VERLAGSBEILAGE
Klaus Lederer und Moritz van Dülmen über 75 Jahre Kriegsende
Themenwoche 2 – 8. Mai: Alles zum Digitalprojekt „Nach Berlin“
Befreiung Europas vom Nationalsozialismus: Programmtipps zum Jubiläum
2 I 75 JAHRE KRIEGSENDE
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
GRUSSWORT
75 JAHRE KRIEGSENDE I 3
VERLAGSBEILAGE I SAMSTAG, 2. MAI 2020
„Danke, Spasibo, Thank you und Merci!“
THEMENWOCHE 2. MAI BIS 8. MAI
Ein Ende des Krieges, ein Ende der Gräuel
Klaus Lederer und Moritz van Dülmen über neue Erinnerungskultur in Berlin
heute vor 75 Jahren lagen unzählige Städte in Deutschland und Europa in Trümmern. Der von Nazi-Deutschland ausgegangene Zweite Weltkrieg hinterließ eine Schneise der Gewalt und Zerstörung mit vielen Millionen Toten. Wir gedenken in diesen Tagen aller Opfer dieses grausamen Krieges – der Zivilisten, der Ermordeten in den Konzentrationslagern, der Getöteten in deutscher Kriegsgefangenschaft, derer, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt starben. Wir werden sie nicht vergessen. SENATSKANZLEI/LENA GIOVANAZZI
Michael Müller, Regierender Bürgermeister
Es waren die Alliierten, die unter vielen Opfern ein Ende des Krieges und damit der Gräuel und des Mordens erkämpften. In Berlin war es insbesondere die Rote Armee, die unterstützt von polnischen Soldaten unter hohen eigenen Verlusten unsere Stadt befreite. In großer Dankbarkeit begehen wir diesen Tag auch in Erinnerung und Würdigung ihrer Taten. Am 2. Mai kapitulierte Berlin, wenige Tage später, am 8. Mai, Gesamtdeutschland. Die NS-Diktatur war besiegt.
Ein anderer Maifeiertag
Die Überlebenden standen hier wie in vielen anderen Städten vor einer Trümmerlandschaft. Die Städte waren zerstört, Millionen hatten ihr Leben, die Überlebenden ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage verloren. Auch Berlin war kaum wiederzuerkennen. Ruinen standen dort, wo einstmals das kulturelle Leben blühte, viele Wahrzeichen unserer Stadt waren stark beschädigt und das ausgelöschte jüdische Leben hinterließ nicht nur im Stadtbild eine klaffende Wunde.
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg Kulturprojekte Berlin präsentiert eine digitale Themenwoche „Nazis geben auf!“ – US-Soldaten informieren sich über das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 1945.
A
n dem Tag im Mai 1945, an dem der Zweite Weltkrieg offiziell enden soll, ist das korrekte Protokoll wichtig – und das ist kompliziert. Eigentlich hätte die Wehrmachtsführung, die bereits am Vormittag eingeflogen wurde, um 14 Uhr die Kapitulationsurkunde im Offizierskasino der Pionierschule in Berlin-Karlshorst unterzeichnen sollen. Nun ist es fast Mitternacht. „Alles verzögert sich, weil die sowjetischen und alliierten Vetreter noch über die Verfahrensweise verhandeln“, schreibt der Kriegsberichterstatter Konstantin Simonow später in sein Tagebuch. Doch inmitten der protokollarischen Ernsthaftig-
Und doch begann an diesem Tag auch ein neues Kapitel. Eine bewegte Nachkriegsgeschichte und ein langer Weg hin zur Freiheit, gerade hier in Berlin besonders sichtbar mit Blockade, Teilung, Mauerbau und der Blockkonfrontation des Kalten Krieges. 1989 folgten mit dem Fall der Mauer Tage großen Glücks, denen knapp ein Jahr später die Deutsche Einheit folgte. Am 3. Oktober werden wir das 30. Jubiläum dieses wichtigen Tages feiern. Heute ist Berlin geeinte Hauptstadt und internationale Metropole im Herzen eines geeinten Europas. Eine Stadt, die Menschen aus der ganzen Welt anzieht, deren Bürgerinnen und Bürger ihre Zukunft im Bewusstsein um die eigene Geschichte gestalten und in der Verantwortung für ein freies, offenes, solidarisches und friedliches Berlin und Deutschland. Dafür bin ich in diesen Tagen besonders dankbar.
Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin
keit geschieht etwas Komisches. „Die Offiziere eilen auf die freien Plätze zu. Ein Ordner stürzt hinzu,
Noch am 7. Mai versucht die Wehrmachtsführung, Friedensverhandlungen auf die West-Alliierten zu beschränken. flüstert ihnen hastig etwas zu. Unsere Generale, an dem Tisch, der für die kapitulierenden Deutschen vorgesehen ist, springen wie von der Tarantel gestochen auf und
setzen sich um.“ Darüber, so Simonow weiter, habe man später „noch lange lachen müssen“. Es darf gelacht werden, denn was hier in Karlshorst geschieht, ist wirklich Anlass zu großer Freude. Zwar ist der Untergang des nationalsozialistischen Deutschlands, das seit 1933 im Innern und seit 1939 auch nach Außen mit immer radikalerem Terror auftrat, längst besiegelt: Adolf Hitler hat sich im April das Leben genommen und reihenweise kapitulieren einzelne Wehrmachtsverbände. Auch Berlin ist, wie der Großteil des Deutschen Reiches, unter Kontrolle der Alliierten. Doch noch am 6. Mai, als eine deutsche De-
Ereignisse zwischen März und Mai 1945
Der Oberbefehlshaber der westlichen alliierten Streitkräfte, Dwight D. Eisenhower, überlässt die Eroberung Berlins den sowjetischenTruppen.
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen wird befreit.
31. März
15. April
Bundesarchiv, Bild 183-E04060022-012 / CC-BY-SA 3.0
Das Ende des Krieges
ZVG
legation unter Generaloberst Alfred Jodl im Hauptquartier der westlichen alliierten Streitkräfte (SHAEF) in Reims aufschlägt, geht es zunächst nur um eine Teilkapitulation gegenüber den Westalliierten. Das lehnt SHAEF-Kommandeur Eisenhower ab. Als Jodl und seine Begleiter nun die Kapitulation auch gegenüber der Sowjetunion unterzeichnen, gibt es jedoch einen formalen Schönheitsfehler: Die Befehlshaber der Teilstreitkräfte der Wehrmacht fehlen. Sie sollen die Erklärung ratifizieren. Am 8. Mai in Berlin-Karlshorst. Dass es später Mitternacht wird, spielt für das Protokoll keine Rolle: Die Kapitulation tritt um fast Mitternacht,
23:01 Uhr MEZ, in Kraft. Und so feiert man in Deutschland am 8. Mai das Ende des Zweiten Weltkriegs. Ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr, in dem der Tag in Berlin erstmals offizieller Feiertag ist, müssen viele Feierlichkeiten verschoben werden. Auch das geplante Programm von Kulturprojekte Berlin wurde anlässlich der Ereignisse modifziert und präsentiert sich in neuer digitaler Form. Welche Angebote es innerhalb der Themenwoche zum 75. Jubiläum des Kriegsendes gibt und warum es sich lohnt, sie zu nutzen, erfahren Sie auf den nächsten Seiten dieser Beilage. Philip Aubreville
Moritz van Dülmen: Dem Dank kann ich mich nur anschließen und ergänzen: Je länger die Verbrechen des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg her sind, desto wichtiger wird die Erinnerung und Erklärung für jüngere Generationen. Dies wird mit dem Wiedererstarken rechtspopulistischer Parteien und Verklärung und Verharmlosung der Nazizeit in unseren heutigen Tagen umso wichtiger. Auch wenn in Corona-Zeiten gegenwärtig vieles in Vergessenheit rückt, Hanau oder Halle sind erst wenige Monate her. Wir müssen wach bleiben!
Inwiefern ist Berlin als Ort dafür besonders geeignet? Moritz van Dülmen: Die politischen und mörderischen, die zivilgesellschaftlichen und die aufarbeitenden Perspektiven seit 1945 können alle gleichermaßen an dem Originalschauplatz Berlin bestens erläutert und vermittelt werden. Mit den zahlreichen Mahnmalen und Denkmälern kann zugleich den Opfern gedacht werden. Und als eine der wichtigen politischen Hauptstädte der Welt kann hier ein wichtiges und aktuelles Zeichen des „Nie wieder“ wirksam gesendet werden! Klaus Lederer: Berlin ist der Ort, der Macht- und Schaltzentrale des Nationalsozialismus war, hier wurden die Großmachtträume zu Aufmarschplänen und letztlich Realität, hier wurde der Holocaust geplant und ins Werk gesetzt, hier saßen die nationalsozialistischen Eliten – die sich, im Falle von Hitler und Goebbels, feige aus der Verantwortung stahlen, nachdem sie Millionenfachen Tod über Europa und die Welt gebracht haben, hier wurde die Welthauptstadt Germania geplant, Sinnbild einer über der (Rest-) Welt thronenden Macht. Berlin heute dagegen ist weltoffen, bunt, in jeder Hinsicht divers… einen besseren Ort, den Sieg über den deutschen Faschismus zu feiern, gibt es nicht. Einen besseren Ort, der Millionen Opfer zu gedenken, aber auch nicht. Herr van Dülmen, wie haben Sie als Kulturprojekte Berlin die Pläne
Soldaten der Roten Armee hissen die sowjetische Flagge auf dem Reichstag. Adolf Hitler begeht im „Führerbunker“ Selbstmord.
Das Konzentrationslager Sachsenhausen wird befreit.
21. April
29. April
Um 10:57 Uhr beginnt der schwerste Luftangriff des Zweiten Weltkriegs auf Berlin
Die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora werden befreit.
Die Rote Armee überschreitet die Berliner Stadtgrenze.
Das Konzentrationslager Dachau wird befreit. zVg
11. April
zu Beginn der Corona-Krise geändert? Moritz van Dülmen: Geändert hat sich eigentlich nur die Form, diese aber gravierend: Ursprünglich war unser Projekt auf der Straße geplant, nun gehen wir zu den Leuten nach Hause in ihre Wohnzimmer. Aus einer großen Open-Air-Ausstellung am Brandenburger Tor wird eine virtuelle Ausstellung mit einem großen 360-Grad-Panorama und faszinierenden Bildwelten, die den Istzustand in Berlin vor 75 Jahren dokumentieren. Daraus erwächst eine suggestive Geschichtserzählung, wir lassen Zeitzeugen sprechen und binden Filme ein. Begleitet von einer Augmented-Reality-App sowie einer Podcastreihe wollen wir zugleich die aktuelle Dimension des Themas aufzeigen. Herr Lederer, gibt es einen thematischen Aspekt, der Sie besonders interessiert? Klaus Lederer: Ja, durchaus… dass es immer weniger Zeitzeugen gibt, die unmittelbar vom Geschehenen berichten können, zwingt uns, auch Erinnerungskultur anders zu denken, neu zu denken, das Wichtige neu und anders zu vermitteln. Und auch, wie man den vielen neuen Berlinern ohne den Hintergrund unseres Geschichtsunterrichtes die Thematik und den ganzen Komplex des sogenannten Dritten Reiches, wie auch die Notwendigkeit von Mahnung und Erinnerung nahebringt. Das ist eine spannende und interessante Aufgabe und ein weites Feld.
