti Smith und gar der Electronica-Pionier Giorgio Moroder wird auf der Bühne stehen. Als flankierende Massnahme gibt’s unzählige Partys auf unterschiedlichen Nebenbühnen und Locations in der Location wie der Bamboo Bar, dem Party Dome und dem Rock the Block.

17. Juli: 10 Jahre Gleichschritt im Hive

Das Hive ist einer der wenigen Schweizer Clubs, die auch im Sommer keinen Gang zurückschalten. Das kann sich der Club sicherlich auch wegen seiner schieren Grösse leisten. Dazu kommt, dass er eben erst umgebaut wurde und wer ein neues Kleid hat, der möchte dies natürlich auch zu Markte tragen. Heute Abend tut dies der Bienenstock indem er den zehnten Geburtstag des Duos Gleichschritt feiert. Die beiden Hive-Residents haben 2010 mit der "Pura Vida EP bewiesen, dass sie nicht nur an den Decks im Club wahre

Könner sind, sondern auch wissen, wie man im Studio ein Höchstmass an Kreativität freisetzt. Gleichschritt, die 2006 an den SEMA (Swiss Electronic Music Awards, nicht zu verwechseln mit den Swiss Nightlife Awards) den Titel "best newcomer dj of the year abräumen konnten (obschon damals bereits zwei Jahre aktiv) wissen auch nach einer Dekade Tun und Wirken wie sie eine Crowd eine Nacht lang vor sich hertreiben können - und das tun sie denn auch immer und immer wieder und zwar leidenschaftlich gern.


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

17. Juli: Planet 105 – We Love Ibiza Boat

Nun denn… wir stehen nicht wirklich auf Partys die mit dem Namen „Ibiza“ wedeln. Auch ist 105 jetzt nicht wirklich unser Lieblingssender. Um das Ganze zu komplettieren, spielt hier auch noch Tanja La Croix, die ebenfalls nicht zum inneren Kreis unserer Lieblings-DJs zählt. Aber hey: Das Ganze findet auf dem Schiff statt. Und es ist Hochsommer, da soll man ja jede Gelegenheit wahrnehmen um am oder besser noch auf dem Wasser zu feiern. Und zudem: Es soll ja Leute

geben, die setzen das mit dem „unbedingt Draussenfeiern“ auch am Street Parade-Datum um und da ist der Sound mit Sicherheit noch ein Mü schlechter als hier. Das wiederum liegt nicht zuletzt am Umstand, dass hier auch Dani Koenig spielt und der zählt seit vielen, vielen Jahren zum genannten inneren Kreis. Und auch M-Live wird ein Set abliefern und den Massimo mögen wir auch sehr. Also… die eingangs erwähnten Minuspunkte einfach ausblenden und Schiff ahoi. Muss die Hemmschwelle trotzdem noch etwas nach hinten verschoben werden, hilft bestimmt Gevatter Alkohol.

31. Juli: Stadtsommer mit Klaus Johann Grobe im Helsinki Ganz, ganz wenige vom Veranstalter angefertigte Eventtexte sind so gut, dass man nicht wirklich weiss, wie man es besser machen könnte. Der hier ist so einer: "Ist das nicht etwa unser Zeitgeist, der Kunst verwechselt mit nem Lifestyle?", fragen Klaus Johann Grobe in ihrem Lied Les Grecks, und diese kluge Analyse lässt darauf schliessen, dass es sich bei dem Duo von Sevi Landolt und Daniel Bachmann um scharfe Beobachter handelt. Eingewickelt in einen grobmaschigen Flickenteppich aus Drums, Bass und Orgel lässt es sich zum teilnahmslosen Gesang über Übel- und Herrlichkeiten

fantastisch schwofen. Die Neo-Kraut-Romantik von Klaus Johann Grobe kumuliert in mal verstörendem, mal verschrobenem Deutsch-Pop, der goldene Funken von Lust und Unlust in unseren hungrigen Körpern zündet. Klaus Johann Grobe haben illustre Fans wie The Growlers und Temples und spielten sich mit ihrem Album "Im Sinne der Zeit" einmal quer über Europas Bühnen und wieder zurück. Das ist quasi Disco für Tanzmuffel, nicht immer lupenrein, doch glänzend in der Manier wie hier Monotonie und Vorwärtsdrängen zu einem ekstatischen Tanzkommando verschmelzen.

31. Juli: RBMA presents… im Hinterhof Basel

Basel! Fünf Buchstaben und der Zürcher dreht im Roten. Nicht alle Zürcher, natürlich. Nur die fussballfanatischen. Und das sind dann doch nicht ganz so viele. Alle anderen sollten sich heute überlegen den Gang ins Dreiländereck unter die Räder zu nehmen. Weil: Carl Craig kommt. Craig zählt zur Garde jener Detroit-Pioniere, die heute als Geburtshelfer des Techno gelten. Entdeckt wurde Craig seinerzeit übrigens von Derrick May, dem Betreiber des Transmat-Labels, das heute auch eine Schweizer Domäne unterhält. Im Laufe seiner langjährigen Karriere hat sich

Craig mit der Aura eines musikalisch versierten elektronischen Künstlers umgeben, was ihm nicht zuletzt dank seiner Kooperation mit Moritz von Oswald für die Deutsche Grammophon gelungen ist. Craig und Oswald interpretierten gemeinsam Maurice Ravels Bolero und Mussorgskis Bilder einer Ausstellung neu. Mit neueren Arbeiten beweist Craig, dass er noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Als Beleg hierfür kann sein Remix von Caribous “Your Love Will Set You Free” herangezogen werden, ein Meisterwerk, das dem Original in nichts nachsteht.

Diverse Daten: 15 Jahre Nordstern Basel Diesen Sommer feiert der Basler Nordstern seinen 15. Geburtstag. Nicht Wenigen gilt der Club als der beste der Schweiz, ein Umstand, den man mit der Tatsache unterstreichen kann, dass er bereits dreimal den Swiss Nightlife Award für die beste Location des Landes absahnen konnte. Ein rein elektronischer Club ist der Nordstern zwar erst seit ein paar Jahren, als Marke und vielschichtiges Eventlokal existiert er aber bereits seit anderthalb Dekaden. Dies feiern die Nordsternmacher im Juli mit diversen Events: Am 7. Juli gastiert der Club am Montreux Jazz Festival, am 11.7. am Open Air Frauenfeld, am 17. Juli auf dem Gurten und am letzten Juni-Wochenende feiert der Club bei sich zuhause und zwar mit Sets von Loco Dice, Rodhad, Andrea Oliva, Seth Trox-

ler, Âme, Bas Ibellini und vielen, vielen mehr. Damit tut der Nordstern auch an seinem kugelrunden Ehrentag das, was er am besten kann: Die Schweizer Szene mit grossartigen Sets von international renommierten Acts veredeln, nämlich.

Sporadisch: Kibag After Hours

Da wissen wir jetzt gar nicht so recht, ob wir das überhaupt bringen dürfen, da die Sausen nicht wirklich im Rahmen des… nun ja… sagen wir’s mal so: Der Ort ist dermassen gut gewählt, dass der Freund und Helfer zwar immer wieder Mal vorbeistolpert, aber in der Regel dann doch nichts unternimmt, obschon in der Grauzone angesiedelt. An den

Kibags spielen stets tadellose Locals, die ansonsten in Zürichs Underground unterwegs sind. Und da die Partys jeweils direkt am Zürichsee stattfinden, soll es auch schon vorgekommen sein, dass ein Plattenspieler in selbigen gefallen ist. Von derlei Ungemach lassen sich die Kibag-Veranstalter aber nicht abschrecken. Wer wissen will, wann die nächste Kibag über die Bühne (respektive übers Ufer) geht, der muss etwas auf Facebook nach der entsprechenden Gruppe wühlen. Lohnen tut sich das aber alleweil: Die Daytime Partys in Zürich sind aktuell das Feinste was man an Feierware kriegen kann und wenn alles glatt läuft, ist man am Abend wieder ausgenüchtert und muss sich nächstentags somit nicht mit einem dicken Kater herumplagen.


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Ein Mittagessen mit Nathan Dallimore Freitag, 5. Juni 2015 Von Rainer Kuhn

zwischenmenschlichen Sachen, man muss sich verstehen, die Leute müssen wissen, was man will. Ich habe viele Leute aus dem Team mitgebracht. Ich hatte sie ja ausgebildet. Es wäre schade gewesen, würd ich davon nicht profitieren können.

Dies letzte Interview aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ aus dem Alice Choo in Zürich. Nachdem ich mit verschiedenen Gästen mehrmals da gegessen hatte, dachte ich, es wär ein schöner Abschluss, sich mal mit Nathan Dallimore zu Unterhalten. Schliesslich ist er der Chefkoch hier. Und da man Köche in der Regel nicht sieht, sie müssen ja kochen, wurde es an der Zeit, das zu ändern. Als die Karte gereicht wurde, gab ich sie zurück. Nathan sollte mir irgendwas aus der Küche bringen lassen. Das Risiko war gleich Null. Ist ja alles lecker, was hier durch die Tür kommt. Und es kam eine Sushi-Platte, die ich so noch nie gesehen hatte. Fast zu schade, um sie zu essen. Ich habs trotzdem gemacht.

