Kult März 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. März 2015.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

No Love: Politik und Nachtleben 16. März Alex Flach Türsteher stehen gerade ziemlich im Fokus von Öffentlichkeit und Presse. Nicht nur wegen des vom Blick „Türsteher-Mord“ getauften Kapitalverbrechens in Zürich-Affoltern (wobei da das Opfer ein Türsteher war und die Angelegenheit ansonsten nicht allzu viel mit Club-Security zu schaffen hatte). Aber auch wegen der Kommission für Justiz und öffentliche Sicherheit und ihrer parlamentarischen Initiative für härtere Auflagen und Kontrollen für private Sicherheitsfirmen, die im Zürcher Kantonsrat auf grosse Zustimmung traf. Diese Initiative sieht beispielsweise vor, dass keine vorbestraften Gewalttäter mehr an Clubtüren stehen dürfen. Ein löbliches Ansinnen, haben doch vorbestrafte Gewalttäter bereits bewiesen, dass sie nicht über die wichtigste Fähigkeit verfügen die jedem Bouncer zueigen sein sollte und zwar jene zur Deeskalation. Jedoch ist es bezeichnend, dass die Politik einmal mehr ins Nachtleben eingreift, um dieses zu regulieren, zu reglementieren und nicht um es zu unterstützen. Die Schweizer Nachtleben-Schaffenden dürften sich daran gewöhnt haben; ausser dem Zürcher Stadtrat, namentlich Corine Mauch und Richard Wolff, haben sich noch keine namhaften Politiker ausdrücklich und unmissverständlich zum Nightlife ihrer Stadt bekannt, geschweige denn Anstalten unternommen dieses zu unterstützen. Klar… die JUSO mal ausgenommen, die jedes Mal angehüpft kommen, wenn ein Mitplappern bei Belangen die Club-Szene betreffend etwas mediale Aufmerksamkeit ver-

spricht, so wie letztmals anlässlich der angekündigten Closings der Basler Institutionen Nordstern und Hinterhof (beide Locations haben Besuch und Anfragen von Exponenten der JUSO erhalten). …aber sonst? Das Nachtleben ist zu einem wichtigen Tourismusfaktor geworden und zu einer Branche, in der längst tausende Arbeitnehmer Vollzeit

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4. Februar 2015 Reinhold Weber. Spricht uns Adonisse und Aphroditen von Kult natürlich überhaupt nicht an, aber unter uns: du solltest da dringend mal anrufen.

angestellt sind. Dennoch hört dieser Wirtschaftszweig von Politik und Staat nur dann etwas, wenn es wieder was zu regulieren, zu verbieten oder zu kontrollieren gibt. Auch Ralph Roos, Gründer und Inhaber der Firma Novaprotect (Clubs Zukunft, Hive, Exil, etc.) kämpft nun im Rahmen der eingangs erwähnten Initiative mit einem aggressiven Amts-

schimmel. Einer der geplanten Artikel stösst ihm dabei besonders sauer auf: Artikel 59 a. "der Polizei Auskunft über getroffene und geplante Massnahmen zu erteilen und alle besonderen Vorkommnisse zu melden". Ralph Roos: „Das bedeutet nichts anderes, als dass wir als Sicherheitsunternehmen von der Polizei instrumentalisiert werden! Abgesehen davon würde dies einen sehr hohen und zudem unnötigen administrativen Aufwand für die Polizei bedeuten. Als Beispiel: Wir erhalten von unseren Einsatzleitern wöchentlich rund 40 Rapporte à 3 A4-Seiten. Darin sind alle besonderen Vorkommnisse aufgelistet. Nur ein sehr kleiner Anteil davon ist für die Polizei von Interesse resp. überhaupt relevant. Die Vorkommnisse die strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, werden selbstverständlich schon jetzt der Polizei gemeldet. Zudem bin ich der Meinung, dass dieser Punkt auch nicht mit unserem Datenschutz konform ist. Dies würde nämlich bedeuten, dass wir der Polizei die persönlichen Angaben über einen Delinquenten, der gegen die Hausordnung verstossen aber noch kein Gesetz gebrochen hat, weiterreichen müssten! Dasselbe gilt für die Daten von Gästen die von einem Club ein Hausverbot erhalten haben“. Dieses Beispiel ist mehr als nur ein beliebiges Exempel, sondern ein stellvertretendes Statement, wie die Politik das Nachtleben gemeinhin (immer noch und mit vereinzelten, löblichen Ausnahmen) sieht: Als etwas, das es zu bevormunden gilt und zwar ohne Rücksicht auf die Belange der Direktbetroffenen.

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

5. Novmber 2015 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum bringen wirs hier mal.

Der Staat Es gibt viele Definitionen von „Staat“. Eine davon beschreibt den „Staat“ als „notwendiges, aber begrenztes Instrument, um die Freiheit des Einzelnen sicherzustellen.“. Philosophen sahen darin vor langer Zeit „die Verwirklichung der moralischen Ziele des Einzelnen und er Gesellschaft.“.Und was sehen wir heute? Ein Konstrukt, in dem vom Volk gewählte Leute Entscheidungen treffen, die sie später nicht mehr zu verantworten haben. Aktuell haben sich in der Schweiz diese Leute dafür ausgesprochen, dass gewisse Vertreter dieses Konstruktes die Privatsphäre jedes Einzelnen jederzeit ganz legal vergewaltigen dürfen. Der Entscheid wird mit dem „Kampf gegen den Terrorismus“ begründet. Und drum von der Mehrheit dieser 200 Nationalrätinnen und Nationalräten naiv befürwortet. 200 Leute, die mal von all den anderen Leuten in unserem Land in diese Funktion gewählt wurden. In der Regel gegen (Wahl) Versprechen, dass sie sich für die Menschen in diesem Land einsetzen wollen. Dass sie die Freiheit dieser Menschen verteidigen wollen. Dass sie für Sicherheit und Wohlstand sorgen wollen. Dass sie die elementaren Rechte dieser Menschen schützen wollen. Dass das „Recht auf Privatsphäre“ kein elementares Recht mehr ist, haben diese „Volksvertreter“ nun klar definiert. Denn, so sagen sie, „ohne Sicherheit keine Freiheit.“ Soviel Dummheit in dieser Position sollte zu denken geben. Das einzig Gute an der ganzen Sache ist die, dass sich sämtliche Mitglieder des Nationalrates dazu bereit erklärt haben, alle ihre privaten und geschäftlichen Mails, Briefe, Telefonate, Computerverläufe und was es sonst noch so gibt auf einer eigens dafür zu errichtenden Website für jedermann öffentlich zu machen, sollte dieses Gesetz dann auch tatsächlich installiert werden. Und damit der Bevölkerung zeigen, wie harmlos ihre Entscheidung war, wenn man nichts zu verstecken hat. Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer KuhnAutoren: Reinhold Weber, Midi Gottet, Jelena Keller, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Pete Stiefel, Michèle Binswanger, Zukkihund. Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.

Nächster Halt: Zuckerberg. www.facebook.com/zuerilinie


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GEFALLENE HELDEN: LEONARD NIMOY

3. März 2015 Dominik Hug Normalerweise trällern wir nicht denselben Trauersong wie die restlichen Medien mit. Doch im Falle von Leonard Nimoy müssen auch wir mal kurz innehalten und ihm einen kurzen Text widmen. Nimoy, geboren am 26. März 1931, gehört zu den ganz grossen Figuren der Film- und Serienlandschaft der letzten fünfzig Jahre. Twilight Zone, Bonanza, Columbo, Mission: Impossible, Nimoy hatte Auftritte querbeet durch alle Genres hindurch. Am bekanntesten wurde er natürlich in der Rolle des Spock. Er war einer der wenigen Darsteller, der schon in der ersten Pilotepisode “The Cage” mit an Bord war. Nimoy spielte Spock anschliessend die ganze Serie hindurch und vertonte seine Figur auch in der in den siebziger Jahren produzierte Trickfilmserie. Und obwohl er die Figur des Spock offensichtlich sehr schätzte, hatte er gleichzeitig Mühe mit dem ewigen Vergleich. So schrib er 1977 seine erste Biographie “I am not Spock”, in welcher er klar versucht hat sich von seinem Alter Ego zu lösen (“I am Spock” erschien als Fortsetzung 1995). Und trotzdem war er mit dabei, als die Enterprise 1979 ihren ersten Kinoausflug machte. Und

wiederrum versuchte Nimoy sich von seiner Figur zu lösen und lies sie am Ende von Star Trek 2 – Der Zorn des Khan sterben – nur um zwei Jahre später in Star Trek 3 – Auf der Suche nach Mr. Spock Spock wiederzubeleben. Geködert wurde er von Paramount jedoch mit der Möglichkeit bei diesem Film ebenso als Regisseur fungieren zu können. Spock war also wieder am leben und war auch in den kommenden drei Filmen der alten Crew wieder mit an Bord. 1992 rieben Fans sich wohl die Augen, trat Spock auch im 24. Jahrhundert wieder in Aktion und war in einer Doppelfolge der Serie Star Trek: The Next Generation zu sehen. Und als Nimoy zugesagt hat beim Reboot von Star Trek wieder mit an Bord zu sein, waren Fans froh und erleichtert. Nimoy war seit dreissig Jahren Nichtraucher und litt dennoch durch seinen übermässigen Zigarettenkonsum an COPD, einer chronischen Lungenerkrankung, was er vor rund einem Jahr seinen Fans auf Twitter eröffnete. Er starb am 27. Februar 2015. Sein letzter Tweet einige Tage vor seinem Tod kann man als Abschiedsgruss an seine Fans ansehen. A life is like a garden. Perfect moments can be had, but not preserved, except in memory. LLAP”

ZWÄNZG SCHTUTZ! 28. Februar 2015 Pete Stiefel Zwänzg Schtutz sind der neue Schnägg. Während man in den 90ern, und bis nach der Jahrtausendwende mit einem Fünfliber noch verhältnismässig weit kam, hilft das runde Teil aus einer 75% Kupfer und 25% Nickel Legierung gerade mal noch als Unterlagsscheibe, wenn der Beizentisch wackelt. Der Wertezerfall ist nicht zu stoppen, heute kostet immer alles überall eine Zwanzigernote: Ein bisschen Brot, Käse und ein, zwei Getränke: Zwänzg Schtutz. Zweimal Falafel und ein Halbliter Eistee: Zwänzg Schtutz! Salzige Snacks zum Apéro, den man zuhause macht, um etwas Kohle zu sparen: Zwänzg Schtutz! 12 Büchsen Bier sind da noch nicht eingerechnet: Nochmals zwänzg Schtutz! Ein paar Dosen Fleischnebenerzeugnis für den Hund, zusammen mit einem Sack Flocken und zweimal Leckerli für zwischendurch: Zwänzg Schtutz! Sind wir tatsächlich so weit? Gibt es in der ganzen fucking Schweiz nichts mehr, das weniger als zwänzg Schtutz kostet!? Dann, heute Morgen im Denner: „Grüezi, e Rolle Foifedriissglitterzüriseck, bitte.“ – „Nünzähnünzg.“ Na, bitte. GEHT DOCH!

DICK IST DOOF 23. Februar 2015 Pete Stiefel Ich habe heute auf den Tag genau einen Monat lang nichts gegessen. Wie es dazu kam, erzähle ich in der nachfolgenden Geschichte. Big is beautiful? Von wegen ‚Big is beautiful‘ – dick ist doof! Und ich darf das ungestraft sagen, genau so wie ein Jude Judenwitze machen darf, oder etwa ein Dunkelhäutiger NWitze. Und zwar, weil ich selber etliche Kilos zu viel auf die Waage bringe, worauf ich alles andere als stolz bin. Aber über die Jahre ist da einfach etliches zusammengekommen. Mangels Bewegung, und weil ich ein Genussmensch bin, der lieber Ja sagt als Nein. Sich einzureden, mit üppiger Körperfülle glücklich zu sein, ist Quatsch. Es gibt lediglich die Möglichkeit, sich mit der Situation abzufinden und sich einfach ganz okay zu finden. Und sich dabei einzureden, es sei alles in Ordnung, und man könnte ohnehin nichts ändern. Es gibt Menschen mit Stoffwechselproblemen, die es ihnen verunmöglichen, ihr Wunschgewicht zu erlangen, aber sie bilden die grosse Ausnahme unter den Übergewichtigen. Und ich spreche hier beileibe nicht vom sogenannten Idealgewicht. Dieses ist nämlich ein mindestens genau so grosser Stumpfsinn, es bezieht sich auf Körpergrösse, Alter und Geschlecht und lässt dabei zahlreiche Komponenten ausser Acht. Beispielsweise, was die betroffene Person arbeitet, wie es um ihre genetische Beschaffenheit steht, wo sie lebt, et cetera. Es ist auch nicht so, dass der Mensch schlank sein muss, um Glück zu finden. Und ich propagiere ebenso wenig den Magerwahn. Unbestreitbare Tatsache ist aber: Mit weniger Pfunden auf den Rippen fühlt man sich wohler, als wenn man das Gefühl hat, demnächst zu platzen. Oder es Hemd und Hose vielleicht bereits getan haben. Nicht dick sein, heisst nicht, glücklich zu sein. Aber… Und ich muss nochmals etwas ausholen, damit die Chance minimiert wird, mich

misszuverstehen. Ich liebe weibliche Rundungen und kann mit sich abzeichnenden Skeletten nichts anfangen. Mit Genugtuung habe ich kürzlich von einer Umfrage erfahren, die besagt, dass auch Frauen eher auf Männerbäuchlein stehen, als auf Waschbrettbäuche. Natürlich kann das allerlei Gründe haben – aber man glaubt bekanntlich Studien viel lieber, wenn man sich selber in der Mehrheit weiss, und man dabei positiv abschneidet. Trotzdem: Mit wohlgeformtem und -proportioniertem Körper bewegt es sich leichter, man schadet den Gelenken deutlich weniger, und es macht viel mehr Freude, sich zu bewegen. Was nicht per se heisst, dass man damit auch glücklich ist. Zum vollumfänglichen Glücksgefühl gehören zahlreiche weitere Komponenten – aber sich in seiner Haut möglichst wohl zu fühlen, und zwar RICHTIG wohl, ist mit Sicherheit eine begünstigende Ausgangslage. ‚Miss Molly‘ Wahlen sind, gelinde gesagt, grober Unfug. Und man erweist niemandem einen Dienst, weil man ihn seiner überdimensionierten Proportionen wegen begehrt. Hört viel lieber damit auf, Witze über Dicke zu machen, und unterstützt sie auf dem Weg zu echtem Wohlbefinden. Dies wird nicht erreicht, indem Kleider in immer grösseren Grössen produziert werden, sondern indem gesunder Lebenswandel vorgelebt und begünstigt wird. Das beginnt bereits im Elternhaus, sollte da aber nicht aufhören: Stellt euren Kindern Gesundes auf den Küchentisch und lasst euch nicht abwim-

meln, wenn sie es beim ersten, zweiten und dritten Mal verweigern. Mein Geburtstagswunsch Mein Wunsch an mich selber war es, als 40-Jähriger irgendwo wieder in die Nähe meines Normalgewichtes zu gelangen. Die Felle schwimmen einem da langsam aber sicher davon, wenn der 41. Geburtstag immer näher kommt. Was bei mir der Fall ist, denn ich bin ein Frühlingskind. Na gut, dachte ich mir, mit Wünschen verhält es sich halt meist so, wie mit Neujahresvorsätzen: Sie werden sang- und klanglos begraben. Schliesslich ist der Grund, dass man niemandem davon erzählen soll nicht der, dass das Glück bringt, sondern dass es hinterher niemand mitkriegt, wenn der Wunsch nicht erfüllt, rsp. der Vorsatz nicht in Tat umgesetzt wird. Ich hatte mich im Verlaufe des Jahres jetzt zugegebenermassen auch nicht wahnsinnig angestrengt, weniger Kalorien zu mir zu nehmen, weil Kalorieren halt einfach verdammt gut schmecken. Und weil ich mich auch nicht so oft und regelmässig bewegt habe wie vorgenommen. Und dass ich bei verhältnismässig vernünftiger Ernährung, ich schlage selten so richtig über die Stränge, esse nicht übermässig viel Süsses, zunehme: Habe ich zu wenig Bewegung, schlägt sich das positiv in meiner Gewichtsbilanz nieder. Sollte ich mich ganz einfach geschlagen geben? Fortsetzung: Lesen Sie im zweiten Teil, wie ich ganz unerwartet Inspiration fand.

WAS ES IM HANDY NICHT ZU FINDEN GIBT 12. März 2015 Jelena Keller Ständig suchen wir im Smartphone nach etwas, das es dort nicht zu finden gibt Wir suchen nach Glück – aber sehen nur die Freuden der Mitmenschen, wollen mithalten – statt herauszufinden was UNS eigentlich befriedigt und erfüllt. Wir suchen via GPS den Weg zum Zielort – vergessen aber unsere Intuition zu gebrauchen. Oder wie es ist, auf Menschen zuzugehen, nach der Richtung zu fragen, sich mal hilflos fühlen zu dürfen. Wir fotografieren unsere Kinder, warten auf Kommentare und Likes – vergessen aber dabei, ihnen beizubringen, dass wahres Selbstbewusstsein nur von Innen kommt. Wir sehen unsere Kinder nur noch durch die Linse, mögen andere auch mitbekommen, wie stolz wir sind – dabei entgeht, dass unsere Liebe, unser volles Elternherz, von unseren Sprösslingen nur durch direkten Zuspruch und Aufmerksamkeit gespürt werden können. Wir sitzen beim Essen und googlen beim aufkommen einer Frage jeglichen Gesprächsstoff zugrunde – statt zu diskutieren, behaupten, gemeinsam nach Antworten zu suchen – diese Antworten manchmal sogar nicht zu finden und uns trotzdem damit abfinden zu können. Wir suchen nach Erfüllung beim

Beobachten anderer – lenken uns aber vom eigenen Leben ab, wobei wir unsere Ziele aus den Augen verlieren.Wir scrollen und scrollen, ständig auf der Suche nach Gefühlsregung. Trauer, Wut, Glück, Witz, Schicksalsschläge. – Vergessen aber, dass unser Leben genauso viel zu bieten hätte, sähen wir nur einmal wieder genauer hin. Wir schreiben und texten, rufen und verletzten, warten ungeduldig ganze Tage lang auf Antworten – verlernen dabei, wie es ist alleine, stark und unabhängig zu sein. Verlernen auch zu warten. Den Dingen ihren Lauf zu lassen. Auf Aktion keine Reaktion zu provozieren. Wir suchen nach Liebe – vergessen dabei, dass der erste Eindruck, das erste Flackern, nur durch Augenkontakt

und Chemie in live-Momenten entstehen können. Wir posten unsere gefakte Schönheit und streben nach Komplimenten – eigentlich aber danach, dass uns jemand so liebt, wie wir in Wahrheit aussehen, nach einem langen Arbeitstag, krank im Bett oder morgens vor dem Zähneputzen. Wir fotografieren unsere perfekt inszenierten Körperteile – vergessen aber, dass es nur einen Menschen geben kann, der in Realität unser hervorstehendes Bäuchlein mag. Wir hoffen auf digitale Komplimente, warten auf Aufmerksamkeit – statt endlich einzusehen, dass uns nur eigenes Schaffen und Kreieren, Erreichen und Verspüren, auf Dauer glücklich machen kann. Wir lesen viel und streben nach Allgemeinwissen – doch muss alles schnell gehen, es bleibt keine Zeit für Tiefe, für Fachwissen. Wir wollen Tatsachen und Neuigkeiten so rasch wie möglich erfahren – trotzdem vertrauen wir dubiosen OnlineQuellen, die so hurtig einer Wahrheit nicht nachkommen können. Wir suchen Aufmerksamkeit, Zuspruch und Liebe, Glück und Gefühle, Wahrheit, Wissen und Aufregung – doch verstehen wir erst irgendwann, dass man sich das alles – nur selbst geben kann.