Um 23 Uhr tritt die bedingungslose Kapitulation Deutschlands in Kraft. Der Krieg in Europa ist vorbei.
30. April
22. April
18. März
Gemeinfrei
Warum ist es gerade heute so wichtig, an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern? Klaus Lederer: Angesichts zunehmender nationalistischer Tendenzen, eines lauter und aggressiver werdenden Antisemitismus, nach Hanau und dem Bekanntwerden rechter Terrorzellen sind es viele Daten aus jener Zeit, die für uns zur Mahnung und zur Erinnerung eine hohe Bedeutung haben: der 9. November 1938, als die Synagogen brannten, der 1. September 1939, als mit dem Überfall auf Polen der 2. Weltkrieg begann, der 27. Januar 1945, als die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz befreite… und eben der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime und dessen Terror. Das 75. Jubiläum ist ein besonderer Grund,des Endes zu gedenken, das dank vieler vereinter, internationaler, Kräfte möglich war: Danke, Spasibo, Thank you und Merci!
Moritz van Dülmen (l.), Geschäftsführer Kulturprojekte Berlin, und Klaus Lederer (r.), Senator für Kultur und Europa in Berlin
8. Mai 2. Mai Die Kapitulation Berlins wird unterzeichnet.
public domain
Liebe Leserinnen und Leser,
K U LT U R P R O J E K T E / A N T J E S C H R O E D E R
D
ie landeseigene gemeinnützige Gesellschaft Kulturprojekte Berlin ist bekannt als Veranstalter stadtweiter Projekte, die große Strahlkraft entwickeln. Das Jubiläum ist Anlass für eine digitale Themenwoche, die am 2. Mai beginnt, dem Tag der Kapitulation Berlins 1945, und den Bogen spannt bis zum 8. Mai, dem Sieg der Alliierten über Nazideutschland.
2 I 75 JAHRE KRIEGSENDE
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„Danke, Spasibo, Thank you und Merci!“
THEMENWOCHE 2. MAI BIS 8. MAI
Ein Ende des Krieges, ein Ende der Gräuel
Klaus Lederer und Moritz van Dülmen über neue Erinnerungskultur in Berlin
heute vor 75 Jahren lagen unzählige Städte in Deutschland und Europa in Trümmern. Der von Nazi-Deutschland ausgegangene Zweite Weltkrieg hinterließ eine Schneise der Gewalt und Zerstörung mit vielen Millionen Toten. Wir gedenken in diesen Tagen aller Opfer dieses grausamen Krieges – der Zivilisten, der Ermordeten in den Konzentrationslagern, der Getöteten in deutscher Kriegsgefangenschaft, derer, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt starben. Wir werden sie nicht vergessen. SENATSKANZLEI/LENA GIOVANAZZI
Michael Müller, Regierender Bürgermeister
Es waren die Alliierten, die unter vielen Opfern ein Ende des Krieges und damit der Gräuel und des Mordens erkämpften. In Berlin war es insbesondere die Rote Armee, die unterstützt von polnischen Soldaten unter hohen eigenen Verlusten unsere Stadt befreite. In großer Dankbarkeit begehen wir diesen Tag auch in Erinnerung und Würdigung ihrer Taten. Am 2. Mai kapitulierte Berlin, wenige Tage später, am 8. Mai, Gesamtdeutschland. Die NS-Diktatur war besiegt.
Ein anderer Maifeiertag
Die Überlebenden standen hier wie in vielen anderen Städten vor einer Trümmerlandschaft. Die Städte waren zerstört, Millionen hatten ihr Leben, die Überlebenden ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage verloren. Auch Berlin war kaum wiederzuerkennen. Ruinen standen dort, wo einstmals das kulturelle Leben blühte, viele Wahrzeichen unserer Stadt waren stark beschädigt und das ausgelöschte jüdische Leben hinterließ nicht nur im Stadtbild eine klaffende Wunde.
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg Kulturprojekte Berlin präsentiert eine digitale Themenwoche „Nazis geben auf!“ – US-Soldaten informieren sich über das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 1945.
A
n dem Tag im Mai 1945, an dem der Zweite Weltkrieg offiziell enden soll, ist das korrekte Protokoll wichtig – und das ist kompliziert. Eigentlich hätte die Wehrmachtsführung, die bereits am Vormittag eingeflogen wurde, um 14 Uhr die Kapitulationsurkunde im Offizierskasino der Pionierschule in Berlin-Karlshorst unterzeichnen sollen. Nun ist es fast Mitternacht. „Alles verzögert sich, weil die sowjetischen und alliierten Vetreter noch über die Verfahrensweise verhandeln“, schreibt der Kriegsberichterstatter Konstantin Simonow später in sein Tagebuch. Doch inmitten der protokollarischen Ernsthaftig-
Und doch begann an diesem Tag auch ein neues Kapitel. Eine bewegte Nachkriegsgeschichte und ein langer Weg hin zur Freiheit, gerade hier in Berlin besonders sichtbar mit Blockade, Teilung, Mauerbau und der Blockkonfrontation des Kalten Krieges. 1989 folgten mit dem Fall der Mauer Tage großen Glücks, denen knapp ein Jahr später die Deutsche Einheit folgte. Am 3. Oktober werden wir das 30. Jubiläum dieses wichtigen Tages feiern. Heute ist Berlin geeinte Hauptstadt und internationale Metropole im Herzen eines geeinten Europas. Eine Stadt, die Menschen aus der ganzen Welt anzieht, deren Bürgerinnen und Bürger ihre Zukunft im Bewusstsein um die eigene Geschichte gestalten und in der Verantwortung für ein freies, offenes, solidarisches und friedliches Berlin und Deutschland. Dafür bin ich in diesen Tagen besonders dankbar.
Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin
keit geschieht etwas Komisches. „Die Offiziere eilen auf die freien Plätze zu. Ein Ordner stürzt hinzu,
Noch am 7. Mai versucht die Wehrmachtsführung, Friedensverhandlungen auf die West-Alliierten zu beschränken. flüstert ihnen hastig etwas zu. Unsere Generale, an dem Tisch, der für die kapitulierenden Deutschen vorgesehen ist, springen wie von der Tarantel gestochen auf und
setzen sich um.“ Darüber, so Simonow weiter, habe man später „noch lange lachen müssen“. Es darf gelacht werden, denn was hier in Karlshorst geschieht, ist wirklich Anlass zu großer Freude. Zwar ist der Untergang des nationalsozialistischen Deutschlands, das seit 1933 im Innern und seit 1939 auch nach Außen mit immer radikalerem Terror auftrat, längst besiegelt: Adolf Hitler hat sich im April das Leben genommen und reihenweise kapitulieren einzelne Wehrmachtsverbände. Auch Berlin ist, wie der Großteil des Deutschen Reiches, unter Kontrolle der Alliierten. Doch noch am 6. Mai, als eine deutsche De-
Ereignisse zwischen März und Mai 1945
Der Oberbefehlshaber der westlichen alliierten Streitkräfte, Dwight D. Eisenhower, überlässt die Eroberung Berlins den sowjetischenTruppen.
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen wird befreit.
31. März
15. April
Bundesarchiv, Bild 183-E04060022-012 / CC-BY-SA 3.0
Das Ende des Krieges
ZVG
legation unter Generaloberst Alfred Jodl im Hauptquartier der westlichen alliierten Streitkräfte (SHAEF) in Reims aufschlägt, geht es zunächst nur um eine Teilkapitulation gegenüber den Westalliierten. Das lehnt SHAEF-Kommandeur Eisenhower ab. Als Jodl und seine Begleiter nun die Kapitulation auch gegenüber der Sowjetunion unterzeichnen, gibt es jedoch einen formalen Schönheitsfehler: Die Befehlshaber der Teilstreitkräfte der Wehrmacht fehlen. Sie sollen die Erklärung ratifizieren. Am 8. Mai in Berlin-Karlshorst. Dass es später Mitternacht wird, spielt für das Protokoll keine Rolle: Die Kapitulation tritt um fast Mitternacht,
23:01 Uhr MEZ, in Kraft. Und so feiert man in Deutschland am 8. Mai das Ende des Zweiten Weltkriegs. Ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr, in dem der Tag in Berlin erstmals offizieller Feiertag ist, müssen viele Feierlichkeiten verschoben werden. Auch das geplante Programm von Kulturprojekte Berlin wurde anlässlich der Ereignisse modifziert und präsentiert sich in neuer digitaler Form. Welche Angebote es innerhalb der Themenwoche zum 75. Jubiläum des Kriegsendes gibt und warum es sich lohnt, sie zu nutzen, erfahren Sie auf den nächsten Seiten dieser Beilage. Philip Aubreville
Moritz van Dülmen: Dem Dank kann ich mich nur anschließen und ergänzen: Je länger die Verbrechen des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg her sind, desto wichtiger wird die Erinnerung und Erklärung für jüngere Generationen. Dies wird mit dem Wiedererstarken rechtspopulistischer Parteien und Verklärung und Verharmlosung der Nazizeit in unseren heutigen Tagen umso wichtiger. Auch wenn in Corona-Zeiten gegenwärtig vieles in Vergessenheit rückt, Hanau oder Halle sind erst wenige Monate her. Wir müssen wach bleiben!
Inwiefern ist Berlin als Ort dafür besonders geeignet? Moritz van Dülmen: Die politischen und mörderischen, die zivilgesellschaftlichen und die aufarbeitenden Perspektiven seit 1945 können alle gleichermaßen an dem Originalschauplatz Berlin bestens erläutert und vermittelt werden. Mit den zahlreichen Mahnmalen und Denkmälern kann zugleich den Opfern gedacht werden. Und als eine der wichtigen politischen Hauptstädte der Welt kann hier ein wichtiges und aktuelles Zeichen des „Nie wieder“ wirksam gesendet werden! Klaus Lederer: Berlin ist der Ort, der Macht- und Schaltzentrale des Nationalsozialismus war, hier wurden die Großmachtträume zu Aufmarschplänen und letztlich Realität, hier wurde der Holocaust geplant und ins Werk gesetzt, hier saßen die nationalsozialistischen Eliten – die sich, im Falle von Hitler und Goebbels, feige aus der Verantwortung stahlen, nachdem sie Millionenfachen Tod über Europa und die Welt gebracht haben, hier wurde die Welthauptstadt Germania geplant, Sinnbild einer über der (Rest-) Welt thronenden Macht. Berlin heute dagegen ist weltoffen, bunt, in jeder Hinsicht divers… einen besseren Ort, den Sieg über den deutschen Faschismus zu feiern, gibt es nicht. Einen besseren Ort, der Millionen Opfer zu gedenken, aber auch nicht. Herr van Dülmen, wie haben Sie als Kulturprojekte Berlin die Pläne
Soldaten der Roten Armee hissen die sowjetische Flagge auf dem Reichstag. Adolf Hitler begeht im „Führerbunker“ Selbstmord.
Das Konzentrationslager Sachsenhausen wird befreit.
21. April
29. April
Um 10:57 Uhr beginnt der schwerste Luftangriff des Zweiten Weltkriegs auf Berlin
Die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora werden befreit.
Die Rote Armee überschreitet die Berliner Stadtgrenze.