Gibt’s Unterschiede, ob Du auf den Cayman Island kochst, in Moskau oder in Zürich? Eine Küche ist immer eine Küche. Die Kultur ist unterschiedlich, aber genau das mag ich ja. Die Leute, die Sprache. Der grösste Unterschied sind die Gäste. Herauszufinden, was genau sie mögen, was nicht, das ist von Land zu Land sehr verschieden. In Russland hat sich in den letzten sechs Jahren eine Menge geändert. Es ist viel Geld ins Land gekommen, all die grossen Firmen, es sind viele Leute zu Geld gekommen. Und das wollen Sie auch wieder ausgeben. Für Essen, für Autos, für Bildung, Reisen. Das Level ist extrem gestiegen.

Du bist ja aus Neuseeland. Also führen wir das Gespräch in Englisch. Hoffe, mein Englisch ist gut genug.

Was machst Du, wenn Du nicht kochst? Wir versuchen jedes Wochenende rauszugehen und etwas cooles zu machen. Manchmal fahren wir in die Berge, nach Davos oder St. Moritz, ich mein, komm schon, das sind die Schweizer Berge, da gibt’s nichts Besseres als das. Und das Grösste ist, dass du in wenigen Stunden da bist. Oder der Rheinfall ist auch cool.

Hoffe, MEIN Englisch ist gut genug Haben wir eine Alternative? Nein. Ok, russisch vielleicht. Russisch? Ich hab in Russland gearbeitet.

Wie ein Tourist. Du sprichst also Russisch. Ja, klar. Küchen-Russisch, ja. Sonst? Keine Hobbies? Musik oder so? Mehr brauchst Du als Koch ja auch nicht. Die meiste Zeit verwende ich damit, mich hier zu integrieren. Das ist nicht einfach als Koch, ich arbeite, wenn die meisten frei haben und umgekehrt. Aber ich komme voran. Es gefällt mir hier. Es ist alles sauber, sogar die Hinterhöfe. Und dann habe ich wie gesagt eine kleine Tochter. Die spannt mich auch ziemlich ein.

Ich habe sechs Jahre in Moskau gearbeitet. Meine Freundin arbeitete auch da, das war eine Möglichkeit zusammen zu arbeiten und einander so öfters zu sehen. Und vorher? Etwa eineinhalb Jahre auf den Cayman Islands. Aber ich hatte die falsche Arbeitserlaubnis. Also bin ich wieder gegangen. Nach Rhode Island. Hab dort auf verschiedenen Yachten gekocht ...

Hätte ich Dir sagen können. Ich hab drei davon. Drei?

Ist es das, was Du schon immer machen wolltest? Kochen?

Ja. Wobei, auch wenn ich es Dir gesagt hätte, hättest Du auch nichts anfangen können. Es können Dir hundert Leute sagen, was alles auf Dich zukommt, wenn Du Kinder hast, und wenn Du dann eins hast, sieht alles anders aus. Ich kann Dir nur sagen: Egal was Dir passiert: Es ist wahrscheinlich normal.

Es ist etwas, was ich einfach schon immer gemacht habe. Beide Eltern gearbeitet und Du musstest selber kochen? Nein, meine Mom hat gekocht. Das war Dein Einfluss? Ich komme aus Neuseeland. Ich hab viel Wassersport gemacht, bin gesurft, getaucht, wir lebten hauptsächlich draussen, haben Fische und andere Meeresfrüchte gefangen und zubereitet. Kiwi-Kultur halt. Ich hatte einfach das Talent dafür.

Eine Küche ist immer eine Küche. Die Kultur ist unterschiedlich, aber genau das mag ich ja. Die Leute, die Sprache. Der grösste Unterschied sind die Gäste. Herauszufinden, was genau sie mögen, was nicht, das ist von Land zu Land sehr verschieden.

Jetzt bist Du exakt auf der anderen Seite der Welt, in der Schweiz. Gibt’s da Parallelen, wie man immer wieder mal hört? Ich bin in einem kleineren Ort aufgewachsen. Da war es nicht unähnlich, ruhig, viel Platz, Berge. Willst Du wieder zurück? Ich will immer zurück, klar. Ich bin schon ziemlich lange unterwegs. Ich habe eine kleine Tochter jetzt, sie ist

zweieinhalb, da ist das Reisen etwas komplizierter. Musst auch nicht jetzt. Es wird Sommer, da gibt’s nichts Schöneres als Zürich. Ich würd also noch ein bisschen bleiben. Mich interessiert was anderes: Du arbeitest ja nicht alleine in der Küche, Du hast ein ganzes Team. Was ist das Schwierigste daran, Chefkoch zu sein? Logistik oder so? Nein, nicht die Logistik. Das klappt alles in der Regel gut. Es sind die

Echt? Ja, echt. Da geht’s allen gleich. Das ist auch das einzige, was Du wissen musst. Dass Du nicht alleine bist mit dieser neuen Situation. Dass das den allermeisten ähnlich geht. Ok. Beruhigend. Wie lange bist Du jetzt schon weg von Neuseeland?


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Als Koch beurteilst Du jeden Teller, der die Küche verlässt. Daran wirst Du gemessen. Immer. Die Orte wechseln, die Saisons wechseln, es sind andere Dinge, die man auf den lokalen Märkten bekommt, die einen inspirieren, neue Sachen zu machen. So lerne ich andauernd. Es sind die kleinen Dinge, die ein Restaurant ausmachen, die Persönlichkeit des Kochs ist entscheidend: Macht er was aus den Möglichkeiten? Fügt er neue Möglichkeiten hinzu? Es ist auch eine Frage der Hingabe. Ich bin jetzt 36 Jahre alt. Alles in allem sinds glaub so ungefähr 16 Jahre. Wo möchtest Du Dich einmal niederlassen? Das ist ein konstantes Diskussionsthema bei uns. Im Moment ist es wichtig, dass es ein Ort ist, wo wir unsere Kinder in Frieden aufwachsen lassen können. Langfristig müsste es wahrscheinlich irgendwo nahe am Äquator sein. Warm, Meer, tauchen. Das Problem ist, dass ich ein Beach-Bum bin und meine Frau ein City-Girl. Ok, sie liebt den Strand und ich auch die Stadt, soweit ist alles in Ordnung. Wir haben uns aber noch nicht definitiv entschieden. Singapore wär ein möglicher Ort. Wir werden sehen. Es ist schwierig, einen Ort zu finden, an dem alles stimmt.

hätte werden können? Was mir wirklich gefällt an meiner Karriere ist, dass ich immer wieder vor Herausforderungen gestellt wurde, die ich meistern musste. Du kommst irgendwohin, die Küche ist, was sie ist, und Du musst damit klar kommen. Die Erwartungen sind überall hoch, diese immer zu erfüllen gibt jedes Mal einen Adrenalinschub, das brauche ich. Keine Angst, zu versagen?

rücksichtigen muss. Dass die Leute erfahrener und interessierter mit Food umgehen, macht es nicht schwieriger, im Gegenteil. Die Gäste sind offener geworden. Du bist jetzt seit etwa 6 Monaten hier. Was ist Dein Eindruck von Zürich? Es ist wirklich eine coole kleine Stadt. Ein sehr schöner Ort. Aber es ist auch ein kleiner Markt. Man muss vorsichtig sein, was man macht. Jeder kennt jeden. Und jeder „gossipt“ jeden. Ist das nicht überall so? Ich glaube, hier ist es schon ziemlich ausgeprägt. Wie wenn die Leute hier Angst haben, sich selber zu sein. Sie wollen gesehen werden. Und sehen. Und urteilen und beurteilt werden. Die ganze Zeit. Mir fällt das gar nicht so auf. Ok, es ist meine Stadt, ich lebe und arbeite hier, die meisten meiner Leser leben oder arbeiten hier, wir sind hier zuhause. Da empfindet man vieles nicht mehr so, man sieht solche Sachen gar nicht mehr, es ist normal, was Leute, die von aussen hereinkommen eben

Aber das, wie ihr hier gerade die Sushi serviert hat eine Menge Kultur. Das geht ja schon eher in die Richtung Kunstwerk.

Wir haben tonnenweise Wurststände. Würste sind, neben Kebab, unser nationaler Street-Food.

Die Leute am Nebentisch sollen denken „wow, das will ich auch“. Das meinte ich vorhin. Gib immer ein bisschen mehr, als die Gäste erwarten.

Ok.

Welches sind denn die Disziplinen in der Küche wo man noch besser werden kann. Timing? Die Organisation. Die besten Chefs sind die, die am besten organisiert sind. Je organisierter Du bist, desto relaxter bist Du, wenn der Stress kommt. Und dafür braucht es Erfahrung. Jeder Ort, an dem Du gearbeitet hast, jede Person, mit der Du gearbeitet hast, hat Dir etwas beigebracht, Dich etwas gelehrt, einen Tipp hier, einen da, man kann immer etwas aufschnappen, was einem weiterbringt. Erfahrung hilft Dir, Dich besser zu organisieren, und Organisation hilft Dir, relaxter an die Arbeit heranzugehen und Dich um das zu kümmern, was Du am liebsten und am besten machst, neue Gerichte auszuprobieren, zum Beispiel.

Aber wenn Du jetzt seit 16 Jahren unterwegs bist: Wo fühlst Du Dich zuhause? Wir waren 6 Jahre in Russland, das war das Längste bisher. Ich liebe Indonesien. Aber nach einer gewissen Zeit bekomme ich den Inselkoller und dann ziehts mich wieder in eine Grosstadt.