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RRRATSCH – ODER UNBEZIFFERBAR SEI DER WERT EINES MENSCHENLEBENS 4. März 2015 Christian Platz Theoretisch – aus einem ethisch kaum bestrittenen Blickwinkel betrachtet – ist ein Menschenleben unbezahlbar. Gerade Regierungsmenschen, renommierte Wirtschaftsleute, die meisten Personen des öffentlichen Lebens halt, würden diese Aussage an jeder Podiumsdiskussion in jedem Fall untersteichen, und ganz gewiss hier bei uns, in einem relativ sicheren und vergleichsweise extrem wohlhabenden Land, wo die Kacke sich zwar langsam erwärmt, aber noch keineswegs richtigen Dampf abgibt. Unbezifferbar sei der Wert eines jeden Menschenlebens, Unantastbar die Menschenwürde, unvergleichlich jedes Individuum, jeder meiner Lehrer hat das gesagt, meine Eltern, die Nachbarsfrau, Tanten und Verwandten – mein streitbarer Onkel Fredi, ein guter alter Stalinist, war zwar der Meinung, dass man alle Ruhestörer unkompliziert an die Wand stellen sollte, aber auch er hätte sie im Prinzip unterschrieben, die Aussage, die von der Unbezahlbarkeit eines jeden Menschenlebens berichtet. Gerne haben wir es geglaubt. Wenn nämlich Dein Leben unbezahlbar ist, ist es auch meines. Wenn Du ein einmaliges, unvergleichliches Individuum bist, bin ich es auch. Ja, die hohen ethischen Prinzipien, so könnte man meinen, beschützen uns alle. Voreinander. Und wir vertreten sie deshalb mit mächtigem Elan, wenn auch nur ein Fünkchen jenes Lichts auf uns fällt, das so wir gerne das Licht der Öffentlichkeit nennen. Obwohl ich persönlich „die Finsternis der Öffentlichkeit“ für die stimmigere Metapher halten würde… Die Unantastbarkeit des Lebens, der Menschenwürde, des Individuums, jener Teil der Menschheit, der sich für aufgeklärt hält, hat sich diese Werte auf die Flagge geschrieben. Als Selbstverständlichkeiten. Und ich habe es damals geglaubt, gerne geglaubt, damals im Schutz des Elternhauses und sogar noch während etwa der Hälfte meiner Primarschulzeit…. …bis die böse Welt über mich hereingebrochen ist. Sie wissen es? Oder nicht? Sie kennen doch die Realität…? Ein Menschenleben ist im Grossen und Ganzen gesehen einen feuchten Scheissdreck wert. Natürlich gibt es, wenn bestimmte Leute sterben, glückliche Leute sterben, Leute, die andere Leute kennen halt, für einige Zeit tiefe Trauer, unter Liebespartnern, Verwandten – vielleicht nicht ganz allen Verwandten -, engsten Freundinnen und Freunden. Aber dort, wo Entscheidungen von so genannt grosser Trageweite gefällt werden, dort, wo die dicken Geschäfte wohnen, dort, wo mit dem Regierungslöffel im Menschenfleischtopf gerührt wird, überall dort, wo über andere Leute verfügt wird, oft unter Inkaufnahme harter Konsequenzen für ebendiese Leute, spielt die Würde eines Individuums überhaupt keine Rolle, der Wert seines Lebens lediglich eine minimale, die im so genannten Ernstfall geschwind zu schrumpfen beginnt, bis sie gerade noch als Cameo-Auftritt taugt. Und am Ende wird sie ganz aus dem Film geschnitten. Ohne jegliche Sentimentalität. Gerade die Entscheidungsträgerinnen und -träger, die Verfügerinnen und Verfüger, gerade jene, die im so genannten Ernstfall zum Zuge kommen, werden es singen, wenn sie auf irgendeiner Bühne oder Rampe stehen

oder auch nur auf einem umgedrehten Waschzuber, das Hohelied von der Unbezahlbarkeit des Menschlebens, auf die Menschenwürde, das Individuum, die Bürgerin, den Bürger, jene, die Steuern zahlen, die Familie und so weiter…. Auch wenn sie bloss eine Stunde zuvor beispielsweise eine Umstrukturierung gut geheissen haben, die hunderte von Menschen ihre Arbeitstellen kosten mag, darunter vielleicht viele, die über 50 Jahre alt sind, sich wohl als Sozialfälle durch ihr restliches Leben schlagen müssen; auch wenn sie eine Stunde zuvor nur eine Entscheidung gefällt haben, die wahrscheinlich den einen oder anderen Suizid auslösen wird, am Ende der betroffenen Menschenkette, sie werden es trotzdem singen, das schöne Lied von der Unbezahlbarkeit des menschlichen Lebens. Und warum sind sie sich dabei keines Widerspruchs bewusst? Weil eben ein so genannter Ernstfall eingetreten ist, der Massnahmen verlangt. Und wie sieht dieser Ernstfall bei einem derartigen Szenario zumeist aus? Es wurde weniger Geld verdient, für die abgreifenden Mächte im Hintergrund, bei denen es sich

ausnahmslos ebenfalls um Menschen handelt, um Menschen allerdings, die finanziell auf recht sicheren Beinen stehen, gemessen an jenen, die von der Umstrukturierung betroffen sind. Objektiv gesehen sogar auf ganz schön prächtig sicheren Beinen stehen. Sie selber, das muss man ihnen lassen, sehen das sicher anders… „Diffenzierter.“ Ein Menschenleben ist also unbezahlbar, ein Individuum unantastbar, ausser dann, wenn es darum geht, die Profite von Leuten zu maximieren, die sowieso schon ziemlich gut verdienen. Wenn das so ist, drängt sich der Verdacht auf, dass die Worte „unbezahlbar“ und „unantastbar“ in Tat und Wahrheit für etwas anderes stehen, nämlich für „spottbillig“ und „zum Abschuss freigegeben“. Wie ich vor langer Zeit als Schüler am Pro-Gymnasium sein musste, ist mir etwas aufgefallen. Bei den endlosen moralischen Diskussionen, die unsere freundlichen linken Lehrer, ausgestattet mit ihren Schnäuzen, Bärten und den braunen Manchesterhosen, die Lehrer der Seventies halt, mit uns Kids im Klassenzimmer geführt haben, waren immer genau jene Schüler be-

sonders aufmerksam, humanitär, moralisierend unterwegs, die auf dem Pausenhof gewohnheitsmässig Mobbing betrieben, am härtesten auf die Klassentrottel und andere Schwache einzuprügeln pflegten, verbal und physisch. Mit Engelszungen haben sie geredet, während des Unterrichts, die Arschlöcher und Westentaschennazis des Schullebens. Wahrscheinlich sind genau diese Individuen heute alle in verantwortungsvollen Positionen gelandet, in der Regel waren sie nämlich gut in der Schule, jaja, in Positionen, wo man Entscheidungen trifft, Massnahmen beschliesst, zugunsten der Reichsten, zulasten der Ärmsten… Denn sie haben es begriffen, schon früh im Leben, die Leute werden gerne angelogen, also lügt, wer Erfolg im Leben haben will, singt uns das Lied von der Menschenwürde – und beschliesst dann hinter verschlossenen Türen die einschneidensten Massnahmen, die vielen Menschen so richtig weh tun, weil halt der so genannte Ernstfall eingetreten ist, der Profitmaximierung gebietet. Und heutzutage herrscht eigentlich der permanente so genannte Ernstfall. Vor allem bei jenem einen

Prozent der Menschen, die bald über mehr Geld und Werte verfügen, als die restlichen 99 Prozent der Menschen zusammen. “Dein Leben ist unbezahlbar”, flüstern sie Dir noch zum Abschied ins Ohr, bevor das Fallbeil niedersaust – und schlagkräftig beweist, dass ein Menschenleben einen feuchten Scheissdreck wert ist. Auch meins, auch Deins. Und wir glauben es. Bis wir den frischen Windhauch spüren, unmittelbar bevor uns die tödliche Klinge ins Genick fährt – Rrrratsch -, jenen frischen Windhauch, von dem JosephIgnace Guillotin (1748 – 1814) so selig geschwärmt hat, bei seiner eloquenten Präsentation seiner anscheinend so schmerzlosen Tötungsmaschine, vor einem Publikum, das aus adligen Herrschaften, aus Entscheidungsträgern jener Zeit bestand. Letzteren wäre es gewiss auch egal – oder gerade recht – gewesen, wenn die Maschine ihren Opfern einen schmerzhaften Tod bereitet hätte, denn sie wussten: Ein Menschenleben hat nicht einmal so viel Wert wie die Materialien, aus denen unsere sterblichen Leiber bestehen, also fast nichts – und damals sowieso nicht, denn Organhandel hatte noch keine Bedeutung. Dergestalt haben die Mächtigen schon immer gedacht, gefühlt, agiert, von verschwindend wenigen Ausnahmen abgesehen. Und wir, Du und ich, sind das Vieh. Das Menschenvieh. Deshalb sind wir sentimental. Doch wenn wir dort oben stehen würden, in einem Zentrum der Macht, getragen von warmen Finanzwinden – wie würden wir dann empfinden? Seit Jahren lese ich in Zeitungen und Zeitschriften ja immer wieder diese Artikel, die eben darüber sinnieren, wie hoch denn nun der reine Materialwert eines Menschen sei. Natürlich werden diese Artikel allesamt aus rein wissenschaftlichem Interesse und unter Anfügung von allerlei wissenschaftlichem Krimskrams geschrieben. Natürlich beginnen die Schreiberinnen, die Schreiber derartige Geschichten immer mit einigen Sätzen, welche das Menschenleben als unbezahlbar preisen und die Menschenwürde feiern, die sie dann sogleich ausser Kraft setzen, um im weiteren Textverlauf wohlig über den monetären Wert des Körpermaterials zu spekulieren. Der niederste Betrag, von dem ich in diesem Zusammenhang je gelesen habe, lag bei knapp zwei Franken, der höchste bei 82 Millionen Franken (unter Berücksichtigung von Organhandel uns so). Das sind doch mal realistische Ansätze. Nur: Wollen wir damit leben? Oder sterben? Und den Faktor Krieg habe ich ja noch nicht einmal angeschnitten. Aber Krieg ist ja nun doch ein echter Ernstfall… Nicht bloss ein so genannter. Da muss doch der Wert eines Menschenlebens ein klein wenig zurück treten. Denn Krieg wirft todsicher noch traumhaftere Gewinne ab – als noch die schönste Profitmaximierung durch Personalmigration, wie aufgeklärte Zeitgenossinnen und -genossen Entlassungen heute zu nennen pflegen. Für wen? Na, für jenes oben erwähnte eine Prozent der Menschen natürlich. Ein Hoch auf dieses eine Prozent, das die wahren Regeln der Existenz auf dieser Erde kennt. Und lebt… Moment mal, ein Prozent, ein Prozent, ein Prozent von etwa 7,5 Milliarden, das sind ja ganze 75 Millionen, da gehöre als Schweizer am Ende noch dazu…


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FÜRN7LIM.IT5ÉE 0 ÉDITIO

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno.


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DATES UND UN-DATES

WIE MAN EINEN NARZISSTEN ERKENNT

Bild: underground-fashion.eu 6. März 2015 Yonni Meyer Wir haben ja alle eine Vorstellung davon, wie ein erstes Date so aussehen sollte. Mit meinem Exfreund zum Beispiel hatte ich ein nahezu perfektes erstes Date. Wir waren Burger essen und setzten uns danach in ein Café in der Fussgängerzone von Fribourg und redeten und redeten und redeten. Als es kühler wurde, gab er mir seinen Pullover und als wir uns am Bahnhof verabschiedeten gab es einen ersten, romantischen Kuss und das Versprechen, sich bereits am nächsten Tag wiederzusehen. Es folgte Winken bis der Zug losfuhr und bereits nach drei Minuten das erste SMS und ich schwebte erglüht und strahlend nach Hause. So will man das. So ist das gut. Es geht aber auch anders. SEHR anders. Hier ein Exempel aus dem Ponysurium. Ich lernte vor vielen, vielen Jahren einen jungen Mann an einer Party kennen. Nennen wir ihn David (und nein, das war NICHT sein richtiger Name). David gefiel mir sehr und ich gefiel David sehr, was ich seinem Blick anmerkte, seiner Art zu sprechen und ein bisschen auch seiner Erektion beim Tanzen. Wie auch immer, die Verbindung war da, genauso wie der Alkoholpegel und man landete schliesslich auf dem Sofa in der Ecke. Ihr wisst schon. Als alle nach Hause gingen, war man noch knapp in der Lage, Nummern auszutauschen, ohne sich übergeben zu müssen und so gingen wir beide denn getrennter Wege, David und ich. Ein paar Tage später, ich hatte die Party und deren Geschehnisse weitestgehend vergessen/verdrängt, erhielt ich eine SMS von David, wie es mir denn gehe und ob ich gerne einmal mit ihm ausgehen würde. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich noch nicht einmal mehr genau, wie der Gute ausgesehen hatte, wusste aber, dass irgendwas an ihm hatte dran gewesen sein müssen (abgesehen von oben erwähnter Erektion), weshalb ich dachte: Wieso nicht? Man verabredete sich für den kommenden Samstag in einer etwas besseren italienischen Beiz und war sehr gwundrig. Ich zumindest. An jenem Samstag machte ich mich zurecht – man weiss ja nie, ob man tatsächlich plötzlich Mr. Right gegenüber sitzt. Gesichtsmaske, Haarmaske, ein bisschen Maniküre, Make-Up, ausgelesenes Outfit, schöne Schuhe. Tiptop. Ich traf pünktlich im Restaurant ein und roch sehr gut. Von David jedoch keine Spur. Nun gut, ich wollte ja nicht so sein, ein paar Minuten sind ja in Ordnung. Der Gute traf dann aber 25 Minuten verspätet ein, in Shorts mit MilitaryPrint (brrrr) und einem versifften

Shirt mit Metal-Band-Aufdruck. Einen Kamm hatte er schon seit längerem nicht mehr gesehen, genauso wenig wie Shampoo. Bei der Begrüssung wehte mir eine Bierfahne entgegen. Herz. Aller. Liebst. Als Erstes entschuldigte er sich, er müsse „pisse und na eini go rauche“. Also gut. Auf Wiedersehen, David. Ich war bereits sehr versucht, einen epileptischen Anfall zu simulieren oder ihm zu erzählen, meine Katze sei unerwartet an Skorbut erkrankt. Als David zurück war, erzählte er ohne Unterbruch von sich, seinen Kumpels, den Mengen an Alkohol, die sie an Partys in sich reinschütteten und den Mädchen, die seine Kollegen jeweils abschleppten (er selbstverständlich nicht, neinnein). Dann wetterte er über den Staat und darüber dass Leute wie Christoph Blocher den Bundesrat vergiften würden – dass dieser zu jenem Zeitpunkt bereits wieder abgewählt worden war, war an David anscheinend vorbeigegangen. An mir persönlich vorbeigegangen war am Abend der Party anscheinend, dass David ein kompletter Vollidiot war. So sass ich denn resigniert am Tisch, mein Kopf auf meine Hand gestützt, und hörte David zu, wie er mir die Psychologie erklärte und die Tatsache erläuterte, dass ja nur Menschen mit psychischen Problemen Psychologie studieren würden (Anm. d. Autorin: David selber studierte NICHT Psychologie). Es war so frustrierend, dass es schon wieder amüsant war und ich freute mich bereits am Tisch sitzend darauf, meinen Freundinnen von diesem Horror-Abend zu erzählen. Wenigstens das Essen war gut – bezahlen tat ich es selbst, was völlig in Ordnung war, jedoch von Davids Bemerkung begleitet wurde, ich sei ja Arzttochter, eigentlich müsste ich sein Essen zahlen, wir seien ja emanzipiert, blabla, hahahaha. Und dann? Dann fragte er mich allen Ernstes, ob ich noch mit zu ihm käme. Ich lächelte charmant und sagte „Lieber nicht“ – was ich eigentlich sagen wollte war, dass ich nicht mit ihm nach Hause gegangen wäre, wenn er der allerletzte Mensch auf Erden gewesen wäre. Auch nicht das letzte Tier oder der letzte Einzeller oder die letzte Pflanze. Oder das letzte Möbel. NIE. NEVER. NIEMALS IM LEBEN! Das war also mein Un-Date mit David. Ich bin sicher, wenn er davon seinen Freunden erzählt, dann bin ich die „langweiligste Tusse ever, aber geile Titten – wollte dann nicht mit zu mir. Mir soll‘s recht sein, haben ja eh alle einen Schaden, diese Psychologen“. Und so ist auch die Sache mit dem Dating eine Frage von „Versuch und Irrtum“, bis man dann vielleicht mal den Jackpot landet. Bis dahin: To be continued…

