Kult Dezember 2014

Page 1

kult Die besten Blogs aus kult.ch. Dezember 2014.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

Lieber Hugo Loetscher 1. Dezember 2014 Minna Studer-Alder Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 85. Geburtstag! Zum grossen Tag am 22. Dezember möchte ich Ihnen einen Brief mit einigen Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit schreiben. Ich beginne ihn in der Sie-Form, da wir uns ja die längste Zeit unserer Zusammenarbeit gesiezt haben. Anfangs fand ich das sonderbar, einen alten Zopf. Mit der Zeit wurde mir aber klar, woran das lag. Unsere grosse Nähe in Ihren letzten sieben Lebensjahren brauchte eine Distanz. In unserem Fall war es das Sie. Ich habe Ihr Werk ja relativ spät kennengelernt, das war während meines Studiums an der Uni Zürich, als ich ein Seminar bei Prof. Ulrich Stadler besuchte. Es hiess „Schmutz, Müll, Dreck und Plunder in der Literatur“. Eines der Bücher, welches wir damals besprachen, war Ihr Erstlingsroman Abwässer – Ein Gutachten. Nun war es so, dass unser Professor just am Tag als Abwässer drankam nach Wien musste. Da bat er mich und einen Mitstudenten, ob wir die Seminarsitzung übernehmen könnten. Ja, klar. Ich bereitete mich also besser vor als gewöhnlich und war begeistert vom Buch. In der Folge reifte in mir der Entschluss, dass ich meine Liz-Arbeit über Ihre Romane unter dem Aspekt des Schauens oder so etwas – das war damals noch diffus – machen wollte. Nun kam es so, dass Sie damals – es war der 5. Februar 2002 - im Neumarkt Theater in Zürich zu Ihrem Geschichtenbuch Der Buckel (auch wieder so ein toller Name für ein Buch) lasen. Danach sprach ich Sie an und erzählte Ihnen von meinem Vorhaben und fragte, ob ich Sie mal anrufen dürfe, um einen Termin für ein Interview zu vereinbaren. Sie waren

Jean-Pierre Kuhn fotografiert Rosina Kuhn bei der Arbeit. sofort bereit dazu, allerdings mussten Sie mich einige Zeit vertrösten, da Sie gerade auf dem Sprung zu einer Ihrer unzähligen Reisen waren. Ohne grosse Aufregung rief ich Sie zum vereinbarten Zeitpunkt an und ich kam zu Ihnen. Ich weiss noch gut, wie ich die lange, steile Treppe zu Ihrer Mietwohnung an der Storchengasse emporstieg und wie Sie die Türe öffneten, während ich

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: EINKAUFSZENTRUM GLATT.

noch am Treppensteigen war. Freudig aufgeregt betrat ich die Wohnung. Sie führten mich in Ihr Arbeitszimmer. Jede Wand war dicht mit Büchern gefüllt. Dazu hatten Sie massive Holzgestelle anfertigen lassen, was ein Luxus in Ihrer sonst bescheiden eingerichteten Wohnung war. Wir hatten sofort einen guten Draht zueinander. Es brauchte keine Aufwärmzeit. Als ich Ihnen schliesslich

ein Exemplar meiner Lizarbeit zukommen liess, verging einige Zeit bis Sie mich anriefen. Ich war damals privat gerade an einem Tiefpunkt angekommen, nahm den Hörer ab und hörte Sie sagen, diese Arbeit sei etwas vom Besten, das Sie je über ihr Werk gelesen hätten. In diesem Moment sah ich Lichter und rosa Wolken am Horizont. Die Folge war, dass unsere Zusammenarbeit so richtig begann. Sie fragten mich nämlich an, ob ich für das aktuelle Buch In alle Richtungen gehen die kommentierte Biobibliografie schreiben würde. So kam einiges ins Rollen. Ich liebte die intensiven Momente, wenn wir an Texten schraubten oder darüber sprachen wie eine Sache thematisch aufgegleist werden soll. In einem dieser Momente fiel dann auch mitten im Geschehen Ihr erstes Du. Darum wechsle ich an dieser Stelle zum Du, auch wenn es nie den Moment gab, in dem wir in dieser Sache feierlich angestossen hätten. Wenn Du mich anriefst, dann gingst Du immer gleich mitten in die Sache hinein. So etwas wie „Wie geht es?“ oder „Störe ich?“ gab es kaum. Oft fand das kurz vor Mittag statt und ich war am Kochen, weil meine beiden Kinder demnächst hungrig von der Schule kommen würden. Also notierte ich mir Deine neuesten Ideen, Hinweise oder Anliegen und hantierte mit der anderen Hand mit der Kochkelle rum. Es sind so viele kleine und grosse Erinnerungen da, ob Du philosophisch über ein globalisiertes Bewusstsein referiertest und schriebst oder ob Du maliziös und politisch unkorrekt über sexuelle Belästigung witzeltest, Du warst und bist kult.

Lieber Hanf-Ueli, Lieber Michel Kalt ists geworden und ihr lebt draussen. Ich weiss nicht, ob weil ihr das so müsst oder wollt. Ich weiss auch nicht, was ihr macht, wenn ihr Zahnschmerzen habt. Oder irgendein Asi euch eure Dämmplatten klaut, die ihr vom Bau nebenan geschenkt bekommen habt. Ich weiss nur, dass es eine warmherzige und fröhliche Viertelstunde war, mit der Ihr mir die Wartezeit auf den 15er verkürzt habt, heute Mittag am Bellevue. Dafür danke ich Euch. Und ich weiss jetzt, wo man duschen kann, wenn man nirgends wohnt und dass man beim Waffenplatz lieber nicht übernachtet, weil ihr es mir erzählt habt. Ich weiss jetzt auch, dass ihr schöne Augen habt und ein offenes Herz, weil ich es gesehen habe. Und ich nehme an, Ihr lest jetzt diese paar Zeilen. Sie sind für niemand anders geschrieben als für Euch: Lieber Hanf-Ueli, lieber Michel, ich wünsche Euch ein schönes Weihnachtsfest, woauchimmer Ihr sein werdet. Und ein gesundes und glückliches neues Jahr. Und mir wünsche ich mehr Menschen wie Ihr es seid. Der Winter wäre dann ein bisschen weniger kalt. Auch für die, die ein Dach über dem Kopf haben. Herzlich, Rainer Kuhn

Herzlich Minna

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund.

5. Novmber 2014 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist 10. November 2014 Reinhold Weber . Diese Hammerplakate sind von 1995. Der Inhalt übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum hat noch heute Gültigkeit. (Aber nur mit gültigem Parkschein.) bringen wirs hier mal.

Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh. www.kult.ch/gmbh

Wir freuen uns über jeden Anhänger: www.facebook.com/zuerilinie


kult

®

Dezember 2014

DIE 37 ULTIMATIVEN SCHALLPLATTEN, DIE DU ZU WEIHNACHTEN UNBEDINGT HABEN MUSST 5. Dezember 2014 Reinhold Weber. Denn ohne die richtigen festliche Klänge kommen in der Stillen Nacht weder die Kinderlein noch das Christkind.

Seite zwei


kult

®

Seite drei

Dezember 2014

BEFORE I GO INSANE 27. Oktober 2014 Christian Platz Ich werde hier nicht bleiben. Übermorgen bin ich weg. Mit den „Écrits“ von Jacques Lacan im Handgepäck. Und Sonnenträumen. Vom tropischen Regen. 48 Stunden. Und die Zeit schleicht. Dabei sind die letzten Wochen wie im Flug vergangen. Irrlichternd. Manisches Arbeiten. Mit roten entzündeten Augen. Im tiefsten Loch des Bergwerks der Sprache. Oder war es vielleicht eher der unterste Gemüserüster-Job in der Sprachküche, unter der Fuchtel so eines unerbittlichen, anal-sadistischen Chefs from hell? Wortsalat gerüstet. Hirnsalat angerührt. Mit Whiskysauce, Tränentunke. Im Tabaknebel. Garniert mit angebrannten Nervensträngen. Doch nun stagniert der Fluss der Stunden, Minuten, Sekunden. Zeitlupe! Ich müsste noch, ich müsste noch… Doch ich will nicht mehr! Aber ich sage Euch, ich werde fliegen. Nicht ganz so elegant, wie jener andere geflogen ist, der in einem Stall geboren ward, die Klappe nicht halten konnte, deshalb einen grausamen Tod sterben musste. Und dann wieder zurückgekommen ist. Um vor aller Augen abzuheben. Dem Himmel über Jerusalem entgegen. Nein, so werde ich nicht fliegen. Zumindest nicht in 48 Stunden. Ich werde schweben. In einem Vogel aus Stahl. Und bei meiner Airline ist die Benutzung von Mobiltelefonen an Bord immer noch untersagt. Sonst würde ich kein Ticket bei ihr kaufen. Der Sitz wird nicht zu hart sein, nicht zu weich, sondern gerade richtig. Der Brei, den mir die uniformierten Maiden beider Geschlechter kredenzen werden, wird nicht zu süss sein. Und nicht zu salzig. Sondern genau richtig. Meine Träume, die mich im herrlichen Dämmerschlaf über den Wolken überkommen, werden nicht zu anstössig sein. Aber auch nicht zu brav. Sondern wohltemperiert wie die groovenden Röhren meines Mesa-Boogie-Gitarrenverstärkers. Verlockend wie die Bullet Playsuit meiner Gefährtin, doch dieses Stofffetzchen wird schlummern im Koffer. Dort unten, im tiefsten Bauch der Maschine. Là-bas. Oh wenn doch nur die uniformierten Damen hier oben – zu ihren Hütchen und den unbequemen High Heels – solche Bullet Playsuits tragen würden. Doch derart modern sind wir noch nicht. Oder sind wir nicht mehr altmodisch genug? Trotzdem: Ach Fliegen; herrliches Fliegen. Wir Passagiere werden wieder diese Schicksalsgemeinschaft der Unbekanten bilden. Wir werden zusammen ostwärts fliegen. Himmelweit fliegen. Dem Sonnenaufgang entgegen. Oder untergehen. Versinken vielleicht, im indischen Ozean. Das wäre mir ein herrliches Grab. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist klein. Wir werden wohl wieder ankommen. Wie es bei meinen letzten dreimal 222 Flugausflügen auch schon der Fall war. Fast würde ich es bedauern. Während ich dort oben weile, könnt Ihr mich alle mal. Ihr könnt mich nicht erreichen. Nicht telefonisch, nicht per Mail oder Whatsapp. Einige von Euch werden bei mir sein. In meinem Herzen. Aber das sind sie immer. Das wären sie auch ohne Telekommunikation. Und einige wissen es nicht einmal. Gut so.

Dann werden wir landen. Und von den Behörden einer Art Militärdiktatur, die Demokratische Republik heisst oder ähnlich, einen Stempel erbetteln. Wir werden anstehen. Gemustert. Gestempelt. Und schliesslich zum Roboter geschickt, der unsere Habseligkeiten auswirft. Korrekt. Aber irgendwie achtlos, lieblos. Vielleicht ist er ein Kind von

Siemens, vielleicht von NEC Logistics. Bestimmt ist er nicht jenes Kind aus der Mythologie, das von seinem göttlichen Vater in dessen Schenkel ausgetragen wurde, um dann später der grösste Weinliebhaber aller Zeiten zu werden. Und ein veritabler Lustmolch noch dazu. Er möge uns allen ein Vorbild sein… Wir werden aus der Halle treten,

dem Sonnengott entgegen, der soeben von seiner Gattin wiederbelebt wurde. Nachdem sein böser Bruder ihn in Stücke gerissen hatte, der Sonnengott wird ihm dafür die Hoden ausreissen, wie es Ramfis Trujillo einst beim Mörder seines gestrengen Vaters getan hat; aber dies wird erst heute Abend geschehen. Wenn meine Eier ihrerseits schön versorgt sind.

Nun grüsse ich also den Sonnengott. Wiederbelebt von seiner reizenden Gattin, mit Salben, Bandagen und einem mächtigen Orgasmus, erzeugt durch ebenso mächtiges Blasen (nehmt Euch an IHR ein Vorbild, Ihr Hasen). Durch einen todesbrechenden Osirigasmus, der sich hier unten nun in 34 Grad Celsius niederschlägt… …um sechs Uhr in der Früh. Ich brauche dringend ein Bier. Nachdem ich blitzschnell sechs Zigaretten geraucht und dabei das wahre Glück des Lebens gefunden habe. So wird das sein. Doch es ist noch nicht. Es ist gerade Wartezeit. Und die verstreicht langsam. Schleicht wie ein Zombie durch die Nacht. Ich bin der Champagnerkorken. Unmittelbar, bevor er unter Hochdruck aus der Flasche schiesst. Ich bin die Möwe, die Möwe, die ihre Flügel spreizen will. Doch die Leute von der Vogelwarte haben den Verband noch nicht vom gebrochenen aber heilenden Flügel genommen. In 48 Stunden werden sie es tun. Endlich. Und ich steige empor, steige in die Zone auf, fliege durch die grüne Tür. Ins Ungewisse. Direkt in die Iris der grossen Göttin hinein, die da Smashan Kali heisst – oder war es Bhuvaneswari? Oder aber – wie es ein grosser toter jüdischer Künstler aus Queens, New York, einmal formuliert hat: „Get me to the airport. Put me on a plane. Hurry, hurry, hurry – before I go insane.“ Ich werde hier nicht bleiben. Übermorgen bin ich weg. Und ihr bleibt an der Erde kleben. Wenn ihr nicht auch zu den Glücklichen gehört, die im Zeitalter der Luftfahrt geboren worden sind. Sowie der Pornographie, welche bekanntlich die grösste Errungenschaft der Menschheitsgeschichte darstellt. Und dennoch in vielen Demokratischen Republiken strengstens verboten bleibt…


Kurz in Extrabunt:

DAS NEUE

I L K C Ä P OHNE/SANS

Edition Limitée

k c a m h c s e G r e h c Glei . s oo M r e g i n e w für Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno.


kult

®

Seite fünf

Dezember 2014

FRISCH IM MUSEUM ABGESTAUBT: DIE KRANKHAFT AUF SICH SELBST FIXIERTE ICH-SELFE-ALSO-BIN-ICH-TOP5 DER ÄLTESTEN MIRROR-SELFIES IM NETZ

18. November 2014 Midi Gottet. Sigmund Freud würde hier wiedermal seine Standard-Diagnose abgeben, die da lautet: “Dini Muetter”

WANN MAN AUFHÖREN SOLLTE JEMANDEM ZU HELFEN

26. November 2014 Jelena Keller Es gibt Menschen, die können nicht anders, als anderen ständig zu helfen. Sie haben ein Helfersyndrom, das immer auf der Suche ist nach Opfern. Ein Komplex, der daher rührt, dass sie geliebt werden wollen. Wahrscheinlich hatten sie es selbst nicht einfach, hätten sich Hilfe gewünscht, doch es war niemand da. Und dieser Niemand, der hat ihnen auch nicht genug Liebe, Anerkennung und Aufmerksamkeit gegeben. Deshalb sehen sie im Hilfsbedürftigen eigentlich sich selbst. Sie leiden mit und wollen diesem beidseitigen Leiden ein Ende zu setzen. Sie wollen nicht nur, dass die Misere des anderen aufhört, sondern auch ihre eigene. Manche helfen aus narzisstischen Gründen, weil sie es lieben sich dabei wie ein besserer Mensch zu fühlen. Manche wohlgemerkt auch aus Nächstenliebe, die sie von ihren Eltern eingetrichtert bekamen. Helfer sollten netter zu sich sein, Selbstliebe praktizieren, sich als erstes fragen, was ihnen und nicht anderen hilft. Sich dann endlich davon zu überzeugen, dass man sie auch liebt, sogar mehr liebt, wenn sie gut zu sich selber sind. Sie sollten ihre innere Befriedigung nicht von Hilfsbedürftigen oder generell anderen Menschen abhängig machen. Sich und andere nicht zu CoAbhängigen machen, loslassen, die Kontrolle abgeben und dem Umfeld Vertrauen schenken, es so selbstständiger werden lassen. Ein altes Sprichwort, dessen Ursprung ich nicht mehr kenne,

besagt etwa: Gib dem Armen eine Rute und zeige ihm wie man fischt, füttere ihn nicht bloss mit dem fertigen Fisch. Natürlich wird es den Hilfesuchenden Anfangs nicht passen, dass sich der Helfer distanziert, weniger Hilfe bietet, was absolut natürlich ist. Niemand mag es, wenn sich auf einmal nichts mehr wie von alleine erledigt. Doch macht ihm der Helfer ein grosses Geschenk: Er lässt ihn selbstständig werden, Selbstvertrauen gewinnen und dadurch wachsen, Wissen erlangen, sodass er sich eines Tages stets selbst zu helfen weiss und weniger auf andere angewiesen ist. Jemanden seinem Schicksal zu überlassen bedeutet nicht, dass man ihn fallen lässt. Es bedeutet, dass man ihm zutraut, seinen eigenen Weg zu gehen, eigene Entscheidungen zu treffen, seines eigenen Glückes Schmied zu sein. Im Notfall wird man da sein, doch kann man den Berg nicht für die andere Person erklimmen. Unterstützung sollte stets nur in Form eines kleinen Schubses geschehen. Hilfe zur Selbsthilfe nennt sich das. Falsche Hilfe / Zeit aufzuhören Deine Hilfe macht es dem anderen einfacher in der Misere zu verharren (ungesunder Lebensstil, Problemen aus dem Weg gehen, keine psychologische Betreuung anstreben, etc.) Die andere Person hält sich nicht an Abmachungen und verlangt immer mehr Hilfe Von dir wird Unehrlichkeit verlangt, du musst deine Integrität aufs Spiel setzen

Du hast das Gefühl manipuliert zu werden damit du hilfst und gibst Der andere stagniert, entwickelt sich nicht weiter (seinem Alter entsprechend), schafft es auch nach einer längeren Zeit nicht, sich selbst zu helfen Deine eigenen Ressourcen reichen nicht aus. Du bist körperlich, energetisch oder materiell am Limit Statt in einer vorübergehenden Situation, bist in einer niemals endenden Langzeit-Unterstützung gefangen - Statt gegenseitiger Hilfe und Unterstützung, bis du die einzige helfende Person, es besteht kein ausgeglichenes Geben und Nehmen Du ignorierst die krankhaften Züge deiner Taten, weil du dich wie ein besserer Mensch fühlst Manchmal müssen wir uns eingestehen, dass unsere Hilfe nicht die richtige ist. Dass wir es zwar gut meinen, dass aber weder der Hilfsbedürftige, noch wir, von unserem Handeln profitieren. Je mehr wir ihnen helfen, desto weniger helfen sie sich selbst. (Quelle: http://www.psychologytoday.com/ blog/presence-mind/201411/12-signs-youre-giving-too-much)

GEFALLENE HELDEN: JAN-MICHAEL VINCENT

17. November 2014 Dominik Hug Seine Karriere startete mit kleinen Nebenrollen in diversen Fernsehserien wie Dragnet, Lassie oder Bonanza. 1984 übernahm Jan-Michael Vincent die Hauptrolle in “Airwolf” und wurde zum TV-Star. Nach drei Staffeln entschieden sich die Produzenten dazu einen günstigeren Kurs zu fahren und ersetzten die komplette Darstellerriege durch günstigere Akteure. Jan-Michael Vincent drehte danach diverse B-Movies, jedoch konnte er nie mehr richtig im Filmgeschäft Fuss fassen.