Genau diese Energien find ich zunehmend verwirrender. Ich finds auf dem Land schöner, die Luft, der Himmel, das Gras ...

Die besten Chefs sind die, die am besten organisiert sind. Je organisierter Du bist, desto relaxter bist Du, wenn der Stress kommt. Und dafür braucht es Erfahrung. Jeder Ort, an dem Du gearbeitet hast, jede Person, mit der Du gearbeitet hast, hat Dir etwas beigebracht, Das gefällt mir ja auch. Drum haben wirs noch nicht definitv rausgefunden. Es eilt ja auch nicht. Was würdest Du machen, wenn Du nicht Koch geworden wärst? Sportfischer. Oder Taucher. Was weiss ich. Ich liebe meinen Job, diesen Lifestyle, ich habe alles, was ich mir wünsche. Wieso also soll ich mir Gedanken darüber machen, was ich sonst noch

Ja, nicht ganz, aber ja, Gewürze spielen eine grosse Rolle. Sushi ist wieder eine andere Disziplin. Habt Ihr in der Küche auch Diskussionen? wenn mal einer nicht einverstanden ist oder so?

... die Regeln sind klar und es sind alles er wachsene Leute. Wenn wir Differenzen haben, können wir voneinander lernen, verschiedene Ansichten, wir probierens aus, und wenn wenn es uns nicht gefällt, dann tun wirs nicht. Wenn der Sushi-Chef Dir die Platte bringt, dann ist das seine Arbeit, da ist er stolz darauf. Nein, eigentlich nicht, die Regeln sind klar und es sind alles erwachsene Leute. Wenn wir Differenzen haben, können wir voneinander lernen, verschiedene Ansichten, wir probierens aus, und wenn wenn es uns nicht gefällt, dann tun wirs nicht. Wenn der SushiChef Dir die Platte bringt, dann ist das seine Arbeit, da ist er stolz darauf. Du siehst, dass es mit Liebe gemacht ist, Hingabe, das geht nicht, wenn Dir nicht gefällt, was Du machst.

Ich mag nicht mehr in grosse Städte gehen. Früher fand ich es spannend, all die Städte zu besuchen, aber irgendwann bekam ich das Gefühl, dass sie irgendwie alle gleich sind. Die gleichen Restaurants, die gleichen Ladenketten, auch die Musik in den Radios hat sich überall angeglichen. Klar ist Paris anders als London. Aber vom Wesen her sind sie gleich. Ähnliche Strukturen. Das ist schon so. Aber Grosstädte haben eine Art süchtigmachende Energie.

Wir haben verschiedene Würste. Die Würzung machts aus. Ist eigentlich beim Kochen immer so, oder? Alles eine Frage der Gewürze.

Doch, immer. Woran kann man als Koch denn scheitern? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zu scheitern. Deine Leute machen nicht, was Du willst, dann hast Du ein Problem. Als Koch beurteilst Du jeden Teller, der die Küche verlässt. Daran wirst Du gemessen. Immer. Die Orte wechseln, die Saisons wechseln, es sind andere Dinge, die man auf den lokalen Märkten bekommt, die einen inspirieren, neue Sachen zu machen. So lerne ich andauernd. Es sind die kleinen Dinge, die ein Restaurant ausmachen, die Persönlichkeit des Kochs ist entscheidend: Macht er was aus den Möglichkeiten? Fügt er neue Möglichkeiten hinzu? Es ist auch eine Frage der Hingabe. Dass Du Dich mit deinen Gästen „verbindest“, auf sie eingehst, interessiert bist, ihre Feedbacks ernst nimmst. Gib immer ein bisschen mehr, als sie erwarten. Die viele Reiserei hat mir sehr dabei geholfen, Situationen schnell zu erfassen und umzusetzen. Zu keiner Zeit wusste man mehr über die verschiedenen Nahrungsmittel, über den Körper, darüber, wie bestimmte Nahrungsmittel auf den Organismus wirken. Die Leute sind viel aufgeklärter in dieser Beziehung als früher. Macht es das für Dich als Koch nicht auch schwieriger? Es gibt so viele Sachen, die man be-

sehen, weil es für sie nicht normal ist. Drum find ichs immer wieder spannend zu hören, wie Leute wie Du, die weit gereist sind und noch nicht lange in Zürich sind, diese Stadt und ihre Leute erleben. Der Standard hier ist sehr hoch. In allen Bereichen. Das heisst fast. Da gibt es etwas, dass meine Frau und mich wirklich erstaunt, sogar nervt: Das Fehlen von „Food-Markets“. Der Street-Food ist schrecklich, vor allem jetzt, in der Saison, hier hats kaum Märkte, wo man die lokalen Produkte kaufen kann.

Hast Du Kontakt zu anderen Köchen hier in der Stadt? Bisher nicht, nein, ich hätte es gerne, ich liebe es, mich auszutauschen. Sehen und hören, was die anderen machen, zusammenzukommen und einander zu inspirieren. Ihr habt da einen Ort, der ist fantastisch. Gerold's Garten. Wunderbares Konzept, guter Spirit. Solche Plätze liebe ich. Was ist mit Musik? Was hörst Du? Kaufst Du Platten? Ich liebe Live--Musik. Konzerte.

Du musst aufs Land kommen, da gibt’s das noch eher.

Ja, klar, aber warum nicht in der Stadt? Warum nicht auf der Strasse? Wir hatten grad das Street-Food-Festival. Ich weiss. Ein Festival. Das alleine ist noch keine Kultur. Aber wir brauchen die lokalen Märkte. In Russland gingen wir immer auf lokale Märkte, grossartig, all das saisonale Gemüse, die Früchte, alles frisch, direkt von den Produzenten.

Aber das ist es doch auch, was das "Auswärts essen" ausmacht, oder? Ich mein, ich kann auch zuhause kochen, nicht ganz so gut, aber ich kann mich ernähren. Wenn ich in ein Restaurant gehe gehts ja nicht nur ums Essen alleine ... Service ... etwas Neues entdecken, Gastfreundschaft ... die soziale Umgebung ... die Freundlichkeit, eben, die Leidenschaft ... all das zusammen machts aus. und die Küche ist das Zentrum ... ... die Küche ist das Zentrum. Die Küche ist immer das Zentrum. Das siehst du auch, wenn Du ein paar Leute nach Hause einlädst, irgendwann stehen alle in der Küche und hängen dort ab.

Welches war Dein letztes Konzert? Die Chilli-Peppers. In Russland. AC/ DC kommen, da will ich unbedingt hin. Jede Art von Live-Musik ist cool. Egal ob in Stadien oder kleinen Clubs. In Russland gabs viele Orte, wo lokale Bands spielten. Wir hingen oft mit Ihnen ab. Habt Ihr hier eigentlich auch sowas wie "Strawberry-Festivals" oder so? Strawberry-Festivals? Ja.

Wir produzieren Kebab hier in Zürich.

Nein.

Yeah, cool, wow ... shit ... das ist keine Street-Food-Kultur.

Wie die Engländer zum Beispiel?

www.alice-choo.ch


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Juni 2015

SLACKLINE, KÄNNSCH?

22. Mai 2015 Midi Gottet Ich hatte keine Ahnung, was ich zum Slacklinen anziehen muss, war mir aber ziemlich sicher, dass es in der Infomail stand, die ich mal wieder nicht richtig gelesen hatte. Also stand ich da, barfuss, mit T-Shirt und Jogginghose und sah somit ziemilch genau so aus wie alle anderen in der Dreifachturnhalle der ETH Zürich – einfach 25 Jahre älter. Ein grosser Kreis bildetete sich zum kollektiven Warm-Up. 200 Leute liefen im Kreis, während in der Mitte eine Mischung aus Drill-Instructor und Sepp Zellweger die Übungen vorgab. Ich quälte mich also 15 Minuten durch etliche, anstrengende Aufwärmübungen, die mich an den Rand meiner körperlichen Möglichkeiten brachten. Ein leichter Schwindel machte sich in meinem Kopf breit. Langsam fragte ich mich, ob das wirklich die richtige Vorbereitung für die Slackline war, aber die bestechende Autorität in der Mitte des Kreises liess keinen Zweifel zu. Wie auf Kommando holten dann alle Sportler ihre Geräte aus den Räumen und plötzlich war ich Jaques Tatis am Bahnhof und verstand auch nur selbigen. Ich bewegte mich schusslig durch die Turnhalle, unwissend ob ich helfen soll, muss oder überhaupt darf. Das

ständige Ausweichen alleine hätte wohl schon als Warm-Up gereicht. Und irgendwann war der Sturm vorbei. Da stand ich nun, umgeben von Trampolin, Barren, Ringen und Käsematten und suchte meinen Platz in dem Gewühl. In der Mitte, wie in einer Manege, hatten die coolen Jungs mit den Wollmützen von Slacktivity.ch, wie aus dem Nichts, die Leinen gespannt. Sam Volery mit der hellgrünen Kappe begrüsste mich. Ein netter Kerl, der seit 10 Jahren die Slackline bezwingt. Er kommt ursprünglich vom Klettern, was in der Szene nicht unüblich ist. Denn das Slacklinen entstand aus der Schlechtwetter-Langeweile der Kletterer, die bei Regen ihre Kletterseile über den Boden spannten, um darauf zu balancieren. Er klärte mich also darüber auf, dass slacklinen nichts mit Seiltanz zu tun hat. Mein Coeur d’Artiste blütete bittere Tränen. Nicht wirklich, aber ich wollte hier schon lange mal was auf Französisch schreiben. Kaum hatte ich einen Fuss auf das Seil gesetzt, ging gnadenlos das Gependel los. Die Slackline unter meinen Füssen bewegte sich in rasendem Tempo immer wieder von links nach rechts, wie eine Brücke, die bei einem Erdbeben eine Eigendynamik entwickelt. Von aussen

