Kult April 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. April 2015.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

ES WÄRE MIR AUCH LIEBEr 31. März 2015 Rainer Kuhn Ja, es wäre mir auch lieber, ich könnte das alles glauben, was gegenwärtig in den grossen Zeitungen und Fernsehstationen und Medienportalen und so geschrieben wird. Ich könnte glauben, dass da ein suizidgefährdeter Psycho den Piloten aus der Kabine gesperrt und dann einen Flieger voll Menschen in eine Bergwand gesteuert hat. Könnte glauben, dass sich ein Flugzeug pulverisiert und seine klitzekleinen Überreste über zwei Quadratkilometer verstreut werden, wenn es frontal in eine Felswand knallt. Könnte glauben, dass es normal ist, dass man wohl den Stimmenrecorder findet, aber die Black Box nicht, und das man sich für diese Black Box auch nicht weiter interessiert. Es wäre mir lieber, denn dann hätte ich Freude an den etablierten Medien in diesen Tagen. Ich könnte mich emotional aufladen an den Headlines wie “Todespilot war depressiv” oder “Nach Lubnitz’ Wahnsinnstat: Wieviele Piloten sitzen krank im Cockpit?” oder “Hier sichert die Polizei kistenweise Beweismaterial aus der Wohnung des Mannes, der …”, ich könnte mich mitaufregen und mitempören in den täglich mit neuen Erkenntnissen über den “Todespiloten” aufwartenden News-Sendungen und Talk-Shows, und ich könnte mich abends ins Bett legen und denken, naja, zum Glück ist sonst alles in Ordnung auf dieser Welt. Aber ich komme einfach nicht draus. Fragte mich, ob das wirklich so aussieht, wenn ein Flugzeug in eine Wand fliegt? Oder wieso dass man so absolut und genau weiss, dass die Geschichte, die von all den Redaktionen erzählt wird die einzige ist und stichhaltig stimmt? Fragte mich, was denn mit den anderen

Möglichkeiten wie “technischer Defekt”, “Triebwerkgase im Cockpit”,”vom Boden steuerbar” oder sogar “Explosion” oder “Abschuss” ist? Auch wenn die eine oder andere Möglichkeit vielleicht für naive Gemüter wie wir es sind etwas absurd klingen mag: Kann man sie restlos und zu 100% ausschliessen? Und ich fragte mich, wer denn genau den Voice-Recorder gefunden hat, wem er ihn übergeben hat und wer ihn ausgewertet hat, fragte mich, wer die Auswertungen wem zur Verfügung gestellt hat und wer es welchen Journalisten wie erzählt hat. Einfach mal so zum Spass: Ich fragte

mich, wie es wäre, wenn ich jetzt mal Journalist wäre und meinen Job als Journalisten ernst nehmen würde und dieser Kette nachgehen würde, weil ich es genau wissen wollte, was es mit dieser Version so auf sich hat, die da so unheimlich schnell und von allen portiert gefasst und gefestigt wurde. Ganz so, wie man es von einem Journalisten erwartet: “Question everything”. Vielleicht würde ich es auch ein bisschen lockerer nehmen und einfach ein bisschen im Internet surfen. Und dann würd ich lesen, dass die französische Staatsanwaltschaft die Möglichkeit ei-

1,65 Milliarden nes technischen Defekts doch nicht ausschliesst und dass Lufthansa 275 Mio. Euro für Schadenersatzforderungen zurückstellt. Dann frage ich mich, was ich jetzt machen würde. Müsste ich jetzt nicht mal fett auf die Titelseite setzen so im Sinn von: HALT! STOPP! LUBITZ VIELLEICHT UNSCHULDIG! TECHNISCHER DEFEKT KÖNNTE GRUND SEIN! oder irgendsowas, und mich dann wundern über all die Journalistenkollegen, die nichts hinterfragt haben und einfach allen alles nachgeplappert und sich überboten haben mit noch verdrehteren und enthüllenderen Geschichten und Diskussionsrunden über den Massenmörder Lubitz? Und wenn ja, würde ich es tun? Müsste ich dann nicht auch die anderen Möglichkeiten mal genauer unter die Lupe nehmen? Und solange nicht alle anderen Möglichkeiten restlos ausgeschlossen werden können, die Möglichkeit “Lubitz” als eine gleichberechtigte Möglichkeit nebst den anderen Genannten behandeln? Also bis zur vollständigen Klärung auch nicht weiter darauf eingehen? Müsste ich dann nicht auch die Frage stellen, warum sich niemand diese Fragen stellt? Und mich gleichzeitig quasi stellvertretend für die Branche schuldig fühlen am vorschnellen Rufmord eines jungen Mannes, dessen Eltern noch leben? Würde ich das tun? Oder würde ich denken: “Ach scheiss drauf, ist einfacher so. Gibt sonst nur Arbeit und Diskussionen, die mit der Frage enden, ob die Mondlandung auch nur gefaked war. Mach ich noch eine Geschichte über den Hund der Ex-Freundin des depressiven und latent suizidgefäreten Todespiloten, auch schön.”? Ich weiss es nicht. Aber ja, es wäre mir auch lieber.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: ART BASEL 8. April 2015 Reinhold Weber. Wie produziert man eine Anzeige für die ART, die in jedem der über 1 Million Exemplare des Nachrichtenmagazins SPIEGEL anders,

also einzigartig, also ein Original ist?Man nehme eben diesen unmöglichen Einfall, einen guten Art Director, der zusammen mit einem findigen Drucker ausheckt,

wie man über eine Million Unikat-Postkarten industriell und kostengünstig drucken kann, klebe sie in den SPIEGEL und verblüffe mit dieser Art Werbung für die

ART Basel über eine Million Leserinnen und Leser. So war das halt, als man in den Werbeagenturen noch Ideen hatte und einen Kühlschrank voller Bier.

Etwa 1,35 Milliarden nimmt das SRF jährlich so an Gebühren ein. Wobei Gebühren hier ein komisches Wort ist, handelt es sich vielmehr um eine Art Personensteuer, da sie zwangsweise jeder zahlen muss, auch die, die gar keinen Fernseher haben oder auch sonst kein Schweizer Fernsehen schauen. 1,35 Milliarden, das sind umgerechnet knapp 3,7 Millionen pro Tag. Das braucht die Anstalt, um der Schweizer Bevölkerung einen „Service Public“ zu bieten. Also eine Grundversorgung in Sachen Information. Dass dabei Sendungen wie Glanz&Gloria, Giacobbo/ Müller, Samschtigjass, Börsensendungen, Sternstunde Philosophie, Schawinski oder 1 gegen 100 nicht zu jenen Informationen gehören, ohne die die Schweizer Bevölkerung nicht leben kann, versteht sich von selbst. Formate wie 10vor10, Rundschau, Arena, Eco oder ähnliche Sachen sind im besten Fall als Infotainment einzustufen, sicher aber nicht als Grundbedürfnis. Das ganze wird dann auch in allen Landessprachen gemacht. Das kostet Geld. Und zwar eben diese 1,35 Milliarden pro Jahr, die den Schweizer Haushalten entzogen werden für etwas, was niemand braucht. Wir befinden uns im Jahr 2015. Und da gibt es im Kabelnetz hunderte von Sendern und im Internet weitere tausende davon. Und einer davon ist SRF. Einer von vielen. Und mit diesen vielen will SRF mithalten. Marktanteile bolzen, Zuschauerzahlen erhöhen, auch Weltmeisterschaften übertragen und Gesangsveranstaltungen, so wie alle anderen rundherum auch. Ich sags gerade heraus: Wir sollten nicht nur die Billag abschaffen. Wir sollten das SRF als Ganzes abschaffen. Und Radio Beromünster wieder einrichten. Das reicht für die Grundversorgung an Informationen, wie wir sie in Notfällen von unserer Regierung erhalten sollten. Und das sollte für einen einstelligen Millionenbetrag pro Jahr zu machen sein. Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer KuhnAutoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Jelena Keller, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund. Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.

Wir waren schon 1882 im Netz. www.facebook.com/zuerilinie


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UNDISPUTED

18. März 2015 Dominik Hug Wesley Snipes vs. Ving Rhames in einem Knastfilm von Regisseur Walter Hill. Hört sich grundsätzlich interessant an. Inhalt: Eine Anklage wegen Vergewaltigung bringt den ungeschlagenen Schwergewichtsweltmeister James “Iceman” Chambers in den Knast. Hier trifft er auf Monroe Hutchens, den seit Jahren unbesiegten Box-Champion im Gefängnisring. Ein Umstand, den der aggressive Iceman nicht hinnehmen kann. Es ist eine Frage der Ehre herauszufinden, wer der Beste ist. Das ist die Gelegenheit für den alten Gangster Mendy Ripstein, der hier lebenslänglich büßt. Mit seinen weitreichenden Verbindungen zu beiden Seiten des Gesetzes bietet sich ihm die Gelegenheit, einen letzten großen

Kampf zu promoten. Monroe Hutchens muss sich ihm stellen … und als die Fäuste ohne Gnade fliegen, hat der Kampf zwischen den beiden ungeschlagenen Meistern landesweit höchstes Interesse gefunden. Walter Hill, Regisseur von Filmen wie Last Man Standing, Nur 48 Stunden und Extreme Prejudice. Mit Undisputed folgt nun ein Gefängnisfilm von ihm, der sich vorallem um den Kampf zweier ungeschlagener Champions dreht. Kann das gut gehen? Ist da genug Fleisch am Knochen für einen richtigen Walter Hill-Film? Der Film ist mit 90 Minuten Laufzeit keine Minute zu lang oder zu kurz. Gedreht wurde im High Desert State Prison in Nevada, was der Atmosphäre extrem gut tut. Interessant ist auch, dass der Film nicht wirklich einen Nice Guy in der Hauptrolle präsentiert. Beide Figuren, Snipes als auch Rhames sind harte Typen – und ob Ving Rhames Charakter nun wirklich so unschuldig ist scheint doch mehr als nur etwas fraglich zu sein. Neben Ving Rhames und Wesley Snipes agieren Peter “Columbo” Falk und auch Michael Rooker in Nebenrollen. Besetzung passt. Der Film ist kein Meisterwerk, jedoch eindeutig über dem Durchschnitt anzuordnen. Der Schlusskampf ist jedoch, wenn man andere Boxfilme gewohnt ist, nicht unbedingt sehr glaubwürdig oder schön anzusehen. Fazit: Undisputed darf man sich ruhig mal ansehen, ist jedoch eine Stufe unter dem Niveau der früheren Walter Hill-Filme anzusiedeln.

KORREKTER LEBEN, HEUTE: KUPFER, WOLLE, BAST IN DEN REGIERUNGSRAT!

23. März 2015 Reinhold Weber In den asozialen Medien sind wir auf einen dramatischen Wahlaufruf von naturschutz.ch gestossen (s. Abb.). Der Zürcher StimmbürgerInx möge doch am 12. April umweltbewusste Regierungsräte wählen. Dies wären von links nach rechts: Beat Husi (Staatsschreiber), Martin Graf (Grüne), Markus Kägi (SVP), Ernst Stocker (SVP), Regine Aeppli (SP), Ursula Gut-Winterberger (FDP), Thomas Heiniger (FDP), Mario Fehr (SP). Alles ausgewiesene Umweltexperten und praktizierende Glutenfrei-Müsli-Esser also. Finden wir gut. Zu erwähnen ist dabei, dass gleich beide Magistratinnen zur Wahl gar nicht mehr antreten, der von Regine Aeppli für ihren Regierungskollegen Ernst

Stocker aus Bio-Hanf selbst gestrickte Pullover uns besonders gut gefällt, und dass das, was Mario Fehr in der linken Hand hält, nicht die Gewürzgurke von Geri Müller ist, sondern ein Pariserbrot aus der Bäckerei Walter Buchmann AG im Zürcher Seefeld. Ein paar Fragezeichen müssen wir aus aktuellem Anlass allerdings setzen: Ist das nun eine Verarschung eines böswilligen Satirikers? Oder ein Fake des Fakes eines Fakes, also eine ernst gemeinte Aktion von Umweltorganisationen, gestaltet von einem sehbhinderten Grafiker? Nun, dieses sowohl ethisch-moralisch als auch vom medialen Standpunkt her relevante gesellschaftliche Problem wird sicherlich demnächst in einer TV-Talkshow eingehend analysiert, diskutiert und schlüssig gelöst werden.

MACHT VOLLKORNBROT REDAKTEURE INTELLIGENTER? 18. März 2015 Henrik Petro Neulich, als ich gerade wieder einmal für einen investigativen Undercover Report in den abgründigen Tiefen des Internets recherchierte, sprang mich auf blick.ch die dramaturgisch geschickt formulierte Fragestellung «Macht Schnitzelbrot dick?» an. Zunächst einmal ein (diskretes) Lob an den Produzenten des Beitrags. Hier wurde geschickt auf die Knöpfe «Schuldgefühl», «Unzufrieden mit dem eigenen Körper», «Man gönnt sich ja sonst nichts» und «Fett Speichern für magere Zeiten, los jetzt!» gedrückt, um maximale Aufmerksamkeit zu generieren. Und tatsächlich, wer schon den einen oder anderen Gesundheitsartikel gelesen hat und ein, zwei Jahre in der Schule war, würde berechtigterweise davon ausgehen können, dass hier für einmal nicht abgelutschte Binsenweisheiten für das Cast aus «Mitten im Leben» niedergeschrieben wären, sondern überraschende neue Erkenntnisse, die unsere über Jahre indoktrinierten Wertvorstellungen darüber, was gesund und was ungesund sei, in Sekunden über den Haufen werfen und unsere Lebensgewohnheiten radikal optimieren könnten. Zum Beispiel mit der Aussage: «Alles viel weniger schlimm als vermutet! Also weiteressen und geniessen!» Denn nur ein Artikel, der das Schnitzelbrot – mit bahnbrechenden wissenschaftlichen Fakten unterlegt – vom Generalverdacht des Cholesterinmassenmörders befreit, würde es verdienen, einen derart wertvollen Platz auf blick.ch (und damit wertvolle Sekunden unserer unbezahlbar kostbaren, endlichen Lebenszeit) zu erhalten. So wäre es in einer perfekten Welt. In der Welt aber, in der wir leben, steht im Artikel: «Das Sandwich alleine fällt kalorientechnisch zwar nicht allzu

sehr ins Gewicht. Da es qualitativ jedoch oft nicht auftrumpfen kann (paniertes Schnitzel, Weissbrot, deftige Sauce und praktisch kein Gemüse), ist es dennoch nichts für die tägliche Verpflegung. Besser: Sandwiches mit Vollkornbrot, unpaniertem Fleisch, Käse und einer guten Gemüseeinlage sparen Kalorien und sättigen länger.» … (dramaturgische Pause) Aha. Die Blick-Redaktion traut ihren Lesern also nicht zu, dass sie etwas derart Banales wie «paniert ist pfui, Vollkorn

aber hui» wissen. Und dafür haben wir alle je 150 Sekunden unserer Lebenszeit geopfert. Können wir die zurückhaben bitte? Ich nehme auch Bitcoins. Danke. http://www.blick.ch/ratgeber/ernaehrung/ fit-mit-blick-unter-der-lupe-macht-schnitzelbrot-dick-id3574687.html Und hier preist das Schwesternblatt «Schweizer Illustrierte» die besten Schnitzelbrot-Rezepte an (das nennt man dann wohl Crossover-Kommunikation): http://www.schweizer-illustrierte. ch/lifestyle/essen-und-trinken/einfach-lecker

