Kult August 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. August 2015.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

Aus unserer Sommer-Serie «Zürcher Vollpfosten» Heute: Werdplatz-Pfosten

13. August 2015 Pete Stiefel Dieses Mail wurde aus dem “Züri Kontakt” Formular gesendet. Empfänger: Infoline Tiefbau- und Entsorgungsamt, Zürich. Betreff: Pfosten auf dem Werdplatz Mitteilung: Sehr geehrte Damen und Herren Vor einer Weile (ich weiss nicht genau, wann das passiert ist, den frischen Pflastersteinen nach zu urteilen dürfte dieses Vorhaben allerdings noch nicht

all zu lange zurückliegen) wurden auf der Platzmitte des Werdplatzes in Zürich zwei Pfosten einbetoniert. Sie wären mir möglicherweise bis heute nicht aufgefallen, hätte ich nicht unterdessen zweimal schmerzhaften Kontakt mit jeweils einem von ihnen gehabt: Einmal beim Zeitunglesen (ich bin mir bewusst, dass dies fahrlässig von mir war), einmal einfach so. Das Resultat waren jeweils länger andauernde Unterleibsschmerzen, was recht unangenehm ist. Nun möchte ich Sie gerne anfragen, welchen Zweck diese beiden Pfosten haben. Ein Bekannter

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: JIM BEAM.

von mir, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, meinte, dass man da spielend mit einem LKW vorbeifahren könne. Er kennt sich diesbezüglich gut aus, da er ein Transportunternehmen besitzt. Als er letztes Wochenende mit einem Lastwagen für einen Transport in Zürich war, haben wir das dann auch ausprobiert, und siehe da: Es war genügend Platz. Herr Giezendanner hat dann zwar beim Zurücksetzen einige Gartensitzmöbel des anliegenden Restaurants beschädigt, aber wir haben diese anschliessend fachgerecht entsorgt.

Nun noch einmal meine Frage: Welchen Zweck haben diese beiden Pfosten, oder könnten sie zur allgemeinen Sicherheit (u.a. der Fussgänger) wieder entfernt werden? Gerne erwarte ich diesbezüglich Ihre Antwort. Hochachtungsvoll P. Stiefel Antwort: Stadt Zürich Besten Dank für Ihre Mitteilung. Die Mitteilung wurde erfolgreich versendet. Anm. d. Red: Fortsetzung folgt.

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

28. Februar 2014 Reinhold Weber Genau so ist es. Irgendwann kommen wir alle zurück zu den Basics, essen Cervelatsalat, tragen Halbschuhe, schauen den “Samschtigsjass”, lesen den “Nebelspalter”, gehen ein Mal im Monat zum Dorfcoiffeur, sonntags brav in die Kirche und betrinken uns jeden Abend mit Jim Beam, damit wir nach all der Aufregung besser einschlafen können.

5. Novmber 2015 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum bringen wirs hier mal.

Gesinnungsfaschismus Ja, Rassismus hat selten etwas Gutes hervorgebracht. Und Worte wie „Scheissnigger“ oder „Zigeunerhure“ oder solches Zeugs klingen auch in meinen Ohren nicht wie ein Menuett. Und Leute, die diese oder noch dümmere Ausdrücke in ihrem Alltagsvokabular führen halte ich auch nicht für sehr ausgeglichen. Es zeugt weder von guter Erziehung noch von zivilisiertem Verhalten. Es nervt. Es deckt sich so überhaupt nicht mit meinem Weltbild. Wie es grundsätzlich nicht meinem Weltbild entspricht, andere wegen ihrer Andersartigkeit zu beleidigen oder masszuregeln. Entweder ich lasse mich von ihnen inspirieren oder ich gehe weiter. Ich muss mich aber auch nicht umsverrecken mit jedem solidarisieren, der anders ist als ich. Auch nicht, wenn es grad angesagt ist. Ich war nicht Charlie und ich hatte keinen Regenbogen über meinem Profilbild. Ich gehöre auch nicht zu denen, die in vollster intellektueller Verschrobenheit Texte gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verfasse, weil ich damit von jenen Leuten, die es angehen würde, sowieso nicht verstanden würde. Ich mag solche Texte auch nicht mehr lesen, weil ich nicht Zielpublikum dieser Empörungen bin, so wie die allermeisten, die solche Texte zu Gesicht bekommen. Mehr noch: Sie langweilen mich langsam. Sie sind am Ende doch nichts weiteres als ein Profilierungsmittel: „Schaut mal, ich bin gegen Rassisten, bin ich nicht toll?“ Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen, es geht mir nicht um Verharmlosung oder ähnliches. Ich mag einfach nicht in jenen Chor einstimmen, der sich nun je länger je mehr zu einem Gesinnungsfaschismus auf der anderen Seite entwickelt. Gesinnung ist nicht strafbar. So hässlich sie auch ist. Wenn aus einer Gesinnung Straftaten entstehen, dann ist das was anderes. Dann gehören diese Straftaten verfolgt und gesühnt. Gesinnung verfolgen dagegen ist gefährlich. Das war in Nazideutschland so und das war nach der französischen Revolution nicht anders. Wir sollten also einfach ein bisschen lockerer werden und uns um die Probleme kümmern, die anstehen. Und aufmerksam bleiben. Damit wir nicht vor lauter nach rechts schauen plötzlich links in den Hammer laufen. Und umgekehrt. Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer KuhnAutoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Jelena Keller, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund. Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.

Nächster Halt: Zuckerberg. www.facebook.com/zuerilinie


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5 ZÜRCHER FOOD-LÄDELI DIE SICH WIRKLICH AUSKENNEN

31. Juli 2015 Alex Flach Der Coop wirbt für seine Pseudoregionalität (Miini Region) mit dem Spruch „Honig von den Bienen die mich gestochen haben“ und vergisst dabei, dass Bienen nach dem Stich sterben und dann nur noch unter erschwerten Bedingungen Honig produzieren können… Hier sind fünf Zürcher Kostanbieter, die sich tatsächlich mit ihren Produkten und Exquisitem auskennen. Chäs und Brot, Morgental Wollishofen (Käse und mehr) Stefan Güntensperger und sein Team lieben ihren Job. Das sieht man seinem Chäs und Brot-Sortiment auch an: Alles zwar sehr übersichtlich, aber halt auch von höchster Qualität. Nicht nur der Käse (wobei der natürlich das Flagschiff ist): Bisweilen gibt’s da eine Bündner Nusstorte aus privater Fertigung, für die selbst auf Rumantsch keine genügenden Superlative existieren. www.chaes-und-brot.ch/ Schwarzenbach, Oberdorf (Kolonialwaren) Kaffee, Gedörrtes, Tee, Gewürze, Hülsenfrüchte, Honig, Vanille Öl, Essig, Schokolade und, und, und. Und das in 150jähriger Tradition. Es gibt nicht viele Läden, ohne die Zürich wirklich ärmer wäre. Aber das Schwarzenbach zählt definitiv dazu. www.schwarzenbach.ch/

Martha’s Salad, Dienerstrasse (Salat) Eigentlich ist Martha’s Salad gar kein Laden. Es ist ein Delivery. Da Séverine und Sabrina an der Dienerstrasse einen kleinen Salat-Outlet unterhalten, gehört’s trotzdem hier rein: Die besten Salate der Stadt. Klar… unsere subjektive Meinung. Aber wer’s nicht glaubt, soll’s selbst versuchen. Ein bezauberndes Sabrina- oder Séverine-Lächeln gibt’s gratis dazu. marthassalad.ch/ Nishi Japan Shop, Schaffhauserstrasse (Japanische Spezialitäten) Hinter diesem Sortiment steckt unheimlich viel Arbeit, Zeit und Enthusiasmus. Seit 35 Jahren befinden sich die Nishis auf der Jagd nach essbaren, japanischen Fundstücken und haben die beengenden Grenzen von Sushi dabei längst hinter sich gelassen. www.nishishop.ch/ Ziegler Delikatessen, Oerlikon (Metzgerei und mehr) Ziegler spielt gerne mit Worten (Ziegler delikat essen), hat aber auch abseits davon jede Menge Fantasie. Seit mehr als hundert Jahren baut Ziegler auf Fleischerzeugnisse nach traditionellen Hausrezepten, führt aber auch einen wohlsortierten Chäsegge. Bei allem was er tut, setzt Ziegler auf Schweizer Qualität; wer tatsächlich wissen will, was er sich zwischen die Hauer klemmt, der ist hier richtig. www.zieglermetzg.ch/

NICHTS KOMMT NICHT VON NICHTS 28. Juli 2015 Pete Stiefel Einfach mal nichts tun. Das ist leichter gesagt als getan. Und ich meine jetzt nicht einfach ein bisschen nichts, sondern so richtig nichts. Während Yoga und Meditation bin ich schon einige Male in nichts-ähnliche Zustände geführt worden – bei der Meditation allerdings irgendwann einfach eingeschlafen. Und diese Form von Nichtstun zählt ja dann nicht, denn schlafen kann jedes Kind. Vollständig nichts tun, heisst nämlich auch nichts denken. Denn wer während seines Nichtstuns denkt, der denkt die ganze Zeit daran, was er jetzt gerade nicht tut, respektive, was er an Stelle des Nichtstuns tun könnte – oder noch schlimmer: tun müsste. Und das mit dem Denken ist bei mir so eine Sache. Meine Denkmaschine arbeitet unablässig, mehrschichtig und in vielen Dimensionen gleichzeitig. Weil dem so ist, und weil daraus nicht selten ziemlich skurrile Gedankengänge entstehen, hat mich einmal eine äusserst liebenswerte Person gefragt, ob sie vielleicht mein Hirn haben könne, wenn ich tot sei. Das hat mich sehr geehrt, und ich habe sofort zugesagt. Denn üblicherweise macht man sich ja bloss an den direkt nützlichen Extremitäten und Innereien eines Verstorbenen zu schaffen, weil man sich dadurch ein längeres, ein wieder etwas komfortableres, oder überhaupt Leben erhofft. Mein Hirn hingegen wird dannzumal einfach noch eine Weile der Erheiterung dienen. Und der Gedanke daran gefällt mir. Doch zurück zu diesem Nichts. Während meines letzten aktiven Versuches, nichts zu tun (was ja per se ein Widerspruch ist), ist mir (mal wieder) so einiges durch den Kopf gegangen. So habe ich mir überlegt, wieviele Leute es wohl braucht, damit jemand einfach mal nichts tun kann. Nun sind ja Sommerferien eine klassische Periode des sogenannt süssen Nichtstuns. „Sogenannt“ süss, weil viele Menschen in Tat und Wahrheit gar nicht dafür geschaffen sind, sich einer kompletten Untätigkeit hinzugeben. Familien am Strand beispielsweise: Da reden sich zwei Elternteile ein, dass es

SERAPHIM FALLS

3. August 2015 Dominik Hug Was passiert, wenn ein Ex-James Bond auf einen Ex-Jedi-Meister trifft? Inhalt: Fünf Jahre liegt nun der amerikanische Bürgerkrieg zurück und nur langsam beginnt sich das Land von den Strapazen der Vergangenheit zu erholen. Nur ein Mann ist rastlos: Colonel Carver (Liam Neeson). Getrieben von Hass und Vergeltung jagt er seitdem fieberhaft einen

Ex-Offizier namens Gideon (Pierce Brosnan) durch das Land. Mit ihm hat Carver noch eine Rechnung offen, die nur mit dem Tod Gideons zu begleichen ist. Weitab jeglicher Zivilisation, inmitten einer unwirtlichen Wildnis, beginnt für Jäger und Gejagten ein gnadenloser Wettlauf ums nackte Überleben. Seraphim Falls spielte 2006 bei einem Budget von 18 Millionen US-Dollar in den Kinos weltweit gerade einmal etwa ein Drittel seiner Produktionskosten ein. Ein US-Film, spielend in der Pionier-Zeit des Wilden Westens, mit zwei Topstars als Hauptdarsteller, wie kann so etwas nur dermassen an den US-Kinokassen floppen? Wir erleben mit Seraphim Falls keinen Film, der den Wild Wild West der USA als herrliche Zeit der Cowboys und der Freiheit darstellt, sondern der die hässlichen Seiten dieser Zeit betont. Gedreht wurde der Film in 45 Tagen, an diversesten Locations. Schöne Schneelandschaften, Gebirge, Wüste – und all dies wunderbar von Regisseur David von Ancken in Szene gesetzt. Pierce Brosnan spielt grossartig. Die körperbetonte Jagd auf seinen Charakter meistert er hervorragend und das Leiden, welches er psychisch und auch physisch erlebt, nimmt man ihm komplett ab. Auch Liam Neeson macht sein

Ding gut, doch Brosnan fand ich stärker. Wer hier einen Western sucht, den man kurz mal schauen kann und der pausenlos Action bietet, ist hier definitiv fehl am Platz. Der Film beginnt sehr rasant, aber das Tempo drosselt sich dann extrem, was der Geschichte sehr gut tut. Der Zuschauer bleibt auch lange im Dunkeln, was überhaut der Ursprung dieser Menschenjagd ist. Und das Ende entpuppt sich nicht als das befürchtete Hollywoodende. Fazit: Gut bis sehr gut. Könnte vielleicht einen Tick rasanter sein, aber schlicht und einfach ein guter Western mit einem starken Liam Neeson und einem grossartigen Pierce Brosnan.

der innerfamiliären Gemeinschaft ganz bestimmt zuträglich sei, wenn man sich mal für einige Tage ans Meer in den Sand setze. Dass der Nachwuchs dies nicht ganz so romantisch erlebt, lässt sich auch mit Luftmatratzen und Schnorchel nicht wegretouschieren. Mürrisch und gelangweilt nehmen die Kids hin, was unumgänglich ist. Wohlwissentlich, dass sie in 10, vielleicht 15 Jahren „da“ raus sind und nicht mehr mit den Eltern in Urlaub fahren müssen. Nichtwissentlich, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit das Selbe mit ihrem Nachwuchs tun werden. Ich bin erneut abgeschweift. Aber das gehört zu meinen Überlegungen zum Nichts und dem Nichtstun. Was benötigt es also, damit eine komplette Familie während ein bis zwei Wochen nichts, rsp. ganz wenig, völlig Unproduktives tun kann? Es braucht während der Ferienzeit eine ganze Heerschar an fleissigen Leuten, die ihrerseits SEHR VIEL tut, um der Familie die Infrastruktur und die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich so richtig zurücklehnen kann, und da sind all diejenigen, die für die Vorbereitungen und für die Grundvoraussetzungen verantwortlich sind, noch nicht eingerechnet. Kondomhersteller gehören im vorliegenden Beispiel nicht dazu, denn die beiden Erwachsenen sind ja, wie erwähnt, mit ihrem Nachwuchs angereist. Es sind jedoch Erzabbauer, Schmiede, Schraubendreher, Blechbieger, Lackierer, Polsterer, Sound- und viele andere Ingenieure, Elektroniker, Glasgiesser, Händler und Zwischenhändler, Versicherer, Banker und ganz bestimmt auch eine Handvoll Krimineller dafür verantwortlich, dass da ein Auto steht, in welchem Familie X am Tag Y in die Ferien fahren kann. Sie erkennen die Tragweite, werter Leser. Im Urlaub sind es dann gleichwohl Architekten wie Agronomen, Müller wie Brauer, Köche wie Zimmermädchen, Maurer, Strassen-

bauer, Markierungs- und viele andere Maler, Lieferanten, Spezialisten, Sachverständige, Kreditgeber, Handlanger, Servicemonteure, Prüfexpertinnen, Grilleure, Pizzaiolos, Tellerwäscher, Gärtnerinnen, Bademeister, Taucherbrillendesigner, Bäcker und Konditorinnen, Schweinehirte, Schafskäser, Matrosen, Kapitäne, Kioskverkäufer und, und, und, und, UND!!!, die nicht ausschliesslich, jedoch zu einem wesentlichen Teil dazu beitragen, dass diese Familie (und viele mehr) hier in der Hotelanlage, dort am Strand, hier in der Pizzeria, dort im Park sitzen kann – und nichts tun. Natürlich sind die meisten dieser Berufsgattungen nicht bloss dazu da, Feriengästen Ferien zu ermöglichen. Etliche von ihnen zu einem grossen Bestandteil aber schon, vorrangig in den Ferienregionen. Und sie verdienen alle Geld damit, manch einer zu wenig, mancher wohl gerade genug, um sich und seine Familie zu unterhalten. Und dann und wann vielleicht einmal selber irgendwohin zu fahren, wo man sich um sie kümmert. Überlegen Sie sich mal, wenn Sie hier so sitzen – sei es nun selber im Urlaub, bei der Arbeit, beim Nichts- oder vielleicht auch gerade sehr viel tun – was es alles braucht, damit alles ist, wie es ist. Bei mir führt das jeweils zu einer grossen Bewunderung für die und vor den Dingen, wie sie sind, und wie sie funktionieren. Und ich überlege mir dann, wie leicht es als Bettler wäre, einfach einmal nichts zu tun. Einfach nicht betteln, schon bleibt nichts übrig. Das Nichts, das wir längst verlernt haben, es zu spüren, zu erleben, zu besitzen und loszulassen. Dann, just in diesem Moment, werden Sie vielleicht für einen Augenblick nichts tun, nichts denken und dem Nichts begegnen. Sonst beginnen Sie einfach noch einmal von vorne. Bild: Frederick Arthur Bridgman (1847-1928) Dolce Far Niente, Öl auf Leinwand

KORREKTER LEBEN, HEUTE: EINE STADT, DIE HERRLICH NACH KUHMIST DUFTET 31. Juli 2015 Reinhold Weber Vorbildlich, Basel! Wir freuen uns schon jetzt darauf, in eurer City Landluft zu schnuppern, in eurem Joggeli die Stars des FC Basel Kuhfläden umdribbeln zu sehen und unseren Beitrag zur biologischen Korrektheit dadurch zu leisten, indem wir unsere säuberlich geschnittenen Finger- und Zehennägel an einer eurer neuen Bio-Dung-Verrichtungsboxen abgeben. Bebbies – oder besser: Bebbios – ihr könnt auf uns zählen!