musste es wohl aussehen wie bei einem Zirkusclown, der sich extra dumm anstellt. Sam meinte, zu Beginn sei das ganz normal, denn das Hirn produziere eine Art Kurzschluss und dieser löse dann dieses elende Gewackel aus. Meine unfreiwillige Lachnummer, die ich da aufs Seil legte, machte mir aber trotzdem nicht sonderlich viel Hoffnung. Wie sollte ich es je schaffen auf diesem Ding einigermassen ruhig zu stehen? Brauchte ich vielleicht auch so eine Wollmütze? Sam korrigierte meine Haltung: Das Standbein darf auf keinen Fall gestreckt sein, jedoch das Bein, das in der Luft hängt auf jeden Fall. Gleichzeitig sollten die Arme im rechten Winkel mit den Daumen nach oben gehalten werden, damit die Schultern unten bleiben. Aha. Ich kam an meine koordinatorischen Grenzen. Ausserdem darf auf keinen Fall der Schwerpunkt nach vorne verlagert werden. Womit wir wieder mal bei meinem Bauchansatz wären. Es entwickelte sich eine Abfolge von Versuchen, jeweils gefolgt von einer Lagebesprechung mit einem sehr geduldigen Sam. Diese Korrekturen zermürbten mich, denn sie wurden je länger je mehr zu einem Mantra, das erklärte, was ich alles falsch mache – wohlverstanden,

DER DUFT DES BIERES

11. Juni 2015 Dominik Hug. Irgendetwas sagt mir, in der Biertraumwelt riecht es nach Kotze.

Marco Streller: Der grösste Fisch im Teich 28. Mai 2015 Dominik Hug Den besten Zeitpunkt für ein Ende zu wählen fällt vielen Menschen nicht leicht. Wir lassen uns auf Beziehungen ein, auf Freundschaften oder Arbeitsverhältnisse und gewöhnen uns an diese wie an ein altes Paar Nike Air. Sie fühlen sich gut an, machen aber optisch gar nichts mehr her – und stinken nebenbei zum Himmel. Marco Streller war sich seiner Sache sehr bewusst als er im März seinen Rücktritt vom Spitzenfussball zum Saisonende hin bekannt gab. Er, der im Juni seinen 34igsten Geburtstag feiern wird, hat genug und hängt den Ball an den Nagel. Er will abtreten bevor er zum stinkenden Turnschuh mutiert. Dabei hat er doch gerade erst angefangen, oder nicht? Es muss etwa im Jahr 2001 gewesen sein. Ich selbst, damals gerade 18 Jahre alt, trainierte mit meinem Kumpel im neu eröffneten Joggeli Fitness Club Basel. Und da sah ich den Streller Marco zum ersten Mal. Während mein Kollege und ich uns an Konditions- und Kraftgeräten zu schaffen machten, sassen Streller und seine Kollegen von Concordia Basel locker auf ihren Ergometern, spassten rum und waren eigentlich mehr mit Frauen beschäftigt als mit der eigentlichen Tätigkeit des Ausdauersportes. Und schon damals hatte der Streller ein Auge auf seine zukünftige Frau geworfen, welche ich noch von meiner Kindheit her aus meiner Strasse kannte. Ich schwitzte also wie ein Ochse und dieser schlaksige Kerl hatte wohl nicht mal die kleinste Schweissperle auf seiner Stirn. “Aus dem wird nichts”, hatte ich damals wohl gedacht. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Hatte er damals seinen ersten Einsatz im Dress des FCBs bereits gehabt? Ich weiss es nicht mehr. Aufgefallen war er mir nicht, obwohl ich beim 3:1 Sieg des FCB gegen Servette im Stadion war. Nach einer kurzen Ausleihe nach Thun war Streller wieder im Kader des FC Basel anzutreffen. Und schlug ein wie eine Bombe. 13 Tore in 16 Spielen erzielte Streller und wechselte noch in der Winterpause zusammen mit Kollege Hakan Yakin in die Bundesliga zum VFB Stuttgart. Und während Hakan sich schnell mit der Aktivität Waldläufe auseinandersetzen musste, bekam Streller seine Einsätze. Der Beinbruch, der ihm Natikollege Marco Zwyssig beim Trainingslager mit der Nationalmannschaft zugefügt hatte, betrachte ich als Knackpunkt in Strellers Karriere. Wer weiss, was mit ihm beim VFB Stuttgart und in der Bundesliga noch passiert wäre, wäre diese Verletzung nicht in sein Leben getreten. Und dann schoss er unsere Nation an die WM 2006. Unvergessen sein Jubel. Noch unvergessener die Medien und die pfeiffenden Natifans, welche Streller zum absoluten Sündenbock für die Orgie verschossener Penaltys im Achtelfinale gegen die Ukraine machten. Der Anfang vom Ende seiner Karriere in Rotweiss. Er hielt seine Beine noch eine Weile für sein Land hin und schaffte es in 37 Länderspielen auf 12 Tore. Als Vergleich, der (zurecht) hochgejubelte Stéphane Chapuisat brachte es auf 21 Länderspieltore, benötigte jedoch 103 Spiele dafür. So ein schlechter Vertreter unseres Landes war Streller also nicht. Im Sommer 2007 folgte die Rückkehr von Streller und Huggel zum FC Basel. Und nicht immer war ich glücklich mit unserer Nummer 9. Das letzte Jahr unter Christian Gross war zum Vergessen. Streller wirkte stets ausser Form und der spritzige Eren Derdiyok versauerte auf der Bank. Das Gross ein System spielen liess, welches Streller damals alles andere als entgegenkam, habe ich irgendwie ignoriert. Streller, damals wollte auch ich

dich auf der Bank sehen. Sorry for that. Der Transfer von Alex Frei war die Geburt des Marco Streller der Neuzeit. Neben Frei, der einen Freistoss auch noch mit Dünnpfiff vom Klo im gegnerischen Kasten versenken konnte, wuchs Streller, nach Franco Costanzos Abgang zum Captain befördert, zum Leader auf. Er legte vor, Frei vollendete. In Basel herrschte fussballerische Freude, welche erst durch die Ankunft von Darth Yakin getrübt wurde. Huggel beendete seine Karriere im Sommer 2012, Frei im Frühling 2013. Und Streller blieb und wie ein alter Wein wurde er besser. Definitiv nicht schneller, aber besser. Und obwohl es den Anschein hatte, als würde er den Geist von Sturmpartner Frei in jedem zweiten Spiel mindestens einmal im gegnerischen Strafraum anspielen wollen, verfiel Streller nicht in in Lethargie, sondern hielt die rotblaue Fahne als Last Man Standing der alten Generation in die Höhe. Egal wieviele Tore Streller geschossen oder Spiele er gewonnen hatte, seine Kritiker existieren immer noch und argumentieren oft mit dem Fakt, dass Streller sich in einer grösseren Liga nie durchgesetzt hat. Stimmt, hat er nicht. Hätte er vielleicht, wer weiss. Er hätte nach Mario Gómez’ Abgang zu den Bayern vielleicht seinen Stammplatz gehabt, viele Tore geschossen und wäre erst einige Jahre später zum Heimclub zurückgekehrt. In Stuttgart würde man sich heute vielleicht noch knapp an ihn erinnern. Doch wie wollte Streller sich selbst sehen? Malcolm Gladwell erwähnte in seinem Buch David und Goliath den Vergleich mit dem grossen Fisch im kleinen Teich und ob es denn nicht besser wäre den kleinen Teich zu verlassen und in einen grösseren Tümpel umzuziehen, jedoch mit der Gefahr in der Masse unterzugehen und nicht wahrgenommen zu werden. Strellers Wechsel in die Heimat machte Sinn. Für ihn, auch für sein sportliches Lebenswerk. Er wird in der Nordwestschweiz nie vergessen werden und seinen Status als Local Hero für den Rest seines Lebens auf sicher haben. Wollen wir das nicht alle irgendwie? Spuren hinterlassen und zu wissen, dass das Geleistete auch weiterhin respektiert und vielleicht auch bewundert wird? Marco Streller, mit ihm tritt nicht nur ein Sportler zurück, sondern für mich selbst ein Vertreter meiner Generation. Er war da, als ich mit der Handelsschule begonnen habe, meine Fahrprüfung bestand, katastrophale Beziehungen einging und beendete. Er begleitete mich durch die ganzen 00er-Jahre. Er spielte in der Zeit, als mein Vater starb. Er tritt zurück. Im Saft, wie er es wollte. Er will sich um die Familie kümmern, welche die ganze Zeit zu kurz kam. Er will mit ihnen durch Amerika reisen, obwohl er Flugangst hat. Streller, noch zwei Spiele, dann bist du weg. Deine Fans werden dich vermissen. Und vielleicht auch die Restschweiz, denn richtige Typen wie du, Urs Fischer, Mats Gren oder Erich Hänzi gibt es nur noch wenige. Doch jetzt freu dich. Auf deine Kinder, auf deine Frau, und darauf, dass du jetzt an der Fasnacht endlich Gas geben darfst. Das hast du dir auch verdient. Schöne Ferien. Du wirst fehlen. Und zwar richtig derb.