Foto: Elena Helfrecht, Selbstporträt 26. Februar 2015 Jelena Keller Wie Oscar Wilde sagte: „Sich selbst zu lieben, ist der Beginn einer lebenslangen Romanze“. Ein gesundes Selbstwertgefühl gehört zu einem gesunden Menschen. Viele Facebook Selbst-Inszenierungen zeigen, dass unsere Gesellschaft immer narzisstischer wird. Was wohl unter anderem damit zu tun hat, dass die Welt immer unsicherer wird und, dass man wegen sozialer Medien das Gefühl hat nicht schön genug, lustig genug oder reich genug zu sein, weil man sich mit anderen unrealistischen Selbstbildern vergleicht. Vergleiche machen unsicher. Bestätigung dient der Persönlichkeitsentwicklung und ist besonders bei Jugendlichen erwünscht und normal. Beeinträchtigt das narzisstische Verhalten jedoch persönliche und berufliche Beziehungen, so handelt es sich um pathologischen (krankhaften) Narzissmus. Schätzungen zufolge leidet weltweit etwa 1 von 100 Menschen an einem krankhaft übersteigerten Narzissmus; Männer sind davon häufiger betroffen als Frauen. Aus welchen Gründen genau sich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Narzissten sind auf den ersten Blick charmante, unterhaltsame, wortgewandte, beliebte und witzige Mitmenschen. Man verliebt sich leicht in sie, denn sie unterhalten und strotzen von Selbstbewusstsein. Mit der Zeit jedoch, zeigt sich ihre ungeheuer selbstverliebte Seite, ihr Geltungsdrang, die Sucht nach Bewunderern sowie Bestätigungen und StarAllüren. Zum Vorschein kommen Charakteristiken, die mit dem anfänglichen Bild nichts mehr gemein haben. Der einfachste Weg herauszufinden, ob man es mit einem Narzissten zu tun hat, ist diesen einfach zu fragen. Kein Scherz. Das Forschungsteam um Professor für Kommunikation und Psychologie an der Ohio State Universität, Brad Bushman, hat in unabhängigen Studien Antworten von über 2250 Probanden ausgewertet. Eine Frage reiche aus um einen Narzissten zu entlarven: „Auf einer Skala von 1 bis 7: Wie sehr stimmen Sie der Aussage zu “Ich bin ein Narzisst“?“ Je Narzisstischer die Person, desto höher wird sie sich einstufen. Narzissten sind nämlich sogar stolz darauf, dass sie Narzissten sind. Sie werden ihr Verhalten plausibel zu erklären wissen und daran nichts falsches zu entdecken. Woran man einen Narzissten sonst noch erkennt: Der amerikanische DSM (Englisch für „diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“) ist ein Klassifikationssystem in der Psychi-

atrie. Es beschreibt einen Narzissten jemanden, der mindestens 5 der 9 dieser Merkmale erfüllt: 1 Hat ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit Übertreibt Leistungen und Talente. Erwartet ohne entsprechende Leistungen zu erbringen, als überlegen anerkannt zu werden 2 Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Brillianz, Schönheit oder idealer Liebe Narzissten streben stets nach ihrem Ideal, davon mit ihrem Erfolg über allen anderen zu stehen. Sie haben oft ein unrealistisches Bild z.B. von Liebe und akzeptieren Tatsachen nicht. Erklärt jemand, dass es sich nicht um eine wahrheitsgetreue Vorstellung handelt, so lehnen sie diese Meinung vehement ab. 3 Glaubt von sich “besonders” und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder hochgestellten Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu müssen Gesteht sich nie Fehler ein und sucht die Schuld immer nur bei anderen. Kennt die Selbstreflexion nicht. 4 Benötigt exzessive Bewunderung Ist bereit alles zu unternehmen, um Bewunderung zu bekommen. Sucht sich immer neue Bewunderer, bekommt er mal keinen Zuspruch mehr. Muss immer im Mittelpunkt stehen. 5 Hat ein überhöhtes Anspruchsdenken, d.h. hat übertriebene Erwartungen Denkt, er müsse speziell behandelt werden, seine Erwartungen müssten immer gleich erfüllt werden. Versteht die Probleme anderer Menschen nicht, bezeichnet diese in schwierigen Lagen

als schwach. 6 Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d.h. nutzt andere Menschen aus, um die eigenen Ziele zu erreichen. Sind sie ihm einmal nicht mehr von Nutzen, trennt er sich von ihnen. Seine Gefühlswelt ist oberflächlich und nur an Menschen gebunden, die seine eigenen Bedürfnisse erfüllen. 7 Zeigt einen Mangel an Mitgefühl: Ist nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen bzw. anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren. Wird sogar wütend, wenn das Gegenüber seine Gefühle äussert. Zeigt in einer Auseinandersetzung keine Emotionen. Macht sein Gegenüber immer verantwortlich für Probleme und erwartet von ihm diese zu beheben. Spricht man einmal ein Problem an, rastet er aus. Entschuldigt sich nie (ausser zu egoistischen Zwecken, um etwas zu bekommen dafür). Ist nicht da, wenn man ihn bräuchte, erwartet aber stets vollste Unterstützung. Als Partner lebt man in der steten Angst etwas falsch zu machen. 8 ist häufig neidisch auf andere oder glaubt andere seien neidisch auf ihn 9 zeigt arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten Akzeptiert keine anderen Ansichten, reagiert herablassend auf andere Meinungen und Gefühle. Fühlt sich in allem überlegen. Akzeptiert andere Ansichten nicht. Was tun? Hat man erst einmal herausgefunden, dass man es mit einem Narzissten zu tun hat, läuft man am besten davon. Solche Menschen ändern sich nicht, denn sie haben weder Sinn für Selbstreflexion, noch genug Mitgefühl. Man wird jede Diskussion mit einem Narzissten kläglich verlieren. Stets denken man sei schuld. Dann wird man sich entschuldigen und das Spiel beginnt von vorne. Der Narzisst kreiert Situationen in denen der andere nur verlieren kann. Bis man irgendwann seine ganze Kraft und sein ganzes Selbstbewusstsein an diesen Energie-Vampir verloren hat. Auch wenn dein Umfeld deinen Unmut nicht verstehen kann, weil der Narzisst noch so toll rüber kommt: Du kennst die Wahrheit und weisst, dass dir diese toxische Beziehung nicht gut tut. Da musst du niemandem Rechenschaft ablegen. Distanziere dich, bis du den Narzissten ganz aus deinem Leben streichen kannst. Gehe deinen Weg und Umgebe dich mit Menschen, die dich glücklich machen. Der Narzisst wird sich selber helfen müssen. Vertraue darauf, dass er das kann.

HABEN WIR IN DER FAHRSCHULE SCHON GELERNT,

17. Februar 2015 Midi Gottet …vor dem abledern, immer zuerst in den Spiegel gucken


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März 2015

Seite dreiundzwanzig

Erst das Stromkabel abhängen, dann die anderen Fahrer.

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März 2015

BIST DU SCHWEIZERIN ODER SERBIN?

5. März 2015 Jelena Keller Wenn die Leute so etwas fragen, dann fragen sie, um einordnen zu können, ihre Vorurteile gedanklich auszupacken. Das ist in Ordnung. Doch Identitätsfindung geht nicht so einfach. Lasst mich deshalb etwas ausholen. Meine Eltern kommen aus Ex-Jugoslawien. Ich weiss bis heute nicht, was das genau bedeutet. Ich weiss weder, was das für meine Eltern bedeutet, noch für mich. So vieles aus ihrer Vergangenheit, aus einem Land, das mir weniger bekannt ist, als einige Feriendestinationen, denen ich seit Jahren treu bin, kenne ich schlicht nicht. Eine Kultur, die ich nicht vor Ort erleben konnte, nicht verinnerlichen konnte, weil ich nicht da aufwuchs, wo man landesübliches tat. Fernsah, über Prominente sprach, Zeitung las, zitierte, diskutierte, reflektierte, politisierte, Sprichwörter benutzte, die Gesellschaft analysierte, Schulstoff erlernte, Probleme hatte und lachte. Als meine Eltern vor mehr als dreissig Jahren in die Schweiz auswanderten, hatten sie gewiss anderes im Kopf, als ihr Heimatland, das sie gerade traurig, doch entschlossen, verlassen hatten. Nicht weil sie nicht nostalgisch sein wollten, nein. Viel mehr, weil sie damit okkupiert waren im Sumpf des Existenzaufbaus nicht unter zu gehen. Ankommen ohne Geld, schuften für noch weniger Geld, Sprachbarrieren, Unsicherheit, keiner da um zu helfen, wo fährt nochmals der Bus? Was bedeutet „du musst“? Sie tauschten Familie und Freunde, Ideale und Schuldiplome gegen materielle Erfüllung und Sicherheit. Und es funktionierte. „Wo wären wir heute“, sagten sie, „hätten wir nur an den negativen Gefühlen festgehalten? Wo wärt ihr, Kinder?“ So waren sie also zu beschäftigt, um nostalgisch sein zu können, vielmehr, in der Nostalgie zu verharren. Gewiss umgab man sich mit Landsleuten. Neben dem unterbezahlten Schuften, konnte man sich wenigstens nach Feierabend wohlfühlen, nicht über jedes Wort nachdenken, das man aussprach, zusammen gleich denken. Trotzdem wollte man Deutsch lernen, so sah man deutsches Fernsehen – und verlor so muttersprachliches Vokabular. Man wollte sich kultivieren, so befasste man sich mit hiesiger Kultur – und verlor so grosse Teile der Eigenen. In der Jugend war ich Schweizerin. Kannte ich doch die Gepflogenheiten, Feiertage, Ausdrucksweisen, moralischen Grundsätze viel besser. Ich war an der WM für die Schweiz, kannte ich doch viele Namen der Spieler aus den Medien. Näher ist einem wohl stets, was man öfter zu Gesicht bekommt. Deine Muttersprache ist die, in der du denkst, heisst es. Diese Definition schien mir plausibel genug, um auch meine

generelle Schweizer Zugehörigkeit zu definieren. Und trotzdem gab es da eine andere Muttersprache, deren Vokabular ich zwar weniger gut kannte, die mich jedoch die ersten Jahre meines Lebens begleitet, besungen, behütet hatte. Schweizerin war ich tatsächlich, wenn ich bei einer Freundin übernachtete und der Vater sich vor dem Fernseher wegen Marco Rima schlapp lachte oder, wenn wir Patty Boser im Swiss Date zuhörten. Namen, die unbedeutend sein mögen für sie, mich jedoch zu einem Teil von ihnen machten, mir ein Zugehörigkeitsgefühl gaben, wenn ich dann plötzlich mitreden konnte. Schweizerin war ich, wenn wir den ersten August feierten und an die Fastnacht gingen, Raclette assen. Ich war keine Schweizerin, am Tag, als mein Bruder aus dem Kindergarten nach Hause kam und erzählte, er sei jetzt nur noch Schweizer und weigere sich Serbisch zu sprechen, weil man ihn tagelang gemobbt und geschlagen hatte. Ich war keine Schweizerin, als man mir bei der Jobsuche sagte, mein Name mache sich nicht so gut bei Kunden. So oft wurde mir vorgehalten, dass ich eben doch nicht dazugehörte. Und trotzdem sage ich im Ausland, wenn einer fragt: „From Switzerland! Yes! The cows, the watches, clean, everything!“. – Was die Zugehörigkeit meines Herzens zeigt. War ich in Belgrad, so war ich Serbin. Ich fühlte, wie meine Wurzeln bewässert wurden, wenn mein Cousin erzählte, wie er einen Becher Kaffee über seine Hose geleert habe und dabei fast einen Unfall gebaut hätte, ich dann meine SchusselGeschichten auspacken konnte und dabei nicht als Exotin abgestempelt wurde. Wie er kein Geld mehr habe für zwei Drittel des Monats oder sich unsterblich verliebt habe, die Eine gefunden hätte, nur um sie dann zwei Wochen später wieder zu verlassen. Wenn es um Chaos, Zerstreutheit, Leidenschaft und Unvernunft ging, so erwärmte sich mein Herz in Belgrad ebenso, wie auf der Couch meiner damals besten Schweizer Freundin. Wie gut für mich, dass es verschiedene Situationen gibt, die mich integriert fühlen lassen. Hier und dort unten ergibt unter dem Strich eine grössere Summe, als nur hier, dachte ich. Ich hoffte aus beiden Welten gute Tugenden mitzunehmen und in beiden gleichermassen akzeptiert zu werden. Schwierig. Schweizer verstanden mein Chaos nicht, Serben verstanden meine Ordnung nicht. Obwohl angepasst, war es hier zu viel und hier zu wenig. Die Menschen begegneten mir stets mit einer Erwartungshaltung, der ich nicht gerecht werden konnte. Als Jugo musst du schlecht Schweizerdeutsch sprechen oder super angepasst sein. Am besten bist du einerlei fast unsichtbar, nicken und ducken, nicht aus

der Reihe tanzen, stets dankbar sein, nie kritisieren. Aber sagen, dass du Schweizerin bist, darfst du im Leben nicht, denn das wäre ja lächerlich. Eher Papierlischwizer. Als Schweizerin in Serbien musst du reich und grosszügig sein, weil du Geld hast, das von den Bäumen fällt und perfekt Serbisch reden, alle Lieder kennen und die Kultur würdig vertreten im neuen Land. Darfst niemals sagen, dass du auch Schweizerin bist, weil das ihren Nationalstolz verletzt. Man wirft dir vor deine Seele an den Kapitalismus verkauft zu haben. Man könne keinen Baum umpflanzen, sagten sie. Das sei unnatürlich, sagten sie. Ich fühlte mich defizitär. Das Umfeld sieht eben nur, was es sehen möchte. Viele, viele Anforderungen, die man sowieso nicht allesamt erfüllen könnte. Irgendwann weiss man: Man tut gut daran, einfach so zu sein wie man ist, wie man sich gerade fühlt und die Kommentare auszublenden. Wer hat denn das Recht zu bestimmen wer ich bin? Auch echte Schweizer und echte Serben nicht! Zufälligerweise irgendwie mit richtigem Namen im richtigen Land geboren worden zu sein macht niemanden besser oder schlechter. Ignoranz zu erfahren macht tolerant. Auch hilft es zu wissen, dass wir alle einem Volk abstammen, irgendwann zu Identifikationszwecken und eben aus einem Streben nach Zugehörigkeit, unterteilt wurden. Im Zeitalter der Globalisierung, vermischen sich die Kulturen wieder intensiver und definieren unser Dasein neu. In einigen Jahren wird nicht mehr erkennbar sein, wer wann wohin ausgewandert ist. Da sagt man dann: Mein Urgrossvater war halb-Norweger und fühlt sich aber dem Land zugehörig, in dem man aufgewachsen ist, dessen Kultur man am besten kennt, was man dann weitervermittelt. Das wird wohl immer so bleiben. Bis uns die Weltgeschichte wieder neu einteilt. Bei uns Secondos, ist die Auswanderung noch frisch, weshalb die Identität nicht ganz so klar ist. Ganz klar spannend und bereichernd, doch nicht klar zuzuordnen. Man fühlt sich manchmal verloren, hat doch jeder Mensch das Bedürfnis gänzlich der Teil einer Gruppe zu sein. Zugehörigkeit macht stark. Ich bewarb mich vor vielen Jahren an einer Hochschule. Die Aufnahmeprüfung bestand zu einem Teil daraus, alte Schweizer Lieder und Gedichte zu vervollständigen, ehemals bekannte Persönlichkeiten und Fernsehsendungen zu benennen. Grossmutters Weisheiten und kulturelle Gegebenheiten also, die einen Secondo klar von einem Schweizer unterscheiden. Dinge, die einem Mama beim Fernsehen erklärt, der Papa, Zeitung lesend am Küchentisch, kommentiert oder die Grossmutter zum Einschlafen vorsingt. Da war er. Der Realitätscheck, wie er einen hie und da trifft. Es war mir unmöglich diese Aufnahmeprüfung zu absolvieren. Noch schlimmer war, dass ich solch tiefe Wurzeln zu beiden Kulturen nicht schlagen konnte. Ich hatte eingesehen, dass ich keine der beiden Kulturen gänzlich, mit jeder Zelle verinnerlicht hatte. Das machte mich zunächst traurig, identitätslos (wer möchte schon ein Kukuckskind sein) – dann dankbar. Wer braucht schon Grossmutters Worte, wenn er unzählige andere Weisheiten, zweier wunderbarer, sehr unterschiedlicher Kulturen, vereinbaren kann? Wenn einer heute fragt, sage ich: „Serbische Schweizerin.“ -Und zwar mit Stolz. Was das bedeutet? Das kann sowieso nur ich wissen.

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FÜNF VOR NACKT: DIE AUSGELEIERTSTE, WEIL ENORM AUSGEDEHNTE TOP5 DER CRAZYGSTEN BITCHES IM NETZ, DIE WIE BLÖD AN IHREN KLAMOTTEN RUMZERREN

27. Februar 2015 Midi Gottet Wieso machen die das immer und immer wieder? Bis zum Schluss durchklicken bringt nichts, die werden nur immer wie nackter.


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März 2015

KORREKTER LEBEN, HEUTE: FASTFOOD IN SICH HINEINSTOPFEN FÜR MEHR WELTOFFENHEIT.

18. Februar 2015 Reinhold Weber Es war alles schon mal da, und dann kam es in der Zeitung: Onanieren für den Frieden, Lich-

terketten für mehr Toleranz, Schweigemarschieren gegen das Schweigen der Mehrheit, Aufdemgleisrumliegen gegen Atommülltransporte, Ballonstei-

FIFTY SHADES OF GREY

genlassen für mehr Gerechtikeit, Sit Ins gegen die Bourgeoisie, sich im Baur au Lac vollaufen lassen gegen AIDS, Sicheinbetonieren für eine besetzte Stadtruine, Brüstezeigen gegen Putin, Sicheiswasserüberdenschädelkippen gegen eine Nervenkrankheit-von-derkeiner-mehr-weiss-was-das-nochmal-warund-die-Führungsleute-dieser-Stiftungsich-eine-goldene-Nase-verdient-haben, profanes Schaufensterkaputtschmeissen für Wasweissich. Und jetzt auch noch dies: Döneressen für mehr Weltoffenheit. Ich gestehe: Ich bin ein schlechter Mensch und habe folgedessen noch nie bei sowas mitgemacht; gelobe hiermit jedoch Besserung. Mein Flashmob-Projekt “Fisten gegen Islamisten” ist am Ende der Entwicklungsphase. Ihr werdet rechtzeitig von mir hören, bevor es auf dem Bundeshausplatz so richtig korrekt zur Sache geht.