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ICH, DER VOLLPFOSTEN-MÖRDER legen aus dem Boulevard-Journalismus. Mir schien der Weg angemessen, der zuständigen Stelle bei der Stadt Zürich ein Express-Kontaktformular zuzustellen. Zuständig ist in diesem Falle das Tiefbau- und Entsorgungsamt. Dass diese beiden Ämter so lücken- und insbesondere erbarmungslos zusammenarbeiten, hätte ich nicht im Traum gedacht. Im speziellen das Entsorgungsamt – mehr dazu jedoch später. Besagte Anfrage habe ich vorgestern Nachmittag abgeschickt, die Antwort kam blitzartig heute Vormittag in Form einer elektronischen Mail:

14. August 2015 Pete Stiefel Was bisher geschah: Aus unserer Sommer-Serie «Zürcher Vollpfosten» – Heute: Werdplatz-Pfosten Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich habe zwei Vollpfosten auf dem Gewissen, Jumbo 1 und Jumbo 2. Und das ging so: Mir sind mitten auf dem Werdplatz in Zürich zwei Pfosten aufgefallen, die irgendwie nicht dort hin zu passen schienen. (Der gewiefte Leser erkennt

die Vergangenheitsform in diesem Satz.) Wie es in der Kult Redaktion üblich ist, lassen wir solche Fragen nicht einfach auf uns sitzen, sondern wir bündeln unser gesamtes Investigationsjournalismus-Wissen und machen uns im Dienste unserer Leserschaft auf und lassen nicht locker, bis der Sachverhalt restlos geklärt ist. Die Publikation von Vermutungen, Gerüchten und Halbwahrheiten überlassen wir unseren Kolleginnen und Kol-

Sehr geehrter Herr Stiefel, Ihre Email vom 12. August 2015 haben wir erhalten. Vielen Dank. Die Pfosten, die Sie auf dem Werdplatz erwähnen, mussten ursprünglich zwecks Schutzes eines Kandelabers gestellt werden. In der Zwischenzeit hat das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ein neues Beleuchtungskonzept erstellt und es konnte damit auf einen Kandelaber verzichtet werden. Die ausführende Unternehmung hat in gutem Glauben die schützenden Pfosten wieder gesetzt, jedoch ohne Rücksprache mit uns zu halten. Da die erwähnten Pfosten nun kei-

WOHIN UNS DER RASSISMUS BRINGT

nen eigentlichen Zweck mehr erfüllen, werden wir diese zeitnah wieder entfernen. Wir danken Ihnen für Ihren Hinweis und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude auf den schönen Plätzen unserer Stadt. Freundliche Grüsse W.Z. Leiter Strassen Kopie an: i.A. C.A. Leitende Assistentin Werterhaltung Nun gut, werden Sie sich sagen. Eine freundliche Reaktion seitens Tiefbauamt. Schneller als gedacht, höflich formuliert, kundenfreundlich. Kurz nach der Lektüre dieses Antwortmails bin ich über besagten Platz geschlendert, in der Absicht, bei einem nahen Detailhändler einige Nahrungsmittel zu besorgen. Ich begegnete den beiden altbekannten Pfosten, dank meiner intensiven Recherche hatten sie nun einen Namen: Jumbo. Jumbo heisst diese Art Pfosten, die in der Stadt Zürich eingesetzt werden, wenn es um den Intensivschutz schützenswerter Objekte geht. Für Jumbo 1 und Jumbo 2 gemäss städtischer Auskunft also ein Kandelaber. «Danke Jumbos, dass ihr dem Kandelaber so treu die Stange

gehalten habt. Bis später, ich muss jetzt schnell einkaufen gehen.» Bis später? BIS SPÄTER??? Ich war gerade mal eine Viertelstunde weg, ich schwör, da komme ich wieder zurück, spaziere über den Werdplatz, und ZACK! JUMBO 1 UND JUMBO 2 SIND WEG! Vom Erdboden verschluckt oder ausgespuckt. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, eine düstere Vorahnung. Und siehe da: In der Ausfahrt des Platzes, auf welchen man eigentlich nicht einfahren dürfte, stand ein oranges Fahrzeug mit Ladefläche. Ich bin gerannt, atemlos. Jumbo? Jumbo? Und da: Keuchend beim Kleinlaster angekommen werfe ich einen zaghaften Blick auf die Ladefläche. «Jum… Jumb… Jumbo…?» Ein dicker Kloss im Hals verhindert mehr Worte des Mitgefühls. Und da fährt der orange Vollpfosten-Leichenwagen auch schon auf und davon. Das war sie also, die kurze Geschichte von zwei Vollpfosten. Sollten Sie ebenfalls auf Ungereimtheiten im keimfreien Stadtbild stossen, wenden Sie sich bitte unverzüglich an die Kult Redaktion. Wir werden weiterhin alle Hebel für Sie in Bewegung setzen und für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen. Versprochen.

MUSS MAN HABEN: EINEN GRATIS-SPRACHKURS AUF DER HERRENTOILETTE.

10. August 2015 Jelena Keller Eine kleine Erläuterung bezugnehmend auf die aktuelle, rassistische Stimmungsmache weltweiter Natur. Ein gutes Beispiel für Vernichtungsmechanismen rassistischen Ursprungs, findet sich in der Verfolgung von chinesischen Einwanderern in Kalifornien, Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals waren die Chinesen willkommene Einwanderer, die den Goldrausch tatkräftig vorantrieben und als Arbeiter eine zentrale Rolle spielten im Aufbau des Staates. Mit der Zeit jedoch erlangten sie immer mehr Macht durch bessere Positionen und nächste Generationen, die integrierter waren, somit aus dem Arbeiterdasein auszubrechen versuchten und dies schafften. Die Amerikaner, aus Angst ihren Status und ihre Arbeit an die Chinesen zu verlieren, suchten einen Weg sie bestmöglich aus der Gesellschaft zu verbannen. Es kamen politisch weltweit übertragbare, ausgeklügelte Mechanismen zum Ausschluss von störenden Minderheiten zum Zug: Eine Zerstörungskette. Demnach zielte man auf Traditionen der Chinesen und verbot Opium, obwohl dieser zuvor jahrhundertelang legal konsumiert worden war. Natürlich mit dem Wissen, die geächtete Bevölkerungskruppe so legitim wegsperren zu können. Dieselben Muster ereigneten sich etwa auch im Holocaust und der Geschichte von Afro-Amerikanern, Verdingkindern in der Schweiz, der Verfolgung von Roma, etc. Meist mit der Absicht sozial Schwächere oder Stärkere zu eliminieren. So sind Kriege gegen Minderheiten nicht nur Rassen- sondern auch Klassenbasiert. Der Grund, weshalb der jahrhundertelange Amerikanische Drogenkrieg, langsamer Holocaust genannt wird. Historiker Raul Hilberg unterteilt den Prozess – „die Kette der Zerstörung“ – in 5 Phasen (hier in eigenen

Worten zusammengefasst und generalisiert). Diese lassen sich auf andere rassistische Mechanismen übertragen treten in der Geschichte der Menschheit immer wieder auf. Identifikation Die Bevölkerung denkt eine bestimmte Minderheit als Ursache für ein Problem in der Gesellschaft erkannt zu haben und spricht ihren Unmut darüber aus. Die Bevölkerung ist der Auffassung, dass sich ihr Lebensstandard merklich verbessern würde, wenn diese Minderheit aus dem Weg geräumt wäre. Achtung Die Bevölkerung lernt durch Propaganda jeglicher Art diese Minderheit zu hassen und tut alles daran, ihnen Rechte zu verwehren. Es folgt der Verlust des Mitgefühls. Ein Menschenleben scheint nichts mehr wert zu sein. Beschlagnahmung Gesetzte werden geändert um die Minderheit festnehmen (oder ab-

schieben) zu können und es werden ihr die Menschenrechte entzogen. Konzentration Einsperren in Gefängnisse (oder Abschiebung). Die Minderheit hat fast keinerlei Rechte mehr. Vernichtung Der Minderheit wird medizinische Versorgung sowie Nahrung und Fortpflanzung verwehrt (oder sie wird vorsätzlich getötet). Die Minderheit wird psychisch und physisch gefoltert. Nach den Menschenrechten, werden nun alle Rechte entzogen. Schockierenderweise lassen sich die Vorgänge bis Punkt 3 wunderbar auf unsere aktuellen Geschehnisse übertragen. Es wird kritisch auf unserer Welt. Wollen wir die sich wiederholende Geschichte der Unmenschlichkeit weiterhin legitimieren?

Wie weit wollen wir es jetzt kommen lassen?

3. Februar 2015 Reinhold Weber Wie unser Korrespondent aus Zürich-Oerlikon berichtet, bietet das dortige Schnellrestaurant “Silberkugel” auf der Herrentoilette jetzt gratis Deutschkurse an. Bitte nach der Lektion die Hände waschen, und dann guten Appetit.


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WER HATS ERFUNDEN? EIN TAG IM LEBEN VON: ERNA B., DIE GERADE ERST MIT MITARBEITERIN DES KOMMISSARIATS NANOTHERMIT VOLLGEPUMPTE KONTROLLE RUHENDER VERKEHR (KRV) UND DESHALB BALD IN FREEFALL-SPEED IN SICH ZUSAMMENFALLENDE TOP5 DER SCHÖNSTEN BUSH-PICS IM NETZ AUF DENEN ER EIN BISCHEN ZUGIBT, DASS 9/11 NICHT VON OSAMA BIN LADEN GEPLANT WURDE

7. August 2015 Pete Stiefel Ich mag Politessen nicht. Und es interessiert mich nicht, dass man Politessen heutzutage nicht mehr Politessen nennt, sondern Mitarbeiterinnen des Kommissariats Kontrolle Ruhender Verkehr (KRV) – ebenfalls, dass eine Politesse auch männlichen Geschlechts sein könnte. Oder gewesen sein könnte. Oder noch werden könnte. Man kann ein Furunkel auch wohlwollend Eitergeschwür nennen, und es bleibt trotzdem immer noch ein und das Selbe: Eine tiefe, schmerzhafte Entzündung, die ursprünglich vom Haarfollikel ausgeht und sich dann auf das umgebende Gewebe ausbreitet. Kann man Politessen mögen? Ich wage einen Selbstversuch. Nicht zuletzt deshalb, weil es meiner guten Kinderstube entspricht, dass man allen und allem mindestens eine zweite Chance gewährt. Zwar verabscheue ich Fenchel und Rosenkohl auch noch nach dem xten mal Probieren, aber vielleicht bin ich Politessen gegenüber ja wirklich ungerecht – bloss weil mir noch nie eine von ihnen Gutes getan hat. Im Gegenteil: Es kostet mich meist eine Stange Geld, wenn mir eine ihrer Gilde näher gekommen ist. Und wir haben da noch nicht mal einen netten Abend miteinander verbracht. Will ich aber auch gar nicht. Lieber fresse ich im Dschungel einen Eimer Kamelhoden, als mit einer solch missgünstigen Kreatur meine wertvolle Zeit zu vergeuden. Aber heute mache ich eine Ausnahme. Ich habe mich mit Erna B. zum Kaffee verabredet. Frau B. ist die letzte Politesse, welche mir vierzig

Schweizer Franken abknöpfte, weil mein Wagen zehn Minuten länger auf einem Parkplatz stand, als ich dafür Miete bezahlt hatte. Keine ideale Voraussetzung für ein Date. Von Date kann allerdings auch überhaupt nicht die Rede sein. Ein Kaffee mit einem fremden Menschen, zu dem man sich nicht hingezogen fühlt, ist kein Date – schon gar nicht dann, wenn man sich zu wissenschaftlichen Zwecken darauf einlässt. Ich habe Frau B. zum Kaffee eingeladen, nachdem ich sie dabei beobachtet hatte, wie sie mit geübtem Handgriff einen in Zelofan verpackten Einzahlungsschein unter meinen Scheibenwischer klemmte. Ich wünsche mir ja seit Jahrzehnten, dass mir mal eine Politesse einen Scheibenwischer abbricht. WAS WÜRDE ICH DIE AUF SCHADENERSATZ EINKLAGEN! Selbstverständlich ist das noch nie passert. Schliesslich wird während der Ausbildung zur Politesse während eines ganzen Monats das sorgsame Hochklappen von Scheibenwischern unterschiedlichster Autotypen trainiert. Auf dem Ausbildungsgelände befindet sich extra dafür ein stattlicher Wagenpark mit Fahrzeugen unterschiedlichster Preisklassen. Da trainieren dann die Politessennovizinnen tagein tagaus das sorgsame Hoch und wieder Herunterklappen von billigen und teuren Scheibenwischern, bei Sonne und Regen, Wind und Wetter. Das kommt die Staatsgewalt immer noch billiger, als sich irgendwann einmal einer horrenden Scheibenwischer-Schadenersatzklage gegenüber zu sehen.

