Kult März 2014

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. März 2014.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

DRUM LECKT MICH JETZT MAL AM ARSCH 1. März 2014 Rainer Kuhn Vorletztes Wochenende hat mich wieder einer einen Rechten genannt, weil ich zu einem Thema einer Meinung war, die nicht die Seine war. Dass es Leute wie ich sind, die Öl ins Feuer giessen und so. Vorvorletztes Wochenende hat mich einer einen Linken genannt, weil ich in einer Diskussion zu einem Thema einer Meinung war, die nicht die Seine war. Dass es Leute wie ich sind, die Öl ins Feuer giessen und so. Und beide haben sie sich jeweils geschämt, Schweizer zu sein, aus ganz unterschiedlichen Gründen, und beide waren der felsenfesten Überzeugung, dass wenn es Leute wie mich nicht gäbe, das Land besser dastehen würde. Solidarischer. Offener. Restriktiver. Konsequenter. Und dass die direkte Demokratie in manchen Fällen halt nicht so eine gute Einrichtung sei. Ich finde, die haben alle recht. Eine Staatsform, in welcher sich immer die knapp kleinere Hälfte schämen muss für etwas, was die knapp grössere andere Hälfte denkt, ist nicht ideal. Das schürt Zwist. Besser wäre es, wir hätten eine Monarchie, notfalls auch eine Diktatur, mindestens aber eine Scheindemokratie wie die Deutschen das haben, oder die Franzosen, oder die Amerikaner, da

kann sich dann das ganze Volk gemeinsam schämen. Wenn 99% Prozent unzufrieden sind, scheint das immer noch besser, als wenn knapp die Hälfte un-

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zufrieden ist, und drum denen, die im Moment grad zufrieden sind, die Hölle heiss machen. Eine direkte Demokratie funktioniert nur, wenn sie sich in einer

Diskussionskultur niederschlägt, welche den Zweck der Meinungsbildung erfüllt und nicht der Diffarmierung derer, die anderer Meinung sind. Sie funktioniert nur, wenn sich all die gegensätzlichen Ansichten die Hände reichen und das Beste aus dem machen wollen, was die Mehrheit entschieden hat. Sie funktioniert nicht mehr, wenn die einen die anderen andauernd beleidigen, verhöhnen oder sonstwie verunglimpfen. Sie funktioniert in der Schweiz mittlerweile nicht mehr. Drum leckt mich jetzt mal am Arsch. Für all die politischen Diskussionen während den letzten Jahren. Leckt mich am Arsch. Für die angenommene Notwendigkeit, sich einzubringen, in ein System, welches die Idee hat, dass sich möglichst viele einbringen. Leckt mich am Arsch, Stammtische, Diskussionsforen, Nachrichten, Talkshows, ich bin draussen, ich schalt nicht mehr ein, ich hör nicht mehr hin. ich mach nicht mehr mit. Informiert habt ihr mich schon längst nicht mehr. Nur so getan als ob. Leckt mich am Arsch, Ihr Linken, ihr Rechten, ihr Grünen, Roten, Braunen, Gelben, Schwarzen, Ihr Pinken. Leck mich am Arsch, Regenbogen. Auch Du.

PARTYLÖWINNEN DER WOCHE

Ihr eigenes Leben Machen Sie das mal. Ist ein lustiges Experiment: Verzichten Sie einen Monat lang auf sämtliche Medien. Kein Internet, keine Zeitungen, keine Magazine, kein TV, kein Radio, kein Kino, kein Buch, nichts. Absolut kein anderer Input ausser dem, was Sie selber erleben. Sie machen einfach mal die Schleuse zu und lassen nichts mehr in Ihr Hirn, ausser Ihre eigenen Eindrücke und Gedanken. Sie werden sehen, das Meiste, was Sie draussen lassen, ist eh Dreck. Sind Informationen, die Sie nicht wirklich informieren, sondern lediglich Ihren Angstpegel hochhalten. Ist Unterhaltung, die Sie nicht wirklich unterhält, sondern Sie einfach für ein paar Stunden ruhig stellt. Oder glauben Sie im ernst, dass das, was wirklich abgeht auf dieser Welt, in den Medien kommt? Vergessen Sie das. Kümmern Sie sich stattdessen mal um Ihr eigenes Leben, um Ihre eigene Befindlichkeit. Sie werden erstaunt sein, was in diesem Monat Medienverzicht so alles in Ihrem Innenleben an die Oberfläche drängt. Schöne Sachen, weniger schöne Sachen, auf jeden Fall ihre eigenen Sachen. Schauen Sie die in Ruhe an, spielen Sie damit, ordnen Sie es neu. Ihr Glück liegt darin verborgen. Legen Sie es frei, es wartet darauf. Vielleicht finden die Gespräche in der Pause halt mal ohne Sie statt. Vielleicht kämpfen Sie dann und wann mal gegen Ihre Neugierde an. Seien Sie unbesorgt, Sie gewinnen auf jeden Fall. Denn Sie bekommen genau das zurück, was Sie bisher so langsam aber sicher verloren haben: Ihr eigenes Leben. Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Rainer Kuhn, Reinhold Weber, Midi Gottet, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Vanessa Kunz, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Zukkihund, Nadine Schneider, Ronny Misteli

12. Februar 2014 Reinhold Weber. True colors. Zugespitzt, klar, schön, schnell, und auch die Veganer, der Herr Hiltl und mein Gemüsehändler im Chreis 4 haben viel Freude daran.

3. März 2014 Alex Flach. Versuchen Sie mal zu DEM Bild einen Kommentar abzugeben, der nicht umgehend in der sexistischen, rassistischen oder sonst irgendeiner dümmlichen Ecke landet… wir haben uns ehrlich den Kopf zermartert, aber es wollte uns einfach nicht ge-

lingen. Eventuell haben Sie ja Optionen für eine passende Bildunterschrift: Der beste Vorschlag wird mit reichlich Respekt und noch mehr Anerkennung gewürdigt. Jedenfalls danken wir dem Tilllate-Fotografen für die Bereicherung des www mit diesem denkwürdigen Bild.

Gestaltung: Fredy Heritsch/Aline Hafen Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh. www.kult.ch/gmbh

Wir freuen uns über jeden Anhänger: www.facebook.com/zuerilinie


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GEFALLENE HELDEN: JONATHAN BRANDIS

6. Februar 2014 Dominik Hug. Jonathan Brandis kam schon früh mit der Öffentlichkeit in Kontakt. Schon als Kind wurde er für Werbespots gebucht. Es folgten Gastauftritte in Serien wie “Full House”, “Sledge Hammer” oder “Wer ist hier der Boss?”. Der Durchbruch gelang ihm in der ersten Hälfte der Neunziger Jahre. In “Die Unendliche Geschichte II” übernahm er die Hauptrolle, ebenso in Sidekicks (an der Seite von Chuck Norris), bis auch Steven Spielberg auf Brandis aufmerksam wurde und ihn für die Serie “SeaQuest DSV” engagierte. Ende der Neunziger wurde es ruhiger um Brandis und er musste sich mit heftigen Depressionen herumschlagen. Am 11. November 2003 wurde er von einem Freund erhängt in seiner Wohnung gefunden. Selbstmord. Er wurde 27 Jahre alt.

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MUSS MAN HABEN: MATT GROENINGS OSCAR SELFIE

6. März 2014 Midi Gottet. Wie hat Matt Groening es bloss geschafft, dass alle Schauspieler nochmals genau gleich posiert haben? Genius

PARTYLÖWEN DER WOCHE GEFALLENE HELDEN: MAX RIGHT

10. Februar 2014 Alex Flach. „…da lupft’smer de Huet!“. Das hat sich wohl Joe Dalton gedacht, als er sich zwischen Averell (links) und Jack (rechts) klemmen musste. Irgendwie kommt so das ganze, ursprünglich von Morris und Goscinny so schön in Szene gesetzte, Grössenverhältnis durcheinander. Was wir ebenfalls nicht verstehen ist, wieso das schöne Gelb/Schwarz der Daltons nun nur noch in der Mütze zu sehen ist die, bei genauerem Hinsehen, nicht mal Joe gehört, sondern dem unbeteiligten Partypassanten hinter ihm (wieso zum Teufel trägt man im Club ein solches Wollteil? Wenn damit immerhin der

Meistertitel des BVB gefeiert würde, aber einfach so fürs Zwischendurch… da schwitzt man doch wie ein Schwein….). Es ist nicht schön, wie heutzutage mit unseren Comic-Kindheitserinnerungen umgesprungen wird. Unter Goscinny hätt’s das nicht gegeben. Anmerkung der Redaktion: Böse ist wer Böses liest. Wir lieben die Partylöwen, allesamt. Wer hier was zwischen den Zeilen herausliest ist ein böser Mensch. Und ein Zyniker. Wir haben ihn dann aber trotzdem lieb. Oder gar „erst recht lieb“. Das lassen wir mal offen.

25. Februar 2014 Dominik Hug Ihr kennt ihn doch alle noch. Vielleicht nicht seinen Namen, aber ganz sicher sein Gesicht. Er war der Erden-Papa von Katzenfresser Alf. Max Wright heisst der Mann, dem das Serienende von Alf anno 1990 sehr zugesetzt hatte. Er hatte danach zwar zahlreiche Gastauftritte in Serien und kleineren Filmen, jedoch war seine Hightime leider vorbei. Zudem wurde bei ihm 1995 Lymphoma-Krebs diagnostiziert. Wright schien daraufhin komplett aus der Bahn gefallen zu sein. Anno 2001 wurde er in einem Crack House fotografiert, Crack rauchend und Sex mit einem Mann habend. Max Wright ist noch am Leben, aber leider ist “Willie” tief gefallen. Ich wünsche ihm von Herzen nur das Beste.

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DAS MUSS MAN NICHT HABEN: EINEN MEDIALEN WONDERBRASUPERPUSH-UP 3. Februar 2014 Henrik Petro. «MillionenBetreibungen gegen Patrick LiotardVogt – Jetzt redet Xenia!» sprang mich die Blick-Schlagzeile an. Verdammt! Jetzt wirds spannend! Was hat Xenia, die mit Patrick öfters gemeinsam zu sehen war, zu erzählen? Kennt sie – immerhin Banker-Ex-Praktikantin – die genauen Hintergründe und wird sie uns diese in verständlicher Form darlegen? Schlägt sie eine Bresche für Patrick und entlarvt die Kläger als trittbrettfahrende Scharlatane? Schaffts sie es, Schadensbegrenzung zu betreiben – oder stösst sie im Gegenteil Patrick erst recht ins Höllenfeuer der ewigen Verdammnis der sensationslüsternen Medien? Und vor allem: gibt es zur Illustration des Artikels ein Bikini-Föteli? Ich liess alles stehen (das Geschirr) und liegen (meine Socken), um diesen Primeur, diese Sensationsnachricht, diese Insidernews aus erster Hand gierig zu verschlingen. Und dann, etwa in der Mitte des Interviews – in my face – sagt sie: «Erst muss ich mit ihm sprechen, um zu verstehen, was genau passiert ist und ob diese ganze Geschichte wahr ist. Ich hoffe nicht.» Äh, wie? Und Leute, es wird noch besser:: Blick: «Sie wussten nichts davon?» – Xenia: «Nein, gar nichts. Ich kenne die Details noch nicht. Aber ich hoffe wirklich, dass es nicht genau so ist wie es beschrieben wurde.» Hallo? Sie hat weder Ahnung noch weiss sie etwas und hat noch nicht einmal mit ihm darüber gesprochen – und daraus macht der Blick die Schlagzeile «Jetzt redet Xenia»? Na gut, gelogen ist es nicht. Toll! Ich freue mich jetzt schon auf: Wawrinka lästert über grössten Fan: «Dieser riesige Propeller an der Decke meines Hotelzimmers raubte mir den Schlaf!» Bachelor Vujo endlich in festen Hän-

den: «Also die Massage dieses ukrainischen Ringkämpfers werde ich in zwei Wochen noch spüren. Mega.» Ulrich Gygi kehrt der SBB den Rücken: «Ich verlasse mein Büro jeden Abend mit Blick nach vorne.» Christoph Mörgeli schlägt zurück: «Mein Tischtennisspiel ist besser geworden, dank stundenlangem Training auf der Wii-Konsole.» Oberster Zürcher Drogenfahnder packt aus: «Ja es stimmt, wir haben unser Büro eigenhändig gezügelt.» Swiss-Pilot stürzt ab: «Oh Mann, ich glaube, jetzt habe ich nicht nur im Hive, sondern auch in der Zukunft Hausverbot.» Pfarrer Sieber gibt den Löffel ab: «Es nützt doch nichts, den Bedürftigen eine Suppe zu geben, aber nichts, womit sie diese essen können!» http://www.blick.ch/people-tv/schweiz/jetztredet-xenia-id2639022.html

WAS VON SOTCHI BLIEB

27. Februar 2014 Reinhold Weber Die (gefühlt) 8-stündige SandalenShow war sehr russisch, die Sportbekleidung der deutschen Sportler sehr warm, das Flämmlein ging an, ein Ski brach ent-

zwei, irgendwer war gedopt, keiner hat niemanden in die Luft gesprengt, es gab noch keinen Synchron-Eiskunstlauf für Frauen, und dann ging das Flämmchen wieder aus. Kurzum: Es war sehr schön.


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«EINEN EXZELLENTEN DAMEN-ARSCH KANN ICH MIR AUCH VORSTELLEN …» Christian Platz, 17. Januar 2014. Wir sind heutzutage in jedem Moment exzellent. Wir stehen am Nachmittag exzellent auf. Wir fahren exzellent, mit dem exzellenten Zug, zur Arbeit, die wir ebenso exzellent erledigen. Dabei ruhen wir uns keineswegs auf unseren vier Buchstaben aus, wir sind stetig mit dem Ausbau unserer Exzellenz beschäftigt. Jawohl. Wir exzellieren ununterbrochen. Ununterbrochen! Kürzlich habe ich – im Vorwort eines Werbemagazin für Wellness-Angebote, es lag im Zug, auf meinem Sitz – folgendes gelesen. Auch die Männer hätten nun endlich festgestellt, dass Wellness eine unverzichtbare Zutat auf dem Wege zur persönlichen Exzellenz darstelle. Als Beispiel wurden Bierbäder angeführt, die mit einer Weinprobe enden. Exzellente Idee! Oder etwa nicht? Da mich die Exzellenz seit Jahren und auf mehreren Ebenen beschäftigt, habe ich letzte Woche an einem Seminar zur Exzellenzsteigerung teilgenommen. Dabei habe ich einerseits begriffen, dass wir unsere Exzellenz professionalisieren müssen. Andererseits erfuhr ich, dass Effizienz den ersten Schritt zur Exzellenz darstellt. Der Referierende hat sogar einen Master-Titel in Exzellenz absolviert. Nun überlege auch ich mir eine Weiterbildung in diesem Metier, schon die Begrüssung am Kick Off Meeting war für mich eine Offenbarung, ihr Wortlaut: „Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, heute wollen wir damit beginnen, unsere Exzellenz nachhaltig zu optimieren. Dazu gehört eine positive Einstellung. Schliessen sie die Augen. Atmen sie tief durch, mit der Luft dringt nun der Dienstleistungsgedanke in alle Windungen ihres Hirns, in alle Fasern ihres Körpers ein. Die Welt besteht aus Kunden. Wir alle sind Kundinnen und Kunden, gleichzeitig sind wir alle Dienstleisterinnen und Dienstleister, in jedem Moment unseres Lebens. Wenn man es unter diesem Aspekt betrachtet, sieht doch alles schon viel besser aus. Und wir verstehen zudem, warum wir unternehmerisch denken müssen, nicht nur im Beruf – sondern auch bezüglich der Totalität unserer privaten Verrichtungen. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns exzellent verkaufen, in jeder Situation. Wer sich exzellent verkaufen will, muss sich dabei

auch exzellent fühlen. Jawohl, das Streben nach Exzellenz darf nie aufhören! Wir müssen stetig an uns arbeiten, wir müssen Beziehungsarbeit, Vernetzungsarbeit, Trauerarbeit, Entwicklungsarbeit, Projektarbeit leisten, müssen unsere Exzellenz in jedem Moment einer schonungslosen Analyse unterziehen, dabei darf es keine Tabus und keine blinden Flecken geben. Nur so kann sich der allumfassende DienstleistungsGedanke universal durchsetzen, in einem Prozess, der uns schliesslich von Exzellenz zu Exzellenz führen wird. Ich persönlich arbeite auf allen Ebenen meines Lebens ja schon lange mit unerbittlichen Fünf-Jahres-Plänen. Mit diesem Werkzeug habe ich mich schon nachhaltig verbessert. Inzwischen habe ich die Fünf-Jahres-Ziele noch methodisch ausdifferenziert, denn Jahre bestehen ja aus Monaten, Wochen, Tagen, Stunden, Minuten, Sekunden, diesen Faktor müssen wir im Auge behalten. Fünf Sekunden können den Unterschied zwischen Exzellenz und Absturz bedeuten. Deshalb brauchen wir umfassendere Instrumente, die unsere Fünf-Jahres-Planungen unterstützen. Wir brauchen den Fünf-Monate-Plan, den Fünf-Wochen-Plan, den Fünf-Tages-Plan, den Fünf-Stunden-Plan, den Fünf-Minuten-Plan und – JAWOHL – wir brauchen den Fünf-SekundenPlan. Und diese sechs Untergruppen des Fünf-Jahres-Plans müssen rigoros koordiniert werden. Sonst ist alles für die Katz. Carpe Diem heisst dabei die Losung! Zeit ist ja ein beschränktes Gut, wir müssen sie optimal nutzen, meine Damen und Herren. Nachhaltig! Dies mag jetzt sehr Anforderungsreich klingen. Aber wir müssen uns diese Entwicklung hin zur Exzellenz als Prozessarbeit

vorstellen. Und es handelt sich um einen ein Prozess, der nie aufhört. Niemals! Die Koordinaten sind klar – unser Ziel ist gaaaaaaaaaahaaaaaanz oben. Wer mit dieser Einstellung ans Werk geht, wird exzellieren. Dafür braucht es vor allem eins, lebenslanges Lernen. Lebenslang!!!“ Darauf folgten dann die Gruppenarbeiten. Wir haben Pläne aufgestellt. Wir haben klein angefangen, haben übungshalber Fünf-Sekunden-Pläne entwickelt, für so einen braucht man halt schon zwei, drei intensive Stunden. Für derartige Entwicklungsarbeiten muss man sich einfach Zeit nehmen, wenn nämlich der Fünf-Jahres-Plan mit seinen sechs Untergruppen erst mal ins Rollen kommt, gibt es kein Zurück mehr. Studien habe es bewiesen: Je besser der Plan gemacht ist, desto nachhaltiger entwickelt sich die Exzellenz. Nach dem Kick Off Meeting fühlte ich mich bereits viel besser! Die 6789 .Franken Seminargeld waren halt schon eine nachhaltige Investition. Ich wollte die frohe Botschaft also weitertragen. Und testete die neu gewonnen Erkenntnisse an meinem Onkel Dante, der ein echter Professor alter Schule und ein regelrechter Wüterich ist; der kein Blatt vor den Mund nimmt, vor keiner Vulgarität zurückschreckt und immer einen mächtigen Durst mitbringt. Wie immer trafen wir uns also im Restaurant Zum letzten Loch. Mit Feuereifer weihte ich in ihn das neue Metier meiner Wahl ein. Seine Reaktion war für mich ungemein enttäuschend. Er hob die linke Augenbraue an, in jenem speziellen Winkel, dem WutWinkeln nämlich, stellte seinen Dreieinhalb-Liter-Bierhumpen ab, dann sagte er laut und schneidend, sein Wortlaut:

„Dein Geschwafel macht mich krank. Ich weiss, was exzellent ist. Mein Schwanz ist exzellent. Einen exzellenten Damen-Arsch kann ich mir auch vorstellen, ich kann ihn betrachten und kneten. – Da bin ich gerne Dienstleister, da bin ich gerne Kunde – und dafür brauche ich alles andere als Effizienz!” “Willst Du am Ende auch noch exzellent scheissen? Willst Du einen Fünf-Jahres-Plan für die Verbesserung Deiner Kot-Konsistenz aufstellen? Willst Du Dich effizient verlieben, verloben und heiraten – um Dich dann nach fünf Jahren exzellent scheiden zu lassen? Willst Du einen exzellenten Autounfall bauen? Bist Du dankbar dafür, wenn Deine Arbeitstelle auf effiziente Art und Weise wegrationalisiert wird, unter der Flagge der Exzellenz? Willst Du exzellent Arschkrebs bekommen? Willst Du exzellent abkratzen? Ist Dir überhaupt klar, was exzellent heisst? Das kommt aus dem Lateinischen, von excellere, das heisst hervorragen. Wenn wir alle permanent hervorragen, gibt es niemanden mehr, den wir überragen können. Wenn eines Tages alles immer exzellent ist, nach Deinen pseudowissenschaftlichen Massstäben, haben wir einfach das Wort Normalität gegen das Wort Exzellenz ausgetauscht. Dann brauchen wir halt ein neues Wort für wahre Exzellenz. Und das soll ein Fortschritt sein? Da kann ich nur lachen. Ihr Jungen solltet Euch lieber wieder mal um Inhalte kümmern – anstatt ständig um Strukturen. Wer endlos an Strukturen herumschraubt, verliert am Ende alle Inhalte und damit seinen Halt in der Welt. Wer immer nur plant, lebt nicht mehr. Effizienz planen, wenn ich das schon höre, da übst Du lieber Mundharmonika oder

lernst Reizwäsche schneidern! Ihr wollt Eure Exzellenz und Effizienz in allen Bereichen steigern, und dies überall nach dem gleichen Muster, ob es sich nun um eine Gummibärchen-Fabrik, eine Akkordeon-Manufaktur oder eine Schmerzklinik handelt. Und während Eure Planungsexzesse verstreichen, geht die reale Welt vor die Hunde. Da ist doch jeder Alkoholexzess, jede tüchtige Prügelei, jede Sexorgie produktiver. Die Menschheit ist nun tatsächlich zu einer schlechten Komikertruppe verkommen. Kollektiv. Und alle wiederholen sie immer die gleichen Worte, die gleichen Sätze, wie Mantras des Schwachsinns. Diese neue Idiotensprache macht mich richtig agressiv! Ich furze auf Deine Exzellenz – und es ist ein dröhnender, ein optimierter Furz. Wenn Du das Wort Exzellenz noch einmal in den Mund nimmst, ziehe ich Dir meinen Bierhumpen über den Schädel! Und zwar nachhaltig!“ Ich versenkte das Thema also unter dem Tisch.

Denn mein Onkel Dante pflegt seine Drohungen in der Regel wahr zu machen. Ich schätze meinen Onkel zwar sehr, aber er ist schon ein starrköpfiger alter Trottel. Er verweigert eindeutig das lebenslange Lernen. Mit einem ordentlichen Fünf-Jahres-Plan könnte man da sicher einiges verbessern. Seine Zeit scheint abgelaufen zu sein. Jaja, die Welt hat schon so manches Fossil gesehen. Wer seine Effizienz heute nicht optimiert, wird sang – und klanglos untergehen. Wie einst diese ausgestorbenen Riesenechsen… …wie haben die jetzt schon wieder geheissen? Ach… Scheiss drauf. Es gibt wichtigere Themen…


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März 2014

KORHELOVICA ODER: WEIHNACHTEN BEI MAMI

31. Dezember 2013 Henrik Petro. «Was machst Du am 24.? Kommst Du zu mir?» fragte meine Mutter Mitte Dezember. «Leider nein, ich habe schon zwei Anfragen, so einsame Herzen», die Antwort ihres Rabensohns. Also von mir. «Ach ja, und ich bin etwa kein einsames Herz?», sagte meine Mutter zwar nicht, sondern dachte es nur erstaunt über mein Vertrauen ihr gegenüber, dass sie «den Weihnachtsabend ohne Schaden auch sehr gut alleine verbringen kann», wie sie mir später erklärte. Zumindest Karma hatte Erbarmen und stornierte die Angebote, so dass ich doch an Heilig Abend am 1906 erbauten Wohnhaus in Zürich Wollishofen klingelte. Höhepunkt bei meiner Mutter an Weihnachten ist das Essen (einverstanden – bei welcher Mutter schon nicht?). Eine der Standardspeisen ist die Sauerkrautsuppe: Korhelovica – zu Deutsch: Säufersuppe. Denn nach durchzechter und durchsoffener Nacht soll diese Suppe nähren und Kater hemmen zugleich. Aber vor allem schmeckt sie! Ingridenzien sind – oh, Überraschung – Sauerkraut, Kartoffeln, Pilze, Schinkli und pikante Paprikawürste. Eine Delikatesse – die ich mir aber Jahr für Jahr redlich verdienen muss. «Ah, super», sagte sie zur Begrüssung, zwei Worte, die (zumindest mir gegenüber) zu ihrem Basiswortschatz gehören. «Da kannst du mir grad noch was installieren.» Äh… aaaahja. Es ist eben so, dass ich meiner Mutter an Weihnachten IMMER etwas installieren muss. Sei es ein neues iPhone oder iPad konfigurieren, einen WiFi-Router zum Laufen bringen oder – wie heute – ihr neues UPC Cablecom Horizon konsumfertig einrichten. «Ich habe eine neuen Fernseher», beantwortet sie meinen fragenden Blick. Einen neuen Fernseher?! HEILIGE SCHEISSE!! Das ist kein Fernseher, das ist eine LED-Wand, gross genug, um am Hauptbahnhof Zürich die Reisenden mit Werbespots einer Instantgehirnwäsche zu unterziehen. Sofort spürte ich ein unschönes Gefühl in meinem Bauch – purer Neid! Auf meine Mutter! Und das an Weihnachten – pfui! Aber Jesus vergibt allen. Oder war das sein Vater? «Warum eigentlich ein neuer Fernseher?», fragte ich, war doch der Vorgänger noch immer grösser als mein eigenes Heimkino. «Ich konnte die Untertitel nicht mehr lesen.» Aha. Es kommt also doch auf die Grösse an. Erst recht im Alter.

Auf actio folgt reactio und blöde Fragen stellen kann meine Mutter genau so gut, wenn nicht sogar besser: «Und was läuft bei dir mit Frauen?» Das war der Moment, an dem ich mir überlegte, die Wirksamkeit der Säufersuppe im Selbstversuch zu testen. Dazu müsste ich mich aber vorher randvoll laufen lassen. Und genau darauf hatte ich plötzlich unbändige Lust. Aber da diese Frage genau so zum jährlichen Ritual gehörte und ich noch eine komplizierte Aufgabe zu erledigen hatte, verschob ich das Besäufnis auf den nächsten Tag. Den Fernseher hatte sich meine Mutter liefern und installieren lassen, er stand bereits auf ihrem rollbaren TV-Möbel, das eigentlich robust und ansehnlich war, aber unter dem riesigen Flatscreen wirkte wie aus einem Überraschungsei. Vorsichtig rollte ich das ganze nach vorne, legte mich, soweit es der Platz zuliess, hinter die Installation und begann, Kabel aus, um- und einzustöpseln. Nach getaner Arbeit erhob ich mich und sagte: «Lass es uns zuerst ausprobieren, bevor wir das Teil wieder nach hinten rollen.» – «Ja», sagte meine Mutter – und rollte das Teil wieder nach hinten. Es funktionierte, zum Glück. Dann kam der Part, der jedesmal genau gleich abläuft: dazu muss ich vorausschicken, dass meine Mutter Bedienungsanleitungen grundsätzlich nicht in die Hand nimmt, geschweige denn liest – so, als könnte man von ihnen Krätze bekommen – oder Augenkrebs. Es kam nun also: die Instruktion. «Mit dem Knopf kannst du das und das und mit diesem Kopf hier das… schreibst du es dir diesmal auf?» – «Ja, ja…» Sie kritzelte eine Skizze der Fernbedienung und fing an, die Tasten anzuschreiben. Für einen Aussenstehenden mochte das vielversprechend aussehen. Mich konnte es nicht mehr täuschen. Wenn ich in ein paar Monaten nachfrage, ob sie je eine Sendung aufgezeichnet und geschaut habe, wird sie mir einen gekreuzten Blick zuwerfen und sagen: «Na.» Auf meine Frage, warum nicht, wird sie antworten: «Weil ich nicht draus komme wie das geht.» Worauf ich genervt sagen werde: «Aber ich habe es dir doch genau gezeigt. Und ausserdem hast du eine Bedienungsanleitung…» Und sie daraufhin selber genervt in der Wohnung hin und her laufen und irgendwelche wichtigen dringenden Tätigkeiten vortäuschen würde, um diese Diskussion nicht weiterführen zu müssen. Ja, Familienrituale an Weihnachten sind schon was Schönes!

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REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: IHRE POST

11. Februar 2014 Reinhold Weber. Michael hat an seinem ersten Brief ziemlich lange geschrieben. Aber aller Anfang ist schwer. Und Tante Linde hat sich sehr gefreut, auch wenn sie zum Entziffern so lange gebraucht hat wie Michael zum Schreiben. Von einem Brief hat man länger was. Mancher wird Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte aufbewahrt. Und manchmal hat man einfach einen ganzen Tag Spass daran. Denn erstens freut man sich schon morgens, wenn man zwischen einem Kontoauszug und einer Rechnung einen richtigen Brief findet. Zweitens kann man ihn in der Strassenbahn schon mal kurz überfliegen. Drittens hat man vielleicht in der Mittagspause Zeit, ihn in aller Ruhe zu lesen. Viertens, wenn es ein besonders

lieber Brief ist, liest man ihn kurz vor dem Einschlafen noch mal, weil’s so schön war. Und fünftens kann man ihn auch noch beantworten. “Ja, Briefe kriegen ist schön”, sagen jetzt bestimmt viele Leute, “aber Briefe schreiben ist schwer. Ausserdem habe ich keine Zeit für sowas.” Wenn nun aber zum Beispiel Julia den Brief von Gregor tatsächlich dreimal gelesen und sich so darüber gefreut hat, dass sie den ganzen Tag guter Laune war, dann schreibt sie einfach auf eine schöne Postkarte: “Lieber Gregor, über Deinen Brief habe ich mich so gefreut, dass ich ihn dreimal gelesen habe und den ganze Tag guter Laune war. Schreib mir doch noch einen! Deine Julia.” Dann freut sich Gregor.

Wahrscheinlich schon am nächsten Tag. Denn die Post beeilt sich: 95 Prozent aller Briefe und Postkarten erreichen ihre Empfänger innerhalb von 24 Stunden. In dieser Zeit befördert die Post ausser Julias Karte an Gregor noch 33 Millionen weiterer Briefsendungen, darunter rund 80.000 Eilsendungen. Und das Tag für Tag; das macht im Jahr 12 Milliarden Briefsendungen und beschäftigt 60.000 Briefträger, die all diese Sendungen allen Lesern ins Haus tragen. Über einen richtigen Brief freut sich jeder. Und schreiben kann ihn auch jeder. Ihre Post. (Danke, Diethard Nagel von GGK, für diesen schönen Anzeigentext. Dein Reinhold.)

MITTAGESSEN MIT DEM CHEF 16. Februar 2014 Yonni Meyer Heute war ich mit meinem Chef Mittagessen. Also mit dem vom Kult. Also mit dem Rainer Kuhn, nöd wahr. Als er mich fragte, ob ich mal Lust hätte, mit ihm Lunchen zu gehen, war ich etwas verunsichert. Wusste nicht, ob er nicht eher „Lynchen gehen“ meinte – meine Karriere bei Kult nämlich. Mädchen, wie ich bin, machte ich mir innert 4 Millisekunden 74’000 Gedanken. Hatte ich was Falsches geschrieben? Hatte ich zu wenig Falsches geschrieben? Hatte ich generell einfach zu wenig geschrieben? War ich keine Badassmutherfuckerin wie all die anderen Heinis bei Kult? Drama. Drama. Drama. Natürlich zu Unrecht. Auf Nachfrage sagte der Chef, nein, er wolle einfach mal wieder seine Dankbarkeit ausdrücken. Hui. So nett. Aso so richtig richtig nett. Die ersten 45 Minuten waren themenmässig bereits verplant, das wussten wir beide. Der Chef und ich haben politisch das Heu nämlich auf unterschiedlichen Bühnen. Auf Bauernhöfen auf unterschiedlichen Kontinenten. Auf unterschiedlichen Planeten. Ist auch mega okay so, wir gestehen uns beide gegenseitig unsere Meinungen zu. Er

auf seinem Planeten, ich auf meinem. Nur hatte natürlich das Abstimmungswochenende bei uns beiden Spuren der endlosen Diskussionen, Rechtfertigungen, Frustration hinterlassen. So tauschten wir uns denn, wie eben schon erwartet, erst einmal aus. Von Nationalsozialismus war die Rede, von Internationalsozialismus, der EU, dem Unwort „Abschottung“, dem Einfluss, welchen das kleine Tessin auf die Abstimmung hatte, den Nordstaaten, den

Südstaaten und Barack Obama. Vor lauter Diskutieren konnten wir beinahe das Edamame nicht fertigessen (ich hoffe übrigens, dass Edamame weiterhin masseneinwandern darf, aber das nur so nebenbei). Dann schmiss der Chef irgendwann seine Stäbli neben seinen Algensalat und sagte: So, fertig jetz! Alsogut. Fertig jetzt. Während wir an unseren Futo- und Uramaki herumkauten, diskutierten wir die restliche, nicht ein- oder auswandernde Welt. Das journalistische Mikrouniversum Zürich und dessen Bestandteile, meine Karriere oder was auch immer es sein mag und die Frage, warum Männer eine Mutter und eine Nutte in einer Frau vereint, Frauen ein Arschloch und einen Traumprinzen in einem Mann vereint suchen. Wir redeten über unsere Steuern (wäh) und die Pensionskasse (wäh) und Fanpost (jeh) und deren Inhalt (wäh/jeh). Es entfleuchte uns sehr viel Weisheit und das ganz ohne Alk oder Drogen. Als wir uns wieder auf den Weg machten, schaute ich auf die Uhr und sah, dass wir 3 Stunden geredet hatten. Ihr seht – wir vom Kult haben nicht nur online „d’Schnure immer zvorderscht“.


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März 2014

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NIRVANA TRAIN 5. Februar 2014 Christian Platz. So lasse ich also die letzten paar Jahre Revue passieren. Eine Prozession des Grauens, Fest des Versagens. Fronleichnam. Mindestens. Um es gleich vorwegzunehmen: Ich hatte keine Chance. Und ich habe sie auch nicht genutzt. So ab Anfang 2010 hätte ich die Möglichkeit gehabt, in eine aufregende neue Dimension vorzudringen, stattdessen habe ich mutterseelenallein auf der Bug-Terrasse jener mächtigen, komplett verrosteten Autofähre rumgehangen, in die Dunkelheit gestarrt, in der Kälte, im Winternebel, mich mit einer Möwe verbrüdert, die das Schiff manisch kreischend begleitete – wie ein psychotischer Trabant -, während die anderen Reisenden drinnen ausgelassen feierten.

te, zudem habe ich die letzten Tropfen aus stehengelassenen Bierflaschen gesaugt. Tropfen des Elends.

dem Nichts entsteigend, erschienen ist: “Willst Du mich heiraten?”