DICK IST DOOF (TEIL 2) ten Ernährung erzählten. Allein diese Begegnungen, die nicht nur einer Gesellschaft und Lebenskultur, sondern immer auch einem selber wieder den Spiegel vor die Augen halten, lassen einen ins Grübeln kommen. Besonders, wenn man mit seinem eigenen Gewicht hadert. Dass der Protagonist ein sympatischer Kerl ist und ganz offensichtlich Erfolg geniesst mit seinen Säften – er wird auf seinem Trip von der US Ost- zur Westküste zunehmend dünner – wirkt sich sehr positiv aus. Sollte da wirklich was dran sein? Dass die Sichtbarkeit des Erfolges keine Filmtricks sind, ist schliesslich offensichtlich. Dass die Tage, während welcher sich mangels fester Ernährung mies gelaunt, müde, ausgelaugt und nahe am Abbruch des Experimentes auf dem Hotelbett hin und her wälzt, nur eine sehr kurze Erwähnung erhalten, merkt man als Zuschauer natürlich nicht. Ebensowenig, dass einem grüne Säfte, zubereitet aus Spinat, Sellerie, weiterem grünen Gemüse und Äpfeln nach wahrscheinlich gar nicht mal so langer Zeit zum Hals heraushängen. Und dass ein Raucher eine zusätzliche Abstinenz zu erleiden hat, indem er während der gesamten Zeit auf Zigaretten verzichten muss, und der Kaffeetrinker auf seinen geliebten Kaffee, der Geniesser auf seinen Drink, sein Glas Bier oder Wein.

24. Februar 2015 Pete Stiefel An einem kalten Winterabend im Dezember, stosse ich auf Netflix auf einen preisgekrönten Dokumentarfilm, der mein Interesse erweckt: «FAT, SICK & NEARLY DEAD» vom Australier Joe Cross. Dieser leidet an 45 Kilo Übergewicht, welches ihm sein Leben von Tag zu Tag mehr erschwert und ihm zahlreiche Krankheiten beschert, denen er auch mit der Unterstützung verschiedenster Ärzte nicht mehr Herr wird. Vermutlich kurz vor seinem ersten Herzinfarkt beschliesst er die Wende in seinem Leben. Dies, indem er während 60 Tagen Road Trip durch die USA nichts anderes als Frucht- und Gemüsesäfte zu sich nimmt. Reboot nennt er diese Radikalkur, und er

verspricht sich davon nichts weniger als seine Heilung von innen heraus – nachdem ihm von aussen keiner mehr helfen konnte. Cross wollte von seiner Medikamentenabhängigkeit loskommen und logischerweise an Gewicht verlieren. Massiv an Gewicht verlieren, schliesslich galt es nicht weniger als 45 Kilo Fett zu vernichten. Keine Filmtricks, kein Netz und doppelter Boden Auf seiner Reise bereitete er marktfrisches Gemüse und Früchte gleich selber zu im Kofferraum seines Wagens, ausgrüstet mit Generator und Entsafter. Parallel führte er Gespräche mit 500 Amerikanern, die ihm von ihrer, wen wunderts, mehr schlechten als rech-

Kann ich das auch? Ist das zu schaffen? Oder konkreter gefragt: Würde ICH sowas durchstehen? Na klar, denke ich mir im ersten Augenblick. Der Typ ist immer gut drauf, und es scheint ihm von Tag zu Tag noch besser zu gehen. Was sollte mir dabei im Wege stehen, mir ohne grosse Anstrengung Gutes zu tun, mir dutzende von Vitaminen und anderen gesunden Stoffen zuzuführen und dabei erst noch Gewicht zu verlieren? Die Verlockung war gross. Der Verzicht auf Fleisch, Brot, Käse, Pasta, Pizza, überhaupt alles Beissbare schien machbar. Ich mag Gemüse und Früchte (auch wenn ich von beidem deutlich zu wenig konsumiere), weshalb sollten mir Säfte davon nicht schmecken, auch über eine längere Zeit? Die Tatsache, dass man davon täglich so viel trinken kann, wie man braucht, um nicht hungrig zu sein, begünstigte und beschleunigte meinen Entscheid: Let’s do it!

19. Februar 2015 Dominik Hug Da ist er nun, der Film zum Erotikroman Fifty Shades of Grey. Die drei Bücher waren und sind in aller Munde und für viele junge Damen stellte diese Trilogie die erste Lese- und stellenweise auch Erotikerfahrung dar. Traurig. Ich stelle mir gerade vor, wie die junge Susi frischfröhlich erzählt: “Mein erstes Buch war Fifty Shades of Grey“.* Muss nicht sein. Inhalt: Literaturstudentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) trifft Multimilliardär Christian Grey (Jamie Dornan) und verguckt sich auch gleich in denselbigen. Dieser ist der jungfräulich-naiven jungen Dame ebenfalls nicht abgeneigt und führt sie langsam in die Welt des Arschversohlens ein… Ich selbst habe höchstens eine halbe Seite der Romanvorlage gelesen. Hat mir aber auch gereicht. Die paar gelesenen Zeilen wirkten eher wie der Aufsatz einer halbgeilen Teenagerin, die gelangweilt während der Mathestunde ihre Phantasien aufs Papier bringt, als wie hochwertige Literatur. Da würde ich spontan auch Charlotte Roches Werke, die ich zumindest etwas genauer überlesen habe, noch eine Klasse höher ansiedeln. Und nun folgte die Verfilmung und zugleich der Welterfolg. Und trotzdem fristet der Streifen auf der Internet Movie Database ein tristes Dasein mit unterdurchschnittlichem Rating. Irgendwie kein Wunder. Der Streifen wirkt zwar solide fabriziert, hat optische Highlights, nette Kamerafahrten und einen stimmigen Soundtrack. Sogar mit einer neuen Version von Springsteens “I’m on Fire” darauf, gesungen von Awolnation. Im Film habe ich diesen Song irgendwie überhört. Doch die Story und die Leistung der beiden Darsteller ist echt unterirdisch. Zudem kann die Geschichte ihren Ursprung im TwilightMief nicht verleugnen. Für Unwissende, Fifty Shades of Grey war ursprünglich eine Fanstory, welche sich um Vampir Edward und seine Bella drehte. “Go away, I’m bad for you“, ähnliche Sätze hörte man doch bereits von Edward. Die Ähnlichkeit ist mehr als nur offensichtlich. “I don’t make love. I fuck… hard.” Und mal ehrlich, liebe Damen. Fifty Shades of Grey in Buchform ist doch nur eure gutangesehene Art des Por-

nokonsums. Den in Buchform ist dies natürlich höher zu werten als der typische Männerporno auf den grusigen Internetseiten. Gescheit liebe Damen, gescheit. Und noch ehrlicher, grundsätzlich wollt ihr doch diesen Streifen nur sehen wegen dem Sex. Nicht wegen der Story, nicht wegen den Darstellern, die noch weit hinter Robert Pattinson und Kristen Stewart rangieren, nicht wegen der Romanze, denn diese existiert hier nicht. Ihr wollt nur hässlichen und harten Sex sehen. Wir wissens doch, wir Männer. Und es ist okay. Nur, seid enttäuscht, denn ihr bekommt hier nix. Einen Hauch von halber Erotik, vielleicht 3 Minuten von Dakota Johnsons Brüste und etwas Hinterteil. Dazu noch diverse Andeutungen von BDSM und typische Hollywood-Sexszenen, die auch aus Pearl Harbor oder jedem sonstigen Blockbuster stammen könnten. Schaut euch doch mal Filme wie Ken Park, 9 Songs oder Antichrist an. Alle mit Erotikelementen verbunden, jedoch aus verschiedenen Genres und definitiv im erinnerungswürdiger als der besprochene Fifty Shades of Nothing. Aber wisst ihr, sogar aus einer schwachen Vorlage kann man noch einen guten Film zaubern. Konnte man zumindest. Heute zählt nur noch eines für Hollywood (und für die gesamte Wirtschaftswelt). Gewinn produzieren. Der Anspruch einen guten Film zu machen steht heute weit zurück. Deswegen wollen Filme wie diese auch möglichst viele Leute ins Kino locken und vergessen so ihr Genre und betrügen so ihre eigenen Fans. Mit einer modernen Version in der Art von Salo wäre dies nicht geschehen. Also keine prickelnden Szenen bei Fifty Shades of Grey, keine Gewalt bei The Expendables 3, kein Anspruch generell, hauptsache die Produzenten, Studios und Verleiher locken auch noch die jüngsten Teenies in die Kinosääle. Fazit: Wisst ihr Frauen noch, wie es damals vor bald zwanzig Jahren war? Da gabs noch sogenannte Frauenfilme mit Leonardo DiCaprio wie “Romeo und Julia” oder “Titanic”. Romantisch, irgendwie leicht erotisch und doch immer noch richtig gute Filme. Fifty Shades of Grey ist gar nichts von alledem. Eine Enttäuschung auf jeder Linie. Und dies nicht mal unerwartet. Irgendwie Fifty Shades of Brown, denn der Streifen ist einfach nur durch und durch scheisse.


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März 2015

VOM EWIGEN GLÜCK (UND DER EWIGEN LIEBE)

DAS MUSS MAN NICHT HABEN: ADS, DIE EINEM DIE LUST AUF DEN BEVORSTEHENDEN AUSGANG SO RICHTIG IN DEN HINTERN REITEN

13. Februar 2015 Midi Gottet Danke Clareva. Gibts euch auch als Lipgloss?

28. Januar 2015 Jelena Keller Momo Kapor, mein liebster serbischer Schriftsteller brachte mich mit diesem alten Sprichwort aus Georgien zum Nachdenken: „Möchtest du einen Tag lang glücklich sein, dann betrinke dich. Möchtest du ein Jahr lang glücklich sein, dann verliebe dich in eine schöne Frau. Doch möchtest du dein ganzes Leben lang glücklich sein, dann trinke guten Wein mit guten, alten Freunden.“ Das Erleben vom ewigem Glück (und ewiger Liebe) ist wohl eines unserer grössten Bestreben, solange wir auf dieser Erde existieren. Und wahrscheinlich noch darüber hinaus. Es soll möglichst dauerhaft sein, uns Höhenflüge, gar kribbelige, unruhige Tage bescheren, uns schlaflos und konfus werden lassen, ein Dauerlächeln aufs Gesicht zaubern – nur damit es dann wieder verschwinden kann. Das Glück zieht lachend davon, weil es weiss, dass wir uns nichts sehnlicher wünschen, als es in gewohnter Form wieder zu finden… Uns daran festzuklammern, jedes Mal grosser Hoffnung, es möge diesmal länger bleiben. Das Glück ist sich seiner Macht und Exklusivität wohl bewusst, denn es weiss, wie die schöne Frau im Sprichwort, dass es nur dann kostbar und aufregend ist, wenn es nicht ständig zur Verfügung steht. Ist es nicht mit allem so? Können wir nur lieben, was selten ist? Wieso können wir dann tagelang mit Freunden Wein trinken und ihrer nie überdrüssig werden? Ist etwas sicher und repetitiv, interessiert es uns schnell nicht mehr. Mit gewöhnlichen Freunden schlafen wir nicht, somit ist da etwas weniger, das uns verleiden könnte – und doch funktionieren wir in unserer Rolle mit jedem Einzelnen von ihnen immer wieder und über Jahre gleich. Eigentlich suchen wir uns Freunde aus, die ähnlich sind wie wir, was uns noch schneller

langweilen müsste. Doch das tut es nicht, weil wir sie immer wieder aufs Neue zu schätzen wissen. Was bei der schönen Frau wohl nicht so ist. Sie vermag unser Interesse langfristig fesseln, weil wir sie oberflächlich ausgesucht haben. Zu Beginn einer platonischen Freundschaft allerdings, suchen wir nach etwas, das uns verbindet, Gemeinsamkeiten, Ansichten, Humor. Dann akzeptieren wie sie im besten Fall so wie sie sind und vor allem: erwarten wir nicht, dass sie unser Leben gänzlich erfüllen. Sie sollen es bereichern, anregen, mal aufregen und erhellen, doch niemals vollständig ausfüllen. Erst wenn wir an die Freundschaft eine utopische, von Idealvorstellungen geprägte Erwartung hegen, erst dann kann sie uns enttäuschen. Genau dann, wenn wir uns von Freunden wünschen, dass sie unser Leben besser machen, vermögen sie es nicht zu tun. So verhält es sich auch mit der Liebe. Erwarten wir zu viel von ihr, so lässt sie uns traurig zurück. Unser verworrenes Idealbild, von Medien, dem Umfeld geprägt, erwartet von der Liebe etwas, das sie gar nie zu erreichen vermag. Sie soll ewiges Glück bringen, ewige Romantik, ewige Höhenflieger aus uns formen, immer für uns da sein, damit wir uns an ihr festklammern können. Wie machen wir uns doch abhängig von unserer eigenen Vorstellung! Wie unglücklich! Wie uninteressant! Wie fern wir doch dem Jetzt sind, ständig auf der Suche nach etwas Besserem! Bei Freunden allerdings, da wissen wir, dass wir zum Gelingen von langjährigen, immer wiederkehrenden glückseligen Momenten genauso viel dazu beitragen müssen. Will man das ewige Glück ent- und sich er-mächtigen, so blickt man nicht in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft, schon gar nicht in die Märchenwelt im eigenen Kopf. Man blickt auf sein Gegenüber und findet das Glück

immer wieder zwischendurch in seinem Handeln, in seinem Anblick, in seiner Art, seiner Eigenheit, seiner Schwäche. Man blickt wohlgesinnt auf den unumgänglichen Alltag. So bestimmen wir letztendlich ganz und gar selbst, wann das rare Glück in Form von Schmetterlingen in unserem Bauch Einzug halten darf. Vielleicht bliebe die schöne Frau im Sprichwort für immer wunderschön, erinnerte man sich bloss daran, wie man sie zu Beginn ansah. Vielleicht bliebe sie auch nach einem Jahr wunderschön, gäbe man sich mühe ihre Eigenheiten hinter der Fassade zu entdecken. Wollen wir vom Glück, also einem für uns idealen, nicht existenten Gebilde oder von kurzlebigen Höhenflügen bestimmen lassen (Emotionales Glück) oder bestimmen wir selbst und definieren genau jetzt, sehr realitätsbezogen, mit den Ressourcen, die uns gerade zur Verfügung stehen, was Glück überhaupt ist (Wohlbefinden)? Ist es ein auf dem Sofa sitzen und eine gute Sendung sehen, ist es ein wohlschmeckender Wein, ein Lachen des Gegenübers, nackte Füsse auf dem weichen Teppich, die schönen, nicht mehr so neuen Schuhe, ein spannendes Projekt, ein Kuchenstück, die schöne Wohnung, der langjährige Partner, die manchmal unausstehlichen Kinder? War es diesen Dingen schon einmal möglich, uns das Glück herbeizurufen, wieso sollten wir es selbst beim Anblick genau dieser Dinge nicht wieder zurückholen können? Was möglich war, kann immer wiederkommen – wir müssen uns nur Zeit nehmen, es mit offenen Augen, offenem Herzen und offener Seele anzusehen. Genauso wie wir es mit Freunden tun. Des eigenen Glückes Schmied sein bedeutet wohl nichts anderes als, sich das Glück in gewöhnlichen Momenten mit voller Aufmerksamkeit selbst herbeirufen zu können.

WENN FACEBOOK DIESES BILD SPERRT,

2. März 2015 Midi Gottet …sollte es sich aber die Nutzerbedingungen mal ordentlich mit Seife auswaschen.


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

2. April: Cityfox im Supermarket

Fotocredit: Francesca Camilla

Alex Flach Nicht viele Labels haben in den vergangenen zehn Jahren in der Zürcher Subkultur für ähnlich viel Furore gesorgt wie Cityfox. Angefangen hat das Label damals in Zürich West (auf dem Maag Areal), zog dann um in die Innenstadt, fand mit der Alten Börse eine zwischenzeitliche Heimat, organisiert auch weiterhin und jeweils an den Strassenparaden das Rimini und siedelte schlussendlich nach New York um. Nun kehren die Stadtfüchse in ihr angestammtes Revier zurück um dem Supermarket einen ordentlich-elektro-

nischen Gründonnerstag zu verpassen. Dabei verlassen sich die Label-Oberen voll und ganz auf die Dienste von DJs, die wissen, wie Cityfox zu klingen hat. Neben Masaya, Markus Lindner, Rino und Return sind dies auch die beiden Adis von Adriatique, die an den letzten Swiss Nightlife Awards den Preis für „best electronica DJ“ einstreichen durften. Nicht dass Adriatique da viel drauf geben würden, aber dass der Award vollauf verdient ist, daran dürfte wohl keiner zweifeln. Wir tun’s jedenfalls nicht.

11. April: Ryan Crosson im Café Gold Alex Flach Das Label Visionquest um Seth Troxler, Shaun Reeves und Ryan Crosson kann von sich behaupten, die Wiege des Technos umgestaltet zu haben. Waren dereinst die Detroiter Clubnächte düster und hart wie das Leben in Motorcity Detroit, so sind diese heute bunt und musikalisch farbenfroh. Dies ist (eben) der Verdienst von Visionquest, dem Dreh- und Angelpunkt der jungen Detroiter Elektronikergilde. Damit hat die Stadt (respektive deren Discokugel-Exponenten), ihres Zeichens Quell des betanzbaren 4/4-Taktes, ein weiteres Mal Pionierarbeit verrichtet. Das Café Gold wiederum hält an der Langstrasse das Zürcher Techno- und Tech House-Fähnchen hoch und programmiert auf wohltuende Weise abseits des gängigen Deep House-Wellenreitens, das die Stadt ansonsten ziemlich im Griff hat. Da passt ein Set von Ryan Crosson hervorragend, nicht zuletzt auch deshalb, weil er zu jenen Acts zählt, welche die hervorragend ausbalancierte Café Gold-Anlage einem Belastungstest unterziehen kann, der diese Bezeichnung auch verdient.