Das Konzentrationslager Dachau wird befreit. zVg
11. April
zu Beginn der Corona-Krise geändert? Moritz van Dülmen: Geändert hat sich eigentlich nur die Form, diese aber gravierend: Ursprünglich war unser Projekt auf der Straße geplant, nun gehen wir zu den Leuten nach Hause in ihre Wohnzimmer. Aus einer großen Open-Air-Ausstellung am Brandenburger Tor wird eine virtuelle Ausstellung mit einem großen 360-Grad-Panorama und faszinierenden Bildwelten, die den Istzustand in Berlin vor 75 Jahren dokumentieren. Daraus erwächst eine suggestive Geschichtserzählung, wir lassen Zeitzeugen sprechen und binden Filme ein. Begleitet von einer Augmented-Reality-App sowie einer Podcastreihe wollen wir zugleich die aktuelle Dimension des Themas aufzeigen. Herr Lederer, gibt es einen thematischen Aspekt, der Sie besonders interessiert? Klaus Lederer: Ja, durchaus… dass es immer weniger Zeitzeugen gibt, die unmittelbar vom Geschehenen berichten können, zwingt uns, auch Erinnerungskultur anders zu denken, neu zu denken, das Wichtige neu und anders zu vermitteln. Und auch, wie man den vielen neuen Berlinern ohne den Hintergrund unseres Geschichtsunterrichtes die Thematik und den ganzen Komplex des sogenannten Dritten Reiches, wie auch die Notwendigkeit von Mahnung und Erinnerung nahebringt. Das ist eine spannende und interessante Aufgabe und ein weites Feld.
Um 23 Uhr tritt die bedingungslose Kapitulation Deutschlands in Kraft. Der Krieg in Europa ist vorbei.
30. April
22. April
18. März
Gemeinfrei
Warum ist es gerade heute so wichtig, an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern? Klaus Lederer: Angesichts zunehmender nationalistischer Tendenzen, eines lauter und aggressiver werdenden Antisemitismus, nach Hanau und dem Bekanntwerden rechter Terrorzellen sind es viele Daten aus jener Zeit, die für uns zur Mahnung und zur Erinnerung eine hohe Bedeutung haben: der 9. November 1938, als die Synagogen brannten, der 1. September 1939, als mit dem Überfall auf Polen der 2. Weltkrieg begann, der 27. Januar 1945, als die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz befreite… und eben der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime und dessen Terror. Das 75. Jubiläum ist ein besonderer Grund,des Endes zu gedenken, das dank vieler vereinter, internationaler, Kräfte möglich war: Danke, Spasibo, Thank you und Merci!
Moritz van Dülmen (l.), Geschäftsführer Kulturprojekte Berlin, und Klaus Lederer (r.), Senator für Kultur und Europa in Berlin
8. Mai 2. Mai Die Kapitulation Berlins wird unterzeichnet.
public domain
Liebe Leserinnen und Leser,
K U LT U R P R O J E K T E / A N T J E S C H R O E D E R
D
ie landeseigene gemeinnützige Gesellschaft Kulturprojekte Berlin ist bekannt als Veranstalter stadtweiter Projekte, die große Strahlkraft entwickeln. Das Jubiläum ist Anlass für eine digitale Themenwoche, die am 2. Mai beginnt, dem Tag der Kapitulation Berlins 1945, und den Bogen spannt bis zum 8. Mai, dem Sieg der Alliierten über Nazideutschland.
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Geschichte erleben –
Online statt Open Air: Eine virtuelle Ausstellung, eine Podcastreihe Berliner Schauplätzen erzählen sie von den letzten Kriegstagen und der Befreiung
Auf digitalen Wegen
und eine Augmented-Reality-App schicken auf Zeitreise. An bekannten vom Nationalsozialismus im Mai 1945 – auch Zeitzeugen kommen zu Wort K U LT U R P R O J E K T E B E R L I N
Virtuelle Ausstellung: Eintauchen in die Geschichte
K U LT U R P R O J E K T E B E R L I N
Z
um Auftakt geht es in die Mitte Berlins, an den Reichstag. Hier kann man sich umschauen, entdecken und ganz nach Belieben tiefer eintauchen: in die Geschichte – und in den virtuellen Raum, per Mausklick oder Touchscreen. Eine Rundum-Erfahrung mit vielen Sinnen, auch akustisch: Wer mag, lauscht den Geschehnissen und Hintergrundgeräuschen mit Kopfhörern auf den Ohren. Wie überträgt man ein als Open-Air-Ausstellung geplantes Ereignis ins Netz? Mit allen multimedialen Mitteln: Das Digitalprojekt zu „75 Jahre Kriegsende“ lädt ein, virtuelle Räume zu erleben. Es erreicht seine Besucher zu Hause und holt sie dennoch an die Orte des Geschehens. Da werden Bilder gezeigt, Fakten dokumentiert, Geschichten erzählt und Zeitreisen inszeniert: 360-Grad-Panoramen ermöglichen vielfältige Erkundungen – eine Aufforderung an die Zuschauer, sich Zeit zu nehmen für audiovisuelle Optionen und sich ganz individuell auf die Ausstellung einzulassen. Eingebaute Elemente und historische Fotos eröffnen den interaktiven Zugriff: Inmitten moderner Kulissen erscheint der Ausschnitt eines zerstörten Gebäudes oder steht ein Panzer im Weg. Auf dem Reichstag zum Beispiel weht wieder die Flagge der Roten Armee: Wer auf das berühmte Schwarz-Weiß-Foto klickt, erfährt durch Scrollen mit der Maus mehr über diesen historischen Moment, kann andere Bilder ins Bild ziehen, Zeitzeugen berichten lassen, Videos und Animationen aufklappen, sich zwischen Kurztexten und langen Reportagen entscheiden und weiterführende Links anklicken. Oder nach Belieben den nächsten Schauplatz ansteuern – das Brandenburger Tor, den Alexanderplatz, das ehemalige KZ Sachsenhausen. Scrolling bringt die Geschichte ins Rollen und illustriert die Hintergründe. Die Informations-Dosis bestimmt jeder selbst, wie in einer realen Ausstellung. Aber alles ist mobil optimiert, auch für Smartphone und Tablet, so dass man sich nicht einmal zwingend an den Rechner setzen muss. Es gibt den Schnelldurchgang, man kann sich treiben lassen oder alles komplett in sich aufsaugen, ganz nach persönlichen Interessen. Die virtuelle Ausstellung ist das Herzstück aller digitalen Projekte zum Thema „75 Jahre Kriegsende – Befreiung Europas vom Nationalsozialismus“. Ereignisse des Jahres 1945, Brüche und Kontinuitäten der Nachkriegszeit, die Ambivalenz des Begriffes Befreiung und aktuelle Bezüge zur heutigen Zeit setzen inhaltliche Schwerpunkte. Von den vier Orten und ihren Themen erzählen die folgenden Seiten. Die Ausstellung ist über die Themenwoche hinaus bis zum 2. September 2020 abrufbar, dem internationalen Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs.
Mehr Infos: www.75jahrekriegsende.berlin www.facebook.com/75jahrekriegsende.berlin
75 JAHRE KRIEGSENDE I 5
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Durch unterschiedliche Geschichten entstehen vielseitige Perspektiven.
K
urt Gutmann erlebte das Kriegsende als kleiner Junge in Schottland. Dorthin war er mit einem Kindertransport vor den Nazis geflohen und kehrte erst 1948 wieder nach Berlin zurück. Noch Jahre später wundert er sich über den Fanatismus vieler älterer Zeitgenossen: „Ich weiß nicht, wie Menschen so werden konnten ... Sich so aufhetzen zu lassen und dieser Nazihetze zu glauben“, sagt der – inzwischen verstorbene – Berliner in einer Filmsequenz. In ihrem Videoprojekt „Kriegskinder/Kinder der Blockade“ lassen die Medienkünstlerin Ina Rommee und der Fotograf Stefan Krauss zwölf Zeitzeugen zu Wort kommen, die 1945 allesamt noch Kinder waren. Sechs Berliner sprechen über den Zweiten Weltkrieg. Sechs weitere Zeitzeugen waren ebenfalls Kriegskinder: Sie berichten aus dem damaligen Leningrad, das von 1941 bis 1944 von der Wehrmacht belagert war. Befragt wurden sie von der Enkelgeneration, was neue Perspektiven eröffnet. Die Geschichten aus Berlin
Videoclips mit Zeitzeugen: Lebhafte Erinnerung Ein Videoprojekt lässt Zeitzeugen aus
Berlin und Leningrad zu Wort kommen beginnen mit Kinderspielen: Erinnerungen an „Himmel und Hölle“, oder an ein Ballspiel namens „Der, die, das verflixte und verfluchte Land“, eine Art Miniatur des real stattfindenden Krieges. Beobachtungen folgen: Wie Nachbarn oder Familienmitglieder von SS-Männern verhaftet wurden. Wie die Menschen aus ihrer Umgebung darauf reagierten – oder eben schwiegen. Von Flucht aus der Stadt ist die Rede, von Bombenangriffen und Feuerstürmen. Gewalterfahrungen treffen auf kindliche Unschuld. Ebenso lebhaft berichten die Zeitzeugen aus Leningrad:
Von den ersten Tagen der Blockade, dem heißen Sommer, der eisigen Kälte, die darauf folgte. „Das Leben fror für viele ein“, erinnert sich etwa Leonid Berezin. Einfühlsam wurden die Interviews in der Videoinstallation verknüpft: Aus individuellen Erfahrungen und kollektivem Erleben entsteht so eine gemeinsame Geschichte. „Wir sehen die Kriegskinder nicht als objektive historische Quelle“, erläutern Ina Rommee und Stefan Krauss, „es geht um Eindrücke, um die Nachvollziehbarkeit der Stimmung zu jener Zeit, um ‚Gefühlserbschaften‘.“ Die Perspektive beider Länder sei wichtig, sagen sie, um Unterschiede in der Kultur des Erinnerns zu verstehen.
M
Die App: Erkundungen in Augmented Reality
oderne Technologie belebt unsere Vorstellungskraft: Augmented Reality – erweiterte Realität – ist die virtuelle Grundlage dieser App. Sie führt per Smartphone oder Tablet an reale Schauplätze, lässt sie im 3D-Format zu anderen Zeiten vor unseren Augen auferstehen und visualisiert zusätzliche Informationen. Geschichte wird anschaulich, buchstäblich auf den ersten Blick. Die AR-Reise beginnt auf dem Pariser Platz. Als dreidimensionales Modell kommt dieser komplett auf den Bildschirm. Um über den Platz zu gehen, ihn aus verschiedenen Blickrichtungen zu erkunden, eine Säule zu umrunden muss man das Zimmer nicht verlassen. Mit atmosphärischer Hintergrundmusik beginnt die Erzählung und startet eine Reise in die Vergangenheit. Schritt für Schritt zeigen sich Veränderungen – bis hin zum Ausgangspunkt, dem Jahr 1945. Dort angekommen, werden in Wort, Bild und Sound persönliche Schicksale lebendig. Leben im Untergrund ist das Thema, ein beklemmend enges Versteck entsteht. Darin kann man Einzelheiten entdecken und die Geschichten eines Verfolgten und einer Widerstandskämpferin visuell erleben. Das Tempo bestimmt jeder selbst. Die Macher der App nutzen Augmented Reality, um Geschichte innovativ und immersiv zu erzählen. Bereits inte-
K U LT U R P R O J E K T E B E R L I N / B E TA R O O M
4 I 75 JAHRE KRIEGSENDE
griert sind fünf Stories, die Kulturprojekte Berlin gemeinsam mit BetaRoom anlässlich der Festivalwoche „30 Jahre Friedliche Revolution – Mauerfall“ entwickelt und erstmalig in der App MauAR gelaunched hat. Die App soll auch künftig wachsen und um vielfältige Themen rund um Berlin erweitert werden, die mittels AR-Technologie inszeniert und erlebbar gemacht werden können. ab dem 4. Mai zum Download verfügbar: in den App Stores von Apple und Google für Smartphones und Tablets mit aktuellen Betriebssystemen.