Wie Tränen auf ausgetrockneter Zunge. Natürlich ist mir die gute Fee erschienen. Sie hat nach meinen Wünschen gefragt. Ich hätte alles bekommen können. Aber ich sagte nur „weiss nicht“. Und da zog sie halt weiter. Ich träume noch heute von ihr. Doch ich bin mir sicher, dass sie ausserstande ist, mir eine zweite Chance zu geben. Sie ist nun in einen anderen Himmel gezogen. Dabei hat mir jene Frage auf der Zunge gebrannt, just als mir die gute Fee damals,

Doch ich konnte es nicht sagen. Auch einen Brief habe ich abgeschickt. Ordnungsgemäss frankiert. Leider habe ich vergessen, das Kuvert mit einer Adresse zu versehen. Neun mal ist er um die Erde gereist. Neun mal hat er unseren blauen Planeten umkreist. Am Ende ist er wieder zu mir zurückgekommen. An einem anderen grauen Tag. Also habe ich ihn gelesen. Da stand: „Ich liebe Dich.“

Zurück an den Absender. Man hat mir so einiges angeboten. Ich habe alles ausgeschlagen. Aus allerlei Launen und Stimmungen heraus. Die Leute haben es mir übel genommen. Ich kann das gut verstehen. Aber ich kann halt nicht aus meiner Haut.

Für Dich gibt es keinen Himmel! Ich esse das nicht, es ist ekelhaft, habe ich dem Kellner erklärt, ich bezahle trotzdem, aber richten sie dem Koch aus, dass er ein verdammter Versager ist!

Und zuviel Arbeit liegt mir genausowenig – wie zuviel Ruhe. Die Raupe hat sich nicht in einen Schmetterling verwandelt. Sie ist als Raupe verendet und wurde von einem Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in einen Gully befördert. Mit einem mächtigen Wasserstrahl. Adieu kleine Raupe.

Mit Sekt und Grappa. Ich hätte mir wohl Ziele setzen, Ziele erreichen können. Stattdessen bin ich ohne Fahrkarte in den Zug nach nirgendwo gestiegen, habe mich dort monatelang – unter den Bänken – vor dem Schaffner versteckt und von Brotkrumen gelebt, die traurige Passagiere beim Essen fallen liessen, manchmal war auch ein Fitzelchen Speck (vom weissen) oder Salat dabei, manchmal einige Flecken schmierige Butter, die ich wie eine Katze vom Boden aufleck-

COFFECUPGATE 23. Januar 2014 Henrik Petro. Wenn ich am Morgen schon gewusst hätte, was heute auf mich zukommt, wäre ich liegen geblieben. Aber das Schicksal hat seine eigenen grausamen Pläne. Um 8.47 Uhr begab ich mich im Büro gut gelaunt in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Ich öffnete summend den Geschirrschrank, um mir eine frische Tasse zu nehmen. Dabei streifte mein Blick die darunter liegende Spüle. Ich stockte. Im Spülbecken stand eine gebrauchte Kaffeetasse – mit Kaffeelöffel! «Na gut», dachte ich. «Vielleicht hat gestern jemand noch spät gearbeitet und als er oder sie die Kaffeetasse in die Küche brachte, war der Geschirrspüler schon am Laufen. Diese Person wird sicher später die Tasse in die Maschine stellen.» Ich öffnete den Geschirrspüler und blickte hinein: ja, das Geschirr in der Maschine war wie vermutet sauber. Ich füllte meine Tasse mit Kaffee und ging wieder in mein Büro. 12.08 Uhr, Mittagspause. Ich kam in die Küche zurück, diesmal, um mein mitgebrachtes Mittagessen in der Mikrowelle warm zu machen. Während sie lief, warf ich einen Blick in den Spültrog. Meine Nackenhaare sträubten sich. Die verschmutzte Tasse stand noch immer drin – mit dem Löffel! Ich öffnete den Geschirrspüler – er war leer! Also warum hatte der, der die Tasche in den Trog gestellt hatte, sie inzwischen nicht in den Geschirrspüler getan wie alle anderen auch? Ich blickte zu den essenden Mitarbeitern am Tisch, die sich angeregt miteinander unterhielten. War es womöglich einer von ihnen? Ich setzte mich mit dem aufgewärmten Essen an den Tisch. Während ich stumm vor mich hinkaute, blickte ich verstohlen jeden an, suchte nach verräterischen Zeichen wie Schweiss, geröteten Wangen oder flackernden Blicken. Entweder waren dies die verdammt besten Pokerspieler, die ich kannte – oder sie waren allesamt unschuldig. «Wem ist eigentlich die Tasse in der Spüle?», fragte ich beiläufig. Alle zuckten unbeteiligt mit den Schultern.

«Wenn sie dich stört, verräum sie doch», meinte Silvan, ein Klugscheisser und Streber. «Es geht ums Prinzip. Aber wenn dir Prinzipien egal sind, dann verräum Du sie doch..?», zischte ich zurück. «Bist Du behindert? Ich räum doch nicht den Dreck anderer auf?! Wenn ich damit mal anfange, kann ich mich ja gleich als Putzfrau bewerben.» «Da sind wir mal ausnahmsweise einer Meinung», knurrte ich. Das Gespräch führte nirgendwo hin, ich ging darum wieder in mein Büro. 15.23 Uhr, meine Verdauung lief auf Hochtouren, mein Zuckerspiegel sank – ich brauchte dringend Koffein. Widerstrebend schlich ich zur Kaffeemaschine. Um die Bar herum standen einige Mitarbeiter am Plaudern, auch Silvan. Ich konzentrierte mich, nicht in die Spüle zu schauen. Aber genauso wenig, wie man einen unkastrierten Jack Russell Terrier nur mit Worten daran hindern konnte, einer läufigen Hündin nachzurennen, so unsinnig war mein Vorsatz, nicht hinzuschauen. Natürlich blickte ich in den Spültrog. Und sah die Tasse. Der Löffel fehlte allerdings. «Super, die Tasse steht noch immer hier, aber der Löffel fehlt. Verarschen kann ich mich echt selber!», sagte ich laut. «Ich wars jedenfalls nicht», meldete sich Silvan zu Wort, der gerade auf dem Weg zum Kopierer vorbei kam. «Denn ich räum ja nicht…» «… den Dreck anderer auf, ich weiss», beendete ich seinen Satz. «Meldet sich jemand freiwillig?», fragte ich. Statt einer Antwort löste sich das Grüppchen plaudernder Mitarbeiter sofort auf. 17.27 Uhr, meine Arbeit war – so gut

dies in meinem emotionalen Zustand möglich war – beendet. Ich ging in die Küche, um meine Kaffeetasse in den doch mittlerweile wieder recht vollen Geschirrspüler zu stellen. Es hätte mich auch wirklich überrascht, wenn die andere Tasse nicht mehr in der Spüle gewesen wäre. Trotzdem – es war zuviel. Ich explodierte: «Ich möchte jetzt wissen, wer das war, gopfertelli!», schrie ich. Die Leute steckten erschrocken ihre Köpfe aus den Büros. «Wer was war?», fragte einer. «Diese Tasse! Wer hat einfach seine Tasse im Trog stehen lassen – und schert sich den ganzen Tag einen Dreck darum?», ich hyperventilierend. Mein Chef kam aus seinem Büro: «Was ist hier los?» «Mobbing, Chef, das ist los! Von der übelsten Sorte!», ich empört. «Was? Von wem? Wie?» «Von wem weiss ich nicht, Chef, aber so ein Nichtsnutz hat hier seine dreckige Kaffeetasse einfach in die Spüle gestellt in der irrigen Meinung, irgendjemand würde seinen Dreck schon aufräumen! Stinkfrech sowas! Ein totales No-go eines asozialen Kollegenschweins! Der oder die gehört entlassen!» Mein Chef blickt in die Spüle. «Oh, ich weiss wer das war!» «Was? Wirklich? Wer??» «Ich. Und jetzt zurück zur Arbeit. Hopp!» «Ich hab ihre Tasse soeben in die Spülmaschine gestellt, Chef», mischte sich Silvan ein. «Ist doch wirklich keine Sache.» «Na also, wo ist das Problem?», meinte der Chef, warf mir einen vernichtenden Blick zu, klopfte Silvan lächelnd auf die Schulter und ging wieder in sein Büro. Dann streckte er nochmals seinen Kopf aus der Tür und sagte zu Silvan: «Bringen Sie mir noch einen Kaffee, bitte?» – «Aber klar doch», schleimte Silvan, grinste mich triumphierend an und ging zur Kaffeemaschine. Er stellte eine Tasse rein, drückte auf den Startknopf – und runzelte die Stirn. «Was soll ich? Kaffeesatzbehälter leeren? Fuck, elender!»

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4. Februar 2014 Reinhold Weber. Pack’ dein verdammtes Handy in die Hose, wenn du mit anderen sprichst. Sagen uns die Leute von Guinness mit dieser Anzeige. Allerdings mit viel mehr Eleganz und

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März 2014

THE FINAL COUNTDOWN 28. Februar 2014 Dominik Hug. Dies ist einer der Filme, den ich vor vielen Jahren mit meinem Vater im TV gesehen und nun neu auf DVD wiederentdeckt habe. Inhalt: Dezember 1979: Bei einem Routinemanöver gerät der hochmoderne amerikanische Flugzeugträger USS Nimitz in einen seltsamen elektromagnetischen Sturm. Schiff und Besatzung werden in die Vergangenheit zurückgeschleudert und finden sich am 7. Dezember 1941, dem Tag des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor, vor dem Inselstützpunkt wieder. Commander Yelland (Kirk Douglas) steht vor der schwerwiegendsten Entscheidung seines Lebens. Mit der überlegenen Feuerkraft des Schiffes und den hochmodernen F 16-Kampfjets könnte er die japanische Flotte stoppen und die Weltgeschichte neu schreiben… Zu typischen Kriegsschiff- oder UBoot-Filmchen habe ich allgemein einen Hang. “The Final Countdown” (dt. Titel “Der letzte Countdown”) ist jedoch ein spezieller Vertreter dieser Sorte, ist er doch einer der wenigen Filme, die es perfekt schaffen, Kriegsfilm und Science-Fiction miteinander zu verbinden. Eine eigentliche Hauptrolle konnte ich nur bedingt ausmachen. Zwar ist Kirk Douglas (Vater von Michael Douglas) in seiner Rolle als Captain der U.S.S. Nimitz der Chef am Steuer, jedoch sind auch James Farentino, Martin Sheen (Vater von Charlie Sheen), Charles Durning und Katherine Ross mit nicht weniger Screentime aktiv. Kleiner Insider, wer damals die TVSerie “Die Knallharten Fünf” (im Original “S.W.A.T.”) ebenso wie ich verfolgt hat, wird auf der Brücke der Nimitz in einer kleinen Nebenrolle James Coleman entdecken, der in der Serie T.J. McCabe gespielt hat. Dies ist einer seiner raren Auftritte. Die Story ist natürlich schön an den Haaren herbeigezogen. Durch einen Sturm plumpst die Nimitz natürlich genau einige Stunden vor dem Angriff auf Pearl Harbor aus diesem Zeitsturm. Logik hin oder her, diese Idee hat was. Was wäre gewesen, wenn die Nimitz wirklich die japanische Flotte versenkt hätte? Wie hätte sich die Welt anschliessend entwickelt? Die Geschichte wirkt wie aus einer Star Trek-Episode adaptiert. Wie oft haben Kirk oder Picard genau dasselbe Problem lösen müssen, ein schlimmes Ereignis zulassen, damit die Geschichte ihren gewohnten Lauf nimmt. (z.B. Episode “Griff in die Geschichte”, “Die alte Enterprise”, uvm). Deswegen ist es fast noch spassiger zu sehen, wie Menschen aus unserer Zeit sich mit einem Zeitphänomen herumschlagen dürfen. Zu bemängeln ist höchstens, wie unüberlegt die Mannschaft sich hier in der Vergangenheit verhält (siehe die finale Entscheidung des Captains), dabei weiss auch der brave Simpsons-Fan, dass wenn man in die Vergangenheit zurückfällt, man sich nirgends hinsetzen darf. Da der Film nun auch schon seine dreissig Jahre plus auf dem Buckel hat, darf der Zuschauer nicht mit der Erwartung an grossartige Special Effects an diesen Streifen herangehen. Der Zeitsturm selbst sah sogar äusserst billig aus, auch wenn man bedenkt, dass der Film von 1979 ist. Dafür kann auf grossartige Aufnahmen der Nimitz zählen, die auch heute noch im aktiven Dienst der US Navy steht. Fazit: “The Final Countdown” ist ein extrem kurzweilliger Film, der meines Erachtens mit 98 Minuten Laufzeit beinahe noch zu kurz geraten ist. Muss man(n) gesehen haben.

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BREAKING NEWS: SEX-VERRICHTUNGSPLATZ UMGETAUFT

26. Dezember 2013 Reinhold Weber Aufgrund des weltweiten, gem. Pressestelle des Sozialamtes “durchwegs positiven Medien-Echos” noch vor der Eröffnung des neuen amtl. Sex-Verrichtungsplatzes, ist die Bezeichnung internationalisiert sowie die Beschilderung erneuert worden. Weitere News folgen. Wir bleiben drin.

PLÄDOYER FÜR MEHR KITSCH

11. Februar 2014 Midi Gottet. Hamsterärsche ohne Ende. Damit auch sie sich in der Mittagspause gepflegt einen von der Palme wedeln können. Gern geschehen. Schön, wenn wir helfen können.

NEULICH AUF DER POLIZEIWACHE IN WIEDIKON

24. Juni 2013 Kaspar Isler Ich geh jetzt kurz über die Strasse und lasse ein Transparent mit folgendem Text drucken: «Wir bewerfen Sie

lächelnd mit Eisenkugeln, bewerfen Sie uns aber bitte bloss nicht mit Steinen – die tun doch weh. Ihre Stadtpolizei Zürich.»

23. Februar 2014 Yonni Meyer Ich bin ganz Schweizerin. Ich mag es, wenn Menschen zurückhaltend sind, was ihre Erfolge angeht. Ich mag es, wenn sie nicht an die grosse Glocke hängen, was sie schon alles erreicht haben. Und ich freue mich, wenn ich erst im Laufe des Kennenlernens herausfinden kann, wie gut jemand ist, was er/sie kann, wo er/sie schon war, was er/sie erlebt hat. Ich habe schon einmal darüber geschrieben, dass unsere Amerikanischen Mitmenschen das ja anders handhaben und dass das für uns Schweizer manchmal etwas befremdend ist. So wird einem „drüben“ schon nach einigen Minuten mitgeteilt, wo man zur Schule ging – wenn’s denn nicht schon übergross auf dem Pulli steht -, wo man arbeitet, welche Prominenten man kennt. Und so weiter. Ich bin da immer etwas hin und her gerissen – einerseits ist es schön, dass Menschen stolz auf das sind, was sie erreicht haben. Andererseits nervt’s manchmal auch einfach gewaltig und vermittelt den Eindruck, dass man sich für wichtiger nimmt als alle andern. Was die Amerikaner aber auch praktizieren – und hier komme ich zum eigentlichen Thema dieses Textes – ist der „gelebte Kitsch“.

Liebesbotschaften von Amerikanern an Amerikaner triefen nur so von grossen Worten, von tiefen Gefühlen, von rosaroten Wölkchen und menschlichen Herzen auf Silbertabletts. Schönste aller Schönen. Held meiner finsteren Tage. Liebe meines Lebens. Und wisst Ihr was? Ich finde das wunderbar. Es muss meiner Meinung nach nicht in Neonschrift auf die Anzeigetafel einer Baseball-Arena projiziert sein, aber wenn man es fühlt, darf man es sagen, soll man es sagen, genau so, wie man will, auch wenn es trieft vor Kitsch und man sich später vielleicht dafür schämt. Romantik ist der Ausdruck der Gefühle, die man im Hier und Jetzt für einen anderen Menschen empfindet und jeder von uns sollte einmal das Gefühl vermittelt bekommen, dass ein anderer Mensch eine grosse romantische Tat für uns vollbracht hat, einfach aus Liebe. Understatement hat in der Liebe nichts zu suchen. Finde ich. Liebe ist gross und sie verdient es, gefeiert zu werden. Drum: Ein Hoch auf die Liebe. Und wenn ich grad dabei bin: Ein Hoch aufs Leben und ein Hoch auf die Menschen darin!


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EIN GEBURTSTAG, EIN ABSCHIED 21. Februar 2014 Alex Flach Wir sind die Könige der Unbefangenheit, die Marcel Reich-Ranickis der Partytipps. Daher haben wir die Top 5 ohne die “Ein treuer Freund”-Party vom Samstag in der Zukunft gestaltet und auch ohne die “Auf und davon” von heute Freitagabend im Supermarket. Obschon mit Andrea Oliva (Auf und davon) und Lone (Ein treuer Freund) zwei Superduperleuts headlinen. Aber genau das ist der Punkt: Es geht bei

THE LAST HOUSE ON THE LEFT

beiden Partys nicht primär ums Headlining, sondern um was Persönliches, um was Community-mässiges und zu 50% gar um etwas Wehmütiges: An der Auf und davon verabschiedet sich unser aller, und von allen geliebter, Brane für mehrere Monate nach New York. An der Ein guter Freund in der Zukunft wiederum feiert unser, ebenfalls hoch verehrter, Gallo Purzeltag. Also… einmal happy birthday und einmal Junge komm bald wieder. Mitfeiern! Gefälligst.