18. April: Butch im Hive

4. April: Sanja im Dal Nastro

Sebastian Brunner Sein Name ziert immer mal wieder die Wände Berlins. Die Rede ist vom Wa-

tergate-Resident Butch. Ursprünglich aus Mainz, mit türkischen Wuzerln, hat der gute Mann bereits über 20 Jahre Erfahrung mit elektronischer Tanzmusik. Er machte seine ersten Gehversuche an den Plattenspielern schon als 12-jähriger. Heute gehört er zu den ganz Grossen, nicht zuletzt, weil er zu Deutschlands versiertesten Produzenten gehört. (Als solcher macht er sich auch gerne mal über andere Produzenten lustig – man schaue „How to produce an underground dance music hit in 2013“). Und als Mann, der bereits hunderte Releases auf namhaften Labels wie Visionquest oder Hot Creations vorzuweisen hat, ist er natürlich auf der ganzen Welt unterwegs. Ob mit seinen Produktionen oder mit seinen Gigs: Butch deckt gerne die komplette Bandbreite elektronischer Clubmusik ab, von pumpendem Peak-TimeTechno über smoothen Tech-House bis hin zu minimalistischem Deep-House. Am Samstag 18. April ist er zu Gast im Hive.

20. April: Deichkind in der Maag Halle

Alex Flach Sanja Ivisic bereichert seit Jahr und Tag das Zürcher Nachtleben. Dabei konnte sie längst all jene eines Besseren belehren, die der Meinung sind, dass ein bezauberndes Äusseres und musikalisches Talent im Widerspruch liegen: Sanja braucht längst niemandem mehr zu beweisen, dass sie eine hervorragende DJane ist, die so manchen ihrer Berufskollegen an die Wand spielt. Sanja zählt längst zu den versiertesten und meistgebuchten stilistisch offenen DJs Zürichs mit Bookinganfragen von den

namhaftesten Clubs in diesem Bereich. Zudem tut sie was für die Frauenquote und das Schweizer Nachtleben kann das nun wirklich, wirklich brauchen. An diesem 4. April spielt sie im schmucken Dal Nastro, einem Hybriden aus den unterschiedlichsten gastronomischen Bereichen; das Dal Nastro ist Restaurant, Bar und Club in einem. Zudem hilft das Lokal mit, aus der clubbigen Einöde in der Innenstadt wieder eine Gegend zu machen, die auch ein nächtliches Hingehen lohnt.

Sebastian Brunner Der Name Deichkind dürfte vielen bloss noch ein halb herzhaftes Kopfnicken entlocken. Deichkind eben. So wie wenn man einen halbfertigen Lollipop auf den Teer schmeisst – irgendwie abgelutscht. Behaupten viele. Aber dem ist nicht so. Deichkind sind besser denn je und eigentlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Mit ihrem neuen Album „Niveau Weshalb Warum“ ist die Hamburger Hip-Hop- und ElektropunkFormation im Januar auf Platz eins der Deutschen

und Schweizer Charts eingestiegen – zum ersten Mal überhaupt. Dabei sind die was? 50? Auf jeden Fall nicht mehr die Jüngsten. Ihr neuer Clip zu „So’ne Musik“ ist übrigens ein Geniestreich für sich. Das Herzstück von Deichkind sind und bleiben aber ihre Live-Shows. Und wer sich in dem Alter noch in bunte Neon-Kostüme steckt und sich vor allen im Namen der Kunst zum Trottel macht, verdient gewaltig Respekt. So’ne Show geben die Herren am Montag 20. April in der Maag Halle.

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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

24. April: Matthew Dear in der Zukunft

Alex FlachbDancefloor-Produzent, experimenteller Pop-Artist, Bandleader: Alles Bezeichnungen die auf den US-Amerikaner Matthew Dear zutreffen. Zu seiner Remix-Klientel zählen The XX, Charlotte Gainsbourg, Spoon, Hot Chip, The Postal Service und die Chemical Brothers, er hat Compilations für die Londoner Fabric und Get Physicals Body Language gemixt und längst verfügt Dear über global gültiges Renommee. Seine Alben wie „Leave Luck To Heaven“, „Black City“ und „Beams” verdienen allesamt den Status

eines Meisterwerks, nicht zuletzt weil Matthew Dear stets bestrebt ist, die Grenze zwischen Pop und Electronica auszuradieren um unter dieser Schicht Neues und Aufregendes zu entdecken. Im Laufe seiner mittlerweile mehr als zehn Jahre andauernden Karriere vermochte sich der sympathische Amerikaner einen ureigenen Stil anzueignen der zu Recht als unverwechselbar gilt. Mit der Zukunft hat dieser Kreativkopf des internationalen Dancefloorings seine ideale Spielstätte gefunden.

25. April: Mollono.Bass & Ava Asante Alex Flach Ungleiche Paare gibt es in der Welt der Musik so einige und Mollono.Bass aka Molle und Ava Asante sind ein solch grundverschiedenes Tandem: Molle war Teil des legendären Kombinat 100-Quartetts und ist der Mastermind des Acker Records-Label, auf dem 2006 auch seine Debüt-EP erschienen ist. Der Produzent warmer, groovy, harmonischer und emotionaler Clubmusik war schon immer dem elektronischen Genre zugetan und hat sich seit seinen Anfängen im Wirkungskreis der Discokugel bewegt. Ganz anders Ava Asante, die die Synthetik keineswegs als Wiege ihrer musikalischen Karriere sieht. Die aus Ghana stammende Künstlerin schöpft ihre Kreativität aus der Klassik ebenso wie aus den African Beats und ist eine wahre Virtuosin an der Violine. Bereits von Kindesbeinen an experimentierte Ava Asante mit den unterschiedlichsten Stilen und ihr Talent ermöglichte es ihr schon bald, die Musik zu ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld zu machen. Mit Mollono.Bass und

Ava Asante finden zwei musikalische Universen zusammen, die zwar unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber dennoch hervorragend zueinander passen.

28. April: Bit Tuner, Helsinki Sebastian Brunner Bit Tuner ist so was wie der Schweizer Ritter der experimentellen elektronischen Musik. Was er an Geräuschen und Tüfteleien, Beats und Bässen hervorbringt begeistert immerhin auch schon seit geraumer Zeit das hiesige Publikum, sei es an Konzerten wie dem Stadtsommer am Letten oder als rhythmischer Begleiter an der Mercedes Fashion-Show, oder eben im Helsinki, wo er einmal im Monat sein Instrumentarium aufstellt. Marcel Gschwend, so Bit Tuner bürgerlich, stammt aus St. Gallen, ist aber seit Ewigkeiten in der Limmatstadt angesiedelt, von wo aus er auch sein renommiertes Label Hula Honeys betreibt. Musikalisch ist er jedoch schwer zu lokalisieren. Er oszilliert zwischen Downbeat-Welten, Electronica und Post-Dubstep. Im Zentrum seiner Arbeit stehen Fieldrecordings, Vinyl-Samples, analoge Synths und jede Menge Effekte, die er alle zu einer schwer pumpenden Masse einkocht. Und apropos kochen: Wir vermuten, dass der Mann mit der Nerd-Brille uns bald was Neues auftischen wird.

Jeden Donnerstag: Unikat im Diamond St. Moritz

Alex Flach Phil Grieder ist einer der Männer hinter den Mute.ch-Events im Hive und so ganz nebenbei war er auch für die wohl flockigsten Zürcher Dachterrassenpartys der vergangenen ca. 100 Jahre verantwortlich. So private Dinger für Eingeweihte. Wer über ein solches Palmares verfügt, der weiss, was partytechnische Qualität ist. Und diese findet sich Dank des schmucken Clubs Diamond donnerstags nun auch in St. Moritz - sagt (nicht nur) Phil Grieder. Seine Eltern haben dort eine Ferienwohnung oder so. Da

ist er also irgendwann diesen Winter nach ausgiebigem Pistensausen in einen Diamond-Donnerstag gestolpert und war völlig perplex, wie sehr da der Bär steppt. Aber dermassen verwunderlich ist das gar nicht, denn für die Bookings der Diamond-Donnerstage namens Unikat ist niemand anderes als die Booking-Agentur MITA zuständig. Deshalb spielen dort auch Artisten wie Animal Trainer (Bild), Andrea Oliva, Kellerkind und Smash TV. Da lohnt sich doch auch für echte UrbanClubber ein Ausflug in die Berge.

30. April: Cyril Hahn im Exil

Sebastian Brunner Der Schweizer und nach Vancouver ausgewanderte Cyril Hahn ist einer jener jungen Musiker, die dem Prädikat Schlafzimmer-Produzent gerecht werden. Und das meinen wir auf keinen Fall abwertend. Es ist mehr so: Der mittlerweile 26-jährige setzte sich eines Tages an seinen Compi im schummrigen Schlafzimmer, experimentierte mit einem Track von Destiny’s Child herum, einfach weil ihm dieser eine Vocal-Effekt gefiel, und lud das Ganze dann auf Soundcloud hoch. Der Remix, von dem er sich wohl nichts erhofft hatte, ging

dann blitzartig um die Welt. Millionen von Clicks und einen Plattenvertrag später tourte der Kunstgeschichtestudent, der zuvor noch in einem Kaffee arbeitete, plötzlich mit seinem Laptop um die Welt. Irgendwie surreal, wie er selber zugestanden hat. Der Berner ist aber kein Einzelfall der jüngsten Musikgeschichte. Man denke an andere Internetphänomene wie Wankelmut, der mit „One Day“ auch über Nacht berühmt wurde. Am Donnerstag 30. April kommt Cyril Hahn mal wieder in seine Heimat zurück, um im Exil ein Set zu spielen.

Rezept 5 cl Stolichnaya Vodka 15 cl Ginger Beer 1 /4 Limette Eis Tasse mit 3 bis 4 Eiswürfel füllen. Limettenschnitz über dem Eis ausdrücken und dazugeben. Vodka und Ginger Beer dazugiessen.


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März 2015

Freitag, 13. März 2015 Von Rainer Kuhn

Heute würden sie Dich abklären lassen, ADHS diagnostizieren und Ritalin verpassen ...

Das dritte Interview dieses Jahres aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt wieder aus dem Alice Choo in Zürich. Gegessen habe ich mit Ela Soza. Das war eigentlich schon lange mal fällig. Aber irgendwie hat es sich einfach nie ergeben. Also haben wir geschaut, dass es sich ergibt. Und dann erst mal bestellt. Sie eine Sushi-Platte, ich den BusinessLunch. Und bevor ich meine erste Frage stellen konnte legt Ela vor:

... genau ... und dann bist Du schon ein wenig das Ausländerkind. Als Kind war das schwierig für mich, da will man lieber Müller heissen oder Meier und Teil vom Ganzen sein, dazugehören. Das ändert sich im Alter ja nicht unbedingt, man fängt einfach irgendwann an, seine Unterschiede zu lieben und dazu zu stehen, aber als Kind war das noch schwierig für mich. Hast Du gelitten? Wurdest Du gemobbt? Ja, ich hab das schon so empfunden. Damals wars ja noch Jugoslawien, und ich war einfach das Jugo-Meitli.

Du hast vorhin gesagt, dass einem die Musik seiner Jugend massgeblich prägt, wenn man später selber Musik macht. Ich muss Dir da glaub widersprechen. Ich bin mit kroatischer Popmusik aufgewachsen, vielleicht noch ein bisschen Elvis Presley nebenbei ...

Mittlerweile ist das ja hip, Heute fährst Du damit Punkte ein. Das ist wahrscheinlich einfach das Leben.

Was ist kroatische Popmusik? Wir bewegen uns heute ja eher in einer Stimmung, wo all diese Unterschiede wegplaniert werden, alle sollen gleich sein, sind sie aber nicht. Das Witze über die Unterschiede machen ist an sich ja nichts verwerfliches, das passiert in alle Richtungen, die Absicht dahinter ist entscheidend, die wird aber mit all den Gesetzen und Regeln nicht berücksichtigt.

Das ist ... Oberkitsch (lacht laut) ... ... etwa das, was man von den Ostblockländern am Concours d'Eurovision sieht? Ja, ungefähr so. Dazu kamen dann später die allgemeinen Top40, die halt so im Radio gespielt wurden. Ich kann nicht sagen, dass diese "musikalische Erziehung" meine eigene Musik beeinflusst hat. Aber Musik war immer ein Teil unserer Familie, ich mein, ganz Dalmatien ist irgendwie dauernd am singen.

Ich find das einen total schönen Gedanken, den Du da hast, aber ich arbeite ja in einer Schule und sehe das ein bisschen anders: Kinder sind sich das Ausmass eines dummen Spruches oder eines Witzes oftmals nicht bewusst.

Kroatische Popmusik ist dann wahrscheinlich auch stark beeinflusst von der kroatischen Volksmusik, nicht?

Vielleicht wollen sie auch einfach nur ein bisschen lustig sein, einander ein bisschen necken. Das verbieten von solchen Möglichkeiten fördert die Toleranz nicht, im Gegenteil. Ein harmlos gemeinter Spruch wird grad zum Drama, zum Politikum, ich finde, man sollte da wieder etwas lockerer werden.

Auf jeden Fall. Klar gibt es Bewegungen, die sich davon entfernen, sie machen Hip Hop oder andere Sachen, die nichts zu tun haben mit den musikalischen Wurzeln Kroatiens. Das hat doch auch mit Identität zu tun. Nationalität, oder unpolitisch ausgedrückt: Die Region, aus der man kommt und die Musik aus dieser Region, das sind alles Teile der eigenen Identität. Dann müssten wir hier ja alle mit dem Alphorn rumrennen und in unserer eigenen Musik müsste gejodelt werden. Es ist ja nicht so, dass die Schweizer Volksmusik nur aus "Hudigäggeler" besteht. Da gibts im Fundus Schweizer Volksmusik einige Balladen ... ... mir gehts nur darum, da auch mal rauszukommen.

fen will. Sonst bist Du draussen bei den Eseln und den Hühnern, springst von irgendwelchen Dächern oder machst Wettschwimmen mit deinen Cousins, wer unter mehr Booten hindurchschwimmen kann ohne Luft zu holen. Ist das heute immer noch so? Oder ist das einfach eine romantische Sicht auf die eigene Kindheit? Ich denke ja, es ist ja ein kleines Dorf. Was mich persönlich angeht, sind meine Schwester und ich eh Ausnahmen, weil wir in unserem hohen Alter nicht verheiratet sind und keine Kinder haben. Darfst Du da überhaupt noch runter?

Ah, Du hast keinen gefunden, also bist Du kompliziert ...

Wir waren oft sechs Monate am Stück da unten, meine Kindheit habe ich hauptäschlich dort verbracht. Grad am Meer, wo einem jeder kennt und wo man als Kind eigentlich nur nach Hause geht, wenn man Hunger hat oder schlafen will.

Bist Du da aufgewachsen? Ja, ich bin da aufgewachsen. Ich bin Schweizerin mit einem anständigen Temperament. Meine Eltern waren Gastarbeiter, hatten aber lange noch eine Bar in Kroatien. Wir waren oft sechs Monate am Stück da unten, meine Kindheit habe ich hauptäschlich dort verbracht. Grad am Meer, wo einem jeder kennt und wo man als Kind eigentlich nur nach Hause geht, wenn man Hunger hat oder schla-

Nein, wir werden an der Grenze immer aussortiert. (lacht) Ich steh ja dazu und auch in Kroatien hat sich vieles geändert in den Jahren. Es gibt auch sehr viele Scheidungen mittlerweile. Aber es geht mir ja nicht darum, das negativ zu werten. Es ist einfach so, dass Familie und verheiratet sein einen extrem hohen Stellenwert haben, und ich dann manchmal eben das Gefühl habe, dass die Leute denken "Oh, what's wrong with her" ...

Genau, oder schwierig oder so ... ... ist ja nicht so ganz falsch, oder? Everybody's normal until you meet them. Aber reden wir jetzt wirklich über dieses Thema? Ja, wir sind jetzt halt so reingerutscht. Wir rutschen sicher noch in andere Themen. Ich seh einfach dass hier in Zürich oder in der

Schweiz grundsätzlich eine Menge Frauen mitte Dreissig rumlaufen, die nicht verheiratet sind und keine Kinder haben. Da ist das nichts besonderes. Wenn die Leute einem länger nicht gesehen haben ist immer eine der ersten Fragen: "Hey wie geht's? Bist Du inzwischen verheiratet und hast Kinder?" Die wollen doch einfach wissen, ob Du noch zu haben wärst ... Nach der zwanzigsten gleichen Frage denkst Du irgendwann, ist ok jetzt. Was mich doch interessiert: Begleiten Dich die verschiedenen Nationalitäten? Ich mein, fühlst Du dich kroatisch hier in der Schweiz? Fühlst Du dich als Ausländerin hier? Das war als Kind sicher so, ja. Du musst Dir vorstellen, Du kommst mit fünf zurück in die Schweiz, warst frei und meistens barfuss unterwegs, und dann kommst Du hier in die erste Klasse und wirst so eingepfercht in ein System und eine Ordnung, die einfach anders ist als zuhause, ich hatte aber meine eigene Ordnung, meinen eigenen Rhythmus. ...

Boah, ich find das sehr schwierig, Rainer, ich finde, da Grenzen zu ziehen ist alles andere als einfach. Vielleicht ist es ja so, dass das alles bei mir immer noch das kleine Ausländermädchen trifft, ich habe das als fünfjähriges Mädchen nicht lustig gefunden. Und ich finde es vielleicht darum auch heute nicht lustig, über Minderheiten Witze zu machen, auch nicht, wenn sie harmlos sind. Meine eigene Geschichte lässt mich da schneller Empathie empfinden als z.b. dich, der das selber so noch nie erlebt hat. War es in solchen Situationen tatsächlich das Gesagte, was weh tat, oder das gleichzeitig aufkommende Bewusstsein der fehlenden Heimat und damit dem entsprechenden Schutz? Es hat mit Zugehörigkeit zu tun. Meine Heimat war meine Familie, die anderen Kinder, mit denen ich spielte. Oder spielst Du jetzt darauf an, dass ich meine Cousins anrufen wollte, damit sie mal kurz einen verdreschen? (lacht) Nein, ich spiele auf die Grundsicherheit an, die man im eigenen Land verspürt, in einem fremden Land jedoch nicht. Ich hab das nicht so empfunden. Ich


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Du denkst, da steht eine erwachsene Frau vor Dir, aber in ihr drin ist da immer noch das Kind, welches das alles gar nicht lustig gefunden hat und wahnsinnig verletzt war und sich eigentlich nichts sehnlicher gewünscht hat, als dazuzugehören, was ihr aber aufgrund ihrer Herkunft oft verweigert wurde.