Frau B. wollte erst nicht. Sie zielte zwar nicht gerade mit dem Pfefferspray auf mich, aber sie gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich ihr nicht frech zu kommen brauche. Meine Einladung zu einer Tasse Kaffee wurde offenbar als zynische Provokation aufgefasst und nicht als eine freundliche Geste zwischen zwei zivilisierten Menschen (was es ja faktisch auch nicht war). Ich reagierte verständnisvoll, denn diese arme Frau wurde wahrscheinlich öfter mit dem Tod bedroht als manch ein exponierter Staatschef oder SVP Politiker. Im Schulungshandbuch werden die Aspirantinen mit Sicherheit auch nicht auf solche Situationen vorbereitet, man trichtert ihnen stattdessen ein, dass energisch und bestimmt auf Annäherungs- oder Angriffsversuche jeglicher Art zu reagieren sei. Mir ging es aber tatsächlich bloss um einen Kaffee und nicht um romantische Gefühle. Und ein Gespräch unter vier Augen. Ein Gespräch, welchem ich die Chance geben wollte, mein tiefgefrorenes Automobilstenherz zumindest an der Oberfläche ein bisschen zum schmelzen zu bringen. Ich versicherte Frau B., dass meine Einladung nicht als Bedrohungssituation einzuordnen sei, sondern ich im Rahmen einer journalistischen Recherche etwas aus ihrem Tätigkeitsgebiet und aus ihrem Alltag zu erfahren wünschte. Da willigte sie ein. Noch immer nicht froh, vorfreudegeschwängert oder sonstwie emotional berührt. Sie sagte einfach: „Na, gut.“ Was auch gut war. (Fortsetzung folgt)

SI-ONLINE HAT BLUT GELECKT: MISS SCHWEIZ-KANDIDATIN BESITZT DREI PÄSSE 31. Juli 2015 Midi Gottet Damn, wie haben die von SI-Online jetzt diesen Skandal wieder aufgedeckt? Diese Journi-Truppe ist einfach so was von superritzenscharf drauf. Ich meine, wir machen hier einfach ein bisschen Sommerpause und SI-Online nimmt in der Zwischenzeit die Miss SchweizAnwärterinnen härter unter die Lupe als es die Wolfensberger-Anwälte gerade mit Fiona Hefti tun. Und dann die Schreckensmeldung für die Schweiz: Anwärterin Jennifer Picci (der Name lässt es ja schon erahnen) besitzt 3 (in Worten DREI) Pässe. Schweiz-Italien-USA! Drei Pässe! Das muss man sich mal auf den mit Glitter-Gloss getränkten Lippen zergehen lassen. Da hat sich die Kleine beim Kreuzverhör in der Redaktion ab

so was von verplappert. Okay, vielleicht hat auch der stündige MineralwasserZwangsentzug die gute Jennifer zum singen gebracht. Man weiss ja nie so recht mit welchen Mitteln solche Statements zustande kommen. Aber eben, wie jetzt? Für welches Land schlägt denn nun ihr Herz, fragt

die blutende Schweizer Seele? Also kulturell gesehen, sei sie zu 100 Prozent schweizerisch, beschwichtig Picci. Aber da die Miss Schweiz-Wahlen zu 100 Prozent nichts mit Kultur zu tun haben, hinkt diese Aussage mehr als Cristiano Ronaldo nach einem leichten Körperkontakt. Wir wünschen der herzigen Jennifer Picci mit ihren 33.3 Prozent aber trotzdem alles Gute an den Wahlen im kommenden November, für die sie sich jetzt schon, vier Monate davor, im Ausland erholen muss. Vielleicht klappts dann mal in Italien oder der USA. Genaueres zum 3-Pässe-Knock-outScandalo lesen sie auf SI-Online: «… aber ich bin zu 100 Prozent schweizerisch»

4. August 2015 Midi Gottet Und ja, das sind alles echte Zitate von George W. Bush. Lernt damit zu leben. Ich tu’s auch.


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IN YOUR FACE SCHWEIZERISCHE VOLKSPARTEI

30. Juli 2015 Midi Gottet Immer wieder schön zu sehen, wie schriftliche Werbevorstösse der SVP an praktisch allen Briefkästen in der Romandie schon im Vorfeld hart abgedisst werden.

MUSS MAN HABEN: DEN MANN FÜR ALLE FÄLLE

21. Juli 2015 Dominik Hug Den gabs früher nur in Hollywood. Ach nein, das war ja nur der Colt für alle Fälle. Jedenfalls, ab sofort findest du beim der Lebensmittelhändler um die Ecke sogar den Mann für alle Fälle. Zugreifen Ladies, zugreifen.

DAS GLÜCK WOHNT IN KUBA 23. Juli 2015 Jelena Keller Ich ging mit meinem Partner in betrübter Erwartung zu einem typischen Abend für Touristen. Ein Buena Vista Social Club Konzert. Wahrscheinlich hatte mein gleichgültiger Gesichtsausdruck an meiner Frustration gelegen, weil ich während den Tagen bis dahin immer als Fremde wahrgenommen worden war und somit nicht die Möglichkeit gehabt hatte in die Herzen der Menschen zu sehen. Stattdessen aber in ihre Geldbeutel. War die Armut doch unübersehbar im herunter gewirtschafteten, glorreichen Kuba. Ob die Band vom eigentlichen Social Club De Buena Vista sein würden, fragte ich mich. Wo doch alles künstlich und inszeniert war hier für uns. Eine Kulisse, gemacht für Besucher, die den Kapitalismus bringen. Künstliche Teile der Stadt, künstliche Hemingway Bars. Künstliche Attraktionen, die alte Zeiten imitieren sollen. Künstliche Lachen, die einem gefälschte Cohibas verkaufen wollen. Der Abend war schön, tanzende Kubaner, die uns Stimmung machten und auf Kleingeld warteten. Ich nahm es ihnen nicht übel, der Sozialismus hatte seine Vor- und Nachteile in seinen Untertanen manifestiert. Und doch – Echtheit erkannte ich in ihrer Leidenschaft für die Musik. Ich sah Wahrheit auf ihren geschlossenen Augenliedern. Beim Singen, hörte ich sie in den Klängen aus tiefstem Innern. Echtheit im Moment der vollen Aufmerksamkeit und Hingabe. Das Lachen galt diesmal der Musik, statt uns. Es braucht nicht viel für Leidenschaft. Nur ein paar alte Leute auf einer Bühne mit ihren Instrumenten, Stimmbändern und Herzen – so gross wie meine Vorstellung von allumfassender Liebe. Nach den Auftritten wurden Fotos gemacht. Doch statt ihr Foto mitzunehmen war ich erpicht, ein kleines Stück ihrer Leidenschaft für mich einzupacken. Bei uns im reichen Alpenland, hatte ich sie lange nicht finden können. Ich hatte sie bei mir lange nicht finden können.

Ich fragte ein Bandmitglied, ob ich ihm ein paar Fragen stellen dürfe. Ich sei auf der Suche nach Inspiration. So setzte sich der ältere Herr zu mir und ich fragte: „Was war der eindrücklichste Moment in ihrem Leben?“ Und er begann zu erzählen. Von seiner schwierigen Laufbahn, davon wie ihn niemand singen hören wollte. Von kleinen Lokalen, dann grösseren Auftritten. Aufgeben habe er wollen, so viele Male. Es habe kein Weg an sein Ziel geführt, zum Durchbruch, aber vor allem: Zu einem Auftritt im Ausland. Und dann sei er 50 geworden. 50 lange Jahre auf der kleinen Insel. 50 Jahre voller Hingabe für die Musik, der Passión die ihn nirgends hingebracht habe. Die Berichterstattung der Welt, die Kuba ignorierte und deren Künstler verkümmern liess, keinen Erfolg zuliess. Dass er dann aber mit 52 Jahren an ein Konzert nach Spanien durfte. An all die Eindrücke, das Fliegen, die riesige Stadt, sein Herzklopfen, so stark, dass er ein paar Mal gedacht habe sterben zu müssen. Ein perfekter Tod wäre das gewesen, sagte er. Waren sie doch so lange wie Tiere in einem Käfig gehalten worden auf dieser Insel. Seine Familie habe ihm ge-

fehlt. Wie schön es doch gewesen wäre, all dies Unfassbare mit ihnen zu teilen. Seinen Kindern, seiner Frau. Ein kleiner Teil von ihm habe deshalb gelitten, sagte er. Dass er das jemals erleben dürfe, das habe er im Leben nie gedacht. Und er erzählte noch kurz weiter, ich weiss nicht mehr genau, was es war – doch vergass ich seinen Gesichtsausdruck nicht. Den eines etwa 60-jährigen Kindes. Ich glaubte in diesem Moment, das personifizierte Glück gefunden zu haben. Es war zwar naiv und von einschränkenden, desillusionierenden Umständen geschaffen worden – und doch so wunderbar in seiner Erscheinung. Dieser Mann hatte mehr Reichtum erlangt, als ich für möglich gehalten hatte. Seine Stimme flüstert meinem vergesslichen Wohlstands-Ich noch heute von Zeit zu Zeit zu: „Gib nicht auf, du weißt nie, wie nahe du am Ziel bist. Alles ist schöner, wenn wir es teilen. Würden wir alles mit den Augen eines Unerfahrenen betrachten, fühlte es sich vielleicht wieder so an, als sei es das Erste Mal.“ Es gibt Reisen, die Leben verändern. Bild: http://www.fotocommunity.de/fotograf/bogart/565351

DEPRESSION – EIN ERKLÄRUNGSVERSUCH

27. Juli 2015 Yonni Meyer Depression ist ein Thema, das ich für ungeheuer wichtig halte. Nicht nur als Psychologin, sondern auch als Mensch und als Betroffene. Kürzlich passierte es einmal mehr: Ich sah, wie sich jemand auf Facebook über einen Suizid im Personenverkehr beklagte. «OMG, mueses unbedingt grad uf minere Stecki sii?? Söll doch noimet andersch vor de Zug gumpe, egoistische Tubel», lautete die sinngemässe Parole. Mich machte das kurzzeitig absolut sprachlos. Ich war mit dieser Person nicht befreundet, hätte den Status aber trotzdem kommentieren können und ich war auch drauf und dran… Schraubte dann aber die Emotionen

etwas runter und die Kognitionen etwas rauf und überlegte mir, was es eigentlich bedeutet, wenn jemand so etwas schreibt. Ich glaube, dass Depressionen und ihre Folgen (u.a. Suizid) sehr schwer zu verstehen sind, wenn man selber nicht in irgendeiner Weise davon betroffen ist. Ich führe noch heute manchmal Gespräche mit Leuten, die ich für emotional intelligent und einfühlsam halte, die dann aber Dinge sagen wie „Jeder ist so glücklich, wie er/sie will“ oder „Wer seine Karre in den Dreck fährt, der muss sie selber wieder rausziehen“. Grundsätzlich bin ich mit diesen Aussagen einverstanden – wenn es um gesunde Menschen geht. Um stabile Menschen. Ich bin durchaus auch der Ansicht, dass

man sich sein eigenes Glück schaffen kann und dass man Verantwortung übernehmen soll, wenn man Scheisse gebaut hat. Aber: Jemandem mit einer depressiven Störung zu sagen, er/sie soll die übertragene „Karre“ selber aus dem Dreck ziehen, ist, als ob man jemandem mit zwei lahmen Beinen sagen, er soll ein tatsächliches Auto aus dem Matsch hieven. Ich werde hier nun einmal versuchen, aus professioneller und persönlicher Perspektive zu beschreiben, was eine Depression ist und wie sie sich anfühlt. Vielleicht ist es dann etwas leichter, nachzuvollziehen, was diese Krankheit für die Betroffenen bedeutet. Von einer schweren depressiven Episode spricht man gemäss der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD), wenn der/die Betroffene praktisch non-stop von seiner/ ihrer Krankheit eingenommen ist, deutlichen Interessens- und Freudesverlust an sonst angenehmen Aktivitäten und verminderten Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit zeigt. Dazu kommen Verlust des Selbstwertgefühls, unbegründete Selbstvorwürfe/unangemessene Schuldgefühle, wiederkehrende Gedanken an Suizid oder Tod, verminderte Denk- oder Konzentrationsfähigkeit und Unentschlossenheit, (psycho-) motorische Über- oder Unteraktivität,

Schlafstörungen und geminderter oder übermässiger Appetit inkl. entsprechender Gewichtsveränderung. Nun stelle man sich einmal vor, all diese Dinge passieren mit einem, ohne dass man irgendetwas (falsch) gemacht hat. Man kommt, ohne zu wissen, warum, morgens nicht mehr aus dem Bett. Man empfindet einfach keine Freude mehr, so sehr man es auch versucht. Man ist allein in der Dunkelheit und beginnt, sich zu alledem auch noch Vorwürfe zu machen, weil man sich undankbar fühlt – eigentlich hat man ja alles, was man braucht, und man ist trotzdem einfach todtraurig. Man ist dieser bleiernen, lähmenden Trauer komplett ausgeliefert, fühlt sich als Last für alle anderen und dann kommen die Gedanken, dass es wohl wäre besser für alle Beteiligten, wenn man nicht mehr da wäre. Und dann kommt jemand daher und sagt: „Jede(r) ist so glücklich, wie er/sie will“… Nur, weil man eine Krankheit nicht sieht oder sichtbar machen kann, bedeutet das nicht, dass sie nicht existiert. Dass es schwieriger ist, den Schmerz nachzuvollziehen, wenn man ihn noch nie selber gespürt hat, verstehe ich. Ich hatte aber auch noch nie ein gebrochenes Bein, weiss aus Beschreibungen jedoch ganz genau, dass es höllisch weh tun muss. Genauso kann, abgeleitet aus der obigen Beschreibung, wohl jede/r

nachvollziehen, dass es hundeelend ist, an einer Depression zu leiden. Es ist so elend, dass manche Betroffenen nach Jahren einfach müde sind – lebensmüde. Wenn wieder alles von vorne beginnt, wenn der Kampf einfach schon zu lange dauert, wenn die Hoffnung auf ein einigermassen zufriedenes Leben erlischt. Der Mensch hat grundsätzlich einen gigantischen Lebenswillen, es ist seine erste und wichtigste Aufgabe, sich selber am Leben zu halten – alles andere ist erst zweitrangig. Wenn ein Mensch sich also vor einen Zug wirft, dann ist er genau das Gegenteil eines „egiostischen Tubels“. Es ist die ultimative Selbstzerstörung. Es ist komplett irrational, der/ die Betroffene ist sich nicht bewusst, wie viele Menschen er/sie traumatisiert oder schädigt. Es widerspricht allem, was die Natur für uns vorgesehen hat. Und nicht einmal ich, die ich schon die eine oder andere depressive Episode durchlebt habe, kann mir vorstellen, wie traurig, verzweifelt und gebrochen jemand sein muss, um das kostbarste Gut, das wir besitzen, nämlich das Leben selbst, aufzugeben. Seien wir also etwas sanfter in unserem Urteil über die Handlungen anderer. Und seien wir uns – im Gegenzug – doch einfach unserer eigenen Fähigkeit, Glück und Freude zu verspüren, für heute einmal von Herzen bewusst. bild: arstechnica.com


DWK.CH

CHRISTIAN RIZZO T I N T O TA PA S Y V I N O C A S A D E LV I N O . C H


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EIN MITTEL GEGEN HERZSCHMERZ 16. Juli 2015 Jelena Keller Falls sie unglücklich verliebt sind und ihr Angebeteter / ihre Angebetete für Sie nichts dergleichen fühlt: Ich habe ein Mittel gegen Ihren Kummer gefunden. Die Sache an und für sich ist ziemlich einfach: Stellen Sie sich die Person vor, die Sie lieben, welche Sie aber nicht zurück liebt – wie sie in der Nase grübelt. Auch wie sie mit Spucke angefeuchteten Fingern, die letzten Krümel aus dem Teller pickt. Wie ihr das Fett beim Essen das Kinn hinunterläuft. Stellen Sie sich die Person vor, in einem gestreiften Pyjama, dem zwei Knöpfe fehlen. Dann, wie sie auf der Toilette Zeitung liest. Wie sie lügt, wie sie ein Feigling und Jammerlappen ist. Wie sie dem Bettler keinen Groschen gibt, sagt, sie habe

VORSICHT: PLAGIATS-ALARM!

dem Mund läuft, als hätte sie Tollwut. Denken Sie an die Person, in allen Situationen, in welchen Sie sich selbst nicht ausstehen können. Und wenn sie sich so nicht wieder entlieben – dann hilft ihnen bei Gott nicht einmal eine Herztransplantation. Kein Kuraufenthalt in der teuersten Klinik, keine gewonnene Reise nach Venedig, keine Mahlzeit bei Oma auf dem Lande. Dann hilft ihnen kein Psychiater, nicht einmal der beste Spezialist für Herzensangelegenheiten wie ich es bin.

kein Kleingeld dabei. Wie sie Zähne putzt und ihr dabei der Schaum aus

Vom Schriftsteller Momo Kapor aus dem Werk: “Hej nisam ti to pricala” Aus dem Jugoslawischen übersetzt von Jelena Keller Bild: Momo Kapor mit einem seiner Werke