VON SINGENDEN FINNEN UND BLAUEN BALLONEN

14. Februar 2014 Dominik Hug Als der Boxer Nikolai Sergejewitsch Walujew am 20. Jänner 2007 die Bühne der Basler St. Jakobshalle betrat, wütete ein Dämon durch das Publikum. Ein ganz grosser. Der bärige Russe ging den Gangway herunter wie ein fleischgewordener Terminator. Sein Amerikanischer Kontrahent würde heute ein gutes Pfund auf die Fresse kriegen, soviel war klar. Und hätte Walujews Präsenz nicht schon gereicht, wurde das Publikum auch noch musikalisch aufgeheizt. „This is the end, you know, Lady the plans we had went all wrong…“ Kawumm! Wer zum Geier waren diese abartigen Rocker auf der Bühne? Ich sah rüber zu Blickleser R.M. (Name dem Schreiberling wohlbekannt), auch er schien absolut begeistert ob der gezeigten Darbietung dieser unbekannten Herren. Smartphones, Shazam, alles noch Fremdworte zu dieser Zeit. „Sunrise Avenue“ hiessen die Burschen, eine junge Band aus Finnland. Mal was Neues. Blind holte ich mir deren Debütalbum „On the way to wonderland“ und ja, war nicht wirklich negativ überrascht. Die Überhymne „Fairytale gone bad“ prangte über allem. Auch „Forever Yours“ hatte was. Der Rest der Platte war netter Poprock. Nicht weniger, nicht mehr. „Fairytale gone bad. Dieser Song,

der war plötzlich da. Und ich dachte, da kommt ein Riesending auf uns zu. Und dann kam einfach… NICHTS“, so Blickleser R.M. Irgendwie wahr, denn „Sunrise Avenue“ verschwanden auch von meiner Bildfläche. Das Album wanderte ins Regal. Finito. Meine Freundin machte mir jedoch bewusst, dass diese Band noch immer existiert. Und wie. Einige weitere Alben sind erschienen. Eine Big Band Tour (sinnigerweise „The Big Band Theory“ genannt) haben die Nordländer auch hinter sich. Der Song „Hollywood Hills“ kam ebenfalls ziemlich gross raus und ist für mich kurz vor jedem Abflug von LAX Pflichtprogramm. Nun, als guter Partner der ich sein will, begleite ich meine Freundin selbstverständlich gerne an Konzerte. Im Gegenzug schleppe ich sie ja auch an Konzerte von Gaslight Anthem, Dave Hause oder Springsteen. Nur fair, gehe ich mit ihr zu den Finnen. Vor einem Jahr spielten Haber und Band noch in der Maag Event Hall, welche damals auch nicht brechend voll war. Und nun ging es ab ins Hallenstadion Zürich. Wie kam dieser Aufstieg in den Olymp der Schweizer Konzerthallen zustande? Nun, man kann es nicht beweisen aber Samu Habers Mitwirken bei „The Voice of Germany“ machte die Band natürlich in grossem Stil bekannt.

Von der sympathischen Nischenband ab in den Ultrakommerzteich. Das Publikum war bunt durchmischt, doch die richtigen Rocker, die Alternativen, die Punks, die gab es nicht zu sehen. Dafür viele Mutter-Tochter-Gespanne, viele Girlies, viele Teenies und auch die weibliche Ü40/Ü50-Hausfrauenfraktion war gut am Start. Sunrise Avenue, das neue Modern Talking? In der Halle beobachteten wir, wie die Swiss Crew, so nennt sich der Schweizer Sunrise Avenue-Fanclub, blaue Ballone im Saal verteilte. Die Aktion wurde breit auf Facebook geplant. „Ich chum am 2!“, „Ich scho am 10ni, juhuiii“, „ich bring 500 Ballööön!“, gerne hätte ich just for Fun geantwortet „Und ich mach für alli Rüeblitorte“. Jedenfalls, als ich in der Halle die Verteildame darauf Ansprach, ob blaue Ballone nicht ein wenig peinlich wären an einem Rockkonzert, erwiderte mir diese nur „Nei, sie passe zum Lied Lifesaver“. Ich fühlte mich hart deplatziert und hilflos. Als hätte man mich mit 14‘000 Kleinkindern alleine in einen grossen Raum gesperrt. Man stelle sich vor, Springsteen spielt „The River“ und das Publikum versucht mit blauen Ballonen den Fluss zu imitieren. Unglaublich. Billie Joe Armstrong würde aufhören zu spielen und von der Bühne kotzen, würden blaue Ballone an einem Green Day-Konzert auftauchen. Das Konzert ging flüssig über die Bühne, 93 Minuten und die Sache war gegessen. Haber präsentierte eine Setlist, welche das neue Album praktisch komplett abdeckte. Offen bleiben Fragen. Warum weigern sich Sunrise Avenue standhaft eine richtige Rockband zu sein? Es gab an diesem Konzert dreissig Sekunden, da rockten die Finnen so richtig. Haber und Gitarrist Riku fetzten los als gäbe es kein Morgen mehr. Dreissig Sekunden. Wollen die Finnen den wirklich nur von Girlies und Hausfrauen angehimmelt werden? Keinen Bock richtig tiefgründige Musik zu machen, die weit über Texte wie „Don’t be afraid of the midnight, baby“ hinausgeht? Sunrise Avenue ist eine Ansammlung von extrem begnadeten Musikern, die jedoch ihr Potential nicht abrufen. Mein Tipp an die Band. Gebt euch mal eine Runde was auf die Mütze, damit ihr nicht stets wie aus dem Ei gepellt ausschaut. Richtige Rocker haben Narben. Und dann überlegt mal, was im Leben wirklich wichtig ist, was euch bewegt, was in der Welt vor sich geht. Trauer, Abschied, Wut, Angst vor Arbeitslosigkeit, Globalisierung, ein sterbender Planet, es gibt hunderte von Themen. Tut euch zusammen mit einem Produzenten wie Brendan O’Brien, nehmt euch ein Jahr Auszeit, hört auf mit diesen Mini-Touren, und schreibt, schreibt, schreibt. Nicht Massenware. Songs mit Qualität. Dann habt ihr die Chance richtig gross zu werden. Es würde mich freuen.

Dominik Hug, 22. Januar 2014. Haus, Wald, Mädchen, Unwetter, Familie, Schicksal, Psychopathen… Inhalt: Die Familie Collingworth verbringt ihre Ferien in ihrem Anwesen am See. Noch am ersten Abend geht Mari (Sara Paxton) mit dem Familienwagen in das nächstgelegene Kaff um ihre Kollegin Paige zu besuchen. Als die beiden vom schüchternen Justin zu einem Joint ins Motelzimmer eingeladen werden, ahnen sie noch nicht, was für ein Schicksal ihnen blüht. Denn Justins Familie, eine Bande gesuchter Schwerverbrecher, kehrt überraschend ins Motel zurück. Und denen passen die beiden Mädchen gar nicht – speziell, da die Bande es auf die Titelseite der Ortszeitung geschafft hat. Nun, Zeugen muss man beseitigen. Die beiden Mädchen wehren sich jedoch heftig und versuchen zu fliehen. Paige stirbt, Mari wird missbraucht und während eines weiteren Fluchtversuchs erschossen. Da der Van der Gangster um einen Baum gewickelt wurde, macht sich die Bande auf die Suche nach einem Unterschlupf – und landen wie es die Story so will bei Herr und Frau Collingworth. Diese versorgen die vermeintlich verunfallten natürlich. Als Mama Collingworth (Monica Potter) Maris Halskette bei Justin entdeckt, realisiert sie, was die Stunde geschlagen hat. Doch der Überraschung nicht genug. Mari hat überlebt und sich zum Anwesen der Familie geschleppt. Die eigene Tochter angeschossen und missbraucht, durstend nach Rache, greifen Mr. und Mrs. Collingworth zur Waffe, oder was halt gerade vorhanden ist. “The Last House on the Left” beginnt wie ein typischer Schlitzerstreifen. Die Bad Guys werden bei einer eiskalten Tat gezeigt, ebenso die Familie Collingworth auf dem Weg zu ihrem idyllischen Haus am See. Typisch, dass das CollingworthAnwesen natürlich von einem dichten Wald umgeben ist und im See ein Motorboot bereit steht. Familie Collingworth wirkt wie eine heile Familie, die jedoch erst gerade einen schweren Verlust hatte hinnehmen müssen. Sohn Ben verstarb einige Monate zuvor. Tochter Mari ist eine Spitzensportlerin, Papa John ein Arzt, und Mama soviel ich weiss auch (bin

aber in diesem Punkt nicht mehr ganz sicher). Auch als ein Unwetter aufzog, musste ich schmunzeln. Wirklich jedes Horrorfilm-Klischee wird dem Zuschauer präsentiert. Weniger schmunzeln musste ich beim Schicksal der beiden Mädchen in den Händen der Bad Guys. Natürlich bediente sich Regisseur Dennis Iliadis bei typischen Klischeeszenen. Paige flüchtet ins Badezimmer, versucht durch das natürlich hoch gelegene Fenster zu flüchten – klappt natürlich nicht. Bei solchen Szenen fängt bei mir immer der Fremdschämfaktor an zu wirken. Ja, Paige schien wirklich die typische “ich renn schreiend weg und fall hin”-Tusse zu sein. Mari schien da schon entschlussfreudiger zu sein. Die beiden Eltern John (Tony Goldwyn) und Emma (Monica Potter) wirken symphatisch und werden von beiden Schauspielern auch ganz gut getroffen. Tony Goldwyn war mir bis zu diesem Film sogar komplett unbekannt, machte seine Sache aber wirklich gut. Wirklich gut besetzt waren die Bad Guys. Ich kann zwar den Vergleich zum Originalfilm aus dem Jahre 1972 nicht ziehen, aber überzeugend waren diese Typen allemal. Was mich wirklich überrascht hat, war die Wende im letzten Drittel, nachdem John und Emma entdeckten, was die Typen, die gerade im Gasthaus pennen, mit ihrer Tochter gemacht haben. Ich befürchtete schon ein genretypisches Rennund Versteckspiel würde den Showdown dieses Films bilden. Dies blieb glücklicherweise aus. Und da wir hier “The Last House on the Left” und nicht “Funny Games” sahen, war eigentlich klar, dass die bösen Buben hier ins Gras beissen würden (Hätte jedoch Bad Guy Krug hier mit der TV-Fernbedienung das Geschehene zurückgespult, wäre ich wirklich schreiend aus dem Saal geflüchtet!). Umso überraschender war jedoch die letzte Szene vor dem Abspann, welche mir die Gefahren einer Mikrowelle nochmal bildlich vor Augen führte. Fazit: Ein Film, der dem Revenge-Genre angehört, angereichert mit Elementen des Thriller, leichter Action, Splatter und etwas Horror. Für Genreliebhaber eventuell ein Meisterwerk – für mich leicht über dem Durchschnitt anzuordnen.


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März 2014

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Ein Mittagessen mit William Zabeni Freitag, 45 März 2014 Von Rainer Kuhn

Jetzt ein Schwenk: Zur Dir kommen alle Fussballer?

Auch dieses Interview aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt aus der Brasserie Lipp in Zürich. Da werden jetzt bis auf weiteres jeden Monat meine Interviews stattfinden. Weil die Moules&Frites da Kult sind. Und die Bedienung freundlich. Gegessen hab ich mit William Zabeni. Man hat uns den Fisch empfohlen. Wir haben das Rindsfilet genommen. Soviel Zeit musste sein. Auch wenn er, wie immer, grad irgendwie auf dem Sprung war.

Einige, ja. Ist ja auch nicht schwierig, die haben ja alle die gleiche Frisur. An der Seite rasiert und für den Rest Gel rein, fertig. Jetzt schon, ja. Ich war in der Zeit von Köbi Kuhn. Damals ging ich auch jeweils ins Trainingslager, entweder Zubi oder Yakin, Zubi war so was wie meine Reception. Er machte die Planeinteilung, wer wann kommt, ich ging aufs Zimmer und schnitt einen Tag lang die Haare der Spieler. Am intensivsten wars, ich glaub es war ein Freundschaftsspiel, Schweiz – Italien in Genf, vor der WM, da kam die Nationalhymne und acht der Schweizer Spieler hatten meinen Haarschnitt. Aber als die Schweizer Nationalhymne spielte, passierte bei mir nicht viel, obwohl ich alle Spieler persönlich kannte. Bei den Italienern kannte ich keine Sau, aber bei deren Hymne kriegte ich Herzklopfen. Schon noch schräg, oder?

Von wo in Italien bist Du? Meine Mutter kommt aus Venedig, mein Vater vom Gardasee. Das zählt ja nicht mal für die Italiener zu Italien. Die Süditaliener sagen das. Das heisst, die von Rom an abwärts? Nein das ist schon Afrika.

Gut, das ist ja der Klassiker. Jeder Secondo, mit dem ich rede, sagt mir das.

Ah. Mit Süditalien meinst Du Florenz. Das ist halt so. Ich bin hier ein Ausländer, aber wenn ich nach Italien gehe, bin ich dort auch ein Ausländer. Dort bin ich der Svizzero, hier bin ich der Tschingg.

(Lacht) Genau... Nein, das sind Clichés. Ich bin hier geboren. Kam in der Schweiz auf die Welt. Aber ich bin immer noch Ausländer, ich habe keinen Schweizer Pass.

Wie kamst Du eigentlich zu den Fussballern?

Du müsstest jetzt also nach Hause, nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative.

Durch Murat Yakin, das heisst, durch seine damalige Freundin, die war mal Modell bei mir an einer Show. Damals hatte er erst grad angefangen bei GC. Erst ging er bei meiner Mutter Haare schneiden, danach bei mir. Dann zog er alle anderen mit. Erst sein Bruder, der Hakan, dann Zubi, Haas, Frei, Huggel, Streller, Lichtsteiner, das waren alles Kunden von mir.

Ich bring den Spruch jeden Tag hundertfünzig Mal: Ich darf nichts sagen, ich bin Ausländer. Ist das so? Es ist überraschend, wie naiv die Leute sind. Wieso? Ich hab ja tagtäglich Leute, die mich darauf ansprechen. Wie viele Ausländer gibt’s in der Schweiz? Zwanzig Prozent? Dreiundzwanzig Prozent?

ich hier geboren bin, nie im Ausland gelebt habe. Jetzt, mit dem vereinfachten Verfahren, kostet es noch ein paar Tausender. Aber damals, dachte ich: Spinnt ihr eigentlich? Eigentlich müsstet Ihr mich bezahlen, damit ich Schweizer werde. Ja gut, die Staatsbürgeschaft in Malta kostet eine halbe Million.

Ja, so ungefähr. Ja, genau (lacht). So. Und von diesen dreiundzwanzig Prozent sind sicher etwa achtzig Prozent hier in der Schweiz geboren, so wie ich. Ist das wahr? Ja, ich hab mich gewundert, dass sich da im Vorfeld niemand darüber Gedanken gemacht hat. Und die lassen sich nicht einbürgern? Wieso? Weil sie sich nicht entscheiden können zwischen Vaterland und Geburtsland? Für mich kam damals mit achtzehn die Frage auf, als es ums Militär ging, da hats mich natürlich nicht interessiert. Ein paar Jahre später wollte ich mich dann aber doch mal informieren. Aber damals hätte mich die Einbürgerung etwa 20‘000 Franken gekostet, obwohl

Wie kamen denn Deine Eltern in die Schweiz damals? Textilindustrie? Meine Mutter, ja. Mein Vater war Coiffeur. Ah, drum bist Du Coiffeur geworden. Ich bin jetzt schon die dritte Generation, ja. Mein Bruder ist auch Coiffeur. Meine Schwester arbeitet in der Mode, in Mailand.

Ja, Aber ich wollte auch Rösslikutscher im FexTal werden. Bin dann beides nicht geworden. Ich wollte Uhrmacher werden. Uhrmacher? Wie kamst Du auf Uhrmacher? Keine Ahnung, wir hatten neben unserem Coiffeurgeschäft einen Uhrmacher gehabt, ich hab Uhren einfach noch cool gefunden. Für mich war Coiffeur immer schlimmer als der Zahnarzt, schon als Bub. Der kam immer mit dem Rasierer und ist damit über meinen Kopf gefräst. Klar hast Du dann ein Trauma (lacht). Nein, bei mir war das schon in der ersten, zweiten Sek klar. Das kam von innen, das war keine Entscheidung, das war einfach so.

Ich wollte auch mal Coiffeur werden. Echt?

Ist ja eigentlich eine ziemlich intime Angele-

Nein, das nicht.

Und wie. Wir haben ja auch ständig Körperkontakt. Es ist auch verständlich, dass wenn man zufrieden ist, man dann nicht wechselt. Das ist normal. Und das ist ja auch gut. Ich mein, ich mach das jetzt seit 1986 und es ist mir noch nicht verleidet, ich steh immer noch jeden morgen auf und gehe gerne arbeiten. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen, oder? Und was machst Du am Liebsten? Schneiden? Farbe? Es ist doch dasselbe wie überall, wenn einer den ganzen Tag nur Farbe macht, dann wird er gut darin, dann wird er ein Spezialist. Farbe ist auch das grössere Business als Schneiden. Kannst aber auch alles in den Sand setzen mit einer Falschen Farbe.

Was ist denn so das Geilste an deinem Job? Du siehst Deine Arbeit sofort. Wenn Du den ganzen Tag hinter einem Computer sitzst, dann siehst Du nur Buchstaben und Zahlen, ich sehe ein Resultat und glückliche Kunden.

Dann musstest Du ja fast.

genheit, so Haare schneiden. Für viele Frauen sogar intimer als der Gynäkologe.

Das auf jeden Fall. Es gibt jetzt neuerdings eine Ausbildung zum „Färber“, in Deutschland ... ... das wär dann eigentlich „Chemielaborant“ dann ... ... und Farbenlehre, ja.

Nochmals, das sind Fussballer, da ists ja wohl nicht so schwierig. Täusch Dich nicht. Das sind Fussballer, die sind eitel. Abgesehen davon ist es schwieriger, einen guten Männerhaarschnitt zu machen als bei Frauen. Ist das so?