Deine erste Platte?

hatte ja hier meine Familie, die Freunde im Quartier, ich hatte das Glück, dass ich in Opfikon aufgewachsen bin ...

Nein, mein Leben ist heute eine Balance all dieser Sachen. Nur Musik zu machen würde nicht stimmen. Ich würde gerne mal ein Jahr lang auf Tour gehen, ja, klar. Aber ich bin auch gerne im Büro, weil ich auch da Sachen machen kann, wo ich gut bin drin, und ich habe das Yoga, das mich wieder erdet. Es ist die Mischung all der Sachen die ich mache, die es ausmacht. Ich bin sehr dankbar, dass ich das gefunden habe.

hab ich gelernt damit umzugehen, man siehts nicht mehr so stark und ich geh nicht mehr unbedingt jedem auf den Sack. Das macht den Alltag schon angenehmer.

... Opfikon? Glück? Wir hatten unsere Quartiersträsschen, alle Kinder waren draussen am Spielen und irgendwann rief eine Mutter aus dem Fenster, dass das Nachtessen fertig sei, dann ging man rein. Ich bin so dankbar, dass ich das alles hatte, das Leben hier in der Schweiz, welches mir ermöglicht hat, das zu arbeiten, was ich gerne will, eben nicht unbedingt heiraten zu müssen, damit ich einen Mann habe, der das Geld nach Hause bringt, sondern dass ich aufwachsen konnte, Sprachen lernen konnte, eine Arbeit machen kann, die mir gefällt ... ... was machst Du eigentlich?

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März 2015

Schau, ich glaube wenn du als Frau aus einer mediterranen Gegend kommst, wo die Ansprüche der Gesellschaft eindeutiger gestellt werden, dann musst du dich irgendwann damit auseinandersetzen, dich davon frei machen, den Weg zu dir finden, damit du irgendwann dann auch dort ankommst. Sind das Ansprüche, die effektiv gestellt werden? Oder meint man das vielleicht bloss? Es ist ja nicht so, dass wir jetzt hier ein therapeutisches Gespräch führen müssen, mir geht es gut, ich bin angekommen, ich fühl mich wohl mit mir und meinem Lebensstil.

Ich arbeite an einer Schule im Sekretariat während 4 Tagen die Woche. Das ermöglicht mir, ein Leben zu führen, in dem ich verschiedene andere Sachen auch noch machen kann, zum Beispiel Musik, Yoga, Reisen ... und trotzdem habe halt ich dieses kroatische Feuer ...

Ou ... das war glaub Lisa Stansfield. Ich war ziemlich auf Popmusik fokussiert. Bis ich auf Erykah Badu kam und all die Fusionen der verschiedenen Musikrichtungen, das fand ich extrem spannend. So wie ich Dich kenne find ich schon, dass die Musik das Zentrum Deines Lebens ist. Daneben arbeitest Du noch was. Daneben machst Du noch Yoga. Daneben ...

Du machst jetzt eine Yoga-Ausbildung? Ja, ich will mir das genauer anschauen und mache eine Lehrerausbildung. Ich fliege dafür für zwei Monate nach Bali. Aber was ich sagen wollte: Vielleicht hat das auch was mit eben diesem ADHS zu tun, dass ich nicht zu lange nur etwas machen kann, dass ich verschiedene Sachen brauche. Ich brauche das für mein Glück und bin dankbar, dass ich es machen kann.

Ich liebe es, wenn es dunkel ist und kalt, dann beschäftige ich mich gerne mit mir selber und kann auch in meine dunklen Ecken abtauchen. Dann bist Du einfach gerne manchmal melancholisch. Nicht nur, aber ja, das ist auch ein Teil von mir. Und wenn der Frühling kommt, dann streckt man sich wieder, dann ist Zeit, den Geist zu wecken und sich etwas anderem zuzuwenden. Ich geniesse alle Facetten. Ich geniesse es, mit mir selber zu sein, nicht zu lange, sonst geh ich mir dann auch irgendwann auf den Sack, aber seit ich gut mit mir alleine sein kann, muss ich nicht mehr mit anderen zusammensein, die mir im Grunde gar nicht gut tun. Viele Leute haben ja das Gefühl, dass wenn sie alleine sind, dass sie abgeschnitten sind, sie müssen sich immer irgendwie mit irgendetwas ablenken. Das muss ich heute nicht mehr. Ich bin ja gerade darum gerne alleine, weil ich dann eben genau vom Rest abgeschnitten bin. Dass dann mal nicht immer irgendjemand kommt und irgendetwas will und ich mich dann mit diesem Irgendjemand und seinem Irgendetwas auseinandersetzen muss. Männer haben das häufiger besser drauf als Frauen. Bei uns spielt der soziale Aspekt, alles zusammenhalten zu müssen.

konkreten Pläne in diesem Sinne. Für mich ist es einfach wichtig, das ich nie aufhöre, mich herauszufordern, mich immer wieder von neuem den Sachen stelle, die mir Angst machen. Ich habe zum Beispiel unglaubliches Lampenfieber vor jedem Auftritt. Und jedesmal, wenn ich auf die Bühne gehe, frage ich mich kurz davor, wieso zur Hölle mache ich das?

Wenn du bei dir angekommen bist, dann öffnen sich immer im richtigen Moment Türen, dann zieht es dich dorthin, wo es für dich Sinn macht. Ich habe keine konkreten Pläne in diesem Sinne. Für mich ist es einfach wichtig, das ich nie aufhöre, mich herauszufordern, mich immer wieder von neuem den Sachen stelle, die mir Angst machen. Und wieso zur Hölle machst Du das? Weil es mir Freude macht. Musik macht mir Freude. Und ich glaube, dass ich etwas zu geben habe. Und das will ich schenken. Drum will ich mich durch diese Ängste durcharbeiten, weil das, was passiert, wenn man gibt und etwas bekommt, das ist so etwas Schönes.

... ist jetzt ein bisschen rassistisch, nicht? Wann legt sich das Lampenfieber dann wieder? Gibts den Moment, wo Du es einfach geniessen kannst?

Stimmt, es gibt auch feurige Schweizer. Es gibt feurige überall.

Ja, klar, das ist der Moment, wo ich ganz bei mir bin, mich nicht mehr mit den Erwartungen auseinandersetze, das kommt in der Regel nach dem zweiten, dritten Song, dann kann ich auch anfangen mit dem Publikum zu kommunizieren. Mein Anspruch ist nicht primär musikalischer Natur, sondern die Kommunikation mit den Leuten, das sich öffnen, geben zu können, empfangen zu können, daraus entsteht die Magie bei Konzerten. Sonst kannst Du ja auch zuhause bleiben und eine CD reinschieben. Mal so richtig auf Tour zu gehen, wär schon einer meiner Wünsche. Ich habe ja schon Konzerte gespielt in New York, auch in Japan ...

Du willst jetzt ein politisches Gespräch mit mir führen ... ... im Gegenteil. Es geht mir um das Freiheitsgefühl. Ich sage ja bloss, dass das jeder selber für sich erlebt. Du denkst, da steht eine erwachsene Frau vor Dir, aber in ihr drin ist da immer noch das Kind, welches das alles gar nicht lustig gefunden hat und wahnsinnig verletzt war und sich eigentlich nichts sehnlicher gewünscht hat, als dazuzugehören, was ihr aber aufgrund ihrer Herkunft oft verweigert wurde. Da kannst Du mich jetzt zum Psychiater schicken ...

Es geht ja darum, dass man sich das Leben schwieriger macht, wenn man denkt, irgendeinem Standard entsprechen zu müssen. Wenn man es geschafft hat, sich davon zu befreien, dann ergibt sich vieles im Leben wie von selbst. ... das wollte ich grad fragen: Hast Du da mal was gemacht? Ach Rainer, das wird mir jetzt alles ein bisschen persönlich. Ja, drum sind wir hier. Es interessiert mich einfach, wie die Leute damit umgehen. Ich war als Kind ja auch irgendwie so ein Arschlochkind, bin immer überall angeeckt und hab gedacht, dass mich keiner versteht. Das ist heute noch zum Teil so, aber mit den Jahren

Dahin musstest Du ja auch erst kommen. Gabs da so eine Art Schlüsselerlebnis? Oder war das ein langsamer Prozess? Es geht ja darum, dass man sich das Leben schwieriger macht, wenn man denkt, irgendeinem Standard entsprechen zu müssen. Wenn man es geschafft hat, sich davon zu befreien, dann ergibt sich vieles im Leben wie von selbst. Hört man nicht einfach irgendwann auf, dagegen zu kämpfen, weils einem zu blöd ist? Vielleicht. Aber nicht nur. Man muss es schon hinter sich lassen können. Dazu muss man sich auf den Weg machen. Was wolltest Du denn werden, als Du ein Kind warst? Hattest Du Ideen? Pläne? Abgesehen von Tierärztin und Schauspielerin wie alle Kinder, stand für mich die Musik schon immer im Vordergrund. Vielleicht aus dem gleichen Grund, wieso die Kinder heute Superstar werden wollen: Man will berühmt werden. Man möchte jemand sein. Wobei dieser Punkt bei mir eher nebensächlich war, da ich mit Musik aufgewachsen bin und einen speziellen Bezug dazu habe.

Das geht aber vielen so. Wir leben in einem System, dass ziemlich eindimensional ausgelegt wird. Du lernst einen Beruf und den machst Du dann. Und wenn Dich einer fragt, was Du bist, dann sagst Du "Lehrer" oder "Konditor" und dann bist Du nur noch der Lehrer oder der Konditor und der Rest sind Hobbies.

Während wir das genetisch programmiert haben, am Ende des Lebens alleine in den Sonnenuntergang zu reiten.

Genau, dann bist du einfach nur eins. Ich finde das wunderschön, dann sagen zu können "Ja, ich arbeite im Sekretariat einer Schule und ich bin Musikerin und vielleicht bin ich dann auch mal Yogalehrerin". Obwohl das mit der Yogalehrerin nicht der vordergründige Gedanke ist.

Hängt auch ein bisschen mit der Lebensituation zusammen. Ich habe drei Kinder, die Eine grad in der Pubertät, da hast du immer soviel los, dass du es dann richtig geniesst, mal richtig alleine zu sein. Weil du halt selten dazu kommst.

Natürlich ist nicht jeder Mann und jede Frau gleich. Aber so Grundmuster sind manchmal eben schon erkennbar.

Gibts da Unterschiede? Ja, Japan ist unglaublich! Der Respekt der dir da als Musiker entgegengebracht wird ist immens, im Gegensatz zu hier, wo man zuerst mal denkt: "Oh, Musiker, armer Schlucker... " Also ab nach Japan. Ich will einfach weg vom Druck, den ich mir selber mache, wenn es sich ergibt, schön, aber ich muss nicht. Damit fühl ich mich wohl. Ich bin heute wirklich glücklich mit dem, was ist.

Das spielt sicher mit, ja. Wieso machst Du es denn? Für mein persönliches Yoga. Um es besser zu verstehen. Und auch, um einfach wieder mal weg zu sein und mich voll und ganz in etwas neues begeben kann, in diesen ganzen "Gschpürschmi-fühlschmi-Salat" eintauchen, und ich freu mich total darauf. Und darauf, dass wenn ich wieder komme, es hier Sommer ist.

Was hast Du noch für Pläne? So für die nächsten zwanzig Jahre? Ich mein, als Kind hat man eine Menge Pläne und irgendwann gibt man das auf und macht, was man halt macht und vergisst, dass man eigentlich gerne den einen oder anderen Plan haben möchte. Die Gefahr besteht dann doch, dass man aufhört, etwas zu werden. Dass man dann einfach nur noch ist und irgendwann so stirbt.

Darauf kann man irgendwie alles reduzieren, aufs Wetter, wenns warm ist und die Sonne scheint, dann gehts den Leuten gut, und wenns kalt und dunkel ist, weniger.

Wenn du bei dir angekommen bist, dann öffnen sich immer im richtigen Moment Türen, dann zieht es dich dorthin, wo es für dich Sinn macht. Ich habe keine

www.alice-choo.ch


Fotografie: Mirjam Kluka, Gestaltung: Weicher Umbruch

Première: Zürich, Exil — 7. April

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März 2015

GUT ABGEHANGEN

ENTDECKEN SIE JETZT DIE EMOTIONEN DES STEUERAMTES DER STADT ZÜRICH 9. März 2015 Reinhold Weber Die Steuerverwaltung der rotgrünen Stadt Zürich hat ein uraltes Marketinginstrument entdeckt: die Werbung. Werbung mittels eines noch älteren Werbemediums: dem Plakat. Die Steuerbeamte sagen mir damit: Ich darf bzw. soll bis am 31. März die Steuererklärung abgeben und den blauen Himmel geniessen. Mein Blick schweift nach oben: blassgrauer Himmel über blutrotem Plakat – Werbeversprechen gebrochen, die Botschaft ging also schon mal halbvoll in die Hose. Na, dann wartet ihr halt bis Ende April oder Mai auf meinen Wisch. Aber vielleicht macht es künftig ja das Amt für Wasserversorgung besser: Drink different! Oder das städtische Standesamt: Vertrauen ist gut. Trauen ist besser. Oder

30. Januar 2015 Midi Gottet Die Festtage hatten wiedermal ganze Arbeit geleistet. Mein Hüftspeck prangte an den Lovehandles, als wäre es sein Auftrag endlich überhängend zu werden. Höchste Zeit, meine schwindende Muskulatur mal wieder mit einem brachialen Milchsäureeinschuss zu brüskieren. „Im Januar eine TRX-Lektion besuchen“, lautete mein Maso-Task zum Jahresbeginn. TRX bedeutet „Schlingentraining“. Es wurde von zwei norwegischen Physiotherapeuten entwickelt und hat sich bei den US Navy Seals als Trainingsmethode etabliert. Na also, das klingt doch hart genug, um mir die Grütze in die verstopften Arterien schiessen zu lassen. Noch etwas verschlafen, aber immerhin frisch geduscht, schlurfte ich am Samstagvormittag in den INDIGO Fitnessclub Zürich. Ich hatte mich für eine TRX-Stunde bei Aidan O’Neil eingeschrieben. Aidan ist ein weiterer lebender Beweis dafür, dass ein Mann in meinem Alter noch ein reichlich straffes Muskelkostüm tragen kann. Tja, mit MEINEM Lebenswandel sähe Aidan auch nicht so aus – aber lassen wir das. Er trug zehn dieser Schlingen über seinen Schultern und forderte uns auf ihm in die gute Folterstube zu folgen. Da drin hatte gerade ein Boxtraining statt gefunden und es roch auch so. Etwa fünf nassgeschwitzte MöchtegernKlitschkos, waren kühn genug, ohne Pause, zu unserer TRX-Lektion dazuzustossen. Plötzlich waren wir mehr als zehn Personen und Aidan war gezwungen zu improvisieren. Er unterteilte uns in eine Boden- und eine Lufttruppe. Ich landete in der Bodentruppe und holte mit meinen Genossen Trainingsmatten. Die anderen verteilten sich um das Gerüst, an welchem eben diese zehn ominösen TRX-Bänder befestigt waren. Das ganze hatte eine gewisse Guantanamo-meetsKinderspielplatz-Romantik. Aidan erklärte jeweils dem Bodentrupp die Übungen, danach den TRXlern. In der Halbzeit sollte gewechselte werden. Meine Hoffnung, dass das Training für die untere Kaste etwas lockerer sei, bestätigte sich nicht. Wir quälten uns durch Liegestütze, Knie-an-die-Ohren-Zieher und eine stolze Sammlung Rumpfbeugen. Mein Rumpf liess sich nur schwer biegen und schickte ein paar Grüsse aus der Festtagsküche, wenn sie wissen was ich meine. Die fünf Teilnehmer der vorhergehenden Box-Session hatten sich alle deutlich überlupft und machten einer nach dem anderen schlapp. Wie Muhammed Ali im Mädchenpensionat, klopften sie Sprüche um ihre mangelnde Kondition zu überspielen. Das nervte leicht. Doch Aidan war die Gelassenheit in Person. Er liess sich nicht beirren und rief uns alle auf, die Seiten zu wechseln.

Endlich durfte ich auch mal ans Spielplatz-Gerüst. Die Boxnieten nutzten die Gelegenheit und machten einen französischen Abgang. Endlich kehrte etwas Ruhe ein. Jetzt blieben nur noch eine Hand voll Frauen, Aidan und ich übrig. Ich witterte meine Chance, endlich mal als Klassenbester zu glänzen. Aidan motivierte mich, in dem er mir ein Bier versprach – falls ich alle Exersices sauber bringen würde. Damit triggerte er bei mir das Motto: „Eiserner Wille für ein paar Promille“. Bei der ersten Übung packten wir die TRX-Handles, liessen uns nach hinten hängen, machten zwei Schritte nach vorn und streckten den Körper durch. So mussten wir uns jetzt hochziehen. Erst glaubt man, die einfachste Übung der Welt zu machen, aber nach drei Wiederholungen fängt alles an zu zittern und aus einer Minute wird plötzlich eine Ewigkeit. Auf meiner, eh schon glänzenden, Stirn wurde der automatische Schweissperlenalarm ausgelöst. Danach machten wir das Selbe in grün, nämlich umgekehrt. Das heisst, Liegestütze in der Schräglage mit zwei unstabilen AuflagePunkten. Auch hier wieder, nach exakt drei Wiederholungen brach die Hölle über mir zusammen. Wie lange kann eine Minute dauern? Wie weit lässt mich Gott heute gehen, nur um ein Bierchen trinken zu können? Weit, liebe Gemeinde, sehr weit. In der ganzen Countdown-Zählerei lieferte ich mir ein Battle mit einer durchtrainierten Blondine, die mir offensichtlich den Titel als Klassenbester streitig machen wollte. Im Augenwinkel sah ich bei jeder Übung, wie sie versuchte meine Pace mitzuhalten. Sie schaute mir nie in die Augen doch es war völlig klar, dass wir hier ein Duell am laufen hatten. Aidan zwang uns jetzt an den Schlingen in die Hocke zu gehen und bei jedem zweiten Push-up hoch- und gleichzeitig nach hinten zu jumpen. Klingt jetzt etwas kompliziert, war es auch. Das brauchte schon etwas Koordination. Und nach zehn Jahren Rookie-Daseins brachte ich hier schon etwas an Erfahrung mit. Kurz: Die Blondine strauchelte und kippte immer wieder nach vorne weg. Das sah lustig aus und brachte sie aus dem Trott. Mein leises Lachen wurde getrübt durch den Geschmack von Eisen im Gaumen. So schmeckt also aufkeimender Triumpf – bittersüss. Als wir zum Schluss die TRX-Schlingen ganz lang machten und unsere Füsse einhängten, machte ich bei diesen Hardcore-Exercices mit durchgestrecktem Körper endlich die bessere Figur – natürlich nicht bildlich gesprochen. Yeah, Klassen-Champion und ein gratis Bierchen! Das nenne ich doch einen gelungenen Start ins neue Jahr.

der Zürcher Verkehrsverbund: Den Verkehr in vollen Zügen geniessen. Auch ein sacklustiges Event fürs Entsorgungsamt ist denkbar (“Grosses Zürisack-Hüpfen auf dem Bellevueplatz”) oder eine zeitlich beschränkte Publikums-Aktion des Bestattungsamtes (“Nur bis am 31. August: mit 50 % Rabatt Bio-Erde vorbestellen”). Zu guter Letzt hätten wir auch für das Tiefbauamt noch einen Vorschlag; nicht den fetzigste Slogan zwar, eher einen nachdenklich stimmenden, philosophisch-emotional Verstiegenen: Der Veloweg ist das Ziel. Den kannst Du, Filippo, übrigens gerne verwenden. Gegen ein symbolisches Honorar von einem (1) Steuerfranken.