ODE AN DAS WEIBCHEN 16. März 2015 Yonni Meyer Ich erinnere mich zurück. Einer, wenn nicht DER Text, der mir am meisten Likes eingebracht hat, war meine „Ode an die Männer.“ Ganz alle fanden sie aber nicht lässig – vor allem diejenigen nicht, die Schwierigkeiten haben, zwischen Männerliebe und Frauenhass zu unterscheiden. Das finde ich immer etwas schade. Um mit diesem Irrglauben aber endgültig aufzuräumen, folgt nun meine längst überfällige Liebeserklärung an mein eigenes Geschlecht. Liebe Meitli, liebe Frauen, liebe Schwestern Wir sind grossartig. Wir sind lieb, wir sind sanft, wir sind warmherzig. Uns sind die Dinge nicht egal, wir durchdenken sie – ja, manchmal zu oft. Und ja, manchmal zu lange. Und ja, manchmal sind wir Bitches, es ist wahr – weil wir nicht gleichgültig sind, weil uns das, was uns passiert und gesagt wird, berührt und wir es ernst nehmen. Manchmal, weil die Männer sich wie Idioten aufführen und es schlicht nicht anders verdienen – manchmal, weil wir überempfindlich sind und uns das dann nachher leid tut. Wir riechen aber auch gut und wir haben zarte Haut, vor allem an den Wangen. Und wir haben schöne (lange) Haare und auch die riechen gut – nach Blumen und Früchten. Und wir sorgen gerne für unsere Männer und tun ihnen Gutes, einfach so. Und wir sorgen auch

gut für einander: wenn unseren Freundinnen das Herz blutet, dann schwingen wir uns aufs Velo und bringen mitten in der Nacht selbstgemachte Cupcakes vorbei, hören stundenlang zu, leiden und heulen mit. Ganz ohne uns anstrengen zu müssen. Und wir menstruieren und drücken beim Gebären etwas von der Grösse einer Melone aus einem Loch, das so gross ist wie eine Erdnuss. Unsere Körper sind robuste, geniale Wundermaschinen – abgesehen von der Anfälligkeit auf Blasenentzündungen vielleicht, darüber müsste man mit Mutter Natur mal noch ein ernstes Wörtchen reden. Kurz: WIR SIND AWESOME! Ja. Ich hasse es, jeden Monat Krämpfe zu haben. Ja. Ich hasse es, dass wir

durchschnittlich noch immer weniger verdienen als die Männer. Und ja. Ich hasse es, dass Frauen Gewalt angetan wird. Ich werde immer dafür kämpfen, dass das irgendwann aufhört – egal, wie oft man mich Kampfemanze oder AmokFeministin nennt. Und trotzdem würde ich immer eine Frau sein wollen, wenn ich die Wahl hätte. Immer. Jedes einzelne Mal. Meine lieben Frauen, liebe Mütter, meine lieben Freundinnen, Kolleginnen, Bekanntschafterinnen. Ich verneige mich vor Euch und dem, was Ihr leistet. Es ist mir eine fucking Ehre, eine von Euch zu sein! Foto: listbuzz.com


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EINAUGE UND SEIN MÜNDEL, DIESES BÜNDEL 19. März 2015 Christian Platz Einauge ist wachsam. Kein Wunder. Wenn du nämlich nur ein Auge besitzt – und dir dieser Oculus ungeschickterweise abhanden kommt -, hast du gar keins mehr übrig. Trotzdem ist Einauge heute übermütig. Er rüttelt am Busch. Er schlägt aufs Wasser. Damit macht er die Schlangen und Fische verrückt. Er tut dies, um die lieben Tierchen in seine ausgeklügelte Falle zu locken; ein Gerät mit allerlei bösen Haken und noch perfideren Widerhaken. Denn heute Abend will er sich einen netten Eintopf garen. Fisch, Reptil sowie ganz viele fröhlich-frische Zwiebeln. Eins hat sich Einauge für die Abendstunden zusätzlich vorgenommen. Er möchte wieder einmal ausgiebig weinen, echte Freudentränen weinen. Weil sein Mündel, dieses Bündel, dieses brave Mädchen zu Besuch weilt, das er vor einer knappen halben Stunde in seiner Höhle an den Herd gekettet hat. Aber nur für den Tag. Er kann den Sonnenuntergang also kaum erwarten. So stromert er durch Wald und Heid’, nimmt zwischendurch ein Bad im tiefen Teich, bringt mit seinen Saltos und Kapriolen die Waldhexe derart zum Staunen, dass ihr der Kiefer runterklappt. Und sie den Mund fast nicht mehr zubekommt. Dann schleicht er sich – geräuschlos – von hinten an die Dachsfrau heran, die ganz ins Wurzelnsammeln vertieft ist. Und stösst plötzlich fest und vergnügt zu. Die Dame erschrickt sich fast zu Tode, kippt vornüber und landet auf allen vieren im Unterholz. Da hätte sich unser Einauge ausschütten können. Vor lauter Lachen. Doch dabei wären ihm gewiss die Freudentränen gekommen. Also reisst er sich zusammen. Denn seine Tränen möchte er allesamt für heute Abend aufsparen. Für sein Mündel, dieses Bündel, dieses brave Mädchen. Unser Einauge ist ein ganz und gar

merkwürdiger Geselle. Manchmal ist er gross und stark. Robust genug für jedes nur denkbare Gefecht, zu jeder sprichwörtlichen Schandtat bereit. Dann ist er wieder klein und elend. Derart, dass er kaum den Anforderungen eines normalen Tages standhalten kann. Am Morgen erwacht er oft besonders mächtig. Vor allem, wenn die liebe Sonne scheint. Gegen Mittag schwächelt er in der Regel ein wenig; doch keine Regel ohne Ausnahme.

Abends bäumt er sich aber gerne noch einmal so richtig auf. Und dies erst recht, wenn eine Handvoll saftiger Blaubeeren im Spiel ist. Bevor er am Ende ins Bett sinkt und träumt: Vom tiefen, tiefen Wasserloch im Wald sowie von jenem braunen Sumpf, der direkt hinter seiner Höhle positioniert ist, in denen er so gerne herumplanscht, in beiden gleichermassen, bis er Freudentränen weint. Und die Tränen mischen sich mit dem Wasser, die Tränen

mischen sich mit dem Schlamm. Dergestalt entsteht neues Leben im Wunderland. Einauge hat nun einige fette Fische gefangen. Ein praller, zuckender, zischender Sack voller Schlangen ist ebenfalls zusammengekommen. Dazu noch zwei kapitale Frösche. Für den Nachtisch. Nun begibt er sich zur Hütte des Zauberers. Denn dieser ist in der Kunst der Zwiebelzucht bewandert. Er will ihn um einige dieser scharfen Ge-

wächse anbetteln. Und hofft, dass er dem Alten diesmal keinen schmerzhaften Gefallen tun muss. Um die Objekte seiner Begierde zu erhalten. Doch heute hat er Glück. Der Mann ist ausgegangen. Sein Garten liegt ganz einsam, vollkommen unschuldig in der Sonne. Da macht sich Einauge über das Zwiebelbeet her. Er bedient sich nach Kräften, ein echter Mundraub. Später wird er bitter dafür büssen müssen. Doch dies steht in einer anderen Geschichte… Unsere Geschichte führt uns nämlich mit Siebenmeilenstiefeln zum Sonnenuntergang und damit zur Höhle unseres Freundes Einauge. Wo sein Mündel, dieses Bündel, dieses brave Mädel auf ihn wartet, dabei voller Sehnsucht mit den Ketten rasselt. Der Rest ist schnell erzählt. Einauge kocht. Einauge isst. Dann macht er Spass mit seinem Mündel, das dabei ganz besonders brav mittut. Es wird eine gute Weile dauern, bis die Freudentränen kullern. Einauge ist recht geschickt, wenn es darum geht, den Apex seines Vergnügens nur langsam zu besteigen. Diesbezüglich hat er viel gelernt. Früher hat er seine Tränen nämlich immer gleich laufen lassen… …schon kurz nachdem der Plausch begonnen hat. Wenn der ausgedehnte Spass endlich vorbei ist, werden Einauge und sein Mündel den Schlaf der Gerechten finden. Einauge bis am nächsten Morgen. Dann wird er wieder einen mächtigen Aufstand machen. Sein Mündel bleibt etwas länger liegen. Sie wird wohl wieder aufstehen, wenn die Posaune schallt. So wechseln sich die Tage und Nächte über dem Wunderland ab, wo die Fabelwesen tanzen. Spasserfüllt. So ziehen die Wolken und Sterne also stetig über einen Ort, der zwar in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer schnöden Welt liegt, nur einen kleinen Quantensprung entfernt. Aber viel viel besser ist. Und eben weitaus anständiger…


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WO GRÜN DRAUFSTEHT IST AUCH GRÜN DRIN. ODER EBEN NICHT.

27. März 2015 Rainer Kuhn Interessantes Plakat, welches die Grünen da für die Wahlen vom 12. April gebastelt haben. Verrät es doch eine Menge über die Partei. 1. Mangels eigener Ideen wird die bekannte Produktwerbung eines Energydrinks gekapert. Diese Produktwerbung selber zeichnet sich seit Jahren dadurch aus, dass sie das Werbeverspre-

chen an sich ad absurdum fühlt. “Red Bull verleiht Flügel” ist offensichtlich überzeichnet, weshalb den kommerziellen Konsumenten die offensichtliche Falschaussage nicht sört. Red Bull verleiht keine Flügel. Die Grünen sowieso nicht. Man kann das mit enorm viel gutem Willen im besten Fall noch einfach als doofe Idee abtun. 2. Das Plakat zeigt eine Red Bull Büch-

se, auf welcher “Grüne Energy” steht. Schauen wir doch mal auf der Dose, wie Grüne Energie denn so aussieht: Nebst Wasser hats da folgende Inhaltsstoffe drin: Säuerungsmittel, Zitronensäuer, Taurin, Natriumcarbonate, Magnesiumcarbonate, Niacin, Aroma, Farbstoffe, ein paar E’s, usw. Grüne Energie besteht also nebst Wasser hauptsächlich aus abgefüllten chemischen Stoffen, die nicht unbedingt als “grün” oder “natürlich” gelten. Und sie ist in eine Aludose verpackt.

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HALT AUF VERLANGEN: DIE UNGEHALTENE WEIL TOTAL ABGEFAHRENE TOP5 DER KAPUTTESTEN BUSHALTESTELLEN-PICS IM VERKEHRS-NETZ

Das Plakat hat, abgesehen davon, dass es eines der peinlichsten kreativen Gehversuche darstellt, welche je eine Partei unternommen hat, wenigstens einen Vorteil: Es ist ehrlich. Es zeigt dem Wähler klar und deutlich, was er wählt, wenn er die Grünen wählt: Einen Haufen ideenloser Idioten.

GROSSER SELBSTTEST: BIN ICH EIN GRUPPENCHAT-IDIOT?

9. März 2015 Pete Stiefel In der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt es Benimmregeln, die es zu befolgen gilt. Ausser, man hat nichts gegen Ausgrenzung und gesellschaftliche Ächtung. Ich möchte da beispielsweise den Augenkontakt erwähnen im Gespräch, die gewählte Ausdrucksform, den Kontrahenden aussprechen zu lassen – oder das Vermeiden, sein Gegenüber beim Sprechen anzuspucken, auch wenn man sehr aufgebracht ist und etwas Aufregendes mitzuteilen hat. Gerade in der Neuzeit entstehen immer neue, insbesondere elektronische Kommunikationsformen mit bisweilen fantastischen technischen Möglichkeiten, die den guten, alten Telefonapparat ganz schön alt aussehen lassen, und überhaupt nicht mehr gut. Diese Schnelllebigkeit stellt uns älteren Menschen über 25 vor gewisse Herausforderungen: Es besteht die Gefahr, dass wir mit den Jungen nicht mehr mitzuhalten fähig sind, und wir uns in gewissen Situationen zum Trottel machen. Dieser Test richtet sich folglich nicht an 14-Jährige, die in einer Woche mehr Text in Kurznachrichten verpacken, als während ihres gesamten Lebens in Gespräche mit ihren Eltern. Sondern an diejenigen, die sich im Umgang mit neumodischen Medien nicht immer sicher sind, ob sie alles richtig machen. Aber kommen wir zum Thema: Heute befassen wir uns mit dem sogenannten Gruppenchat. Diese Spezialfunktion innerhalb der Socialmedia-Welt ermöglicht es, beispielsweise bei Face-

book, Whatsapp oder Skype in Gruppen zu kommunizieren. Häufig wird eine Gruppendiskussion dazu genutzt, bezüglich einer geplanten Aktivität auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Nehmen wir als Beispiel ein Essen unter Freunden. Gehen wir davon aus, dass das Datum steht, Zeit und Ort aber noch nicht. Der Gruppenadministrator stellt eine entsprechende Frage in die Runde – wie reagieren Sie? a) Ich schlage mein Lieblingsrestaurant vor und teile mit, dass ich ab 19 Uhr abkömmlich bin. b) Ich erzähle allen, weil ich endlich einmal die Gelegenheit bekomme, dass mir die ganze Gruppe die ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, und weil ich gerade eine Viertelstunde Zeit habe, dass scheints das Lokal A) ganz aufregend sein müsse, laut ZüriTipp. Und B) recht speziell, habe Beni letzthin gesagt. Ich selber sei ja noch nie dagewesen, aber Beni habe schon noch ziemlich eine Ahnung, so gastronomisch und so. Und dass Lokal C) auch okay sei, obwohl da Schwergewicht Fleisch auf der Karte sei, und man aber angesichts dieser scheusslichen Massentierhaltung besser Vegetarier werden sollte. Und dass ich aus diesem Grund heute zum Mittagessen auch nur einen Salat hatte, okay noch ein Pouletbrüstli, aber das Huhn sei aus Brasilien gewesen. Und dort gehe es den Tieren ja gut, weil sie ein tolles Klima hätten und viel Sonne. Und ich frage in die Runde, ob schon mal jemand in Brasilien in den Ferien gewesen sei. Jetzt nicht an diesem Fasching, weil es dann an der Copa Ga-

bana (wie schreibt man das eigentlich? *Hihi*) mehr Taschendiebe habe als Gogo-Tänzerinen *Grins*, aber sonst mal. Aber dass ich dieses Jahr ohnehin kein Geld für Urlaub hätte, weil ich ja das Jobpensum reduziert habe. Deshalb jetzt auch viel mehr Zeit zu schreiben. *Smile* Und für den Sommer seis halt schon lässig, am Freitag frei zu haben. *Kicher* À propos Geld: Allzu teuer sollte das Essen dann nicht sein, weil eben Budget knapp. Von mir aus könnte es auch bloss ein Apéro sein. Also ohne Alkohol, weil ich unter der Woche ja nicht trinke. Und übrigens auch um 22 Uhr auf den Zug müsse, weil am nächsten Morgen wieder früh raus. Und dass ich es hasse, früh raus zu müssen, und dass ich am Morgen so unproduktiv sei. Und dass ich mich aber ganz fest auf diesen tollen Abend mit meinen Besten freue. Und dass wir endlich mal wieder richtig viel Zeit zum Quatschen hätten. Und etwas später (ca. 15 Minuten): Hallo alle, ich bins nochmals. Mir ist noch in den Sinn gekommen… c) Ich antworte gar nicht. Auswertung: Antwort a): Sie sind ein toller Typ, schwer in Ordnung, jemand zum Pferde stehlen oder auch was fürs Bett. Ihnen gehört die Welt, weiter so! Antwort b): JA! SIE SIND EIN GRUPPENCHAT-IDIOT! Denken Sie wirklich, Ihre (noch) Freunde haben nichts Besseres zu tun, als Ihnen zuzuhören? Bloss weil sie sich nicht wehren können, heisst das noch lange nicht, dass sie keine Gefühle haben. Schreiben Sie ein Buch mit Ihren scheiss Erlebnissen, dann werden Sie sehen, wie wenig Leute sich einen Deut darum scheren, was Sie mitzuteilen haben. Sorry, das musste Ihnen einfach einmal jemand sagen. Bestimmt schreiben Sie in Ihrer Firma auch seit Jahren Mails „an alle“, und es hat sich noch nie jemand getraut, Ihnen zu sagen, wie sehr das nervt. Genauso, wie man sich nicht getraut, jemandem zu sagen, dass er den Hosenladen auf hat. Oder etwas zwischen den Zähnen oder im Bart. Oder alles gleichzeitig. Und Achselschweiss. Reissen Sie sich verdammt nochmals zusammen, sie tragen eine Verantwortung Ihren Mitmenschen gegenüber. Amen. Antwort c): Irgendwie sind Sie auch ein bisschen ein Idiot.

19. März 2015 Midi Gottet. Wieso nehmen alle abgefuckten Freaks immer nur den Bus? Und ja, diesmal sind tatsächlich nur 5 Pics. Lern damit zu leben. Ist ja auch die Top5 Herrgott nochmal.