Zubi war so was wie meine Reception. Er machte die Planeinteilung, wer wann kommt, ich ging aufs Zimmer und schnitt einen Tag lang die Haare der Spieler. Du musst genauer arbeiten, weil die Haare kürzer sind. Und jeder Mensch ist anders. Bei Zubi war ich in fünzehn Minuten durch, aber der Raphael Wicky, der hat so viel und so dickes Haar, da schneidest Du eine Stunde. Oder Muri


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März 2014

Weiss ich nicht mehr. Aber am Donnerstag legte Dani König im Kaufleuten auf. Das war doch jede einzelne Woche riesig. Der hat ja auch hammermässig aufgelegt. Königs Donnerstag im Kaufleuten ist legendär. und Hakan, das türkische Haar ist viel härter, da hast Du einfach länger. Du kannst die Nationalitäten nach den Haaren feststellen?

Aha. Direkt rein. Ich war ja ein Bub, da studiert man nicht so viel darüber nach, da will man in die Nati, ist doch klar. Eine Bar wär auch noch was.

Du bist also ein Rassist.

Bei mir hats angefangen mit dem Ugly, in Richterswil, Ueli Steinle. Das waren die ersten paar Clubs, die länger als bis zwölf offen hatten, das waren Privatclubs und man musste die Getränke selber mitnehmen. Irgendwann fiel plötzlich die Polizeistunde und die Clubs hatten bis zwei Uhr offen, oder ein paar bis vier. Danach ging man dann noch ins Dillon’s

rein, Du weißt, wie es funktioniert, dass es nach drei, vier Drinks dann auch gut ist. Mit fünfundzwanzig hast Du diese Schranke nicht, da fällst Du schnell mal über die Klippe.

Nein, im Gegenteil, ich war das Enfant Terrible. Ich hatte schon mit vierzehn die Polizei im Haus. Töffli-Teile verkauft. Dein Bruder?

Ging mir auch so, Limmatbar, zum Beispiel, das Babalu, der Hype um den Rosenhof ging da los. Ich kann mich nicht beklagen, ich hatte eine Superzeit.

Der arbeitet heute bei mir im Geschäft.

Dort ist man dann bestimmt auch nur blöd herumgestanden.

Und jetzt kommt Deine Mutter und sagt: Junge, such Dir eine Frau, heirate und habe Kinder.

Genau. Und welches war so die geilste Zeit für Dich? Donnerstag.

Nein, aber nach Kontinenten, das schon. Ein richtiger Tschingg halt, brauchst es immer gesellig.

Meine Schwester hat ja welche. Aber es ist schon so, bei den Ex-Freundinnen, die Sie mochte, fragt sie heute noch, wieso das denn nicht klappte, was ich denn falsch gemacht habe.

Er ist bei Dir angestellt? Was heisst hier angestellt. Das fragt mich mein Buchhalter auch immer. Nein, es ist eine Einzelfirma, aber 50% gehören meinem Bruder. Das ist bei uns einfach so, wir sind eine Familie, und dann kommt mein Buchhalter und meint, das könnne ich nicht so machen, mein Bruder müsse mir jeden Monat etwas

Ich mein das Jahr.

Ja sicher, ich bin Italiener (lacht), nein, es ist schon ein Unterschied, europäisches Haar, Asiatisches Haar, Afrikanisches Haar.

Ja, klar, ich hab das gerne. Aber ich kann auch gut alleine sein.

Jetzt sag mal, Haarkontrolle. Wenn ich in eine Polizeikontrolle komme und zuviel getrunken habe und sie nehmen mir eine Haarprobe. Die sehen echt Deine ganze Drogen-History in deinem Haar?

Lesen.

Weiss ich nicht mehr. Aber am Donnerstag legte Dani König im Kaufleuten auf. Das war doch jede einzelne Woche riesig. Der hat ja auch hammermässig aufgelegt. Königs Donnerstag im Kaufleuten ist legendär.

Und was? Das eine war über die FIFA und die Mafia. Das andere so ein Roman. Aber da hab ich schnell aufgehört.

Gibt’s heute kaum mehr, oder? Ich mein, manchmal hab ich das Gefühl, heute sei alles so brav. Die Jungen sind alle so brav. Wenn man denen sagt, sie sollen sich setzen, dann

Und was machst Du, wenn Du alleine bist?

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Du bringst Ihr sicher auch noch jede Woche die Wäschenach Hause? Ich bring gar nichts nach Hause, Sie kommt sie holen. Oder sie kommt und sagt, sie habe ein feines Filet eingekauft, wann ich denn zum Essen komme, und wenn ich Ihr dann sage, dass ich bereits zum Essen in der Stadt abgemacht habe, ruft sie „aber wieso, mein schönes Filet...“. Sie läuft mir auch einfach so manchmal in meine Wohnung rein ...

Im Haar siehst Du, ob Du gestern einen Kaffee getrunken hast oder nicht. Ja gut, das geht ja noch. Aber bei meiner Haarlänge sehen die noch die letzten beiden Streetparaden... Alles. Die sehen alles. Du siehst da sogar mehr als im Blut. Es war einfach immer teuer. Haaranalysen sind heute aber günstiger geworden.

Das ist meine Familie, was mir gehört, gehört auch ihm, so sehe ich das. Aber ja, rechtstechnisch oder wie man das jetzt halt sagt, ist das wahrscheinlich falsch, aber das ist mir scheissegal, es ist mein Bruder, es ist Familie.

Kann man da nichts machen? Oxidieren? Soll ich Dir das sagen? ja genau, Du hast es genau erkannt. Du musst alles rausoxidieren und färbst es danch in Deinem Haarton wieder ein. Sieht aus wie vorher, aber im Haar ist nichts mehr nachweisbar.

bezahlen, damit er auf die 50% komme, da hab ich ihm gesagt: Weißt Du was? Das ist meine Familie, was mir gehört, gehört auch ihm, so sehe ich das. Aber ja, rechtstechnisch oder wie man das jetzt halt sagt, ist das wahrscheinlich falsch, aber das ist mir scheissegal, es ist mein Bruder, es ist Familie. Das ist halt meine Mentalität und meine Erziehung.

Das kannst Du aber nicht oft machen, irgendwann fallen Dir die Haare aus. Wenn Du zur Polizei gehst, musst Du unterschreiben, dass Du nichts mit Deinen Haaren gemacht hast. Wenn Du jetzt „nein“ sagst, dann finden die nicht unbedingt raus, dass du gelogen hast. Weil im Labor testen sie nur auf die abgefragten Substanzen und nicht, ob das Haar oxidiert und gefärbt wurde. Ich hab das ein paar Mal gemacht für Kunden, aber dann hat es sich herumgesprochen und dann sind alle gekommen und wollten das. Habs aber schnell abgeklemmt. Was anderes: Wir sind ja jetzt langsam in einem Alter, wo man sich Gedanken macht, wo man den Abend verbringen will. Ziehts Dich da nach Italien? Nein, Wenn, dann schon eher Mexiko. Mexiko? Meine Schwester hat da ein Haus. Und das Wetter ist schöner dort als in Norditalien. Hast Du noch andere Pläne bis dahin? Oder wars das dann mit Coiffeur? Meine Mutter ist achtzig und sie steht immer noch im Laden. Ich bin gerne Coiffeur. Was wärst Du geworden, wenn Du nicht Coiffeur geworden wärst? Fussballer. Bei welchem Verein? Nationalmannschaft.

Du meinst italienische Mentalität? Es gibt vielleicht auch andere Länder, die das haben. In der Schweiz hast Du das nicht? Wieso? Ach, ich bin nicht so der Roman-Typ. Du bist jetzt auch schon gut 23 Jahre auf der Gasse, oder? Länger. Wenn ich zurückdenke ... ich war ja schon mit 14 im Big Apple. Deine Eltern haben Dich mit 14 ins Big Apple gelassen? Ja, weil wenn Sie mich nicht gehen liessen, bin ich einfach abgehauen. Du bist ja auch schon so lange unterwegs, oder? Nein. Was nein? Nein. Ich war Tennisspieler. Ich war auf dem Platz. Ich hab nichts mitbekommen, was in Zürich alles passiert ist. Ich hab das, was andere ab vierzig machen, zwischen fünfundzwanzig und vierzig gemacht. Ein ruhiges Familienleben geführt. Was den Ausgang betrifft: Beim Fussball würde man sagen, ich habe mich erst in der siebzigsten Minute eingewechselt. Da mag man schon noch ein paar Meter laufen. Würde ich nicht, wenn ich schon seit dreissig Jahren auf der Gasse wäre. Aber welches war denn die „schlimmste“ Zeit in der Partyzeit? Du sagst, im Dillon’s hats angefangen.

setzen sie sich. Mal abgesehen von den wenigen, die dann einfach mal drauflos schlagen. Aber im Grossen und ganzen wird nicht mehr viel riskiert. Da wird das Maul nicht mehr aufgerissen. Ausser wenn Whatsapp mal einen Tag nicht funktioniert. Ich glaub, die Medien haben da viel dazu beigetragen, MTV und all die Sachen, die hatten ziemlichen Einfluss, bevor es all das gab, hatten die Jungen mehr Individualität. Da wollten noch nicht alle so aussehen, wie irgenwelche Hiphopper, die alle gleich aussehen. Ist ja auch ein bisschen teuer geworden mittlerweile. Fünfundzwanzig Stutz eintritt, achtzehn Stutz ein Getränk, wenn Du ein bisschen feiern willst, sind dann schnell mal zweihundert Franken weg. Das jeden Freitag und Samstag, gibt über nen Tausender jeden Monat. Das muss man sich auch mal leisten können, so als zwanzigjähriger ... wobei, früher haben die das im Roxy an einem einzigen Abend weggeschnupft. Die schönste Zeit war wahrscheinlich die, in der ich am meisten Kohle hatte. Aber auch sonst ist es für mich mittlerweile strenger geworden, ich brauch nach einem Partyweekend schon mal vier Tage, bis ich mich wieder erholt habe. Ja gut, ein Privileg des Alters ist ja auch, dass Du es kennst, Du fällst nicht mehr darauf

Kein Wunder hast Du keine Freundin, das muss man ja auch mal erst aushalten können ... (lacht) ja genau. Ist Deine Mutter Deine Bezugsperson? Mehr als Dein Vater? Mein Vater ist gestorben, als ich sechzehn war. Magenkrebs. Eigentlich ein Arztfehler. Die Operation ging gut, er ging wieder arbeiten, hatte aber riesig Schmerzen, der Bauch füllte sich mit Wasser. Der Arzt meinte danach, wenn Sie es gesehen hätten, dann hätten wir ihn retten können. Aber sie haben es nicht gesehen. Ich mag mich erinnern, ich war am Sterbebett, da legte mir mein Vater seine Halskette in die Hand und sagte: „Jetzt musst Du schauen“. Wo waren Deine Geschwister da? Meine Schwester war in New Yok, mein Bruder in Mailand. Sie kamen aber alle nach Hause zu dem Zeitpunkt. Auf jeden Fall: Er gab mir die Kette und sagte, ich solle wegen der Wäsche schauen gehen im Laden. Als ich wiederkam, war er eingeschlafen. Warst Du Papa’s Liebling?

Ein Beispiel: Die Eltern eines guten Freundes von mir sind ins Tessin ausgewandert. Die hatten eine Riesenhütte in Wädenswil. Mein Freund wollte gerade heiraten, weil seine Freundin schwanger war. Sie hatten in dieser Riesenhütte eine Wohnung. Dann kam der Vater und sagte: Du musst aus der Wohnung ausziehen, ich will das Haus verkaufen. Er sagt nicht: Du, willst Du mein Haus? Was ja das schönste ist für einen Vater, wenn er seinem Kind sein Haus übergeben kann. Jetzt konnte sich sein Sohn diese drei Millionen nicht leisten, die das Haus im Verkauf gebracht hat, also musste er ausziehen. Als ich das meiner Mutter erzählte, musste sie weinen, weil sie kennt diese Leute ja auch schon ihr ganzes Leben. Was sind das für Leute, die ihr Kinder, welche ihrerseits ein Kind erwarten, aus der Wohnung schicken. Ja aber das ist ja nicht unbedingt typisch schweizerisch. Das ist ehertypisch Arschloch. Ja, kann man auch so sagen. Aber anscheinend stört das niemand. Ich war geschockt, meine Mutter musste weinen, aber hier ist das offensichtlich gang und gäbe. Oder wie beim Auto: „Oh, ich darf das Auto meiner Mutter oder meines Bruders nicht haben“, so ein Scheiss. Mein Auto gehört auch meiner Mutter und umgekehrt.


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ER MÜSSTE SEIN LEBEN NUR NOCH NACH DEM WETTER RICHTEN

3. März 2014 Rainer Kuhn Er sass wieder dah, schaute zum Fenster hinaus, dachte daran, einfach aufzuhören mit dem Denken. Es müsse doch noch eine gute Sache sein. So viele Menschen würden das machen. Wovor sollte er sie denn warnen wollen? Und wer ist “sie”? Diejenigen, von denen er glaubte, wüssten es nicht? Es lag ja alles da. Für jeden zugänglich, der gehen will, für jeden ersichtlich, der sehen will. Man müsste nur ein paar Fragen stellen. Und dann weiterfragen, wenn die Antwort nicht stimmen kann. Warum aber sollte er eigentlich ganz einfach nicht auch einmal keine Meinung haben können? Es schien ihm ein ungewohnter Gedanke, er kannte das Gefühl nicht, keine Meinung zu haben. Aber die Idee gefiel ihm. Dabei dachte er nicht daran, zu meditieren. Sich durch die totale Abstinenz der Gedanken zur Quelle der Essenz hinzubewegen, nein, er dachte eher so daran, sich keine Gedanken zu machen. Denken tut ja jeder, dachte er, das sei ja nicht das Problem, aber Gedanken machen sie sich nicht. Jedenfalls nicht über die Sachen, über die er sich Gedanken machte. Er wollte auch mal sich keine Gedanken machen über Sachen, über die er sich immer Gedanken macht. Also fing er an, aufzuhören. Er fing damit an, nicht wissen zu wollen, was in der Zeitung steht. All die Sachen über Amerika und die EU und Russland und China und so, die Politik, die Börse, die Arbeitslosenquoten, all die Sachen wollte er nicht mehr wissen. Manchmal fiel sein Blick auf einen BlickAushang, an der Kreuzung, wenns Rot

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März 2014

ist, an der Tankstelle daneben, „Putin“ und „Krim“ stand drauf, und er schaute wieder weg, er wollte das nicht gesehen haben. Er wollte sich keine Gedanken machen darüber, ob, wer, wieso, doch nicht, alles anders, aber wenn, und warum denn nicht. Er schaute weg, auf ein Schild, „Plakate anbringen verboten“ und er dachte sich, „Hier mach ich mir ja auch keine Gedanken, ich kann es ja schon teilweise”, über Sachen, die ihn nicht stören, oder die ihn nicht interessieren, oder mit denen er leben kann, darüber hat er sich ja noch nie Gedanken gemacht. Also konnte es doch nicht so schwierig sein. All die Sachen in der Wirtschaft, in der Politik, die Entwicklung der Gesellschaft, einfach gleich behandeln wie Pferdewetten und Waschmittelwerbung. Man ist mit allem irgendwie konfrontiert, man muss einfach ausblenden. Beziehungsweise, das Unterbwusstsein blendet aus. Und er dachte sich, wenn er all die Sachen, die er für wichtig und richtig hielt, wofür er sich deshalb verpflichtet fühlte zu kämpfen, wenn er all dies beim Unterbewusstsein einfach als „interssiert mich nicht“ registrieren könnte, er dann automatisch „News“ auf Papier oder an den Wänden oder auf den Bildschirmen oder am Nebentisch ausblenden könnte, er würde es zwar sehen und lesen und hören, aber es würde ihn etwa so beschäftigen wie Pferdewetten oder Waschmittelwerbung. Und die Idee gefiel ihm immer besser, was für ein glückliches Leben müsste das sein, nichts zu wissen, weil man gar nichts wissen will, und einem auch das nicht einmal bewusst ist. Er müsste sein Leben nur noch nach dem Wetter richten. Er würde wieder Freude haben. Er würde wieder Freunde haben. Die er danach trotzdem nicht mehr sehen müsste. Das würde sich von alleine regeln, er hätte dann ja nur noch seine Ahnung. Die Absenz der eigenen Meinung, wie sich das anfühlt, das wollte er wissen. Und das wollte er auch herausfinden.