BÜROTYPEN, DIE IHR IN JEDER FIRMA FINDET 11. Dezember 2014 Dominik Hug Und so muss ich einfach mal die Frage stellen, lieber KULT-Leser, welcher Bürotyp bist denn du? Oder siehst du dich etwa als frei von jedem Klischee? Der Raucher Der Raucher arbeitet exakt und zuverlässig. Wenn er denn arbeitet. Die meiste Zeit des Tages verbringt er zusammen mit seinen Artgenossen im Hinterhof um über dieses und jenes zu diskutieren, und dabei natürlich zu rauchen. Dabei schwitzt oder friert er, je nach Jahreszeit. Aber auf jeden Fall stinkt er jedes Mal aufs Neue wenn er an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Der Raucher geniesst speziell in Grossraumbüros ein sehr hohes Ansehen. Der Kaffeejunkie Er kennt keine Rast. Nervös stapelt er Papier oder kratzt sich am Kinn. Dank ihm muss sich niemand Sorgen machen die abgestandene Brühe von gestern Abend aus dem Automaten zu lassen. Getrieben vom Koffein steht der Kaffeejunkie bereits um 7 Uhr morgens vor der Kaffeemaschine und füllt sich eine Tasse, die er von zu Hause mitgebracht hat. Denn das gewöhnliche Bürogeschirr ist dem Kaffeejunkie in der Regel zu klein. Der Kaffeejunkie und der Raucher verbringen ihre Pausen gerne gemeinsam. Der Schreihals Schreihälse können sehr unangenehm werden. Sie meinen stets im Recht zu sein, unterstützen diese Meinung mit bellenden Lauten, garniert mit einer grossen Portion Ungeduld und Rechthaberei. Schreihälse sind oft Franzosen oder Deutsche. Der Serien-Mann Sein Job besteht darin irgendwelche Dokumente zu verschicken, Büroartikel zu bestellen oder sonst eine x-beliebige Tätigkeit auszuüben, für die man eigentlich auch einen Affen benutzen könnte. Daneben bringt der Serienmann es doch immer wieder fertig seine Hobbys im Büro auszuleben. “Ich ha jetzt grad die dritti Staffle vo Two and a Half Men gluegt” sind typische Aussagen des Serien-Mannes. Der Gesundheitsfreak Er sitzt früh morgens bereits in der Büroküche und schält seine Grapefruit. Denn die Grapefruit ist ein Fettverbrenner.

Der Gesundheitsfreak hört sich selbst gerne reden, vor allem über gesundes Essen, negative Energiebilanzen und Fitness. Ihr wollt den Gesundheitsfreak mal ein bisschen aus der Bahn werfen? Legt ihm während seiner Abwesenheit anonym ein Snickers auf den Tisch. Ihr könnt ihm so echt den Tag ruinieren.

gen. Sie sieht gut aus und die Männer sind ihr verfallen. Nun, vielleicht nicht wirklich wegen ihrer Persönlichkeit, sondern eher wegen ihrem privaten Status. Sie ist die Frau des Chefs. Unberührbar und mit einem unsichtbaren Diplomatenpass ausgestattet. Sie kann tun und lassen was immer sie auch will.

Der Drachen Er hat schon viele Schlachten geschlagen. In der Regel ist der alte Drachen die alteingesessene Sekretärin des Big Bosses. Nichts kann sie noch aus der Ruhe bringen. Und gegen Neulinge ist sie besonders allergisch. Jeder wird angefaucht und mit Feuer bespuckt wie Bilbo von Smaug. Das gute an alten Drachen? Irgendwann sterben sie.

Der Sprachfehler Der Sprachfehler kann natürlich männlich oder weiblich sein. Vorallem weibliche Sprachfehler (zum Beispiel Lispler) profitieren von dem Jööö-Effekt, welcher auf Männer halt eben jööö wirkt.

Die deprimierte Rückkehrerin Sie verliess die Firma vor einigen Jahren fast im Streit und versprach “Ich komme nie wieder zurück! Never again!” und nach der Pleite ihres Arbeitgebers steht die deprimierte Rückkehrerin jetzt eben doch wieder auf der Matte. “Es isch e ganz neue Job, e neui Useforderig, weisch, ganz anderscht als früehner, i freu mi richtig druf”, dies Sätze einer deprimierten Rückkehrerin. Die Frau des Chefs Keiner weiss, was für einen Job sie eigentlich ausübt. Sie kommt und geht wann immer sie will. Sie trägt Chanel oder Prada und fährt einen Luxuswa-

Die Faule Sau Ihr erkennt die Faule Sau an Zehntausend ungelesenen E-Mails und daran, dass wenn immer sie von ihrem Boss aufgefordert wird eine Aufgabe zu erledigen, sie sofort gestresst den Arbeitsplatz verlässt, natürlich während sie so tut, als müsste sie was noch dringenderes erledigen, wie zum Beispiel eine Glühbirne wechseln oder die Kaffeemaschine mit Wasser auffüllen. Die faule Sau sitzt praktisch nie an ihrem Platz und lässt gerne andere ihre Arbeit erledigen. Merkt die faule Sau jedoch, dass die Qualitäten eines nahen Mitarbeiters geschätzt werden, lässt sie nichts unversucht diesen niederzumachen um ihren Eigenwert wieder zu steigern. Faule Säue sind unkündbar.


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Februar 2015

INTERIOR DESIGN

SERVICE &Boutique

Einrichtungsberatung vom Konzept bis zur Ausführung massgeschneiderte und individuelle Raumgestaltung

Einrichtungsberatung

Wohnboutique

Würden Sie sich in Ihren vier Wänden gerne endlich so richtig zuhause fühlen? Planen Sie einen Umbau, einen Neubau oder eine Renovation? Besitzen Sie Geschäftsräumlichkeiten, die dringend eine Auffrischung benötigen? Planen Sie einen Event, dem noch das dekorative gewisse Etwas fehlt? Wir unterstützen Sie bei Ihrem Projekt vom Konzept über die Planung bis zur Ausführung. Gestalten Sie Ihren Wohnraum mit Farben, Vorhängen, Accessoires und Möbeln – wir zeigen Ihnen, wie Sie effizient zum Ziel gelangen. Und wir dekorieren Restaurants, Bars, Läden, Büros, Schaufenster und Veranstaltungen aller Art. The Harrison Spirit setzt Ihre Wünsche in Realität um.

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März 2015

WIE DAS MIT DEM POPPEN IN ZUG WIRKLICH WAR. DIE KURZFASSUNG. 11. März 2015 Reinhold Weber Ort: die Stadt Zug. Anlass: Landamman-Feier in einer Beiz. Bier & Wein: viel. Hart & feucht: ziemlich. Hemmschwelle: niedrig. Verabredung: In fünf Minuten oben im Säli. Daselbst: Nümmerchen auf Buchenholz-Tisch. Zufallspublikum: drei Personen. Eine davon: ruft Ehemann an. Frau: kommt nach Hause. Mann: total sauer. Erklärung von Frau: K.O.-Tropfen & unfreiwillig & soweiter. Ärztl. Untersuchung: gleichentags. K.O.-Story: gleichentags an die Medien zwecks Steigerung der Glaubwürdigkeit gegenüber Ehemann. Medien: bauschen auf. Parteien: bauschen ab. Schlammschlacht: blutig. Fortsetzung: folgt, evtl. mit zweifacher Scheidungsfolge. Und die Moral von der Geschicht’? Willst du rödeln auf den Tischen, lass’ dich nicht erwischen.

DAS VERBRECHEN

27. Januar 2015 Henrik Petro Auf der ganzen Fahrt hatten wir Blaulicht und Sirene eingeschaltet. Erst, als wir die Menschenansammlung sahen – sensationslüsterne Gaffer – ging Martin, mein langähriger Assistent und der wohl beste Fahrer im Aargauer Polizeikorps, vom Gas und schaltete das Horn aus. Die Schaulustigen wichen zur Seite, neugierig in den Dienstwagen glotzend. Mir machte es nichts aus, denn ich hatte kaum geschlafen. Schuld war ein Null-Neun-Dreizehn, der mich die ganze Nacht auf Trab gehalten hatte. Es ist ein Scheissjob, aber ich wüsste nicht, was ich sonst auf dieser Welt lieber täte. Als ich ausgestiegen war, kam ein uniformierter Kantonspolizist auf mich zu. Er war bleich und schien mit der Situation überfordert zu sein. «Sind Sie die aus Aarau?» fragte er etwas schnoderig, während die Gaffer uns anglotzten. Wahrscheinlich musste er vor seinen Landeiern den harten Kerl spielen. Sonst würden sie den Respekt verlieren und wieder anfangen, Hühner zu stehlen, wie damals nach dem Krieg. «Ja, wir sind die aus Aarau», knurrte ich zurück. «Das ist Gefreiter Huber» – ich nickte mit dem Kopf in die Richtung meines Assistenten – «und ich bin Steiner, Kriminalkommissar.» «Ähm…» Der Uniformierte schien nicht zu wissen, was er nun tun sollte. Ich half ihm und zückte meinen Ausweis. Er salutierte. Nun konnte ich offiziell die Führung übernehmen: «Zeigen Sie mir den Tatort, Wachtmeister..?» Er stockte, bis er begriff, was ich wollte. «Odermatt, Wachtmeister Odermatt.» Wieder salutierte er diensteifrig. «Ja, schon gut. Also..?» «Bitte, hier entlang.»

Ich hatte mit etwas Schlimmem gerechnet. Doch was ich hier sah, verschlug mir kurz die Sprache. Es musste ein Gemetzel gewesen sein. Das arme Ding hatte nicht den Hauch einer Chance. «Das Fahrzeug dürfte auf der Hauptstrasse fahrend Höhe Einmündung Kirchenfeldstrasse von der Strasse abgekommen und ins Wiesland geraten sein», mutmasste Odermatt und konnte dabei seine Aufregung nicht ganz verbergen. «Ist es das erstemal, dass Sie so etwas sehen?» fragte ich, ohne ihn anzublicken. Meine Augen waren komplett vom Bild der Zerstörung in den Bann gezogen. «In der Polizeischule wird man ja auf allerhand vorbereitet, mit Bildern und Videos. Aber wenn mann es dann in echt sieht, ist es… ist es…» Er fand die Worte nicht. «… ist es etwas ganz anderes», beendete ich für ihn den Satz. Erleichtert und dankbar blickte er mich an. «Was ist mit der Spurensicherung?» wollte ich wissen. «Sie müsste jeden Moment hier eintreffen.» «Wie sieht es mit DNA-Spuren aus?» «Oh, jede Menge…» Ich blickte ihn überrascht an: «Und warum sammeln Sie sie nicht?» «Oh, das ist bereits geschehen.» Er zeigte auf einen Haufen mit prallen dunkelbraunen Plastikbeuteln. «Was kann ich sonst tun?» «Leider nicht mehr viel, Odermatt», murmelte ich und kratzte mich am Hinterkopf. «Sperren Sie den Tatort ab, befragen Sie die Leute. Irgendjemand muss doch etwas gesehen oder gehört haben.»

Am Abend hatte ich den Bericht verfasst. Die Auswertung der DNA-Proben förderte nur Scheisse zu Tage – Hundescheisse, um genau zu sein. Auch die Zeugen erwiesen sich als Nieten. Niemand wollte etwas sagen, wohl aus Angst vor Vergeltung, denn dort auf dem Lande kannte jeder jeden. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Staatsanwalt Bernasconi und meinem Vorgesetzten Kurt Bächteli entschied ich mich, eine Meldung mit Zeugenaufruf zu veröffentlichen. Sie lautete: «Ein Fahrzeug kam in der Nacht auf Samstag in Unterkulm von der Strasse ab und kollidierte mit einem Robidog-Behälter. Die Kantonspolizei sucht nun den Verursacher.» Zwei Tage später hatten wir zwar einige Hinweise aus der Bevölkerung, aber keine wirkliche heisse Spur. Sollte der Täter davon kommen? Das Telefon klingelte. Huber nahm ab: «Ja?… Aha… Ahso?… Jaja… Aha?… Moment!» Er hielt den Hörer an die Brust und drehte sich zu mir: «Chef, in Büron hat einer einen Briefkasten umgefahren.» Mich schauderte. Hatten wir womöglich einen Serientäter? «Irgendwelche Hinweise?» Huber hielt wieder den Hörer ans Ohr: «Irgendwelche Hinweise?… Aha?..Achso… na gut, danke.» Er legte auf und stierte mit in Falten gezogener Stirn den Apparat an. Dann: «Nein, sie suchen noch Zeugen.» Was kam da noch auf uns zu? Zustände wie in Mexiko? Noch während ich mir in den düstersten Farben ausmalte, welches Grauen die Schweiz überziehen könnte, klingelte wieder das Telefon. Huber reagierte blitzschnell: «Huber? Ja, das ist richtig… ja… ja?? Wirklich?» Er hielt den Hörer an die Brust und drehte sich wieder zu mir: «Chef, in Baar hat jemand einen Hydranten umgefahren. Aber diesmal haben sie einen Verdächtigen!» Endlich! Sollte das der Durchbruch im Fall werden? Wir mussten es sofort herausfinden. «Na worauf wartest du noch? Lass uns sofort fahren! Hol den Wagen!» «Oui mon Capitaine!» http://www.polizeinews.ch/nordwestschweiz/Au to+beschaedigt+RobidogBehaelter+Zeugenaufr uf/563893/detail.htm http://www.polizeinews.ch/zentralschweiz/Unb ekannter+fuhr+Briefkasten+um+Zeugen+gesuc ht/563933/detail.htm http://www.polizeinews.ch/zentralschweiz/Neul enker+uebersah+Hydranten/563939/detail.htm

Die kleinen Wichte 4. Dezember 2014 Peter Stiefel Liebe Kinder gebt fein acht, ich hab euch etwas mitgebracht! Diese hübschen Puppen liegen alle auf dem Estrich eines uralten Bauernhauses. Wie lange schon, weiss man nicht. Sie haben keine Seele. Nichts, das ihnen Leben einhaucht. Nichts, das sie menschlich erscheinen lässt. Nichts, das einen glauben lässt, dass diese Bälger des Nachts aus ihrem Schrank steigen und im Kreis um die Kopfkissen der Hausbewohner tanzen und anderen,

noch wilderen Schabernack treiben. In der Küche alle Türchen und Töpfchen öffnen, in der Stube das Flickzeug untereinander bringen, im Flur die Schuhe und Stiefel vertauschen, im Stall von der Leiter ins Heu purzeln, auf dem Vorplatz auf Besen und Schaufeln reiten, im Schein des Vollmondes ins Teichlein unter den Weiden spucken, unter argwöhnischen Blicken der Eulen, Mäuse und Katzen, die sich mit dem Treiben der kleinen Wichte nicht anfreunden können. Nichts. Rein gar nichts deutet darauf hin. Oder etwa doch?



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Seite einundzwanzig

März 2015

TÖFF TESTEN MIT EINEM, DER NICHTS ANDERS MACHT ALS TÖFF TESTEN

10. März 2015 Rainer Kuhn Unserer Freunde von Harley Heaven in Dietikon wollten wissen, wie wir die neuen Harley-Modelle finden. Rainer Bächli hat uns eine Crossbones und eine Road King hingestellt. Henrik stürzte sich grad auf die grüne Crossbones. Ich auf die Schönere. Super, dachte ich, nicht das selbe Beuteschema wie sein Kumpel zu haben, ist extrem entspannend. Vorausschicken muss ich, dass mir Technik am Arsch vorbei geht. Solange

alles funktioniert. Und wenn nicht, erst recht. Einer hat mir mal gesagt, bei einer Harley kaufst du ein Lebensgefühl. Den Töff gibt’s gratis dazu. Lebensgefühl heisst hier: Geschichte + rütteln + laut = Harley. Wir fahren los. Henrik geht vor. Aber erst wurde uns noch kurz der Bordcomputer erklärt. Was mich dann schon mal irritiert. Harley und Bordcomputer. Dachte: Wie wenn eine Oma einen Bikini hat. Wir haben mein Handy damit verbunden und dem Henrik seins auch, weil

wir wechseln ja anschliessend mal die Modelle und dann will er auch Musik vom iPhone über die Bordanlage hören wollen. Die wird übrigens leiser, wenn man langsamer fährt und wieder lauter, wenn man Gas gibt. Macht Sinn. Ich geb dann mal Gas. Keine Ahnung, wohin der Henrik fährt, ich kenne mich im Gebiet nach Schlieren nicht so aus. Eigentlich auch egal, Hauptsache Italien. Meine Scheffmaschine fährt sich wie ein Fauteuil.