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WIE MAN 20 mal NICHT «FICKEN» SAGEN MUSS, WEIL MAN NICHT KANN, AUCH WENN MAN ES MÖCHTE 23. März 2015 Pete Stiefel Es war bereits Thema in jedem Boulevardblatt, online und gedruckt, in jeder Schülerzeitung und selbst in der Mitgliederzeitung der Ornitologen – denjenigen Menschen, die gut zu Vögeln sind. Trotzdem hat es sich InvestigativJournalistin Carmen Roshard in der Tagi Ausgabe vom 23. März 2015 nicht nehmen lassen, nochmals über das bunte, schamlose Treiben im Thermalbad auf dem Hürlimann-Areal in Zürich zu berichten. Selbstverständlich darf sie in dieser anständigen Tageszeitung Dinger nicht beim Namen nennen, deshalb umschreibt sie die schönste Nebensache der Welt, als wolle sie sich mit einem Dreigroschen-Schmuddelroman bei einem NachwuchsschriftstellerInnenpreis bewerben. Ihr Erlebnis in dieser hemmungslosen Umgebung war nicht Stoff genug, die Redaktorin musste gar noch einen Psychologen dazu befragen, weshalb es mit der Menschheit bloss so weit gekommen sei. Als Einleitung für ihren Artikel verwendet die Redaktorin zwei Sätze, die sie beim Lesen der bisherig erschienenen Berichte aufgeschnappt hatte. Sie schienen ihr angebracht, schliesslich erlebte auch sie beim Besuch des Bades wahrhaftige Ungeheuerlichkeiten: 1) „Viele Paare foutieren sich um Anstandsregeln. Sie tauschen im sprudelnden Wasser mehr als nur Zärtlichkeiten aus.“ Die Hoffnung stirbt nicht immer zuletzt. Im Hürlimann-Areal wurde ihr aber sehr schnell klar, dass sie sich hier in einem Sündenpfuhl befindet, aus dem es kein unbeflecktes Zurück mehr gibt: 2) „Einzig die ausgelatschten und müffelnden Sneakers auf dem Garderobenboden hätten einen warnen müssen, dass es nicht ganz so gesittet zu und her geht, wie es die Ambiance verspricht.“ Kaum in ihr Burkini geschlüpft, entdeckt Frau Roshard am Sprudelbeckenrand schon erste Schlüpfrigkeiten: 3) „In zwei der drei Holzwannen sprudeln bereits andere Paare, eng aneinandergeschmiegt, als wären sie Wesen mit zwei Köpfen, die meiste Zeit mit Dauerküssen okkupiert.“ Müssen diese Menschen nicht atmen? Haben sie sich nichts mehr zu sagen? Beim blossen Anblick sich küssender Leute könnte man hier schwanger enden. Die Journalistin presste ihre Oberschenkel bewusst noch etwas stärker gegeneinander, als sie es schon vorher tat. Dass ihr der Geschäftsleiter folgendes Versprechen abgegeben hatte, vermochte sie nicht zu beruhigen: 4) „Das Zürcher Thermalbad werde nie zum «Plauschbad», sondern bleibe ein Ort der Besinnung und Entspannung. Er räumt aber ein, dass es Badegäste gebe, die «die gesunde Scham verloren haben».“ Im Schutze der Abenddämmerung scheint aus dieser Warmwasserbadi ein Swingerclub zu werden, als hätte man einen Kippschalter umgelegt, der letzte Hemmungen ertränkt und den Ausfluss hinunterspült: 5) „Abends nach 20 Uhr scheinen die Regeln freizügiger ausgelegt zu werden. Je höher man steigt, desto tiefer sinkt die Schamgrenze.“ Huch! Jetzt gehts los: 6) „Im Panorama-Bad auf dem Dach sind die Hemmungen weg.“ Oha… Nun scheint sich Frau Roshard ein kleines Bisschen zu verkrampfen. Mit Bleistift und Schreibblock bewaffnet im Lustdampf und in Sprudelgeilheit klare Worte zu finden, ist gar nicht so einfach:

7) „Unter der schwarzen Glocke der Nacht und im Schutze des Wasserdampfs weicht manche Entspannung – zumindest für Singles – einer Verspannung. Insbesondere in der Lendengegend mancher Badegäste.“ Hä!? War da unter einer Badehose etwa ein Penis auszumachen!? Unerhört! Und jetzt beginnt es jede mit jedem zu treiben: 8) „Kein Paar, das sich im Strudelwasser nicht befummelt.“ Ob für Tagi-Spesen wohl auch ein Besuch der Caesars Club Sauna drinliegen würde? Muss sie zurück auf der Redaktion gleich abklären – sollte sie es überhaupt zurück an die Werdstrasse schaffen. Schliesslich besteht hier ernsthaft Gefahr, vom Leibhaftigen persönlich im Whirlpool ersäuft zu werden. Doch zurück an die Erdoberfläche. Herr Psychologe, zu Hülf! 9) „Koni Rohner, Dozent für Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Zürich: «Alle Normen ändern sich mit der Zeit.» Heute gelte vor allem in Zusammenhang mit Nacktheit und Sexualität vieles als nicht mehr unanständig, wofür man sich früher geschämt hätte. «Mütter lassen sich heute halb nackt im

‹Blick› auf der ersten Seite abbilden, es gibt TV-Werbung für SeitensprungAgenturen»“ Nackte Mütter? Wääh, pfui! Aber das gibts ja auch bloss bei diesem Schmuddelblatt aus dem Seefeld. Das mit dieser Sexualisierung stimmt allerdings schon. Wenn man sich im Sodom & Gomorra Sündenbad umsieht, ist die Moral tatsächlich Geschichte. 10) „Die Gesellschaft sei narzisstischer geworden, heute müsse man sich zeigen, auf Facebook, mit Selfies, die dann in der ganzen Welt herumgeschickt würden. «Wieso soll man sich also nicht im warmen Pool ungeniert sexuellen Handlungen hingeben?»“ Stimmt! Selfie = Ficken! Endlich ist diese Gleichung wissenschaftlich belegt. Was sich fotografiert, das liebt sich. Wääk, da hinten, schon wieder! 11) «In der heutigen Gesellschaft hat Sexualität für viele nichts Anstössiges mehr, sich zu zeigen auch nicht.» Für mich ist Sexualität ja etwas Anstössiges. Aber ich bin schliesslich auch nicht die Gesellschaft. Nicht Teil dieser Penisgesellschaft: 12) „Gewisse Hemmungen scheint es aber glücklicherweise doch noch zu geben. Immerhin legt der eine oder an-

dere, bevor er das Bad verlässt, einen Boxenstopp ein, damit er, zurück aus dem schützenden Nass, keinen verspannten Eindruck hinterlässt.“ Es könnte ja sein, dass jemand aus der Leserschaft auch schon bemerkt hat, dass ich kein neues Gesprächsthema aufgegriffen habe, deshalb besser erwähnen: 13) „In der Öffentlichkeit war das Knutschen im Thermalbad immer wieder ein Thema.“ Könnte man da nicht eine Badepolizei einrichten? Denn: 14) «Nur einige wenige machen, was sie wollen. Kaum hat man ihnen den Rücken zugekehrt, machen sie weiter.» Immerhin erkennen die Bad-Betreiber, dass wo reiner Wein eingeschenkt wird, dieser möglicherweise auch ausgetrunken werden möchte: 15) „Dass warmes Wasser, Kerzenlicht und Alkohol bei manch einem aphrodisische Gelüste wecken, ist nicht neu.“ Dieser Valentinstag ist doch auch nicht mehr, was er mal war. Wos früher einfach einen Blumenstrauss gab und gut war, werden Paare heute immer hemmungsloser: 16) „Seit Jahren bietet das Hürlimann Spa «Valentine’s Special» für Verliebte an. «Nach einer halben Stunde musste ich raus, es war einfach nur gruusig», äusserte sich ein enttäuschter Valentinstag-Gast.“ Selbst Silvester ist manchen nicht mehr heilig: 17) „Das «Valentine’s Special», die Silvesternacht oder «Badegenuss und Biergeschichten» oder «Cocktail-Trinken mal anders» seien «keine Alkoholgelage, sondern Genussevents», selbst wenn diese «durchaus auch aphrodisisch wirken dürfen».“ Immerhin: Bad-Chef Grüter kann zur Entwarnung blasen. Beim blossen Hingucken kann man nicht schwanger werden, auch das ist wissenschaftlich belegt. Und im Pool schwimmt kein Sperma, man kann sich also getrost auch mal einen Schluck warmes Sprudelwasser gönnen, ohne sich hinterher den Mund auskochen zu müssen: 18) „Laut Grüter leidet die Qualität des Badewassers nicht unter den Zärtlichkeiten seiner Gäste. Zumal die Wasseraufbereitung intensiver sei, als dies die SIA-Norm verlange: «Unsere Wasserwerte sind stets top.»“ Trotzdem, auch wenn das Badewasser nachweislich nur sehr gering mit menschlichen Körperausscheidungen kontminiert ist, bleibt Skandaljournalistin Roshard bei ihrer Beobachtung: In allen Zürcher Schwulensaunas und Swingerclubs gibts zusammengezählt weniger Verstösse gegen die Sittlichkeit als in dieser Zu-Wohlfühl-Oase: 19) „Und letztlich seien auch die Gäste «zu mehr als 99 Prozent korrekt und sehr anständig». Die 99 Prozent sind an diesem Abend wohl bereits gegangen.„ Und, angewidert und angeekelt durch ihre Spannerei, stolpert sie, beinahe schon wieder in der Freiheit, erneut über ein kopulierendes Paar: 20) „Im funkelnden Dunkel des gedämpft beleuchteten Smaragd-Bads scheint niemand mehr zu sein. Die Zehenspitzen tunken sich bereits ins Wasser, als man, peinlich berührt, ein junges Paar erblickt, das sich gerade hastig die Badehosen hochzieht.“ Jetzt aber schnell nachhause. Und fortan, das schwört sich die Schreibende, wird sie nur noch in der eigenen Badewanne schwimmen. Da weiss sie wenigstens, wer reingepinkelt hat.

ZITATE UND GEWÖHNLICHE MENSCHEN

17. März 2015 Jelena Keller Wieso ist das Zitat von jemandem öffentlich Bekannten wichtiger als, das eines öffentlich Unbekannten? Jemand Populäres, der Anerkennung bekam für etwas künstlerisches, politisches, wohltätiges. musikalisches, modisches, popkulturelles – was auch immer die Menschen ausgezeichnet haben, weil sie es für wichtig erachteten. Oder einfach nur, weil sie sich selbst gerne so sähen, wie sie nicht sind. Dabei vergassen, dass eigentlich die, die unsere Gesellschaft tragen, nicht die Philosophen, Denker und Gestikulierer sind, sondern wohlgemerkt das Bürgertum. Der Arbeiter mit Überlebenswillen. Der Gewöhnliche. Wenn uns solch einer sagte, wie er es schaffe jeden Tag hart zu arbeiten ohne Aussicht auf Besserung, trotzdem nicht aufzugeben, zu lachen dabei – fänden wir seine Weisheit genug ehrbar, um sie wertzuschätzen? Ihn zu zitieren, die Zitate in tausend grafischen Variationen auf Google wieder zu finden? Seinen Namen klein unter den Facebook Status zu schreiben? Wahrscheinlich nicht. Er habe ja keine Höchstleistung erbracht, werden wir denken. Sei halt einer wie viele. Er habe uns nichts gegeben, wovon wir träumen möchten, was wir anstreben möchten. Grosses! Nicht etwas, das jeder kann! Meine Nachbarin, eine italienische Nonna, etwa 65, sagte vor kurzem: “Jelena, Frau make de Huus. Aber Frau au make de Huus kaputt.” – So viel Weisheit in so wenigen Worten. Ich sage: Der grösste Fehler der Menschheit ist wohl, dass sie das Besondere im Gewöhnlichen nicht zu sehen vermag. Die gedanklichen Meisterleistungen des Alltags - von gewöhnlichen Menschen erbracht.


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DER STAAT

17. März 2015 Rainer Kuhn Es gibt viele Definitionen von „Staat“. Eine davon beschreibt den „Staat“ als „notwendiges, aber begrenztes Instrument, um die Freiheit des Einzelnen sicherzustellen.“. Philosophen sahen darin vor langer Zeit „die Verwirklichung der moralischen Ziele des Einzelnen und er Gesellschaft.“.Und was sehen wir heute? Ein Konstrukt, in dem vom Volk gewählte Leute Entscheidungen treffen, die sie später nicht mehr zu verantworten haben. Aktuell haben sich in der Schweiz diese Leute dafür ausgesprochen, dass gewisse Vertreter dieses Konstruktes die Privatsphäre jedes Einzelnen jederzeit ganz legal vergewaltigen dürfen. Der Entscheid wird mit dem „Kampf gegen den Terrorismus“ begründet. Und drum von der Mehrheit dieser 200 Nationalrätinnen und Nationalräten naiv befürwortet. 200 Leute, die mal von all den anderen Leuten in unserem Land in diese Funktion gewählt wurden. In der Regel gegen (Wahl)Versprechen, dass sie sich für die Menschen in diesem Land einsetzen wollen. Dass sie die Frei-

heit dieser Menschen verteidigen wollen. Dass sie für Sicherheit und Wohlstand sorgen wollen. Dass sie die elementaren Rechte dieser Menschen schützen wollen. Dass das „Recht auf Privatsphäre“ kein elementares Recht mehr ist, haben diese „Volksvertreter“ nun klar definiert. Denn, so sagen sie, „ohne Sicherheit keine Freiheit.“ Soviel Dummheit in dieser Position sollte zu denken geben. Das einzig Gute an der ganzen Sache ist die, dass sich sämtliche Mitglieder des Nationalrates dazu bereit erklärt haben, alle ihre privaten und geschäftlichen Mails, Briefe, Telefonate, Computerverläufe und was es sonst noch so gibt auf einer eigens dafür zu errichtenden Website für jedermann öffentlich zu machen, sollte dieses Gesetz dann auch tatsächlich installiert werden. Und damit der Bevölkerung zeigen, wie harmlos ihre Entscheidung war, wenn man nichts zu verstecken hat. http://www.parlament.ch/d/organe-mitglieder/nationalrat/mitglieder-nr-a-z/seiten/ default.aspx

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: VW.

25. März 2015 Reinhold Weber Der Kleine ist grösser. Grossartig.

WENN MICK HUCKNALL MIT GWYNETH PALTROW GEHEN WILL 9. Februar 2015 Dominik Hug Müde und ausgelaugt stieg ich nach Feierabend in meinen geliebten 14er in Richtung 4132. Hinterster Wagen. Alle Sitze besetzt, easy, aber nach 9 Stunden Arbeit ist Stehen schon okay. Um den intellektuell-kuulen Eindruck zu verstärken (und vorallem weil ich weiterlesen wollte) schlug ich mein aktuelles Buch wieder auf. Doch irgendwie wurde ich durch zwei junge Stimmen abgelenkt, Junge und Mädchen, beide geschätzt 13 Jahre alt. Er sah aus wie eine junge Version von Mick Hucknall und sie wie eine junge Gwyneth Paltrow. Mick: “Hey sag, worum wotsch du nid?” Gwyneth: “Was meinsch?” Mick: “Mit mir goh mein i. Worum

wotsch das nid? I mein, i bi immer huere nätt zu dir und mit däm Jeffrey* bisch jo au no zämme. Worum also nid au mit mir? Gwyneth: “Weiss nid.” (hier verschränkte sie ihre Arme demonstrativ)

Mick: “Machsch mit em Jeffrey jetzt Schluss?” Gwyneth: “Jo glaub scho.” Mick: “I mein, dä het di jo total hintergange. I hät di nie verarscht. Das isch total unfair gsi was dä gmacht het.” Gwyneth: “Jo scho.” Mick: “Weisch, ich will au mol e Fründin ha. I finds nid fair dass du nid willsch. I wird wohl nie e Fründin ha…..” Und dann stiegen die beiden aus. Nochmal, die beiden waren geschätzt 13. Und der kleine Mick steuert definitiv auf keine lustige Pubertät zu. Gerne hätte ich dem Kleinen einen Crashkurs in Körpersprache verpasst und ihm mein komplettes Wissen über das andere Geschlecht beigebracht. Länger als 2 Minuten hätte dies ja auch nicht gedauert.

DER BEZIEHUNGSKILLER #1 27. März 2015 Jelena Keller Wie man kritisiert bestimmt tatsächlich weitgehend, wie sich jede Art der menschlichen Beziehung entwickelt. Kritik kann beflügeln oder ruinieren. Über destruktive (zerstörerische) Kritik, im Gegensatz zur konstruktiven (aufbauenden) Kritik, haben wir schon oft gehört, uns wahrscheinlich trotzdem zu wenig Gedanken darüber gemacht, was dies genau bedeutet. Destruktive Kritik: – kritisiert die Persönlichkeit oder den Charakter, anstelle des Verhaltens – ist beschuldigend – akzeptiert nur einen richtigen Weg, Dinge zu tun – ist erniedrigend Die Negativspirale In den meisten Beziehungen beginnt destruktive Kritik klein und eskaliert mit der Zeit immer stärker durch die wachsende Frustration des Kritisierenden. Der Kritisierte hingegen fühlt sich kontrolliert und abgelehnt, was bewirkt, dass er sich widersetzt oder stagniert – was wiederum zu mehr Frustration und noch mehr Kritik auf der anderen Seite führt. Eine Negativspirale, die kein gutes Ende kennt. Diese Art der Kritik funktioniert nicht, weil sie zwei Faktoren beinhaltet, die Menschen am meisten hassen: Sie verlangt Unterwerfung und wertet ab. Kritische Menschen werden mit der Zeit merken, dass ihr Verhalten in eine Sackgasse führt. Wieso also machen sie dann unermüdlich weiter? Sie tun es, weil dies eine einfache Form der eigenen Ego-Abwehr ist. Sprich: Wir kritisieren, weil wir uns irgendwie abgewertet fühlen vom Verhalten des anderen und auf diese Kränkung reagieren müssen. Überkritische Menschen sind schnell beleidigt und müssen sich dann verteidigen. Die Kindheit macht überkritisch Kritische Menschen wurden in ihrer frühen Kindheit oft kritisiert, was führ kleine Kinder besonders schmerzhaft ist. Egal wie man sie kritisiert, sie verstehen den Unterschied von gut gemeinter Kritik und Ablehnung nicht. Auch wenn man sich noch so bemüht mit der Formulierung: „Du bist ein gutes Mädchen, aber dieses Verhalten ist schlecht“– sie sind noch zu jung, um im Stande zu sein die wohlgesonnenen Gedanken des Gegenübers zu verstehen. Sie fühlen sich nutzlos. Der einzige Weg für ein Kind zu überleben ist, sich an die Menschen in seiner Umgebung zu binden. Wenn es sich in diesem Bindungsprozess abgestossen fühlt, verursacht ihm das höllische

Angst. Sogar Angst ums Überleben. Um den Schmerz kontrollieren zu können, beginnt das Kind sich selbst zu kritisieren und zu erniedrigen, denn: Selbst ausgelöster Schmerz ist besser als unvorhersehbare Ablehnung von geliebten Mitmenschen. Selbstzerstörung ist kontrollierbar. In der frühen Pubertät beginnt sich das Kind mit dem Aggressor (dem Kritisierenden) zu identifizieren, zu ihm hinaufzusehen und übernimmt so ab dem frühen Erwachsenenalter die negativen Verhaltensmuster dessen.