Der Podcast: Zuhören und Mitgehen
F
olgen Sie dem Podcast! Das ist nicht nur im übertragenen, sondern durchaus im wörtlichen Sinne gemeint: Zuhörer begleiten die Protagonisten und Reporter zu bekannten und unbekannten Orten im heutigen Berlin und begeben sich gleichzeitig auf Ausflüge in deren Geschichte. Auch prominente Persönlichkeiten wie Shermin Langhoff, Raul Krauthausen oder Klaus Lederer äußern sich in kurzen Statements. Jede der sieben Podcastfolgen widmet sich einem konkreten Thema, das sich am historischen Geschehen festmacht und uns bis in die Gegenwart beschäftigt – von Antifaschismus bis Zivilcourage. Mehr oder weniger prominente Plätze liefern reichlich Diskussionsstoff: Der Reichstag natürlich oder der Alexanderplatz, aber auch das Olympiastadion oder die Gedenkstätte des Nationalsozialistischen Zwangslagers für
K U LT U R P R O J E K T E B E R L I N / M E L A N I E S A P I N A
Sinti und Roma in Marzahn. Katja Weber von Radio Eins und Deutschlandfunk-Reporter Markus Dichmann gehen der Sache nach. Ihre Gesprächspartner sind Experten, Wissenschaftler, Künstler – und Menschen, die sich diesen Schauplätzen und Themen auf besondere Weise verbunden fühlen. Unterwegs treffen historische auf persönliche Sichten und für unterschiedliche Perspektiven ist durchaus Raum. Das Kriegsende 1945 in Berlin ist Geschichte, aber gerade an diesen besonderen Adressen auch
Ausgangspunkt für den politischen Diskurs in unserer heutigen Gesellschaft. Mit von der Partie sind auch die Zuhörer. Aus sicherer Distanz können sie dem Spaziergang und der Debatte auch zu Hause folgen. Oder sich, sobald das öffentliche Leben wieder dazu einlädt, selbst auf den Weg machen nach Berlin zu den Orten des Geschehens – mit dem Podcast am Ohr. Vom 2. bis zum 8. Mai erscheint jeden Tag eine Podcastfolge – auf Apple, Spotify und unter www.75jahrekriegsende.berlin
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Geschichte erleben –
Online statt Open Air: Eine virtuelle Ausstellung, eine Podcastreihe Berliner Schauplätzen erzählen sie von den letzten Kriegstagen und der Befreiung
Auf digitalen Wegen
und eine Augmented-Reality-App schicken auf Zeitreise. An bekannten vom Nationalsozialismus im Mai 1945 – auch Zeitzeugen kommen zu Wort K U LT U R P R O J E K T E B E R L I N
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um Auftakt geht es in die Mitte Berlins, an den Reichstag. Hier kann man sich umschauen, entdecken und ganz nach Belieben tiefer eintauchen: in die Geschichte – und in den virtuellen Raum, per Mausklick oder Touchscreen. Eine Rundum-Erfahrung mit vielen Sinnen, auch akustisch: Wer mag, lauscht den Geschehnissen und Hintergrundgeräuschen mit Kopfhörern auf den Ohren. Wie überträgt man ein als Open-Air-Ausstellung geplantes Ereignis ins Netz? Mit allen multimedialen Mitteln: Das Digitalprojekt zu „75 Jahre Kriegsende“ lädt ein, virtuelle Räume zu erleben. Es erreicht seine Besucher zu Hause und holt sie dennoch an die Orte des Geschehens. Da werden Bilder gezeigt, Fakten dokumentiert, Geschichten erzählt und Zeitreisen inszeniert: 360-Grad-Panoramen ermöglichen vielfältige Erkundungen – eine Aufforderung an die Zuschauer, sich Zeit zu nehmen für audiovisuelle Optionen und sich ganz individuell auf die Ausstellung einzulassen. Eingebaute Elemente und historische Fotos eröffnen den interaktiven Zugriff: Inmitten moderner Kulissen erscheint der Ausschnitt eines zerstörten Gebäudes oder steht ein Panzer im Weg. Auf dem Reichstag zum Beispiel weht wieder die Flagge der Roten Armee: Wer auf das berühmte Schwarz-Weiß-Foto klickt, erfährt durch Scrollen mit der Maus mehr über diesen historischen Moment, kann andere Bilder ins Bild ziehen, Zeitzeugen berichten lassen, Videos und Animationen aufklappen, sich zwischen Kurztexten und langen Reportagen entscheiden und weiterführende Links anklicken. Oder nach Belieben den nächsten Schauplatz ansteuern – das Brandenburger Tor, den Alexanderplatz, das ehemalige KZ Sachsenhausen. Scrolling bringt die Geschichte ins Rollen und illustriert die Hintergründe. Die Informations-Dosis bestimmt jeder selbst, wie in einer realen Ausstellung. Aber alles ist mobil optimiert, auch für Smartphone und Tablet, so dass man sich nicht einmal zwingend an den Rechner setzen muss. Es gibt den Schnelldurchgang, man kann sich treiben lassen oder alles komplett in sich aufsaugen, ganz nach persönlichen Interessen. Die virtuelle Ausstellung ist das Herzstück aller digitalen Projekte zum Thema „75 Jahre Kriegsende – Befreiung Europas vom Nationalsozialismus“. Ereignisse des Jahres 1945, Brüche und Kontinuitäten der Nachkriegszeit, die Ambivalenz des Begriffes Befreiung und aktuelle Bezüge zur heutigen Zeit setzen inhaltliche Schwerpunkte. Von den vier Orten und ihren Themen erzählen die folgenden Seiten. Die Ausstellung ist über die Themenwoche hinaus bis zum 2. September 2020 abrufbar, dem internationalen Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs.
Mehr Infos: www.75jahrekriegsende.berlin www.facebook.com/75jahrekriegsende.berlin
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SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Durch unterschiedliche Geschichten entstehen vielseitige Perspektiven.
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urt Gutmann erlebte das Kriegsende als kleiner Junge in Schottland. Dorthin war er mit einem Kindertransport vor den Nazis geflohen und kehrte erst 1948 wieder nach Berlin zurück. Noch Jahre später wundert er sich über den Fanatismus vieler älterer Zeitgenossen: „Ich weiß nicht, wie Menschen so werden konnten ... Sich so aufhetzen zu lassen und dieser Nazihetze zu glauben“, sagt der – inzwischen verstorbene – Berliner in einer Filmsequenz. In ihrem Videoprojekt „Kriegskinder/Kinder der Blockade“ lassen die Medienkünstlerin Ina Rommee und der Fotograf Stefan Krauss zwölf Zeitzeugen zu Wort kommen, die 1945 allesamt noch Kinder waren. Sechs Berliner sprechen über den Zweiten Weltkrieg. Sechs weitere Zeitzeugen waren ebenfalls Kriegskinder: Sie berichten aus dem damaligen Leningrad, das von 1941 bis 1944 von der Wehrmacht belagert war. Befragt wurden sie von der Enkelgeneration, was neue Perspektiven eröffnet. Die Geschichten aus Berlin
Videoclips mit Zeitzeugen: Lebhafte Erinnerung Ein Videoprojekt lässt Zeitzeugen aus
Berlin und Leningrad zu Wort kommen beginnen mit Kinderspielen: Erinnerungen an „Himmel und Hölle“, oder an ein Ballspiel namens „Der, die, das verflixte und verfluchte Land“, eine Art Miniatur des real stattfindenden Krieges. Beobachtungen folgen: Wie Nachbarn oder Familienmitglieder von SS-Männern verhaftet wurden. Wie die Menschen aus ihrer Umgebung darauf reagierten – oder eben schwiegen. Von Flucht aus der Stadt ist die Rede, von Bombenangriffen und Feuerstürmen. Gewalterfahrungen treffen auf kindliche Unschuld. Ebenso lebhaft berichten die Zeitzeugen aus Leningrad:
Von den ersten Tagen der Blockade, dem heißen Sommer, der eisigen Kälte, die darauf folgte. „Das Leben fror für viele ein“, erinnert sich etwa Leonid Berezin. Einfühlsam wurden die Interviews in der Videoinstallation verknüpft: Aus individuellen Erfahrungen und kollektivem Erleben entsteht so eine gemeinsame Geschichte. „Wir sehen die Kriegskinder nicht als objektive historische Quelle“, erläutern Ina Rommee und Stefan Krauss, „es geht um Eindrücke, um die Nachvollziehbarkeit der Stimmung zu jener Zeit, um ‚Gefühlserbschaften‘.“ Die Perspektive beider Länder sei wichtig, sagen sie, um Unterschiede in der Kultur des Erinnerns zu verstehen.
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Die App: Erkundungen in Augmented Reality
oderne Technologie belebt unsere Vorstellungskraft: Augmented Reality – erweiterte Realität – ist die virtuelle Grundlage dieser App. Sie führt per Smartphone oder Tablet an reale Schauplätze, lässt sie im 3D-Format zu anderen Zeiten vor unseren Augen auferstehen und visualisiert zusätzliche Informationen. Geschichte wird anschaulich, buchstäblich auf den ersten Blick. Die AR-Reise beginnt auf dem Pariser Platz. Als dreidimensionales Modell kommt dieser komplett auf den Bildschirm. Um über den Platz zu gehen, ihn aus verschiedenen Blickrichtungen zu erkunden, eine Säule zu umrunden muss man das Zimmer nicht verlassen. Mit atmosphärischer Hintergrundmusik beginnt die Erzählung und startet eine Reise in die Vergangenheit. Schritt für Schritt zeigen sich Veränderungen – bis hin zum Ausgangspunkt, dem Jahr 1945. Dort angekommen, werden in Wort, Bild und Sound persönliche Schicksale lebendig. Leben im Untergrund ist das Thema, ein beklemmend enges Versteck entsteht. Darin kann man Einzelheiten entdecken und die Geschichten eines Verfolgten und einer Widerstandskämpferin visuell erleben. Das Tempo bestimmt jeder selbst. Die Macher der App nutzen Augmented Reality, um Geschichte innovativ und immersiv zu erzählen. Bereits inte-
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griert sind fünf Stories, die Kulturprojekte Berlin gemeinsam mit BetaRoom anlässlich der Festivalwoche „30 Jahre Friedliche Revolution – Mauerfall“ entwickelt und erstmalig in der App MauAR gelaunched hat. Die App soll auch künftig wachsen und um vielfältige Themen rund um Berlin erweitert werden, die mittels AR-Technologie inszeniert und erlebbar gemacht werden können. ab dem 4. Mai zum Download verfügbar: in den App Stores von Apple und Google für Smartphones und Tablets mit aktuellen Betriebssystemen.