MADE MY DAY Von Nadine Schneider Geboren in den frühen 80er durfte ich noch miterleben was „Kindheit“ ist. Damals klassische Hobbies wie „Draussen sein“ oder „Lesen“, mag ich auch heute noch, und ja, v.a. das lesen ist mir irgendwie heilig,- dazu aber später mehr. Meine Helden waren Duran Duran und A-Ha, dies dank meinen Eltern die von morgens bis abends das Radio oder Platten laufen hatten. Eher ein ängstliches Kind wurde ich vom Fernseher, also Ereignissen wie Chernobyl, explodierenden Space Shuttels und später dem ersten Golf Krieg fern gehalten. Ich lebte 10 Jahre in einem mit Watte gefüllten Kokon, voller Liebe, Wärme und Sicherheit. Als ich mit 10 Jahren dann das erste Mal Dirty Dancing sehen durfte war es um mich geschehen und Morton Harket war nicht länger der Mann meines Herzens. Wer will schon ein Mädchen in einem Comicbuch sein, wenn es stattdessen träumend mit Johnny tanzen kann… Ja, diese Liebe ist nie ganz verflogen… Patrick wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Die Welt verändert sich und so auch der Kleidungsstil, Computertechnologie, mein Musikgeschmack, oder aber auch „die Jugend“. Die Jugend, die mich dazu animiert mit 30 Jahren darüber nachzudenken, ob ich überhaupt ein Kind in diese Welt setzten will,- heute gibt es keine Kokons mehr, es gibt nur noch Sexting, Duckface Selfies und Hashtags… Die Hobbies der Jugend sind Solarium, WhatsApp Nachrichten verschicken oder sich einer Mädchen-Gang anschliessen, und mit dieser Aufzählung zurück zum heiligen Lesen. Ich benütze die öffentlichen Verkehrsmittel, - Auto ist zu teuer und für meinen Arbeitsweg unpraktisch. So geniesse ich zweimal am Tag eine 15-30 Minütige Busfahrt in der ich mich dem Lesen von Büchern widme. 30 Minuten die mir heilig sind, abschalten, in eine andere Welt versinken, ja lesen ist toll. Immer wie mehr wird dieses Hobby

von mir aber gestört von „der Jugend“. Manchmal kann man nicht weghören, wenn sich Teenager unterhalten, oder Musik hören,- ja Kopfhörer ist nicht mehr! Und manchmal will man auch nicht weghören. So wurde ich die vergangenen Wochen zweimal vom Lesen abgehalten. Einmal freiwillig, einmal nicht. Und, ich hätte es nie gedacht, aber beide Male war es wert, zuzuhören, denn die Gespräche haben mich jeweils zu öffentlichem Lachen animiert und das so, dass sich die Leute umgedreht haben: Früher Januar 2014: Abends nach der Arbeit sitze ich im Tram und lese, als vor mir eine ca. 16-17 jährige Jugendliche einsteigt,- sie telefoniert. Natürlich! Und ausgerechnet sitz sie vor mir. Muss ich also mithören wie sie mit ihrem Freund streitet. Die beiden drehen sich im Kreis, es fallen immer wieder dieselben Vorwürfe, schlechte Argumente, die Stimme schrill und laut. Bis die junge Dame vor mir dann irgendwann Platz und ins Telefon schreit: „Und was ich schon immer mal sagen wollte… Sag nicht immer „Mann“ nach jedem Satz zu mir, das ist voll respektlos gegen mich, Mann“! Mein Lachen war so laut, dass sich die junge Dame umdrehte, peinlich berührt und sich entschuldigte.

Made my day! 17. Februar 2014: Feierabend, Bushaltestelle, es geht noch 7 Minuten bis der Bus kommt. Neben mir sitzt ein Jugendlicher, trinkt Bier und hört natürlich Musik OHNE Kopfhörer. Ich weiss, das sind nun Vorurteile, aber der junge Herr hatte ein Bomberjäggli an und eine Glatze,- zudem sagte auch sein Gesichtsausdruck „ich bin knallhart“, also ich störend rüber schaute wegen seiner Lauten Musik. Aus dem Handy dröhnt weiterhin Agro-Sound, die Musik erinnert mich an Rammstein, aufgrund seiner Kleidung und seines Auftreten würde ich die Musik auch „rechtsangehaucht“ nennen, ohne allzu sehr zu urteilen, aber für die Story ist es wichtig! Dröhnt es also ca. 4 Minuten lang aus dem Handy, - an lesen war nicht zu denken, zu laut war die Musik. Als der Song zu Ende war, in dieser Sekunde bis zum nächsten Song stelle ich mich schon mal auf weitere 3 Minuten Gebrülle ein… Doch nein… Es klingt: We clawed, we chained our hearts in vain… Wrecking Ball… Miley Cyrus! Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, habe den jungen Herren angeschaut und lauthals gelacht. Made my day!

«Moment, 75 Rappen hab ich noch...» Von Ronny Misteli. Da stehe ich also neben dem Rollband, und begleite meinen Einkauf Schrittchen für Schrittchen vorwärts Richtung Kasse. Die schweren Milchtüten an vorderster Front, die leicht zu zerquetschenden Artikel zuletzt. Genau wie ich sie am Ende auch in der Tüte haben will. Und so ist es nun Zeit für den letzene Akt meiner Vorbereitung. Meiner Vorbereitung für eine effiziente Abwicklung des bevorstehenden Handels. An diesem Dienstag Abend kurz nach fünf.In mir steigt die Anspannung. Ich ziehe meine Karten. Kurzer Check: Ja, das Logo auf der Bonus-Karte ist das selbe wie das auf dem Hemd der Kassiererin weiter vorne. Noch einmal den PIN der EC-Karte im Kopf durchgehen. Alles klar, ich bin bereit. Die letzte Kundin die noch vor mir in der Reihe steht und die ihre Einkäufe zwar sorgfälltig langsam, aber doch eher schlecht koordiniert auf dem verklebten Fördergerät verteilt hat, erreicht die Kasse. Gleich ist es soweit. Hoch konzentriert und fokussiert nehme ich ein weiteres Schrittchen, die Dame vor mir hat bereits zur Kasse aufgeschlossen. Ich höre das Bestätigungssignal der elektronisch erfassten Artikel. Biip – Biip – Biip. „Ah guete Daag Frau Mangold, Sie hani aber scho lang nimmi gseh bi uns. Wie gohts Ihrem Maa?“ Blitzartig spüre ich wie sich meine

Muskulatur zu verkrampfen beginnt. „Griezi Frau Hägeli, merci dr Nochfrog. Sie wisse jo wie das isch mit dene Ärzt. Jede seit ebbis anders. Aber es goht ihm uf jede Fall scho langsam besser. Es goht brucht halt sini Zyt. Und Ihri Tochter, isch die scho wieder zrugg vo Amerika?“ Ich spüre wie eine kleine Schweissperle seitlich meinen Oberkörper hinunter rinnt. Biip – Biip. „Es isch wirklig efang schlimm mit dene Döggter hüt zu Daag. Die wisse doch sälber nüm was sie eim verzelle. Nei, s Esthi isch immer no z Australie. Am Afang hani mir jo schön Sorge gmacht wisse Sie. Aber mit dr Zyt gwehnt me sich denn draa.“ „Hejo das glaubi.“ Biip – Biip – Biip – Biip. Mein rechtes Augenlied zuckt in unregelmässigen Abständen. Das Gespräch scheint nun aber beendet zu sein und Frau Hägeli scannt die letzten Artikel. Ich wische mit meinem Jackenärmel noch einmal über das Magnetband meiner ECKarte, als ich panisch auf Frau Mangolds Plastiktüte mit den Tomaten schaue. Beinahe stosse ich einen unkontrollierten Schrei aus, als ich auf der Unterseite der Tüte doch noch eine weisse Etikette durchschimmern sehe. Biip. „So das macht denn 248 Frankge 75.

Hän Sie d Cumulus Karte?“ „Jä die hani, Augeblick.“ Die Tragödie nimmt unaufhaltsam ihren Lauf. Ich sehe wie die Dame vor mir Ihre Geldbörse aus der Handtasche zieht. Das Portemonnaie ist so gross, dass es am Flughafen vermutlich eingecheckt werden muss und nicht als Handgepäck mit an Bord gebracht werden darf. Ich bin beeindruckt, dass sie dieses Möbel mit nur einer Hand heben kann. Mit scharfem Blick beobachte ich wie Frau Mangold ihre Geldtasche durchsucht, und schlussendlich im siebten

Trennfach fündig wird. Ich sehe, wie die Kartonverpackung meiner Tiefkühlpizza langsam anfängt aufzuweichen. Biip. Sorgfälltig nimmt die Alte vor mir ihre Karte wieder zurück und versorgt diese hastig irgendwo in ihrem Geldbeutel, bevor sie das unfassbare tut. Ihre Bankkarten ignorierend öffnet sie den Reisverschluss eines weiteren Trennfachs, zieht eine Hunderternote hervor und legt diese auf die Ablagefläche direkt vor der Kassiererin Hägeli. Für einen Moment spüre ich wie mei-

ne Knie leicht nachgeben und ich drohe das Gleichgewicht zu verlieren. Sie kramt einen weiteren Hunderter hervor. Dann einen Zwanziger. Und noch einen Zwanziger. Ich rechne mit, und, im Wissen wie es weitergeht, suche ich Halt am Kaugummiregal. Aus dem Münzfach knübelt sie mühsam einen Fünfliber heraus. Tack. Die dumme Kuh stochert weiter in ihrem Kupfer und Nickel-Salat und findet einen Fränkler. Tack – auch der landet auf der Ablage. Weiter wird gewühlt. Und noch ein Fränkler kommt zum Vorschein. Tack. Es klimpert weiter. Ich japse nach Luft und versuche bei Bewusstsein zu bleiben. Ein Fufzegerli krammt sie nun hervor die blöde Sau, und ich wische mir den Schaum vom Mund. Dann gerät die Schatzsuche ins Stocken. Noch einmal fährt der Zeigefinger quer durch diese Sammlung antiker Zahlungsmittel. ‚Kommst du aus dem alten Rom?!!‘ möchte ich ihr entgegenschreien, da sagt sie: „Oh entschuldige Sie bitte Frau Hägeli, ich muess es eso mache,“ sammelt das Münz wieder ein und kramt einen Zehner aus dem anderen Fach. Mir wird schwarz vor Augen, und wie ich dem Boden entgegensinke, höre ich weit entfernt Frau Mangolds vertraute Stimme: „Momänt, 75 Rappe hani no....”


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März 2014

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: NEARLY NAKED LINGERIE

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THE OSCAR GOES SOWIESO IMMER AN FALSCHE 5. März 2014 Yonni Meyer Liebe Schweizer Journalisten und Journalistinnen Amigs habe ich das Gefühl, ich läse eine Gymischülerzeitung, wenn Ihr über die Oscars Bericht erstattet. Das war einfach zu wenig dreckig, zu amerikanisch, zu wenig aggressiv, zu bunt – und in einem Artikel tauchte sogar die Aussage auf, zu wenige Frauen hätten Anzüge getragen. What the Fuck? Wenn Ihr schon so künstlich nach Diskriminierung suchen müsst, dann sprecht doch auch die Tatsache an, dass zu wenige Männer Kleider trugen. Kennt Ihr Hollywood? Das liegt in Südkalifornien, wo 90% aller Brüste, Zähne und Identitäten gefälscht sind. Hollywood IST so. Überpoliert und geliftet und pompös. Die Oscars waren immer so, auch schon vor 85 Jahren. Man kann keine Hollywood-Blockbusters mit einer Indie-Brille schauen und dann finden, der Streifen sei Kitsch. Genauso, wie man keine königliche Hochzeit schauen und dann am nächsten Morgen in der Zeitung schreiben kann, dass da einfach zu wenige saufende Jugendgangs dabei gewesen seien, obwohl diese ja auch Teil einer Monarchie seien. „’12 Years A Slave’ war zu geradlinig und hatte ein Happy End.“ Äh ja, und es ist eine wahre Geschichte. Hätte man am Ende alle sterben lassen müssen, damit man um Gottes

nicht realistisch genug? Manchmal frage ich mich wirklich, was Ihr Euch bei solchen Kommentaren denkt und welche Erwartungen man mittlerweile ans Kino hat. Genauso, wie Ihr der Academy vorwerft, nur die „Hässlichen und Abgemagerten“ mit Oscars auszuzeichnen. Echt? Habt Ihr die Performances von Matthew Mcconnaughey und Jared Leto gesehen (oder auch die von Charlize Theron als Aileen Wuornos in „Monster“)? Nebst der Tatsache, dass eine solche Verunstaltung des eigenen Körpers eine unfassbare Leistung an sich darstellt (umstrittenermassen, gebe ich zu), fand ich die beiden rein schauspielerisch schlicht besser als ihre Mitstreiter – und da ging es jedem, mit dem ich über die Filme sprach, genauso. Sorry, Leonardo DiCaprio. I love you, call me.

Willen nicht noch das Gefühl bekommt, die Welt könnte ein schöner Ort sein? Dass Menschen den kompletten Film hindurch Höllenqualen erleiden, war

Ellen war zu wenig aggressiv, zu wenig unter der Gürtellinie, zu wenig lesbisch. Wahrscheinlich war auch Lupita Nyong’o noch zu wenig schwarz, um wirklich realistisch zu sein. Schmüschmü. Wenn Ihr Independent-Filme über inzestuöse Sexualbeziehungen afghanischer Bergziegen mit ihren Eltern schauen wollt, dann fahrt nach Utah ans Sundance Film Festival, aber lasst mich mit Euren alternativen Ansprüchen an eine per Definition kommerzielle Welt in Ruhe. So.

GEGEN DEN REGENBOGEN: DIE HUSCH 3. August 2013 Reinhold Weber. Einverstanden: Man könnte es auch eleganter sagen. AUFGEWÄRMTE TOP5 DER PICS IM NETZ, Aber auch viel plumper. AUF DENEN WLADIMIR PUTIN UMSVERRECKEN UNSCHWUL DAHER HAPPY BIRTHDAY KOMMEN WILL ABER’S NICHT GANZ HINTERHOF… ÖHM… BAR AUF DIE REIHE KRIEGT

7. März 2014 Alex Flach Der Hinterhof, sie selbst hängen da noch ein Bar hintenan, ist die Basler Location, die in Zürich fehlt (okay; ein zweiter Nordstern wäre natürlich auch lässig). Nicht mal unbedingt wegen der exzellenten Line Ups die da geboten werden (heute Abend spielen Benoit & Sergio), auch nicht wegen des guten

Soundsystems oder des industriellen Flairs: Das alles findet man auch in Zürich. Was man hier aber nicht kriegt, sind Clubs, die Barkeeper beschäftigen, die sich die Zeit nehmen, einen Mojito zu mixen, die einen Mai-Tai mixen können oder die wissen, dass ein Irish Flag nicht aus Stoff besteht. Dafür muss man hier in eine Bar. Was in Zürich ebenfalls fehlt, ist ein Club mit einer grossen und stilsicher eingerichteten Dachterrasse, auf der man auch noch mit das beste Grillfleisch aufgetischt kriegt, das man sich für etwas Geld kaufen kann. Klar… es gibt zumindest einen Zürcher Club mit einer Dachterrasse, aber leider ist da sonst so ziemlich alles, alles andere anders als im Hinterhof – da lohnt nicht mal die sommerliche Frischluft einen Besuch. Heiland… also wirklich… da bleibt einem echt nichts anderes übrig als ein perplex-erschöpftes Wow rauszudrücken. Zurück zum Thema: Der Hinterhof ist ein Club, der so ziemlich alle Facetten der Abend- und Nachtgastronomie abdeckt und das jeweils auf Höchstniveau. Sie müssen ihre Partys nicht gratis verscherbeln wie andere es tun, sie tun es via Qualität und (eben…) mit Dingen, die man sonst nirgendwo kriegt. Gerade eben hat die Stadt Basel die Hinterhof-Bewilligung um ein weiteres Jahr verlängert. Sollte dann, Ende 2015, endgültig Schluss sein und sollten dann Lukas Riesen, Philippe Hersberger und Team dringend eine geografische Luftveränderung benötigen… wir könnten schonmal geeignete Zürcher Locations evaluieren gehen.

3. März 2014 Midi Gottet. Nachdem ich für diese Top5 so viele Putinfressen vom Netz runterholen musste, gehe ich jetzt mal kurz heiss duschen und übergebe mich, wenn ihr gestattet, noch ein wenig in meine eigene Mundhöhle.


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REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: REWE.

13. Februar 2014 Reinhold Weber Reklame von Discountern und Billiganbietern geht normalerweise so: Morgen 10%. Jetzt nur noch. Heute 1/2 Preis. Super-Aktion. Jetzt profitieren. Das ist ja gut und billig. Aber irgendwann denken die Leute, die sind ja bloss noch billig. Und nicht mehr gut. Deshalb hat die deutsche Billig-Kette REWE vor langer, langer Zeit unter dem Motto “Wir kaufen gut ein, damit Sie gut einkaufen” eine Anzeigenserie geschaltet. Jede Anzeige hat ein bisschen

Wissen rund um ein Lebensmittel vermittelt. Ohne tanzende Hühner, ohne glückliche Kühe, ohne Kinder, die zu einem nervtötenden Jingle durch eine blühende Sommerwiese hüpfen. Dafür so sauber und apptetilich gestaltet, dass man schon beim Anschauen dachte: was bei denen im Regal steht, kann nur gut sein. Und was ist heute? Da gleicht sich irgendwie alles wie ein Ei dem anderen. Liebe Migros, lieber COOP und lieber ALDI.v

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ANIMAL TRAINER RELEASEN SHANE

13. Februar 2014 Alex Flach Des Zürchers liebste Tiertrainer Samy und Adi waren letzterzeitlich nicht mehr ununterbrochen in Zürichs Nächten zugegen. Dies nicht ohne Grund, erscheint doch demnächst auf Oliver Koletzkis Label Stil vor Talent ihr Debütalbum WIDE – da musste ganz viel

FRISCH VOM DICKE AYERS ROCK GEPFLÜCKT: DIE, OHNE SCHEISS, ERST GRAD AUF DEM KINDERSPIELPLATZ GESCHOSSENE UND DESHALB SO WAS VON BRANDAKTUELLE TOP5 DER SCHÖNSTEN KLETTERWANDHODEN DER SCHWEIZ

Studiozeit abgezwackt werden… um die fiebrig-zittrige Vorfreude auf WIDE zu schüren und um ihren Fanatikern die Zeit bis zur Veröffentlichung zu verkürzen, haben sie schonmal eine erstes Single-Schmankerl samt Clip aufs Märktchen geworfen. Wir zeigen’s. Weil’s uns gefällt.