Die Lösung: Konstruktive statt destruktive Kritik Menschen mögen es von Natur aus nicht sich zu unterwerfen, doch sie mögen Zusammenarbeit und Wertschätzung. Wertschätzung führt zu Kooperation, destruktive Kritik führt zu Abwehr und Stagnation. Hier sind die Unterschiede von destruktiver Kritik und konstruktiver Kritik:

Finanzen gemeinsam an.” – Destruktive Kritik greift die Persönlichkeit an: “Du bist faul!” – Konstruktive Kritik beschränkt sich auf das Verhalten: “Ich weiss du hast viel zu tun, können wir die Finanzen am folgenden Tag trotzdem ansehen?” – Destruktive Kritik erniedrigt: “Du bist wohl einfach nicht schlau genug dafür!” – Konstruktive Kritik ermutigt: “Ich bin sicher, wir schaffen das gemeinsam.” – Destruktive Kritik beschuldigt: “Es ist deine Schuld, dass wir in dieser Lage sind!” – Konstruktive Kritik konzentriert sich auf die Zukunft: “Wir können aus dieser Lage herauskommen, wenn wir andere Dinge beiseite legen. Was meinst du?” – Destruktive Kritik kontrolliert: “Ich weiss was das Beste ist, ich mache das!” – Konstruktive Kritik respektiert die Autonomie (Eigenständigkeit): “Ich respektiere deine Ansicht, auch wenn ich damit nicht einverstanden bin.” – Destruktive Kritik droht: “Wenn du nicht tust, was ich will, wird das Konsequenzen haben!” – Konstruktive Kritik zwingt nicht: “Wir werden eine Lösung finden, die für beide stimmt.” – Auch wichtig: Bevor man jemanden dazu bewegen möchte, sich zu ändern, ist es wichtig, die eigenen Emotionen zu regulieren. Der emotionale Unterton wird dazu führen, dass sich das Gegenüber angegriffen fühlt, egal wie man sich zu artikulieren versucht. – Wenn du eine kritische Person bist, überdenke dein impulsives Nörgeln, bevor es Beziehungen zerstört.

– Destruktive Kritik fokussiert sich auf Fehler: “Warum kannst du nicht besser auf unsere Finanzen achten!” – Konstruktive Kritik fokussiert sich auf Lösungen: “Komm, wir sehen uns die

(Bild: SB Photography – www.Silvano BallonePhotography.com / Instagram: https://instagram.com/s.ballone.photography/) (Quelle: Dr. Steven Stasny – Psychology Today)

Bin ich zu kritisch? Wie so oft, werden wir unsere unbewussten Verhaltensweisen nicht so leicht zu erkennen wissen. Doch gibt es hier einen einfachen Indikator, der uns sofort feststellen lässt, ob wir anderen gegenüber zu kritisch sind: Nämlich dann, wenn wir genauso herablassend zu uns selbst sind. Wenn uns etwas herunterfällt („Ach, du Idiot!) oder nicht gelingt („Das hättest du besser machen können!“), wenn wir unsere Fehler sehen, beschimpfen wir uns dann selbst? Falls ja, tun wir es wahrscheinlich genauso bei anderen. Wenn uns jemand sagt, wir seien zu kritisch, dann sind wir es ziemlich sicher auch.


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NICHT FIT IM SCHRITT IM HALLENBAD

24. März 2015 Midi Gottet Ich packte meine beiden Kinder in die blaue IKEA-Tasche mit den Badesachen, die seit Ende Sommer unberührt in der Kommode lagen und machte mich auf den Weg ins Hallenbad City. Ich stopfte natürlich meine Kids nicht wirklich in die Tasche. Das habe ich nur geschrieben, damit sie dranbleiben – und siehe da, es hat funktioniert. Ich beschwörte meine Kinder, dass Papi diesmal nicht mit ihnen rumplantschen könne, sondern zu Höherem berufen war, nämlich einer Power Aqua-Fit-Lektion. Und das, obwohl ich gerade eine Woche lang von einer Blasenentzündung gebeutelt wurde, was für einen Mann einer Nahtoderfahrung gleichkommt. Nach dem Motto „Was mich nicht umbringt, macht mich älter“ stieg ich mit wenig Enthusiasmus in den Kinderpool, der ja Dank hohem Amoniakgehalt noch relativ warm war. Meine Kinder tobten sich aus, in dem sie 250’000 mal ins Becken hüpften, während meines hoffte, sich nicht nochmals zu entzünden. Pünktlich um 19 Uhr schlurfte ich rüber zum Sportbecken, um mich brav bei Anna, der Leiterin des Aqua-Fit-Kurses, anzumelden. Anna, ein versuch-mir-dieHandtasche-zu-klauen-und-ich-brechdir-dein-Genick-Typ, begrüsste mich mit einem kräftigen Händedruck. Das könnte streng werden heute.

Wie aus dem Nichts, erschienen gut 30 Leute zur Lektion. Anna fuhr den Beckenboden auf 1.25m hoch. Danach jumpten wir alle ins kalte Wasser. Meine Blase schrie ein Abschiedslied in die Fluten. Es klang wie Walgesang. Ach nein, das war ja Shakira. Anna hatte die Musikanlage eingeschaltet und forderte mich und die restlichen Teilnehmerinnen dazu auf im Kreis zu waten. Das ging ziemlich rassig in die Oberschenkel, was wohl auch der Sinn war. Immer wenn Anna, die mit Badekleid und Sneakers bekleidet am Poolrand stand, zweimal in die Hände klatschte, sollten wir die Richtung ändern. Was man dabei völlig unterschätzt, ist die Kraft des Wasserstrudels, den eine 30-köpfige Gang produziert. Wie in einem reissenden Fluss kämpften wir gegen die Strömung bis wir es wieder schafften eine Gegenströmung zu kreieren. Das machten wir etwa 20 mal. Der Begriff „Power Aqua Fit“ machte jetzt völlig Sinn. Das kalte Wasser machte mir jetzt nichts mehr aus und auch meine Blasenbeschwerden waren plötzlich wie weggeblasen. Das hier machte Spass. Anna spielte einen weiteren Top-40-Hit und liess uns jetzt den Hampelmann machen. Nur gingen die Hände nicht Oben zusammen sondern unten. Und wieso? Weil der Wasserwiderstand unser neuer Freund war.

Meine Kinder, die mittlerweile auch am Beckenrand standen, machten mir den Hampelmann vor. „Lueg Papi, isch ganz eifach.“ Ich warf ein gütiges Sindmeine-Kinder-nicht-niedlich?-Lächeln in die Frauenrunde und versuchte mich wieder zu konzentrieren. Anna verlangte nun von uns den „Boxer“ und den „Sprinter“ an Ort und Stelle. Ihre Stimme wurde immer lauter, genau wie sie es mir vor der Lektion angedroht hatte. Und Anna hatte nicht gelogen. Ihre Stimme war laut. So laut, dass sie alle Wassergeräusche, das Kreischen meiner Kinder und Gustavo Limas „Tchê tcherere tchê, tchê tcherere tchê“ übertönte. Respekt. Mit diesen drei Übungen machten wir jetzt jetzt ein Intervalltraining. 30 Sekunden Vollgas, 30 Sekunden Pause, 7 mal durch. Ein wahrer Albtraum. Mein Sohn merkte, dass der Papi hier irgendwie gefangen ist und spritzte mir während einer Übung mit einer Wasserpistole pausenlos an meinen Kopf. Jetzt hatte ich Aqua-Fit und Waterboarding in einem. Mein Sohn ist halt einfach so was von kreativ – und jetzt vor allem so was von enterbt. Ein „Zisch ab und nerv deine Schwester, sonst gibt’s heute Abend kein TV“ wirkt halt einfach immer noch Wunder bei den Jungen. Anna forderte uns auf, für die nächsten Übungen „Päärchen“ zu bilden. Aber mit mir wollte keine der Damen anbandeln und so musste Anna jemanden finden für mich. Das war mein grosser Parship-Moment. Mir wurde eine Dame zugeteilt, die einen Kopf grösser war als ich und sich in einer undefinierbaren Sprache zu verständigen versuchte. Also beschränkten wir unsere Kommunikation auf stetiges Lächeln. Bei den Übungen stand man dem Partner gegenüber und machte alles synchron. Hier wurden ausschliesslich meine Augäpfel trainiert, denn es war höllisch anstrengend überall hin aber bloss nicht auf die Oberweite dieser fremden Frau zu starren. Zum Schluss hetzte uns Anna nochmals im Kreis durch den Pool und gab uns mit einer Art Unterwasser-Zumba den Rest. Ziemlich fertig aber glücklich stieg ich aus dem Wasser, gab Anna einen feuchten Händedruck, packte meine Kinder in die blaue IKEA-Tasche und machte mich auf den Heimweg.

WÜTEND SEIN DÜRFEN.

26. März 2015 Rainer Kuhn Es ist schwierig, seine Emotionen auszuleben heutzutage. Zumindest die Negativen, wie “Wut”, zum Beispiel. Man darf nicht wütend sein. Und wenn, dass nur in Ausnahmefällen, für die man eine Berechtigung vorweisen muss, und auch dann nur still in sich hinein, aber eigentlich auch das lieber nicht., obwohl man es verstehen würde, manchmal, wenn einer wütend ist, vielleicht weil ihm ein Geschäft durch die Lappen gegangen ist, vielleicht hat seine Frau einen anderen gefickt, vielleicht ist er auch einfach nur mürbe von den täglichen Meldungen in den Zeitungen, im Fernsehen, im Internet, von all dem Elend und Schrecken und Krieg gegen und für den Terror, und er fühlt sich machtlos, weiss nicht, was er dagegen machen soll ausser wütend sein, auf etwas, auf jemanden, auf den Verein, auf sich. Er will dann etwas zusammenschlagen, oder jemanden, einen, der Schuld hat daran, aber dazu müsste man ihn erst finden. Und auch wenn er ihn finden würde und ihm eins reinhauen würde, er dürfte das nicht, weil es ein Gesetz dagegen gibt. Er würde schreien wollen, fluchen, wenigstens ein Glas gegen die Wand schmeissen, und die Nachbarn würden den Hauswart rufen und der würde sagen, dass sowas nicht geht, und er müsste sich in den Bus setzen und aus der Stadt fahren, irgendwohin, wo es

UNBEWUSST ZU SELBSTBEWUSST

MUSS MAN HABEN: EINEN WEINGUMMI.

26. März 2015 Reinhold Weber. Sie sind zu einem Charity-Ball zu Gunsten vorzeitig verarmter Banker eingeladen? Dann sollten Sie in Ihren Smoking ausser dem Zigarren-Etui und dem Dupont-Feuerzeug jetzt auch dieses Weinglas aus Bio-Gummi einstecken. Denn einen 82-er Lafite aus der Flasche zu trinken kommt irgendwie schon ziemlich prollig rüber, oder?

keine Nachbarn hat, in Wald vielleicht, und schon wird es wie gesagt schwierig. Was will man denn im Wald. Nichts. Man will einfach mal wütend sein und das richtig. Und dabei nicht extra aus der Stadt fahren müssen. Also Internet. Kommentare machen. Auf Nachrichtenseiten. Auf “sozialen” Plattformen. Auf denen kann er dann endlich mal asozial sein, in einem Leben, in dem das Soziale immer enger strukturiert und normiert ist, sodass das Nichtsoziale keine Luft mehr zum Atmen hat. Die Kommentarspalten sind das kleine Loch in der Mauer des mentalen Kerkers, durch welches ein bisschen Licht auf das Nichtsoziale fällt. Sie sind in einer durchregulierten und von Privatsphären befreiten Gesellschaft die einzige Möglichkeit, wütend zu sein und seine Wut auch auszuleben. Doch die Luft wir auch hier langsam dünner. Die Netzgemeinschaft organisiert sich und straft den Wütenden im Kollektiv ab. Er wird politisch klassifiziert. Oder persönlich diffarmiert. Oder beides. Und dann automatisch der Gruppe der “Wütendenden” zugeteilt, in der sich alle Wütendenden befinden, mit dem Problem, dass die Hintergründe der Wut jedes Einzelnen zum Teil sehr unterschiedlich sind. Der Wütende will aber vielleicht nicht in die gleiche Gruppe wie die, die aus niedrigeren Instinkten als Seinen wütend sind. Also wirds für ihn auch im Internet langsam schwierig, ohne Schuldgefühle wütend zu sein. Es ist schwierig, seine Emotionen auszuleben heutzutage. Vor allem die Negativen. Wie lange sind die Positiven denn noch positiv, wenn die Negativen nicht mehr da sind? Was, wenn die Negativen eben genau drum positiv sind, weil sie negativ sind? Was, wenn man einfach mal ganz normal wütend sein könnte, ohne dabei gemassregelt zu werden? Hätten wir dann nicht irgendwie automatisch mehr Frieden?

2. April 2015 Jelena Keller Wir alle dachten schon einmal, dass wir besser sind. Wir dachten, dass wir etwas besonders gut können, dass wir schöner sind oder, dass wir über mehr Wissen als sonst jemand oder die meisten anderen verfügen. Manchmal hatten wir Grund dazu. Wenn wir etwas ausserordentlich gut konnten. Besser als Mitmenschen in unserer kleinen, subjektiven Umgebung. Manchmal wurden wir von einem grundsätzlich zu grossen Selbstbewusstsein geleitet. Oder von einem zu Kleinen, das wir unermüdlich zu vergrössern versuchten, es uns grösser zu reden versuchten, nur damit wir uns besser fühlen. Damit wir Macht verspüren? Manchmal hatten wir mit

dunklen Tagen zu kämpfen, an denen wir in Selbstzweifel zu ertrinken drohten. Gerade in solchen Momenten fühlt sich das überzeugt sein von sich selber unglaublich gut an. Doch verhält es sich wie mit allen beflügelnden Substanzen und Verhaltensweisen: Zu viel des Guten schadet und macht krank. Als Gegenmittel der toxischen Arroganz wird empfohlen, sich folgendes ins Gedächtnis zu rufen: Es wir immer jemanden geben, der etwas besser kann, besser weiss, etwa zielstrebiger, positiver, schöner, wissender ist. Was auch immer wir bewundern mögen, es wird einen geben, der dies besser kann und besser tut. Genau diese Gegebenheit holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Runter vom selbstverliebten, hochnäsigen Ritt auf dem hohen Ross. Sind wir erst einmal wieder unten, merken wir: Es wir auch ziemlich sicher immer jemanden geben, den wir zwar grundsätzlich nicht bewundern, der jedoch trotzdem etwas besser kann oder weiss als wir. Jeder Mensch, den wir irgendwie, irgendwann treffen, trägt einen Schatz in sich, von dem wir nichts wissen. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die uns unbekannt sind. Jeder. Deshalb: Begegnen wir all unseren Mitmenschen mit Respekt und Neugier. Vielleicht dürfen wir dann aus ihrem kostbaren Wissensfundus schöpfen.


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Ein Mittagessen mit Sébastien Le Page Freitag, 24. März 2015 Von Rainer Kuhn

Anspruch. Arbeiten, reisen, ständige Erreichbarkeit rund um die Uhr ...

Das vierte Interview dieses Jahres aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt wieder aus dem Alice Choo in Zürich. Gegessen habe ich mit Sébastien Le Page. Das war eine gute Entscheidung. Denn ihm gehört der Laden zu einem Drittel. Und er sagte, dass wenn er hier esse, er sich immer einfach was vom Küchenchef zusammenstellen lasse. Ich schloss mich dem an. Und so kam Teller um Teller und einer leckerer als der andere. Fast hätten wir vergessen, unser Gespräch aufzunehmen. Zum Glück dann doch nicht. Seb verrät mir gleich zu Beginn, dass er nicht alles essen kann.