Die Karriere ruiniert, der Erfolg dahin, so verfiel Vincent langsam Drogen und Alkohol. 1996 hatte er einen schweren Autounfall, bei dem er sich drei Nackenwirbel brach. Als Folge davon wurden auch seine Stimmbänder durch einen Tubus schwer beschädigt. 2012 musste Vincent sich wegen einer Blutinfektion das rechte Bein abnehmen lassen. Jan-Michael Vincent, ein Star der Achtziger, der ein schöneres Leben hätte haben können. Wir wünschen ihm alles Gute.

2009 – JAHR DER VERDAMMNIS

17. November 2014 Midi Gottet Nicht nur auf Facebook werden wir gefoltert mit Posts, die schon 2009 zum gähnen waren, nein auch Usher gibt keine Ruhe und “befürchtet” jetzt vor versammelter Weltpresse (okay, eigentlich war kein Schwein da aber who cares), dass ein Sextape (wieso heissts immer noch Sextape obwohl die Scheisse immer digital aufgenommen wird?) welches er auf seinem Laptop gespeichert hatte, veröffentlicht wird. Und jetzt kommts: Der Laptop wurde “Ugyl Usher”, wie er in der Handmodel-Szene genannt wird, bereits im Jahre (Trommelwirbel) 2009 gestohlen (Pointentusch). Wieso würde ein notgeiler Geldmacherwoller-Laptop-Dieb ganze 5 Jahre damit warten, dieses Sextape zu veröffentlichen, um dann, genau, wenns dem Usher im Musik-Business nicht mehr so läuft, mit diesem Sextape aufzuwarten? Richtig. Weils im Jahre 2009 keine Sau interessiert hätte. Und da

wären wir wieder bei den Retro-Posts aus dem Jahre 2009. Was uns damals schon nicht kümmerte, ist uns heute noch egaler.


E C O N O M Y. B U S I N E S S . F I R S T. EINE KLASSE FÜR SICH. CASA DEL VINO.

C A S A D E L V I N O E b i n g e r S A S i h l f e l d s t r a s s e 13 0 | 8 0 4 0 Z ü r i c h | + 4 1 4 4 2 9 5 9 0 6 0 | w w w. c a s a d e l v i n o . c h

14-1003_kult_BUSINESS_290x440.indd 1

14.10.14 11:30


kult

®

D GEYSCHTR

17. November 2014 Pete Stiefel Fabian: Grüezi, Herr Girolle. Bastien: Salü Fabian. Du darrfschmrr Bastien säge. Üsere Altrrsungrschyd isch ja etze o ned garr eso frrappant u ougefällig. Fabian: Oukey. Grüezi Bastiäng. Bastien: Ich begrrüesse i üsere Rundi o d Nathalie, wo soebe zu üs gschtoosse isch. Salü Natalie. Natalie: Hoi zäme. Sori, Fabian. DIR gibi d Hand beschtimmt nöd, du jämmerliche Jungkommunischt. Fabian: Dini Mueter! Ich rede sowieso nöd mit Nazis! Bastien: Giele, ich muesnech bitte! Mrr müesse üs berruhige, üs zämerouffe. D Lag isch z ärrnscht, als dassmer üs itze d Gringe söttid ischlo. Natalie: Ich bin kän Giäl! Ich bin e jungi, sälbschtbewussti Frau, wo mit Wehemänz defür iischtaat, dasses ois Schwiizerinne und Schwiizer äntlich… Fabian: Isch imfall scho guet. Frä Rickli. Ich bruche kä Staatskundeunterricht. IHRE Staat schaffemer sowieso glii ab.

Aber sägemal, Bastiäng: Wieso han ich so huere früeh müese uufschtaa, zum mit oi Grüen-Faschos zämezhocke? Bastien: Wie gseet: D Lag isch ärrnscht. S goot umd Eggopoppinitiative, wo vorrm Schwiizrrvolk drroht dürezchoo Änds Monet. Mirr Junge müesse itze zämeschtoo und Presänz marrkiere gäge de drohendi Undrrgang vor Schwyz! Natalie: Ich han ja gseit, ich bin degäge! Uf Facebook und uf Twitter. Und de Christoph isch au degäge. Und de Ueli au, glaubs. Bi dem bini allerdings nüme ganz sicher. Und gägd Billag bini au! Es gaat nöd aa, dass wiiterhin ufem Puggel vode Mitbürgerinne und Mitbürger… Fabian: Mir Junge? MIR JUNGE??? Dass ich nöd lache! Mir Jusos sind imfall die einzige Junge i dem Land. Und überhaupt: Die Dräcksinitiative isch ja uf oiem grüene Mischt gwachse! Etz sölled MIR das uusbade? Die Geister, die ich rief, kännsch? „De Zauberlehrling“ vom Walt Disney. Es Buech, won ihr Hohlchöpf vilicht vorher hetted söle läse, bevorer die Initiative usgarbeitet händ!

HEUTE AUF EINEM DIESER SCHWEIZER SENDER MIT NUR EINGEKAUFTEN KONSERVEN GELERNT

Natalie: Goethe. Johann Wolfgang von Goethe. Bastien: Schillrr odrr Goethe? Eis, zwoi, drrüh… SCHILLRR! Kennetrr das Schpiili ned? Fabian: Schliifts? Söllemer oies Problem etz mit Sigg, Sagg, Sugg löse? Oder Schääre, Stei… Natalie: Papier! Das käni! Bi Papier chuntmer grad no in Sinn, Fabian: Din Vater isch doch ohni iigreist! Genau das ischs mis und em Volch sis Aalige: Alli illegale Usländer use, mit Familienaazug diräkt zrugg is Heimetland, wos hercho sind. Bastien: Bitte! Ned schtritte! D Lag isch vrzwickt gnueg, mr müesse itze e Konsens finge! Fabian: So, so. Und was schwäbt der da so vor? Wie willsch dis grüenbruune Gsinnigsgsindel zur Besinnig bringe? Bastien: Also, ich würrdi da vilecht en erfolgrychi Aktion us üsere Vergangeheyt fürechraame. Üs bischpiilswys vorr drr Urrania Wach nackt anes paar Polizeychäre anechette und so uf üses Aalige ufmerrksam mache. Natalie: Nackt? Bastien, du bisch ja komplett vo Sinne. Ich laan mich bestimmt nöd als Sexobjäkt iischpanne, nur wili blond bin! Fabian: Moll, das chöntimer etz no vorstelle: D Frä Rickli füdliblutt uf de Motorhuube vomene Streifewage, am liebschte mit Blauliecht und Sirene durd Innestadt. Ich han zwar kein Brief, aber da würi glatt no de Schofföör mache. Bastien: Oje, ds geyt itze ine Richtig, womr nümmä ghür isch. In die Ecke, Nathalie! Fabian! Natalie: Du, du, du… DUUUU!!! Fabian: Fangmi doch, du alte Stock! Bastien: Zrügg, zrügg! Nachdämmer üs hie schynbar ned eynig schyne z wärrde, chöntemer üs itze no em zwöite Traktandum vo üserre Zämekumft widme. Bitte! Ig wetti zäme mit üch Junge e gmeynsami Sach ufzie: E Anti-StrromKampannie gäge Aakawees, Bärrgschtouseene u Windchraftwärch. I dänkes, dass mir drey als Röprräsentante vor Zuekumft… Natalie? Fabian? Naaataliiiiiie…?

und so Zeugs zu Styropor wechseln, können wir einfach eine Konserve dieser Sendung durchspulen und zack, wissen wir, wie schwer die Erde ist und müssen uns nicht mehr die Mühe machen, sie mit einer riesigen Waage zu wägen.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: VW.

12. November 2014 Reinhold Weber. Charmant, selbstironisch, witzig war die Werbung für den VW Käfer, und vor allem immer schön bescheiden. Bis auf wenige Ausnahmen. Tja, nobody is perfect.

SEX, LIES, AND VIDEOTAPE

11. November 2014 Dominik Hug Steven Soderberghs Erstling aus dem Jahr 1989 war schon lange auf meinem Radar, verstaubte jedoch jahrelang in meinem Regal. Jedoch die Beteiligung James Spaders (“Boston Legal”) gab mir ein wenig Motivation mir dieses Werk endlich mal anzusehen. 8. November 2014 Midi Gottet Wäre unsere Erde aus Styropor, würde sie bloss 6’400 Kilos wiegen. Hammer, nicht? Sollte die Erde also mal ihre Beschaffenheit von Eisen, Sauerstoff, Silizium

Seite sieben

Dezember 2014

Inhalt: Vorzeigepaar John und Ann Mullany (Peter Gallagher und Andie MacDowell) bekommen Besuch von Johns altem College-Freund Graham (James Spader), dessen Anwesenheit das Leben des Paa-

res auf den Kopf stellt und mithilfe seines Videoprojektes ungeliebte Wahrheiten auf den Tisch kommen… “Sex, Lies and Videotape” (Gewinner des Sundance Film Festivals) gilt mittlerweilen als Kultklassiker, als Meisterwerk des damaligen Independentfilms. Rückblickend frage ich mich jedoch warum. Als erstes, warum bei diesem Film überhaupt von einer Komödie die Rede ist, weiss ich nicht. Ich fand da gar nichts witzig. Als Beziehungsdrama geht der Film jedoch gut durch. Ein Highlight ist die Story allerdings nicht. An der Darstellerfront siehts da allerdings ganz gut

aus. James Spader (hier mit Vokuhila zu bewundern) spielt Graham auf seine typische Weise, Andie MacDowell und auch Peter Gallagher spielen überzeugend. Nur Laura San Giacomo wirkt in der Rolle der durchtrieben-lüsternen Schwester leicht fehlbesetzt. Fazit: Kurz gesagt, ich empfinde den Film als überbewertet. James Spader spielt grossartig und ich mag Soderbergh seinen Erfolg und natürlich seine Karriere gönnen, aber für mich ist schleierhaft, was an “Sex, Lies and Videotape” nun so grossartig sein soll. Durchschnittsbeziehungsdrama.


A

b

eyeworks.ch

der beste umweg für deinen heimweg.

Die ultimAtive freizeit-App mit über 170 tipps.

eyeworks.ch

Jetzt gratis downloaden: Die App mit Stories kreuz und quer durch die angesagtesten Bars, Clubs, Cafés, Restaurants, Shops und Kinos. Schonungslos getestet von Philippe Amrein und Thomas Wyss. Auf www.vbz.ch oder im App-Store.


kult

®

Offener Brief an einen Fahrradfahrer 25. November 2014 Pete Stiefel Hallo, du verblödeter, ignoranter, unterbelichteter Drahteselreiter. Ja, dich meine ich, du weisst es genau, du fühlst dich betroffen. Du, der in der Herbstund Winternacht (eigentlich generell IMMER) ohne Licht unterwegs ist. Nachfolgendes Bild ist eine schematische Darstellung davon, was ich von dir sehe, wenn du in deiner schicken schwarzen Garderobe auf deinem unbeleuchteten Fahrrad knapp vor meiner Motorhaube meinen Weg kreuzt. Einfach, damit du eine Vorstellung hast. Keine Ahnung, ob es zu anstrengend ist, mit drehendem Dynamo in die Pedale zu treten, ob dus einfach vergessen hast, ob die Batterien deiner Lampen gerade einen Hänger haben, oder obs dir einfach scheissegal ist, weil DU ja schliesslich auch in der Dunkelheit sehen kannst – und weil Autofahrer generell alle Idioten sind. Achtung, die Bildergeschichte geht noch weiter.

ren mittlerweile Beteiligten, die um dich herumstehen. Alle, die es noch versucht haben und alles, aber trotzdem nicht mehr genug geben konnten. Obwohl sie so gerne wollten. Und sich wünschen, sie hättens gekonnt. Alle, dies tragisch finden, dass es schon wieder geschehen musste. Und schau dir ruhig an, wie die Geschichte weitergeht.

Dies ist das letzte Bild, wiederum eine schematische Darstellung. Aus deiner Perspektive, nachdem sich der Holzdeckel über dir geschlossen hast. Die Luft wird stickig und spärlich, aber du benötigst sie ohnehin nicht mehr. Spätestens jetzt hoffe ich für dich, du siehst das Licht – denn ich sah deines nicht.

Hier folgt eine weitere schematische Darstellung. Und zwar von dir, wie du im Graben liegst. So sehe jetzt nicht nur ich dich, sondern auch alle ande-

JACKSON & FLACH AUF RADIO 24 FRIDAYNITE

28. November 2014 Alex Flach Ab sofort quasseln Animal Trainers Samy Jackson und meine kult. ch-Laberig­keit einmal monatlich eine Stunde lang mit dem phänomenalen und unvergleichlichen Jonas Wirz in dessen Sendung FridayNite auf Radio 24 über Gott, die Welt, die feinsten Feier-Optionen und Mr. Pinks osteuropäischen Auto-Grosshandel.

Seite neun

Dezember 2014

…wobei “quasseln” nicht ganz oder nicht nur korrekt ist, da’s auch jede Menge thekenfrische Musik, zusammengemixt von Samy höchstselbst, zu hören gibt. Jeden Monat das Ganze auf den längst legendären 102,8. http://www.radio24.ch/shows/die-freitagabend-show-auf-radio-24-laeutet-daswochenende-ein/126

Sitz, Rüdiger, sitz! 1. Dezember 2014 Ulrike Gastmann. (Leipzig) Peggy steht. Nach 15 Minuten Unterricht steht sie. Sie könne nicht mehr sitzen, sagt Peggy. Sie habe Rückenprobleme. Da sie steht, kann man sehen, dass sie weniger Schwierigkeiten mit dem Rücken zu haben scheint, als welche mit dem Bauch. Gut. Peggy steht. Der Rest liegt ab: sultansgleich auf und zwischen den Schulbänken, erst dann sichtlich erweckt, als Bülent - ein vom Unterricht suspendierter Hauptschüler - hereinplatzt: Er will seinen Klassenkameraden per Handschlag seine Solidarität mit ihrem Schicksal demonstrieren. Als Bülent das Interesse an den anderen verlierend ostentativ aus dem Raum trottet, krabbelt Sergej - kein herausragender, aber herausgestellter - Teenager wieder herein, auf allen Vieren. Die Lehrperson, die sich von ihrem Lehrwerk davon beauftragt sieht, jungen Menschen die Schönheiten der Lyrik des Barock nahe zu bringen, lehnt am Fenster und scheint der Geschichte zu folgen, die Peggy - mittlerweile wieder sitzend - über ihren Vater, „den verfickten Kack-Spasten“ zum Besten gibt. Die Lehrperson heißt Rüdiger, ist Ende dreißig und sieht – weil nun schon eine geraume Zeit die Kassenpatienten des Bildungswesens betreuend - ziemlich abgeschlagen aus. Am liebsten würde er den ganzen Vormittag nur aus dem Fenster schauen, auf den sich langsam begrünenden Schulhof, und diesen in eigene Kindheitstage entführenden Blick auf die mit Holzbänkchen im Fünfeck umzäunte alte Kastanie genießen, und an nichts denken müssen. Einfach gar nichts denken und schon gar nicht agieren. Dennoch wandte Rüdiger sich jetzt vom Fenster ab, weil das Wort Kack-Spast ihn aufgeschreckt hatte. „Ich möchte dich bitten sitzenzubleiben, Peggy!“, hörte er sich müde sagen, im gleichen Augenblick über sich selbst erschreckend, weil er einerseits irgendwo gelesen zu haben meinte, dass über Abschaffung des Sitzenbleibens politisch sehr laut nachgedacht wurde und andererseits weil er, wann immer der Begriff Sitzenbleiben fiel, sofort an Wolfgang Schäuble denken musste. Und das war nicht korrekt. Inkorrekt wollte Rüdiger nicht sein, man wusste ja nie. Inkorrekt nicht und auch nicht sitzen bleiben. Vor allem aber wollte Rüdiger kein Sitzengebliebener sein. Auf gar keinen Fall wollte er bei seinen letzten noch unverheirateten Freunden als exotisches Zootierchen irgendwann die Rathaustreppe kehren müssen. Deshalb hatte er jetzt auch eine Freundin. Es war nicht ganz leicht gewesen, zugegeben. Als Lehrer mit latentem Hang zum Burnout gilt man nicht als amouröser Bringer. „Moment mal! Lehrer mit Burnout?“, ruft der Leser jetzt zurecht empört aus. Es ist trotzdem erklärbar: Gerade die Lehrerschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Entstigmatisierung dieser gefährlichen Erkrankung, indem sie beweist, dass einen gerade das süße Nichtstun geradezu unwiderruflich ins Burnout zu schleudern vermag. Je mehr Freizeit, desto mannigfacher die Gelegenheit, darüber nachzugrübeln, wie ausgebrannt man sich eigentlich fühlt. In diese Falle war vor einigen Wochen auch Rüdiger geraten. Niedergeschlagen und lustlos wie das Kind aus der SanostolWerbung trottete er am Morgen in die Schule, als ein Bild des Jammers kehrte er am frühen Nachmittag zurück. Es war wieder einmal soweit: Rüdiger litt unter einem akutem Problem, was er auf fragwürdige Weise zu lösen suchte. Aber er war Lehrer und deshalb eine Lösungslusche.