FREIHEIT

15. Juli 2015 Christian Platz Die Wachtürme sind eingestürzt. Endlich. Gestern Nacht. Kugelblitze, aus schwarzen Wolken hernieder fahrend, wirkten gleichsam als Abrissbirnen, die diese Symbole der Tyrannei zerstört haben, zerstäubt haben. Mit Mann und Maus. Nun stehen sie uns nicht mehr vor der Sonne. Die bösen, strengen Augen, die uns Tag und Nacht beobachtet hatten, wurden gewaltsam geschlossen; Mutter Natur sei Dank. Die Schergen, die jede Nacht in unsere Stadt heruntergekommen waren, Männer, Frauen, ganze Familien aus ihren Wohnungen geholt, mitgenommen haben (man hat diese Menschen danach alle nie mehr wieder gesehen), sind nun endlich tot, gefallen mit ihren Wachtürmen. Die Morgenröte hat uns heute Freiheit mitgebracht. Das schönste Geschenk. Freiheit, von der wir intensiven, ja uneingeschränkten Gebrauch machen werden, so viel ist sicher. Lange genug haben wir unter der Peitsche gelebt; registriert, kontrolliert, drangsaliert. In unseren Stuben, unseren Küchen, unseren Schlafzimmern, ja unter unseren Bettdecken haben sie uns beobachtet. Seit Menschengedenken. 36 Stunden am Tag. Wir leiden also unter Nachholbedarf. Lechzen nach Freiheit. Wie der sprichwörtliche Verdurstende in der Wüste nach Wasser lechzt. Bis in die letzte Bewegung hinein reguliert, bis hin zur letzten Regung präfiguriert ist es gewesen; unser tägliches Leben. Im Schlagschatten jener Tyrannei der Wachtürme. Alle Bürgerinnen und Bürger mussten zu jeder Stunde genau das tun, was – unter Androhung drakonischer Strafen – vorgeschrieben war. In der tausendseitigen Stadtordnung, die schwer zu lesen, schwer zu verstehen, jedoch absolut bindend gewesen ist. Die Versuchungen des Lebens und des Leibes seien zu vielfältig, haben die

dort oben uns stets gewarnt: Wenn alle ihnen nachgehen würden, könne die Stadtgemeinschaft keinesfalls überleben. Ins Chaos täten wir alle stürzen, so wir unsere Launen und Lüste auslebten. Deshalb sei absolute Unterordnung oberstes Gebot. Ein Stadtwesen könne nur dann gedeihen, wenn sich alle Bürgerinnen und Bürger, klein und gross, den strikten Gesetzen fügen würden, die von jenen in den Wachtürmen eingesetzt worden waren. „Im Verzicht liegt die wahre Freiheit!“ Diese Losung stand auf riesigen Schildern geschrieben, welche an unseren Stadttoren angebracht waren. Und verzichtet haben wir. Weiss der Teufel. Verzichtet auf süsses, auf scharfes, auf salziges Essen. Nur fade und saure Lebensmittel waren erlaubt. Verzichtet auf Alkohol, Sirup, Säfte, eisgekühlte Getränke. Nur lauwarmes Wasser war erlaubt. Verzichtet auf das Lecken, das Lutschen, das Blasen, auf Doggy Style, Analverkehr, Reizwäsche, Striptease. Bloss dreimal rein und raus war erlaubt, vor dem Abspritzen, unter der Decke, bei gelöschtem Licht, nach erteilter amtlicher Bewilligung zum Kindermachen. Verzichtet auf alle Formen und Weisen der Musik – ausser jenen schrillen Signalen der Fanfarenbläser, die auf den Wachtürmen ihren Dienst verrichteten. Verzichtet auf alle Bücher, Zeitschriften, Comics. War doch die – oben erwähnte – Stadt­ ordnung, mit ihren tausend Seiten, unsere einzige erlaubte Lektüre. Was die Schergen in den Wachtürmen den ganzen Tag so gemacht haben, wusste übrigens niemand. Uns einfachen Leuten war der Zutritt nämlich strengstens verwehrt. Doch heute liegen sie darnieder, die verhassten Wachtürme. Das grosse Pendel schwingt jetzt endlich in die andere Richtung. Auf die Orgie des Verzichts folgt deshalb eine Orgie der Ausschweifungen, wie es hier noch nie eine gegeben hat.

Lärmen. Fressen. Saufen. Raufen. Huren. Alle Löcher penetrieren. Alle Spalten dehnen. Alle Öffnungen stopfen – und wenn gerade keine mehr frei ist, werden einfach zusätzliche geschnitten oder gebohrt. Randale Grande. Kavalkade der Obszönitäten. Karussell der Exzentrizitäten, der Perversionen, das sich in zunehmendem Tempo dreht. Schwindelerregend. Hurra! Wie im Rausch machen wir alles, alles, alles, was vorher verboten gewesen, kosten es aus, schmücken es aus, erfüllen uns die ausgefallensten, ja die abwegigsten Wünsche. Nachdem wir auch noch der letzten Regung nachgegeben, die letzten unterdrückten Impulse ausgelebt haben, blind vor Lust, müssen wir nun, im Zustand der Ermattung, plötzlich feststellen, dass unsere Stadt nicht mehr steht. Unser Taumel hat nurmehr Ruinen übrig gelassen, zwischen denen Verletzte, Geschändete, Leichen herumliegen. Die Opfer unserer epischen Ausschweifungen, letztere durch Jahre schier unerträglicher Unterdrückung mächtig angestachelt. Im Laufe eines einzigen Tages nur haben wir sämtliche Verbote und Gebote, haben wir alle Gesetze und Grenzen überschritten. Wahnhaft. Oh weh! Die Sonne geht unter. Ein sternenloser Nachthimmel hängt über dem Land. Wir scharen uns verschämt um unsere Lagerfeuer, weinen über unsere Untaten, verfluchen dieses Monster, das da Freiheit heisst. Und planen den Wiederaufbau unserer Stadt. Mit Wachtürmen, die noch höher, noch robuster gebaut sein werden – als jene, die erst gerade eingestürzt sind. Wachtürmen, die von keinem Kugelblitz auch nur angekratzt werden können. Bemannt von noch gnadenloseren Schergen, die eine noch strengere, eine zehntausendseitige Stadtordnung durchsetzen sollen, denn nie mehr darf diese gefährliche Freiheit ausbrechen, die uns dazu verführt hat, unsere Stadt selbst zu zerstören, so viele unserer Nächsten selbst zu martern, zu schänden, zu töten. An einem einzigen Tag. Ja. Wir haben es leider auf die ganz harte Tour gelernt: Im Verzicht liegt sie tatsächlich. – Die wahre Freiheit! Also legen wir uns fortan selbst in die stärksten aller nur denkbaren Ketten. Freiwillig. Für immer und einen Tag. Ich selbst werde künftig übrigens als gnadenloser Scherge amten. Und in einem der neuen Wachtürme wirken. Im Dienste der Allgemeinheit, der All-Gemeinheit…

17. Juli 2015 Pete Stiefel Kult© ist eine starke Marke. Das haben längst auch findige Trickbetrüger erkannt, die international ihr Unwesen treiben. Wir werden immer wieder von aufmerksamen Mitmenschen darauf

hingewiesen, wenn sie in der grossen, weiten Welt auf ein Plagiat, eine billige Kult-Kopie gestossen sind. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Oftmals ist die Fälschung allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie einige dieser Beispiele hier eindrücklich zeigen. Achten Sie bitte unbedingt darauf, stets höchste Vorsicht walten zu lassen: Es muss nicht zwingend Kult darin enthalten sein, wenn Kult drauf steht und man Ihnen Kult andrehen möchte. Der Kenner weiss, dass im Original Kult allerhand Wissenswertes drinsteckt, und dass unter diesem Label nicht etwa klebrige Sauce, Bio-Müll oder verfilzte Scheisse verkauft wird. À propos verkaufen: Kult ist IMMER gratis. Danke, dass Sie Kult© das Original lesen.Herzlich, Ihr Kult Team


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SANAPSSSSSST…

16. Juli 2015 Midi Gottet Bitte sagt dem Besitzer dieser Flasche nie, dass ich mit seinem grosszügig offerierten Dom Pérignon dauernd meinen Vodka-Red Bull gestreckt habe. Und wenn sie mich jetzt fragen, ob eine Dom-Pérignon-Vodka-Red-Bull-Schorle ein wirkungsvolles Getränk sei, dann müsste ich diese Frage mit einem deutlichen JA beantworten. Wäre sie es nicht, wäre dieser Artikel über die SANAPA in der Residence K auch um einiges länger. Und wenn sie mich jetzt fragen, wer denn alles so da war, müsste ich ihnen antworten: “Alle.” Und wenn sie dann, ketzerisch nachhakend wie sie nun mal sind, fragen würden: “Wer denn so?” Würde ich ihnen in die Augen schauen, tief Luft holen und ein Gary-Oldman-in-Leon-eskes “Eeeeeeveryoooooone…….!!!!!” in die Birne schreien. Und wenn sie dann das letze gottverdammte Quentchen Mut nehmen würden, welches ihre Burn-Out-Endlosschleifen-gefistete Psyche noch fähig ist hervorzubringen und mich nochmals fragen würden: “Alter, habe ich was verpasst?”, würde ich konsterniert in die Ferne blicken und antworten: “Keine fucking Ahnung.”

FRISCH GETAGT: DIE BADMOTHERFUCKER­ ISCHSTE WEIL BIS GERADE EBEN NOCH EASY IN EAZY-ES POPO VOR SICH HIN GÄRENDE TOP5 DER LUSTIGSTEN STRAIGHT OUTTA COMPTON MEMES IM WELTWEITEN HAAR-NETZCHEN 13. August 2015 Midi Gottet Wer diese Top5 nicht schätzen kann, ist entweder zu alt oder zu jung.

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WAS FÜR MÄNNER MIETEN SICH SO EIN AUTO?

10. Juli 2015 Midi Gottet 1. Männer mit einem kleinen Penis. 2. Männer mit keinem Penis. 3. Männer mit einem riesigen Penis, der aber bei einem Reitsportunfall in Stücke gerissen wurde. 4. Männer mit einem enormen Penis, welcher sich aber durch eine hormonell bedingte Schlupfhoden-Implosion ins Körperinnere zurückgezogen hat und auch keine Anzeichen macht, jemals wieder Tageslicht sehen zu wollen. 5. Frauen, die nach der Billig-Geschlechtsumwandlung im Süden von Peniszilien Probleme mit der Enddurchblutung der Eichel hatten und seitdem unter einer schwarzen, schuppigen Penisspitze leiden und ihre Antidepressivabehandlung unterbrochen haben um dadurch die Wirkung von Kokain wiedermal so richtig aufblühen lassen zu können.

ENDLICH IST ES RAUS: KEEF (71) HAT 38!

4. August 2015 Reinhold Weber Das Magazin “Rolling Stone”, der Erbsenzähler des Rock n Roll, weiss es ganz präzis: 38 (achtunddreissig) Lebensweisheiten hat Keith Richards. Nicht 37. Nicht 39. Haargenau 38. Hätte er z.B. bloss läppische 37, wäre er etwa so uninteressant wie die Klofrau

vom Bahnhof Hannover. Hätte er völlig übertriebene 39, wäre er nicht mehr Keef, sondern irgend so ein BombastPopper. Oder Harald Glööckler. Ist er aber nicht. Er ist Keef. Und Keef hat 38. Sonst wäre er ja nicht Keef. Und der “Rolling Stone” nicht der “Rolling Stone”.

VERGESSENE HELDEN: STEPHANIE ZIMBALIST

6. Besoffene EM-WM-Holländer, die kein Fahrzeug für den Autocorso haben.

22. Juli 2015 Dominik Hug Sie spielte einige Jahre in kleinen Nebenrollen bevor sie sich 1982 die Hauptrolle der US-Krimiserie Remington Steele ergatterte. An der Seite des zukünftigen Bond-Darstellers Pierce Brosnan spielte sie die Figur Laura Holt während fünf Jahren. Die Serie wurde ein weltweiter Hit und Zimbalist etablier-

te sich in der TV-Welt. Ihr wurde 1987 auch eine Rolle im Kinofilm Robocop angeboten, da jedoch die fünfte Staffel von Remington Steele zur selben Zeit gedreht wurde, konnte sie das Angebot nicht annehmen. Nach dem Ende von Remington Steele blieb Zimbalist dem TV-Geschäft treu, vorwiegend in kleineren Produktionen.

KORREKTER LEBEN, HEUTE: VEGAN ESSEN VOM METZGER.

17. Juli 2015 Reinhold Weber Dank der Grossmetzgerei BELL können Veganer jetzt wieder sorgenfrei Fleisch essen. Einfach Luftmatratze oder Badetuch ergattern und herzhaft hineinbeissen. En Guete!


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

29. August: KULTHotel Helvetia

4. September: Nicolas Jaar (DJ-Set) in der Zukunft

Aus Chile kommen viele grossartige elektronische Musiker. Ricardo Villalobos stammt von dort, aber auch Dinky und Pier Bucci. Auch Nicolas Jaar verfügt über chilenische Wurzeln, verlegte seinen Wohnsitz aber bereits in Teenagerjahren nach New York. Vor diesem multikulturellen Hintergrund ist auch sein Schaffen zu sehen: 2004 und im Alter von erst 14 Jahren begann er mit elektronischer Musik zu experimentieren, wobei er sich hierfür auch bei Mulatu Astatke und Erik Satie bediente. Auch das Album „Thé au Harem d’Archimède“ seines chilenischen Landsmanns

„Die Platzzahl ist beschränkt, es empfiehlt sich, früh zu kommen“. Üblicherweise sind diese Worte in dieser Reihenfolge nicht gerade vertrauenserweckend und mehr ein Hinweis darauf, dass der entsprechende Veranstalter mit aller Gewalt seine Handvoll Gäste bereits mit Türöffnung vor Ort haben will, damit’s dann wenigstens ein Bisschen nach Party aussieht. Im Fall des KULTHotel Helvetia ist diese Ansage aber ernst zu nehmen: Seit Jahr und Tag verwandelt sich das wunderschön-prächtige Helvetia in der Nähe des Stauffachers nach

er Street Parade in einen Hort des gepflegten Exzesses, in ein Gebäude voller Glücksmomente verteilt auf Stunden, die bis weit in den nächsten Tag hineinreichen können. An den Decks stehen nicht irgendwelche Jungspunde auf dem (eventuellen) Weg zur internationalen Karriere, sondern Recken wie Reto Ardour, Dejan, Ronald Grauer, Phil z’Viel und der phänomenale Gallo. Viel familiäre Atmosphäre und (beinahe) noch mehr gute Musik, also. Und das legendäre KULT-Flair, das es an diesem Tag nur hier abzuholen gibt.

29. August: Divercity pres. Heavy Rotation, Gessnerallee

Villalobos diente ihm als Inspirationsquelle. Zügig brach sich das überragende Talent Jaars Bahn und manifestierte sich schlussendlich in seinem Debütalbum „Space Is Only Noise“ (2011) – ein weltweiter Erfolg, überragende Kritiken inklusive. In diesem Jahr produzierte er den Soundtrack für den französischen Film Dheepan, der in Cannes die Goldene Palme für den besten Film gewonnen hat. In der Zukunft spielt Jaar für einmal nicht live, sondern ein DJ-Set. Beim erlesenen Geschmack dieses jungen Ausnahmekünstlers sicher ein ganz besonderer Genuss.

11. September: Ramon Tapia im Café Gold

Ramon Tapia, Sohn einer Holländerin und eines revolutionären chilenischen Musikers, fand in Belgien zur elektronischen Musik. In den späten Nullerjahren machte er erstmals und dank

Releases auf Imprints wie Herzblut, Craft und Yellow Tail auf sich aufmerksam, allesamt Veröffentlichungen, die das beeindruckende Können dieses Vollblutelektronikers eindrucksvoll unterstreichen. 2010 fertigte er dann eine Compilation für das legendäre Label Strictly Rhythm – sein endgültiger Durchbruch. Es folgten Remixes für Armand van Helden, Paul Weller, Nic Fanciulli, Marc Romboy, Monika Kruse, DJ Sneak und viele mehr. 2012 dann gründete er mit Say What? Recordings und Aella Music (zusammen mit Hermanez) seine eigenen Plattformen und trotz seines ganzen Erfolges hat man bei Tapia das Gefühl, dass er erst am Anfang einer grossartigen Karriere steht. Und da an diesem Abend mit Darrien und Ricardo de Cicco auch noch zwei DJs spielen die auch klasse Entertainer sind, dürfte eigentlich nix schief gehen.