Was sind denn das für Interessen? Ich spiele Polo, Rugby, "Historical Reenactment" Historical was? Historical Reenactment. Wir spielen grosse Schlachten nach. In OriginalUniformen an den Originalschauplätzen. Ich erklärs Dir gleich. Dann mach ich noch Musik ... ... was spielst Du? Ich spiele Schlagzeug und Gitarre. In einer Band?

Ich bin allergisch auf Gluten und weisser Zucker. Was bedeutet: Keine Soja-Sauce. Für viele Asia-Restaurants, ist das ein grosses Problem ...

Nein, nicht mehr, ich hatte eben einfach viel zuwenig Zeit. Dann hab ich noch eine Weinimport-Firma, ich baue gerade eine Whiskey-Distillerie in Schottland, ich mache "Micro-Financing", stelle armen Leuten in Entwicklungsgebieten Startkapital für Unternehmungen zur Verfügung ... Ich hatte immer weniger Zeit für Glencore, also hab ich mir überlegt, hab mich mit meinen Eltern besprochen, hab gemerkt, dass ich so nicht mehr hundert Prozent geben kann. Das ist nicht fair gegenüber meinen Arbeitskollegen, gegenüber meinem Boss ...

Wie hast Du das mit dem weissen Zucker rausgefunden? Nur langsam. Es hat mich müde gemacht. Mehr noch. Ich bin eingeschlafen. Ich bin jedesmal sozusagen in eine Art 18-Stunden-Koma gefallen und niemand konnte mich wecken. Das wurde immer schlimmer. Brauner Zucker ist kein Problem. Nur weisser Zucker. Irgendwas muss da drin sein, ich weiss es auch nicht. Aber Gluten ist noch schlimmer. Gluten bringt mich um. Ich habe dann meine Ernährung umgestellt, meine Frau kocht nur frische Sachen. Seither fühl ich mich fantastisch. Ich hab 10 Kilo abgenommen. Ich trinke nach wie vor Wein und Bier, esse aber keine Pasta mehr, keine Pizza, kein Brot. Seit immer mehr Leute dieses Problem haben, gibts mittlerweile ein grosses Angebot an Glutenfreier Nahrung und entsprechender Kochbücher.

Wie war das, für Glencore zu arbeiten? Ich mein, das ist ja keine normale Firma ... Es war fantastisch. Gabs da auch negative Aspekte? Der negative Aspekt war, dass ich kaum mehr Zeit hatte. Ich bin verheiratet, habe Kinder, ich sehe sie nicht aufwachsen, ich habe ein Haus, bin aber nie zuhause, und wenn, dann war ich müde, das war der negative Teil. Der positive Teil waren die Leute, mit denen ich arbeitete, Mitarbeiter, Kunden, mit einigen verbindet mich eine richtige Freundschaft. Ich habe heute Freunde auf der ganzen Welt.

Ja, aber Du musst halt immer aufpassen, oder? Klar, aber das sollte man sowieso. Wir reden englisch jetzt. Wie kommt das? Ich bin Franzose, bin in Frankreich geboren, als ich siebn Jahre alt war, zogen wir in die USA, nach New Jersey.

Du bist jetzt 43 Jahre alt und pensioniert.

The Home of Jersey Shore ...

Ich bin pensioniert von meiner bisherigen Tätigkeit. Ich mache jetzt ja nicht nichts.

The Home of not much, in fact ... Aber es ist ein schöner Ort um aufzuwachsen, und du bist grad in New York. Du bist also als Kind viel umgezogen. War Dein Vater Pilot, oder Diplomat oder sowas? Nein, er war Geschäftsmann. Er arbeitete für eine Stahlfirma. Er wurde für ein paar Jahre nach New York versetzt. Danach gingen wir zurück nach Paris, wo ich in eine Amerikanische Schule ging. Dann studierte ich und ging nach London. Von da bekam ich einen Job an der Londoner Metallbörse.

Weil die Händler den Kaufleuten das Business kaputtmachen? Ja, vielleicht. (lacht). Ich war sieben Jahre in London und kam dann in die Schweiz, wo ich für Glencore dasselbe machte. Ich war über 18 Jahre da, habe für Glencore die ganze Welt bereist, ich war "Physical Trader", was heisst, dass ich die Geschäfte nicht am Computer abwickelte, sondern Face to Face mit den Kunden. Wir können das Gespräch auch auf französisch machen. Nein danke, geht schon so.

Du bist also in Daddy's Fussstapfen getreten? Nein, ich wurde ein Händler, er war Kaufmann. Er mochte keine Händler.

Mein Deutsch ist zwar nicht so schlecht, ich studierte die deutschen Philosophen an der Sorbonne, speziell Nietzsche. Ich

Nein, ich hatte letzten Freitag meinen letzten Arbeitstag. Ich habe gekündigt. Ich habe zuviele Leidenschaften, interessiere mich für zuviele Dinge, und Glencore nimmt eine Menge Zeit in Anspruch. Arbeiten, reisen, ständige Erreichbarkeit rund um die Uhr.

habe auch ein Buch über Nietzsche geschrieben, das publiziert wurde, was wirklich lustig war. Ich wurde von einem Journalisten interviewt, zu aktuellen Themen der Welt, in einer Zeitmaschine, und Nietsche hat gewantwortet. Das heisst, ich habe meine Antworten als Nietzsche gegeben. Unter uns gesagt: Ich spreche besser Deutsch als die Leute denken. Ich versteh es ganz gut. Und es ist manchmal ganz lustig, wenn die Leute das nicht wissen. Du arbeitest immer noch für Glencore? Nein, ich hatte letzten Freitag meinen letzten Arbeitstag. Ich habe gekündigt. Ich habe zuviele Leidenschaften, interessiere mich für zuviele Dinge, und Glencore nimmt eine Menge Zeit in

Stimmt, Du hast ja eine Menge Hobbies. Einige meiner Hobbies sind auch Investments. Wie zum Beispiel meine WeinImport-Firma. Ich importiere Burgunderweine. Das macht sehr viel Spass. Das ist zwar noch nicht sehr erfolgreich, weil die Margen eher klein sind, aber es ist auf gutem Weg. Dann hab ich ins Alice Choo investiert ... ... wie kam das. Dachtest Du, für das Geld, das Du im Ausgang liegen lässt, kannst Du dir auch grad einen Club kaufen? Ich habe noch eine Bar in einem Skigebiet. Dort trifft das vielleicht eher zu (lacht). Ich wollte etwas in der Schweiz machen, da hat es sich ergeben, dass


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Klar müssen noch Abläufe verbessert und verfeinert werden. Aber auch das klappt immer besser. Das schwierigste ist, das Personal zu schulen. Wenn du ein Asia-Restaurant auf höchstem Niveau machen willst, müuss das Personal wissen, was Du anbietest. Weil der Gast hat Fragen. Und du musst ihm kompetent Antworten können. Das kannst du nur, wenn du all die Speisen und Ingredienzen kennst. Das war die grösste Herausforderung.

Meistens sind das Städte, die die Logistik organisieren. Den Rest bezahlt jeder selber. Ist ja nicht ein alltägliches Hobby. Wie Polo auch nicht. Das braucht alles viel Zeit. Und hat am Ende nicht viel mit dem normalen Leben zu tun, oder? Jeder hat eine interessante Geschichte. Es gibt keine langweiligen Leute. Die einen machen das, die anderen etwas anderes. Es ist sehr selten, dass jemand gar nichts macht. Ich mach jetzt halt das. Hast Du Geschwister?

meine zwei Partner mit diesem Konzept gekommen sind, etwas neues für Zürich, etwas wo man auf höchstem Niveau essen und feiern kann ... ... das hat das Saint-Germain auch versucht . Was ich beurteilen kann, war das eher cluborientiert, der Fokus auf die Küche war da nicht so stark. Bei uns kommt das an erster Stelle. Die Umstellung von Restaurant am Abend zum Club funktioniert nicht schlecht. Klar müssen noch Abläufe verbessert und verfeinert werden. Aber auch das klappt immer besser. Das schwierigste ist, das Personal zu schulen. Wenn du ein Asia-Restaurant auf höchstem Niveau machen willst, muss das Personal wissen, was Du anbietest. Weil der Gast hat Fragen. Und du musst ihm kompetent Antworten können. Das kannst du nur, wenn du all die Speisen und Ingredienzen kennst. Das war die grösste Herausforderung.

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April 2015

... die Logistik ist riesig. Aber damit haben wir nichts zu tun. Wir sind ein Regiment, wir machen das seit rund 30 Jahren, all die Uniformen sind selbst geschneidert. Es hat auch immer viele Schulklassen unter den Zuschauern, für die ist das eine Ergänzung zum Geschichtsunterricht. Die kommen dann auch und stellen Fragen, das ist sehr speziell, dass sie einem Leutnant der Armee von Napoleon Fragen stellen können und er beantwortet sie, so als wäre er in einer Zeitmaschine ... Fühlst Du dich dann auch wirklich wie ein Leutnant dieser Armee?

Ich habe drei Brüder. Ich bin der Älteste. Menschen haben mich immer interessiert. Es sind Menschen, die die Welt bewegen, nicht Ideen. Ideen kommen erst an zweiter Stelle. Du kannst sehen was passiert, wenn falsche Leute die richtigen Ideen haben. Ich glaube an Menschen, das war schon immer so. Ich glaube zum Beispiel auch nicht, dass es sinnvoll ist, Geld für Charity-Projekte zu geben. Ich ziehe es vor, Investments zu machen, Jobs zu kreieren. Wenn Du jemandem hundert Franken für ein Business gibst, dann will er es zurückzahlen und baut etwas auf. Wenn du ihm hundert Franken schenkst, dann kauft er sich

Hast Du eigene Pferde? Am Anfang nicht. Der Poloclub Zürich hatte eine Art "Schnupperlektion" ausgeschrieben. Ich hatte das meiner Frau erzählt und sie war Feuer und Flamme dafür. Also haben wir zusammen Stunden genommen. Wenn mich heute einer fragt, wie schwierig Polo sei, dann frag ich ihn: Wie schwierig ist Golf? Polo ist dasselbe, einfach auf einem Pferd. Und du musst das Pferd andauernd wechseln, weil sie schnell müde werden. Jedes Pferd ist wieder anders. Das ist ziemlich anspruchsvoll. Anfangs spielst du also nicht auf eigenen Pferden, irgendwann aber gefällt dir eins mehr als die anderen und du kaufst es. Das ist dann der Anfang einer Spirale (lacht) ... Du brauchst also mindestens zwei Pferde, wenn du immer wieder wechseln musst. Genau. Aber sehr schnell willst du vier Pferde. Weil sie sehr schnell müde werden bei dem Sport. Polo hängt zu 90% von den Pferden ab. Wenn du auf den eigenen Pferden spielen kannst,spielst du automatisch besser, weil du sie kennst, weisst, wie sie reagieren.

die verschiedenen Leute in all den verschiedenen Plätzen dieser Welt zu treffen ist ein Privileg. Du hast gesagt, Du spielst auch Schlagzeug. Wie kommst Du dazu? Ich habe mit Klavier angefangen. Aber ich war nicht gut darin. Ich war zu faul zum Üben. Ich habe dann auf Gitarre gewechselt, kam da aber irgendwie auch nicht weiter. Mit siebzehn. hat mir mein Vater ein Schlagzeug geschenkt. Da hats klick gemacht. Ich spielte jeden Tag und wurde nicht schlecht darin. Mein Urgrossvater war ein sehr bekannter Percussionplayer in Frankreich. Ich habe noch ein paar Drummer in der Familie. In der Business-School spielte ich dann in sechs Bands, aber irgendwann hatte ich halt eben keine Zeit mehr.

Letztes Jahr war ich zum Beispiel von Prinz Christian zu Fürstenberg nach DonauEschingen eingeladen. Er hatte den Maharaja Jaipur und seinen Vater eingeladen. Und er brauchte noch einen professionellen PoloSpieler. Und Pferde für den Maharaja. Also ging ich hin.

Du hast vorhin was gesagt, Du machst "Historical Reenactment". Was genau ist das jetzt? Was hörst Du denn selber so am liebsten? Wir kleiden uns als Soldaten von Napoleons Armee und rekonstruieren all die Schlachten.

Willst Du es wissen? Punk! Ich bin ein grosser Punk-Fan.

Ein bisschen wie Pfadi?

Ein Polo spielender Punk? Auch gut. Da liegen unsere zehn Jahre Altersunterschied. Als Kinder der Siebzigerjahre tat ich mir schwer mit der Aggressivität der Punks.

(lacht) vielleicht, ja ... Das ganze ist ziemlich gross, es sind hunderte von Leuten involviert. Aber ja, wir schlafen in Zelten und essen von einer Feuerstelle, einfach möglichst analog dem geschichtlichen Rahmen.

Die Hippies wurden ja irgendwann alle irgendwie Establishment. Die Punks haben gemerkt, dass nichts geschieht, wenn man sich nur Blumen ins Haar steckt und einen VW-Bus anmalt. Die Revolution der Punks war laut und heftig. Von den Punks wurde kaum einer Establishment. Viele kämpfen noch immer für ihre Werte.

Ist das noch lustig? Ich mein, Du bist in der Armee von Napoleon und spielst Waterloo, da weiss man ja schon vorher, wie's ausgeht. Oh ja, das macht sogar sehr viel Spass. Meistens geht so ein Anlass zwei Tage. Am ersten Tag halten wir uns nicht an das geschichtliche Ergebnis. Da wissen wir auch nicht, wer gewinnt. Am zweiten Tag halten wir uns an den historischen Rahmen. Das ist dann vor allem für die Zuschauer. Es kommen jeweils sehr viele Zuschauer. Es ist auch sehr anstrengend. Ich bin bei der Infanterie. Ich habe sonst genug mit Pferden zu tun. Ich würde meine Pferde nie mitnehmen, es ist laut, es wird geschossen, es hat bis zu 35'000 Leute in Uniformen ...

Du fühlst dich nicht wirklich wie ein Soldat dieser Zeit, aber es ist schon so, wenn du dann mitten in dieser Schlacht stehst, dann spürst du das Tempo, den Stress, die Angst, wenn Du merkst, dass dein Regiment eingeschlossen ist, dann kommt so etwas wie Panik auf. ... ah, das ist aber eine ziemlich grosse Übung. Die müssen ja alle auch essen und trinken und aufs WC ...

Du fühlst dich nicht wirklich wie ein Soldat dieser Zeit, aber es ist schon so, wenn du dann mitten in dieser Schlacht stehst, dann spürst du das Tempo, den Stress, die Angst, wenn Du merkst, dass dein Regiment eingeschlossen ist, dann kommt so etwas wie Panik auf.

irgendwas und dann hat er nichts mehr. Das ist nicht nachhaltig. Ich sage nicht, dass ich zu hundert Prozent recht habe. Aber das ist meine Art zu helfen. Und weisst Du was? Sie geben es dir zurück, wenn sie es können. Das ist weltweit so. Die allermeisten Leute auf dieser Welt sind ehrlich.

Woher kommen denn all die Leute?

Findest Du?

Gibt es da auch Meisterschaften oder so? Nein, beim Polo gibt es ein HandycapSystem. Du spielst zwar im Team, aber jeder Spieler hat ein eingeteiltes Handycap. Diese werden dann zusammengezählt, was die Stärke des Teams ergibt. So können auch Amateure und Professional zusammen spielen. Brauchts da viel Training?

Von überall, viele Engländer, Russen, Deutsche, auch Schweizer. In meinem Regiment hats lustigerweise nur etwa drei Franzosen. Das ist ja ziemlich originalgetreu. Bis auf die Schweizer. Die ziehen nur in den Krieg, wenn sie bezahlt werden. Viele Leute kommen und sagen, ob das denn nötig sei, Krieg zu spielen, wenn es schon mal keinen hat. Wir haben Engländer, die in der französischen Armee sind, Deutsche, die die englische Uniform tragen, all die verschiedenen Nationen sind wild durcheinandergemischt, wir sind der Meinung, dass es ein Spiel ist, und am Ende sitzen wir zusammen trinken eine Flasche Wein, singen und reden über die Geschichte, das schafft gegenseitig Verständnis und Verbundenheit. Und wer bezahlt das alles?

Ja, sicher. Die meisten Leute sind so. Und die paar wenigen, die nicht so sind, bringen die anderen in Verruf. Es ist halt für die Medien halt spannender, über die unehrlichen zu schreiben. Das sag ich ja. Schlechter Journalismus. All die Menschen lesen das dann und denken, die Welt geht den Bach runter. Aber das stimmt nicht. Dann bleibt also noch etwas Zeit, um Polo zu spielen. Polo ist wahrscheinlich der Hauptgrund, wieso ich bei Glencore aufgehört habe. Polo ist ein bisschen kompliziert. Die Leute glauben immer, dass sei ein extrem elitärer Sport, weil er in den Königshäuser gespielt wurde. Aber das stimmt so nicht. Polo ist nicht teurer als Golf. Eine Lektion inklusive dem Pferd kostet dich vielleicht 120 Franken für eine Stunde.