Erst hatte er es mit einem Hund versucht, sogar mit einem Modehund. Aber in einem Mops ist nun mal nach einem niederschmetternden Schultag nicht gut versinken und so war er an Frauke gekommen. Frauke arbeitete beim Finanzamt und hatte ihn bei einem ü30-Tänzchen derart flehentlich angesehen, dass Rüdiger – ein ansonsten eher unbeholfener Gräber - sie direkt von der Tanzfläche weggecastet hatte. Die gemeinsame Schnittmenge, jeweils einer der beiden verhasstesten Berufsgruppen Deutschlands anzugehören gepaart mit der gewissen Pragmatik, die sich bei Torschlusspanikern eben einzustellen pflegt, ließ beide die ausbleibenden lodernden Flammen des Verliebseins kaum vermissen. Man hatte so etwas wie eine Selbsthilfegruppe mit geteilter Internet-Flatrate gefunden. Das war ja schon was. Außerdem empfand Rüdiger es als durchaus angenehm, zum Vögeln nicht extra das Haus verlassen zu müssen. Insgeheim galten seine erotischen Restwünsche eigentlich der niedlichen Referendarin mit dem süßem DelphinTattoo am Knöchel, das manchmal sichtbar wurde, wenn sie sich an der Tafel nach oben reckte. Aber innerhalb eines ganzen langen Jahres des Bemühens war es ihm nicht einmal gelungen, sie wenigstens zu einem potentiell präkoitalen Tresendialog zu überreden, sodass er seinen Lieblingstagtraum, sich irgendwann einmal mit ihr wild gebärdend, ineinander verschlungen, großflächig auf dem Kopierer ablichten zu lassen, realistischerweise beiseite gestellt hatte. Nun hatte er jedenfalls Frauke, die zwar schon ein wenig zur Pansigkeit herüberzuwelken begann, dafür jedoch glasklare Vorstellungen vom Leben besaß. Besser gesagt: von seinem Leben. Aber Rüdiger war noch blind auf dem Ohre, wenn man ihn behutsam darauf hinwies, dass möglicherweise doch die Anschaffung eines Hundes der ungefährlichere Pfad aus seinem Leiden sein mochte. Auch stichhaltigster Argumentation zeigte er sich unaufgeschlossen, obwohl selbst Empathie-Unbegabtere bemerkten, dass Rüdiger wahrlich nicht besser aussah, seit Frauke bei ihm eingezogen war. Wochenende für Wochenende wurde er nun zu mittelalterlichen Märkten und

ähnlichem event-touristischen Ringelpietz in die Provinz geschleift, wo irgendeine klamme Klitsche verzweifelt irgend etwas Geringfügiges zum verkaufsträchtigen Alleinstellungsmerkmal hochgebürstet hatte. Manchmal handelte es sich auch um eine Hochzeitsmesse und ähnlich gelagerte Eheanbahnungsvorbereitungen, die nur einen Vorteil hatten: Sie übertünchten die Oberfläche des ohnehin mehr als dürftig beschaffenen Gefäßes gemeinsamer Gesprächsthemen. Ich wies Rüdiger auch darauf hin, dass es kein gutes Zeichen müsse, wenn Frauke dezidiert die Ganztagsschule befürwortete. Meines Erachtens befürchtete sie lediglich, mit Rüdiger bereits am Nachmittag nichts anfangen zu können, während sie die dreijährige Elternzeit in Anspruch nehmen würde. Frauke – das sah man auch ohne besondere Expertise – bewahrte nur noch notdürftig ein wenig Rest-Contenance bis zum sicheren Hafen der Ehe. Alle Zeichen standen auf Sturm und bedeuteten Rüdiger: „Junge, wende das Schiff, ehe es zu spät ist! Warum brauchst du jetzt auch noch jemanden in deiner Wohnung, der dir die Erbärmlichkeit deines Daseins täglich vor Augen hält? Warum jetzt schon mit dem Aufstehen das Gefühl des Nichtgenügens vermittelt bekommen? Schon heute wirst du mit dem gefürchteten Imperativmodus langzeitpartnerschaftlicher Kommunikation abgefertigt: Denk daran, dass am Wochenende, meine Schwester kommt! Denk daran, deine Schuhe auszuziehen, am besten schon im Auto! Vergiss den Müll nicht, wenn du runtergehst!“. Woher ich das alles weiß? Weil ich die Frauen kenne, Rüdiger! Frauke will geheiratet werden. Sie will die Jogginghose nicht fürs Joggen, sie will sie für die Couch. Dort will sie sitzen, um im Fernsehen andere Frauen zu beobachten, die ein anderes Leben führen als sie, weil sie attraktive und verwegene Männer haben. Sie will mit ihrer Mutter telefonieren, wenn du nicht da bist und sie über dein Fehlverhalten informieren. Sie will räumen, reinigen und Raucher rügen. Vor allem aber will sie eines, Rüdiger! Sie will dich vom letzten Rest deiner Selbstbestimmung emanzipieren - im Badezimmer: Sie will, dass du sitzen bleibst.


R채mistrasse 6 8001 Z체rich MO-FR 10.00-19.00Uhr, SA 10.00-18.00Uhr SonntagsverkAUF Adventzeit: Sonntag 21.12.2014, 11.00-18.00Uhr


kult

®

Living next door to Rüdiger

01. Dezember 2014 Ulrike Gastmann. (Leipzig) “Und jetzt weiß ich einfach nicht, wie ich mich entscheiden soll!“ Das schwerwiegende Problem, das gerade einer dringenden Lösung bedurfte, gehörte meinem Nachbarn Rüdiger, der nun seit fast zwei Stunden in meiner Küche hockte und schwermütig vor sich hin starrte. Rüdiger ist als Diskriminierungsopfer einer besonders verhassten Randgruppe der Gesellschaft äußerst begabt im Schwermütig-Vorsichhinstarren: Rüdiger ist Lehrer. Um genauer zu sein: Berufsschullehrer. Er unterrichtet Deutsch und Sozialkunde an einer Schule, wo sich vor allem zukünftige Bäcker- und Bäckereifachverkäuferinnen, Köche und Kader metallverarbeitender Berufe tummeln. Zu beneiden ist Rüdiger deshalb wirklich nicht. Dass man Lehrer ist, kann man heute einfach nicht mehr bringen in der Öffentlichkeit. Drogensucht ist okay, ein paar Einträge im Vorstrafenregister gehen auch noch durch, allerorten kann man offen über die Eigenharntherapie seiner Neurodermitis reden oder gar vergessen haben zu sagen, dass man bei der Stasi oder der Waffen-SS mit von der Partie war - das alles wird einem verziehen. Aber wehe, du bist Lehrer und gibst das auch noch arglos zu! Eine Woge aus Unverständnis, abgrundtiefem Misstrauen und grenzenloser Verachtung wird über dir zusammenbrechen. So etwas zehrt an einem Menschen – besonders aber an einem Feingeist wie Rüdiger. Auch heute, als ich ihn mittags um halb zwei im Treppenhaus getroffen hatte, fühlte ich sofort, dass es wieder einen besonders schlimmen Tag zu verarbeiten galt und bat ihn auf einen Kaffee herein. Er lehnte auch einen Wodka dazu nicht ab, weil Kaffee bekanntlich so ausschwemmt. So etwas weiß Rüdiger. Ich habe schon viel gelernt von ihm – auch warum er zwölf Wochen Urlaub im Jahr braucht und warum die Schüler nicht zu beschuldigen seien, dass es ihm so schlecht ging, dazu seien sie viel zu selten anwesend. Schuld allein seien die Begleitumstände. Die Jugend von heute sei von fragiler Gesundheit. In der Tat ließe sich mit der Anzahl der Krankenscheine, die Rüdiger jährlich in seinen Klassen einzusammeln verpflichtet ist, ohne Not ein 15-bändiges Bertelsmann-Lexikon aufwiegen. Wenn Rüdiger nicht selber krankgeschrieben ist, gestalte sich sein Alltag in der Regel so, dass er in der dritten Stunde mit leichten Beschulungsersuchen begann, dann nämlich sei der Höchststand der für den Tag zu erwartenden Schüler in der Klasse erreicht und auch deren Aufnahmefähigkeit – sofern man von so etwas sprechen könne – auf dem Zenit. Mit etwas Glück und gutem Zureden hätten alle fünf bis zehn Anwesenden dann ihre Plätze eingenommen und es auch

Seite elf

Dezember 2014

geschafft, das sich aus fünf Bestandteilen zusammensetzende Basis-Equipment für den Schultag vor sich auszubreiten: Missmutig werfe der gemeine Berufsschüler allmorgendlich zuerst sein Handy, eine 2-Liter-Flasche stark zuckerhaltiger, aber farbenfroher Limonade sowie eine Viererpackung Buletten in seinen Rucksack, auf dem er mit Filzstift den verwegenen Schriftzug „Böse Onkelz“ appliziert hat, um dann unterwegs noch die BILD und eine Schachtel Kippen zu erwerben, die er bis zum Erreichen des Schultors schon zur Hälfte inhaliert habe. Hätten die Wissbegierigen ihre Schätze endlich vor sich ausgebreitet, könne Rüdiger in der Regel sein methodischdidaktisches Feuerwerk endlich beginnen und die Anwesenheit prüfen, indem er die Namen abfragte. Vor sich selber rechtfertigte er dies als leichte Aufwärm- und Wiederholungsphase für die Schüler, welche nicht selten die ersten 20 Minuten der Unterrichtsstunde in Anspruch nehme. Um die Schüler nicht unnötig zu Wortbeiträgen zu animieren, schaue er daraufhin meist mit ihnen irgendeine Literaturverfilmung, von der er glaubte, sie biete einen direkten Bezug zum Arbeitsleben eines Bäckerlehrlings - beispielsweise Der Fänger im Roggen. Wie im Fluge verging meist auf diese Weise die Zeit - selbst für Rüdiger, der dann ins Klassenbuch schrieb, er habe mit den Schülern Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit behandelt. In den Klausuren komme leider oft Fragwürdiges heraus, sodass Rüdiger manchmal hart mit sich ins Gericht ging, ob nicht doch wenigstens eine kurze Einführung zum Gesehenen seinerseits ratsam gewesen wäre. So wusste Rüdiger vor einigen Wochen zu berichten, dass er mit einigen Bäckerlehrlingen die amerikanische Verfilmung des Jurek-Becker–Romans „Jakob der Lügner“ mit Robin Williams in der Hauptrolle angesehen habe. Der Film drängte sich seiner Ansicht nach förmlich wegen des Nachnamens des Autors auf, außerdem war die zentrale literarische Figur Jakob als Kartoffelpufferbäcker quasi zur Zunft gehörig. Rüdiger fühlte sich folglich pädagogisch auf der besonders sicheren Seite. Bei der Leistungsüberprüfung seien jedoch 80 Prozent der Schüler davon überzeugt gewesen, dass Robin Williams den Roman verfasst habe, während der Rest sich zu erinnern meinte, Jurek Becker habe gerne Kartoffelpuffer gegessen. Der Klassenprimus fügte seinen Ausführungen noch abstrahierend hinzu, der Film zeige vor allem die Toleranz im Dritten Reich. Keine Frage. Rüdiger tat mir leid. Deswegen hatte ich ihm unlängst einen kleinen Zettel zur Aufmunterung in den Briefkasten geworfen, auf dem ich motivierend vermerkt hatte: Es gibt zwei gute Gründe, Lehrer zu sein, Rüdiger: Juli und August. Ich hatte es gut gemeint, aber nun saß Rüdiger noch verzweifelter in meiner Küche und wusste einfach nicht weiter: Seit Wochen quäle er sich mit der Frage, ob er in den Ferien nun nach Korsika zum Erlebnis-Mountainbiking fahren oder doch besser den lang ersehnten Segelschein in Griechenland machen sollte. Oder vielleicht doch lieber noch mal drei Wochen in den Robinson-Club auf den Malediven wie im letzten Jahr? Das sei vielleicht geeigneter nach der sechswöchigen Kur wegen seines chronischen Bandscheibenleidens, von der er erst kurz vor den Sommerferien zurückkehren würde. Sein Los sei ohnehin schon schwer und nun müsse er auch noch diese Entscheidungen ganz allein fällen. Als ich ihn so sitzen sah, beschlich mich zum ersten Mal der Gedanke, dass Rüdiger vielleicht etwas Handfestes hätte lernen sollen. Zum Beispiel Bäckerei-Fachverkäuferin.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: MC CLEAN TOILETTEN

11. November 2014 Reinhold Weber. Wie erleichternd, wenn du dieses Plakat siehst, nachdem du zwei Chili-Tacos verdrückt hast.

TUE GUTES UND REDE DARÜBER 7. November 2014 Pete Stiefel Engels Rodriguez ist 22 Jahre alt und arbeitet als Coiffeur in Rapperswil. Insofern unterscheidet sich der junge Mann nicht von seinen Altersgenossen. Wohlbehütet in Gommiswald SG aufgewachsen hat er aber nie wirklich Erfahrungen mit Drogen oder den Schattenseiten des Lebens gemacht. Hier beginnt die Diskrepanz zu anderen Jugendlichen. In Zürich nimmt jeder Drogen und hat etwas auf dem Kerbholz. Die meisten stammen aus dem Milieu, wurden im Hinterhof gezeugt und auf der Strasse gross gezogen. Aufgeschreckt von diesem Elend, welches in der Weltmetropole Zürich herrscht, hat er nach seinem ersten Aufeinandertreffen längere Zeit keinen Fuss mehr an das verruchte Ende des Zürichsees gesetzt. In Rapperswil ist die Welt noch in Ordnung, schliesslich ist besagtes Flecklein Erde ja das Mäulchen dieses Gewässers – und Zürich das Arschloch. Seit diesem Rencontre mit der Hölle ist in Engels der Wunsch gewachsen, diesen armen Kreaturen da unten etwas Gutes zu tun. Was könnte das sein? Etwas, das er kann und ihnen fehlt? Eines schönen Tages im Spätsommer 2014 stiess er völlig zufällig auf einen Artikel auf Bild.de und Huffingtonpost.de und auf Welt.de und auf Aktuelle.mobi und auf Joiz.de und Friseur-Job.de und 20minuten.ch. Dieser Artikel beschrieb die rühmlichen Taten des Star-Friseurs Marc Bostos aus New York. AUCH ENGELS IST FRISEUR! Welch glückliche Fügung des Schicksals! Er MUSSTE diesen Artikel zuende lesen. Bostos hat während eines Besuches bei seiner Familie auf den Philippinen, seinem Heimatland, sozial benachteiligten Kindern die Haare geschnitten. Wieder zuhause hat er sich entschieden, dieses positive Gefühl nach New York zu bringen. Seither schnippselt er praktisch jeden Sonntag, seinem einzigen freien Tag, bis zu sechs Obdachlosen den Wuschel auf dem Kopf zu einer stattlichen Haarpracht. Sein einziger Lohn: Die strahlenden Gesichter der Frisierten. Und 209’428 Follower auf seinem Instagram Account. DAS IST ES! Fuhr es Rodriguez wie der Blitz durch den Coiffeurenschädel. Ich will auch 200’000 Leute, die mich gut finden! Äh, nein… Menschen helfen. Und berühmt werden! Aber in erster Linie die obdachlosen Zürcher zu besseren Menschen machen. Und Likes! Tausende von Likes! Und einen

Beitrag zum Weltfrieden leisten. Und so erfolgreich sein wie Valentino und so viel Kohle machen! So sollte es geschehen. An einem Sonntag, an welchem es nicht garstig nasskalt, sondern spätsommerlich warm war, schnappte er sich seinen Rasierapparat und ein Mäntelchen mit Logo seines Jungunternehmer-Salons und löste am ZVV-Billiee-Automaten am Bahnhof Rapperswil ein Ticket Zürich retour. Heute wollte er sich zurück in die Hölle des Löwen wagen und Grossartiges vollbringen. Da muss sich doch so ein Heruntergekommener finden, der gewillt ist, sich zu Engels’ Zweck vom Biest zum Schönen mutieren zu lassen! Einfach wars indessen nicht. Den Alkis schien es ganz wohl zu sein in ihrer Haut und mit ihrer Frisur. Kurz vor dem Aufgeben entschloss sich der Jung-Figaro, zwei nicht ganz so unappetitlichen Typen eine Flasche Trojka zu spendieren, damit sie ihren Kopf für sein Unterfangen herhalten.

Gesagt, getan. Glücklich, diesem Grossstadtsiff wieder entfliehen zu können, sass der sichtlich erleichterte 22-Jährige in der S-Bahn nachhause. Zufrieden kaute er auf seinem McDonald’s Cheeseburger herum: „Jetzt einfach heim, duschen und etwas Vice City gamen. Und dann dem 20 Minuten meine Bilder mailen. Am nächsten Morgen klingelte bei Familie Rodriguez das Telefon: „20 Minuten, grüezi. Engels Rodriguez, Sie gehen freiwillig auf die Strasse und frisieren Obdachlose. Wieso tun Sie das?“ – „Sicher nicht, um die Leute damit zu beeindrucken. Ich möchte der Welt etwas Gutes tun und dafür die Mittel nutzen, die ich habe. Da ich als Coiffeur Erfolg habe, gebe ich das gern weiter.“ Referenz: Das Original: Starfriseur verpasst Obdachlosen einen neuen Haarschnitt (The Huffington Post, 19. August 2014) Die Kopie: Coiffeur frisiert Obdachlose gratis (20min.ch, 5. November 2014)


kult

®

Seite zwölf

Dezember 2014

Ein mittagessen mit FRANK EBINGER Freitag, 26. November 2014 Von Rainer Kuhn

setzen. Wir haben mittlerweile doch ca. sechzig Generalvertretungen, alle unter den Top100 von Spanien, wir verkaufen richtig viel.

Auch das letzte Interview dieses Jahres aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt aus der Brasserie Lipp in Zürich. Wie alle in diesem Jahr. Bei dieser Gelegenheit möchten wir der Brasserie Lipp, ihren Mitarbeitern und der Familie Candrian herzlich für ihr Engagement und Gastrecht bedanken. Es war ein ausserordentlich leckeres Jahr bei Euch. Mit zwölf spannenden Gesprächen und ebensovielen vorzüglichen Essen. Dieses Mal hab ich zum Abschluss noch einmal Moules&Frites genommen. Frank wählte Austern&Champagner. Aber nicht irgendwelche, sondern ganz Spezielle. Hab vergessen, wie die hiessen. Aber es machte den Eindruck, als verstehe Frank etwas davon. Vom Wein sowieso. Aber das weiss ja jeder. Im Gegensatz zu ein paar anderen Sachen. Aber lesen Sie selbst:

Wo hast Du denn das KV gemacht? General-Transport am Bahnhofplatz, Import-Export, eine kleine Firma. Heidi Ulmer von Jet-Set war die beste Freundin meiner Mutter und wir hatten die kleinen Sendungen für Jet-Set importiert. So kam ich da rein. Dir wurde ja alles immer irgendwie gemischelt. Nicht mit "unten durch" oder "von der Schule geflogen und dann.." ... Ich bin ein Frühscheidungskind. Dann sind wir nach Oberrieden umgezogen, meine Mutter war dann mit dem Fussballer Fritz Künzli verheiratet, da war ich dann sofort der "Star von Oberrieden", musste für alle Autogramme besorgen.

Was hast denn jetzt so alles?

Ich hab ich immer gesagt, der Köbi Kuhn sei mein Onkel. Das war in den Zeiten, als die Cupfinals jeweils FCZ gegen FCB waren, Kuhn gegen Odermatt. Und der Cupfinal war am Pfingsmontag, wir im Pfadilager, sind dann immer zum nächsten Bauern gelaufen um das Spiel im Radio mitzuverfolgen ...

Das Casa del Vino natürlich, dann das Alice Choo ... Das Alice Choo gehört Dir? Als einer von Dreien, ja, klar.

Künzli ging dann nach Amerika, war ja einer der ersten Schweizer in der amerikanischen Liga und wir hatten zuhause dann immer die Leibchen der ganz Grossen, ich hatte das von Pele, FC Santos, das trug ich dann auf dem Pausenplatz, wenn es zuhause niemand merkte. Dann bekamen die beien persönliche Probleme miteinander und ich kam aufs Internat. Sie fanden, das wär das Beste für mich, was auch stimmte, ich mein, ich war damals dreizehn, meistens alleine zuhause, schöne Attika-Wohnung, da hab ich immer Kollegen eingeladen und das sah dann nicht mehr so schön aus.

Wusste ich nicht. Wusste nur das mit den Weinflaschen, nicht, dass Du auch noch Gastronmie machst. Ich habe ja das La Rocca schon lange, zusammen mit Mauri, ich war die graue Maus im Hintergrund. Das haben wir jetzt umgebaut, das heisst jetzt "Italian Monkey", das machen wir jetzt im gleichen Atemzug mit dem Alice Choo. Das liegt ja grad daneben. Ist ein bisschen wie beim Monopoly, Dir gehört jetzt praktisch der Escher-Wyss-Platz. Nein, aber wir können ja nicht von jedem erwarten, dass er Asia-Food gerne hat. So können wir einem sagen, er könne vor dem Ausgang auch einen Teller Spaghetti essen und dann danach auch in den Club rüber kommen. Ist aber nett. Was hast Du sonst noch? Das Tinto, das hab ich knapp drei Jahre jetzt. Aber eigentlich bist Du ja Weinhändler. Wie kommst Du denn zur Gastro? Hast Du soviel Wein geliefert, dass die die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten und dann hast du gesagt, ok, gibst mir halt den Laden? Nein, es hat mich schon immer gereizt, in Zürich so eine richtige Tapas-Bar zu machen, so wie in Barcelona oder Madrid, das hat in Zürich glaub noch keiner so richtig hingekriegt. Wir sind auf dem besten Weg dazu, obwohl die Zürcher nicht grad die schnellsten sind. Wenn Du zum Beispiel Lammnierchen servierst, dann sind sie oft nicht parat. Sie sagen, sie wollen etwas typisch Spanisches. Und bestellen dann Poulet. Aber weisst Du, das mit diesen Beizen, das kommt einfach, ich bin ja gar kein Beizer, ich steh da ja auch nicht drin ...