PARTYLÖWEN DER WOCHE

DAS MUSS MAN NICHT HABEN: PARTNERLOOK MIT SEINEM GLATZKÖPFIGEN TATTOO-OPFER-HERRCHEN

6. Januar 2014 Alex Flach. Drögeler… unheimliche Gesellen mit finsteren Gesichtern und muskelbepackt-tättowierten Körpern. Ah nein… das sind die Dealer. Nochmal: Drögeler… kaputte Menschen mit verstochenen Armen, die mit 20 aussehen wie 80,

mit Gesichtern, die längst nicht mehr lächeln können. So. Jetzt stimmts. Was tut der Drögeler wenn er nicht als solcher erkannt werden möchte? Sie rechts macht’s goldrichtig, er links kreuzfalsch. Do und don’t in einem Bild. Man dankt!

COLT SEAVERS PICKUP AUS «EIN COLT FÜR ALLE FÄLLE»

29. Januar 2014 Midi Gottet. Und dann die Schlabberhosen vergessen. Bravo. Wer denkt er, dass ich bin? Winnie Pooh?

5. Februar 2014 Dominik Hug. Colt Seavers, der kernige Held aus “Ein Colt für alle Fälle”, war Stuntman und brauchte einen Wagen, der einfach alles überstehen konnte. Er fuhr einen GMC Sierra, Jahrgang 1980 bis 1984. GMC baute für die Serie den Wagen um (Motor unter den Fahrersitz), damit die Sprungszenen mit der Karre besser realisiert werden konnten. http://www.seeninascene.com/

13. Februar 2014 Midi Gottet Alle Put-in-Anhänger und Homophobiker möchten zum hochkommen doch besser die Kletterstange nebenan benutzen. Danke.


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März 2014

DER NAME DER HOSE. EIN ENTHÜLLUNGSROMAN

3. Februar 2014 Reinhold Weber. Es war zwei Gimlets nach Mitternacht, und eine blonde, amtlich gebaute Dame wartete bereits im Schlafzimmer; aber dazu später mehr. Da ich so ziemlich alles lese, was mir vor die Brillengläser kommt, las ich neulich sogar meine neue Hose. Beim Ausziehen. Um es vorwegzunehmen: Da drin steht eine ganze Menge. Ich öffne die vier Knöpfe des Hosenschlitzes. Da! Ein Mehrzeiler!!! „Go to bed with a dream, wake up with a purpose“. WOW. So etwas hat mir eine Hose noch nie gesagt. Ich bin gerührt und finde darin nicht weniger als elf Labels. Auf jedem gibt es etwas zu Lesen. Auf einem 7,5 mal 10,5 cm grossen, braunen Stoffteil: „Understand yourself. Think of yourself. And then go your own way. Whatever ties to the circumstance you have and whatever conditions you are in keep your ways and remember to smile. The JACOB COHEN product philosophy. SINCE 1985 AUTHENTIC HISTORIC PRODUCT.“ – Das ist ja schon beinahe ein Essay.

Label drei: „Jacob Cohen Co. Handmade tayloring and manufactoring. Silver plated buttons and rivets. Expertly crafted worn finish, XX fabrics, REF.I.O.M. 901-56 8CD.“ – Bingo, ich habe gewonnen. Vier: „JaCob Cohen Co. Mr. ………………… .“ Aha, da könnte ich meinen Namen hineinschreiben. Oder mein Pseudonym. Mr. Cool zum Beispiel. Fünf: „Jacob Cohen Tailored Jeans. Only selected Japanese Fabrics and Italian Craftsmanship. Handmade Reg. TM.“ Sechs: „TAILORED JEANS FOR CONNOISSEURS – SECOND PREMIUM EDITION“. Sieben: „EXCLUSIVELY HANDMADE IN A SMALL REGION IN THE NORTH EAST SIDE OF ITALY.“ (Soso, in Slowenien also.) Labels acht bis zehn: drei JeansAufhängelaschen „JACOB COHEN HANDMADE“, und auf dem elften Teil dann noch die obligate Waschanleitung „DRY CLEAN ONLY 100% COTTON – MADE IN ITALY distributed by Giada Spa“. Phew! Da denkst du immer, du machst Marken, und jetzt machen die

Marken mich. Zum Deppen nämlich. Bin ich denn eine Longcopy? Eine Litfass-Säule? Ein Courths-Mahler-Roman? Schaunmermal. Und zwar in den Pullunder. „LORO PIANA. BABY CASHMERE. MADE IN ITALY. 50. Dry clean only.“ – Enttäuschend wenig Text pro Schweizer Franken. Da gehe ich nicht mehr hin. Hemd: „BROOKS BROTHERS MAKERS 16 ½ – 5 ALL COTTON MACHINE WASH NO CHLORINE BLEACH MADE IN U.S.A.“ Good job, dudes. Knapper das Unterhemd: „ZIMMERLI OF SWITZERLAND“. Mundfaul schweizerisch halt. Gefällt mir. Noch griffiger die Rohners. Ein „R“ auf der Socke links, ein „R“ auf der Socke rechts. Douze points. Um intim zu werden: „346. BROOKS BROTHERS. 34. 100% COTTON. Machine wash warm. NON-CHLORINE BLEACH. Made in the USA.“ Na ja, so prickelnd sind meine Boxer-Shorts nun auch wieder nicht. Am Handgelenk: „IWC“ und „Ingenieur“ und etwas unlesbar Kleines. Muss ein junger Grafiker gestaltet haben. Ich bespanne meine Kalbsleder-Treter, aus welchen ich einen betörenden Aphorismus rezitieren kann: „Ed. Meier / Ältestes Deutsches Schuhhaus / Goodyear Schuhe / Gegr. 1590 / Hoflieferanten München – 8308 10½ – B 312 ALTIERI X5 615“. Tief bewegt lege ich die Brille weg: OLIVER PEOPLES. Der ganze Rest, der sonst noch auf dem Bügel steht, war ohne Sehhilfe nicht zu entziffern. Tja, Alter. Du wirst nicht bloss den lieben Tag lang, sondern auch noch von Kopf bis Fuss von irgendwelchen Leuten vollgetextet. PS. Nach dieser anderthalbstündigen Lesung war der blonde Engel übrigens verschwunden, und ich weiss nicht einmal mehr, wie ihr Name war. Wahrscheinlich Shawne Branding.

WOW. ENDLICH MAL EIN SI-ONLINEARTIKEL ÜBER BEATRICE EGLI OHNE PENETRANTES FEATURING IHRER BETRÄCHTLICHEN OBERWEITE.

17. Februar 2014 Midi Gottet. Und genau aus diesem Grund haben wir nach zwei Sekunden das Interesse verloren und weitergeklickt. Danke und adieu.

VOM GLÜCK UND VOM ABER

7. Februar 2014 Yonni Meyer. Gestern fragte mich meine Freundin Lily beim Käfelen, ob ich denn glücklich sei. Zagg. Mitten in die Fresse, die Frage. Lily darf das. Ich musste für die Antwort länger studieren, als es mir lieb war, obwohl diese trotzdem als „Ja“ ausfiel. Ja. Aber… Verfluchtes Aber. Dabei habe ich gerade ja alles, was man sich nur wünschen kann. Familie, Freunde, Wohnung, Job. Alles super. Und ich darf sogar auch noch darüber schreiben, wie super es ist. Menschen haben Freude an dem, was ich tue. Ich habe Freude an dem, was ich tue. Friede, Freude, Eierkuchen. Trotzdem sind da Dinge, kleinere und grössere, die nicht so laufen, wie ich das gerne hätte. Und was mache ich? Ich konzentriere mich selbstverständlich auf das, was eben nicht läuft. Und genau deswegen konnte ich Lilys Frage nicht sofort mit „Ja“ beantworten. Ich beobachte dieses Phänomen nicht nur bei mir. Es scheint, als liege es in der Natur des Menschen. Deshalb

komme ich nicht umhin, anzunehmen, dass es irgendeinem Zweck dient. Dem Wachsen? Dem Aufräumen im eigenen Leben? Dem Fortkommen? Vielleicht fällt es uns auch schwer, komplett glücklich zu sein, weil wir wissen, dass das Glück irgendwann wieder vergeht. Vielleicht bereiten wir uns selber konstant auf den Fall in die Tiefe vor. Vielleicht haben wir Angst vor Dingen, die „zu schön sind, um wahr zu sein“. Vielleicht trauen wir uns im Sinne des Swiss Understatement auch nicht, einfach mal zufrieden und glücklich zu sein. Und deshalb täten wir gut daran, ab und zu mal das Aber Aber sein zu lassen, uns selber auf die Schulter zu klopfen, auf unsere momentane Situation zu schauen und zu sagen „Ich habe das gemacht. Ich habe mir das erarbeitet und es ist fantastisch. High 5 to me.“ „Das Schöne ist so kostbar, weil es vergänglich ist.“ Deshalb kehre ich heute dem Aber für einmal den Rücken und sage: Ja, ich bin glücklich.

DER KNIGHT 4000 AUS “KNIGHT RIDER 2000

10. Februar 2014 Dominik Hug. Ihr wollt den Knight 4000 aus “Knight Rider 2000″ kaufen? Wirklich? Ihr würdet mit dem Schiff in keine Parklücke reinkommen. Jedenfalls müssen wir euch enttäuschen.

Der Knight 4000 ist ein umgebauter Dodge Stealth, der einem Pontiac Banshee (Konzeptwagen) nachempfunden wurde. Nicht käuflich also. Sorry..SEEN IN A SCENE. www.seeninascene.com


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März 2014

Seite zwanzig

AMERIKANISCHES 15 SÄTZE DEINES GEGENÜBERS, POSTKARTENRÄTSEL: NACH DENEN DU DICH ENTSPANNT UND FINDEN SIE DIE MIT ERHOBENEM EGO VERDÄCHTIGEN BEGRIFFE! ZURÜCKLEHNEN KANNST 3. Dschungelcamp? Du kuckst diesen Scheiss?? (Wieso? Du siehst dich doch auch jeden Morgen im Spiegel an.) 4. Ich schaue nie Fernsehen. (Habt ihr in Schnarchhausen noch immer kein Kabelnetz?) 5. Facebook ist tot. (Hat in den letzten drei Monaten nur 40 Mio. neue Mitglieder erhalten – informiert also schon mal den Totengräber.) 6. Früher war‘s besser. (Stimmt, da hab ich dich noch nicht gekannt.) 7. Religionen sind an der Misere der Welt schuld. (Ach und ich dachte immer Menschen! Dann beantrage aber bitte sofort einen internationalen Haftbefehl in Den Haag.) 8. Ich bin Mingle. (Aha, du vergeudest also deine Zeit mit 20 Minuten lesen. Bist also nicht weniger langweilig als ich.) 9. Du kannst Liebe nicht suchen – sie findet dich! (Ja – wenn Du aussiehst wie Ryan Gosling oder Rebecca Mir – sonst musst Du tamminamal den Finger rausnehmen!)

20. Februar 2014 Henrik Petro Kännsch? Da unterhältst du dich mit jemandem und sie/er tritt mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein auf, ist von ihrer/seiner Meinung komplett überzeugt und hat einfach zu allem und jedem eine dezidierte Meinung, die sie/er mit einnehmender Eloquenz vertreten kann. Dein Selbstwertgefühl hingegen bröckelt mit jedem Satz, den dein Gegenüber von sich gibt – und du kommst aus dieser Szene nicht mehr raus, weil du erst recht fasziniert und beeindruckt bist und eigentlich nur nach

Anerkennung dieser Person lechzt. Aber unter dieser Prämisse kannst du nur verlieren. Ausser… du entlarvst sie/ ihn als das, was sie/er ist: ein Mindfucker, der nur heisse Luft produziert. Darum hier 15 Sätze deines Gegenübers, nach denen du dich entspannt und mit erhobenem Ego zurücklehnen kannst, weil sie/er ein Dummschwätzer ist: 1. Ich habe keine äusserlichen Präferenzen. (Heisst: hält nichts von Sex.) 2. Ich bin halt ein bisschen crazy. (Ach darum die Uhr am rechten Handgelenk.)

10. Im Ausgang ist nur noch Kindergarten. (Und? Im Altersheim gibt’s dafür jeden Mittwoch Bingo!) 11. Techno ist tot. (Bin das letzte Mal 1994 darauf reingefallen. Oder so.) 12. Alkohol sagt mir nichts. (Du musst ja nicht mit ihm reden, du Vollpfosten!) 13. Männer wollen alle nur das eine. (Weil alles andere an dir nur nervt.) 14. Frauen wollen nur mein Geld. (Weil du keine äusserlichen Präferenzen hast => siehe oben.) 15. Sind alles Schlampen. (Warte nur, wenn ich das nachher meiner Mutter erzähle!)

DIE SCHWEIZ REKLAME, DIE MUSS MAN ATMET AUF: WIR GERNE NICHT SEXGERÜCHTE ÖFTER HABEN: BEIM UM SOPHIA UND THOMAS GAR SÄHEN, POPELN AUF NICHT WAHR HEUTE: DIE FRESSE MCDONALDS. FALLEN

30. Januar 2014 Reinhold Weber Ein bisschen weg vom hastigen, vorlauten, clownigen, rot-gelben und etwas billigen Image kann nicht schaden. Schön geschnitzt, McDonalds.

3. Februar 2014 Midi Gottet Und nächste Woche zeigen wir hier wie der Finger aussieht.

4. März 2014 Midi Gottet Wie SI-Online zu berichten vermag, hatte Sophia Akkara, 20 damals auf Kuba gar nie eine Affäre mit Thomas Zbinden, 21, und hat seinetwegen auch nicht ihren damaligen Freund verlassen weil Thomas Zbinden eigentlich in dieser Zeit sowieso in Ellen Viktoria, 17, verliebt war. Peng! Wow! Eiderdaus…! Ich glaube, ich spreche hier für den Rest der Nation, wenn ich hier gestehe, dass ich keinen FUCKING Schimmer(!) habe, werde diese Leute eigentlich sind – aber ich hoffe aufrichtig, dass ich diese Leute mit diesem schäbigen Artikel hier auf kult.ch ein Quäntchen berühmter machen konnte.

12. Juni 2013 Kaspar Isler. Jüngst veröffentlichte das US-Heimatschutzministerium eine Liste mit Begriffen, die uns in den Augen von Uncle Sam potentiell verdächtig machen. Ich mag es generell sehr, wenn mir jemand das Schreiben vorschreiben will -und halte mich drum per sofort daran, die über 370 suspekten Begriffe wie Wurm, Mexiko, Wolke, Wellen, Eis, Schnee, helfen, Grippe, Flughafen und Flugzeug tunlichst zu vermeiden.Ehrlich. Als Beweis dafür eine Postkarte, die ich aus meinen Ferien an meine Mutter geschickt habe. Kleines Rätsel für besonders geneigte Leser: Finden Sie die verdächtigen Begriffe. Liebes Mami, Hier in “Du weisst schon wo” ist es sehr schön. Ich liege

bei «Du weisst schon was”-freiem Himmel am Strand, lausche dem Rauschen der “Du weisst schon was” und trinke einen «Du weisst schon was”-Tee. Ist hier schon mehr mein Ding als die mit “Du weisst schon was” bedeckten Alpen in der Schweiz. Ich hoffe die Medikamente haben “Du weisst schon was” und deine “Du weisst schon was” ist mittlerweile auskuriert. So jetzt muss ich auch schon wieder los, um rechtzeitig am “Du weisst schon was” zu sein, um mein “Du weisst schon was” zu erwischen. Von meinem Ferien-Flirt habe ich mich übrigens wieder getrennt. Die dreckige Bombe hat einfach zu viel Terror gemacht. In inniger Liebe, Dein Sohn.

EINE DROGE WIE JEDE ANDERE AUCH 5. März 2014 Rainer Kuhn Es war gar nicht so schwierig, in den ersten Tagen. Obwohl er sich schon ein paar Mal zwingen musste. Nicht am Morgen ins Internet gehen und die üblichen Newsportale querlesen. Nicht in der Kaffeepause eine Zeitung nehmen und drin blättern, auch nicht aus Langeweile. Nicht zuhören, wenn die anderen von den Sachen, die sie gehört haben, erzählen. Es war schon jedes Mal ein bewusster Entscheid dagegen. Da lief noch gar nichts Unterbewusst. Die Register sind ja noch leer, die musste er erst mal füllen, sie fühlen, und das passierte am Anfang halt bewusst. Aber es ging. Es ging sogar so gut, dass, als sie im Tram über irgendetwas gesprochen haben, er erst bewusst weghörte, bis er merkte, dass dieses „irgendetwas“ eine der Sachen war, die ihn sowieso nicht interessierten. Es zeigte ihm, dass er es richtig anstellte. Obwohl es ihm schon ein bisschen verkrampft vorkam. Nichts aus den Medien erfahren, nichts von Leuten, die darüber diskutieren was sie aus den Medien erfahren, das war streckenweise ziemlich streng. Aber das Aufstehen am Morgen ging leichter, da war nicht mehr schon kurz nach dem Aufwachen dieses Rattern im Kopf, dieser dumpfe Lärm, wenn das Hirn sich die Gedanken zusammenbaut, das war leiser geworden, deutlich leiser, nach kurzer Zeit schon. Es war wie mit dem Rauchen aufhören. Er hatte plötzlich viel mehr Zeit. Hatte sein Umfeld bewusster wahrgenommen, es unterteilt in die, die sich

Gedanken machten und den anderen, die sich keine Gedanken machten. Wie er jetzt auch. Er war jetzt auch einer von Ihnen. Die mehr Zeit haben, die mehr Lachen, denen es gut geht. Jeden Tag ein bisschen mehr. Dann und wann war er rückfallgefährdet. Nach den Oskarverleihungen, zum Beispiel. Aber er wollte es durchziehen. Und sie fragten ihn wie er sich denn informiere, wenn er keine Medien mehr zu sich nehme, man müsse doch wissen, was auf der Welt laufe, wie soll man sich sonst eine Meinung machen. Und er antwortete ihnen, es brauche Alkohol, wer saufen will, und er will sich nicht mehr täglich besaufen. Es gefiel ihm, Vergleiche mit Drogen-Entzug anzustellen. Er fühlte sich dann nicht allein.