Ich geh jeden Tag. Ausser Montag. Man sagt drum auch: Polo ist kein Sport, Polo ist ein Lifestyle. Weil die Logistik riesig ist. Du kannst Dir vorstellen, ein Team aus vier Spielern und jeder hat vier Pferde. Macht sechzehn Pferde. Und sechzehn Sättel. Und Futter für sechzehn Pferde. Undsoweiter. Du musst eine Menge Leute anstellen, die das alles bewältigen. Wenn du also auf einem gewissen Niveau spielst, wird schnell teuer. Du brauchst Pferde, du brauchst Unterkünfte, du musst reisen. Auf der anderen Seite ist das Schöne daran, dass es eine kleine Welt ist. Man hört voneinander und wird zu Turnieren eingeladen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel von Prinz Christian zu Fürstenberg nach Donau-Eschingen eingeladen. Er hatte den Maharaja Jaipur und seinen Vater eingeladen. Und er brauchte noch einen professionellen Polo-Spieler. Und Pferde für den Maharaja. Also ging ich hin. Wir haben zwar den Final verloren, aber es war ein besonderes Erlebnis. All

Mir gefiel der friedliche Weg der Hippies besser. Und sie haben Songs gemacht. Richtige Songs. Beim Punk konnte ich nie wirklich Songs ausmachen. Mehr so ein paar Zeilen geschrien und dann mit den Drums, dem Bass und der Giti gleichzeitig einfach draufgehauen. Ich versteh das bis heute nicht. Ok. Vielleicht finden wir uns bei meinem Liebslingssänger wieder. Tom Waits. Oder The Doors. Die sind doch eigentlich auch Punk. Nicht von der Musik, aber von der Attitude her. Ok. Wenn du Punk als Haltung verstehst, dann bin ich bei Dir. Haben wir was vergessen? Vielleicht kannst Du meine Website erwähnen? Klar: www.le-page.ch

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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

1. Mai: Markus Kavka im Bellevue

Alex Flach Es gab mal eine Zeit, da war Markus Kavka, zusammen mit ein paar (wenigen) anderen das bekannteste TVGesicht Deutschlands und zwar so gegen Ende der Ära des Musikfernsehens. Er moderierte MTV News, MTV Spin, die MTV Music Awards, berichtete vom Rock am Ring und leitete 20 Years On MTV. Aktuell werkelt er da und dort etwas, ist bisweilen und immer wieder mal irgendwo auf der Mattscheibe zu sehen, aber alles in allem wurde es in den letzten Jahren ziemlich ruhig um ihn. Zumin-

dest was seine Moderatorentätigkeit anbelangt: Im Web und als Autor ist er immer noch sehr präsent und auch als DJ ist er ziemlich umtriebig. Der passionierte Elektroniker betätigt sich seit vielen, vielen Jahren als DJ und stand auch schon öfter an Zürcher Decks, so auch im Hive. An diesem Tag der Arbeit zeigt der Sympathieträger seine Mixkünste im schmucken Club Bellevue beim gleichnamigen Platz. Mittlerweile 47jährig weiss Kavka immer noch, wie er einen Club voller Leute zum Wackeln bringt.

Freitag 8. Mai: Klaus Johann Grobe und Acid Pauli in der Zukunft

9. Mai: Live at Robert Johnson in der Zukunft

Alex Dallas Das Robert Johnson ist der wohl legendärste Club Deutschlands und sein Betreiber Ata eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Techno-/Housebewegung in unserem nördlichen Nachbarstaat. Grössen wie Dixon, Ricardo Villalobos oder Roman Flügel bezeichnen ihn als Quelle der Inspiration und seine Labels Playhouse, Ongaku und Klang Elektronik beeinflussen so ziemlich alles und jeden, das und der sich in den Wirkungskreis elektronischer Musik begibt. An sein Gastspiel vom 9. Mai in der Zukunft wird er abermals von Lauer

begleitet. Lauer agiert mit Gerd Janson auch als Tuff City Kids, veröffentlicht auf so renommierten Labels wie Permanent Vacation und Running Back und begeistert mit bouncenden Grooves, die sich gekonnt zwischen Avantgarde Disco und Leftfield House positionieren. Oliver Hafenbauer, der dritte im Bunde, ist heute die treibende Kraft hinter dem Robert Johnson und dem gleichnamigen Label, betreibt mit Die Orakel auch seinen eigenen Imprint, jettet als DJ rund um die Welt und hat sich einen hervorragenden Ruf als Kurator aufgebaut.

Mittwoch 13. Mai: Future Sounds Festival in der Maag Halle Sebastian Brunner Einen Tag vor Auffahrt findet das Future Sounds Festival 2015 in der Maag Halle statt. In guter Erinnerung ist die letztjährige Ausgabe im Kaufleuten mit Krewella und Dada Life, und die legendäre erste Ausgabe mit Major Lazer im Komplex 457 – für viele die beste Party aller Zeiten in Zürich. Nun soll das ganze eine Fortsetzung finden. Damit auch diesmal wieder Stühle und Bänke fliegen, wurden drei Headliner verpflichtet: Andy C& MC GQ, Carnage und Foreign Beggars. Andy C aus Essex ist Drum’n’Bass-DJ und das seit seinem 15. Lebensjahr. Ein ganz grosser seines Fachs und angesagter denn je. Carnage hingegen widmet sich dem Basslastigem: Trap mit grosser EDM-Attitüde, bestens für grosse Euphorie-Momente. Die drit-

ten im Bunde, die Foreign Beggars, sind eine Englische Hip-Hop und DubstepGruppe. Das Trio lässt sich jedoch nicht von Genre-Grenzen abschrecken und ist immer für eine Überraschung gut. Abgerundet wird das Line-up noch von einer Handvoll Locals.

15. Mai: HVOB Plattentaufe im Hive

Sebastian Brunner „Klaus Johann Grobe war eigentlich nur als kurzes Projekt geplant. Eine EP pressen, ein paar Shows spielen, die EPs verkaufen und dann zu neuen Dingen übergehen.“, sagte der Zürcher Sevi Landolt 2014 in einem Interview mit Pitchfork. Es kam jedoch ganz anders. 2014 spielte die Band bereits über 50 Shows, viele davon in England und Deutschland. Und dieses Jahr scheinen sie (hoffentlich) noch eins drauf zu setzen. Das Zürcher Gespann, bestehend aus Sevi Landolt (Orgel/

Synth/Vocals) und Daniel Bachmann (Drums/Vocals), bezeichnet sich selber als „Neo Kraut Romantic Duo“. Ihre Musik nimmt Bezug auf die 70er-Jahre, ist tanzbar, zuweilen repetitiv, hypnotisch und mit Deutschen Texten unterlegt. Am Freitag 8. Mai steht neben Klaus Johann Grobe noch Acid Pauli auf dem Programm. Der Deutsche war schon zigmal in der Zuki, war früher Bassist und unter dem Namen Console unterwegs und ist immer wieder ein Hörspektakel.

Alex Flach HVOB (Abkürzung für Her Voice Over Boys) machen intelligente, treibende, melodiöse und alles in allem sehr anspruchsvolle elektronische Musik. Oder wie

die Berliner Zeitung es ausdrückt: „Eine betörende Frauenstimme zu meditativen Beats“. Nun haben HVOB mit „Trialog“ (erschienen auf Oliver Koletzkis Stil vor Talent-Imprint) eben ein neues Album veröffentlicht und wie es sich für einen Act von der Grössenordung HVOBs gehört, wird der Release von einer entsprechenden Tour begleitet. Auf dieser stoppen die Österreicher heute Abend im Bienenstock an der Geroldstrasse, in dem sie schon bei früheren Gelegenheiten mehr als nur überzeugt haben. Neben HVOB spielen in dieser Nacht auch Animal Trainer, Pasci, Playlove, Andreas Ramos & Schmerol und Raphaello. Da das Hive gerade den zigten Frühling erlebt (an Ostern war dort beispielsweise der Teufel, und alles andere das sich aufs Feiern versteht, los) dürfte dies ein ziemlich denkwürdiger Abend werden…


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

Fr/Sa, 15./16. Mai: Vorstadt Sounds Festival in Albisrieden Sebastian Brunner Etwas für Liebhaber von Live-Musik: Das Vorstadt Sounds Festival feiert diesen Monat sein 15-jähriges Bestehen in Albisrieden und präsentiert wie immer ein Querschnitt durch das Zürcher und Schweizer Musikschaffen – auf drei Bühnen, draussen und drinnen. Kurz zu ein paar Acts:

Samstag, 23. Mai: Solomun im Uto Kulm

und Elektronik herbei. Eignet sich ganz gut zum Tanzen.

Tobias Carshey: Für viele ist der ehemalige Strozzini-Frontmann einer der besten Sänger des Landes. Nun ist er erfolgreich mit seinem Solo-Debüt „Bye Bye“ unterwegs. Rizzoknorr: Mit Drums, Bass und Gitarre zaubern diese Herren eine eigenwillige Mischung aus Rock

Reza Dinally: Mit seinem im Herbst 2014 erschienenen Album „Depths Of Montmartre“ begeisterte er Fans und Kritiker zugleich. Ein bärtiger Singer-Songwriter wie aus dem Blderbuch. Paul das Pausenbrot: Mit ihrem bunten Mix aus den besten PartySongs der letzten 50 Jahren, gelingt es Paul das Pausenbrot sogar die lahmsten Feiern in wilde Partys zu verwandeln. Es spielen auch Josh, Huck Finn, Missue, Yellow Teeth, The Birthday Girls und viele mehr.

Samstag 16. Mai: O.T. Genasis im Vior

Sebastian Brunner Das Label La Terrazza, bekannt aus dem Jade, feiert sein Dreijahre-Jubiläuam mit einer grossen Party auf dem Üezgi. Mit dabei sind einerseits die Schweizer Vorzeige-Elektroniker Adriatique und Animal Trainer, sowie Roman Klinger, Reto Ardour, After Grauer und Clique of Two. Als Headliner konnte ausserdem kein Geringerer als Solomun verpflichtet werden. Der Deutsch-Bosnische DJ fing vor rund zwölf Jahren mit dem Auflegen an – damals noch mit Platten, wie er gerne selber betont. „Als der erste DJ bei uns im

Ego nur mit einem USB-Stick aufkreuzte, wollte ich ihn am liebsten rauswerfen. Inzwischen mache ich es aber auch.“, meinte er 2014 in einem Interview mit dem Groove Magazin. Wie auch immer er es tut, Solomun begeistert die Massen. Seit 2012 ist er einer der Stars auf Ibiza und einer der wichtigen Taste-Maker im globalen House-Zirkus. Nicht zuletzt dank seinem eigenen Musik-Label Diynamic, das er 2006 zusammen mit Adriano Trolio gründete und das heute Künstler wie Adriatique oder David August beheimatet.

30. Mai: Pupkulies & Rebecca in Friedas Büxe Sebastian Brunner Zugegeben: Eigentlich stehen wir eher auf Qualitäts-Gedöns im Viervierteltakt. Ein Bisschen Trash kann zwischendurch aber nicht schaden. Besonders wenn es sich um guten Trash handelt, wie im Fall von O.T. Genasis. Der Afroamerikaner mit Wurzeln in Belize hat mit seinem Song „Coco“ eine Kokain-Hymne in die Welt gesetzt, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Ein totaler Club-Banger. Der Refrain geht etwa so: „Im in love with the Coco. (ein paar Mal wiederholen). I got it

for the low, low. (Keine Ahnung wer Lolo ist). I got baking soda.“ Und so weiter. Ihr wisst schon. O.T. Genasis (27) wuchs in Long Beach Kalifornien auf, umgeben von Strassengangs. Seine Mutter, sagt er, sei hingegen wie Mutter Theresa und das pure Gegenteil von ihm. Nun, immerhin hat ihr Sohn es bereits in die Top 20 der US-Charts und auch an Leonardo Di Caprios Geburtstagsparty geschafft. Darauf kann man schon ein Bisschen stolz sein.

22. bis 25. Mai: Pfingstlager Festival im Café Gold

Alex Flach Das Pfingstlager Festival hat seine Wurzeln im ehemaligen Club Pfingstweide in Zürich West. Seit die beiden Clubbetreiber Marc Bach und Patrick Juen ins Café Gold an der Langstrasse gewechselt sind, ist der doppelte Sinn des Namens Pfingstlager zwar hinfällig, aber ein einfacher (Sinn) tut’s ja auch. Auch in diesem Jahr bietet die Festivität ein Schaulaufen der unterschiedlichst ausgerichteten Elektroniker: Am Freitag sind dort Niconé und Danny Faber zu hören und zwischen 8 und 14 Uhr am Samstag kann man sich an der Parat Afterhour den Rest geben.

Am Samstagabend stehen Martin Landsky und Alejandro Mosso am Equipment, am Sonntag zwischen 10 und 22 Uhr tun selbiges die phänomenal-extravagenten Franzosen dOP, flankiert von Beddermann & Dahlmann. Abgeschlossen wird das Ganze mit einer Sonntagsparty ab 22 Uhr bis Pfingstmontag 12 Uhr und mit der Londonerin Heidi und dem Iberer André Buljat an den Gerätschaften. Wir haben’s husch durchgerechnet: Das Café Gold pausiert an Pfingsten nur am Samstag zwischen 14 und 23 Uhr. Ansonsten: Volles Rohr und zwar durchgehend.

Alex Flach Dieser Büxenabend trägt den sinnigen Namen „Verrückt nach Dir“. Das passt 1A zum Headliner und zwar gleich im mehrfachen Sinn: Die deutsche Combo Pupkulies & Rebecca ist nicht nur betörend, sie ist auch ein ziemliches Bisschen schräg. Seit 2006 werken und wirken Rebecca Blaul, Sepp Singwald und Janosch Blaul gemeinsam und bereits ihr Debütalbum „The Way We“ hat gezeigt, wo die Reise künftig hingehen soll: Ins Land des Gesangsveredelten House, nämlich. Bereits ein Jahr nach Gründung releasten

Pupkulies & Rebecca ihr zweites Album namens „Beyond The Cage“ und ihr drittes folgte 2009 und trägt den Namen „Burning Boats“. Ihr viertes Studioalbum „Looking for the Sea“ erblickte 2012 das Licht der Musikwelt und spätestens mit ihrem Fünftling „Tibau“ (2013) war klar, dass es sich bei diesem Trio um produzierende Workaholics handelt. Denn: Trotz der beeindruckenden Release-Kadenz finden Pupkulies & Rebecca immer noch die Zeit für ausgedehntes Touren. Wie sie das hinkriegen, bleibt ihr Geheimnis.