Der Podcast: Zuhören und Mitgehen
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olgen Sie dem Podcast! Das ist nicht nur im übertragenen, sondern durchaus im wörtlichen Sinne gemeint: Zuhörer begleiten die Protagonisten und Reporter zu bekannten und unbekannten Orten im heutigen Berlin und begeben sich gleichzeitig auf Ausflüge in deren Geschichte. Auch prominente Persönlichkeiten wie Shermin Langhoff, Raul Krauthausen oder Klaus Lederer äußern sich in kurzen Statements. Jede der sieben Podcastfolgen widmet sich einem konkreten Thema, das sich am historischen Geschehen festmacht und uns bis in die Gegenwart beschäftigt – von Antifaschismus bis Zivilcourage. Mehr oder weniger prominente Plätze liefern reichlich Diskussionsstoff: Der Reichstag natürlich oder der Alexanderplatz, aber auch das Olympiastadion oder die Gedenkstätte des Nationalsozialistischen Zwangslagers für
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Sinti und Roma in Marzahn. Katja Weber von Radio Eins und Deutschlandfunk-Reporter Markus Dichmann gehen der Sache nach. Ihre Gesprächspartner sind Experten, Wissenschaftler, Künstler – und Menschen, die sich diesen Schauplätzen und Themen auf besondere Weise verbunden fühlen. Unterwegs treffen historische auf persönliche Sichten und für unterschiedliche Perspektiven ist durchaus Raum. Das Kriegsende 1945 in Berlin ist Geschichte, aber gerade an diesen besonderen Adressen auch
Ausgangspunkt für den politischen Diskurs in unserer heutigen Gesellschaft. Mit von der Partie sind auch die Zuhörer. Aus sicherer Distanz können sie dem Spaziergang und der Debatte auch zu Hause folgen. Oder sich, sobald das öffentliche Leben wieder dazu einlädt, selbst auf den Weg machen nach Berlin zu den Orten des Geschehens – mit dem Podcast am Ohr. Vom 2. bis zum 8. Mai erscheint jeden Tag eine Podcastfolge – auf Apple, Spotify und unter www.75jahrekriegsende.berlin
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Eine Entdeckungsreise in Zeit und Raum
Ein Essay von Professor Martin Sabrow zum 8. Mai 1945
VISITBERLIN/DAGMAR SCHWELLE
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Reichstag
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Brandenburger Tor IMPRESSUM Berliner Verlag GmbH Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin Geschäftsführer: Dr. Michael Maier, Holger Friedrich Vermarktung: BVZ Berliner Medien GmbH Geschäftsführer: Dr. Michael Maier Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Am Wasserwerk 11, 10365 Berlin Geschäftsführer: Steffen Helmschrott Redaktion, Layout und Produktion: mdsCreative GmbH Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin Geschäftsführer: Klaus Bartels (ViSdP) Autoren: Bjoern Weigel, Ilona Rühmann, Philip Aubreville Titelbild: ullstein bild - SPUTNIK / STF
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as Brandenburger Tor ist das bekannteste Wahrzeichen Berlins. In Reichweite befinden sich auch die Botschaften der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Es gibt also keinen passenderen Ort, die europäische Dimension des Zweiten Weltkriegs zu zeigen und die Mächte zu würdigen, die das nationalsozialistische Deutschland niederrangen. Der Zweite Weltkrieg ging von Berlin aus: Hier wurde der Überfall auf Polen geplant, hier wurde über den Eroberungsfeldzug im Westen entschieden, hier begann der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Diese unterschiedlichen Dimensionen des Zweiten Weltkriegs spielen ebenso eine Rolle, wie die Leistungen der Anti-Hitler-Koalition. Vereint durch den gemeinsamen Feind, der die Welt in Brand gesetzt hatte, steckten sie sich das Ziel, gegen Deutschland bis zur bedingungslosen Kapitulation zu kämpfen. Und sie erreichten ihr Ziel in Berlin. Obwohl die Stadt bereits am 2. Mai kapituliert hatte, streckte die deutsche Wehrmacht erst sechs Tage später endgültig die Waffen. Dass diese Kapitulation in Berlin vollzogen wurde, war mehr als nur ein symbolischer Akt: Die Hauptstadt des „Dritten Reiches“ wurde so zum Ausgangspunkt für das Nachkriegseuropa – inklusive ihrer TeiWWW.75JAHREKRIEGSENDE.BERLIN lung im Kalten Krieg.
GEMEINFREI
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fern und der Völkermord an den Sinti und Roma, dem mindestens eine halbe Million Menschen zum Opfer fiel, fanden auch nicht losgelöst vom Zweiten Weltkrieg statt. Unter dessen Deckmantel begann bereits der erste Massenmord der Nationalsozialisten: Die Tötung von Kranken und Menschen mit Behinderung in der sogenannten „Aktion T4“ und ähnlichen Mordaktionen, die europaweit etwa 300 000 Menschen das Leben kosteten. Mit dem Kriegsgeschehen hatte all dies nichts zu tun, doch das Regime brauchte den Krieg, um seine verbrecherische Politik umzusetzen. All diese Morde und anderen Verbrechen wurden von Menschen verübt: Von Tätern am Schreibtisch und Mördern vor Ort. Gedeckt von einer Gesellschaft, die mitmachte, bestenfalls mehrheitlich wegsah. Die Erinnerung daran macht deutlich, wohin faschistische Ideologien von Ausgrenzung und Diskriminierung führen können, wenn sie gesellschaftlich mehrheitsfähig werden und in der Praxis die Macht zur Durchsetzung erhalten.
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ie kein zweiter Ort auf der Welt steht das Reichstagsgebäude in Berlin für den Sieg der Roten Armee über das nationalsozialistische Deutschland. Die erbitterten Gefechte der Schlacht um Berlin, in der allein 78 000 sowjetische Soldaten fielen und in der die Nationalsozialisten selbst Kinder aussichtslos an die Front schickten, um einen ebenso fanatischen wie aussichtslosen Kampf zu führen, symbolisiert das Ende des „Dritten Reiches“. Die Ausstellung thematisiert eine weitere Dimension: Obwohl im Reichstagsgebäude selbst kein einziges der verbrecherischen NS-Gesetze auf den Weg gebracht worden war, stand es wegen des Reichstagsbrands im Februar 1933 für die Errichtung der NS-Diktatur. Die sogenannte Reichstagsbrandverordnung hatte massiv die Grundrechte in Deutschland eingeschränkt. Vom Symbol der Demokratie, die den Aufstieg Hitlers über Wahlen möglich gemacht hatte, wurde es zum Symbol der Diktatur. Es bietet sich daher an, gerade hier die Politik und Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten zu beleuchten. Sie beruhte auf Ausgrenzung und Diskriminierung, führte schließlich zum Zweiten Weltkrieg und den unter seinem Deckmantel begangenen Massen- und Völkermorden an Menschen mit Behinderungen, Juden sowie Sinti und Roma.
er 8. Mai ist bis heute eine vieldeutige Chiffre. Das beginnt schon mit der Unsicherheit der Datierung. Die Sowjetunion und in ihrer Nachfolge Russland begehen den 9. Mai als Gedenktag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, weil die von den deutschen Befehlshabern des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe in der Pionierschule Berlin-Karlshorst unterzeichnete Kapitulation nach Moskauer Zeitrechnung erst in den frühen Stunden des 9. Mai erfolgte. Rechtswirksam war allerdings schon die vorherige Gesamtkapitulation der deutschen Streitkräfte in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1945 in Reims, die am 8. Mai um 23:01 Uhr in Kraft trat.
Die von der Geißel des deutschen Welteroberungskrieges befreiten Nationen feiern den Victory in Europe Day So uneindeutig wie das Datum blieb über Jahrzehnte die gedenkpolitische Würdigung des Kriegsendes. Die von der Geißel des deutschen Welteroberungskrieges befreiten Nationen feiern bis heute die jährliche Wiederkehr des alliierten Sieges als VE Day. Die Herrschaftskultur der DDR wiederum hielt vierzig Jahre lang an einer Sicht fest, die der mehrschichtigen Erfahrungswelt ihrer Bürger keinen Raum zur Entfaltung ließ. Stereotype Einordnung Der zeitweilig zum arbeitsfreien Feiertag erhobene „Jahrestag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“, wie die stereotype Formulierung lautete, blieb ein abstraktes Datum, das als „glücklicher Wendepunkt“ und schlagender „Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus“ begangen wurde. Im Bonner Staat wiederum tat man sich schwer, der Ambivalenz eines Ereignisses Rechnung zu tragen, das über die Niederlage in die Freiheit führte. Den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss ließ der Zwiespalt der zeitgenössischen Erinnerung an
ANDY KÜCHENMEISTER
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ie sah das Leben in Berlin im Frühjahr 1945 aus? An einem der bekanntesten und belebtesten Orte der Stadt erzählt die virtuelle Ausstellung vom Alltag zwischen Krieg und Frieden. Krieg und NS-Herrschaft hatten tiefe Spuren hinterlassen – im Stadtbild wie in der Gesellschaft. Hier lebten Berliner Zivilisten neben Soldaten, verschleppten Zwangsarbeiter, Untergetauchten und aus den Konzentrationslagern befreiten Verfolgten des NS-Regimes, aber auch Flüchtlingen. Für jeden von ihnen bedeutete das Kriegsende etwas anderes und doch blickten alle einer ungewissen Zukunft entgegen. Wie diese heterogene und unfreiwillig zusammengekommene Gesellschaft ihr Leben und Überleben nach der deutschen Kapitulation organsierte und neu ordnete, steht an diesem Ort im Mittelpunkt. Nahrungsmittel waren knapp, die zugeteilten Mengen reichten kaum zum Sattwerden. Der Alexanderplatz wurde zum größten Schwarzmarkt Berlins. Die Versorgungslage auch in anderen Bereichen war katastrophal: Wasser-, Strom- und Gasleitungen funktionierten meist nur noch in den weniger zerstörten Teilen der Stadt, und auch dann nur zeitweise. Nicht minder bedeutsam war die Beschaffung von Brennstoffen: Die Öfen der Bäckereien und die Herde der Privathaushalte benötigten Holz und Kohle. Angesichts drohender Seuchen standen auch die medizinischen Einrichtungen vor großen Herausforderungen. In Berlin ist dies alles 75 Jahre her – in anderen Teilen der Welt prägt es bis heute den Alltag der Menschen.
Gedenkstätte Sachsenhausen as Konzentrationslager Sachsenhausen dokumentiert eindrücklich den unmittelbaren Zusammenhang von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verfolgung und der Politik des Nationalsozialismus: Während in Berlin 1936 die Olympischen Spiele gefeiert wurden, bauten Häftlinge nur 20 Kilometer vom Olympiastadion entfernt den riesigen Lagerkomplex auf – es war das erste KZ ganz nach den Vorstellungen der SS und sollte zum Modell für alle folgenden werden. Den Anstoß dazu hatte wiederum die Wehrmacht gegeben, die für den Fall eines Krieges ein großes Lager in der Nähe Berlins gefordert hatte, um den erwarteten Widerstand brechen zu können. In Sachsenhausen wurden Oppositionelle interniert, aber auch Angehörige „rassischer“ und sozialer Minderheiten. Das Lager diente somit nicht nur der Kriegsvorbereitung, sondern zeigt auch, dass die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus nicht von der Ideologie und Herrschaftspraxis des Regimes getrennt zu betrachten sind. Der Holocaust mit rund sechs Millionen Op-
Ein Aufbruch zu demokratischen Werten
Zeitgeschehen – vier Beispiele für digitale Ausflüge.