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Juni 2015

MAD MAX: FURY ROAD

2. Juni 2015 Dominik Hug Die Mad Max-Trilogie gehört zu den Filmserien, die man(n) im Leben irgendwann einfach gesehen haben muss. Ich war damals etwa 18 Jahre alt und fand die Streifen ganz okay, aber richtig geflasht war ich danach irgendwie nicht. Und doch horchte ich auf, als das Gerücht eines vierten Films aufkam, der ebenfalls von Regisseur George Miller gedreht werden sollte, dem Regisseur der alten Trilogie. Der Trailer war bereits eine üble Wucht. Inhalt: Hitze, Dreck, Öl, Feuer – und nur wenig Wasser. Max Rockatansky (Tom Hardy) lebt im australischen postapokalyptischen Ödland und hilft einer Gruppe

von Überlebenden, angeführt von Imperator Furiosa (Charlize Theron), aus den Fängen von Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) und seinen Schergen zu entkommen und den sicheren Hafen “Green Place” zu finden. Motze ich oft genug über das heutige Kino ab, müsste ich jetzt eigentlich Superlativen der Superlativen erfinden um Mad Max: Fury Road richtig beschreiben zu können. Was für ein geiler Scheiss. Ruhige Intro in die Szenerie? Gibts nicht. Oder höchstens dreissig Sekunden. Dann ist die Kacke für Max bereits am Dampfen. Und nach einem vielleicht zehnminütigen Gefangenenintermezzo in der Hochburg des Gegners befindet sich Max bereits on the Road. Zwar noch nicht in Kontrolle des Geschehens, aber der Film rollt an. Und stoppt erst beim Abspann. Fast wie gutes altes Kino der Siebziger oder Achtziger fühlt sich Mad Max: Fury Road an. Die Story reduziert auf Flucht, die Dialoge minimal, jedoch die Choroegraphie der Action, das Setdesign, die Stunts (du kannst nicht sehen was CGI und was echt ist) und natürlich die grossartige Wasteland-Atmosphäre (obwohl gedreht in Namibia und nicht in Australien) hetzen den Zuschauer förmlich durch den Film. George Miller verstand es hervorragend die gut angestaubte Mad MaxReihe in die heutige Zeit zu transportieren. Dies sieht man alleine schon bei den grossartigen Bildern. Farbgewaltiger hat man wohl noch keine postapokalyp-

tische Welt bewundern können. Zudem, das Artwork, die Kostüme, die Masken, die Wagen, ich habe in letzter Zeit praktisch kein Film mit so einem hohen Production Value gesehen. Remake? Reboot? Prequel? Sequel? Whatever. Anspielungen auf die vorherige Trilogie gibts durch verschiedene Punkte, durch diverse Flashbacks, Gegenstände und namentliche Erwähnungen. Gerne würde ich nun sagen, dass Tom Hardy ein richtig guter neuer Mad Max darstellt und Mel Gibson würdig vertritt. Tut er wohl auch. Doch Max ist obwohl aufgeführter Hauptdarsteller nicht das Zentrum des Films. Der Kern, das ist die Geschichte und Max kommt nur darin vor. Charlize Therons Figur wirkt beinahe gewichtiger und Max hat eher eine unterstützenden Rolle intus. Dies ist jedoch keine negative Wertung. So ist die Story nun mal gestrickt. Die Figuren wirken alle sehr eigen und stellenweise war ich überrascht ob den Wendungen, welche die eine oder andere Figur im Verlaufe der Laufzeit dann genommen hat. Fazit: Mad Max: Fury Road soll der Start einer neuen Trilogie darstellen und es wird verdammt schwer für George Miller dieses Teil noch zu toppen. Dieser Film beweist, dass die grosse Kinoleinwand eben doch noch ihre Lebensberechtigung hat. Einer der geilsten Filme dieses Jahrzehnts. Check it out – aber auf Grossleinwand und mit ganz viel Lärm.

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TSCH-TSCH MAL PI! DIE MIT VIEL NAPALM ZUBEREITETE TOP5 DER HEISSESTEN GRILL-PICS IM NETTEN SOMMERNETZ

ICH IM AERIAL YOGA 4. Juni 2015 Midi Gottet Auf der Suche nach meiner ersten Aerial Yoga-Erfahrung, irrte ich verdattert durch die Räumlichkeiten von „Bambus Yoga Pilates“ in Uster. Prompt platzte ich ins Senioren Yoga und versaute den rüstigen Rentnern wohl gerade ihre wohlverdiente Savasana – oder gar den Lebensabend. Mit einem Oh-sorryGesicht schlich ich mich rückwärtslaufend aus der Tür. Eine Etage tiefer war ich dann richtig. Die Kursleiterin Esther Seitz begrüsste mich herzlich und verwies mich auf einen Platz in der Mitte des Raumes, den sie extra für mich reserviert hatte. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen“, flüsterte ich vor mich hin und lächelte beschämt in die Runde. Das Champions League Halbfinalspiel Barcelona – Bayern hatte die Teilnehmerzahl der Männer wohl deutlich dezimiert an diesem Abend. Sprich, ich war der einzige Mann hier. Als hätte der Storch sie gerade gebracht, sassen die Frauen schon alle in ihren Tüchern, welche an der Zimmerdecke befestigt waren. Sie beobachteten mich, wie ich meine Haare zu einem Hipster-Dutt zusammenband. Ich erhoffte mir dadurch etwas mehr Zugang zu meiner weiblichen Seite und mehr Durchblick, falls ich kopfüber von der Decke hängen sollte. Pedro Almodovar hätte diese Szene nicht besser inszenieren können. Dem allgemeinen Dresscode Yogapants und Sport-Top trotzte ich mit FCZ-Shorts und T-Shirt. Ha…! Esther forderte mich auf in mein Tuch zu sitzen. Das war gar nicht so einfach, denn das Ding hing etwas höher als meine Hüften. Nach einer kleinen zirkusclownreifen Nummer, sass ich mit zusammengepressten Beinen im Tuch und fühlte mich unbeschreiblich weiblich. Esther führte uns zielsicher in die erste Position. Das linke Bein ging nach hinten und wir sassen seitlich wie in einer Banane, wickelten wiederum unsere Beine ein und fächerten das Tuch in der Schultergegend auf. Das brachte uns in

einen schwebenden Schneidersitz. Rund herum das grüne Tuch, wie in einem Kokon. Während ich ganz eingehüllt in der Luft pendelte, überkam mich plötzlich ein Gefühl des Friedens. Wow, das ging aber schnell hier. Achtung, fertig, Geborgenheit. So muss sich wohl ein Embryo im Mutterleib fühlen. Alleine schon dieser Moment war es wert ins pittoreske Uster zu pilgern. In den folgenden Übungen wähnte ich mich in einer Vorführung des Cirque de Soleil. Ähnlich wie bei einer Betriebsanleitung von IKEA, war es zwingend, dass man alles Schritt für Schritt genau befolgte, was Esther vorzeigte. Bei einem Griff ins Leere, würde man sich im Aerial Yoga schnell auf dem Boden der Tatsachen wiederfinden. Also war auch stets eine Portion Mut gefragt. Doch, machte man alles richtig, schwebte man auf einer Wolke dem Himmel entgegen. Ich weiss gar nicht mehr, wie viele Male ich mich ein- und auswickelte, Luftpurzelbäume schlug oder gegrätscht und

kopfüber in der Gegend hing, doch es fühlte sich immer prickelnd an – und die Aussicht im Spiegel erweiterte definitiv meinen Horizont. Vereinzelt jedoch, trieb der Anblick der Positionen, in denen wir verharrten sogar einem erfahrenen Mann wie mir die Schamesröte in die Birne. Aber can you say Luxusprobleme, wenn du wie Batman upside down im siebten Himmel hängst? Eben. Esther erörterte uns die Übungen mit einer Selbstverständlichkeit, dass ich gar nicht daran zweifelte, ob sie funktionieren oder nicht. Ich vertraute ihr auch beim Mogli-Sitz, bei dem man längs auf dem zusammengerollten Tuch, wie auf einem Seil sitzt und so in die Entspannung geht. Dass ich dabei nicht runtergefallen bin, verstehe ich heute noch nicht. Slackline-Crash-Kurs lässt grüssen. Die grösste Herausforderung stellte für mich jedoch die Figur „Superman“ dar. Da stellt man ein Bein angewinkelt ins Tuch, löst das noch verbleibende Standbein und pendelt dann in der Superman-Pose vor und zurück. Da muss man lernen loszulassen. Aber vor allem muss man mit männlicher Anatomie darüber entscheiden, ob man die werte Gerätschaft mit ins Tuch nimmt oder draussen lässt, bevor man volle Kanne den Superman gibt. Meine weibliche Intuition sagte mir „draussen“, und siehe da, sie hatte recht. Can you say FiftyFifty-Chance? Nach einem schönen Schlussbouquet aus viel Anspannung, gingen wir, jeder in seinem privaten Kokon, in die Savasana und pendelten uns in Richtung Nirwana. Selig hing ich da, rechnete jedoch jederzeit damit, dass ein verirrter Rentner reinplatzt. Can you say KarmaStrike-Back? Vielen Dank Esther für die freundliche Einladung. Es war nicht nur himmlisch, sondern auch das perfekte Warm-up fürs Sofaflätzen, während dem anschliessenden Champions-League Halbfinal. Ole Ole Namaste.