11. September: Reopening Härterei

Ein paar schöne Street Parade-Sachen hatten wir ja letztes Mal schon auf der Doppelseite. Und das ist nun der Vorteil an monatlich erscheinenden Publikationen die nicht punktgenau auf Monatsbeginn erscheinen; man hat immer ein paar Tage Spielraum. Und daher können wir abermals etwas parädlen. Oder eben gerade nicht: Divercity pres. Heavy Rotation im Stall 6 (respektive vor dem Stall 6 outdoor in der Gessnerallee) versteht sich als Alternative zum geradlinigen nznznz-

Sound des Umzugs. Hier gibt’s weder Trance, noch Techno und schon gar kein EDM oder Deep House, sondern gebrochene Beats von Jungle Anthems bis Drum’n’Bass-Hymnen. An der Front: Bladerunner (UK). O-Ton Veranstalter: „Seine Club-Auftritte sind bekannt für ihre Originalität. Denn sie sind gespickt mit alten Jungle Raritäten, exklusiven Remixes und extremst basslastigem Sound, wie seine Hits ‚Back to the Jungle’ oder dem herzerwärmenden Tune ‚Stay’“.

Die Härterei ist wieder da. Nach einem langen Weg, der mit der Lärmklage einiger weniger Neuzuzüger lanciert wurde, fristete der Club

die letzten zwei Jahre in einem Provisorium in der ehemaligen Werft. Nun ist aus dem Provisorium ein fester Standort geworden, dank Investitionen im hohen fünfstelligen Bereich und der unablässigen Arbeit diverser emsiger Maag Music & Arts-Mitarbeiter, die sich nicht haben entmutigen lassen. Gefeiert wird dies mit einem glanzvollen Reopening, das gleichzeitg der zweijährige Geburtstag des Labels Liebe zur Musik ist. Die Ehre den Reopening-Abend zu vertonen kommt dem Franzosen Tez Cadey zu, unterstützt von den Locals Techrifice und Zweitraum. Aber auch wenn Tez Cadey mit Seve einen Hit gelandet hat, der auf Youtube zigmillionen Mal angeklickt wurde, so ist der eigentliche Star an diesem 11. September doch der Club: Das altindustrielle Flair wurde beibehalten, das Lichtkonzept etwas wärmer ausgelegt und der Innenraum mit einer Galerie versehen, die der Location das Aussehen einer Arena verleiht.

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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

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12. September: 19. September: Nordstern Rooftop at Hinter- Sound Nomaden feat. MSP hof Dachterrasse im Hangar 11 (Winterthur)

Der Sommer 2015 liegt in seinen letzten Zügen. Leider, leider… Nun wird jede Dachterrassenparty sowas wie ein Abschiedsfest, wohl auch diese hier. Aber einen würdigeren Weg dem Sommer 2015 good bye zu winken als diesen hier gibt es wohl nicht: Die beiden flockigsten Basler Locations kooperieren letzterzeitlich ja immer öfter, so auch anlässlich des AIR Festivals. Und auch an diesem 12. September tun sich Hinterhof und Nordstern zusammen, um gemeinsam zu rooftopen. Und da die beiden

Marken verpflichten, tun sie das nicht zu Wurst und akustischer Gitarre, sondern zu feinstem argentinischen Grillfleisch und Sets von DJs wie Archie Hamilton, Gianni Callipari, Honoree und Michael Berczelly. Und damit die Sets auch stilecht und fachgerecht ans Trommelfell weitergeleitet werden, zügeln Agi und Dan vom Nordstern auch ihre L-Acoustics-Anlage auf die Hinterhof Dachterrasse. Ab 15:30 geht’s los und wer hier nicht mitfeiert, der ist definitiv selber schuld.

12. September: Ausgebüxt mit Matt John in Friedas Büxe Frieda ist wieder da. Nicht erst seit heute, sondern schon seit dem 8. August. Vorher war sie ein paar Wochen im Dschungel und hat die Ferien damit verbracht, neue Pfeilgiftfrösche zu entdecken. Oder sowas in der Art. Womit das auch hinlänglich geklärt wäre, also ab zum Eingemachten: Matt John ist der König der Langstreckenspieler. Geboren in Nordhausen bei Erfurt und damit nicht eben am Nabel des länderübergreifenden Discokugelns, hat es Matt John schon kurz nach Erreichen des auszugsfähigen Alters nach Berlin verschlagen. Vor 15 Jahren hat er für Dapayk seinen ersten Remix angefertigt und dank seiner ausufernden (zeitlich wie auch musikalisch) Sets bugsierte er sich schon bald in den Ruf der Berliner König des Afterhourings zu sein; insbesondere seine nie enden wollenden Gigs in der Bar 25 sind legendär. Ricardo Villalobos sagt über ihn,

er sei der „Don of sensual techno“ und er selbst beizeichnet seinen Sound bevorzugterweise als „holographic“.

Dal Nastro: Claude Hunkelers neue Wirkungsstätte

Seit knapp zwei Jahren verfügt die Zürcher Innenstadt mit dem Dal Nastro über einen gastronomischen Hybriden, der ein innovatives Foodkonzept mit Nightlife kombiniert. Und wie jede neue Location hat auch das Dal Nastro etwas Zeit gebraucht, um sich zu finden. Das scheint den Betreibern nun aber gelungen zu sein: Mit Start

der neuen Partysaison wird Claude Hunkeler (ehem. Das Haus und Hiltl Club) dort ein neues Programm installieren. Dass Hunkeler innovativ arbeiten kann, hat er mit dem Haus bereits bewiesen. Obschon das Projekt leider nicht den erwarteten Erfolg hatte, so war doch die einhellige Meinung, er hätte damit neue Wege beschritten. Dennoch wird Hunkeler den Nightlife- nicht vom Restaurantbetrieb abkoppeln, sondern hat (auch in Zusammenarbeit mit den Inhabern Alexander und Michael Manz) das bestehende All-In-OneKonzept weiterentwickelt. So werden die Freitage und Samstage von 18 Uhr bis 4 Uhr morgens mit Apero, Dinner und Dancing durchgestaltet, die Events heissen „Spaghetti Funk“ und „Chiceria“ – der Eintritt ist frei – all night long. Hunkeler: „Wir wollen Gastronomie zelebrieren: Stilvolle Musik, feines Essen, tolle Drinks, guter Wein, dazu Tanzen mit einem Publikum, das Qualität schätzt und dem wir Lebensfreude vermitteln können“.

Hinter dem Projekt Sound Nomaden verbirgt sich einer der umtriebigsten deutschen Electro Swing DJ’s, Produzenten und Blogger. Er war einer der ersten hierzulande, der durch seinen energetischen und positiven Mix aus alten Swing- und Vintagesamples mit wummernden House und Tech-Beats die Dancefloors zum kochen brachte. Für seine Veröffentlichung von dem Stück “The Trumpet” auf der deutschen Compilation „The Electro Swing Revolution Vol. 2″ gab es großen Support aus der weltweiten Electro Swing Szene und mehr als 500.000 plays auf Youtube. Durch seine zahlreichen internationalen Live-Gigs (u.a. Melbourne,

Paris, London, Brüssel, Zürich, Berlin, München) wurde er bei den Electro Swing Awards 2012 als “Best Electro Swing DJ Live Act” ausgezeichnet. Im September 2014 veröffentlichte Sound Nomaden das langersehnte Debütalbum “Madame” auf seinem eigenen Label Nu Bohème Recordings. Auf dem Album mixt Sound Nomaden geschickt hippe Clubbeats und energiegeladene Synthesizer mit Swing, Jazz, Folk, Ska und sogar Klassikeinflüssen. Zusammen mit dem Gastmusiker MSP, der auf der Bühne durch seine ausdrucksstarken Live-Sax Improvisationen fasziniert, erschafft Sound Nomaden Live eine perfekte Symbiose zwischen alt und neu.

26. September: Lapcat in der Zukunft

Bisweilen macht es Sinn eine Bio abzutippen. Beispielsweise wenn eine Band viel zu unbekannt ist für das was sie kann. So wie Lapcat: Das interkontinentale Trio Lapcat, bestehend aus Cat Coslor, Kwest und Jean Jacques, kombiniert Schweizer Coolness mit amerikanischem Fun. Geboren aus der Hingabe für kreative Expression und Inspiration aus dem alltäglichen Leben, bedient sich Lapcat in der Vergangenheit um neue Wege in die Zukunft zu beschreiten. Ihre Musik bewegt sich zwischen melodiösen Vocals

und elektronischen Beats, zwischen Hip Hop-Rhythmen und dezent eingesetzten Instrumentalpassagen. Kurzum: Die Musik Lapcats ist wie dunkle Schokolade mit Chili – bittersüss und scharf zugleich. „Trickster, Trickster“ heisst ihr Debütalbum und komponiert wurde es in Santa Fe und Zürich. Nun kommen Lapcat also für einen Gig in die Zukunft und damit in einen Club, der seine Musik ebenso lebt und liebt wie Lapcat selbst. Also kommt hier und an diesem Abend zusammen, was zusammengehört. Hingehen!


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INTERVIEW MIT EINEM KÜNSTLER 1. Juli 2015 Jelena Keller Der 26-jährige Levin Bräu ist Theatermaler am Opernhaus Zürich. Ich habe ihn per Zufall auf Facebook entdeckt und war erstaunt über die Bandbreite seiner künstlerischen Tätigkeit. Noch erstaunter war ich darüber, dass ich zuvor nie von ihm gehört oder gelesen hatte. Wir trafen uns also um darüber zu sprechen, wieso das so ist. Auch noch darüber, was richtige Künstler sind, wieso er gerne Frauen malt, wieso heutzutage niemand von sich behaupten kann er hätte etwas erfunden und wieso Generation Y genauso in gesellschaftlichen Korsetts denkt wie ihre Vorfahren.

man unbedingt fördern. Haben wir Platz für all die Künstler? Was wir uns nicht bewusst sind: Wir sind allgegenwärtig mit Kunst konfrontiert. Wenn wir am Abends nach Hause gehen und die Zeitung aufschlagen, dann den Fernseher einschalten – ist da immer Kunst. Man muss sich fragen, was da alles passiert ist, bis es im Fernsehen so aussieht wie es aussieht. Wenn wir in Galerien gehen, in einem schönen Restaurant sitzen – das sind alles Leute mit künstlerischem Background, die da mitgewirkt haben. Viele von ihnen werden keinen Durchbruch haben und der neue Picasso werden, aber sie werden erfüllt sein in ihrem Job. Bei jedem Beruf muss man sich fragen, ob es Platz für all die Abgänger haben wird. Man passt sich dann an den Markt an und findet seinen Weg. Es ist aber wichtig vorerst mit dem leidenschaftlichen Herzen entschieden zu haben und dann weiterzusehen.

Ich hab deine Bilder per Zufall gesehen auf Facebook. Du hast keine Medienpräsenz, nicht mal eine Webseite. Wieso? Der Hauptgrund ist, dass ich einen Vollzeitjob als Theatermaler habe, der mich erfüllt. Ich war mir nicht sicher, wie viel Raum ich meiner Kunst überhaupt geben möchte. Während meiner Zeit am Theater habe ich Bilder auf Facebook geladen, die dann immer mehr Anklang fanden. Irgendwann kamen Aufträge herein. Vordergründig stand nie, gross mit dem Geld zu verdienen.

Denkst du das Klischee vom Künstler kommt aus der Zeit der Pariser Aktmalerei als Maler noch anrüchig waren, weil sie nackte Körper skizzierten? Ja, Künstler waren damals Menschen, die sich bewusst gegen gesellschaftliche Zwänge entschieden hatten und somit auch gegen das Geld. Sie starben mausarm. Heute haben wir das nicht mehr, jeder möchte mit seiner Kunst Geld verdienen. Somit stellt sich die Frage: Wer ist noch mit Herzblut dabei?

Wieso nicht? Ich wollte mich nie in die Kunst pushen, es entstand mehr aus Spass und eigenem Interesse oder Freude an der Materie. Es gibt unglaublich viele unglaublich Talentierte Künstler, ich wollte mich nicht auf die gleiche Stufe stellen und mir anmassen, dass ich genug gut bin. Ich gehe einfach meinem Hobby nach und schaue was passiert.

Du bist gemäss Klischee kein typischer Künstler. Du hast einen 8 bis 5 Job und eine langjährige Freundin.

Bist du nicht genug selbstbewusst oder ambitioniert? Das würde ich nicht sagen. Seit ich mit der Lehre fertig bin, habe ich grosse Fortschritte gemacht, Stile und Techniken ausprobiert. Hätte ich mich immer toll gefunden, hätte ich mich nicht weiter entwickelt.

Techniken konnte ich dann zu hause für meine eigenen Werke verwenden. Dafür bin ich dankbar.

Willst du nicht populär sein?

Du hast viele Bilder von nackten Frauen, was ist das für eine Sehnsucht?

Ich frage mich, ob ich die Energie aufbringen möchte um eine Masse zu erreichen. Und wenn ich sie dann erreicht habe, ob immer wieder die gleichen Erwartungen an mich erfüllen möchte. Man entwickelt sich nicht weiter. Man kann ich der heutigen Zeit schnell einen Hype auslösen. Vielleicht könnte ich das auch. Aber es reizt mich bis jetzt nicht richtig.

Ein Frauenkörper ist etwas vom allerschönsten auf diesem Planeten. Aktmalerei zieht sich durch alle Kunstepochen hindurch. Ich bin eigentlich glücklich und nicht besonders sehnsüchtig in diesem Bereich. Die Anatomie des Menschen ist für mich etwas wahnsinnig spannendes. Wenn ich mich aber entscheiden muss, male ich lieber eine Frau als einen Mann.

Du hast eben das Glück, das du den richtigen Job ausgesucht zu haben. Es gibt wenige, die das von sich behaupten können.

Sind das Fantasien oder Modelle?