Wo warst Du? Wie kamst Du denn zum Wein? Über eine Frau. Meine Freundin nach dem KV war die Tochter eines Getränkehändlers. Der sagte irgendwann: Fertig lustig mit Getränkehandel, aber wir könnten eine Weinhandlung machen. Ich hatte grad nichts zu tun und dachte, ok, ist noch gut, und hab mich richtig reingekniet. Ich hab alles gemacht: Keller aufgeräumt, die alten Email-Schilder ausgegraben, die Syphon-Flaschen ausgewaschen, ausgeliefert, verkauft, eingekauft, einfach alles. Nach fünf, sechs Jahren hab ich gesagt: Entweder kann ich hier alles machen und ihr lässt mich, oder ich muss weiterziehen. Typisch so ein Junger halt, nach ein paar Jahren denken, er könne das auch, aber besser? Nein, mein Schwiegervater war der Chef, meine Frau die Sekretärin und ich das Mädchen für alles, ich hab ja den ganzen Laden geschmissen, hatte aber keine Kompetenzen, etwas zu entscheiden. Wir kamen irgendwie nicht auf einen grünen Zweig und ich fand einfach, ich wüsste wie es geht, aber mir sind die Hände gebunden. Dann hab ich ein bisschen rebelliert

und gesagt: Jetzt entweder oder. Dann fanden sie, ok, lassen wir den mal machen, mein Schwiegervater hat sich dann zurückgezogen, hat mir auch die nötigen finanziellen Mittel überlassen, das heisst, es waren ja auch viele Handycaps dabei, Warenlager bis unters Dach mit Zeugs, das schwer zu verkaufen war, aber ich habs dann irgendwie hingekriegt. Ich hab dann den Laden umgekrempelt und gesagt, es heisse jetzt nicht mehr "Haus des Weins" sondern "Casa del vino" und ich mach jetzt voll auf Spanien.

... obwohl die Zürcher nicht grad die Schnellsten sind. Wenn Du zum Beispiel Lammnierchen servierst, dann sind sie oft nicht parat. Sie sagen, sie wollen etwas typisch Spanisches. Und bestellen dann Poulet. Das war die Lösung? Konzentration auf ein Land?

Ja. Weinhandel ist extrem finanzintensiv, also wenn Du der Beste sein willst, das kannst Du gar nicht, das kannst Du nur, wenn Du dich spezialisierst. Es hat soviele Italiener in der Stadt, die Weinhandel betreiben, dann hats die Bordeaux-Spezialisten, dann die Grossen, die Möwenpicks und so. Die paar Spanier, die es hatte, waren so Traditionalisten, so ein bisschen eingeschlafen, die haben daneben noch Stockfisch verkauft und Büchsen mit eingelegten Muscheln und Chamon und so. Ich sagte immer: Ihr seid gar keine Weinhändler, ihr verkauft Kraut und Rüben. Wein haben sie gar nicht richtig verstanden. Die Spanier haben ihren eigenen Wein gar nie richtig ernstgenommen. Dann wars Ende achziger Jahre, Sevilla Kulturhauptstadt, Olympiade und so, und ich fand, doch, die haben Struktur und Potential und ich hab mir dann die Besten und Innovativsten paar ausgesucht. Da musst Du aber schon was davon verstehen. Ich hatte ja das Glück, dass ich das von Grund auf lernen konnte ohne Druck. Mein Lehrgeld hatte mein Schwiegervater bezahlt, ganz einfach. Aber es ist mir gelungen, dass dann auch umzu-

Alpines Progymnasium Flims. Wars gut? Im Nachhinein schon. War zwar ein bisschen mitlitärisch: Viertel vor Sieben läutet es, Sieben Bett gemacht, Viertel nach Sieben Morgenessen.. so drillmässig.. aber es ging. Hattest Du da nichts das Gefühl, nicht gewollt zu sein, als Du ins Internat kamst? Nein, gar nicht. Meine Mutter bekam mich ja schon mit Achtzehn, ich war eh immer mehr bei den Grosseltern, aber wenn Du das von Anfang an nicht so persönlich nimmst, sondern denkst, ok, die sind jetzt einfach ein bisschen jung ... Mein Vater sagte jeweils, ich sei ein Zufallstreffer gewesen, wurde auf dem Schulhausplatz gezeugt, ich dachte, ok, der ist halt so, kein Problem. Meine Mutter liess mich aber nie hängen. Es kam keiner ins Haus, der mich nicht akzeptierte. Ich wurde sehr früh sehr selbständig. Es war alles gut, wie es war. Nicht immer ganz einfach, aber ok. Wo wohnst Du jetzt? Zürich?


kult

®

Seite dreizehn

Künzli ging dann nach Amerika, war ja einer der ersten Schweizer in der amerikanischen Liga und wir hatten zuhause dann immer die Leibchen der ganz Grossen, ich hatte das von Pele, FC Santos, das trug ich dann auf dem Pausenplatz, wenn es zuhause niemand merkte. Erlenbach. Ich bin in den letzten zehn Jahren zehn Mal umgezogen. Häuserbesetzer? Oder immer umgezogen, wenn ein Zahlungsbefehl kam? Nein. Reiselustig. Nach der zweiten Scheidung zog ich mit einem Freund ins Seefeld, vis-à-vis vom Razzia, das war eine Geile Junggesellenwohnung mit Lift direkt in die Wohnung und dem Tram, dass dir durch die Wohnung fährt ... dann wohnte ich in Zollikon, dann im Kreis 4 ... dann irgendwann in Wollishofen .. Für mich ist alles auf der anderen Seite vom Bellevue schon fast Glarnerland. Da brauchst Du Stunden, um dahin zu kommen und wenn Du dort bist, wimmelts von Einbahn- und Sackgassen und Fahrverbot und so. Das ist mir alles zu kompliziert und verkehrstechnisch dogmatisch. Aber mal was anderes: In Spanien hat ja keiner mehr Geld, mit 50% Jugendarbetslosigkeit siehts auch nicht so aus, als ob sich das bald mal ändert. Spührst Du das als Händler von Spanischen Weinen?

... die ist ja schon da. Den Club hab ich eigentlich gemacht, weil ich in Bangkok in einen Laden gegangen bin, der hiess "Maggie Choo", der hat mich so inspiriert, bisschen lasziv, bisschen anrüchig, kein Puff, nichts, einfach auf hohem Niveau ein bisschen verrucht. Dann hab ich das meinen Freunden hier erzählt und bin dann im Sommer mit dem Francesco spontan nach Bangkok und gingen in dieses "Maggie Choo" und er war total begeistert und wollte sowas unbedingt in Zürich machen. Ich dachte, will ich jetzt als alter Sack noch sowas machen, aber er ist ja zwanzig Jahre jünger als ich und wollte es unbedingt. Aber man musste ja auch eine geeignete Location finden, so eine, wo es eine Treppe runter

Club machen für uns, weniger für die Jungen, unter 25 kommst Du nicht rein. Wenn Du zu uns kommst, sollst Du Dich ein bisschen wie in einer anderen Welt fühlen, mit Leuten, die nicht schon in allen anderen Locations dieser Stadt gearbeitet haben. Ich hab zum Beispiel auch den Weinkeller selber einrichtet, die Gestelle aufgebaut, über hundertfünzig Positionen Wein ensortiert. Alles sauber gelistet, dann hab ichdie Verantwortlichen kommen lassen, ihnen das erklärt und gesagt: Ok, wenn ich in drei Monaten wieder hier runter komme und irgendwas ist verändert, dann häng ich den Verantwortlichen an den Eiern an die Decke. Das hat die Leute dann sicher extrem motiviert. Nein, so extrem war das ja nicht. Es hat mir einfach Spass gemacht, das Teil selber einzurichten, wieder mal in den Stollen zu gehen, zu schwitzen, ich hab das ja zwanzig Jahre lang nicht mehr gemacht, klar, am Abend war ich fertig, hatte Rückenschmerzen, aber es hat sich geil angefühlt.

Ich bin ja jetzt nicht der, der sagt "mein Verein über alles", klar mein Herz schlägt für den FC Winterthur, aber eigentlich hätte ich mehr Freude, wenn der FCZ die Schweiz international so vertreten würde wie es der FCB macht. Und dass sie GC übernehmen sollen. Und ein eigenes Stadion bekommen. Und einen anderen Präsidenten. Irgendwie haben die einfach keine Kultur. Wollte kürzlich im Fan-Shop ein Retro-Leibschen kaufen. hab gefragt, ob sie das haben, so FCZ-Siebzigerjahre, die weissen Baumwollleibchen mit dem grossen Kreislogo auf der linken Brust und ohne blöde Werbung drauf. Hatten die nicht. Ich mein, dann hast Du einen Fan-Shop aber nichts drin, was an die beste Zeit des Vereins erinnert. Ist doch eine Scheisskultur, oder? Dem Verein wurde in den letzten zwanzig Jahren das emotionale Knochenmark ausgesaugt und jetzt hat er nicht mal mehr eine DNA. Wenn mein Herz lust auf Fussball hat, dann geh ich auf die Schützenwiese. Das Letzi find ich architektonisch richtig geil ... ... einmal im Jahr, wenn das Leichtathletikmeeting ist, mags ja Sinn machen. Oder für Konzerte ists auch gut. Aber für Fussball? komm schon ..

Nein, so extrem war das ja nicht. Es hat mir einfach Spass gemacht, das Teil selber einzurichten, wieder mal in den Stollen zu gehen, zu schwitzen, ich hab das ja zwanzig Jahre lang nicht mehr gemacht, klar, am Abend war ich fertig, hatte Rückenschmerzen, aber es hat sich geil angefühlt. Die Kate Moss hab ich auch mal kennengelernt, im Hannover Grand in London, hab sie aber nicht gekannt, erst zuhause, als ich in der Gala ein Paperazzi-Bild gesehen hatte, dachte ich, shit, das war ja die Moss am anderen Abend, ich Depp.

Die Produzenten sind mehr unter Druck, sie pushen den Verkauf, wollen natürlich in die reiche Schweiiz verkaufen, weil die Schweiz zahlt ihre Rechnungen und bunkern den Wein nicht, sondern trinken ihn. Der lokale Markt für Weine über zehn Euro ist praktisch tot. Und die Bodegas, die sich immer schon auf den Export spezialisiert haben sind besser dran als die Traditionalisten, die immer gesagt haben "Viva Espana - Wir veraufen vor allem in Spanien, Madrid und so", die gibt es kaum mehr.

Das war so eine Bungalow-Anlage, ich hatte das Zimmer oben, sie unten, das war so ringhörig, wenn ich auf dem WC war, konnte ich jedes Wort hören, wenn sie telefonierte. Und sie hat andauernd telefoniert, bis morgens um zwei. Ich hätte ein Buch schreiben können, was die alles erzählt hat. Sie war richtig herzlich, auch mit den Angestellten. Hofentlich auch. Das Schöne am Berühmtsein ist ja, dass man es sich leisten kann, bescheiden zu sein. Wenn man niemand ist, muss man ja immer so tun als ob, aber wenn man jemand ist, dann brauchts das ja nicht mehr, dann muss man nicht mehr so tun, dann ist mans ja.

Wär das nicht der Moment wo man hingehen könnte und sagen: Ok, wir kaufen da jetzt mal ein paar Bodegas auf.

...da ist der Albert von Monaco gekommen, die haben dann in den Katakomben unten aufs Taxi gewartet, waren voll verpisst, die sind dann ins Hyatt, wir mit, das war noch lustig, weil der Albert war sowas von voll und seine Frau wollte dauernd eins kiffen ...

gibt und ein Untergeschoss, da dachte ich gleich ans Indochine. Wir haben uns dann mit dem Indochine unterhalten und uns relativ schnell geeinigt. Vor allem haben wir den Mietvertrag bis 2026 übernommen, Du weisst ja was das heisst, oder? Bist ja auch Jahrgang 61.

Naja, ich weiss nicht. Es gab viele Baufirmen, die plötzlich viel Geld hatten und sagten, lass uns doch ein Weingut kaufen, das ist noch chic. Und vor zehn Jahren fing es plötzlich an zu rumpeln und siebzig Prozent der Güter standen zum Verkauf. Heute kann der Spanier nur noch überleben, wenn er ein Verkaufsnetz hat und in verschiedene andere Länder exportiert. Aber die Stimmung ist besser als auch schon. Ich bin ja etwa drei Monate im Jahr da. Die Krise war ja keine klassische Wirtschaftskrise, es war eine Politiker- und Bankenkrise.

Jedenfalls haben wir dann umgebaut, eine neute Küche eingebaut, alles, dass de Köche während dem Kochen nach draussen sehen können, es muss ein eigenes Angestellten-WC haben, bei den Männern muss es ein Pissoir haben, obligatorisch.

Dann kamst Du also mit zwanzig zum Weinhandel, jetzt bist Du dreiundfünzig, Zeit für die Midlife-Crises so mit "das haben wir jetzt über 30 Jahre lange gemacht, da muss es doch noch was anderes geben ...

Ich geh ja ein- bis zweimal pro Jahr nach Bodrum, Detox-Kur, in einer einfachen schönen Anlage in einem superschönen Ort. Und seit ein paar Jahren hörst Du immer, dass Naomi Campbell da hingeht oder Kate Moss, ich bin ja ein bisschen ein Kate Moss Fan. Und ich dachte, ja einmal, wenn ich da bin, wird die ja wohl auch kommen. Und voll, ich steh da so an der Reception und hab die Massagen gebucht, da stand Kate Moss neben mir und hat eingecheckt.

Keine Ahnung. Da werden wir pensioniert. Steht auf jeder Police: Auszahlung ab 1.1.2026. Hab keine. Ich glaub eh nicht dran, dass wir da noch was bekommen sollten, wenn es soweit ist.

Hä? Wieso? Wahrscheinlich weil nicht jeder absitzen kann, keine Ahnung. Man muss die Behörden ja auch nicht vestehen. Man muss einfach machen, was sie sagen. Aber wir haben ein Riesen-Team zusammen. Unser Barman ist aus Berlin, bis zum Hals tätowiert, ein Riesentyp. Mittlerweile sind wir zu dritt, sind auch finanziell gut aufgestellt. Es ist ein Superladen. Wir wollten ja auch einen

Drum verteil ich die Kults auch immer wieder mal gerne selber. Mit den Händen zu Arbeiten gibt einem, der sonst nur mit dem Kopf arbeitet, ein gutes Gefühl.

... aber es ist geil gebaut, so runterversetzt, warst Du damals auch am U2Konzert? Ja, beim Zweiten, wo es geregnet hat.

Ist ja heute noch so. Die im Lager sagen, die im Büro machen ja nichts, sitzen nur rum, und die im Büro sagen, die im Lager sind Deppen, karren ja nur Kisten rum und so. Klassiker. Die Faulen gegen die Dummen. Und am Schluss sind immer die Chefs die Arschlöcher. So soll es sein. Ich war ja auch mal Lastwagenbeifahrer bei der NCR, Sommerjob während dem Studium. Da galt ein strenger Kollegen-Kodex. Da geht keiner in die Pause, wenn nicht alle Laster abgeladen sind. Musste ich auch erst lernen. Ein Student wird in solchen Situationen nicht grad geschont. Hatte was ähnliches gemacht, ich war Muldenträger auf dem Bau, den Bauschutt runtertragen und die leere Tonne wieder rauf. den ganzen Tag lang ... Dann warst Du ja ein Riesenkasten am Schluss. Nein, im Gegenteil. ich war eher schmächtig. Hab ja dann auch Fussball gespielt, beim FCZ ... war ja klar, als Stiefsohn vom Fritz Künzli ...

Ich war voll in einer Lounge, da ist der Albert von Monaco gekommen, die haben dann in den Katakomben unten aufs Taxi gewartet, waren voll verpisst, die sind dann ins Hyatt, wir mit, das war noch lustig, weil der Albert war sowas von voll und seine Frau wollte dauernd eins kiffen, aber es hatte niemand was dabei. Albert kam dann irgendwann in den Adiletten daher, ein lustiger Abend. Bono hätte auch kommen sollen, aber wollte dann doch lieber schlafen gehen. Nicht einmal die Rockstars sind noch Rockstars. Letztes Jahr bin ich ja drei Tage lang mit Zucchero abgehängt. Den hatte ich in Istanbul kennengelernt und ich hatte ihn eingeladen im Tinto zu essen, wenn er in Zürich ist. Dann kam der auch wirklich und sagte: Frankie, Du hast gesagt ich soll kommen, also bin ich jetzt hier. Wir haben ihn dann drei Tage lang betreut, nach dem Konzert extra noch eine Pizzeria aufgemacht für ihn, weil er nicht in ein Nobelrestaurant gehen wollte. Aber er ist wirklich ein lustiger Typ. Der ist wie wir. Einfach berühmter.