27. Mai 2015 Midi Gottet. Und ja, das letzte Bild zeigt, weshalb der Migros Ende Jahr jeweils 25’000 Poschtiwägeli fehlen.


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Juni 2015

BÜROTYPEN, DIE MAN IN JEDER FIRMA FINDET TEIL 11 8. Juni 2015 Dominik Hug Die Hexe Das Böse steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ihr Lachen hört sich an wie ein Krächzen und sie verbreitet ein Geruch von Gewürz und Wurzel. Du fühlst dich in ihrer Gegenwart automatisch sehr unwohl und du kannst in ihren Augen sehen, wie sie bereits plant dich in ihre Hütte zu locken und dein totes Fleisch auf den Grill zu hauen. Wir empfehlen einen grossen Bogen um Hexen zu machen. Der Kontrollfreak Sie kontrolliert deine Arbeitszeiten stets genau. Sie weiss, wo du deine Mittagspause verbringst. In ihrer Freizeit überwacht sie gerne deine Aktivitäten auf Xing oder Linkedin. Und sie taucht ebenso gerne bei dir im Büro auf, grundlos, einfach nur um zu schauen, ob du auch wirklich

brav an deinem Schreibtisch sitzt und nicht draussen auf dem Spielplatz am Schaukeln bist. Und irgendwoher weiss sie auch genau welche Unterwäsche du trägst. Kontrollfreaks sind sehr beängstigende Menschen, die dereinst sehr einsam von dieser Welt scheiden werden. Der Last Minute-Man Seine Inputs folgen in der Regel dreissig Sekunden vor dem wichtigen Meeting mit dem Führungsstab. Er weiss regelmässig erst um 11:59 ob er Zeit fürs Mittagessen hat und die Bekanntgabe seiner Ferien erfolgt einen Tag vor seinem Abflug nach Malle. Man würde meinen, er würde dereinst noch den Sensenmann verpassen, aber auch ihn wird er noch in der letzen Minute erreichen. Die heisse Luft “Die Präsentation zu Modellierung XYZ lasse ich dir noch heute abend zukom-

men”, “Ich brauche ab drittem Quartal deine Unterstützung bei Projekt ABC” oder “Ich werde mich für deine Beförderung / Gehaltserhöhung einsetzen”. Die heisse Luft redet viel, verspricht noch mehr, hält jedoch nichts von alledem. Er will Hoffnung verbreiten, ist aber (vielleicht) unbewusst ein verlogenes Arsch. Mit der heissen Luft zu arbeiten kann ein Downer für das eigene Wohlbefinden sein. Das Parfüm Du weisst bereits beim Eintreten ins Grossraumbüro, dass das Parfüm bereits anwesend ist. Der prägende Geschmack des klassischen Chanel No. 5 hängt in der

WAS VOM ROCK’N’ROLL ÜBRIGGEBLIEBEN IST 8. Juni 2015 Pete Stiefel Ich war ja nicht am AC/DC Konzert am Freitagabend. Aber was ich davon nicht gehört habe, war jetzt nicht gerade das Gelbe vom Ei. Nicht MEHR das Gelbe vom Ei. Aber heute gibts ja ohnehin bloss noch weichgespühlten Kuschelrock. Zumindest in der Nähe der Konzertleichtathletikfussballmultifunktionsarena war ich, als am Freitag die Rocklegenden von AC/DC aufspielten. Das Quartier abgesperrt, wie wenn sich die Fans der Hüben- und Drüben-Fussballteams auf die Rüben geben, weil ihr Team verloren hat. Oder weil es gewonnen hat. Oder weils bloss ein Unentschieden gab. Oder weil sie einfach jemanden verprügeln wollen. Wie man halt dann und wann einfach Lust hat, jemanden zu verprügeln. Jetzt gings aber ruhig und gesittet zu und her hier. Keine Randale, keine lauten Stimmen, das Publikum sauber kanalisiert und zu ihrem Sektor gepfercht – gerade so, wie wenn der Zirkus mit seinen exotischen Tieren einmal im Jahr in die Stadt kommt und der Dompteur seine Viecher artengetrennt in ihre Gatter treibt. Moment… WER spielt nochmals ein Konzert heute? Die Zillertaler Schürzenjäger? Nein. Selbst da wäre die Masse aufgebrachter. Zumindest der weibliche Teil davon. Der AC/DC Fan reist zwar ebenfalls im FanT-Shirt gekleidet im Fan-Bus an, den sein lokaler Fan-Club organisiert hat – aber der durchschnittliche Rock-Fan hat seine wilden Zeiten hinter sich. Er bringt seine Kinder mit zum Konzert, vielleicht sogar seine Kindeskinder, um ihnen zu zeigen, wie es damals war. So gut das mit einer Dezibel-Beschränkung und einem temporär aufgehobenen Pyro-Stadionverbot halt geht. Immerhin: Die Riffs, die der Gitarrist auf seiner Klampfe rauf und runterjault, die Beats, die der Schlagzeuger auf seine Trommelfelle eindrescht und die Lyrics, die der Sänger in die gemässigt-wilde Meute rausschreit (beim AC/ DC Sänger darf man von Schreien reden, da muss man nicht Singen sagen), sind noch die selben wie damals. Damals, als Rock noch nach gekotztem Whisky und im Kreis herumgereichten Mädchen roch. Damals, als ich als 5-Jähriger ein AC/DC Konzert auf dem Balkon meines Elternhauses mithören konnte, 20km Luftlinie vom geschlossenen (!) Hallenstadion entfernt. Freitag war ich ebenfalls Mithörer, ebenfalls auf einem Balkon, aber le-

diglich 200m vom Stadion entfernt. Mit Steaks vom Grill und Bier aus der Badewanne. Rock’n’Roll für Daheimgebliebene, jene, die den Trubel nicht mehr jedes Wochenende suchen. Wobei der AC/DC-Trubel ja mehr ein Volksfest mit Zuckerwatte, Bratwurst, Magenbrot und Feuerwerk, ohne Riesenrad war. Wie man das als Aussenstehender beurteilen konnte, der ja wie gesagt nicht mitten in diesem Hexenkessel stand, verschwitztes Fan-T-Shirt an verschwitztem Fan-T-Shirt. Die Steaks schmeckten vorzüglich, das eisgekühlte Bier ebenfalls. Bloss: Von der Rockmusik hörten wir, entgegen unserer freudigen Erwartung, nicht allzu viel. Aber man darf halt heutzutage nicht mehr so doll, in Rücksicht auf den Nachbarn. Nichts mehr. Nie mehr. Jedenfalls nicht so lange, wie die Empfindlichen noch an der Macht sind. Die Altrocker und -hippies, die von allem genug hatten, damals, als man noch alles durfte, so viel man wollte, so lange man konnte. Sogar LSD. Deshalb sind sie, wohl noch leicht verkatert, der Ansicht, dass es das heute nicht mehr braucht. Dass man den Rockern in den Backstage auch besser Rivella stellen möge. Und Gemüsedipp. Und eine Kartonschachtel mit Ohrstöpseln. Und dass man ihnen mitteile, dass die Füsse nicht auf den Tisch gehörten, und dass sie die Toiletten doch bitte so hinterlassen sollen, wie sie sie aufgefunden hätten. Ihr Nachfolger würde es ihnen verdanken. Wie, frage ich, WIE UMS HÖLLENHERRTEUFELSWILLEN soll da noch Rock stattfinden??? Das Konzert war dann auch zuende, als der Himmel noch hell war. Kurz nach dem obligaten Schlussfeuerwerk, mit welchem man üblicherweise einen Höhepunkt manifestiert. Die Einsatztrams standen bereits in Reih und Glied bereit,