Ja das stimmt. Ein riesen Glück. Es gibt nur 2 Lehrplätze pro Jahr für Theatermaler. Das ist mitunter ein Grund, wieso ich mein Zeug nicht extrem vorantreibe. Wenn ich ein unzufriedener Mensch wäre und einen Ausweg aus der Misere suchen müsste, dann würde ich ganz anders handeln. Denkst du, dass es gar keinen Spass mehr macht, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, weil man nur noch muss, statt zu wollen? Mein Hobby ist gleichfalls mein Beruf. Ich lernte als Theatermaler eher Techniken kennen, als das kreative Malen. Das Imitieren von Flächen, wie etwa eine Backsteinwand so gut auf Karton zu malen, dass sie echt aussieht. Diese

In den letzten sechs Jahren war meine Freundin immer eine grosse Muse von mir. Ich habe aber auch Frauenkörper aus dem Internet oder von anderen Künstlern interpretiert. Ich habe jetzt nicht Zugriff auf endlos viele nackte Frauen, wenn du das meinst. (lacht) Schade. Das wollte ich nicht hören. (lacht) Was malst du am liebsten? Gegenständliche Sachen. Ich bin kein abstrakter Typ. Ich male gerne einen experimentellen Hintergrund und im Vordergrund dann ein Objekt. Es ist aber meistens erkennbar, was es ist. Vögel mag ich. Die sind für mich das Sinnbild von Freiheit. Was inspiriert dich? Heutzutage können nur sehr wenige

Leute von sich behaupten, sie hätten etwas erfunden. Auch ich nicht. Die alten Maler haben schon so viel enorm gutes Zeug gemacht, da schauen alle Neuen irgendwie ab. Picken ihre Rosinen heraus und verwirklichen eigene Dinge. Ich lasse mich immer von anderen inspirieren wie etwa Alphonse Mucha mit seinem Jugendstil oder Impressionisten wie Magritte. Oder diversen von Streetartisten. Ich kopiere meistens aber nicht. Ich sehe oder höre etwas und das regt meine Fantasie dazu an, ein eigenes Konzept zu entwickeln. Es ist ein Impuls in einem passenden Moment. Menschen, Tiere, Fotografien, Musik, das inspiriert mich. Oder auf Instagram, da siehst du so viele unglaublich gute Inspirationsquellen. Ich bin Fan von Menschen, die den Mut haben einfach etwas hinzumalen, einfach mal zu probieren. Egal was. Jetzt war gerade so ein kleiner Medienhype um den Künstler und Tätowierer Raphael Bühlmann. Wie findest du ihn? Er ging mit mir in die Berufsschule. Er ist ein sehr netter, kreativer junger Mann, den ich sehr respektiere. Raphael macht Kunst mit Herzblut, er ist überall präsent, er hat sich selbstständig gemacht hat und Mut hatte dazu. Er ist ein direkter Typ und das passt vielen nicht. Aber da lässt er sich nicht allzu arg beeinflussen. Er polarisiert und ist in meinen Augen ein richtiger Künstler. Was ist ein richtiger Künstler? Das ist jemand, der sich diesen Titel nicht selbst verleiht. Einer auf den Leute zukommen und sagen: „Shit, dein Zeug

ist so geil, du bist ein richtiger Künstler!“ Leute die du fragst, was sie so machen und die dann nicht antworten: „Ich bin Künstler“. Es ist ein sehr ausgelutschtes Wort. Ich kann das nicht ernst nehmen. Raphael hat mich übrigens tätowiert. Zeig. (Zeigt Oberarm mit Frauenmotiv im Stil von Alphonse Mucha mit vielen weiteren Motiven) Die Zeichnung habe ich entworfen und ihn gefragt, ober Lust hätte das umzusetzen. Ist meiner Meinung nach gut herausgekommen. Sieht geil aus. Wie findest du Banksy? Ist auch so ein Hype. Ich finde er macht gute Sachen, ist gesellschaftskritisch, das gefällt mir. Ich finde nur komisch, dass jeder, der irgendwo eine Schablone sieht, gleich sagt das sei Banksy. Das geht einem dann irgendwann ein bisschen auf den Zeiger. Es gibt wahnsinnig viele Leute, die cooles Zeug machen, die nicht so berühmt sind. Die Generation Y will Künstler sein und das Image davon unbedingt verkörpern. Der Spezielle, Unangepasste, Gesellschaftskritische, Wilde, Sexuell freie sein. Das sind so Korsetts in welche sich vor allem junge Leute reindrücken möchten. Und damit genauso vorgeformt denken, statt für sich herauszufinden, was sie wirklich erfüllt. Sie sind auch diejenigen, die in meinen Augen nicht wahnsinnig krasses leisten. Andererseits ist es sehr schön, dass Menschen, die kreativ sind, eine Plattform geboten wird. Das soll

Ich nenne mich nicht Künstler. Ich bin einfach ein Typ der sehr gerne malt. Viele mögen mich einen Idioten finden, weil ich kein Szeni bin. Ich bewege mich nicht in dieser Szene, weil ich sie nicht brauche um zu malen. Ich weiss gar nicht wer das ist und wer das macht. Ich muss auch nicht polarisieren oder provozieren, wie es heute oft erwartet wird. Leute, die krampfhaft versuchen diesen Klischees zu entsprechen, sind für mich lächerlich. Ein Aufmerksamkeitsdefizit: „Hallo! Ich bin auch noch hier, ich mache auch noch was!“ Die schreiben dann zu jedem bisschen, das sie machen einen doppelseitigen Roman, damit man überhaupt versteht was das ist. Die fragen mich dann so: „Was hast du dir da genau überlegt?“ Und ich sage: „Gar nichts, ich hatte da keinen roten Faden drin.“ Und sie so: „Das ist ja voll scheisse. Einfach öppis.“ (lacht) In meinen Augen muss Kunst im Menschen einfach irgendetwas auslösen, ohne dass ich ihnen erklären muss, was sie zu denken und fühlen haben. Facebook Profil Levin Bräu Bilder: Levin Bräu

Austellung

«Einmal mit Allem und scharf Bitte» Ausstellung während fünf Wochen jeweils Freitag 17.00 bis 19.00 Uhr und Samstag/Sonntag 15.00 bis 18.00 Uhr Finissage: Sonntag, 13. September. Kulturpavillon, Zürcherstr. 30, 9500 Wil


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I <3 NEID

13. August 2015 Michèle Binswanger Seit Jahren verfolge ich bang, wie Experten uns vor der neuen psychologischen Gefahr warnen, die der Menschheit durch Facebook droht. Demnach werden wir bald alle depressiv, denn wer sich dauernd das aufgehübschte Leben anderer ansieht, endet unglücklich, besonders unausgereifte Persönlichkeiten. Weil die armselige Existenz eines jeden von uns angesichts der Herrlichkeiten aus dem Leben anderer noch mickriger erscheint, selbst wenn sie alles andere ist. Das ist wie beim Gerangel um die Superyachten, dem sich die Extremsuperreichen gern hingeben. Wer sich eine für 50 Millionen leisten kann ist immer noch neidisch auf den Emir von Kathar, der eine für 300 Millionen hat. Ich habe die Yacht in meinen Ferien am Mittelmeer gesehen, ein hässliches Teil. Den Emir habe ich auch gesehen und besonders glücklich wirkte er nicht. Aber so funktioniert der Mensch. Erst ist er neidisch und am Ende ist er traurig. Nur ich nicht, denn ich war gerade eben gerade am Mittelmeer, habe mir all die Yachten angesehen und es war Bombe. Die Strände weiss, das Meer azurblau, der Himmel rotgolden zum Sonnenauf- und Sonnenuntergang, zum Niederknien das alles, die Menschen schön und braungebrannt und happy. Und obschon ich mich bislang auf Fa-

cebook immer demütig zurückgehalten hatte mit Post aus meinem Leben, um die Welt nicht zu einem schlechteren Ort zu machen, als sie ohnehin schon ist, konnte ich diesmal nicht widerstehen. Zu schön waren meine Urlaubsfotos, Meer, Sand, Palmen, also machte ich mir einen Spass daraus, den Neid der zu Hause gebliebenen zu wecken. Und all der Nordsee- und Grossbritannienreisenden, die irgendwo in Funktionsbekleidung an windgepeitschten Küsten im Regen stehen und oh, wie sie den „Gefällt mir“ Button bearbeiteten! Ich beobachtete es mit dem sardonischen Grinsen einer Frau, die weiss, dass mit jedem Klick irgendwo ein Serotoninpegel in den Keller sackte. Hach, wie war das schön. Doch irgendwann ist jede Party vorbei. Zeit meinen eigenen Serotoninspiegel mal einem Realitätscheck zu unterziehen. Und der fällt bitter aus, wenn man von einem Ort mit dem Motto „blauweiss und schön“ in die Schweiz zurückkehrt. Dann schleicht sich die Ernüchterung so unangenehm in die Knochen wie die Feuchtigkeit der grauen Wolkenschleier, die sich schon vor der Grenze ankündigen, komplett mit traurigen Laubwäldern und Autobahnen, die mehr Baustellen aufweisen als ein Sofa Löcher, nachdem eine Horde

Hippies darauf nie Nacht durchgekifft hat. In Olten nahm ich den Zug nach Zürich und es folgte der zweite Kulturschock. Mausgraue Sauertopfmienen und schlecht gelaunte Punks am Bahnhof. Nur der besoffene Junkie verbreitete gute Stimmung, bevor er bei einer wilden Pirouette mit dem Gesicht voran zu Boden fiel und nicht mehr weitersingen konnte. Das ist also die saubere, reiche Schweiz, sagte ich mir und bestieg schaudernd den Zug nach Zürich. Am Bahnhof Enge stieg ich aus und hier ein ähnliches Bild. Zumindest was die Mienen anbelangte. Die Kleider hingegen waren sauber und von feinerem Tuch, dafür die Begegnungen angesichts meiner heimreisenden Gepäckzumutung missbilligender. Randständige gab es allerdings auch, jedenfalls meinte ich eine solche zu erkennen in der bleichen Frau mit dem grauen, strähnigen Haar, die mit geschürzter Oberlippe an mir vorbeischlurfte, als ich mir im Migros ein Wägelchen schnappte. Hinter ihr her trottend und ihre Einkäufe analysierend, kam ich allerdings zu einem anderen Schluss. Die Frau war keine Randständige, sondern offensichtlich Veganerin – was im Endeffekt etwa auf dasselbe herauskommt. Eine Sekunde dachte ich darüber nach, mein Handy zu zücken und einen Facebook-Eintrag dazu zu verfassen. Aber ich liess es bleiben. Mitleid ist weniger befriedigend als Neid. Nachtrag: Ich brauche übrigens auch kein Mitleid. Ich sitze in der Küche, draussen ist eine laue Sommernacht, wahrscheinlich eine der letzten. Die Fenster stehen offen und irgendwo im Hinterhof sitzt eine Gesellschaft unter den Bäumen, Fetzen ihrer angeregten Gespräche klingen gelegentlich herauf, interpunktiert von Frauenlachen. Irgendwo spielt jemand auf einem Flügel Goulds Goldbergvariationen. Die die schönste Musik, die man sich denken kann. Das Leben ist schön.

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DOUBLETAKE DIE ZWEITE: DIE SCHON BEIM ERSTENMAL HINGUCKEN GEILE TOP5 DER GEILSTEN PICS IM NETZ WO MAN ZWEIMAL HINGUCKEN MUSS UM ZU CHECKEN, WAS DA EIGENTLICH LOS IST

2. Februar 2015 Midi Gottet Vieles davon ist beim ersten Hingucker absolut nicht jugendfrei aber beim zweiten Hingucker plötzlich im grünen Bereich. Also chillt erstmal eine Runde, bevor ihr hier die Sitte alarmiert.


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VOM EINKAUFEN IN DEUTSCHLAND UND DEM SCHLECHTEN GEWISSEN 11. Februar 2015 Dominik Hug So alle paar Monate gehe auch ich über die Grenze einkaufen. Vorwiegend Waschmittel und Pflegeprodukte. Nicht wahnsinnig viel. Aber genug um mir das Gefühl zu geben ein paar Franken gespart zu haben. Was ich auch tue. Denn ein Deo für 2,50 Euro ist schon eher mit einem realistischen Preis verbunden als etwa 6,00 CHF für das gleiche Produkt in der Schweiz. Nun wird mir aber weisgemacht, dass ich ein schlechtes Gewissen für meine wenigen Auslands-Schnäppchen haben muss. “Ein richtiger Patriot lässt sein Geld in die Schweizer Wirtschaft fliessen” oder “Der heimische Markt muss unterstützt werden! Unsere Lokalen Geschäfte brauchen dein Geld!” Und das ist natürlich ebenso richtig. Deswegen renne ich nicht für jeden Brunz über den Zoll, sondern kaufe mein Fleisch, mein Delicorn und auch meine Filme und Bücher (Ja, ich bin old school und kaufe ab und zu mal noch einen Film oder ein Buch) praktisch nur in der Schweiz. Patriotismus wiederhergestellt? Aber wenn ich dann sehe, wie mies die Schweizer Behörden teilweise die anständig arbeitende Bevölkerung behandeln muss ich den mir vorgeworfenen fehlenden Patriotismus schon etwas hinterfragen. Sozialarbeiter, die ihre Arbeit in etwa so seriös machen wie Donald Duck auf LSD, Einstelltage beim RAV für absolut nichts und wieder nichts, dabei hast du jahrelang brav deine Beiträge bezahlt oder, wie gerade aktuell in den Medien, ein junger vom

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Sozialamt abgewimmelter Mann der sich nichts mehr zu essen kaufen kann und anstatt mit einer Dose Ravioli mit der Antwort per Autostopp ins nächste Spital oder zu den Pfarrer-Sieber-Hilfswerken zu fahren abgestraft wurde. Also bitte Sozialamt Langnau, eine Dose Prix Garantie-Ravioli kostet gerade mal 2,70 CHF. Aber ich soll mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen, wenn ich ein paar Franken durchs Einkaufen im Ausland einspare und meinem Land “Schaden zufüge”, während der soziale Apparat einem hungernden Mann nicht mal eine Dose Ravioli spendieren kann? „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage lieber, was du für

dein Land tun kannst.“, sprach einst der grosse John F. Kennedy. Nun, vielleicht sollte dieses Spruch besser lauten “Frage nicht, was deine Mitmenschen für dich tun können. Frage lieber, was du für deine Mitmenschen tun kannst.”, denn das Land wird regiert von einer ziemlich undurchschaubaren Maschinerie und von Sozialwerken, die für die schwächer Bevölkerungsschicht absolut notwendig sind, jedoch von einem Haufen Maniacs gesteuert werden, die sich entweder nicht um die einzelnen Menschen in Problemsituationen kümmern oder schlichtweg einfach zu dumm oder zu faul sind diesen Job richtig zu machen.*

DAS MUSS MAN NICHT HABEN: ADS, DIE EINEM DIE LUST AUF DEN BEVORSTEHENDEN AUSGANG SO RICHTIG IN DEN HINTERN REITEN

13. Februar 2015 Midi Gottet. Danke Clareva. Gibts euch auch als Lipgloss?

Desaster Sonnentanz 10. August 2015 Alex Flach Es gibt Leute, die interpretieren die japanischen drei Affen, die den Umgang mit Schlechtem symbolisieren, dahingehend, dass jeder der drei Affen sechs Hände hat, um sich gleichzeitig Ohren, Mund und Augen zuzuhalten. Zu diesen Leuten zählen auch die Macher des Sonnentanz Festivals. Beginnen wir am Anfang: 2014 fand bei Jonschwil das erste Sonnentanz Festival statt. Ein Fiasko. Diverse der Artisten sind gar nicht erst aufgetreten, weil sie die vereinbarte Gage nicht erhalten haben. Der Grund dafür war eine beeindruckende Misswirtschaft des Teams um Thomas Kolar, der bereits früher immer wieder mal durch unwürdiges Veranstaltergebahren auf sich aufmerksam gemacht hat. In der Folge betrieben die Organisatoren auch noch Zensur in den sozialen Medien, indem sie kritische Kommentare gelöscht und gefakte Lobpreisungen in die einschlägigen Foren gepostet haben.

dern so tun, als ob sie keine Ahnung hätten, was sie hier machen, wollen wir ihnen mal erklären, warum es Beschiss ist, selbst wenn sie nicht bereits am Morgen wussten dass sie den Headliner nicht bezahlen können und so billigend in Kauf genommen haben, dass viele Besucher noch eben wegen diesem Headliner Eintritt bezahlen obwohl er gar nicht auftreten wird. Weil: Wenn man bei der Erstausgabe dermassen viel Scheisse baut, dann schaut man bei der zweiten, dass es nicht wieder vorkommt. Man bucht ein Line Up das man sicher bezahlen kann und wenn das halt keine wirklich namhaften DJs beinhaltet, dann macht man ein kleineres Festival, selbst wenn man noch 100 Ausgaben machen muss, bis man alle Löcher gestopft hat.