Ich dachte dann schon, wenn der Moment kommt, dann mach ich noch ein Selfie mit ihr. Aber weisst Du was? Ich habs nicht gemacht. Ich kam mir irgendwie blöd vor. Ist eigentlich auch viel cooler, das in einer solchen Situation eben nicht zu machen. Aber nochmals zurück: 2026, wenn die Pensionskasse fällig wird, was willst Du bis dahin noch machen? Ich steh morgens um acht mal auf, trink meinen Kaffee, beantworte meine Mails, halb neun geh ich duschen, halb zehn bin ich im Büro, hab meine Mails aber schon gemacht und kann grad Gas geben. Dann geh ich lunchen. Ich mach vor allem, was mir Spass macht. Ich bin nicht mehr so im Tagesgeschäft. Das macht mein Sohn und meine Leute. Ich kümmere mich um meine Projekte, den Club, die Restaurants, meine Famile, mir wirds nicht langweilig.


pr채sentiert

Co-Sponsor

Z체rich-Kloten 20. Nov. 2014 - 4. Jan. 2015 Tickets: 0900 66 77 88 (CHF 1.15/Min., Festnetztarif) oder saltonatale.ch KultZeitung_290x440.indd 1

25.07.14 08:33


kult

®

Seite fünfzehn

Dezember 2014

DIE BESTEN ZITATE REVOLUTION IM SCHWEYZER RELEVANZAUS BRUCE SPRINGSTEENS FARBFERNSEH BEROMÜNSTER: SONGS: PLATZ 1 bis 10 KOMMT JETZT DIE «STERNSTUNDE HOMOPHILIE»? 20. November 2014 Reinhold Weber Das Kaderpersonal der Abt. für Unterhaltung beim Schweyzer Zwangs-Radio und Relevanzfarbfernseh Beromünster (Abk. SRF) findet nach gefühlten 100 Klausurtagungen, Strategiemeetings und Schweigeseminaren das gleiche, was ihre Chefs Matter und de Weck auch finden: es würden zu viele Kühe und Alpen und überhaupt viel zu viel Heimatscheiss gesendet. Solche Kuhfladensendungen für diese hinterwälderi-

4. November 2014 Dominik Hug 1. Stay hard, stay hungry, stay alive. (This Hard Land) 2. It’s a town full of losers and I’m pulling out of here to win. (Thunder Road) 3. We gotta get out while we’re young, cause tramps like us, baby we were born to run. (Born to Run) 4. You can’t start a fire without a spark. (Dancing in the Dark) 5. We made a promise we swore we’d always remember, no retreat baby, no surrender. (No surrender) 6. Still at the end of every hard earned day people find some reason to

schen Randgruppen machten einfach keinerlei Sinn mehr in unserer urbanen, weltoffenen Schweiz. Finden wir super. Diese abgefuckten Landeier mit ihren Nussbaum-Wohnwänden sollen endlich zu modernen, aufgeklärten, smarten Grossstadtmenschen erzogen werden, die nicht dauernd in tannengrünen Helly-HansenJacken rumlaufen und solchen Bullshit auf ihre Stimmzettel schreiben. Wir jedenfalls freuen uns schon jetzt

auf die neuen Sendungen “SFR@the people”, den “Friitigs-Jass” live aus Ramallah, “The Voice of the Third World”, “Sternstunde Homophilie”, “Kulturplatz Berlin” und “EU aktuell”. Konsequent wäre, im Zuge dieser programmatischen Revolution auch gleich den Namen unseres Staatsfernsehs zu optimieren. Dem neuen Logo UBW (iuuu-bii-dobbeljuu – Urban Broadcasting Worldwide) wäre eine gewisse Relevanz nicht abzusprechen.

believe. (Reason to believe) 7. And I’m just calling one last time not to change your mind, but just to say I miss you baby, good luck goodbye, Bobby Jean. (Bobby Jean) 8. Nothing is forgotten or forgiven, when it’s your last time around. (Something in the Night) 9. And what once seemed black and white turns to so many shades of gray, we lose ourselves in work to do and bills to pay. (Blood Brothers) 10. Well now everything dies baby that’s a fact, but maybe everything that dies someday comes back. (Atlantic City)

KIM KARDASHIAN UND ANDERE NACKTSCHNECKEN

14. November 2014 Jelena Keller Die Diskussion um Kim Kardashians neuste, provokative halbnackt-Bilder (als hätte es nicht schon Tausende gegeben) ist so was fürn grossen Arsch. Sie sei eine, die alte rassistische Stereotypen propagiert und Frauen diskriminiert. Ich bin ja weiss Gott kein Fan von Kim und ihrer Familie. der Mutter allerdings gebe ich Credits, weil sie es geschafft hat aus dem

Sex-Tape ihrer Tochter und ein par talentlosen, ungebildeten weiteren Töchtern ein Millionen Imperium aufzubauen. Gutes Entertainment ist nicht immer politisch korrekt. Es ist anrüchig, böse, ironisch, rassistisch, sexistisch, kategorisierend. Genauso wie guter Humor. Wieso regt sich denn keiner auf, wenn Mexikaner ganze Comedy Shows auf den Merkmalen ihrer Mentalität aufbauen?

Oder wie hiess nochmals der DeutschAfrikaner, der als Putzmann ganze Säle zum Lachen bringt? Oder wenn uns Mario Barth witziges über die Unterschiede von Mann und Frau bringt, somit die Genderdiskussion anregt? Irgendjemandem gefällt Kims Arsch offensichtlich. Die Nachfrage bestimmt auch hier das Angebot. Genauso wie Pornos gefallen – und die sind mit den unterwürfigen Frauenbildern viel diskriminierender als ein par harmlose statische Bilder. Klar, sie wurde von einem Typen fotografiert, der von sich sagt er habe das Junge Fever, bevorzuge zum Geschlechtsverkehr also schwarze Frauen und hat in der Vergangenheit mit deren Herkunftstypischen Merkmalen gespielt. Aber: Ärsche sind heute einfach in Mode, ein Fetisch und kein typisches Merkmal für Afrikaner, schon gar kein Motiv mehr, das der Belustigung dient. Ausserdem sollte man die Bilder, mit klar irrealen Proportionen) ein wenig satirisch sehen. Wenn man nur lange genug sucht ist alles irgendwie verwerflich. Ich gebe zu, ich fände es auch schrecklich, wenn mein sechsjähriges Töchterchen Anaconda von Nicki Minaj nachinterpretiert. Aber da verhält es sich nun mal genau so wie mit Drogen. Verbieten bringt nichts, aufklären schon. Ich würde ihr erklären wieso solche Bewegungen an die einer vulgären Stripperin erinnern, ich als Erwachsene das aber trotzdem von Zeit zu Zeit im Zimmer für Papa tue, wenn er brav war. :-) Trotzdem bin ich froh, dass das Frauen in ihrer Sexualität frei sein dürfen. Sie wurden genug lange unterdrückt. Auch Mütter befreien sich endlich von der antiken Vorstellung der Allerheiligen und beweisen, dass sie , sexuell aktive, attraktive, Frauen sein können. (Ganz abgesehen davon, dass das Kind ja sowieso beim Sex entstand,

also ein Beweis dafür ist, dass die Mutter Geschlechtsverkehr hatte und es (Hui!) womöglich noch genoss) Sucht man nur genug lange, so könnte man auch argumentieren, dass sich eine Frau den Mund nicht rot schminken sollte, weil dies anziehend und sexuell wirkt. Saubere Haare im Wind wirken erotisch. Brüste in Ausschnitten sind Erotisch, enganliegende Kleidung ist erotisch. Wo ist da die Grenze? Feministinnen haben uns den heutigen freien Status hart erkämpft. Wenn wir Frauen vorschreiben wie sie sich präsentieren sollen, sind wir leider alles andere als fortschrittlich. Alles Ansichtssache. Man kann sagen: Nacktschnecken sind freie, moderne Feministinnen, die machen was sie wollen ODER Nacktschnecken sind unterwürfige dümmliche Hinterwäldlerinnen, die auf Emanzipation scheissen. ALLES ANSICHTSSACHE. Nacktschnecken lieben sich und ihre Körper – von dieser Einstellung kann sich ein Mauerblümchen mit Komplexen ein Stückchen abschneiden und somit ein wenig glücklicher werden. In unserer Zeit werden Frauen UND Männer von den Medien sexistisch, objektivierend dargestellt. Wieso? Weil es Frauen- und Männerfantasien anregt, Sehnsüchte weckt Grenzen der Scham überwindet und einfach weil Sex Sells. Wir sind schon zu weit gegangen, das Frauen- und Männerbild in den Medien lässt sich nicht wieder entsexualisieren. Zigaretten töten auch und man verkauft sie aus finanziellen Interessen. Warum sollte man dann keine Körper verkaufen, solange die sich freiwillig zur Verfügung stellen? Die noch so gehasste Kim macht hier fett Kohle, während sich die radikalen Feministinnen darüber aufregen, wie sie es tut. Mit dem Bücherlesen und

Schreiben verdient man in unserer Gesellschaft leider nicht so viel wie mit dem Ausziehen. Das ist ein Fakt. Get over it. Zieh dich aus oder halt nicht, verfolge ein intellektuelles Image oder halt nicht. Oder reg dich auf und werde frustriert. Ich für meinen Teil liebe Micaela Schäfer, sie ist meine liebste talentfreie Nacktschnecke. Die werden wir nicht los, solange es Leute gibt, die Nacktschnecken toll finden. Erst wenn wir aufhören das Sex Sells Game mitzuspielen, wird man unsere Aufmerksamkeit auf andere Art bekommen. Vielleicht durch noch mehr Gewalt, noch mehr negative Schlagzeilen. Die einzige Strategie ist es solche Inhalte zu ignorieren und somit nicht zum Erfolg dieser beizutragen. Das andere ihre Sensationsgeilheit aber mit ihnen nähren, muss man akzeptieren. Und wieso findet man Sexualität eigentlich immer immer immer immer wieder aufregend? Weil es sich um vom Katholizismus produzierte Schamgefühle handelt. Um Verbotenes, Anrüchiges. Solange wie es gedauert hat uns verklemmt zu machen, so lange wird es dauern uns wieder zu entklemmen. Vielleicht, liebe Aufgeregte, vielleicht wird sich die Welt nach 10 Millionen Jahren voller Porno in Medien, endlich sattgesehen haben und sich wieder weg von Sex, zum Beispiel richtung Kunst bewegen. Aber Moment! Sind Nacktheit und Sexualität nicht auch Kunst?! Aktmalerei?! Aktfotografie?! Und alles beginnt von vorne. Ein never ending Teufelskreis. Wie gesagt: Sex sells. Wahrscheinlich für immer. Kritik an Kim: http://thegrio. com/2014/11/12/kim-kardashian-butt/ Witziges aus Kims Arsch: http:// www.t-online.de/unterhaltung/stars/ id_71766484/kim-kardashian-in-paperinternet-verhoehnt-xxl-hinterteil.html


PLATIN EDITIO 2 CD‘S N & 1 DVD

SERVICE PUBLIGG LIVE IM VOLKSHAUS

DAS NEUE ALBUM JETZT ÜBERALL ERHÄLTLICH! BLIGG.ch BG_SP_Inserat_KULT_RZ.indd 1

08.12.14 11:40


kult

®

siebzehn

Dezember 2014

DIE 30 BESTEN ZITATE AUS BRUCE SPRINGSTEENS SONGS: PLATZ 11 bis 20

6. November 2014 Dominik Hug 11. Man turns his back on his family well he just ain’t no good. (Highway Patrolman) 12. Wherever somebody’s fightin’ for a place to stand, or a decent job or a helpin’ hand, wherever somebody’s strugglin’ to be free, look in their eyes ma you’ll see me. (The Ghost of Tom Joad) 13. Some folks are born into a good life, other folks just get it anyway anyhow. I lost my money and I lost my wife, them things don’t seem to matter much to me now. (Darkness on the edge of town) 14. Some guys they just give up living, and start dying little by little, piece by piece, some guys come home from work and wash up, and go racin’ in the street.

(Racing in the Street) 15. Hard times come and hard times go, yeah, just to come again. Bring on your wrecking ball. (Wrecking Ball) 16. Have you ever seen a one legged man tryin’ to dance his way free, If you’ve ever seen a one legged man then you’ve seen me. (The Wrestler) 17. I came for you, but your life was one long emergency. (For You) 18. Well ’round here baby, I learned you get what you can get. (Tougher than the rest) 19. It takes a leap of faith to get things going, it takes a leap of faith you gotta show some guts. (Leap of Faith) 20. So when you look at me you better look hard and look twice, is that me baby or just a brilliant disguise. (Brilliant Disguise)

DAS KONDOM DES FRAUENS

25. November 2014 Midi Gottet Schon aufgefallen? Männer sind nicht wie Frauen. Männer würden niemals ins Schwärmen geraten, wenn es um das Aussehen eines anderen Mannes geht. Da gibt es keine öffentliche Zurschaustellung von Bewunderung fürs gleiche Geschlecht, wie es bei Frauen üblich ist. Männer zeigen platonische Zuneigung auf eine andere Art. Ein Kumpel, den ich heute auf der Strasse getroffen habe, schenkte mir nach einem Tratsch, ohne grosses Trari Trara, eine Packung Kondome. Magnum Size. Sowas hat wahre Grösse, finde ich. Das ist der High Five der Königsklasse. Von Mann zu Mann halt. Ganz anders ist es, wenn dir eine Frau eine Packung grosse Kondome schenkt. Dann ist das plötzlich ein Befehl, das

Ding gefälligst zu tragen, auszu- und aufzufüllen und nach getaner Arbeit geknotet im Kompost-Behälter auf dem zu kleinen Balkon zu entsorgen. Laut Studien der Kondomhersteller kaufen nur noch Frauen Kondome. Schockierend aber scheinbar eine Tatsache. Deshalb gibts jetzt auch diese Kondompackungen, die daher kommen als wären sie mit Pralinen gefüllt. Die klassische Mogelpackung eben. Tiefenpsychologisch gesehen, verbergen sich dahinter flächendeckende Berühungsängste. Frauen wollen die inneren Werte des Mannes in diesen Gummitaschen abfangen. Tun sie das nicht, kriegen sie Transit-Aids, eine Blasenentzündung, Kinder oder noch schlimmer, Scharlach. (Einspieler des Youtube-Hits “Dramatic Kitten”) Und wem haben wir das alles zu verdanken? Casanova. Er gilt als Erfinder des Kondoms. Damals waren es jedoch noch keine aus Gummi, sondern diese appetitlichen Schweinedarm-Kondome. Hatte das Schwein die Pocken, war das Ding sogar genoppt. Alles ganz organisch und gefühlsecht. Die Verhütung war noch reine Männersache und hatte dadurch wenigstens noch was Schweinisches. Heute sieht Verhütung wie Schokolade aus, schmeckt aber nach Gummi und hat einen bitteren Nachgeschmack. Was kommt als Nächstes? Das EinwegGanzkörperkondom bei Zalando? Die Pille gegen den Mann? Die Pille gegen die Liebe? Die Pille gegen missratene Kondom-Kolumnen? Okay, ich lass mir umgehend ein Rezept ausstellen ihr undankbaren Bälger.

Zürich im Herbst

24. November 2014 Yonni Meyer Nun, da die Tage kürzer und kälter werden, lasse ich meinen geliebten Jolly Jumper (Velo) morgens immer öfter zuhause. Armes Pferdchen. Die Alternative dazu ist, dass ich den 32er Bus an den Limmatplatz und von dort das Tram zum Sihlquai nehme – für alle, die nicht aus Zürich sind: das ist nicht ausschliesslich der Strich, sondern auch eine Tramstation gleich beim HB. Wenn es regnet, ist das die ideale ÖV-Strecke, um einen Text über Menschen im ÖV zu schreiben. Die Zürcher sind nämlich ein Volk von Velofahrern, was ich persönlich cool finde – manch ein Autofahrer mag mir da widersprechen. Und so sind die Busse an verregneten Herbstmorgen jeweils doppelt so voll, weil die Menschen, um ihre trendigen Hipsterfrisuren zu schonen, ihren Göppel zuhause lassen – ich inklusive. Meist in der Wohnung, übrigens. Ein Velo in Zürich zu haben ist, wie wenn man mit Diamantohrringen durch die Bronx geht. Aber das ist ein anderes Thema. So warte ich denn brav an der Bushaltestelle, während sich dort unter dem Vordach des Aperto immer mehr Menschen ansammeln (hier einmal 1000 Grüsse ans Aperto-Team an der Langstrasse, Ihr seid super!). Erste Idiotenbeobachtung: Viele Leute stellen sich mit dem Schirm unters Vordach. Sense: it makes none. Führt zu Augen-Ausstecherlis. Oder der Schirm bleibt in den Haaren anderer Wartender hängen. Auch nicht so schön. Naht der Bus, schiebt sich die Menschenfront gen Strasse, Schirme werden geöffnet, weil 10 Sekunden im Regen stehen ja mega nicht geht (weil Frise, weisch). Mir kommt das jeweils ein bisschen vor, wie wenn eine Horde Orks einen militärischen Angriff auf einen Hobbit-Bus planen würde. Dicht gedrängt, abgeschirmt, kampfeslustig. Zagg. Aus dem Bus aussteigen kann man

natürlich so kaum. Die Leute müssen sich geduckt durch das Menschenknäul quetschen und kommen fluchend am anderen Ende wieder raus. Natürlich wird bereits in den Bus gestürmt, während die Leute noch am Aussteigen sind. Manchmal warte ich regelrecht darauf, dass einer die Arme hebt und schreit: ERSTER! Zweite Idioten-Beobachtung: Sind da zwei freie Plätze, setzen sich die Leute an den Gang. Das regt mich SO AUF! Tut man das nachmittags um 3, wenn der Bus eh leer ist, find ich’s okay. Aber wenn der Bus völlig überfüllt ist? Am schlimmsten ist’s, wenn sie bei der Frage, ob der Platz am Fenster noch frei sei, ihre Beine in den Gang schieben und der Fragende sozusagen über sie rüberklettern muss, um auf seinen Platz zu gelangen. RUTSCH RÜBER ODER STEH AUF. Mann. Die Leute erweisen sich ausserdem als unfähig, sich von den Türen weg ins Innere des Busses zu bewegen, sodass vor dem Ausgang ca. 56 Menschen pro Quadratmeter stehen, während auf den Gängen theoretisch fünf Nilpferde eine Polonaise veranstalten könnten, weil’s so leer ist. Ich find’s auch nicht lustig, im Gang zu stehen, aber am Ende muss man sich eh wegbewegen, weil sonst nämlich anstatt einer sich schliessenden Tür ein minutenlanges Gepiepse der Türe und die Stimme des entnervten Busfahrers ertönt, man solle sich doch bitte in die Gänge verschieben. Vom Geruch in einem solchen Bus fange ich nun gar nicht erst an. Darüber liesse sich wohl ein ganz eigener Text schreiben. Beim Aussteigen am Limmatplatz befinde ich mich dann in der HobbitPosition und sehe mich mit einem Wall aus mit Schirmen bewaffneten Orks konfrontiert. Ducken, rausquetschen, fluchen. Danach allen den sich öffnenden Schirmen ausweichen. Ich hänge eben ziemlich an meinem Augenlicht, müsst

Ihr wissen. Ebenfalls eine Falle: Abrupt stehenbleibende Raucher, die sich SOFORT nach dem Aussteigen eine Kippe anstecken müssen. Habe mir schon ein paarmal fast die Nase an einem Raucherhinterkopf gebrochen – wäre aber sicher unterhaltsam für den Sachbearbeiter bei der Unfallversicherung. «Liiiiiebe Mobiliaaaaaar, …» Ich gehe zur Tramstation, atme die frische Luft. Ah, süsse Freiheit. Hole mit eine 20Minuten, schlendere zum Bänkli neben dem Ticketautomaten. Und dort: Dritte Idiotenbeobachtung: Menschen haben die Tendenz, sich wartend vor ein Bänkli zu STELLEN. Ernsthaft. Achtet Euch mal. Ich habe keine Ahnung, woher dieser Trieb kommt, aber überdurchschnittlich viele Menschen stehen mit ihren Waden gegen ein Bänkli gelehnt an Haltestellen des ÖV. Manche stellen dann noch ihre Taschen neben sich aufs Bänkli, sodass dieses komplett besetzt ist, ohne dass jemand drauf sitzt. Finde ich faszinierend. Mittlerweile frage ich dann jeweils, ob ich mich bitte hinsetzen kann. Die meisten lachen dann, weil sie sich selber wohl nicht bewusst waren, dass sie so dagestanden hatten. Das Bänkli brauche ich nämlich, weil ich jeden Morgen ca. 10 Minuten am Limmatplatz sitze und Menschen beobachte. Das ist mein Morgenritual (entstanden aus der Not, dass manchmal einfach der Bus nicht auftaucht und ich schon mehrfach fast den Zug verpasst hätte). Ich sitze da und schaue mir das morgendliche Treiben an und mein Hirn füllt sich mit Ideen, was ich Euch am nächsten Morgen so alles verzapfen könnte. Sehr oft muss ich so schon morgens herzhaft lachen, denn die Menschen sind einfach super. Und so lohnt sich auch das Reisli im überfüllten, stinkenden 32er an jedem verregneten Morgen wieder aufs Neue. Mit Liebe, Euer Pony

DIE BEDEUTUNG DEINES VORNAMENS

21. November 2014 Rainer Kuhn. Jacqueline hat den Vornamenbedeutungsgenerator auf Facebook ausprobiert. Aber sie hats dann nicht gepostet.


kult

Dezember 2014

Seite sechszehn

SWISS NIGHTLIFE AWARD 2014

VOTE NOW!