MUSS MAN HABEN: EIN HUHN IM KORB

damit das adrenalingeschwängerte Publikum bequem in Richtung ihrer Zieldestination abreisen konnte, kaum waren die Schleusen geöffnet. Da spühlte es sie dann aus den Toren, ein Meer von rot blinkenden Teufelshörnli, die es offenbar an Souvenirständen zu kaufen gab. Ein herziges Bild, das eine Menschenmenge so abgibt. An Halloween im Europapark. Aber nach einem fucking Rockkonzert?! Wird da nicht Inventar zu Kleinholz geschlagen und Mobiliar zum Hotelfenster rausgeworfen? Wird da nicht bis zur Besinnungslosigkeit gekokst und im Vollrausch der Glastisch zerschlagen? Mit dem Körper eines zugedröhnten, willenlosen Groupies? Nein, da kauft man sich heutzutags nochmals einen Essensbon am Ausgabestand und steht dann nochmals für eine Bratwurst an und holt sich am Stand daneben nochmals einen Becher im Durchlaufkühler eilig erkalteten Bieres. Möglicherweise. Im Backstage die selbe Verköstigung. Möglicherweise. Eventuell auch etwas Veganes. Die vor entzückter Erregung noch immer geröteten Gesichter bewegten sich von Ordnungshütern kanalisiert in ihre Heimathimmelsrichtungen. Sie haben mein Lieblingslied gespielt! Hach! Ein Tag, so wunderschön wie heute… Hoffentlich erlebe ich nochmals ein AC/DC Konzert, hoffentlich leben die noch so lange, hoffentlich ich. Beim Eindunkeln waren sie verschwunden, die einen von ihnen möglicherweise schon glückseelig im Bett. Die Weithergereisten noch unterwegs, im Fan-Bus oder im Fan-Zug. Übrig blieben Bierbecher, leer, halbleer, voll, zurückgelassen. Der reinigenden Regen ankündigende Sommerwind blies Staub durch die Gassen und Bratwurstkartonteller mit Senfresten, nun wertlos gewordene Konzerttickets, Dreck. Es setzte der Regen ein, begleitet von Wetterleuchten. Zeit, auch unseren Grillabend in 200m Distanz zu DEM Rockkonzert des Sommers für beendet zu erklären. Dann, ich lag nun bereits selber schon im heimischen Bett: Ein Blitz! Ein krachender Donner unmittelbar hinterher! THUNDER! Ein Zeichen! Ich kann jetzt erleichtert einschlafen. Der Rock’n’Roll lebt. Er ist halt einfach ein bisschen ruhiger geworden. Wie wir alle. THUNDERSTRUCK SONGTEXT Der Songtext “Thunderstruck” von “AC/ DC” darf leider aufgrund von lizenzrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.

29. Mai 2015 Reinhold Weber. Der letzte Schrei: Vogelnest inkl. 9 Eiern und 1 Huhn (Verkaufspreis auf Anfrage). Legen Sie mal Probe. Jetzt bei Ihrem Designmöbelhändler.

TODESZUG NACH YUMA

2. März 2015 Dominik Hug Alle Jahre wieder taucht ein neuer Western auf. Und alle Jahre wieder wird das Western-Genre aufs neue abgeschrieben. Dementsprechend erwartete ich von “Todeszug nach Yuma” auch nichts Weltbewegendes. Aber Christian Bale und Russell Crowe in der Hauptrolle, das kann eigentlich schon was werden. Inhalt: Der Bürgerkriegsinvalide Dan Evans (Christian Bale) hält sich und seine Familie mehr schlecht als recht auf einer öden Ranch in Arizona über Wasser. Mit seinen beiden Söhnen wird er Zeuge eines brutalen Postkutschenüberfalls des berüchtigten Outlaw Ben Wade (Russell Crowe) und seiner Bande. Der hartgesottene Kopfgeldjäger Byron McElroy (Peter Fonda) ist der einzige Überlebende, den Evans mit einem Bauchschuss zum Arzt in Brisbee bringt. Auch Wade ist dort und kann zu einer unvorsichtigen Minute gefasst werden. Sofort muss eine Eskorte zur Bahnhofstation in Contention aufgestellt werden. Von dort fährt der Zug zum Staatsgefängnis nach Yuma wöchentlich um Punkt 3 Uhr 10 ab. Um zu beweisen, dass er kein Versager ist, lässt sich Dan auf einen gefährlichen Deal ein: Für 200 Dollar soll er gemeinsam mit einer Handvoll Männer den Gangster

zur Bahnstation bringen. Doch Wades fanatische Komplizen lassen nichts unversucht, um ihren Anführer zu befreien. Die Uhr tickt. Bale vs. Crowe. Das verspricht doch schon einiges. War vor einigen Jahr schon der Brosnan vs. Neeson-Western Seraphim Falls ganz ordentlich, konnte “Yuma” nun noch eins draufsetzen. Der erfahrene Regisseur James Mangold setzte das Geschehen perfekt um und inszenierte einen Actionwestern, der es wirklich in sich hat. Christian Bale spielte wie immer extrem engagiert und überzeugend. Jedoch, wie so oft ist der Part des Bösewichts der gewichtigere Charakter. Crowe spielt seine Figur Ben Wade mit einer Mischung aus Charme, Boshaftigkeit und Coolness. Einfach geil, was Crowe hier zelebriert hat. Von den Nebendarstellern blieb auch keiner wirklich blass. Exterm überzeugt hat jedoch Ben Foster als Wades psychopathischer Stellvertreter. Ganz toll, was dieser Darsteller hier gezeigt hat. Ebenfalls klug besetzt war die Rolle des Byron, gespielt von Peter Fonda, dem Sohn der Western-Legende Henry Fonda. Der Film lebt total von der Interaktion der beiden Hauptdarsteller. Bale und Crowe beim Schauspiel zuzuschauen, erinnert an ein grossartiges Tennismatch. Zwei Spieler, die sich die Bälle perfekt zuspielen und so ein unglaublich spannendes Match dem Zuschauer auf den Bildschirm zaubern. Als Highlight des Films kann man ganz klar die letzte halbe Stunde betrachten. Ein Showdown, der an Spannung kaum zu überbieten ist, lässt den kurzen Hänger im Mittelteil locker vergessen. Grandios, wie Mangold die Darsteller die paar hundert Meter vom Hotelzimmer zum Bahnhof spurten lässt, einfach unglaublich, wie spannungsgeladen man hier vor der Flimmerkiste sitzt. Und das Ende hat es einfach in sich. Fazit: Ein rasanter Western der Neuzeit, der zu Unrecht wohl von den meisten Lesern noch nicht gesehen wurde.


Live at Montreux

Tobey Lucas & Band Sonntag, 5. Juli 2015

foto: www.amandanikolic.com. www.tobeylucas.com

22.30 Uhr, Music in the Park


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Juni 2015

INTERVIEW MIT VIDEO VIXEN PAMELA ALEXANDRA 13. Mai 2015 Jelena Keller Pamela Alexandra wuchs in Embrach auf, machte eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau, arbeitete tagsüber im Büro und machte abends den Bachelor in Betriebswirtschaft. Die 26-jährige halb Schweizerin, halb Brasilianerin führte ein stinknormales, bünzliges Leben, wie sie selbst sagt. Bis sie eines Morgens aufwachte und sah, dass sie in den USA durch einen Zufall über Nacht berühmt geworden war. Plötzlich hatte das Kleinstadtmädchen 25.000 Follower (heute sind es 68.000) auf Ihrem Instagram Account. Von da an veränderte sich ihr Leben. Sie wurde Fotomodell, spielte etwa in Videos von Lil Wayne, T.I., Rick Ross, French Montana und Iggy Azalea mit. Pamela ist gebildet und sexy, ohne den gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen. Sie widerlegt alle Klischees, die es über Hip Hop Models gibt.

nicht pornografisch sind. Seither ist sie begeistert. Wie läuft so ein Videodreh ab? Das Schönste ist, dass man den ganzen Tag umsorgt wird. Man wird geschminkt, frisiert, kriegt ständig zu essen und zu trinken. Man glaubt es nicht, aber es ist alles bis aufs kleinste Detail durchorganisiert. Die Rapper sind professionell und wissen genau, wann sie wo zu sein haben. Sonst verlieren sie Zeit und Geld. Als Model stehst du da einfach rum, tanzt ein bisschen und kriegst danach gutes Geld. Eigentlich ziemlich unspektakulär. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Orgien, gar nichts. Keine unmoralischen Angebote? Nein. Wirklich nicht. Ich wurde nicht im geringsten abschätzig behandelt. Es kommt halt immer darauf an, wie du dich präsentierst. Ausserdem ist es in den USA so was von leicht an Sex mit schönen Frauen zu kommen. Die müssen nicht zwingend mich rumkriegen.

Pamela, erzähl mir doch mal, wie du zum Modeln kamst. Ich bin von Natur aus eigentlich sehr scheu. Deshalb hatte ich lange kein Facebook, kein Instagram, gar nichts. Als ich dann 2012 meinen Instagram Account eröffnete, lud ich ein paar sexy Bilder hoch. Irgendwann wachte ich eines morgens auf und checkte meinen Account, der fast explodierte. Leute aus ganz Amerika fingen an meine Bilder zu kommentieren. Man dachte ich sei die Tochter von Brett Favre, einem ehemaligen AmericanFootballspieler. Irgendwann schalteten sich die grossen Blogs wie Bossip, In Flex we trust und MediaTakeOut ein. Ich war völlig überrumpelt. Ich habe alles richtig gestellt und der Hype hat sich gelegt. Auf einmal hatte ich eine Anfrage von Worldstar Hip Hop im Postfach. Sie wollten mich für ein erotisches Video buchen.

Das stimmt. Ich muss sagen, ich hatte in den Staaten auch nie Probleme mit aufdringlichen Männern. Im Gegenteil. Sie waren immer äusserst höflich und zuvorkommend. Auch im Ghetto von Oakland. Ja. Hab ich auch so erlebt. Wenn du einen Drink willst, schön, wenn du danach nichts mehr von mir willst, auch schön. Er wünscht dir eine schönen Abend und zieht weiter. Viele Mädchen beneiden dich jetzt, weil du in die Nähe dieser Hip Hop Stars gekommen bist.