…man konnte davon ausgehen, dass das Sonnentanz ein einmaliges Ärgernis bleiben wird, sah sich aber schon bald getäuscht. Spätestens mit der Ankündigung des zweiten Sonnentanz im Aargauischen… Und siehe da: The same procedure as last year. Wieder wurden Headliner kurz vor deren Auftritt abgesagt (obschon dem Vernehmen nach bereits am Morgen klar war, dass man die nicht zahlen kann). Von der Bühne aus, was ein Pfeifkonzert und fliegende Mülltonnen zur Folge hatte. Dazu kam, dass dieses Mal offenbar auch bei den Bühnen gespart wurde: Diese lagen bisweilen so nahe beisammen,

dass man als Festivalbesucher den Sound aus drei unterschiedlichen Quellen gleichzeitig im Ohr hatte. Alles war billiger Jakob, Unterschlagung von Informationen und Leitungswasser als Wein verkaufen. Warum tun diese Leute das? Warum ziehen sie tausende EDM-Nasen dermassen über den Tisch, obschon ihnen klar sein sollte, dass es aus dem

Wald schallt wie man hineinruft? Anscheinend hat das erste Sonnentanz einige Beteiligte dermassen hart an die ruinöse Wand gefahren, sodass sie nun noch weitere Festivals machen MÜSSEN, um dieses Loch wieder zuzuschütten. Das Sonnentanz Festival ist seit der Erstausgabe kein Festival mehr, das den Leuten Freude schenken soll, sondern nur noch ein Instrument der Minusloch-

Stopfung. Dass man versucht solchen Verpflichtungen nachzukommen ist nur rechtens, aber nicht indem man andere bescheisst und ja: Was dieses Jahr gelaufen ist, ist TATSÄCHLICH Beschiss. Um auf die drei Affen am Anfang zurück zu kommen und weil sich die Sonnentanzmacher nicht etwa einsichtig und reumütig zeigen son-

Wer Eintritt an ein Festival bezahlt, hat Anspruch auf das Line Up das ihm versprochen wurde. Punkt und keine Ausreden. Wenn man das als Veranstalter nicht bieten kann, wird das Eintrittsgeld (zumindest teilweise und anstandslos) zurückbezahlt. Punkt und keine Ausreden. Und wer zweimal hintereinander eine solche Scheisse baut, der kriecht zu Kreuze und entschuldigt sich bei allen Betroffenen. Punkt und keine Ausreden. Und was er sicher nicht tut, ist kritische Kommentare aus Foren löschen. Punkt und keine Ausreden. Es ist gut möglich, dass der Ursprung allen Übels einzig und alleine bei Thomas Kolar liegt und dass andere nun dessen Fehler ausbügeln und irgendwie schauen müssen, dass sie wieder aus dem Loch kommen. Aber das läuft nicht, indem man vorsätzlich andere über den Tisch zieht.


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BÜROTYPEN, DIE MAN IN JEDER FIRMA FINDET TEIL 9 4. Februar 2015 Dominik Hug Der Reality TV-Glotzer Er lebt für DSDS, das Supertalent, das Dschungelcamp, Popstars, GNTM, Let’s Dance, Let’s Koch oder Let’s Bau ein Eigenheim und wie die Formate doch alle heissen. Er glaubt, da drin ist alles echt. Und er schämt sich nicht öffentlich im Büro darüber zu sprechen. “Hey, hesch geschtert gseh wie dr Walter im Dschungelcamp duuredreit und die dummi Gans über s Chnüü glegt het?” oder “Die Rebecca, die tanzt wie e Göttin. Also unglaublich toll und guet und so”. Reality-TV Glotzer wirken nerdig und müssen ob des fehlenden Sexuallebens zutiefst bedauert werden. Der ÖV-Hasser Er ist der moderne Cowboy und wie Lucky Luke ist auch er stets mit seinem Jolly

Jumper unterwegs. Jedoch ist sein Ross kein geschwätziges Pferd, sondern ein Benzin saufender Wagen. Den benutzt er für alles, für die 500 Meter ins nächste Coop oder aber garantiert für den fünfminütigen Arbeitsweg, denn öffentlicher Verkehr ist für ihn eine Zumutung. Also zumindest der mit Zug, Tram oder Bus. Der ÖV-Freak Er liebt Bus. Er liebt Tram. Er liebt Zug. Er weiss alles über die neue Lok der SBB. Er kennt die Gleisabstände von DB, BVB, BLT oder BLS auswendig und die eine Stelle, wo das Tram Nummer 27 kurz auf 80 Sachen beschleunigt, diese Stelle findet er richtig fetzig und spricht auch gerne darüber, wie toll oder wie schlecht der Tramführer diesen Abschnitt heute morgen doch gefahren ist. Der ÖV-Freak ist auch gerne in Tram-, Bus- oder Zugforen unterwegs und tauscht sich gerne mit Gleichgesinnten aus. Im Modellei-

RABDe 500 ist er besonders stolz. Wir empfehlen ÖV-Freaks zu meiden. Sie sind einfach nur peinlich und werfen ein schlechtes Licht auf Sie und Ihr sicherlich viel cooleres Leben. Der tiefe Blick Da ist stets ein Knopf zu weit offen. Oder auch zwei. Da unten, im Dekolleté. Und man könnte auch vom Mars noch reinschauen. Auch wenn es sich nicht lohnt, denn das Gezeigte hat seine besten Jahre schon lange hinter sich gelassen. Und zudem, an Volumen ist da auch nix. Aber der Knopf ist offen. Weit, sehr weit. Und jeder Mann schaut drauf. Auch wenn er eigentlich gar nicht will. Und wehe er wird beim Gaffen erwischt, dann setzt es einen Todesblick. senbahnclub kann er zudem auch im Real Life seiner Begeisterung fröhnen und auf sein limitiertes Modell der SBB

Der Schoggistoss Er bot dir einst einen Schoggistoss an. Und du kannst es nicht vergessen. Und

ja, er meinte definitiv “Soll ich dir auch etwas Schokolade aus dem Selecta Automat holen?” und nichts anderes. Und doch hat er dich diese vermeintlich intime Frage in der abgedunkelten und trauten Zweisamkeit eures Büros an einem einsamen Spätnachmittag auf dem halbverlassenen Stockwerk gestellt. Die Kühlschranksau Der verschimmelte Käse oder das seit Wochen stinkende Thonsandwich, welches sich schon von alleine hin und her bewegt. Siehst du eines dieser Dinge beim öffnen eures Frigos, dann weisst du, die Kühlschranksau hat zugeschlagen. Kühlschranksäue halten ihre Identitäten in etwa so bedeckt wie Batman. Und sie sind einfach nur grusig und man darf sich beim Blick auf den vergammelten Cervelat gerne fragen, wie die Körperhygiene einer Kühlschranksau so ausschaut.

EIN TAG IM LEBEN VON: ERNA B., MITARBEITERIN DES KOMMISSARIATS KONTROLLE RUHENDER VERKEHR (KRV) TEIL 2 11. August 2015 Pete Stiefel Was bisher geschah: Teil 1 Ich habe mich mit Frau B. für heute Morgen verabredet, weil heute Montag ist, und Frau B. an Montagen gemäss eigener Aussage die Arbeit schon mal eine halbe Stunde ruhen lassen könne. Kontrolliert denn niemand, ob die Kontrolleure des Ruhenden Verkehrs ruhen? wollte ich sie fragen, habe es dann aber dem Frieden zuliebe bleiben lassen. Schliesslich wollte ich unser Treffen nicht noch in letzter Sekunde vermasseln. Das wäre dann wohl das Kommissariat Kontrolle Ruhender Verkehr Ruhe Kontrolle. Item. Ich bin etwas früher als vereinbart da, in diesem Kaffee, an dieser Strasse, bei diesem Platz, wo ich mich diesem Lebewesen einer anderen Welt anzunähern gedenke. Psychisch. Ich erstehe an der Theke einen doppelten Espresso, weil ich an Montagen immer müde bin, an Vormittagen generell. Und ein furztrockenes Blätterteiggebäck, weil ich mich auch physisch etwas auf das sich nähernde Ereignis einstimmen möchte. Ich setze mich an den hintersten Tisch in der linken Ecke, mit dem Gesicht zur Wand. Das mache ich immer so, wenn ich jemanden treffe, mit dem ich nicht zusammen in der Öffentlichkeit gesehen werden möchte. Das erspart mir unangenehme Fragen, sollte plötzlich jemand aus meinem Bekanntenkreis auftauchen, was mir am Tisch mit einer älteren Dame in Politessenuniform ganz besonders unangenehm wäre. Meine Vorfreude ist in etwa so gross, wie wenn ich mit Durchfall im Wartezimmer meines Zahnarztes aufs bevorstehende Ziehen von vier Weisheitszähnen warten würde. Mit Keuchhusten, Migräne und Bandscheibenvorfall. Gedankenverloren blättere ich in meinem Notizbuch und denke mir, wie schön es jetzt doch im Bett wäre. Und dass ich die Parkbusse einfach hätte bezahlen können und die Kuh eine Kuh sein lassen. Da spüre ich plötzlich, wie es hinter mir merklich kälter wird, augenblicklich stellen sich meine Nackenhaare auf, eine negative Energie breitet sich in Windeseile im ganzen Kaffeehaus aus, und ich drehe mich langsam und angespannt zur Seite. Im Augenwinkel erfasse ich einen dunklen Schatten, eine Person, die etwa einen Meter hinter mir steht und sich nicht mehr rührt. Ich drehe mich ganz

um und erkenne nun, dass es sich nicht um den Leibhaftigen handelt, sondern lediglich um seine rechte Hand. Ich reiche die meinige: „Grüezi, Frau B.. Nehmen Sie doch bitte Platz.“ Frau B., wie geht es Ihnen? Was macht die Arbeit? Haben Sie der Staatskasse schon ordentlich Freude bereitet in der noch jungen Woche? (Ich erschrecke ein wenig, wollte ich doch einen sanften Einstieg in dieses Interview, und nun habe ich mich schon mitten in die Nesseln gesetzt. Wobei: Schonen? Wozu schonen? Hat SIE mich geschont? Hat JEMALS JEMAND ihrer Berufsgattung auch nur EINEM EINZIGEN MENSCHEN auf diesem Planeten Verständnis entgegengebracht? Gnade vor Recht walten lassen?? Einmal ein Auge zugedrückt??? A propos Zudrücken: Jetzt wäre der Moment, aufzuspringen, über den Tisch ihren Hals zu ergreifen und zuzudrücken und… Ich beruhige mich, atme tief durch. Ruhig Blut. Es geht mir gut, danke. (Ein vollständiger Satz! Aus diesem verkorksten Mund, dem vertrockneten Schlund!) Am Montagvormittag ist noch nicht viel los, deshalb konnte ich mir auch etwas Zeit frei machen. (… und sich zu mir in die Höhle des Löwen setzen! WART. DU. NUR…) Danke, dass Sie sich bereit erklärt haben, dieses Gespräch mit mir zu führen.

(Erneut erschrecke ich, jetzt allerdings aufgrund meiner unerwarteten Sanftheit, wie samtigweich sie meinen Lippen entweicht. Das ist allerdings nur eine Masche. Sobald der Drache die Toiletten aufsucht, schütte ich ihm meinen vorgemischten Zyankali-Palytoxin-Cocktail in den Kaffee und sehe ihm anschliessend genüsslich beim minutenlangen Todeskampf zu.) Ich kann mir vorstellen, dass diese Einladung etwas unerwartet kam für Sie (ich halte die Tarnung gekonnt aufrecht). Tatsächlich. Normalerweise werden wir auf unseren Rundgängen beschimpft. Von Betroffenen, denen wir gerade einen Bussenzettel ausstellen mussten – oder von Unbeteiligten, die sich über uns Kontrolleure aufregen und ihrem Ärger Luft machen wollen. Ach… (Vorsicht! Jetzt bloss nicht überschwänglichem Mitleid verfallen! Ich könnte auffliegen, dann wären meine Quäl- und Mordpläne Makkulatur.) Das ist bestimmt nicht einfach zu ertragen. Aber (jetzt nicht zu scharf rein, die Tante soll ja noch etwas leben) nun müssen Sie mir mal eines erklären: Wie kommt man dazu, einen solchen Beruf zu wählen? Es muss Ihnen in Ihrem bisherigen Leben unsägliches Leid widerfahren sein, dass Sie nun die unbändige Lust verspüren, Ihre Galle über die Menschheit auszukotzen, oder täusche ich mich da? (Jetzt

ist der Bluthund los, Leine gekappt, es gibt kein Zurück. Pech.) Sind Sie wirklich dermassen verbittert, dass Sie Freude daran empfinden, schlechte Laune zu verbreiten? (Ich komme in Fahrt! Vielleicht stosse ich sie auch einfach mit einem gezielten Tritt rücklings mit dem Stuhl zu Boden, dass sie hart auf ihren Hinterkopf aufschlägt und sich das Genick bricht!) Hören Sie, Frau B.: Ich bin ein herzensguter, grosszügiger Mensch, der andern gerne Gutes tut. Sie bewirtet, ihnen einschenkt, ihnen zuhört, gut zuredet und sie ein Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit verspüren lässt. Sie hingegen geilen sich daran auf, Unheil zu verbreiten, mit peinlich penibel penetranter Wehemenz Geld einzutreiben, unbescholtene Mitbürger vorzuführen, sie zu bestrafen, sie… (besässe ich einen Morgenstern, ich schwöre beim heiligen Sankt Fridolin, ich würde ihn jetzt kreisen lassen, ungeachtet der Tatsache, dass dabei einiges Kaffeehaus-Mobiliar zu Kleinholz würde, dass Mütter ihre Bälger bei den Krägen packen und unter lautem Geschrei übereilt, rennend, stolpernd und strauchelnd das Lokal verliessen… Gottlob besitze ich keine Waffe aus Holz und Eisen, dafür ergreife ich meinen verbalen Zweihänder nun mit beiden Fäusten und setze zum nächsten Schlag an…) Nun, ich musste mich halt für einen Be-

ruf entscheiden. Und da ich es zeitweise im Rücken habe, und ich deshalb nicht den ganzen Tag an einem Schreibpult sitzen kann, habe ich eine Tätigkeit bei der Stadtpolizei gewählt. Ich mag es, an der frischen Luft zu sein, mich zu bewegen… Weshalb sind Sie denn nicht Gärtnerin geworden? Da könnten Sie sähen, wachsen sehen und ernten… Die glückseligsten drei Dinge, denen sich ein Menschenskind hingeben kann. Aber nein! Sie verschreiben ihre Seele stattdessen der dunklen Macht, der Staatsgewalt, dem BÖSEN! (Spinnengift! Intravenös! Zucken, leiden, verkrampfen, schäumen, entschwinden… Ich suche vergeblich nach einem Holzpfahl in meiner Jackeninnentasche. Wie konnte ich VERDAMMT NOCHMAL so unvorbereitet erscheinen!) Hören Sie, ich denke, Sie sehen da etwas falsch. Ich bestrafe keine Unschuldigen, ich sorge mit meiner Tätigkeit lediglich dafür, dass Gesetze eingehalten werden. Da habe ich leider nicht viel Spielraum. Wenn eine Parkzeit abgelaufen ist, muss das Parkfeld für den nächsten Automobilisten zur Verfügung stehen. Tut es das nicht, kostet dies eine Gebühr. Auch in Ihrem Sinne, sollten Sie der Autofahrer auf der Suche nach einem freien… ES REICHT! Wir sind hier nicht vor dem Jüngsten Gericht, vor dem es Ihnen freisteht noch ein letztes Mal um Gnade zu betteln. Hier und jetzt endet Ihre Geschichte, Sie werden für sich und sinnbidlich für alle Ihre Koleginnen büssen. Sie zappeln in meiner Falle und haben aber keinerlei Chance, Ihrer gerechten Strafe zu entkommen! Sie, Sie, Sie… (Ich bin nun wild entschlossen, zur Tat zu schreiten und Kraft meines Amtes als Vollstrecker im Namen der Automobilisten-Zunft… Hallo? Hallo…? Herr, ähm… Entschuldigen Sie… (Jemand stupst mich an) Wie? Was? Wo… Wer…? (Verwundert reibe ich meine Augen und blinzle ins helle Licht) Oh… Frau B.! Guten Morgen! Ich muss wohl, wohl kurz eingenickt sein… Bitte entschuldigen Sie. Hätten Sie gerne einen Kaffee? Aber bitte setzen Sie sich doch erst. (Kaffee kommt) Frau B., wie geht es Ihnen? Was macht die Arbeit?