Easy, sicher, bequem. Wer in die Kurven liegen will, nimmt sich besser eine Sportster. Bei meiner finden die Fussrasten „in die Kurven liegen“ nicht so geil. Liessen sie mich jedenfalls bei jeder Kurve spüren. Aber für alles andere ist sie dankbar. Vor allem dafür, dass man sie machen lässt. Dann, so fühlt es sich an, kommt es auch am Besten. Auf der Autobahn gibt’s ohne Blech rundherum nichts schöneres zum Fahren als eine Harley. Ruhig, geschmeidig, mit viel Reserven, wenn man mal

drücken will. Muss man aber nicht. Man fährt ja eine Harley, da hat man es nicht nötig, am Gashebel zu schrauben. Wahrer Luxus ist, wenn man sich Bescheidenheit leisten kann. Bei einer Harley heisst das: Man sitzt ja schon drauf, da muss man nicht obendrein noch wichtig tun. Diese paar hundert Kilo aus Milwaukee reichen aus, um ohne peinliches zusätzliches Gehabe gut auszusehen. Also können wir uns entspannen und einfach ein bisschen die Gegend geniessen.

RUF DER FREIHEIT 10. März 2015 Henrik Petro Nichts anderes machen, als Töff testen – schön wärs! Da hat Rainer ein etwas falsches Bild von einem Motorradjournalisten. Ein Pornodarsteller ist ja auch nicht nur am Vögeln. Er schwitzt stundenlang im Fitness-Studio, leidet bei der Kosmetikerin bei den GanzkörperWaxing-Sessions und macht sich Sorgen über die wechselnde Gesichtsfarbe seines Urologen des Vertrauens, wenn er ihm erzählt, was er auf dem Filmset mit wem vor und hinter der Kamera gemacht hat. So beinhaltet auch die Tätigkeit als Töfftester mehr als nur auf geliehenen Maschinen und in gesponserten Klamotten in den Sonnenuntergang zu röhren. Aber wenden wir uns mal der beiden Maschinen zu, die Harley Heaven in Dietikon Rainer und mir zur Verfügung stellte. Crossbones und Road King nennt Rainer sie, ich und der Rest der Welt nennen sie Road Glide Special und Softail Breakout. Aber ich lasse Nachsicht walten, denn ich selbst kann die Harleys auch kaum voneinander unterscheiden. Die Wiederauflage des Tourers Road Glide Special ist die augenfälligste HarleyNeuheit für 2015. Der eigenwillige, an eine Haifischschnauze erinnernde, am Rahmen feststehenden Vorbau mit den prägnanten Doppelscheinwerfern polarisiert die Geschmäcker. Im Prinzip handelt es sich um eine andere Variante der Street Glide, dem meistverkauften Harley-Töff weltweit, dessen Vorbau allerdings mit der Gabel verbunden ist und sich daher mit dem Lenker mitbewegt. Neu leuchtet ein LED-Doppelscheinwer-

fer die Strasse aus. Um die Scheinwerfer herum sind Lüftungsschlitze zu erkennen, die nach Bedarf zu öffnen sind und unerwünschte Verwirbelungen reduzieren. Dafür wurde die Verkleidung im

Windkanal optimiert. Weiter charakteristisch ist das nach hinten abfallende Heck. Üppiger Komfort, wie zum Beispiel das mittig in der Innenverkleidung untergebrachte Infotainmentsystem mit 6,5 Zoll Touchscreen, 2 x 25 Watt und Navigation, gehört zum Serienumfang. Der Lenker ist nach hinten gezogen, um eine fahraktive und doch komfortable Sitzposition zu

ermöglichen. Die Road Glide Special ist also ein komfortabler Tourer mit typischen Harley-Tugenden für jene, die gerne etwas anderes fahren als die Masse. Die Verzögerung der 385 kg Leerge-

wicht verbessert ein neues Bremssystem mit elektronischer Bremskraftverteilung und ABS in Serie. Herzstück der Road Glide Special ist der luftgekühlte Twin Cam 103, der mit 1690 ccm 138 Nm (bei 3500/min) und 87 PS abdrückt. Die Road Glide Special ist ab 30‘000 Franken zu haben. Der zweite Töff, den wir dabei hatten, war eine Softail Breakout in Radioacti-

ve Green, einer der neuen Farben für 2015. Mit 322 kg Leergewicht ist sie etwas leichter, ihr luftgekühlter V2 mit ebenfalls 1690 ccm bringt bereits bei 3000/ min ein maximales Drehmoment von 130 Nm aufs Hinterrad. Dies – dank Ausgleichswelle – mit deutlich geringeren Vibrationen. Charakteristisch für die Breakout ist die Chopper-typische Sitzposition mit Füssen vorne und Oberkörper leicht nach vorne geneigt. Eine ziemlich coole Haltung, man ist schnell eins mit dem Töff, allerdings ist die Position nicht für elend lange Touren geeignet. Trotz mächtigem Drehmoment sind die beiden Maschinen dank gut spürbarem Kupplungsdruckpunkt und gutmütigem Ansprechverhalten sehr einfach zu handhaben. Das gilt übrigens für alle neuen Harleys. Nicht umsonst ist die Marke auch bei Frauen sehr beliebt – und bei jenen, die nur selten Zeit haben und darum auf einen Töff angewiesen sind, auf dem sie sich auch nach längerer Zeit sofort wieder wohl fühlen. Es liegen mir zwar keine Zahlen vor, aber subjektiv glaube ich, dass Harleys dank ihrer Verkörperung von „Freiheit“ gerade bei jenen besonders beliebt sind, deren Alltag von Unfreiheit geprägt ist, also Banker, Manager und überhaupt Karrieristen aller Berufsgruppen, die uniformiert im Outfit und Auftreten und unter grossem Leistungs- und Erfolgsdruck im Hamsterrad der Weltwirtschaft drehen. Sie gieren zum Ausgleich nach Imperfektion, die Harley entgegen der Definition des Ausdrucks mit ihren rüttelnden und vibrierenden Motoren

bewusst anbietet. Damit die Menschen, die sich selber gelegentlich nicht mehr spüren, wenigstens das Ding zwischen ihren Beinen spüren und so wieder geerdet werden. Es gibt Motorräder. Und es gibt Harleys. Harley-Davidson ist ein Mythos und genau davon lebt die Marke. „Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu“, war erstmals in den 1980er-Jahren die Werbebotschaft von Harley-Davidson. Zugeschrieben wird das Zitat Willie G. Davidson, der die Marke erfolgreich ab Anfang der 1970er in die Neuzeit führte. So wie andere Marken Werte wie „Sportlichkeit“, „Power“ oder „technische Führerschaft“ repräsentieren, stehen Harleys für „Freiheit“ und „Individualität“ und seit einigen Jahren auch für „Gemeinschaft“. Facebook ist eigentlich nur ein Spin-off der Idee der Harley-Community für jene, die nicht Töfffahren können. So cruisten Rainer und ich auf gut ausgebauten Nebenstrassen über den Mutschellen ins Freiamt und als ich langsam warm wurde, und noch bis ans Ende der Welt hätte böllern können (etwa nach Baar oder Sihlbrugg), meinte er: „Lass uns zurück fahren.“ Vielleicht hatte er Angst, dass hier in der Pampa ein Pickup mit Aargauer Rednecks auftauchen und uns mit Schrotflinten vom Moped pusten würde, wie Dennis Hopper und Peter Fonda in „Easy Rider“, weil wir auf unseren Harleys einfach verboten sexy aussahen. Oder er war einfach nur viel rascher geerdet als ich. Ich werde mal


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März 2015

Seite zwanzig

«Meine besten Liebes-Erklärungen!»

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März 2015

BÜROTYPEN, DIE IHR IN JEDER FIRMA FINDET

DICK IST DOOF (TEIL 3)

28. Januar 2015 Dominik Hug Der Zeitarbeiter Er versucht stets als erster im Büro zu sein. Seine Mittagspause hält er so kurz wie nur möglich. Und abends besteht die Möglichkeit, dass er sich erst nach 19 Uhr nach Hause begibt. Der Zeitarbeiter arbeitet in einem Temporärvertrag mit Stundenlohn und ist unter konstantem Druck der Anwesenheitspflicht. Ferien? Kennt er nicht. Krank sein? Lieber kuriert er seine Magendarmgrippe auf dem Firmenklo aus, denn zu Hause gibts kein Geld. Zeitarbeiter führen ein trauriges Leben und sind zu bedauern. Der Rockstar In seiner Jugend war er Musiker einer Rockband. Und wie diverse alte Aufnahmen, welche der Rockstar noch immer auf der website www.randomnameforsomerandomband.com mit der Welt teilt, hatte die Band sogar Talent. Und vorallem der eine Song, der eine von fünfzig Songs, der war gut, ja. Und heute, vielleicht zehn oder zwanzig Jahre später, spricht der Rockstar noch immer von seinen “grossen Momenten”, von den Beinahedeals mit den grossen Studios, von den Auftritten als Supporting Act des Supporting Acts von Phébus (“dr Erfolg isch wirklich grad vor dr Tüüre gstande”). Die Oscarpreisträgerin Sie spielte in ihrer Jugend im Dorftheater mit. In ihren frühen Zwanzigern verbrachte sie mindestens ein Jahr in Los Angeles oder New York und nahm dort, wie etwa jede zweite Miss Schweiz, Schauspielunterricht an einer renommierten Schauspielschule. Sie hoffte darauf einst von Di Caprio oder Wahlberg geküsst zu werden und kann ihre Oscar-Dankesrede noch immer auswendig. Ihren Durchbruch schaffte sie leider nie. Und doch erzählt sie noch heute vom Vorsprechen vor Kevin Spacey und davon, dass sie in einer Episode von “Blabla” im Hintergrund zu sehen war. Und dies erzählt sie oft. Täglich.

Der monotone Tiefschlaf Er steckt mit dem Sandmännchen unter einer Decke und plant regelmässig eine Verschwörung mit ihm. Denn wenn er anfängt zu sprechen werden die Sekunden unerträglich lang. In der immergleichen Tonlage trägt er bei Mitarbeitermeetings seine langweiligen Themen vor und du quälst dich mit Gedankenspielen wie “Wie lange kann ich die Luft anhalten bis ich wegtrete” oder “wie fühlt sich das Fell eines Esels überhaupt an?” und versuchst verzweifelt deine Augendeckel offenzuhalten. Wenn ihr ihm Untergeordnet seid, könnt ihr dem monotonen Tiefschlaf nicht entkommen. Wir wünschen euch viel Kraft. Der Gamer Er ist absolut stressresistent, denn während seine Kollegen im hektischen Chaos versinken und alles in ihrer Macht stehende tun um die vom Chef vorgegeben Deadlines einzuhalten, hat der Games nichts besseres zu tun, als in aller Ruhe zuerst mal seine Online-Fussballmannschaften aufzustellen und die Partie von vergangener Nacht zu analysieren. Danach muss er bei seinem Online-Weltraumspiel abchecken, ob seine Raumschiffe auch wirklich noch auf dem Weg zu seinem Zweitplaneten sind, nicht dass da einer noch einen Mondschuss mit sei-

ner Flotte versucht. Zum Pipi machen hat er stets sein Handy dabei, denn wann kann man besser eine Runde Wolfenstein zocken als während des Stuhlganges. Und nachmittags findet er sicherlich irendwelche lustigen Bürogames wie Online-Monopoly, bei welchem er sich stundenlang mit Chi Ill Mol aus China duelliert, während seine Kollegen so doof sind und sich vom Chef bereits den nächsten Anschiss abholen, warum denn die Arbeit noch immer nicht beendet ist. Es ist gesetzlich erlaubt dem Gamer eines in die Fresse zu hauen. Der Deofreak Er hat immer eine Dose Deo dabei. Oft Axe Afrika, dieses hässliche nach Vanille stinkende Teil, welches kein Mensch mit geregeltem Sexualleben an seine Haut lässt. Und pünklich nach der Mittagspause und vor dem Feierabend wird eine neue Schicht Deo unter die Achseln gesprayt, egal ob die Kollegen ob dieses Geschmacks reihern könnten oder schon halb den grausamen Erstickungstod erleiden. Ob der Deofreak sich vielleicht öfters waschen sollte und deswegen stets mit Deo um sich sprüht? Ihm anonym ein Duschgel im Jackensack platzieren könnte das Problem vielleicht lösen. Viel Glück.

SEEN IN A SCENE: DAS CENTRAL PERK AUS «FRIENDS»

26. Dezember 2014 Dominik Hug Falls ihr euch je in New York auf die Suche nach dem Central Perk, der Bar aus der Serie “Friends”, begeben wollt, spart euch die Mühe, sie existiert nur im TV. Nach Serienende wurde das Set jedoch nicht verschrottet. Nein, Warner Bros. hat das Central Perk-Set behalten und kann während der Warner Bros. VIP Studio Tour in Burbank (Kalifornien) besichtigt werden. Viel Spass. www.seeninascene.com

25. Februar 2015 Pete Stiefel Das Startdatum Der Entschluss war also gefasst. Allerdings sollten es vorsichtshalber mal 30 Fastentage werden, an Stelle von 60. Euphorie etwas zügeln, und lieber nach 30 erfolgreichen Tagen entschliessen, das Experiment weiterzuführen, als bei beschlossenen 60 in der Hälfte zu resignieren. Und, unter uns gesagt, ein Monat ist ja auch eine ziemlich anständig lange Zeit. Ausser man ist in den Ferien oder tut sonst was Schönes. Nichts zu essen klingt aber nicht gerade eben wie Urlaub. Das Startdatum war dann auch relativ schnell gefunden: Nach den letzten Verpflichtungen, die mit Essen verbunden waren, der Mittwoch, 21. Januar schien prädestiniert. Der Vorteil vom Winter ist, dass man Gemüse und Früchte (welches man bei einer solchen Kur in rauhen Mengen benötigt) auf dem Balkon aufbewahren kann, weil im Kühlschrank die Säfte stehen. Das ganze im Sommer durchzustehen wäre schlicht unvernünftig, weils dann aus jedem Garten nach BBQs duftet – auch aus meinem. Da lass ich mir durch nichts den Spass verderben. Der Vorrat Auf den Tag X stand der Entsafter mit Zentrifugenfunktion bereit, es galt nur noch, die Zutaten einzukaufen. Weil ich schon im Vornherein beschlossen hatte, dass ich mich nicht strikte an grüne Säfte halten werde, standen mir da sämtliche Regale in der Früchte- und Gemüseabteilung offen. Nicht in einem Grossverteiler, sondern in einem Riesigverteiler, weil es jetzt galt, mal einen anständigen Grundstock anzulegen: Gurken, Karotten, Tomaten, Salat, Äpfel, Birnen, Zitronen, Limetten, Spinat, Trauben, Ananas, Kiwi, Stangensellerie, Randen, Zwiebeln, Orangen, Peperoni, Grapefruits, Granatäpfel, Broccoli (was sich hinterher als grossen Fehler herausstellen sollte), Knollensellerie (ebenfalls ein Fehlkauf) und Ingwer. Ich hätte mit dieser Menge problemlos einen Marktstand mit Frischwaren betreiben können. Aber nein: Diesen Berg galt es die nächsten Tage und Wochen zu entsaften

und zu vernichten. Wieviel man pro Tag tatsächlich benötigt, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, schliesslich wars mir auch noch nicht bekannt, wie es sich mit meinem Hungergefühl verhalten wird. Und ein solches lässt sich bei diesem Reboot ja bekanntlich vermeiden, weil man so viel Saft zu sich nehmen darf, wie man will oder eben muss. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb man nicht einfach Gemüse und Obst essen kann: Man schaffts gar nicht, so viel zu essen, wie man während der Zeit an gesunden Inhalten zu sich nehmen muss, sagt Joe Cross, und sagt der Arzt seines Vertrauens. Früh übt sich, was ein grosser Safter werden will Was folgte, waren Mixexperimente, die mehr oder minder schmeckten. So richtig ekelhaft fand ich eigentlich gar nichts, was bestimmt der Anfangseuphorie zuzuschreiben war, und dem Glaube, dass Gesundes halt nunmal nicht annähernd so toll schmeckt wie Ungesundes. Ganz erstaunlich auch, wieviel Material es braucht, um einen Liter Saft herzustellen. Und ein Liter ist gerade mal knapp 1/3 des Tagesbedarfs. Eine Kuh könnte nicht so viel fressen, wie ich in den Entsafter stopfte. Einige Drinks gabs da, die schmeckten wahrhaftig vorzüglich. Allerdings waren es vorwiegend diejenigen, die mit Früchten zubereitet waren und somit auch ordentlich viel Fruchtzucker enthalten. Mir war das allerdings ziemlich egal, denn ein kleines Bisschen Kalorien brauchte mein Körper, schliesslich lag ich während der Kur nicht auf der faulen Haut in einem New Yorker Hotel, sondern tat fleissig weiter so, als sei alles in meinem Leben wie sonst, inklusive Arbeit. Gemäss Cross sollte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten auch eine ausgeprägte Wachheit entwickeln, eine Energie, die einen vorwärts treibt. Bei mir liess dieser Schub auf sich warten. Was mich allerdings nicht warten liess, war der Erfolg auf der Waage. Ich beschloss nämlich, von Beginn weg täglich zu kontrollieren, ob an dieser Kur wirklich mehr dran ist, als die paar Vitamine, die man sich zusätzlich zuführt.


SÄCHSILÜÜTE BASCHTELKIT! Zünfter hePfrässi heinz. eifach riite.

böögg Seriously? The Fuck is wrong with you guys? I‘m just a frickin‘ season why you burn me?!

aso Ich find das chli komisch.

Erklärs mer doch eifach?

Häsch eifach lieber männer? chasch säge. hani null problem demit.

Das hät scho sini gründ.

Mir wänd kei fraue am sächsilüte!

Nei! fädammt, riit eifach heinZ!

Und wieso hämmer eigentlich öppis gäg d‘frauezunft am sächsilüüte?

hePfrässi heinz. eifach riite.

hePfrässi heinz. eifach riite.

Und die wäred?

Wieso nöd? ich find nöd, dassmer d‘gschicht derart akkurat inszeniere müend.

doch!

Heinz! ich hau di zäme!

Häsch denn bizli angscht vor fraue?

Igendwie so. lueg sälber. mir doch glich.

das sind Lüt, wo dihei chilled und denä sächsilüte komplett am arsch verbi gaht und wo eifach froh sind, dass sie frei händ.

Explosion

Familie, wo tatsächlich

Zürifahne

zueluegt.

Alkoholfahne

Meh Böögg.

So ufstelle. denn azündä. oder au nöd. mir doch glich.

Würschtli für nachher.

facebook.com/zukkihund

Seriously? The Fuck is wrong with you guys? I‘m just a frickin‘ season why you burn me?!


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