FOR YOUR FAVORITE DJS, EVENTS, LOCATIONS & SPECIAL AWARDS!

1. - 31.DECEMBER 2014 WWW.SWISSNIGHTLIFEAWARD.COM


kult

®

Seite siebzehn

Dezember 2014

4 BEST EVENT SERIE

BEST EVENT

BEST BIG EVENT

#LCMA, VD

1ER AOÛT PEOPLE IN THE CITY, VD

DIGITAL MAAG, ZH

APRODIA, VD

DRACHENBOOTRENNEN EGLISAU, ZH

ELECTRIC CITY, ZH

ATTITUDE NOCTURNE, VD

FUTURE SOUND FESTIVAL, ZH

ELECTRON, GE

BAZINGA, ZH

MODERNITY, VS / GR

ELECTROSANNE FESTIVAL, VD

BLICKPUNKT, BE

MYKONOS, ZH / BE

FREESTYLE.CH, ZH

HIMMEL & HÖLLE, ZH

NATURKLANG, ZH

M4MUSIC, ZH / VD

NACHTSEMINAR , ZH

THE BOAT (PARTYSAN), ZH

MYSTERY PARK FESTIVAL, TI

NASTY TRASH, ZH

THE STUDIO, VD

RUNDFUNK.FM, ZH

RAKETE, ZH

TONHALLE LATE , ZH

SONIC, BS / BE

THE DJ MARATHON, TI

ZERMATT GROOVE, VS

SUNDANCE FESTIVAL, VD

BEST OPEN FORMAT DJ

BEST HOUSE DJ

BEST ELECTRONICA DJ

A.S. ONE, ZH

BAD NELSON, VD

ADRIATIQUE, ZH

DJ ANTOINE, BS

ANDREA OLIVA, BS

DJ ACEE, ZH

EDX, ZH

ANIMAL TRAINER, ZH

DJ CRUZ, ZH

JAMIE LEWIS, ZH

DEETRON, BE

DJ LUCIANO, NE

MIKE CANDYS, ZH

JIMI JULES, BE KELLERKIND, SO

BAZOOKA, BS

GREEN GIANT, VD

MR. DA-NOS, ZH

JOHNNY ROXX, ZG

MR. MIKE, VD

LE ROI, BS

RAY DOUGLAS, ZH

REMADY, ZH

LUCIANO, GE

VINCZ LEE, GE

TANJA LA CROIX, SG

MIRKO LOKO, VD

WHIZ KID, ZH

YVES LAROCK, NE

ROUND TABLE KNIGHTS, BE

TOP 10 NOMINEES THE MOST ORIGINAL NIGHTLIFE BAR

BEST CLUB

BEST BIG CLUB

CAFÉ GOLD, ZH

BIERHÜBELI, BE

BAGATELLE 93, ZH

CLUB BELLEVUE, ZH

D! CLUB , VD

BAR ROUGE, BS

CLUB BONSOIR, BE

HINTERHOF, BS

CLOUDS, ZH

FRIEDA'S BÜXE, ZH

HIVE, ZH

KAPITEL BOLLWERK, BE

LA RUCHE, VD

KAUFLEUTEN KLUB, ZH

LE PUNK, VD

MASCOTTE, ZH

MAD, VD

LES ARCHES, VD

NORDSTERN, BS

PLAZA, ZH

LONGSTREET BAR, ZH

ROK KLUB, LU

SUPERMARKET, ZH

OLÉ OLÉ BAR, ZH

VIOR, ZH

VANILLA CLUB, TI

TALACKER BAR, ZH

ZUKUNFT, ZH

VEGAS CLUB, LU

BEST FESTIVAL

BEST NEW LOCATION

LIFETIME-AWARD

CAPRICES FESTIVAL, VS

CHAUDERON 18, VD

DER LIFETIME-AWARD WIRD EXKLUSIV VON DER ACADEMY

VALMANN, ZH

GREENFIELD, BE

CLUB ENGE, ZH

GURTENFESTIVAL, BE

CLUB HW, ZH

BESTIMMT UND EHRT DAS

ISLE OF DREAMS, BS

HANGAR 11, ZH

LEBENSWERK EINER INSTITUTION

MONTREUX JAZZ FESTIVAL, VD

KAUZ, ZH

ODER PERSÖNLICHKEIT AUS

OPENAIR FRAUENFELD, TG

NEO, ZH

DEM NIGHTLIFE.

OPENAIR GAMPEL, VS

RONDEL, BE

PALÉO FESTIVAL, VD

SCHLAFLOS, AG

ROCK OZ ARÈNES, VD

SEVEN, TI

ZÜRICH OPENAIR, ZH

TSUNAMI CLUB, VS

GET YOUR EARLY BIRD TICKET NOW!


kult

®

Dezember 2014

Seite zwanzig

das kult-weihnachtsessen in der blauen ente Ein ewig langer Tisch …

Mein Abend am Kultessen. NOT. Henrik Petro 2. Dezember 2014 Freunde, ich kann nicht kommen, ich hab Besseres zu tun. So meldete ich mich natürlich nicht vom Kultessen in der Forelle Blau (*Name geändert, aber der Red. bekannt. Ich geb mich doch nicht für billige Schleichwerbung her? Da muss schon zuerst Kohle rüber wachsen.) ab, denn dann hätte Sir Kuhn wie beim letzten Mal wieder diesen Ex-Mossad-Typen angerufen, der sich in der Schweiz „zur Ruhe gesetzt“ hat (die Anführungszeichen bitte visuell mit zwei Zeigefinger-Bewegungen vorstellen) und nur gelegentlich unserem Chef ein paar Gefälligkeiten erweist in ewiger Dankbarkeit an die Kult-Partys im Roxy und Carlton aus der Zeit, als Kult noch (bewundernd) über Nutten und Koks schrieb. Der „Aussteiger“ wäre dann wieder mit seinem fensterlosen schwarzen Van vorgefahren und seine

David Cappellini 2. Dezember 2014 … unendlich wirkend, und doch bloss einer von vielen an diesem kalten Winterabend in der blauen Ente. Eine Tafelrunde, um die sich alles zu drehen scheint, zumindest für jene, die dort auch sitzen. Allerlei Menschen, kunterbunte Schals und Geschichten. Ein üppiges Mahl, serviert von zwei stets grinsenden Kellner aus der Steiermark, die zu viele Dinge aufladen und dabei wirbelnden Händen ausweichen müssen. Reden über Rassismus oder Fiskalunion, Mauch und Rauchen, über Sex oder Knödel, vom Nachtleben und Tagträumen und von Liebeleien und Spiegeleiern. Die Körper stets wirbelnd, der Griff vom Brotkorb in die Luft, klirrende Gläser und die beiden überladenen Kellner aus der Steiermark, die im Minutentakt fidel am Tisch vorbei tanzen und dazu grinsend fragen, ob man glücklich sei. Und alle lachen immer weiter, herzhaft, wirbeln mit den Händen, um so eine Antwort zu geben, und die Kellner weichen munter aus und tanzen zum nächsten Tisch. Dann erzählt eine von gestern und einer von morgen, man

küsst sich auf die Wange und hört heimlich auch anderen zu, um doch noch nicht mitreden zu müssen, aber sich zumindest die Option frei zu halten, um an der endlosen Tafelrunde dann und wann auch den Partner zu wechseln. Plötzlich klirrts! Ja rumpelts, knallts gar. Ein ohrenbetäubender Lärm. Stille herrscht. Tausende Scherben, die braune Sauce auf dem, verdutze Blicke, verstummte Stimmen. Man hätte es ahnen können. Einer macht Fotos, ein anderer fragt leise in die Runde, ob denn die Bedienung oder die Hand schuld sei, einer bietet Hilfe an. Der eine, wohl schuldige Kellner wischt gehetzt und gebückt, ein wenig beschämt wirkend gar, den Boden. Hochrote Wangen hat er – sei es, weil er aus der Steiermark kommt oder vor Scham. Man kann derweil auch seinen Stress erkennen und er wiederum scheint die vielen Blicke zu spüren, dreht drum auch den Kopf immer wieder weg. Bis schliesslich sein Kollege grinsend in die Runde fragt, ob man denn noch immer glücklich sei. Und alle wieder lachen.

beiden Schlägertypen – Ex-Mitglieder von OMON – hätten mir wieder einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt, mich in den Van gestossen, mir ein paar Elektroschocks verpasst und mich dann doch zum Abendessen gebracht. Wo mich dann Rainer ernst angesehen hätte wie Don Corleone, um dann mit Bedauern davon zu faseln, dass wir eine „famiglia“ seien und ich der verlorene Sohn, der vom rechten Pfad der Schreibtugend abgefallen sei, bla bla laber laber. Und das den ganzen Abend lang! Eben, genau das wollte ich diesmal vermeiden und habe darum einen geschäftlichen Terminkonflikt vorgeschoben. In Tat und Wahrheit hatte ich tatsächlich Besseres zu tun. Und Leute, die Story ist so unglaublich, ich MUSS sie euch erzählen: Ich habe da diesen Freund, dessen Namen ich zu seinem Schutz für mich

behalten muss. Der ist vor Jahren nach Hollywood ausgewandert. Immer wieder schrieb er mir oder rief mich an und erzählte, mit welchem Superstar er gerade wieder abgestürzt ist oder mit welchem Starlet er gerade wieder eine heisse Affäre am Laufen hatte. Jedenfalls hatte er sich nach langer Zeit wieder gemeldet und mich gefragt, ob ich Lust hätte, mit Jeffrey Jacob Abrams zu Abend zu essen, der sein neues Projekt produzieren wolle. Hallo – J.J. Abrams ?? Das ist, als wärst Du DJ der Nachmittagsdisco im Jugendzentrum Buchenegg und ein Freund Dir anbietet, mit Hardwell etwas Clubhopping zu machen. Oder mit Lewis Hamilton eine Spritztour in einem SLS AMG über Gotthard, Nufenen und Grimsel. Und damit nicht noch genug: „Ich freue mich, dir dann auch meine neue Freundin Eva vorzustellen.“ Er hat mir dann ein Bild geschickt. Es war nicht irgendeine Eva – nein, sondern Eva Mendes. „Scheisse Mann, Du hast es geschafft!“ rief ich verzückt aus, als ich das Bild auf meinem Handy sah (die anderen in der Kirche haben zwar ganz schön blöd gekuckt – der Rest der Abdankung war dann aber noch ganz rührend verlaufen). Der einzige Haken an dieser Einladung: das Essen fand in Benidorm in der Nähe von Alicante statt. Ich musste also einen Flug nach Spanien buchen. Okay, die Aussicht auf 19 Grad und blauen Himmel hat mich dann nicht wirklich davon abgeschreckt. Ausserdem würde er mir das Ticket zurückerstatten. Am liebsten in Euro – denn er hatte noch ein Konto in Spanien und müsse dringend das Geld ausgeben. Daher soll ich auch noch gleich seinen Flug vorschiessen – es.r wolle auf das Konto nicht aus den USA heraus zugreifen und so das IRS auf ihn aufmerksam machen. Er hat mich dann auch gebeten, das Restaurant auf meinen Namen zu reservieren. Man wolle ja nicht unnötig Aufsehen erregen. Als ich dann, nervös und zu früh, bereits am dritten Cüpli nippte, kam dann mein Freund endlich. Allein. „Wo ist Abrams?“ fragte ich nach der Begrüssung ungeduldig. Verlegen konnte er mir fast nicht in die Augen schauen. „Ach, das ist jetzt wirklich doof gelaufen. Es gab

Verzögerungen beim Dreh des neuen Star Trek Films und er wurde ultrakurzfristig auf dem Filmset in St. Barth gebraucht.“ Ich war geschockt. „Ja und deine Freundin Eva? Ist sie wenigstens da?“ Nun wurde sein Blick traurig. „Sie hat Schluss mit mir gemacht.“ – „Nein – wieso?“ – „Sie hat einen andern!!“ – „Nein, wen?“ – „Keine Ahnung, das will sie mir erst sagen, wenn sie aus St. Barth zurück ist“ – „Ach, sie ist auch dort?“ – „Warum sagst Du ‚auch‘..? Oh. Ach so.“ Sein Blick wurde noch trauriger. „Tut mir leid, dass Du für nix hierher geflogen bist“, meinte er mit weinerlicher Stimme. „Ach, was heisst schon für nix? Dafür hab ich dich wieder mal gesehen!“ versuchte ich meine riesengrosse Enttäuschung zu überspielen. Etwas wie ein Lächeln zuckte kurz um seine Lippen herum auf. „Aber kannst Du mir noch wenigstens mein Geld geben?“ fragte ich doch recht unsensibel (naja, ich war schon recht paralysiert). „Ouh, Du stell dir vor – die Filiale meiner Bank hat über die Wintermonate hier geschlossen! Schon ziemlich doof: da hast Du 200‘000 Euro auf der Bank – und kommst nicht ran! Könntest Du mir das Hotel auch noch vorschiessen?“ Ich blickte ihn an, Tausend Gedanken und Emotionen jagten durch meinen Kopf und Körper. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und Wut erfasste meinen Körper – richtig heftige, brachiale Wut. Ich tat das einzige, was man in dieser Situation tun konnte: ich nahm ihn in meine Arme, drückte ihn und sagte: „Oh Mann, Du bist schon der allergrösste Pechvogel, den ich kenne. Karma is such a bitch to you! Aber klar helfe ich Dir, dazu sind ja Freunde da. Und den Betrag rechne ich einfach zu den anderen 37‘432 Franken hinzu, die sich in den letzten 20 Jahren angehäuft haben.“ – „Danke!“ sagte er, klopfte mir vergnügt auf die Schultern, schnappte sich die Karte und fragte fröhlich: „Und was gibt’s zu essen? Ich habe nämlich Hunger! Oh schau mal, sie haben Loup de Mer in Salzkruste!“ Ich liebe diesen Typen. Wie kann man nur vom Schicksal derart sodomisiert werden – und das dann so schnell wegstecken? Was hab ich für ein Glück, dass meine Freunde mich nicht verarschen…

Hätten meine Erwartungen an eine firmeninterne Weihnachtsparty … Jelena Keller 2. Dezember 2014 … bestätigt, so hätten wir nach Shots-Runden, Flaschen- und Wahrheit oder Pflicht-Spielen, auf den Tischen getanzt. Hätten auf die Teppichböden gekotzt, unsere Vorgesetzten umarmt, hemmungslos allen Frauen in Röcken auf den Arsch geklatscht. Den Teamleader lullend um eine Gehaltserhöhung gebeten und ihm bei ablehnender Haltung endlich „Schwanzlutscher!“ zugerufen, um ihm dann fadengerade eine Ohrfeige ins Gesicht geschmettert. Wir hätten unserer heimlichen Büro-Affäre die Liebe gestanden, verschwitzt zu Jingle BellsRemixes vulgäre Twerk-Moves auspro-

biert. Der eine oder andere hätte sich das Hemd vom Leib gerissen, denkend, seine Brustbehaarung mache ihn automatisch zum König der Löwen, dabei brüllend die kleinen Gourmet Hamburger wie eine Gazelle gerissen, dann eine grausig aggressive Essensschlacht gestartet. Mancher hätte im WC mit der Praktikantin gepoppt, woraus eine leichtsinnige, gesetzwidrige Liaison entstanden wäre. Einer wäre verschwunden und erst nach einer Woche mit einer Niere weniger in Minsk aufgewacht. Es hätte so werden können, wären wir Menschen, die sonst nie sein dürfen, wie sie gerne wären.

So sitzen wir an einem Dienstag Abend in der Blauen Ente. Diskutierend, lachend, bald durchs viele Trinken ein wenig lallend, ein wenig schreiend und sind dabei nichts weiter als Menschen, die die Gesellschaft ihrer Mitarbeiter geniessen, weil ihnen

schlicht keine andere Wahl gelassen wird. Wir sehen aus wie Freunde. Weil es keine Tabus zu brechen, kein Selbstwertgefühl zu stärken gibt. Weil wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Weil Individualität keine Rivalität zulässt. Weil Gehaltserhöhungen nicht möglich sind. Weil Grenzen täglich überschritten werden dürfen. Weil Umarmungen an der Tagesordnung sind. Weil Sprücheklopfer, die unter die Gürtellinie zielen akzeptiert sind. Weil Ideen angehört werden. Weil Exzesse jederzeit erlaubt sind. Weil Andersartigkeit zelebriert wird. Weil wir hier immer sind, wer wir sein wollen - nicht nur einmal im Jahr am Weih-

nachtsessen. Weil wir alles dürfen und nichts müssen. Doch ausserhalb dieser kleinen gesetzlosen Welt sind wir jeder anderen angepassten Gesellschaft gleich. Uns gerade deshalb im KULT-Mikrokosmos so wohlfühlen. Auch wir liegen unter der Woche, zwar besoffen, doch spätestens um 2.00 Uhr im Bett, wenn morgen die ernüchternde Alltagswelt wartet. Weil wir doch gar nicht so anders, bloss von der Sorte sind, die zu Papier bringen können was andere manchmal denken. Weil auch wir, nichts weiter sind - als das gewöhnliche Leben.


kult

®

Seite einundzwanzig

Dezember 2014

Im Krieg und am Weihnachtsessen ist alles erlaubt

Kaspar Isler 2. Dezember 2014 Wer sich mit über einem Dutzend Satiriker an einen Tisch gesellt, muss sich warm anziehen. Spätestens nach dem dritten Glas Wein ist der Rubikon überschritten und man befindet sich inmitten eines Kreuzfeuers gnadenlos knatternder Textgewehre. Nun sitze ich da, spähe mein Gegenüber aus und stärke mich präventiv mit von Trüffeln bedeckter Salami. Mit Christian Platz zu meiner Linken flankiert mich ein Stratege, der seine Worte mit Bedacht wählt, einer der sich auch im brutalsten Kugelhagel erst mal eine Zigarette drehen und einen differenzierten Schlachtplan zurechtlegen würde. Gegenüber blicke ich auf Jelena Keller, David Hugentobler, Alex Flach und David Cappellini. Kenne deinen Gegner, hat mich schon mein Grossvater gelehrt. Mit einem Happen warmem Ziegenkäse im Mund analysiere ich nun also die potentiellen Rollen meiner Redaktionskollegen im zunehmend unruhigeren Konfliktgebiet in Form einer festlich geschmückten Tafel. Cappellini ist der Typ Mann, dessen Schlagkraft nur noch von seinem spitzbübischen Charme übertroffen wird. Ich kenne ihn seit Jahren. Wir funktionieren gut. Ich nominiere ihn gedanklich als potentiellen Allianzpartner, wenn der erste Stein fliegen sollte. Alex Flach bildet die schwerer kalkulierbare Variable meiner Überlegungen. Je nach Tagesform hat er einen dickeren Pelz als ein ausgewachsener Silberrücken-Gorilla. Aber nicht nur Zoologen wissen: Fühlt sich ein friedfertiger Riese in die Enge gedrängt, kann’s gefährlich werden. Ruhe bewahren, Isler. Abwarten. Weiter zu Hugentobler: Etablierter

und intelligenter Schriftsteller. Risikobehaftet. Wir kennen uns kaum. Die Chancen, dass er sich nach Kriegsausbruch mit mir verbündet, liegen bei 50 Prozent. Sollte er sich im verfeindeten Lager aufstellen, hilft nur ein vorlauter Blitzkrieg. Gebe ich ihm zu viel Zeit, ist er mir wohl überlegen. Intellektueller Literat auf 12 Uhr. Leicht verunsichert bringe ich meine Geschütze in Gefechtsstellung. Rechts aussen lauert Jelena Keller als einzige Frau in unserer Ecke. Man muss nicht Soziologie studiert haben, um zu erahnen, dass sie unfreiwillig aber todsicher der Grund sein wird für den ersten Schuss im mittlerweile brühwarmen Krisenherd. Danach geht alles ganz schnell. In mir nicht mehr nachvollziehbarem Kontext fällt aus Cappellinis Mund das Wort „Nutte“. Späher Hugentobler sieht seine Chance gekommen und leitet die vulgäre Granate in inhaltlich verfälschter Flugbahn an Jelena weiter, um sie gegen Cappellini aufzustacheln. Cappellini betitelte nicht (wie von Hugentobler behauptet) Jelena als Professionelle und verdient deshalb volle Rückendeckung. Entladen, Feuer! Hugentobler’s Plan ging nach hinten los. Von den Waffen einer angegriffenen Frau und dem Kugelhagel aus dem Lauf des explosiven Duos Isler/ Cappellini schwer getroffen, wirft sich Hugentobler in den Schützengraben. Verzweifelt sucht er zuerst in Alex Flach und dann (ausgerechnet!) in Jelena Keller einen Verbündeten. Wie ein aufgescheuchter Deserteur rennt er mit nichts als einer erkalteten Fackel in der Hand - zwischen den geschlossenen Fronten hin und her. Gerade als die Luft zum schneiden dick wird, kommt

der unerwartete Auftritt von UNOBlauhelm Alex Flach: Nein, Mr. Nightlife versucht nicht Frieden zu stiften, sondern schafft es mit nur zwei Sätzen das Kreuzfeuer der gesammten Truppen zum schweigen zu bringen. Aus unerfindlichen Gründen pfeffert der