Geschichte in und um Berlin 1945: Die virtuelle Ausstellung von Kulturprojekte Berlin eröffnet an symbolträchtigen Orten tiefe Einblicke ins
Alexanderplatz
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1985 in seiner berühmt gewordenen Rede mit der Autorität des Bundespräsidenten feststellen, dass der 8. Mai für die Deutschen kein Tag zum Feiern, wohl aber ein Tag der Befreiung sei. Seine Rede brach der Auffassung Bahn, dass die andauernde Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Zivilisationsbruch weniger eine bedrückende Last als vielmehr eine befreiende Aufgabe darstelle. Wandel mit Weizsäcker
Martin Sabrow ist Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam. das Kriegsende 1949 daran zweifeln, ob der 8. Mai überhaupt zum Gedenktag tauge: „Ich weiß nicht, ob man das Symbol greifen soll, das in solchem Tag liegen kann. Im Grund genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“ Militärisch besiegt Vielleicht metaphysisch erlöst, aber gewiss nicht militärisch befreit – dem zeitgenössischen Denken musste die Vorstellung fremd bleiben, dass die Besiegten sich als Sieger verstehen sollten. Auch die Alliierten verwahrten sich gegen einen solchen Seitenwechsel ihrer geschlagenen Gegner – Deutschland werde nicht zum Zwecke seiner Befreiung besetzt, sondern als besiegter Feindstaat, hieß es in der US-Direktive JCS 1067 vom 26. April 1945. Sofern sie nicht selbst zu den vom NS-Regime Verfolgten zählten, nahmen die Deutschen den Untergang des „Dritten Reiches“ aus der Perspektive des erlittenen, nicht aber des zugefügten Verlustes wahr. Die Zeitgenossen der „Stunde Null“ verstanden sich als deutsche Opfer; die Opfer der Deutschen befanden sich fast vollständig außerhalb ihres Sinn- und Wahrnehmungshorizonts. Erst vierzig Jahre später konnte Richard von Weizsäcker
Weizsäcker wiederholte damit im Grunde nur Gedanken, die zehn Jahre zuvor schon der damalige Bundespräsident Walter Scheel geäußert hatte. Aber erst zum fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes war die gesellschaftliche Rezeptionsbereitschaft für ein Trauerjubiläum gegeben, das den 8. Mai zunehmend positiv statt negativ begriff. Von Jahr zu Jahr schwächer wurden seither die Stimmen derer, die sich vor allem als Opfer eines Kriegsschicksals verstanden, das sich am Ende mit beispielloser Wucht gegen
Es ist an der Zeit, den 8.Mai als gesetzlichen Feiertag dauerhaft im gesellschaftlichen Gedächtnis zu verankern sie selbst gekehrt hatte. Immer mehr Zustimmung gewann dagegen die Auffassung, dass der vermeintliche Zusammenbruch sich im Nachhinein vielmehr als der Aufbruch darstelle, der den Grundstein unserer demokratischen Wertordnung gelegt habe. Die pandemische Bedrohung unserer Tage drängt in diesem Jahr die Erinnerung an das Datum des Kriegsendes in den Hintergrund. Darüber sollten wir nicht das mittlerweile entwickelte Verständnis aus den Augen verlieren, dass dieser Tag nicht nur ein Ende markierte, sondern vor allem einen Anfang. Es ist an der Zeit, den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag dauerhaft im gesellschaftlichen Gedächtnis zu verankern.
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Ein Essay von Professor Martin Sabrow zum 8. Mai 1945
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Brandenburger Tor IMPRESSUM Berliner Verlag GmbH Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin Geschäftsführer: Dr. Michael Maier, Holger Friedrich Vermarktung: BVZ Berliner Medien GmbH Geschäftsführer: Dr. Michael Maier Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Am Wasserwerk 11, 10365 Berlin Geschäftsführer: Steffen Helmschrott Redaktion, Layout und Produktion: mdsCreative GmbH Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin Geschäftsführer: Klaus Bartels (ViSdP) Autoren: Bjoern Weigel, Ilona Rühmann, Philip Aubreville Titelbild: ullstein bild - SPUTNIK / STF
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as Brandenburger Tor ist das bekannteste Wahrzeichen Berlins. In Reichweite befinden sich auch die Botschaften der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Es gibt also keinen passenderen Ort, die europäische Dimension des Zweiten Weltkriegs zu zeigen und die Mächte zu würdigen, die das nationalsozialistische Deutschland niederrangen. Der Zweite Weltkrieg ging von Berlin aus: Hier wurde der Überfall auf Polen geplant, hier wurde über den Eroberungsfeldzug im Westen entschieden, hier begann der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Diese unterschiedlichen Dimensionen des Zweiten Weltkriegs spielen ebenso eine Rolle, wie die Leistungen der Anti-Hitler-Koalition. Vereint durch den gemeinsamen Feind, der die Welt in Brand gesetzt hatte, steckten sie sich das Ziel, gegen Deutschland bis zur bedingungslosen Kapitulation zu kämpfen. Und sie erreichten ihr Ziel in Berlin. Obwohl die Stadt bereits am 2. Mai kapituliert hatte, streckte die deutsche Wehrmacht erst sechs Tage später endgültig die Waffen. Dass diese Kapitulation in Berlin vollzogen wurde, war mehr als nur ein symbolischer Akt: Die Hauptstadt des „Dritten Reiches“ wurde so zum Ausgangspunkt für das Nachkriegseuropa – inklusive ihrer TeiWWW.75JAHREKRIEGSENDE.BERLIN lung im Kalten Krieg.
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fern und der Völkermord an den Sinti und Roma, dem mindestens eine halbe Million Menschen zum Opfer fiel, fanden auch nicht losgelöst vom Zweiten Weltkrieg statt. Unter dessen Deckmantel begann bereits der erste Massenmord der Nationalsozialisten: Die Tötung von Kranken und Menschen mit Behinderung in der sogenannten „Aktion T4“ und ähnlichen Mordaktionen, die europaweit etwa 300 000 Menschen das Leben kosteten. Mit dem Kriegsgeschehen hatte all dies nichts zu tun, doch das Regime brauchte den Krieg, um seine verbrecherische Politik umzusetzen. All diese Morde und anderen Verbrechen wurden von Menschen verübt: Von Tätern am Schreibtisch und Mördern vor Ort. Gedeckt von einer Gesellschaft, die mitmachte, bestenfalls mehrheitlich wegsah. Die Erinnerung daran macht deutlich, wohin faschistische Ideologien von Ausgrenzung und Diskriminierung führen können, wenn sie gesellschaftlich mehrheitsfähig werden und in der Praxis die Macht zur Durchsetzung erhalten.
D
ie kein zweiter Ort auf der Welt steht das Reichstagsgebäude in Berlin für den Sieg der Roten Armee über das nationalsozialistische Deutschland. Die erbitterten Gefechte der Schlacht um Berlin, in der allein 78 000 sowjetische Soldaten fielen und in der die Nationalsozialisten selbst Kinder aussichtslos an die Front schickten, um einen ebenso fanatischen wie aussichtslosen Kampf zu führen, symbolisiert das Ende des „Dritten Reiches“. Die Ausstellung thematisiert eine weitere Dimension: Obwohl im Reichstagsgebäude selbst kein einziges der verbrecherischen NS-Gesetze auf den Weg gebracht worden war, stand es wegen des Reichstagsbrands im Februar 1933 für die Errichtung der NS-Diktatur. Die sogenannte Reichstagsbrandverordnung hatte massiv die Grundrechte in Deutschland eingeschränkt. Vom Symbol der Demokratie, die den Aufstieg Hitlers über Wahlen möglich gemacht hatte, wurde es zum Symbol der Diktatur. Es bietet sich daher an, gerade hier die Politik und Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten zu beleuchten. Sie beruhte auf Ausgrenzung und Diskriminierung, führte schließlich zum Zweiten Weltkrieg und den unter seinem Deckmantel begangenen Massen- und Völkermorden an Menschen mit Behinderungen, Juden sowie Sinti und Roma.
er 8. Mai ist bis heute eine vieldeutige Chiffre. Das beginnt schon mit der Unsicherheit der Datierung. Die Sowjetunion und in ihrer Nachfolge Russland begehen den 9. Mai als Gedenktag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, weil die von den deutschen Befehlshabern des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe in der Pionierschule Berlin-Karlshorst unterzeichnete Kapitulation nach Moskauer Zeitrechnung erst in den frühen Stunden des 9. Mai erfolgte. Rechtswirksam war allerdings schon die vorherige Gesamtkapitulation der deutschen Streitkräfte in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1945 in Reims, die am 8. Mai um 23:01 Uhr in Kraft trat.
Die von der Geißel des deutschen Welteroberungskrieges befreiten Nationen feiern den Victory in Europe Day So uneindeutig wie das Datum blieb über Jahrzehnte die gedenkpolitische Würdigung des Kriegsendes. Die von der Geißel des deutschen Welteroberungskrieges befreiten Nationen feiern bis heute die jährliche Wiederkehr des alliierten Sieges als VE Day. Die Herrschaftskultur der DDR wiederum hielt vierzig Jahre lang an einer Sicht fest, die der mehrschichtigen Erfahrungswelt ihrer Bürger keinen Raum zur Entfaltung ließ. Stereotype Einordnung Der zeitweilig zum arbeitsfreien Feiertag erhobene „Jahrestag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“, wie die stereotype Formulierung lautete, blieb ein abstraktes Datum, das als „glücklicher Wendepunkt“ und schlagender „Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus“ begangen wurde. Im Bonner Staat wiederum tat man sich schwer, der Ambivalenz eines Ereignisses Rechnung zu tragen, das über die Niederlage in die Freiheit führte. Den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss ließ der Zwiespalt der zeitgenössischen Erinnerung an
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ie sah das Leben in Berlin im Frühjahr 1945 aus? An einem der bekanntesten und belebtesten Orte der Stadt erzählt die virtuelle Ausstellung vom Alltag zwischen Krieg und Frieden. Krieg und NS-Herrschaft hatten tiefe Spuren hinterlassen – im Stadtbild wie in der Gesellschaft. Hier lebten Berliner Zivilisten neben Soldaten, verschleppten Zwangsarbeiter, Untergetauchten und aus den Konzentrationslagern befreiten Verfolgten des NS-Regimes, aber auch Flüchtlingen. Für jeden von ihnen bedeutete das Kriegsende etwas anderes und doch blickten alle einer ungewissen Zukunft entgegen. Wie diese heterogene und unfreiwillig zusammengekommene Gesellschaft ihr Leben und Überleben nach der deutschen Kapitulation organsierte und neu ordnete, steht an diesem Ort im Mittelpunkt. Nahrungsmittel waren knapp, die zugeteilten Mengen reichten kaum zum Sattwerden. Der Alexanderplatz wurde zum größten Schwarzmarkt Berlins. Die Versorgungslage auch in anderen Bereichen war katastrophal: Wasser-, Strom- und Gasleitungen funktionierten meist nur noch in den weniger zerstörten Teilen der Stadt, und auch dann nur zeitweise. Nicht minder bedeutsam war die Beschaffung von Brennstoffen: Die Öfen der Bäckereien und die Herde der Privathaushalte benötigten Holz und Kohle. Angesichts drohender Seuchen standen auch die medizinischen Einrichtungen vor großen Herausforderungen. In Berlin ist dies alles 75 Jahre her – in anderen Teilen der Welt prägt es bis heute den Alltag der Menschen.