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DICK IST DOOF (TEIL 4)

26. Februar 2015 Pete Stiefel Erfolg Somit war also alles perfekt: Die Säfte schmeckten, ich verspürte zu keinem Zeitpunkt ein Hungergefühl (obwohl ich nicht wie empfohlen mit drei Tagen Nahrungsreduzierung begonnen hatte) und, was noch viel wichtiger war: Mein Gewicht ging gleich in den ersten Tagen runter. Wer geschickt ist weiss, dass man am Morgen am leichtesten ist. Folglich stellte ich mich von Tag 1 an jeden Morgen auf die Waage. Natürlich nach dem Verrichten aller Geschäfte, ich schneuzte und Spuckte jeweils auch noch und putzte mir die Ohren, um kein überflüssiges Gramm mitzuwiegen. Nackt, denn ich merkte sehr schnell, dass meine Boxershorts 100g wiegen. Die Tara gilt es ja abzuziehen, lernten wir schon in der Primarschule. Viel Zeit… In den ersten paar Tagen waren schnell mal 2-3 Kilos weg, fort, in Luft aufgelöst. Ich weiss schon: «Diät XY», Kapitel 1: „Zuerst verliert Ihr Körper Wasser.“ Mir egal, was runter ist, trage ich nicht mehr mit mir rum. Und schliesslich mache ich diese Kur ja, um leichter zu werden. Entschlackung, zusätzliche Vitamine und positive Stoffe? Schöne Nebenerscheinung. Aber ich will den Gürtel enger schnallen müssen. Die erste Woche war verhältnismässig schnell geschafft. Mir fehlte nichts. Im Gegenteil: Dank fehlender Mahlzeiten wurde mein Tag automatisch länger, zusätzlich verlängert durch ausbleibende Kaffeepausen. Das Zeitbudget fürs Entsaften war in etwa gleich wie dasjenige fürs Zubereiten und Besorgen täglicher normaler Mahlzeiten. Ein erstes einschneidendes Ereignis war dann das Wochenende. Dieses verbringe ich üblicherweise damit, etwas Hübsches zu Kochen und dies mit netten Menschen zu verspeisen. Oder in gesellschaftlichem Rahmen ein Restaurant zu besuchen, hinterher in Bars oder ins Kino… Was bleibt von einem Wochenende minus all diese Nettigkeiten? Zeit, viel Zeit. Zeit, viel nachzudenken. Und Serien zu gucken. Und dazu keine Chips zu essen. Aber wer lässt sich davon schon die Laune verderben! Woche zwei verlief nahezu identisch. Die Säfte schmeckten weiterhin, was fehlte, war etwas Warmes im Magen. Ausser Tee, aber ich hasse Tee. Lieber friere ich und setze mich auf meine Hände, um sie aufzuwärmen. Was sich allerdings herauskristallisierte, war die Tatsache, dass Fruchtsäfte DEUTLICH besser schmecken als Gemüsesäfte. Es schien mir eine vertretbare Sünde zu sein, mehr von denjenigen Säften zu mir zu nehmen, die auch etwas Freude bereiten. Was ich mir zudem als Fremdkörper (und somit = böse) gönnte, waren Fisherman’s Friends, von denen ich gar dann und wann ein Ecklein abbiss. Damit meine

Zähne das Beissen nicht ganz und gar verlernen. Gewichtsverlauf im Vergleich zur Vorwoche: Mehr oder weniger identisch. 2’500 bis 3’500 tägliche Minuskalorien zeigten ihre Wirkung. Ersatzdrogen Wer nicht darf, was er sonst gerne tut, würde dies meist ganz besonders gerne tun. Die Lust etwas zu essen war während meiner ganzen Kur ganz ausserordentlich ausgeprägt. Nicht in dem Sinne, dass ich auf einer Gratwanderung immer kurz vor dem Absturz ins Schlaraffenland gestanden hätte – aber ich habe von da oben mit wässrigem Mund und einem starken Fernrohr hinuntergeblickt. Ich habe Essensgerüche jeglicher Natur intensiv in mich aufgesogen, mir erst Bilder von Nahrungsmitteln angeschaut, später wieder einmal alle meine Kochbücher hervorgekramt. Gaumenporno Deluxe. Eine Statistik besagt, dass Männer täglich 18,6 und Frauen 9,9 Mal an Sex denken. Bei mir war das, was Essen angeht, ganz bestimmt dreimal so oft der Fall. CORDONBLEU! Kaum eine Situation, CHEESEBURGER! während der mir nicht irgend eine köstliche Mahlzeit SPAGHETTI CARBONARA! in den Sinn gekommen wäre. RINDERFILET MIT PILZRISOTTO! Und das war in der Tat gar nicht qual, sondern viel mehr sehr lustvoll. PIZZA! KÄSEPLATTE! POMMES! SONNTAGSBRATEN! Es war ja nicht so, dass ich nie wieder etwas essen würde. So konnte ich mich auf jedes einzelne Gericht vorfreuen und dabei beobachten, wie mir das Wasser im Munde zusammenlief. Um das Gefühl noch etwas zu intensivieren, begann ich auch Jamie Oliver’s YouTube Channel ‚FoodTube‘ zu folgen. Und, was mir offen gestanden am meisten Freude bereitete war, mein Fotoalbum zu durchforsten und auf Instagram meine bisher vertilgten Burger zu posten. Gut, das scheint manch einem wohl etwas masochistisch. Ich sage nur: Food Porn. Und ich mag Pornos. Bye bye, Kraft und Energie… Selbstverständlich gabs während der vier Wochen Verzicht auch unangenehme Momente. Einige sogar. Tatsache ist nämlich, dass einen Kräfte zusehends verlassen. Auch wenn man genügend Nährstoffe zu sich nimmt, fehlen dem Körper trotzdem die festern Nahrungsstoffe. Das äussert ich in Energielosigkeit, Müdigkeit und – nicht selten – Gereiztheit. Joe Cross wusste sehr wohl, weshalb er von der ersten Hälfte seiner 60 Tage nicht allzu viel berichtet in seinem Streifen. Als Gutelaunemensch eignet er sich viel eher als Motivator, als wenn er da steht und zugibt, dass er die Arme kaum mehr über die Horizontale bringt und länger oben halten kann, und dass es ihm bei grösseren Anstrengungen auch mal Schwarz wird vor den Augen. Besonders ätzende Schlappheitsattacken gelang es mir mit einer Extraportion Vitamine,

beispielsweise in Form von Grapefruitsaft zu überbrücken. Dieser Kick half, den Rest des Nachmittages zu überstehen. Ein weiterer Nebeneffekt war, dass mir Säfte nicht mehr schmeckten. Selbst wenn diese in den ersten beiden Wochen noch köstlich schienen. Überhaupt begann alles Entsaftete gleich zu riechen. Ganz egal in welcher Zusammensetzung, egal ob Gemüse oder Fruchtsaft. In dieser Zeit gönnte ich mir auch mal einen Frucht- oder Gemüsesaft vom Grossverteiler. Ungeachtet dessen, dass diese pasteurisiert und teilweise gesalzen waren. Beides eigentlich ein No Go in dieser Kur. Aber schliesslich galt es, die 30 Tage ohne feste Nahrung durchzustehen und sich gleichzeitig weiterhin ausreichend Vitamine und Nährstoffe zuzuführen. Da darf man auch mal beide Augen zudrücken, zudem verhilft Salz ebenfalls, verlorene Kräfte wiederzuerlangen. Eine meiner Spezialentdeckungen war der Sauerkrautsaft eines grossen Saftherstellers. Ob dieser tatsächlich leicht nach Speck riecht, kann ich hinterher nicht mehr beurteilen. Möglicherweise handelte es sich dabei aber auch bloss um eine kulinarische Fatamorgana, die meinen Sinnesorganen einen Streich spielte. Als richtige Belohnung sah ich allerdings Tomatensaft an. Dieser treue Begleiter schmeckt mir auch im richtigen Leben noch. Ganz im Gegenteil beispielsweise zu Karotten- (Schauder!) und Randensaft (Iiwääkpfui!). Letztere können mir vermutlich bis an mein Lebensende gestohlen bleiben. Das Ende naht Glücklicherweise neigte sich mein Experiment nun langsam aber Sicher seinem Ende zu. Die letzten Tage, während denen ich mich auch mal in ein Restaurant wagte und mich einem Fotoshooting mit frisch gebackenen Pizzas aussetzte, durften sich nun einem (vorläufigen) Schlussstrich nähern. Zwar gab ich mich zwischendurch auch mal dem übermütigen Gedanken hin, trotzdem die 60 Tage durchzuziehen. Aber die Lust darauf, endlich wieder auf etwas zu beissen, war stärker. Und schliesslich war der sich abzeichnende Erfolg ganz ansehnlich: Bis zum Tag 30 hatte ich ganze 12 Kilos abgenommen. Zwar lag ich damit leicht unter meiner Marke, die ich mir insgeheim gesetzt hatte – aber dieser Monat war, dessen bin ich mir sicher, nicht einfach ein spannendes Intermezzo, sondern der Beginn einer gesünderen und bewussteren Ära. Die Voraussetzung, damit mir die Kleider auch weiterhin passen, die es jetzt plötzlich wieder tun. Und um mir diese 12 Kilos so richtig deutlich vor Augen zu führen, stapelte ich in einem Lebensmittelgeschäft Mehlsäcke aufeinander, hob sie hoch und war ziemlich fassungslos darüber, dass ich dieses Mehrgewicht noch vor einem Monat unter meinen Klamotten herumgetragen hatte. Ohne zu murren. Diese Säcke jetzt in einer Papiertragtasche nachhause zu tragen hätte mir keinen Spass bereitet. Ob ich diese Saftkur jemandem empfehlen würde? Unbedingt. Nicht als Diät, und nicht um abzunehmen. Da muss jeder den Weg für sich selber finden. Und eine solche Radikaldiät ist auch nicht jedermanns Sache. Wer aber nicht abgeneigt ist, sich und seinen Körper mal von einer völlig anderen Seite kennenzulernen und sich auch wieder einmal etwas besser zu spüren: Go for it! Es handelt sich hier um ein hervorragendes Kapitel Lebensschule: Kann ich Versuchungen und Reizen widerstehen? Was brauche ich wirklich, um zu überleben, und wo gebe ich mich einfach einer süssen, fettigen Verlockung hin? Ob eine, zwei, drei, vier oder gar mehr Wochen: Ich wünsche Ihnen viel Mut und ein aufregendes Ich-Kennenlernen!

MUSS MAN HABEN: EINEN LEGO STRIP CLUB

8. April 2015 Pete Stiefel Das grosse Buch der Liebe ist immer wieder für eine Überraschung gut. Besonders dann, wenn man das Kapitel “Liebesspielzeug” aufschlägt. Das Spielzeug, welches wir Ihnen heute vorstellen möchten, ist kein Liebesspielzeug im herkömmlichen Sinne. Und trotzdem kann man damit Liebe spielen. Käufliche Liebe, um etwas präziser zu sein. Und dieses käufliche Liebesspiel gibt es tatsächlich käuflich zu erwerben. Lehnen Sie sich entspannt zurück, während der LEGO DJ “You Can Leave Your LEGO Hat on” auflegt, und sich das erste LEGO Girl lasziv an der LEGO Stange zu räkeln beginnt. Sie können dann Ihre LEGO Dollars hervorkramen und sich spendabel zeigen. Der weitere Verlauf des Abends ist alleine Ihrer Fantasie überlassen.

In diesem einmaligen Set erhalten Sie für den Preis von $ 275.00: - über 80 bedruckte Elemente - mit Hologramm-Prints versehene Wände - funktionierende LED Lämpchen - vier exklusive LEGO Figuren - ansprechende Verpackungsbox im Vierfarbendruck Wichtiger Hinweis: Wo LEGO draufsteht, hat LEGO nicht zwingend etwas mit dem Inhalt zu tun. So zum Beispiel bei dieser Schweinerei hier. Das ganze Set wird nämlich von irgend einem Ferkel in minutiöser Kleinstarbeit im heimischen Hobbykeller zusammengebastelt. Klopft also LEGO an der Tür, während Sie am spielen sind – WIR haben nichts damit zu tun. Kaufen können Sie es hier. Aber wie gesagt: Von UNS haben Sie das nicht.

5 GRÜNDE, WESHALB EINER DAS HIER AUF DIE STRASSE SCHRIEB

2. April 2015 Midi Gottet 1. Weil seine Frau mit einer Parkplatz-Politesse nach Menopausanien durchgebrannt ist. 2. Weil die Politessen sein Auto immer übersehen und er so seinen Ich-spritzüber-dem-Bussenzettel-ab-Fetisch nicht ausleben kann. 3. Weil er noch in der Kreidezeit lebt. 4. Weil schon Moses wichtige Botschaften für die Menschheit auf Stein festhielt. 5. Weil er gar kein Auto hat aber halt zurzeit einfach etwas ungebumst ist.


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Kendrick Lamar Nicki Minaj A$ap Rocky Cypress Hill USA

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Casper Deichkind The roots jason derulo Ludacris Die antwoord Marsimoto Pusha T tinie tempah DE

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DOGGIE STYLE – AUF DEN HUND GEKOMMEN

31. März 2015 Pete Stiefel Weshalb glauben eigentlich Hundehalter, sie besässen das Recht, auf der Strasse wildfremde Menschen anzusprechen, alleine aufgrund der Tatsache, dass diese ebenfalls einen Hund an der Leine führen? Dies ist ein weitverbreitetes Phänomen, welches sich mir als Hundebesitzer immer aufs Neue offenbart. Ich selber verspüre jedenfalls nicht die Spur eines Bedürfnisses jemanden anzuquatschen, bloss weil da unten an seiner Leine ein zotteliges Viech hängt. Und zwar ganz egal, ob es sich nun um ein süsses, quickfideles Ding oder einen hässlichen, abgehalfterten Fratz handelt. Ich denke mir meine Sache und gehe zum Tagesgeschehen über. Andersherum gelte ich hingegen offenbar als Freiwild, wenn ich mich dann und wann mit meinem Dackel blicken lasse. Bin ich alleine unterwegs, würdigen mich die Hundefanatiker keines Blickes und schenken ihre volle Aufmerksamkeit ihrem Vierbeiner. Oder sie schauen sich nach einem potentiellen nächsten Anquatschopfer um. Begleitet mich besagter Dackel, ZACK! noch vor der nächsten Hausecke eine Pudel-Besitzerin: „Hei, ist der Süss! Nicht mehr der Jüngste, hä?“ „Nein, er hat schon das eine oder andere Jährchen auf dem Bückelchen“, erwidere ich üblicherweise anstandshalber. Es ist aber selten getan mit zwei einfachen, nett gemeinten Sätzen. Meist gehts dann erst richtig los. Da erfährt man, dass die Dame ebenfalls einen Dackel in ihrem

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Haustierstammbaum vorzuweisen hat. Und dass es dieser ebenfalls mit dem Rücken gehabt hatte, weils Dackel ja gerne mit dem Rücken haben. Haben sie tatsächlich, aber muss ich deswegen mit jedem dahergelaufenen Herrchen Erfahrungen austauschen? Es ändert sich nichts an der Tatsache, auch wenn man sie zigmal wiederholt. Besonders dann nicht, wenn die Pudeldame berichtet, dass ihr kleiner Dackel leider nicht sehr alt geworden und an Herzverfettung gestorben sei. Da würde auch mein Hinweis, dass Hunde-Chiropraktiker dem Rückenleiden Linderung verschaffen hätte können, nichts mehr nützen. Der fette Kamerad ist tot, da sind weitere Ratschläge obsolet. Geholfen hätte wohl ohnehin viel eher eine Radikaldiät, aber eben: Tempi passati, cane passato – wie schon ein altrömisches Sprichwort sagt. Ich will von fremden Hundeschicksalen nichts wissen. Genau so wenig, wie ich zum gefühlt hundertsten Mal zu erzählen Lust habe, dass mein Dackel-Opa zwar etwas wackelig auf den Beinen, aber trotz seines hohen Alters (man rechnet ja scheints beim Hundealter siebenmal das Menschenalter, schon krass, dann wäre der Kleine bald 112 Jahre alt, unvorstellbar, aber ob das tatsächlich so ist, kann niemand mit Gewissheit sagen, so ist er halt einfach ein älterer Herr mit viel Lebenserfahrung, basta) noch ganz rüstig sei. Ich will ganz einfach Gassi gehen, den Dackel Bäume beschnuppern und ihn da und dort seine Marke hinterlassen lassen.

WAHLEN IN ZÜRICH? KANNST DU KNICKEN

30. März 2015 Reinhold Weber. Diese Wahlwerbung mit all diesen flach retouchierten Arschgesichtern und platt formulierten Wahlversprechen ödet dich an? Dann hier ein Tipp von unserem Heimwerker- und Bastelressort. Einfach Wahlinserate herausreissen, zwei mal knicken, in ein Schulheft kleben. Und schon hast du dir ein lustiges Polit-Facebook gebastelt, ohne Laptop, Fotoshop und alles. Ein Osterspass für die ganze Familie!

KULT TV 1. April 2015 Pete Stiefel Hattest du schon immer Lust, einmal an einem TV-Projekt mitzuarbeiten und vielleicht sogar vor der Kamera zu stehen? Du bekommst möglicherweise schon bald die Gelegenheit dazu! Wir freuen uns, euch bekannt zu geben, dass wir noch diesen Sommer mit ‘kult TV’ an den Start gehen! Bei kult lernen die Bilder demnächst laufen! Rainer Kuhn, Kult-Gründer und neuer Senderboss: „Nachdem Kult nun schon eine Weile eine Website hat, wird es Zeit, einen Schritt nach vorne zu machen. Einen Radiosender betreiben wir ja bereits (kultradio.ch), also ist ein eigener Fernsehsender der logische nächste Schritt. Wir werden den Kontrast zum Alltagseinheitsbrei bieten, Storys kritisch hinterfragen und beleuchten – selbstverständlich kommt auch der Humor nicht zu kurz. Natürlich hoffe ich, dass wir ebenfalls in den Billag Gebührentopf greifen dürfen, das würde uns helfen, die ersten zwei, drei Jahre zu überstehen.“ Eine der treibenden Kräfte hinter der

Liebes- und Beziehungsfragen beantworten, der Zukkihund erhält seine eigene Comedy-Sendung “Zukki by Night”, Pete Stiefel plant eine Talkshow, Jelena Keller möchte eine Kuppelshow ins Leben rufen, Michèle Binswanger berichtet in der „Medienschau“ aus der Tagespresse, die beiden Basler Dominik Hug und Christian Platz betreuen die Sparte Kultur & Philosophie, und Reinhold Weber ist zuständig für die Werbung, weil er das einfach am besten kann.