RESTAURANT BLAUE ENTE Mühle Tiefenbrunnen Seefeldstrasse 223 8008 Zürich unfreiwillige Schlichter folgende Anekdote aus seiner Kindheit in die Runde: „Wisst ihr wie unsere drei Katzen in den 70er-Jahren geheissen haben? Tigerli, Schneeflocke und Neger.“ Isler und Cappellini fallen prustend aus der Gefechtsstation, Keller ist so verwundert dass sie alles vorangehende vergisst und Hugentobler, der Fuchs, kann den schwarzen Peter wortwörtlich und mit einem breiten Grinsen im Gesicht an Flach weiterleiten. *Anm. der Redaktion: In den 70erJahren war „Neger“ nicht als negativ konnotiertes oder rassistisches Wort zu verstehen. Deshalb und weil Alex Flach in etwa so viel Rassist ist wie Kim Jong Un ein Verfechter der direkten Demokratie, mögen hiermit übereifrige Kritiker gleich präventiv ruhiggestellt werden. Wer den Konflikt dennoch sucht, für den halten wir aber gerne einen Stuhl am Kult-Weihnachtessen 2015 frei.

Wer dienstags beim Tiefenbrunnen … Vanessa Kunz 2. dezember 2014 … in der blauen Ente war, hat uns wahrscheinlich nicht gesehen. Wir sind eben mittlerweile so viele und ich hab ja auch den Überblick verloren. Ich weiss auch nicht, ob das der Welt gut tut, dass wir mittlerweile so viele sind. Zum Glück hat aber jeder von uns so seine eigene Meinung. Eine Meinung über so ziemlich alles, was, wenn wir mal ehrlich sind, gar nicht geht und auch wenn’s einen ja schon auch interessiert, was der andere so meint, weiss jeder von uns selbst, dass die eigene Meinung die einzige Wah-

re ist. Ich glaube, dass ist auch das, was das Kult zum Kult macht. Keiner hockt sich selbst auf die Fresse, man

tut’s wenn schon bei jemand anderem. Aber immer mit viel Feingefühl, bis es weh tut. Für die guten Geschichten des Abends bin ich zu früh gegangen. Ich wäre zwar gerne länger geblieben und weiss auch nicht genau, wieso ich es nicht getan habe. Ich Pfeife. Danke trotzdem für die wunderbaren Gespräche mit Hug über die beste Band der Welt, mit Angela über das was zählt im Leben und mit Jelena und Midi über das, was ganz sicher nicht zählt. Und danke Rainer fürs Nachdenken übers Cool sein und wieso es von uns keiner wirklich nötig hat. You rock!

Mit Grippeviren und Aspirin…

Angela Kuhn 2 Dezember 2014 … im Gepäck machte ich mich auf zum Kult-Weihnachtsessen. Nie hätt ich erwartet, da tatsächlich die ganze Crew vorzufinden. Aber so war’s, tatsächlich, altbekannte, sehr altbekannte und einige neue Gesichter, und meinen Vater, der strahlte wie ich am Weihnachtsmorgen. Henrik fehlte. Der war in Spanien am Töffahren. Mann, Henrik! Bei den Kulttreffen freu ich mich jeweils alle zu sehen. Yonni sah super aus, so als frisch gebackene Autorin. Hurra, Yonni! Als letzte traf Vanessa ein, sie verpasste die Lagerfeuer rede vor dem Restaurant. Gopf, Vanessa! Nach einigen Drinks wurden wir zum Tisch geführt, was bei +-16 Menschen – die nebenbei bemerkt unterschiedlicher nicht sein könnten – heikel werden kann. Mann möchte schliesslich di richtigen um sich rum haben, um den Abend mit ungezwungenen Gesprächen geniessen zu können. Vorsichtshalber setzte ich mich neben den Papa, denn, wenn schon Kuhn-Meitli, dann richtig. Mir gegenüber sass Dominik. Jee, Dominik!

Das essen war echt ausgezeichnet, und dank Dominik war es meine Abendunterhaltung auch. Wie schön es war, wieder einmal ein Gespräch führen zu können, in dem ich nicht krampfhaft versuchen musste, eine Meinung zu formen und richtig zu formulieren, eine angeregte Diskussion zu führen und so intelligent wie nur möglich zu wirken – wisst ihr was ich meine? Der Hug und ich tauschten uns aus über unser Leben, unsere Beziehungen, Klischees und Nichtigkeiten. Echt super. Danke, Dominik. Rechts von ihm sass Vanessa. Sie schreibt nicht mehr viel, wie ich auch, wir sind halt momentan schön im Reinen mit uns und der Welt, drum fehlt die Inspiration. High-five, Vanessa! Ich mag sie super gerne. Die Kultküken müssen zusammenhalten. Der Rest der Truppe ist auch sehr geil. Wie gesagt, unterschiedlicher könnten wir kaum sein, und verbände uns Kult nicht, hätten wir wohl nichts miteinander zu tun. Aber Kult verbindet uns, und so sassen wir alle gemeinsam in der Blauen Ente, assen, tranken, vermissten den Henrik bitz, diskutierten, liebten, genossen. Auf uns.

Tischrede

Reinhold Weber 2. Dezember 2014 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Anwesende. Schön, dass Ihr alle gekommen seid. Es hätte zwar einer mehr sein können, aber der Henrik ist in Malaga am Töff testen und somit entschuldigt. Vielen Dank für Eure tollen Beiträge in diesem Jahr. Von einigen von Euch hätten es zwar ein paar mehr sein können. Den Goldenen Statistik-Balken erhält Pete Stiefel für seine Story, in der er, hehe, die Nachtvelofahrer in die Pfanne haut. Mehr Klicks hatte dieses Jahr keiner. Bravo, Pete, und mehr davon! Rückblickend kann man sagen: Obschon schwierig und so, konnte

die KULT GmbH sich dank Inseraten, Sponsoringbeiträgen, Gegengeschäften, Sacheinlagen sowie sonstigen Zuwendungen zwei neue Schnellhefter von Leitz und eine neue Schreibtischlampe leisten. Es darf aber im kommenden Jahr ruhig etwas mehr sein, denn der Drucker ist auch schon über drei Jahre alt. Nach dem Apéro gibt es zur Vorspeise allerlei Regionales aus dem Elsass, Vorarlberg, Appenzell, dem Tessin und so, dann ein original ungarisches Gulasch mit Sauerrahm und Mühlebrotknödeln, zum Dessert ein hausgemachtes Méringue mit Greyerzer Doppelrahm und Beeren vom Beeri-Hof, Wasser, Einsiedler-Bier, Weissburgunder, einen leichten Roten aus Oesterreich und zum Abschluss Kaffee mit Schnäpsen aus dem Südtirol. Für mehr hat es nicht gereicht. Rauchen kann man in der Bar da drüben oder grad da draussen an der Feuerstelle, damit keiner an den Ranzen friert. Wir wünschen Euch frohe Festtage und ein glückliches 2015, in welchem unsere Leserinnen, unsere Leser - und natürlich wir selbst! - hoffentlich noch mehr Spass an uns haben werden. Und jetzt: En Guete. Fertig.


kult

®

Dezember 2014

Ich kam etwas später aber ich kam

Midi Gottet 2. Dezember 2014 Eine Terminkollision zwang mich, verspätet zum “Kult Weihnachtsessen” (how zynisch can you go?) aufzutauchen. Ihr wisst ja, was das bedeutet: 20 SMS, die sagen, dass ich verdammtnochmal meinen Arsch hier hin bewegen soll, und ähnliches. Dann mein Auftritt vor versammelter, vollgefressener und grösstenteils angetrunkener (ja Isler, du bist gefuckingmeint) Mengele. Danach huldiges runterbeten von Entschuldigungen wegen meines späten Auftretens. Nachdem ich alle höflich mit Handschlag begrüsste, und das Urbi et Orbi von Rainer gesalbt bekam, setzte ich mich in die Bubenecke zur Isler/Flach/Hugentober/CapelliniFraktion. Vor mir ein nicht getrunkenes Glas Wasser vom Weber. Wow, welch Empfangs-Buffet. Die Jungs machten auf mich nüchtern nur bedingt Sinn. Flachs Handy gab den Geist auf. Wie immer, wenn ich Flach sehe, ist sein Akku down. Der Mann frisst Energie und sein Scheissakku kann ein Lied davon singen. Also klaute er mein Handy, weil er noch so totally wichtige Calls machen musste – um 22.30h. Ja, das Nachtleben zahlt seinen Tribut. Eigentlich rief er nur seine Freundin an, die ihn zum Glück nicht mit “Hallo Midi-Schätzli” begrüsste. Soll er doch

mein Handy behalten. Ich wechselte rüber in die Frauen-Ecke zur Keller/ Meyer/Kunz/Binswanger-Fraktion. Hier war ich zu Hause. Nachdem ich mich erkundigte, mit wem ich schlafen müsse um ein Glas Rotwein zu kriegen, schnellte die Service-Fachkraft schon heran und schenkte mir (achtung Wortkapriole!) Rainen Wein ein. Gratis. Das letzte Glas, danach müssten wir scheinbar selber zahlen. Verdammter Hiob, hinfort mit dir um im Fegefeuer gedauerfistet zu werden. Danke RAINER für diesen schönen Moment der Wahrheit. (Ich muss hier anmerken, dass Rainer am darauf folgenden Donnerstag bei mir im Lucid Lunch alle Blaue-EnteDrinks, ehrenhaft wie er ist, zurückerstattete. Voted best and fairest boss of all times! So, genug Eierkrauling.) Die Damen waren himmlisch offenherzig und nahmen mich, wie einen verlorenen Sohn, zu sich ins Harem auf. Ich krempelte meine weibliche Kafichränzliseite nach aussen und liess mich davontragen von jeder einzelnenen dieser vier himmlischen Engelsgestalten. Nachdem der Rotwein alle war, zögerte ich keine Sekunde und investierte eine Runde Moscow Mule der gute Laune wegen. Die ServiceFachkraft stolzierte den In-House-gebrauten Ginger-Bier-Drink heran und behauptete nach meiner Reklamation,

dass Gurken durchaus in einen Moscow Mule gehören. Yeah Baby, und ich renne täglich durch eine motherfucking Harfe. Aber lassen wir das. (Gurken gehören in einen Munich Mule, die deutsche Variante. Musste es aber erst googeln. Da haben wir wiedermal was gelernt, hä?) Die Damen mochten den Drink und ich mochte die Damen, die die Damen wurden, die den Drink tranken. Nur eine der Damen (Name ist der Red. bekannt), trank Wodka Red Bull und sie fand es wunderbar. Neidisch gestand ich ihr, dass dies auch mein Favourit Drink sei aber ich hatte am nächstem Morgen um 9 Uhr mein nächstes Meeting mit einem Kunden der viel Geld für mein erzwungene Nüchternheit bezahlte und wählte die Katalysatorvariante Moscow Mule. Ich bin jetzt eben erwachsen und habe Meetings am Morgen. Trotzdem lockte mich die Nacht mit all ihren Reizen, doch ich widerstand der Versuchung, mir einen Kater anzutrinken und verabschiedete mich von der frivolen Masse mit dem Versprechen, es beim nächsten Mal krachen zu lassen bis der Veterinär kommt. Gott, was liebe ich diese Saubande. Auf dass, wir alle auf ewig in der Hölle schmoren mögen. Bildmaterial wurde erzeugt durch Mamarazzi Bins-

wanger. Danke, an dieser Stelle. Der Mann im Hintergrund macht wenigstens nur Peace-Eselsohren und nicht die motherfucking Schere. Danke, an dieser Stelle.

Seite dreiundzwanzig

DAS ABENDMAHL

Pete Stiefel 2. Dezember 2014 Ich hatte ja, offen gestanden, panische Angst vor diesem Weihnachtsessen. Das mag jetzt mancheinem etwas seltsam erscheinen: Gesellige Runde, Wein, Weib, Gesang... wovor könnte man sich da schon fürchten! Die Antwort ist eine einfache: Bei einer solchen Zusammenkunft einer der Neuen zu sein. Man kennt es: Dem Neuen wird der Stuhl weggezogen, wenn sie sich setzen möchte. Ihm wird von hinten auf den Kopf geschlagen, man drückt ihm den Kopf in die Grützeteller... Mit entsprechenden Gedanken ist man Tage vor dem Ereignis nervös, schläft schlecht und steigt dann am Tag X mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust ins Tram of no Return. Ich habe bewusst kein Retourbillett gelöst – womöglich herausgeworfenes Geld. Man weiss schliesslich nie, wo so ein Abend endet, und wie. Schliesslich war ich noch nie an einem solchen Abend, mit solchen Leuten. Solche Leute? Kult Autoren. Über die existieren ja haarsträubende Geschichten, bisweilen noch haarsträubender als diejenigen, die sie selber zum besten geben. Einige von diesen Leuten kannte ich

bereits vor meiner Aufnahme in den erlauchten Kreis. Deshalb wusste ich, dass diese Geschichten stimmen, denn ich war nicht selten mit dabei, als sie passierten. Eines vorweg: Ausser, dass ich am Ende dieses Abends Opfer eines Entführungsversuches zweier Basler Kult Autoren wurde, hat sich keine einzige meiner Befürchtungen bewahrheitet. Glücklicherweise gelang es mir nach einer Irrfahrt rund um die halbe Stadt – sie konnten sich beide nicht einigen, wo sie mich hinbringen sollten – die Flucht aus dem Wagen. Nachdem der Fahrer irgendwas von Chemie und Gift und Novartis erzählte, und sein Kollege auf der Rückbank neben mir, dass er den Leibhaftigen persönlich schon an seinem Bart gezupft habe. Aber zurück zum Festschmaus. Dieser war, wie bereits erwähnt, entgegen meiner Befürchtungen richtig angenehm. Wir tanzten erst um einen brennenden Scheiterhaufen, nahmen anschliessend wärmende Lobesworte entgegen und quittierten diese mit wohlwollendem Applaus. Es fühlte sich irgendwie an wie eine Waldweihnacht. Einfach gut. Und so sollte es für den restlichen Abend bleiben. Wir spiesen an einer langen Tafel wie eine grosse Familie – oder wie Jesus mit seinen Jüngern. So sah es auch aus, mit unserem Chef in der Mitte des grossen Tisches, wir, seine Schäflein um ihn geschart. Ich hätte dieses Bild auch sehr gerne in Öl gemalt, leider hatte ich Staffelei und Farben nicht im Gepäck. Und das Smartphone vermochte die Szenerie nicht gebührlich einzufangen, meine Familie wirkt auf dem Bild grauenhaft unterbelichtet. Was sie überhaupt nicht ist, wie ich nach diesem feierlichen Abend in mein Tagebuch schreiben kann. Im Gegenteil: Sehr belichtet und hell. Ich mag meine neue Familie. Ob sie mich auch mag, wird sich nächstes Jahr zeigen, wenn ich wieder eine Einladung zum Abendmahl erhalte. Oder eben nicht.