Gedenkstätte Sachsenhausen as Konzentrationslager Sachsenhausen dokumentiert eindrücklich den unmittelbaren Zusammenhang von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verfolgung und der Politik des Nationalsozialismus: Während in Berlin 1936 die Olympischen Spiele gefeiert wurden, bauten Häftlinge nur 20 Kilometer vom Olympiastadion entfernt den riesigen Lagerkomplex auf – es war das erste KZ ganz nach den Vorstellungen der SS und sollte zum Modell für alle folgenden werden. Den Anstoß dazu hatte wiederum die Wehrmacht gegeben, die für den Fall eines Krieges ein großes Lager in der Nähe Berlins gefordert hatte, um den erwarteten Widerstand brechen zu können. In Sachsenhausen wurden Oppositionelle interniert, aber auch Angehörige „rassischer“ und sozialer Minderheiten. Das Lager diente somit nicht nur der Kriegsvorbereitung, sondern zeigt auch, dass die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus nicht von der Ideologie und Herrschaftspraxis des Regimes getrennt zu betrachten sind. Der Holocaust mit rund sechs Millionen Op-
Ein Aufbruch zu demokratischen Werten
Zeitgeschehen – vier Beispiele für digitale Ausflüge.
Geschichte in und um Berlin 1945: Die virtuelle Ausstellung von Kulturprojekte Berlin eröffnet an symbolträchtigen Orten tiefe Einblicke ins
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1985 in seiner berühmt gewordenen Rede mit der Autorität des Bundespräsidenten feststellen, dass der 8. Mai für die Deutschen kein Tag zum Feiern, wohl aber ein Tag der Befreiung sei. Seine Rede brach der Auffassung Bahn, dass die andauernde Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Zivilisationsbruch weniger eine bedrückende Last als vielmehr eine befreiende Aufgabe darstelle. Wandel mit Weizsäcker
Martin Sabrow ist Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam. das Kriegsende 1949 daran zweifeln, ob der 8. Mai überhaupt zum Gedenktag tauge: „Ich weiß nicht, ob man das Symbol greifen soll, das in solchem Tag liegen kann. Im Grund genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“ Militärisch besiegt Vielleicht metaphysisch erlöst, aber gewiss nicht militärisch befreit – dem zeitgenössischen Denken musste die Vorstellung fremd bleiben, dass die Besiegten sich als Sieger verstehen sollten. Auch die Alliierten verwahrten sich gegen einen solchen Seitenwechsel ihrer geschlagenen Gegner – Deutschland werde nicht zum Zwecke seiner Befreiung besetzt, sondern als besiegter Feindstaat, hieß es in der US-Direktive JCS 1067 vom 26. April 1945. Sofern sie nicht selbst zu den vom NS-Regime Verfolgten zählten, nahmen die Deutschen den Untergang des „Dritten Reiches“ aus der Perspektive des erlittenen, nicht aber des zugefügten Verlustes wahr. Die Zeitgenossen der „Stunde Null“ verstanden sich als deutsche Opfer; die Opfer der Deutschen befanden sich fast vollständig außerhalb ihres Sinn- und Wahrnehmungshorizonts. Erst vierzig Jahre später konnte Richard von Weizsäcker
Weizsäcker wiederholte damit im Grunde nur Gedanken, die zehn Jahre zuvor schon der damalige Bundespräsident Walter Scheel geäußert hatte. Aber erst zum fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes war die gesellschaftliche Rezeptionsbereitschaft für ein Trauerjubiläum gegeben, das den 8. Mai zunehmend positiv statt negativ begriff. Von Jahr zu Jahr schwächer wurden seither die Stimmen derer, die sich vor allem als Opfer eines Kriegsschicksals verstanden, das sich am Ende mit beispielloser Wucht gegen
Es ist an der Zeit, den 8.Mai als gesetzlichen Feiertag dauerhaft im gesellschaftlichen Gedächtnis zu verankern sie selbst gekehrt hatte. Immer mehr Zustimmung gewann dagegen die Auffassung, dass der vermeintliche Zusammenbruch sich im Nachhinein vielmehr als der Aufbruch darstelle, der den Grundstein unserer demokratischen Wertordnung gelegt habe. Die pandemische Bedrohung unserer Tage drängt in diesem Jahr die Erinnerung an das Datum des Kriegsendes in den Hintergrund. Darüber sollten wir nicht das mittlerweile entwickelte Verständnis aus den Augen verlieren, dass dieser Tag nicht nur ein Ende markierte, sondern vor allem einen Anfang. Es ist an der Zeit, den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag dauerhaft im gesellschaftlichen Gedächtnis zu verankern.
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Erinnerung an die Opfer Sein Haus, das vielen Menschen vor allem für sein als „HolocaustMahnmal“ bezeichnetes Stelenfeld bekannt sein dürfte, möchte zum Jubiläum des Kriegsendes deshalb den zahlreichen Opfern gedenken. Bereits 2015 hatte die Stiftung gemeinsam mit dem Deutsch-Russischen Museum eine Website zum damals 70. Jahrestag des Kriegsendes eingerichtet. Fünf Jahre später wurde das Angebot aktualisiert und ist nun unter 75-jahre-kriegsende.de zu erreichen. Informative Texte sowie eindrucksvolles Bild- und Filmmaterial geben einen lebhaften Eindruck vom Zweiten Weltkrieg. Das digitale Angebot führt durch den „deutschen Vernichtungskrieg 1939 bis 1945“ und den „fanatischen Kampf bis zum Ende“. Es dokumentiert die Todesmär-
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Tag der Befreiung
Wie die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas an den 8. Mai erinnert
Auch wenn gerade keine Menschengruppen am Holocaust-Mahnmal unterwegs sind, bleibt die Erinnerung bestehen.
sche in den letzten Kriegswochen und schließlich das Kriegsende selbst. Zugleich widmet sich die Website aber auch den Ereignissen über den 8. Mai 1945 hinaus. Thematisiert werden etwa die sowjetische Besatzung Berlins und die Fluchtbewegungen von Millionen Menschen in ganz Europa. Daneben ist die Fortsetzung des Krieges in Asien, wo das japanische Kaiserreich erst am 2. September 1945 kapituliert, ebenso Gegenstand des Angebotes wie die spätere Aufarbeitung bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Schwierige Aufarbeitung Diese Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen, die hier einsetzt, ist dabei alles andere als geradlinig. Das gilt schon für den Blick auf den 8. Mai 1945 selbst. „Für die einen war es Niederlage (nicht nur für überzeugte Nazis), für andere Befreiung (zu DDR-Zeiten als Begriff Staatsdoktrin). In jedem Fall war es ein
Zusammenbruch der damaligen Ordnung, eine Stunde null war es sicher nicht“, meint Neumärker. Der Mythos des großen Bruchs ist gleichwohl lange verbreitet, zumal der alliierte Anspruch der Entnazifizierung bald den Realitäten des aufziehenden Ost-West-Konfliktes zum Opfer fällt. Erst später kommt es in Deutschland in einem größeren Ausmaß zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, der eigenen Schuld – und dem angemessenen Umgang damit. Auch das Holocaust-Mahnmal ist Teil dieser Auseinandersetzung – und war vor seinem Bau Gegenstand lebhafter Debatten. Das hat sich geändert. „Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas gehört heute zum Berliner Stadtbild, und ist laut einer Umfrage – nach dem Reichstagsgebäude und dem Brandenburger Tor – die beliebteste touristischen Sehenswürdigkeit, nicht nur der deutschen Hauptstadt, sondern in der ge-
samten Bundesrepublik“, erklärt Neumärker und ergänzt: „Nach den erbitterten Diskussionen um seine Errichtung, Widmung und um die künstlerische Gestaltung, die Baukosten und dergleichen, die heute praktisch vergessen sind, ist das keine Selbstverständlichkeit.“ Das Denkmal sei ein Bekenntnis zur historischen Verantwortung für die deutschen Verbrechen und für die ermordeten Juden aus ganz Europa und Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsenses. Museales Angebot Als Teil des musealen Angebotes der Stiftung rundet die Website zum 75. Jahrestag des Kriegsendes dieses Bekenntnis ab. In Zeiten, in denen das Mahnmal nur bedingt besucht werden kann und die Austellungen geschlossen sind, ist das digitale Angebot besonders wichtig. Denn die Website rekapituliert nicht nur die Ereignisse um den 8. Mai 1945. Sie lässt auch jene zu Wort kommen, für die dieser
Tag in besonderer Weise ein Tag der Befreiung war – auch wenn an diesem Tag mitnichten alles vorbei war. „Ich erinnere mich, als der Krieg vorüber war, konnte man nicht von einem Extrem ins andere gehen: Das Gefühl der puren Hoffnungslosigkeit, das Leiden und die Diskriminierungen können nicht einfach ausgelöscht werden, nur weil der Krieg plötzlich zu Ende war“, wird die Holocaust-Überlebende Sabina van der Linden-Wolanski auf der Website zitiert. Gerade diese Erfahrung, die sich auch in den Gesichtern mancher Teilnehmer des ersten jüdischen Gottesdienstes in Berlin 1945 spiegelte, zeigt die Notwendigkeit der Erinnerung. „Heute sollte man sich fragen, welches sind die Werte, zu denen wir uns aufgrund der leidvollen Erfahrungen dieses Krieges als Deutsche und Europäer verpflichtet haben – und wie schützen oder verteidigen wir sie?“, meint Neumärker. Philip Aubreville
75 JAHRE KRIEGSENDE I 9
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
S T I F T U N G D E N K M A L F Ü R D I E E R M O R D E T E N J U D E N E U R O PA S , F O T O : M A R K O P R I S K E
m 11. Mai 1945, die Wehrmacht hat erst vor einigen Tagen ihre Kapitulation unterzeichnet, hält der Rabbiner Martin Riesenburger erstmals wieder einen jüdischen Gottesdienst in Berlin ab. Später wird er sich an die reflexhafte Angst in den Gesichtern einiger Gemeindemitglieder erinnern, als sie in dem kleinen Bethaus am Friedhof Weißensee erstmals wieder mit ihren richtigen Namen angesprochen werden. Doch die Sorge ist unbegründet – die gut tausend Juden, die in Berlin in jenen Frühlingstagen endlich ihre Verstecke verlassen können, müssen sich nicht mehr hinter falschen Identitäten vor ihren nationalsozialistischen Häschern verstecken. Die Juden, die den Terror der Nazis überlebt haben, bekommen in jenen Tagen nicht nur ihre richtigen Namen zurück. „Mit der Invasion der Roten Armee begann erst mein richtiges Leben“, hielt etwa die Berlinerin Thekla Beyer fest. Mit dem Zweiten Weltkrieg endet am 8. Mai das Leiden unzähliger Menschen und eine Tötungsmaschinerie ungekannten Ausmaßes. „Sechs Millionen europäische Juden sind im Rahmen des nationalsozialistischen Völkermordes ermordet worden, über drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene, bis zu 500 000 Sinti und Roma sowie etwa 300 000 behinderte und pflegebedürftige Menschen“, sagt Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Insgesamt seien bis zu 65 Millionen Menschen – Soldaten und Zivilisten – gewaltsam zu Tode gekommen. „Mit bis zu 27 Millionen Opfern haben die Völker der Sowjetunion den höchsten Blutzoll gezahlt“, führt der Historiker weiter aus.
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
er Ort, an dem der Zweite Weltkrieg offiziell sein Ende fand, er ist für viele Berliner keine halbe Stunde entfernt. „Er liegt Mitten in Deutschland, da kann man mit der U-Bahn hinfahren“, sagt Jörg Morré, Leiter des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst – jener Institution also, in deren Räumlichkeiten in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai die ratifizierende Kapitulationsurkunde von der Wehrmachtsführung unterzeichnet wurde.