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März 2014

MUSS MAN HABEN: MÜTZE, GLATZE, MÜTZE, GLATZE

Seite einundzwanzig

MANICHINO 4. November 2013 Henrik Petro. Arturo besah sich ein letztes Mal im Spiegel. Seine grau melierten Haare hatte er streng mit Brillantine zur Seite gekämmt, der Scheitel sah aus wie mit dem Lineal gezogen. Arturo studierte seine Stirn. Die noch dezent, aber trotzdem erkennbaren Altersflecken unterhalb des Haaransatzes, der für sein Alter noch immer tief lag, wie er fand, ärgerten ihn. Er durfte deswegen seine Stirn aber trotzdem nicht in Falten legen, denn Falten blieben, hatte seine Mutter immer gesagt. Wie sein Schnurrbart waren auch die Augenbrauen tadellos gestutzt. Der Rest der unteren Gesichtshälfte war perfekt rasiert. Das weisse Hemd mit dem gestärkten Kragen trug er seit einigen Jahren eine Nummer grösser. Es verhinderte, dass schlaffe Haut am Hals über den Kragenrand quoll. Er war zufrieden, das dunkelblaue Sakko glänzte, als wäre es neu – tatsächlich hatte er es nur frisch reinigen lassen. Mit der rechten Hand wischte er die wenigen Schuppen von seiner Schulter, die seine festgepappten Haare noch durchliessen. Dann verliess er den Umkleideraum der Angestellten und begab sich an seinen Platz bei den Regenschirmen, Akten- und Brieftaschen. Sie war pünktlich. Auf die Minute genau. Wie immer betrat sie das Warenhaus um 10.21 Uhr von der Südseite. Heute trug sie ihren dünnen beigen Mantel mit Burberry-Innenmuster, den zweiten und dritten Knopf geschlossen, den Gurt jedoch offen. Der dunkelgrüne, enge Rollkragenpulli aus Tricot liess ihren weissen Hals noch heller erscheinen. Er passte hervorragend zu ihren schwarzen Haaren, dachte Arturo, und er betonte ihre grünen, jungen Katzenaugen. «Buongiorno, Signora» sang Arturo und schenkte ihr sein schönstes Lächeln, das makellose Zähne entblösste – mitunter der Verdienst, dass er sein Leben lang nicht rauchte und weder Kaffee noch Tee trank. Ganz kurz, höchstens zwei Sekunden, drehte sie ihren Kopf in seine Richtung, bis sie ihn erkannte. Ein Anflug eines Lächelns umspielte ihre rosa Lippen, ihr Nicken war so schwach und kaum – also nur von ihm – wahrnehmbar. Es war kein freundliches, sondern nur ein bestätigendes Nicken, so wie man eben einen fremden Menschen grüsst, den man seit zehn Jahren täglich sieht, aber nie ein Wort mit ihm gewechselt hat. Sie drehte sich wieder um und tat das, was sie um 10.23 Uhr immer tat: sie betrach-

tete eingehend die Schaufensterpuppen, die im nutzlosen Dreieck zwischen Rolltreppe und Durchgang zum Nordtrakt aufgestellt waren und im Moment die Manteltrends der nächsten Saison präsentierten. 10.27 Uhr drehte sie sich leicht nach rechts und verliess Arturos Blickfeld durch den Durchgang zum Nordtrakt. Arturo stolperte beinahe über einen Pflasterstein und trat mit seinen teuren Schuhen in eine Dreckpfütze. Leise fluchend fragte er sich, was er hier bei diesen Zigeunern überhaupt suchte. Sein Freund hatte ihm wohl einen ganz bösen, aber gelungenen Streich gespielt und gerade, als er umkehren wollte, entdeckte er das Zeichen, das dieser Freund ihm aufgezeichnet hatte, auf der Tür eines Wohnwagens. Die Frau, die in dem Wohnwagen am Tisch mit dem geblümten Wachstuch sass, konnte durchaus eine Hexe sein. Als er seinen Wunsch geäussert hatte, verpasste ihm die Alte eine schallende Ohrfeige. «Wofür war das?», fragte Arturo entsetzt. «Für deinen dummen, dummen Wunsch!», erwiderte die Alte. «Sie werden ihn mir nicht erfüllen?», fragte Arturo weiter, wenig überrascht. «Das hab ich nicht gesagt. Es ist einfach ein dummer Wunsch, so dumm, dass ich dir einfach eine schmieren musste.» «Was ist dumm daran?» «Es gibt andere Möglichkeiten, sie dazu zu bringen, dass sie dich ansieht.» «Es ist die einzige Möglichkeit, an die ich noch glaube. Dass sie mich so ansieht, das ist alles, was ich mir wünsche.» Als sie am nächsten Morgen um 10.21 Uhr das Warenhaus von der Südseite her betrat, trug sie eine grüne Daunenjacke mit Kapuze aus Fellimitat. Die braune Chiffon-Bluse war bis zum zweitobersten Knopf zu. Sie wollte sich bereits den Schaufensterpuppen zuwenden, als sie bemerkte, dass etwas anders war. Niemand hatte sie begrüsst. Sie blickte zur Verkaufstheke der Regenschirme, Ak-

ten- und Brieftaschen. Der junge Mann, der dort gelangweilt stand, war ein völlig Unbekannter. «Verzeihung, sind Sie neu? Da war doch immer so ein freundlicher älterer Herr..?» «Herr Schiavino?», bemerkte der neue Verkäufer. «Ja, wahrscheinlich, hat er Urlaub? Oder ist er krank?» «Äh, ich weiss es nicht. Ich musste kurzfristig hier einspringen. Wie es scheint, ist er heute ohne Nachricht nicht zur Arbeit erschienen.» «Oh.» «Aber keine Sorge, es wird sich sicher bald alles klären. Er ist sonst sehr zuverlässig.» «Danke», sagte sie freundlich und fügte in Gedanken ein «ja, das ist er» hinzu, drehte sich zu den Schaufensterpuppen – und erschrak. Eine der Puppen sah genau so aus wie der nette alte Verkäufer. Und sie schien sie anzusehen! Ach, Blödsinn, sagte sie zu sich selbst. Das bilde ich mir ein, weil er heute nicht da ist. Sie schaute auf die Uhr: 10.27 Uhr – Zeit zu gehen. Sie würde morgen wieder vorbei kommen, genau hinschauen und dann merken, dass dies alles nur Einbildung, ein Hirngespinst, eine Fehlleistung ihres Gehirnes war. «Und was passiert mit den Puppen?», fragte der Verkäufer der Herrenabteilung, nachdem die Innendekorateurin mit den kurzen violetten Haaren die Puppe ausgezogen und dem Verkäufer die Kleider in die Hand gedrückt hatte. «Wieso, willst du eine nach Hause nehmen? Für einsame Stunden?», erwiderte sie frechund fügte hinzu: «Die kommen erstmal in den Keller. » «Schade», meinte der Verkäufer, ihren Scherz ignorierend. «Der hier sieht verdammt lebendig aus. Erinnert mich an jemanden. Wenn ich nur wüsste, an wen?» «Da muss ich dir recht geben – in beiden Punkten. Aber wenn hier tatsächlich das Kundeninformationsterminal hin kommen soll, sind die Tage der Schaufensterpuppen in diesem Bereich gezählt. Sie haben einfach keinen Platz mehr.» «Ja und was geschieht dann mit ihnen?» «Keine Ahnung. Wahrscheinlich werden sie geschreddert, wie der ganze restliche alte Müll, den kein Mensch mehr braucht.»

MUSS MAN HABEN: EIN LEBEN NACH DEM BACHELOR

30. Januar 2014 Midi Gottet. Eine helle Rübe ist auf die Idee gekommen, die Glatzen von “Notorious Baldies” auf Leinwand aufzuziehen und es Kunst zu nennen. Mit Ausnahme des letzten Bildes (Wer erkennt den beliebten Schweizer Komiker mit drei Buchstaben?), gibts die Dinger hier zu kaufen: www.mymodernshop.com/ artist/portfolio/4965

18. Februar 2014 Midi Gottet. Endlich entvujongfert. Carmen, wir freuen uns so über diese Schlagzeile. Wir wünschen dir und deinem ein Jahr jüngeren Berner Boyfriend viele schöne Momente im Liebes-Weekend im Tessin und beim geplanten Stockholm-Kurzaufenthalt. Ähnlich wie Dominique Gisin

hast auch du einen langen Leidensweg hinter dir und ähnlich wie sie, wurdest auch du jetzt vom Schicksal endlich belohnt. Deine Goldmedaille ist dieser Mister Right, den du im Berner Club “Le Ciel” kennengelernt hast und dessen Namen du uns, Schelmin die du bist, auf Teufel komm raus nicht verraten

willst. Hach, die Liebe. Schön, einfach nur schön. Wir empfehlen jedoch, das noch laufende Parship-Abo nicht gleich zu canceln. Vielleicht spült die Brandung ja noch was Besseres an Land. Und wenn dem so ist, zögere nicht, die Medien darüber zu informieren. Ja?


Ab jetzt im Buchhandel.


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März 2014

GUT ABGEHANGEN: DIE KURZ VOR DER NAHTOD-ERFAHRUNG GESCHOSSENE TOP5 DER WAHNSINNIGSTEN KIDS IM NETZ, WELCHE MIT NUR EINER HAND ÜBER DEM ABGRUND HÄNGEN

22. Februar 2014 Midi Gottet Hier könnte man witzeln, dass dieser Planet eh ein mächtiges Überbevölkerung-Problem hat und diese Jungs ein gutes Beispiel seien, wie das Problem zu lösen sei aber statt dessen sag ich hier nur: “Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaahhhhhhh, ihr verdammten Bälger, hört auf mit diesem Scheiss! Bei jedem

LEGO MEETS IPAD

25. Januar 2014 Midi Gottet Man nehme ein iPad, eine Menge weisser Legosteine und ein paar Kinder. Und schon ist er perfekt, der Retro-Tag für die Kids. So sehen die Bälger mal, wie wir in der Steinzeit noch Computerlis gespielt haben.

Pic ziehts mir die Weichteile bis zur Implosionsgefahr zusammen.” Wenn mein Sohn jemals meint solche Bilder machen müssen, nur weil irgend so ‘ne scheissetriefende Pissnbirne wie ich, das Zeug dann auch noch auf kult.ch veröffentlicht, dann, dann…,äh dann gibts aber sowas von einer Woche TV-Verbot. Aber sowas von!

Seite dreiundzwanzig

SO KOMMST DU MIR NICHT INS HAUS 25. Februar 2014 Midi Gottet Als ich an jenem Samstagvormittag leicht verkatert im Dolderbähnli sass, streifte mein Blick durch die Leute. Ich versuchte, anhand der Kleidung zu erraten, wer ausser mir ebenfalls am Curlingeinführungskurs im Clubhaus Dolder teilnehmen würde. In der InfoMail empfahl man mir warme, dehnbare Kleidung anzuziehen. Zu schade, war mein gefütterter Latex-Overall gerade in der Reinigung. Murphy’s Law. Mit leichter Verspätung betrat ich die eisige Curling-Halle. Meine Nase begann wie auf Knopfdruck zu laufen. Aus dem Schnupperkurs wurde im Nu ein Schnupfenkurs. Achtung, fertig, „Kleenex Balsam“. Es hatte sich doch eine beachtliche Anzahl Kursteilnehmer versammelt. Alles bunt durchmischt: Eltern, Kinder, Teenager, Rentner und eine Vodka-Leiche. Yep, that’ll be me. Ich zog mir meine Trappermütze über die Rübe und folgte mit gespielter Aufmerksamkeit den Worten von Kursleiter Peter Wildhaber. Peter führte uns gleich zu Beginn aufs Glatteis, welches eigentlich gar keines ist. Es wird vom Hallenwart nämlich mit Wasser gesprenkelt und ist dadurch gut begehbar. Die Curlingsteine jedoch, haben durch die Noppung des Eises weniger Widerstand und gleiten um so mehr. Eine klassische Win-Win-Geschichte. Peter erklärte uns mit einer tiefen, sonoren Stimme die Dos and Don’ts im Umgang mit der gefährlichen Rutsch-Sohle mit Teflonbeschichtung. Diese sollte uns später zum Fleisch-Torpedo machen. Die Halle besass die Akustik einer Kirche. Peters Worte bekamen dadurch eine besinnliche, um nicht zu sagen, andächtige Note. Ha-ha-hatschi…! Sorry, wäg de Story vo vori. Die erste Übung bestand darin, auf dieser Teflon-Sohle gleiten zu lernen. Jeder nahm sich zwei Steine, stellte sein Sprungbein auf die Sohle und pushte sich von der Seitenbande, der Breite nach, übers Spielfeld. Mit den zwei „Führungssteinen“ flog ich übers Feld und fühlte mich wie das gute alte Raumschiff Enterprise. Das war noch ziemlich einfach, weil ich mich ja auf den Steinen abstützen konnte. Schwieriger wurde es, als wir den linken Stein, durch einen Besen ersetzten. Denn auf dem verbleibenden Stein aufzustützen war eine schlechte Idee. Liess man den

DIE SCREAMING MIMI AUS “TRIO MIT VIER FÄUSTEN”

29. Januar 2014 Dominik Hug Habt ihr euch je gefragt, was eigentlich aus diesem potthässlichen Helikopter aus “Trio mit vier Fäusten” (orig. “Riptide”) geworden ist? Nun, dieser Vogel, Typ Heavy Lift S58T, existiert noch immer und fliegt für die Firma Summit Helicopter in Pacoima, Kalifornien

Stein los, legte man sich unsanft auf die triefende Nase und der Coolness-Faktor verpuffte. Also waren wir gezwungen den Besen als Stüzthilfe zu nehmen. Nach ein paar Ausrutschern, funktionierte es dann endlich halbwegs mit dem Abschuss. Jetzt gings eigentlich nur noch darum zu begreifen, in welche Richtung der Stein curlt. Links rum, gleich Linkskurve, Rechts rum, gleich Rechtskurve. Das schnallte sogar ich, mit stark reduzierter Promille-Birne. Auch die Punktevergabe (ähnlich wie beim Boccia) trichterte uns Peter mit viel Ruhe und Geduld ein. Das Spielziel sei es, möglichst viele der acht eigenen Steine näher beim Zentrum des sogenannten Hauses zu platzieren, als der am besten platzierte gegnerische Stein. Okay? Nach so viel Theorie waren wir alle heiss auf etwas Praxis. Peter teilte, wie der Lehrer früher in der Turnhalle, die Gruppen ein und gab uns das Go für ein erstes End. In meinem Team spielten Annika und Laura, zwei Teenage-Girls und Holger, ein deutscher Ausputzer, der wohl nicht zum ersten Mal auf dem Eis stand. Als Self-made-Skip ernannte ich Holger kurzerhand zum letzen der vier Schützen. Das gegnerische Team setzte sich aus einem Schweizer Ehepaar, einem japanischen Touristen und dessen Freundin zusammen. Ein ehrgeiziges Trüppchen, wie sich bald herausstellen sollte. Ich gab den Winkelried und spielte mit viel Selbstvertrauen die ersten zwei Steine. Beide schafften es nicht mal ins Haus.

In den Augen von Annika und Laura war zu lesen, dass sie deutlich mehr von mir erwartet hätten. Ich konnte die enttäuschten Blicke nicht ertragen und flüchtete mich in ein VerlegenheitsSchneutz-Konzert abseits der Bahn. Von nun an konzentrierte ich mich aufs Steine-ins-Haus-wischen. Im „Bäsele“ war ich wirklich gut und erwägte für den Bruchteil einer Sekunde eine Karriere als Putzfrau. Endlich war mir in dieser Riesenkühltruhe auch etwas warm. Unsere Gegner füllten das Haus raffiniert mit ihren Steinen und freuten sich jedesmal lautstark darüber. Zähne knirschend betrachtete ich den Untergang meines Dream-Teams. Annika und Laura spielten etwa auf meinem Niveau, also unterirdisch – und mein „Joker“ Holger schoss seine Steine mit Überschall-Geschwindigkeit übers Haus hinaus. Wir forderten eine Revanche. Doch trotz intensivem Coaching von Peter, machten wir nur wenig bis gar keine Fortschritte. Meine Steine gingen ab wie Torpedos und werden wohl in Süd-Italien irgendwann zum Stillstand kommen. Vom Erfolg gepeitscht, forderte das Siegerteam ein drittes End, doch ich hatte die Nase im wahrsten Sinne des Wortes gestrichen voll. Mit nasaler Stimme bedankte ich mich bei Peter für die vergebene Liebesmühe und schloss mit den Worten: „Ich würde ja gerne noch weiterspielen aber ich habe ein Date mit meiner Badewanne und einer Rotwein-ValiumSchorle.“

OMMFG! OLYMPIA-AUFTRITT DER SCHWEIZ 2014 IN SOTSCHI 7. Januar 2014 Midi Gottet Was zum Beischlaf sollen diese Kostüme bei den gegnerischen Nationen bewirken? Respekt? Angst? Hier kriegt nur einer Angst. Ich. Ich befürchte nämlich, dass jemand für dieses fiese Fashion-Fisting noch mächtig Kohle kassiert hat. Arme Schweiz! Die gebeutelten Wintersportler trainieren sich ein Jahr lang die Sackratten aus der Odlo-Funktionswäsche und schlussendlich müssen sie im Olympiadorf jene Klamotten überziehen, die ihnen der “Styling Experte” rauslegt – und sehen darin aus wie Mitarbeiter eines Feuerwerk-Pop-Up-Stores in der Raststätte Heidiland am 1. August. Ich meine, wenn ihr unbedingt die alten Tour-Klamotten von DJ Bobo austragen wollt, dann gebt den Fummel doch nächstes Mal einfach an die Winterhilfe. Danke.


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