15 Dinge, die ich über die Kult-Leute erfahren habe Michèle Binswanger 2. Dezember 2014 Ein Weihnachtsessen ist immer eine wundervolle Gelegenheit, mehr über seine Gspänli in Erfahrung zu bringen. Nicht, dass ich eine andere Wahl gehabt hätte - schliesslich kannte ich als Kult-Newbi bei meinem ersten Kult-Weihnachtsessen nur den Rainer. Um nicht blöd alleine rumzustehen, musste ich also Smalltalk machen und mich sehr interessiert an allem zeigen. Eigentlich bin ich ja sonst nicht so, aber es hat auch Vorteile. Zum Beispiel, dass man dann was zu schreiben weiss. Ich glaube man nennt das Recherche. Rainer löscht immer den Verlauf auf seinem Computer, bevor er das Büro verlässt. Sollte er mal einen Unfall haben, will er in der Intensivstation seine Angehörigen nicht als erstes bitten müssen, den Verlauf auf seinem Computer zu löschen. Kaspar Isler hat eine eigene Firma, die super läuft. Er ist deshalb sehr zufrieden mit sich und seinem Leben. So wie nur 26-Jährige zufrieden mit sich und ihrem Leben sein können. Ausserdem interessiert er sich für Midi Gottet, weil der nie auftaucht, wenn er sollte, und wenn er dann tatsächlich auftaucht, sei er öfter „unausgeglichen“, was bedeutet, dass er selten durch besonders gesittetes Benehmen auffällt, sagt Kaspar. Gottet hat bei diversen Kultleuten

aus ganz unterschiedlichen Gründen definitiv Eindruck hinterlassen – unter anderem auch bei Yonnie Meier, aus Gründen, die wir hier nicht weiter erörtern wollen. Auch Alex Flach spricht gern über Midi Gottet, lieber aber noch über sich selber und seine langjährigen Erfahrungen in der Zürcher Clubszene. Er gilt dort als feste Grösse, was keine Anspielung auf seine Statur sei

soll. Flach bestellt einer Frau, die an der Bar steht und nicht zum Kellner durchzudringen vermag, auch schon mal einen Drink. Er brüllt dann einfach über alle hinweg, das nennt man gute Erziehung. Flach möchte dann aber auch für seine Gentleman-Manieren gelobt werden. Ausserdem hat Flach einst C.H. geohrfeigt, sagt er, weil dieser seinen Freund Neger geschimpft

habe. Danach habe C.H. nach der Security gerufen. Flachs Eltern, erzählt er später, hatten eine schwarze Katze, die Negerli hiess. Und abends stellte sich Frau Flach jeweils an die Haustüre und rief laut in die Nacht: Negerli, Negerli! Vielleicht hat Alex Flach ein Trauma davongetragen. Kaspar Isler findet, auch C.H. habe wahrscheinlich ein Trauma, denn eigentlich sei der ganz nett. Leider habe nie jemand mit ihm spielen wollen, damals, als sie alle noch jung waren. Wären die Jungs nicht so gemein gewesen zum C.H., hätte alles ganz anders kommen können, sagt Kaspar. Angela Kuhn ist so hübsch wie ihr Vater und mag Frauen mit festem Händedruck. Sie wirkt sehr abgeklärt. Ist Midi Gottet eigentlich schon da? David Cappellini greift gern an seinen Haarknoten, wenn er spricht und hat die letzten Monate gratis gearbeitet für sein Storyfilter-Projekt. Das Adjektiv, das am besten auf Cappellini zutrifft, ist: „süss“. Ich hoffe, er kann damit leben. Sonst soll er zu Midi meditieren gehen. Yonni Meier mag keinen Geisskäse. Und ihre Wimpern wirken in Natura weniger bedrohlich. Ausserdem ist sie richtig schnell im Kopf und wäre bestimmt für die Bühne geeignet, will aber nicht auf die Bühne. Yonni hat auch noch eine offene Rechnung mit

Kurt Aeschbacher und ich hoffe, sie wird ihm auch eine Ohrfeige verpassen. Am besten öffentlich. Vielleicht kann ihr Flach dabei behilflich sein. Noch besser wär ein Tritt in die Eier. Aeschbi hätte es verdient. Rafi Hazera mag Geisskäse und hat eine melancholische Aura, weshalb er wohl so ein guter Komiker ist. Obschon das völlig unlogisch ist, denn nur weil viele Komiker Melancholiker sind, heisst das noch lange nicht, dass, wer eine melancholische Aura hat, auch ein guter Komiker sein muss. Ich hasse es, wenn Leute diesen logischen Fehlschluss machen. Rafi ist trotzdem ein guter Komiker. Jelena Keller möchte gern wissen, warum es heisst: „Dumm fickt gut.“ Obschon diese Phrase ja eigentlich selbsterklärend ist. Man könnte auch sagen: „Dumm isst gut.“ Oder: „Dumm scheisst gut.“ Denn dumm macht sich einfach nicht so viele Gedanken, das vereinfacht die Dinge. Aber so weltbewegend ist die Frage auch wieder nicht. Und wo bleibt Midi Gottet? Christian Platz hat mit seinem Hut den Style-Award gewonnen. Natürlich ist er als Hut-Träger altbekannt, aber einen Hut muss man auch zu tragen wissen, man muss ihn sporten können. Schade gibt es kein analoges deutsches Wort dafür. Reinhold Weber trinkt Bier


kult

®

Das Kult-Essen durch die Augen von Wazlav, dem Knödel-Brot

Yonni Meyer 2. Dezember 2014 Es war einmal ein Brot, das hiess Wazlav. Wazlav war kein Roggen-Bio37-Korn-Brot. Er war auch kein Pumpernickel. Wazlav war ein ganz einfaches 1kg-Halbweiss-Brot und er lag im Supermarkt ganz unten auf dem Regal. Ab und an griff jemand nach Wazlav, merkte dann aber, dass er zu gross war und warf ihn gleich wieder hin. Wazlav sah den ganzen Tag nur Beine und Schuhe und fragte sich ab und zu, wie wohl der Rest dieser Menschen aussehen mochte. Wazlav lag also da auf seinem Regal und träumte Grosses. Er wollte werden wie sein Grossvater, ein stolzes Weissbrot, das einst von einer Dame abgeholt worden und beim Chlausessen der Wandervögel Bachenbülach als Fonduemöcke verspiesen worden war. Aber nicht so Fertigmischungsfondue war das, neinnein, das war so richtiges Fondue vom Chäsmariili, das noch mit Maizena und Weisswein

angemacht werden musste und jedes kleines bisschen/Bisschen von Wazlavs Grossvater war damals noch in ein Gläsli Krisch getünkelt worden, bevor es ein Bad im Edelkäse nahm und im Nirwana des ewigen Mundes verschwand. Ja, so wollte Wazlav auch werden, doch es war mittlerweilen schon nach 18 Uhr und er wusste, es stand nicht gut um ihn. Wazlav wollte sich nicht vorstellen, was mit ihm passieren würde, wenn nach 20 Uhr die Türen geschlossen würden... Man hatte ihm erzählt, was dann käme. In eine Container würde man geschmissen, mit all den seltsamen Olivenbrötli und den eingebildeten Croissants. Und da läge man dann, weit weg vom Traum einer würdevollen Verspeisung. Stattdessen verbrächte man die Nacht im Freien, manchmal im Regen. Wenn man Glück habe, gäbe es gerade Proteste gegen Lebensmittelverschwendung und man werde von verlausten jungen Leuten geklaut. Meist aber werde man am nächsten Morgen ganz früh abtrans-

portiert und mit ganz vielen anderen Lebensmitteln auf einen Haufen geschmissen und dem Fäuletod überlassen. Böse Welt! Wazlav schauderte bei dem Gedanken und er wurde traurig. Würde es so mit ihm zu Ende gehen? Doch da, aus heiterem Himmel, griff um exakt 19.13 Uhr ein junger Mann nach ihm – doch er warf ihn nicht zurück auf seinen alten Platz. Im Gegenteil. Wazlav durfte zu oberst im Wägeli mitfahren. Er liess sich den Wind um den Laib pfeifen und jubelte (leider hört man nicht, wenn Brote jubeln, sonst wärs jeden Tag ein richtiger Saumais im Migros, ich schwör). Wazlav ging dann auf eine Reise und landete in einer grossen Küche, wo man ihn in Milch einlegte. Das fand er super. Wie im Spa. Er wurde geknetet und gerollt und angebraten und quietschte vor Vergnügen. Am Ende ladete er als Knödel auf einem langen Tisch mit vielen lustigen Menschen. Kult hiess das, was er da antraf. Die sprachen über lustige Sachen und machten bunte Getränke in sich hinein, wodurch sie immer lustiger wurden. Wazlav verdrückte ein paar Tränen des Glücks. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er die Heldengeschichte seines Grossvaters noch würde übertreffen können. Und doch lag er nun da, angebraten, schmackhaft und von allen geliebt, er, der übergewichtige Halbweisse. Ja, an Weihnachten werden halt eben doch noch Wunder war.

KULT X-MAS SPECIAL und macht nicht gern Smalltalk, jedenfalls nicht mit mir, was vielleicht daran liegt, dass ich beim ersten Kontakt drei Mal nachfragen musste, was er eigentlich gesagt hat. Vielleicht hält er mich für taub. Wenigstens habe ich oft genug „Wie bitte?“ gebrüllt, um nicht für taubstumm gehalten werden zu können. Die Basler mussten früh nach Hause, weil sie, nun, nach Basel mussten. Arme Schweine. Der nette Werbemensch, der mir gegenüber sass und dessen Namen ich leider vergessen habe, weil ich mir Namen schlecht merken kann, hat seine 14-Jährige Tochter und ihre Kolleginnen zu einem Punk-Konzert gefahren und war ganz überrascht, dass er damit als cooler Daddy punkten konnte – und als Zugabe noch ein Super-Konzert erlebte. Und dann, endlich, kommt auch Midi Gottet. Er trägt eine Brille. Er trinkt Moscow Madness. Er mag Frauen und ich bin sicher, die Frauen mögen ihn, auch wenn Frauen sich selten so schlecht benehmen, wie Gottet sich gerüchteweise benehmen soll, wenn er überhaupt auftaucht. Wobei er beim Kult-Weihnachtsessen ja aufgetaucht ist und sich erst noch einwandfrei benommen hat und nicht einmal als letzter nach Hause gegangen ist. Er kann jedenfalls den Gentleman geben, ohne dafür gelobt werden zu wollen, vielleicht, um sich dann später umso schlechter benehmen zu können. Leider hat er das nicht getan. Ich habe nicht ganz über alle etwas in Erfahrung gebracht und ich möchte mich hier bei allen entschuldigen, die nicht vorkommen. Aber sie hätten sich ja an mich ranmachen können, dann hätte ich auch was zu schreiben gewusst. Selber schuld.

Seite dreiundzwanzig

Dezember 2014

Dominik Hug 2. Dezember 2014 Es war freezing kalt im Nordwesten der Schweiz, als ich auf den Platz wartete. Nein, nicht auf dem Platz, auf DEN Platz, den Christian Platz. Es ist beinahe ein Ritual welches wir da in herrlicher Unregelmässigkeit abziehen. Ich fahre, Platz redet. Über Filme, über Reisen, über das Leben und sonstigen kranken Scheiss. Ja, mit Platz würde ich auch nach Moskau fahren und wäre mir sicher, ich würde in diesen Autofahrstunden mehr lernen über jegliche Lebensaspekte als in allen Werken von Tolstoi, Dürrenmatt und von Horvath zusammen. Und das geile, die anderen Kultis sind ähnlich gepolt. Es ist wahrlich dein Glück, lieber Leser, solltest du dereinst mit einem Kultautor in einem Lift eingesperrt sein. Dich würden grossartige Dialoge erwarten und du hättest eine unvergessliche Zeit. Nur Platz würde dich irgendwann aufschlitzen und dein Blut trinken. Ich platzierte mich an unserem langen Tisch im Restaurant sehr taktisch. So mittig wie möglich, um auch wirklich in viele Dialoge eingebunden zu sein. Und meine Platzierung war wirklich grandios. Zu meiner Linken der Neue, der Pete Stiefel. Bislang kannte ich nur seine Texte und die waren schon ziemlich geil. Stiefel selbst ist ein grossartiger Siech. Obwohl er in seinem Flanellhemd ein bisschen wirkte wie Al Borland. Ihr wisst schon, der von “Hör’ mal, wer da hämmert”. Also ein richtig

sympathischer Typ. Zu meiner Rechten sass eigentlich eine alte Bekannte. Die Vanessa. Jedoch mit der habe ich bis zu diesem Tag noch nie richtig richtig reden können. Es hat sich einfach nicht wirklich ergeben. Und siehe da, wir haben den scheissgleichen Musikgeschmack. The Gaslight Anthem, Dave Hause, Springsteen. Sehr cool. Und cool waren auch meine beiden Gegenüber. Rainer, viel geredet haben wir an diesem Abend eigentlich nicht, aber müssen wir auch nicht, wir verstehen uns sowieso blendend. Und Angela hat von Papa sowieso den perfekten Musikgeschmack eingetrichtert bekommen und hat sehr gesunde Ansichten vom Leben. Leute, danke, es war ein toller Abend mit viel Gelächter und tiefgründigen Themen (oder um es in einem ICF-Satz zu formulieren “Ich ha mit euch sooo e schööööns Gsprööch gha”). Und an alle anderen Kultis, ihr seid alle grossartig. Aber das wisst ihr. Weil wir sagens uns die ganze Zeit. Also Zukki, Yonni, Michelle, Reinhold, Alex, Kaspar, Jelena, David und David, ich freu mich uhuere auf das nächste Treffen. Ehrlich, diese Zeilen hier sind wirklich äusserst ungeplant und sie entstehen zu verdammt später Stunde. Nicht, dass ich nicht noch etwas übermüdet bin vom gestrigen Abend, denn schliesslich hat mir Alex Flach spät nachts noch unbedingt etwas von Zürich zeigen wollen und Pete Stiefel hat den Orientierungssinn eines betrunkenen Eichhörnchens auf dem Mond, was die Heimfahrt von ihm noch um einige Sternzeiteinheiten verzögerte. Ach, übrigens noch schade, dass Henrik nicht da war. Aber der musste ja mit dem Töff mal wieder durch Europa düsen. Und der Midi, ja, der war auch nicht da…

Der grösste König im berühmtesten Stall

Christian Platz 2. Dezember 2014 Zu dritt folgten wir dem Stern. In einem goldenen Wagen. Dem angekündigten Ereignis entgegen, dessen Ankunft wir aus altehrwürdigen Schriften herausredetet hatten. Und den Eingeweiden von Opfertieren. Nun, eigentlich waren wir zu zweit. Aber wir wirkten wie ganze drei Reisende. Wovon einer ein ganz und gar dunkler war. Und lustige Namen tragen wir ja auch. Wir diskutierten unterwegs über die Feinheiten jener Kunst, die da Lichter auf Mauern wirft. Dadurch Türen öffnet. In eine andere Welt. Plötzlich bemerkten wir, dass wir von einem Ochsen und einem Esel verfolgt wurden. Es störte uns nicht. Denn auch dies entsprach den Prophezeiungen. Deshalb diskutierten wir fröhlich weiter. Und dann haben wir noch gesungen, das raue, fröhliche Lied vom tanzenden Pony. Unser Ziel war eine kleine Stadt. In der sich das angekündigte frohe Ereignis manifestieren sollte. In einem berühmten Stall. Wo keinerlei Mangel herrsche. Weil ein König, der grösste König von allen, zugegen sein würde. Deshalb verspürten wir starke Hoffnung. Friede und Bescheidenheit – und ein kleines bisschen Bescheuertheit – erfüllten unsere überschäumenden Herzen, als wir endlich angekommen sind. Die Härten, die Fährnisse der langen Reise sind von uns abgefallen. Gleichsam wie müde alte Mäntel, die wir nun nicht länger brauchen würden. Sodann erlebten wir den Zauber. In jenem berühmten Stall, ausgedehnt wie das Hauptschiff des Petersdoms, haben wir sie gefunden. Und sie waren wunderbar. Engelsgleich. Stolze, kräftige, ritterliche Recken und wunderschöne, grossherzige, hohe Damen. Umgeben von einem überirdischen Schein. Einem Glanz, der unsere Hässlichkeit umso stärker zu Tage treten liess. Denn wir sind ja nur zwei Raben, wirken allerdings wie drei. Trotzdem wurden wir mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen. Und dann erblickten wir den König, der die wundersame Tafelrunde noch überstrahlte. Er hiess uns huldvoll willkommen. Und wir wussten, dass unsere armseligen Leben von diesem Augenblick an eine ganz neue Wendung erfahren sollte.

Nektar und Ambrosia wurden also kredenzt und Köstlichkeiten aus aller Herren Länder. 1256 Enten, von den berühmten blauen, 2762 Rinder, 4578 Widder waren blutig abgeschlachtet worden. Um die Runde zu erfreuen. Und dann wurde ein Nilpferd aufgetragen, das mit einem Zebra gefüllt war, das mit einem Tapir gefüllt war, das mit einem Wildschwein gefüllt war, das mit einem Mastferkel gefüllt war, das mit einer Gans gefüllt war, die mit einem Kapaun gefüllt war, der mit einer Taube gefüllt war, die mit einem fröhlichen kleinen Fisch aus einem schönen blauen Fluss gefüllt war. Und dieser ward wiederum mit Oliven gefüllt. Wir haben jedoch lediglich die Oliven gegessen, sie erhielten das edle Konzentrat all der prächtigen Braten, in denen sie wochenlang und laaaaangsam gegart worden waren, der Rest wurde in einem heiligen Feuer verbrannt. Die Asche wurde unter den Anwesenden verteilt. Wir sollen sie in unsere Heimatländer tragen, sagte der grosse König, und sie ebendort auf dem höchsten Gipfel des höchsten Bergs in den Wind streuen, auf dass unsere müde, alte Welt erneuert würde. Tränen der Rührung prangten wie Kreuznacht-Sterne in unseren Augen. Und zum Abschied sangen wir gemeinsam ein Lied, welches wir noch nie zuvor gehört hatten, ein schwieriges Lied, aber wir beherrschten es, als hätte es uns schon seit Kindertagen begleitet. Derart ist die Macht des grossen Königs! Zum Abschied umarmten uns alle. Zu dritt stiegen wir wieder in den goldenen Wagen. Nun eigentlich waren wir nun zu viert. Aber wir wirkten lediglich wie drei Reisende. Wovon einer ein ganz und gar dunkler war. Aber lustige Namen tragen wir alle. Nach einer langen und gefährlichen Irrfahrt kamen wir zuhause an. In unserer prächtigen, riesengrossen Heimatstadt. Wir wussten, dass unsere armseligen Rabenleben nun eine mächtige Bedeutung erhalten hatten. Wir würden die Botschaft des grossen Königs in die Welt hinaustragen, die Asche in den Wind streuen. Würden allen, die uns künftig begegnen sollten, jenes Lied beibringen, welches wir an der Tafelrunde empfangen durften. Ah, wie die Welt der Zukunft strahlen wird. Dem grossen König sei Dank!


Der Knigge für das

Weihnachtsessen mit dem

Geschäft

1. Trinken Sie schon zu Hause vor. Sie wollen heute endlich bei Ihrer hübschen Mitarbeiterin / Ihrem hübschen Mitarbeiter landen und dazu braucht es etwas Mut. 2. Kommen Sie zu spät. Das wirkt cool und Ihre Vorgesetzten werden Ihnen bei Ihrer Ankunft wohlwollend und lächelnd zuzwinkern. 3. Trinken Sie sehr schnell und viel. 4. Jetzt, wo Sie sich etws Mut angetrunkn haben, ist Ihr Glanzmomnent gekomen. Sexstische Wtze sin Tradition an jedem Weihnachtsesen und machen sie sümpatisch. 5. Gehen Sie alle 5 Minuden für eine Zigarette raus. 6. Lächln Sie Ihre/n Angebetete/n Mtarbeiter/in ununterbrochen an. Sie/Er wrd es bemerken undein Quikie aufer Toillede ist schon sogutwiesicher. 7. Untebrechn Sie di Rede vom Chef mit gelegentlihem Schnauben und lautem «Pfff!». 8. Trinkn Sie sehr schneller und noch vieler. 9. Weinen Sie, ds Laufenlassen der Gfühle macht Sie menschlich und brngt Ihnen viele Punkte bei Ihrn Mitarbeitehn. 10. Fasen Sie das Servispersonal sanft un diskret annen Hintern. Die liben das. 11. Jez könen Sie endlich mal Ihrm Chef di Meinung geihgn! Dass Sie sein Job shon längst könten und er is eh häslich! 12. Singn Sie! 13. Egnoriren Sie die Hnweise hrer Mitabeitä, dasnu langsam genuhg is. 14. Übergebn Sie sich. Drausn. Drin. Egal. Nachm Kotsen könen sie nmlich wieder mehr trinkn. 15. Wen sie widr zu ihrm platz gehen, küsen Sie ihrn Chef sanft inn Nacken als Entschulligung. Er wird Ihnen sofort verzaihn. 16. Das Desser is scheise. Sagen sie das laut! DAS DESSERT IS AIN HURNSON! Konstruktiwive Kritigk hilft dm Restorangt. 17. Schalagen Se ales kurzunklein. DasLeben istscheise. 18. Fassen sie dr herbeigerufenen Polizei auch ann Hintern. Die libn das. Fragn Sie ob das harte da ain Schlagstock is, oder ob sich der Polizist nur freut, Sie zu sehen. Haha. 19. War tasächlich ein schlagstock. Aua. 20. Urniern sie aus Protes inn Kastnwagn! 21. ---22. Öffnen Sie die Augen. 23. Rufen Sie das RAV an.

Facebook.com/Zukkihund

Twit ter.com/Zukkihund


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.