Idee ist Kultredaktor Henrik Petro: „Mit meiner Erfahrung, die ich von Sputnik TV mitbringe, kann ich zu diesem neuen Projekt einiges beisteuern. Zwar haben wir damals noch auf auf VHS Kassetten gedreht, aber auch heute noch leuchtet das rote Licht, wenn die Kamera läuft, und dann werde ich heiss. Beim Aufräumen habe ich unsere alte, immer noch gültige Konzession von damals gefunden, da wusste ich schon, wem ich diese überreichen werde. Roger Schawinski

hat schon genug, also kam für mich nur Rainer infrage, und er war von Anfang an begeistert.“ Auch die anderen Redaktionsmitglieder sind Feuer und Flamme fürs neue Projekt. Kaspar Isler wird hinter der Kamera stehen und sich um die Maske kümmern, Alex Flach erhält täglich 15 Minuten Sendezeit für Partytipps für Zürich und die Ostschweiz, Midi Gottet plant eine Yoga Sendung über Mittag, Yonni Meier wird im Gefäss „Frag das Pony“ Alltags-,

Wir suchen jetzt noch interessierte, talentierte und motivierte Persönlichkeiten, die gerne selber vor der Kamera stehen würden! Bewirb dich jetzt mit Foto, einem kurzen Lebenslauf und deiner Motivation, weshalb genau DU das neue Gesicht für kult TV sein möchtest. Im Mai führen wir ein Casting durch, anschliessend wird das KULT Face in einem grossen Public Voting erkoren. Wir wünschen dir schon jetzt viel Glück und freuen uns, vielleicht schon bald mit dir zusammen auf Sendung zu gehen!

WELCOME TO SWITZERLAND!

19. Februar 2015 Pete Stiefel In der schönen Schweiz sind alle willkommen. Solange sie mein Gärtlein nicht betreten.


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April 2015

DER JIMMY HENDRIX DER NÄHMASCHINE 1. April 2015 Rainer Kuhn (Trudy Jost hat ein Lederatelier in Solothurn. Sie schneidert dort seit einer Ewigkeit Hosen, Jacken und Gilets aus feinstem Leder. Willy Deville war einer ihrer besten Kunden. Und darüber hinaus einer ihrer besten Freunde. Ich wollte Trudy schon lange mal besuchen. Und da sie grad drei Mäntel von Willy Deville im Verkauf hatte, dachte ich, das wär jetzt ein guter Zeitpunkt. So fuhr ich also nach Solothurn. Der Heimat von Peter Bichsel und Trudy Jost. Die beiden haben nichts zusammen, ausser, dass Peter Bichsel dann und wann in der Beiz gegenüber dem Atelier von Trudy sein Glas Wein trinkt. Wir sassen also so da in ihrem kleinen Laden und irgendwann wurde es richtig spannend. Ich drückte auf „record“.) Trudy: … das war im Bierhübeli, er stand auf der Bühne, ich davor, irgendwann rief ich ihm zu, dass seine Hose aussähen wie ein Kartoffelsack. Nach dem Konzert kam er zu mir und sagte, ich soll ihm doch eine geben, die besser sitzt, ich so, klar, mach ich. Er zum Tourmanager: Wann sind wir wieder in der Schweiz? Der Tourmanager: Dann und dann, ich: welche Farbe? Er: Braun … Hast Du die Dokumentation „Beautiful Loser“ gesehen? Ich: Nein. Nein? Nein, manchmal will ich von Leuten, die ich gut finde, gar nichts genaueres wissen. Ich hab dann meistens so eine Art Bindung, und die will ich mir erhalten. Wenn ich zuviel über einen weiss, find ich ihn dann vielleicht ein Arschloch, und das fänd ich dann schade. Ich hatte ihn mal getroffen, in Luzern, im Schweizerhof, nach dem Konzert, er sass da in der Lobby und ich dachte: Gehst du jetzt hin oder nicht? Und dann dachte ich: Nicht. Lass es. Ich bin kein Groupie. Wie gings dann weiter? Wann war das?

Aber eigentlich hatte ers doch nur gut gemeint. Ja, klar. In Paris haben wir auch so eine Story erlebt. Nach dem Konzert musste Willy runterkommen, er sagte, komm, wir gehen zu den Clochards, die haben sicher eine Flasche Wein. Auch hier wieder, es zog ihn zu den Armen, zu den Aussenseitern. Hat vielleicht auch einen anderen Grund, man muss denen nichts beweisen, man muss nicht so tun, als wäre man ein Rockstar. Wenn man mit diesen Leuten zusammen ist, fühlt man sich nicht schlechter als sie. Irgendwie riecht das auch nach extrem wenig Selbstvertrauen.

gen, vermutlich hatte er sich geschämt, aber ich wusste es ja. Ich sagte ihm, ich sei aus der Schweiz, aus Solothurn, wir haben auch Junkies bei uns, da entspannte er sich und meinte: You are my Buddy then. Das Beste war, dass ich damals einen guten Freund hatte, der wohnte in Denver, baute dort Flugsimulatoren, aber war eigentlich auch Musiker, also ist immer noch einer, ich rief ihn an und sagte, ich komme nach New Orleans. Er meinte, ich solle doch zuerst zu ihm kommen, er müsse im August einen seiner Flugsimulatoren nach Orlando bringen, da bring ich dich doch grad nach New Orleans. Wir also mit einem Riesentruck und dem Flugsimulator hinten drauf von Denver quer durch Colorado, New Mexico, Texas, vier Tage unterwegs, das war auch noch recht spannend. Hausi, so heisst er, war Willys bester Freund hier in der Schweiz. Immer wenn Willy hier auf Tour war, sagte er dem Management, dass sie mindestens zwei, drei Tage frei einplanen sollen, damit er nach Solothurn kommen kann. Er ist hier ja nie aufgetreten, Zürich, Basel, Bern, aber nicht in Solothurn. Hausi holte ihn und brachte ihn immer … das war eine schöne Zeit, das war so lustig mit denen, die haben sich von Anfang an gemocht.

Cooles Gefühl, oder?

Hatten Deine Arbeiten für Willy ausgestrahlt? Ich mein businessmässig…

Er war ein Chamäleon, in jeder Art und Weise, äusserlich und innerlich …

Er war ein richtiger Kumpel, er stand immer für die Armen und Benachteiligten, mit den Reichen wollte er nichts zu tun haben. Er hat auch nie ein Konzert angefangen, bevor nicht alle, die im Rollstuhl da waren, vor die Bühne gefahren wurde. Er legte Wert darauf, dass sie die besten Plätze hatten, wenn er spielte. Einmal, nach einem Konzert, stand da ein Mann und streckte ihm seine Hand entgegen. Willy ging hin, schüttelte seine Hand, der Typ packte ihn, zog ihn zu sich und biss ihm in den Arm und sagte „Ahh, i could eat your arm! I love you so much!“ Willy hatte drei Tage lang Schmerzen vom Biss. Seither wollte er nichts mehr wissen von Leuten, die ihm zu nahe kamen. Ja, das war eine Geschichte. Solche hab ich noch viele. Willst Du noch Fotos von Ihm für Deinen Artikel? Ich will ein Foto von Dir, ich mach keinen Artikel über Willy, ich mach einen über Dich. Ach … Klar bist Du verwoben mit der Geschichte von Deville. Aber Deine Seite der Geschichte interessiert mich.

… dem hab ich auch mal eine Hose gemacht … aber ich hätte Dir noch eine Superstory aus Saragossa zu erzählen, aber das dauert etwas länger … Woher kommst Du eigentlich? Ich bin in Graz geboren, kam mit zwanzig in die Schweiz, lernte einen total interessanten Ex-Fremdenlegionär kennen … … sieht so aus, als hättest Du immer irgendwie die Freaks angezogen … … jaaaa, das ist ja das Problem, so nichtssagende Schönlinge haben mich nie interessiert. Zieh jetzt mal den diesen Mantel an .. perfekt … aber Du hast jetzt diesen Gürtel an, hast du den dann auch an, wenn Du auf die Bühne gehst? … das weiss ich doch jetzt noch nicht, das ist ja auch noch weit weg, ich hab mir jetzt einfach mal einen Amp in die Garage gestellt. Und mir gedacht, es wär noch cool, da in einem Mantel von Willy Deville zu stehen und zu klimpern. Aber was anderes: Polo Hofer hat ja ein paar Songs von ihm gecovert, oder?

Das ist so. Du musst wissen, dass Willy mit 14 Jahren von zuhause abhaute. Seine Mutter war ja zweimal verheiratet, er hatte noch zwei Brüder und eine Schwester. Die beiden älteren Brüder waren von ihrem Ex-Mann, das war in den 50ern, und die beiden waren ziemlich schwierige Jungs und so brachte die Mutter die beiden in ein Heim. Und immer wenn Willy rebellisch wurde, drohte sie ihm, dass sie ihn auch ins Heim stecken würde. Davor hatte er solche Angst, dass er von zuhause weg ging. Dann ging er nach New York, nach Harlem, ein Quartier mit nur Schwarzen zu der Zeit. Und die hatten Mitleid mit dem Bub, der die ganze Zeit nur Musik hörte und auf der Strasse lebte, und sie haben ihm eine Gitarre geschenkt und ihm ein paar Griffe beigebracht. Drum ist er überhaupt Musiker geworden. Aber er hatte wirklich kein einfaches Leben. Drum ist vielleicht seine Musik so voll Soul. Ja. Und drum ist er auch nie ein Weltstar geworden, weil er nie gemacht hat, was die Plattenfirma von ihm wollte. Das hätte auch nicht funktioniert. Er wollte sein eigenes Ding machen und hat es auch gemacht.

Das weiss ich jetzt gar nicht. Vermisst Du diese Zeit manchmal?

1997. Das nächste Mal als er da war, rief er mich an, ich soll ihm die Hosen doch am Konzert vorbeibringen. Ich da hin, die Security wollte mich natürlich nicht nach hinten lassen, ich schickte ihn zu Willy, er soll ihn fragen. Dann hats geklappt. Ich in die Garderobe, er stieg rein: Sitzt. Ich hatte ja kein Mass nehmen können, aber ich habe ein gutes Auge. Er war begeistert, sagte: Kannst Du auch so Mäntel machen, wie zu Mozarts Zeiten? Ihm gefiel die Mode dieser Zeit, mit den Rüschenhemden und so. Klar konnte ich das, er bestellte grad drei, einer in Schwarz, einer in Grau einer in Grün. Irgendwann waren sie fertig und ich rief ihn an und er sagte ich solle sie ihm schicken. Das waren drei Mäntel, drei Gilets, zwei Hosen, ich sagte ihm, das käme ziemlich teuer mit dem Zoll und so. Da hat er mich einfach nach New Orleans eingeladen, ich solls ihm grad selber vorbeibringen. Danach war ich etliche Male in New Orleans. (Wir hören eine Live-Aufnahme, welche gar nie veröffentlicht wurde. Trudy hat ein paar solcher Aufnahmen im Gestell. Und sie war schnell und zielsicher, wenn sie eine rausnahm. So, als könnte Willy jederzeit zur Tür reinkommen und danach fragen. Sie wär parat. Ich probiere einen weiteren Mantel. Petrolblaues Wildleder mit schwarzem Kragen. Chesterfield. Als wär er für mich gemacht. Ich behalt ihn einfach mal an.) Ja, da kam ich also an in New Orleans, er durfte ja nicht Autofahren, weil er ja drauf war, er wollte es mir aber nicht sa-

Doch, Across the Borderline, zum Beispiel. Dä fräch Siech.

„Oh ja, und wie. Ich hätte den Laden nie so lange halten können ohne Willy. Kommt mir grad eine Geschichte in den Sinn: Er war mal Vorgruppe von Sting und eine Nacht zuvor, er hatte ein Konzert in Wien, und auf der Fahrt macht er Witze wie „Oh, i will tell Sting, hey Motherfucker, sorry, no voice“, alle glaubten, er würde das wirklich tun … Hat er? Nein, sicher nicht. Aber Recht gehabt hätte er. Ja, dachte ich mir auch (lacht) … wieauchimmer … er also auf die Bühne, es war schönes Wetter, ein Open-Air, drehte sich um und machte das „Victory-Zeichen“, was nichts anderes hiess, dass ich ihm ein Valium bringen soll. Dann kommt Sting daher, im Jogginanzug mit einer rosaroten Brille, setzt sich neben mich und ich dachte, mein Gott, hoffentlich sieht Willy das nicht. Dann ging Willy von der Bühne und Sting rauf und sagte „Oh, fuck, he has such a great voice“ und hatte Willy mit Komplimenten eingedeckt, über seine Stimme, seine Kleider … das war eine lustige Situation. Später hat Willy mich ihm vorgestellt. „You know, she’s my personal Tour Manager, she’s my best friend, and she is the Jimmy Hendrix of the sewing machine.“ Daraufhin bestellte Sting auch eine Hose und zwei Jacken.

Und dann bekam er seine Krankheit und bumm tot. Das ging ja auch für Dich schnell, oder? Drei Monate. Hast Du ihn begleitet? Ich war oft in New York in dieser Zeit. Aber es war ein Problem wegen seiner dritten Frau, die war eifersüchtig auf alles. Nicht nur auf Frauen, auf alles, die war ein totaler Kontrollfreak, die hat ihm auch den Pass versteckt, damit er nicht auf Reisen gehen konnte. Er rief mich dutzende Male an, jeweils nach Mitternacht, wenn sie schlief, das war die einzige Zeit, wo er mit mir telefonieren konnte, ohne dass sie es mitbekam und ausflippte. (Fernando von Arb von Krokus kam gerade ins Atelier, um sich eine Jacke für den SMA zu kaufen. Er meinte, er wolle wenigstens gut aussehen, wenn er schon diesen Preis entgegennehmen darf.) Du machst auch die Kleider für Krokus? Fernando kenne ich schon fast 30 Jahre, er bekommt bei mir immer einen guten Preis. Weißt Du, so gross sind die auch nicht mehr im Business … Die meisten sind nicht so gross im Business, oder? Entweder hast Du die ganz grossen wie U2 oder so …

Die haben doch auch ein Duett aufgenommen Ja, das war hier in Solothurn. Als Willy drei Monate bei mir war. Da kam der von Rohr grad vorbei, als er gesehen hatte, dass ich mit Willy durch die Stadt lief, aber mit ihm kam Willy nicht klar. Er gab ja allen, die er hier kennenlernte einen Übernahmen. Von Rohr war der „Shithead“.

Sehr sogar, klar. Wenn wir auf Tour waren, hatte ich den Laden zu für ein paar Monate. Ok, meine Ehe ging bachab deswegen, damals brach eine Welt zusammen, aber heute im Nachhinein war alles genau richtig, wie es war. Und wenn er hier war, mischte er das Dorf auf. Ich hab sein Geld verwaltet, weil er ja sonst geradewegs Drogen gekauft hätte, und er war ja auf Entzug. Und wenn das Geld knapp wurde, nahm er die Gitarre und stand auf die Strasse da vorne und spielte ein, zwei Stunden, dann war wieder genug da für ein paar Tage.

Shithead? Ja, er mochte ihn nicht. Wir hatten da was aufgenommen für ein Projekt in Deutschland, Willy war gerade auf Entzug, also trank er Alkohol. Während den Aufnahmen wollte er ein paar Bier und von Rohr ging und brachte Clausthaler. Willy natürlich gesungen, getrunken, getrunken und wartete immer auf seinen Rausch, aber der kam nicht, war ja alkoholfreies Bier. Wieso hat er ihm Clausthaler gebracht? Weil er nicht wollte, dass es so rauskam. Wenn Willy betrunken war, konnte er recht mühsam werden.

(Wir wühlten uns durch Willy Devilles Discografie, Bootlegs, seine Anrufe, die Trudy noch immer auf dem Anrufbeantworter gespeichert hat. Ich hatte immer noch den Mantel an. Ich wollte ihn nie mehr ausziehen. Also hab ich ihn gekauft. Und weiss heute nicht mehr genau, was mich mehr beeindruckt: Einen Mantel von Willy Deville zu tragen oder einen Mantel von Trudy Jost, dem Jimmy Hendrix der Nähmaschinen. Ich glaub, es ist die Kombination, das kann man nicht trennen. Auf dem Nachhauseweg legte ich eine Bootleg-CD eines älteren Kaufleuten Konzerts ein. Willy sang „Let it be me“. Und ich hatte das Gefühl, mein Ledermantel vibriere leicht.)

Und dann? Dann hat er das irgenwann geschnallt, dass der von Rohr ihm alkoholfreies Bier gebracht hat und er wurde stinkig. Von da an nannte Willy ihn nur noch Shithead.

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1. MAI IN ZÜRI - BASCHTELKIT! Mänsche, wo eifach friedlich für ihri Sach demonschtriered.

Winzige Ateil gwaltbereiti Idiote, wo sich ide friedliche Mängi verstecked.

Mediefokus Dä gliich Topf, wo all nachher drita wärded. Glaserfirma Chliunternehmer wo absolut nüt defür chönd und de Sachschade müend sälber träge.

Friedlichi Party ufem Kaserne-Areall

Rächti Politiker, wo sich über die alljährlich Steilvorlag vode paar wenige Asis freued.

Facepalm zum Usschniide

Wod am beschte anegasch, wenn in Züri 1. Mai isch.

Jep. Dä schwarz Block

Alli Vorteil, wo s Demonstriere mit Gwalt bringt.

Durchschnittliche IQ vo gwaltbereite «Demonstrante» Politischi Message vo gwaltbereite «Demonstrante»

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