HOTEL HELVETIA Die traditionelle StreetparadeAfter-Party 2015. Zentral und wetterfest, mit den coolsten DJ’s und den heissesten Gästen. Samstag, 29. August 2015 ab 22 Uhr Line-up: Dejan, Reto Ardour, Gallo, After Grauer & Phil Z’viel Eintritt: 30.–

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ZUVIEL GEHEILT: DIE MIT MÄCHTIG VIEL KACKABRAUN ANGEREICHERTE TOP5 DER UNGLÜCKLICHSTEN PICS IM NETZ VON SACHEN, DIE AUSSEHEN WIE HITLER, ES ABER NICHT SOLLTEN

9. Juli 2015 Midi Gottet. Tja, war halt eine flächendeckende Image-Kampagne damals.

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DAS ENDE! ODER NICHT? 24. Juni 2015 Christian Platz „Jedes Ende sei ein neuer Anfang, meinen die Weisen. Wahrscheinlich haben sie damit Recht. Also gibt es eigentlich gar kein Ende. Und folglich auch keine wirklichen Anfänge,“ sagte Ona ernst und leise. In der Kreativabteilung der Apokalypsenmanufaktur. In jenen Nebel hinein, der sie und Al und Eve während der Arbeit umhüllte, einen Nebel, der einfach ständig da war… …wie leiser Herzschmerz oder eine schleichende Quecksilbervergiftung. Eve, eine elfenhafte Gestalt, jedoch mit einem riesigen Busen ausgestattet, einer überdimensionierten Terrasse gleich, üppig mit Blumen, vielleicht sogar mit Früchten garniert, die beinahe waghalsig vom ansonsten derart zierlichen Bau ihres Körpers abstand, hatte wie immer ihre Zwei-Ton-Flöte dabei, gewirkt aus grobem Holz. In die sie kräftig zu blasen pflegte, ohne Unterlass, wenn sie nicht gerade sprach – und sie sprach wenig -, oder ass – und sie ass wenig -, oder ihren Lover, den Herrn Musikalrat der Apokalypsenmanufaktur, der ein bisschen streng nach Leinöl roch, an seinem Hemd meist diesen berüchtigten Knopf zuviel offen liess, zudem viel älter war als Eve, mit dem Mund befriedigte, aber das kam selten vor, weil der Herr nicht mehr permanent Unzucht treiben wollte, was den vielen Jahren, auf seinem sprichwörtlichen Buckel versammelt, geschuldet war, die raren Nummern nahmen dafür zumeist einige Zeit in Anspruch… Ein Arrangement übrigens, das sich für beide recht befriedigend gestaltete. Wenn der Herr Musikalrat, ein gestandener Anhänger der Geheimlehren des Ordo Templi Orientis (O.T.O.) übrigens, und seine Eve es allerdings auf eine andere Art und Weise trieben, südlich des so genanten Blasens gelegen (manchmal gar umseitig), was schliesslich auch hin und wieder vorkam, geschah dies unausweichlich und ausnahmslos zum Klang der Zwei-Ton-Flöte… …was ihm gefiel; weil er befand, dass sie einen guten Ansatz pflege. Al, ein Bildungsbürger von Format, pflegte sich seinerseits die Innenfutter seiner beiden vorderen Hosentaschen herauszuschneiden, immer gleich nach dem Kauf eines neuen Beinkleids, da machte er keinen Hehl daraus. Also nannte er die beiden Schlitze, die da übrigblieben, „meine Durchgriffe.“ Unterhosen trug er nie. Er hatte, dank dieser Massnahmen, stets freien Zugriff auf sein Gemächt. So hielt er sich – permanent reibend und fummelnd – in einem dauernden Zustand der Erregung, der für ihn die notwendige Grundlage des Lebens, des Arbeitens darstellte. Einen Höhepunkt liess er nur ausnahmsweise zu, jeweils mit leichtem Bedauern: „Denn“, so pflegte er zu sagen, „die Erregung ist wichtiger als die Entladung, in der Erregung manifestiert sich die kreative Energie.“ Für seine Freundinnen, die venusischen Zwillingsschwestern Lana und Nala, Controllerinnen bei der Apokalypsenmanufaktur, die eine Vorliebe für hautenge silberne Overalls, gewisse Körperregionen strategisch freilassend, und das Werk von Pauline Réage (oder war es Anne Desclos?) teilten, war das recht herausforderungsreich. Die allabendlichen Orgien- und Mysterienspiele (jaja, frei nach Meister Nitsch) in ihrem trauten Dreierheim dauerten nämlich mindestens so lange wie eine Aufführung von Wagners Götterdämmerung, waren epische Kavalkaden der Ausschweifung, ohne Tabus, der fröhliche alte Richard Freiherr von Krafft-Ebing (1840 – 1902) hätte seine Freude daran gehabt, dabei wurde die Erregung gesteigert, gesteigert, gestei-

gert… Und nur äusserst selten, wenn die Zwillinge ganz lieb bettelten – oder ihm gerade danach war -, liess sich Old Al zu einem Happy End bewegen, dann war allerdings Feuerwehr total angesagt. Meistens hörte er jedoch am liebsten just in jenem Moment auf, wenn die Erregung kaum mehr auszuhalten war, mit folgenden Worten: „Und diesen Dampf nehme ich morgen mit ins Geschäft. Dort kann ich ihn prima gebrauchen. Euch beiden würde ich dasselbe raten.“ Wenn sich die Zwillinge dann halt gegenseitig aus der Verzweiflung halfen, was seiner forschenden Aufmerksamkeit nie entging, schaute er sie verächtlich an, sagte irgendetwas Abfälliges über Leute, die nie gelernt hätten, mit ihren Energien zu haushalten… Trotzdem hielten die venusischen Zwillinge ihrem Al die Treue, denn ansonsten war er ja ein ganz Lieber. Ona ging dies alles am stolzen Hintern vorbei. Wirkte sie doch als Chefin hier, ultrakompetent, megaprofessionell, blitzgescheit, darüber hinaus hatte sie die perfekte Sanduhrenfigur, die sogar noch unter der sackartigen Arbeitskleidung des Hauses inspirierend wirkte, und rauchte Kette. Cigarillos. Diese Lady strotze nur so vor robuster Kraft, die stets danach schrie, auf die Probe gestellt zu werden. Al und Eve arbeiteten gerne unter ihr, in der Kreativabteilung der Apokalypsenmanufaktur, stets von jenem hartnäckigen Nebel umhüllt. Ona arbeitete haargenau, liess jedoch allen Beteiligten genügend – gefühlten – Freiraum, in dem sie sich sich entfalten konnten, der in Tat und Wahrheit eben gar nicht so frei, sondern ebenfalls präzise durchgeplant war, von ihr persönlich, denn Ona kannte die Fähigkeiten und Anliegen ihrer beiden Unterhunde aus dem Effeff. So waren alle hochzufrieden! Ja. Ona war immer Herrin der Lage. Sie hatte die Lieferanten im Griff und die Kunden, die Teppichetage und die Beschwerdenführer, sie hatte im Apokalypsenmetier von der Pike auf angefangen und dann alle Zusatzausbildungen mit Bravour absolviert – ihr konnte so leicht niemand etwas vormachen. Nur am Abend brauchte sie einen Ausgleich, dann stieg sie zu den sechs Drei-Mann-Zellen der Aufräumer hinunter, die man ja in jeder Apokalypsenmanufaktur benötigt, mächtige, rohe, ja vertierte Männer mit gruselig-schmutzigen Gedanken, sie stieg also dort hinunter, mit nichts als einem roten Stringbody von Obsessive – sowie einem paar tüch-

tiger Stiefel – am Leibe, und sprach: „Macht mit mir, was Ihr für gut befindet; tut, was immer Euch gefällt – und redet recht wüst mit mir, während ihr dies tut.“ Und das taten sie. Fürwahr. Bis der elektrische Hahn den neuen Morgen einkrähte… Grob war es, saugrob, „punishing“, wie die Engländerinnen sagen… …doch Ona schätzte diese Nocturnes, sie ging nichts als gestärkt aus ihnen hervor. Über die nächtlichen Ausflüge der Chefin wusste der ganze Laden Bescheid. Und das wusste wiederum sie, doch es störte sie kein bisschen. Ihr Stamina war nämlich das Objekt allgemeiner Bewunderung. Auch ihrer Autorität über die Aufräumer tat dies alles erstaunlicherweise keinen Abbruch, denn diese wussten, was sie an Ona hatten, Abend für Abend – und keinesfalls wollten sie, dass diese rauschhaften Vergnügungen jemals aufhören. Deshalb schufteten sie wie Sklaven für Ona. Am Tag. Um sie dann abends wie eine Sklavin ranzunehmen, in ihren schmutzigen Drei-Mann-Zellen. Alas, es war schon ein Universum der pikanten Arrangements, die zu einer bizarren – aber ganz und gar realen – ausgleichenden Gerechtigkeit führten, welches sich in jenen nebelverhüllten heiligen Hallen der Apokalypsenmanufaktur ausdehnte, die übrigens zunehmend grandiosere Untergangspläne realisierte. Um ihre Kundschaft zu befriedigen, die ihrerseits immer anspruchsvoller wurde. Und eines Nachmittags stellte der liebe Al seiner Chefin Ona jene interessante Frage: „Wir setzen hier ja dauernd Untergänge um, Meisterin, die wir vorher umsichtig planen, Weltuntergänge, ja Untergänge ganzer Sonnensysteme. Wie kommt es denn, dass trotzdem niemals etwas zu Ende ist, dass unser Metier immer weiter geht und weiter? Eigentlich ist es doch unser Geschäft. Das Ende.“ Die Antwort, die Ona ihm darauf gab, steht am Anfang diese Texts, der nun – gottlob – zu Ende ist. Unwiderruflich. Also lasst uns in jene Nebelzone ziehen. Lasst uns herumtreiben. Wie Schiffe in der Nacht. Auf den unberechenbaren Wassern der Existenz, die sich nicht von Antworten oder Fragen beeindrucken lassen, die diese nicht einmal von jenen unterscheiden können. Und Widerstand ist bekanntlich, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht.


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WIE BEKLOPPT SIND STUDIEN? 11. August 2015 Reinhold Weber Studien erfreuen sich einer ungebrochenen Beliebtheit (s. Abb.). Denn mit Forschungsergebnissen und Umfragen lässt sich bekanntlich alles beweisen, widerlegen, untermauern oder in Frage stellen. Belegt eine Studie heute, dass wir 100 Jahre alt werden, wenn wir 3x tägl. Tofu essen, kommt zwei Wochen später eine weitere Studie zum Schluss, dass sich das Abfallprodukt Tofu bzw. Sojaöl am besten für die Herstellung von Treibstoff für Motorräder eignet. Beides wird dann von den Qualitätsmedien sachlich aufgebauscht. Eine Studie der Universität Darmstadt kommt in diesem Zusammenhang zum nicht uninteressanten Resultat, dass Studien für folgende sozialen Gruppen von besonderer Relevanz sind: 1. Politiker mit gestreiften Krawatten. 2. Meinungsforscher mit Fliegen. 3. Politologen mit linksgedrehter Hirnflüssigkeit. 4. Bisexuelle Staatsbeamtinnen, die Wellensittiche mögen. 5. Lobbyisten (karnivor und Glatzenansatz). 6. Journalisten und Blogger mit kleinen Penissen. Deshalb hat KULT eine breit angelegte Studie zur Erforschung ihrer Leserschaft in Auftrag gegeben. Diese Studie, durchgeführt im Mai/Juni, kommt zum Schluss, dass KULT-Blog und KULT-Zeitung täglich von 304.627 urbanen Frauen im Alter von unter 25 Jahren mit einem IQ von 120 und mehr sowie mit einem Einkommen von über 120.000.- pro Jahr gelesen wird. Also seien Sie nicht bekloppt. Und buchen Sie das wissenschaftlich erforschte, klinisch getestete Qualitätsmedium KULT für Ihre Werbung für Krokohandtaschen, Zwillingskinderwagen, SUVs und, äh … Bücher.

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ZU DUNKEL WAREN DIE STRASSEN

22. Juli 2015 Christian Platz „Die Frau hat gelächelt. Und mir die Sonne angeboten. Ich habe abgelehnt. Weil ich längst tiefgefroren war. Bis in meinen Kern hinein. Zu dunkel waren die Strassen, auf denen ich mein Leben lang wandeln musste, zu hoch waren die Berggipfel, auf denen ich mich vor eurem Rummel versteckt, zu tief waren die Täler, die ich durchschritten habe. Auf der Suche nach finsteren Göttinnen, von denen ich mich in Stücke reissen lassen wollte… Doch auch diese letzte Gnade blieb mir – bis anhin wenigstens – versagt.

So bin ich eben gewandelt. Unter dem Blutmond. Höllenhunde auf den Fersen. Mit meinem rostigen Schwert auf dem Rücken, das auch schon bessere Tage gesehen hat. Hunger und Durst haben mich gequält. Doch dies war noch einigermassen auszuhalten. Im Gegensatz zu jenem Austrocknen der Seele, das auch der stärkste Regen nicht verhindern kann. Ja. Regen hat es mir beschert. Das Leben. Und Pulver, Pillen, Pachtverträge, Petrischalen… Unter jeder Brücke haben Krokodile gelauert. In jedem Busch Giftschlangen.

Und die Blutegel haben sich an mich geheftet, haben mir die Wärme aus dem Körper gesogen, die Fantasien aus dem Kopf. Schlaflos war ich als Wanderer. Und ratlos. Oft genug habe ich den Himmel verflucht, die Erde gerade noch dazu. Genauso wie die Dornen, die meine Hosenbeine zerfetzten. Längst bin ich zum Wolf geworden, der einfach den Mond anheult. Denn die Sonne ist für die Glücklichen, die auf der Siegerseite des Lebens stehen. Den Verlierern bleiben der Blutmond sowie die Sterne, die im Dunkeln leuchten. Und damit bloss der Abglanz des Sonnenlichts. Hin und wieder begegnet mir ein anderer Wanderer. Auf den Pfaden der Dunkelheit. Dann zücken wir beide, wortlos, wie es unseren ungeschriebenen Gesetzen entspricht, unsere Schwerter, hauen, stechen aufeinander ein. Bis einer liegen bleibt. Nimmermehr aufsteht. Der Verlierer empfindet seine Niederlage als Gnade, erlöst sie ihn doch vom Wandeln. Auf diesen unendlichen Irrwegen ohne Ziel, ohne Zweck. Wandeln; im Schatten der Angst, durch das Labor des Schmerzes, am Leib die Kostüme einer anhaltenden Müdigkeit. Hier draussen in der Einsamkeit gibt es keine Lust, kein Lachen, keine Lebkuchen, keine Wahl. Ereignisse leiten das Handeln. Ausweichen unmöglich. Hier wird das Leben zu einer einzigen Kette aus Aktion und Reaktion. Etwas oder jemand geht auf dich los. Du schlägst es nieder. Weil du sonst selber liegen bleiben würdest. Ich bin recht gut geworden. Im Niederschlagen. Obwohl ein Liegenbleiben doch die Erlösung bedeuten würde. Auch für mich. Doch etwas, es lebt tief in meinem Inneren, ein Biest ohne Sinn und Verstand, treibt mich an. Weiter, immer weiter. Ich mache mir schon lange keine Gedanken mehr über die Vergangenheit, ja nicht einmal über die Gegenwart. Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich oder unglücklich wäre. Ich bin einfach. Und gehe weiter. So kam es, dass ich sogar jener lächelnden Frau – und wunderschön war sie – einen abschlägigen Bescheid gegeben habe. Wie sie mir die Sonne angeboten hatte, die sie unter ihren Röcken trug. Ich habe ihr nur müde zugewinkt, als sie mir Licht, als sie mir Rettung in Aussicht stellte. Denn es gibt keine Rettung mehr, wenn man eine bestimmte Grenze überschritten hat. Nur noch mechanisches Wandeln. Bis man schliesslich im Dunkeln liegenbliebt, die Seele den Körper verlässt, zu jenen finsteren Göttinnen hinüber zieht, die sie – nun endlich – genüsslich in Stücke reissen. Ein langwieriger Prozess, der erst aufhört, wenn die Zeit stirbt…“ Der Erzähler verstummt. Seine Zuhörerinnen starren mit dunklen Augen – Regenbogenhäute nicht von Pupillen zu unterscheiden – ins Leere. Der Erzähler hüstelt, wechselt plötzlich die Stimmlage, ruft nun in munterem hellen Ton seine Anliegen in die Damenrunde: „He, hat mir eine von euch eine Vanilleeis mitgebracht. Und welche von euch bläst mir nachher einen? Dort drüben? Hinter dem Busch. Es können gerne auch gleich zwei mitkommen.“ – Sein Lohn für die Geschichte…


SCHNIGGSCHNAGG

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