Was hast du gedacht, als man dir das Angebot machte in einem erotischen Video mitzuwirken? Zuerst war ich sehr verunsichert. Ich war nie eine, die sich ausziehen wollte. Nach Gesprächen mit Freunden, die meinten, ich solle meine Chance nutzen, etwas mit meinem Aussehen zu erreichen, fand ich die Idee schon annehmbarer. Es gibt Millionen von Mädchen, die so Geld verdienen möchten und trotz aller Bemühungen, wie Schönheits-OP’s etc. nicht an solche Angebote kommen. Ich sah diese Möglichkeit als eine Türe zu etwas Grösserem. Wieso sollte ich mein Aussehen nicht nutzen, wenn es mich im Leben weiterbringen könnte? Ich sah das ganze als Marketing-Aktion. Was wolltest du mit diesem Schritt genau erreichen? Weisst du, ich sitze seit ich 15 Jahre alt war in Büros. Ich bin sehr zwar strukturiert und organisiert, aber irgendwann, nach 10 Jahren Bürojobs, denkst du, es könnte noch etwas anderes geben dort Draussen. Dass mir viele Follower und Aufmerksamkeit wahrscheinlich weiterhelfen bei meinem Traum, irgendwann meine eigene Kleiderkollektion zu haben. Und es war so. Ich lernte Leute kennen, die Leute kannten, die mir jetzt weiterhelfen bei der Realisation dieser Idee. Oftmals liess ich mich aber auch von meiner Neugier leiten. Das Schlimmste wäre für mich alt zu werden und auf ein monotones Leben zurückblicken zu müssen. Wie hast du dich beim ersten Shooting gefühlt? Extrem unwohl. Ich hatte es mit Fotografen zu tun, die es gewohnt sind Stripperinnen und Pornodarstellerinnen abzulichten. Ich hatte dieses abgebrühte, stark übersexualisierte Auftreten nicht. Ich konnte ihnen nicht geben was sie

wollten. Damit mussten sie sich abfinden. Ich will und wollte mich nie verstellen, nur um einem bestimmten Image zu entsprechen. Ich glaube aber, das ist genau das, was deinen Erfolg ausmacht. Deine Natürlichkeit, dein süsses Lächeln, deine unschuldige und doch aufreizende Art. Du hast Kurven, bist aber erfrischend anders. Kein Pornoblick, keine aufgesetzte Erotik. Ich weiss es nicht, wieso mich die Leute genau gut finden. Aber ich bin dankbar für die Möglichkeiten und die Abwechslung zu meinem Alltag. Würdest du sagen, dass du gerne als Sexobjekt angesehen wirst, wenn du dadurch deine Ziele verfolgen kannst? Ja. Aber Ich habe aber ganz klar meine Grenzen. Schöne, ästhetische Fotos sind in Ordnung, billige Erotik nicht. My way or no way. Ich muss nicht wie alle anderen sein, um etwas zu erreichen und trotzdem kann ich diesen Weg nutzen, um meine eigenen Träume zu verwirklichen. Die Leute denken sowieso in Vorurteilen. Wer sich die Zeit nimmt, hinter meine Kulisse zu sehen und mich kennen zu lernen, sieht, dass ich eben nicht nur das Eine oder das Andere bin.

sein? Jeder träumt doch davon einfach Geld zu verdienen und sich damit etwas aufzubauen, was ihm wirklich Spass macht. Emanzipation ist nicht gleich bieder aussehen und sich dem Druck der Gesellschaft fügen. Emanzipation ist zu wissen was man will und selbstbewusst durchs Leben zu schreiten. Die Weiblichkeit zu nutzen und einzusetzen wie man möchte. Man muss die Schnellebigkeit der heutigen Welt ausnutzen. Es geht wohl auch darum, seine Sexualität und verschiedene Facetten an sich zu entdecken, auszuprobieren, zu provozieren. Genau. Ich möchte nicht nur etwas sein in diesem Leben. Ich kann lustig, sexy, seriös, zielstrebig, sein. Ich will nicht provozieren. Es geht eher darum, dass ich nicht aussehen und handeln mag, wie alle anderen hier. Ich wollte zeigen, dass ich zwar anders aussehe, auch was mein Gewicht betrifft, und trotzdem Spass habe mich sexy anzuziehen. Dass ich stolz durchs Leben laufe.

gen: Hey, seid wie ihr von Natur aus seid, denn so seid ihr am Besten. Ich wünsche mir, dass sich Frauen nicht mehr verbiegen müssen für ein bestimmtes, unrealistisches Schönheitsideal. Wieso denkst du, sind deine Rundungen in den Staaten so gefragt und in Europa nicht? Ich realisiere, dass es auch hier der Trend beginnt in Richtung kurvig zu schwappen. Mit Jennifer Lopez begann das Ganze so ein bisschen, wurde dann mit Nicky Minaj extremer. Auch Europäer wurden irgendwann von den US-Medien beeinflusst. In Brasilien gibt es den Popo-Trend schon lange. Generell kann ich nicht sagen, dass die Hautfarbe über Präferenzen von Körpertypen bestimmt. Ich habe gelesen, dass sich die weiblichen Hormone, also Östrogene Beinfett der Frau befinden. Soll wissenschaftlich erwiesen heissen: Frauen mit einladenden Hüften sind gebärfähiger und stämmigere Beine ergeben gesündere Kinder. Der Trend hat wahrscheinlich auch mit der ganzen Evolutionsgeschichte zu tun.

Wie gehst du mit dem ganzen Online-Hass um?

Warum hast du es nötig dich auszuziehen, wenn du doch auf eine gute Ausbildung zurückgreifen kannst?

Zum Glück kriege ich nicht sehr oft böse Kommentare. Falls doch, schere ich mich wirklich kein bisschen darum. Wenn es mir zu primitiv wird, sperre ich die Person. Ich hab aber keine schlaflosen Nächte wegen solcher Menschen. Egal was ich tue, es wird immer Befürworter und Gegner geben.

Wieder ein Vorurteil. Eben genau weil das Leben viele Facetten hat und ich diese erleben und auskosten möchte. Wer sagt denn, dass dies Gegensätze sein müssen. Wieso kann eine seriöse, gebildete, berufstätige Frau nicht einfach auch sexy

Du machst auch keinen Hehl daraus, dass du Cellulite hast und postest auch mal deine Speckröllchen. Ja. Ich retuschiere meine selbst gemachten Bilder nicht. Ich möchte als Beispiel für andere Frauen voran gehen und sa-

Ja, tönt logisch. Die Proportionen spielen aber auch eine Rolle. Apropos Brasilien. Wie fand deine brasilianische Mutter deine Exkursion in die erotische Welt des Hip Hop? Sie war anfangs absolut dagegen. Sie hat mich extrem konservativ erzogen und entspricht mit ihrer Einstellung überhaupt nicht den gängigen Klischees von Brasilianerinnen. Ich beschloss dann, sie an einen Videodreh von Lil Wayne, Rick Ross, French Montana und Dj Khaled mitzunehmen, um ihr zu zeigen, dass diese Dreharbeiten seriös und überhaupt

Mag sein. Doch für mich ging es in erster Linie darum, Einblick in eine andere Welt zu kriegen. Meiner Neugier zu folgen. Ich spreche die Stars nicht an, ich bin kein Groupie. Wenn du eine Zeit lang in Miami hängst, wie ich es letztes Jahr zehn Monate lang gemacht habe, wird auch diese Umgebung normal. In den Staaten ist ständig jemand Berühmtes irgendwo, hat einen Auftritt oder vergnügt sich. Alles halb so wild. Meinst du nicht auch, dass diese Welt der Stars und Sternchen, das glamouröse Leben, so interessant gar nicht ist, wenn man erst mal dort ist? Ja, das ist so. Man hat eine Vorstellung von etwas Grossem und muss dann feststellen, dass die Realität ganz anders aussieht. Drum möchte ich mich jetzt lieber wieder anderen Bereichen des Lebens widmen. Das Modeln steht nicht mehr so sehr im Fokus. Ich bringe bald eine Kleiderkollektion heraus. Qualitative Mode, nicht made in China (lacht)! Mode, die sexy ist aber trotzdem niveauvoll und elegant. Hattest du nie Angst, dass du keinen Job mehr kriegst in der Bankenwelt, weil du privat freizügig warst? Das war bis anhin nie ein Thema. Ich bin bei der Arbeit eine andere Person, als die in den sozialen Medien. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Man sollte mich nicht abstempeln, ohne meine Qualitäten zu kennen wie zum Beispiel Fremdsprachenkenntnisse, gute Erziehung, Bildung. Wie sieht die Zukunft aus? Arbeiten, Ferien, Leben. Vielleicht Master. Bald Kleiderkollektion. Lasst euch überraschen! (lacht) Pamela Alexandra auf Instagram: instagram. com/pamelaalexandra


OPENAIR ZUM USSCHNIIDE Din Filmriss

D‘Bühn i. (Origin algrös si, wie du sie dur blöde dis Handy g will al les fil sehsch, me mue sch.)

e budget Dis verblieben itt. itr em ch na

D‘WC-Situation

S‘fucking Wätter.

tion g-situa D‘Campin t, Überzüg . Müed. isch.) e b f f t o l ä s Du. (b vo dim z i h c ö n dass ide

vier Liter bier und zwölf früehligsrolle.

Schlamm

(oder scheisse. wer weiss das scho am openair.)

t. Dis zäl

band blings Dini Lie hät it e s wo abg Dini n zält- eue homie s.

Dis handy na ch 2 stund openair, wil l du tubel alles häsc h müesse fi lme.

Dini f ründ wod e, nac verl h 10 minu ore h t äsch e .

facebook.com/zukkihund


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