Tag des Sieges
Wo am 8. Mai 1945 das Kriegsende besiegelt wurde, setzt heute das Museum Karlshorst auf Völkerverständigung THOMAS BRUNS_ L E HRTER STR AS S E 57- HAU S 1- D-10557 BE RL IN
8 I 75 JAHRE KRIEGSENDE
Wo einst die Wehrmacht kapitulierte, arbeiten heute Vertreter aus Deutschland, Russland, der Ukraine und Belarus zusammen. Der Zauber dieses geschichtsträchtigen Hauses, an dem einst deutsche Offiziere der Pionierschule Karlshorst ihre Mahlzeiten einnahmen und später die Sowjetische Militäradministration in Deutschland ihr Hauptquartier errichtete, ehe hier in den 1960er-Jahren eine historische Gedenkstätte entstand, zieht jährlich rund 50 000 Besucher an. Doch in diesen Tagen bleibt die Dauerausstellung zum Zweiten Weltkrieg ebenso leer wie der berühmte Kapitulationssaal. Auch die Feierlichkeiten am 8. Mai können aufgrund der Corona-Krise in diesem Jahr zunächst nicht stattfinden. Doch das Museum, in dessen Gebäude der Kampf der Alliierten mit dem Sieg über Nazi-Deutschland seinen Abschluss fand, ist nicht der Ort, an dem man vorschnell aufgibt.
Internationaler Anspruch Damit wird das Museum einmal mehr seinem Anspruch als internationales Haus gerecht. Die bisher einmalige binationale Einrichtung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation vereint seit jeher unterschiedliche Akzente der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und sein Ende. „Aus der einstigen sowjeti-
In Deutschland gibt es durch die Teilung bis 1989 ja mindestens zwei Erinnerungstraditionen
Sonderausstellung im Internet Die Sonderausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“, die eigentlich Ende April mit Botschaftern und Diplomaten aus Ländern der ehemaligen Alliierten hätte eröffnen sollen, wird nun zunächst digital stattfinden. Sie schlägt einen Bogen von 1943, als die Alliierten die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches als Kriegsziel ausgaben, und der Erfüllung dieses Ziels in Karlshorst 1945. Ein Katalog ist gerade beim Wallstein Verlag erschienen. Das Angebot soll das LiveErlebnis allerdings nicht ersetzen. „„Ab dem 5. Mai werden wir das Museum Stück für Stück wieder öffnen. Dann sind natürlich alle herzlich eingeladen“, sagt Morré. Planmäßig läuft die Ausstellung noch bis November. Und auch die Feierlichkeiten
zum Jubiläum des Kriegsendes sind nur verschoben – angepeiltes Datum: Der 2. September. An diesem Tag endete 1945 der Weltkrieg auch in Asien. In gewisser Weise sei das sogar eine Chance, sich von liebgewonnenen europäischen Perspektiven zu verabschieden, meint Morré. Bereits zum 70. Jubiläum des 8. Mai 1945 seien Korrespondenten aus Japan und China anwesend gewesen – dieses Mal könnten auch offizielle Gäste aus diesen Ländern an den Feierlichkeiten teilnehmen.
Der Kapitulationssaal – historischer Ort der Kapitulation der Wehrmachtsführung am 8. Mai 1945.
schen Erinnerung ist heute die Erinnerung von 15 Teilstaaten geworden und auch in Deutschland gibt es durch die Teilung bis 1989 ja mindestens zwei Erinnerungstraditionen“, erläutert Morré. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen Perspektiven habe sich in den letzten 75 Jahren gelockert, meint Morré. Zugleich bleibt sein Haus aber von tagesaktuellen Spannungen nicht verschont. „Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder unseres Vereins, die aus Ländern wie Russland, der Ukraine oder Weißrussland kommen. Zur Zeit kommt der ukrainische Vertreter nicht, weil sein Land im Krieg mit Russland ist“, berichtet Morré. Und doch: Auf die Relevanz des Museums können sich alle einigen. „Der Tenor ist: Wir geben dieses gemeinsame Projekt nicht auf. Museen sind eine wunderbare Plattform, Kulturgut für die nächste Generation zu bewahren“, so Morré. Der Ort, an dem der Krieg endete, er bleibt ein Ort der Völkerverständigung. Philip Aubreville
Mehr Infos unter: www. museum-karlshorst.de
A
Erinnerung an die Opfer Sein Haus, das vielen Menschen vor allem für sein als „HolocaustMahnmal“ bezeichnetes Stelenfeld bekannt sein dürfte, möchte zum Jubiläum des Kriegsendes deshalb den zahlreichen Opfern gedenken. Bereits 2015 hatte die Stiftung gemeinsam mit dem Deutsch-Russischen Museum eine Website zum damals 70. Jahrestag des Kriegsendes eingerichtet. Fünf Jahre später wurde das Angebot aktualisiert und ist nun unter 75-jahre-kriegsende.de zu erreichen. Informative Texte sowie eindrucksvolles Bild- und Filmmaterial geben einen lebhaften Eindruck vom Zweiten Weltkrieg. Das digitale Angebot führt durch den „deutschen Vernichtungskrieg 1939 bis 1945“ und den „fanatischen Kampf bis zum Ende“. Es dokumentiert die Todesmär-
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Tag der Befreiung
Wie die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas an den 8. Mai erinnert
Auch wenn gerade keine Menschengruppen am Holocaust-Mahnmal unterwegs sind, bleibt die Erinnerung bestehen.
sche in den letzten Kriegswochen und schließlich das Kriegsende selbst. Zugleich widmet sich die Website aber auch den Ereignissen über den 8. Mai 1945 hinaus. Thematisiert werden etwa die sowjetische Besatzung Berlins und die Fluchtbewegungen von Millionen Menschen in ganz Europa. Daneben ist die Fortsetzung des Krieges in Asien, wo das japanische Kaiserreich erst am 2. September 1945 kapituliert, ebenso Gegenstand des Angebotes wie die spätere Aufarbeitung bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Schwierige Aufarbeitung Diese Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen, die hier einsetzt, ist dabei alles andere als geradlinig. Das gilt schon für den Blick auf den 8. Mai 1945 selbst. „Für die einen war es Niederlage (nicht nur für überzeugte Nazis), für andere Befreiung (zu DDR-Zeiten als Begriff Staatsdoktrin). In jedem Fall war es ein
Zusammenbruch der damaligen Ordnung, eine Stunde null war es sicher nicht“, meint Neumärker. Der Mythos des großen Bruchs ist gleichwohl lange verbreitet, zumal der alliierte Anspruch der Entnazifizierung bald den Realitäten des aufziehenden Ost-West-Konfliktes zum Opfer fällt. Erst später kommt es in Deutschland in einem größeren Ausmaß zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, der eigenen Schuld – und dem angemessenen Umgang damit. Auch das Holocaust-Mahnmal ist Teil dieser Auseinandersetzung – und war vor seinem Bau Gegenstand lebhafter Debatten. Das hat sich geändert. „Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas gehört heute zum Berliner Stadtbild, und ist laut einer Umfrage – nach dem Reichstagsgebäude und dem Brandenburger Tor – die beliebteste touristischen Sehenswürdigkeit, nicht nur der deutschen Hauptstadt, sondern in der ge-
samten Bundesrepublik“, erklärt Neumärker und ergänzt: „Nach den erbitterten Diskussionen um seine Errichtung, Widmung und um die künstlerische Gestaltung, die Baukosten und dergleichen, die heute praktisch vergessen sind, ist das keine Selbstverständlichkeit.“ Das Denkmal sei ein Bekenntnis zur historischen Verantwortung für die deutschen Verbrechen und für die ermordeten Juden aus ganz Europa und Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsenses. Museales Angebot Als Teil des musealen Angebotes der Stiftung rundet die Website zum 75. Jahrestag des Kriegsendes dieses Bekenntnis ab. In Zeiten, in denen das Mahnmal nur bedingt besucht werden kann und die Austellungen geschlossen sind, ist das digitale Angebot besonders wichtig. Denn die Website rekapituliert nicht nur die Ereignisse um den 8. Mai 1945. Sie lässt auch jene zu Wort kommen, für die dieser
Tag in besonderer Weise ein Tag der Befreiung war – auch wenn an diesem Tag mitnichten alles vorbei war. „Ich erinnere mich, als der Krieg vorüber war, konnte man nicht von einem Extrem ins andere gehen: Das Gefühl der puren Hoffnungslosigkeit, das Leiden und die Diskriminierungen können nicht einfach ausgelöscht werden, nur weil der Krieg plötzlich zu Ende war“, wird die Holocaust-Überlebende Sabina van der Linden-Wolanski auf der Website zitiert. Gerade diese Erfahrung, die sich auch in den Gesichtern mancher Teilnehmer des ersten jüdischen Gottesdienstes in Berlin 1945 spiegelte, zeigt die Notwendigkeit der Erinnerung. „Heute sollte man sich fragen, welches sind die Werte, zu denen wir uns aufgrund der leidvollen Erfahrungen dieses Krieges als Deutsche und Europäer verpflichtet haben – und wie schützen oder verteidigen wir sie?“, meint Neumärker. Philip Aubreville
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SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
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m 11. Mai 1945, die Wehrmacht hat erst vor einigen Tagen ihre Kapitulation unterzeichnet, hält der Rabbiner Martin Riesenburger erstmals wieder einen jüdischen Gottesdienst in Berlin ab. Später wird er sich an die reflexhafte Angst in den Gesichtern einiger Gemeindemitglieder erinnern, als sie in dem kleinen Bethaus am Friedhof Weißensee erstmals wieder mit ihren richtigen Namen angesprochen werden. Doch die Sorge ist unbegründet – die gut tausend Juden, die in Berlin in jenen Frühlingstagen endlich ihre Verstecke verlassen können, müssen sich nicht mehr hinter falschen Identitäten vor ihren nationalsozialistischen Häschern verstecken. Die Juden, die den Terror der Nazis überlebt haben, bekommen in jenen Tagen nicht nur ihre richtigen Namen zurück. „Mit der Invasion der Roten Armee begann erst mein richtiges Leben“, hielt etwa die Berlinerin Thekla Beyer fest. Mit dem Zweiten Weltkrieg endet am 8. Mai das Leiden unzähliger Menschen und eine Tötungsmaschinerie ungekannten Ausmaßes. „Sechs Millionen europäische Juden sind im Rahmen des nationalsozialistischen Völkermordes ermordet worden, über drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene, bis zu 500 000 Sinti und Roma sowie etwa 300 000 behinderte und pflegebedürftige Menschen“, sagt Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Insgesamt seien bis zu 65 Millionen Menschen – Soldaten und Zivilisten – gewaltsam zu Tode gekommen. „Mit bis zu 27 Millionen Opfern haben die Völker der Sowjetunion den höchsten Blutzoll gezahlt“, führt der Historiker weiter aus.
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
er Ort, an dem der Zweite Weltkrieg offiziell sein Ende fand, er ist für viele Berliner keine halbe Stunde entfernt. „Er liegt Mitten in Deutschland, da kann man mit der U-Bahn hinfahren“, sagt Jörg Morré, Leiter des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst – jener Institution also, in deren Räumlichkeiten in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai die ratifizierende Kapitulationsurkunde von der Wehrmachtsführung unterzeichnet wurde.
Tag des Sieges
Wo am 8. Mai 1945 das Kriegsende besiegelt wurde, setzt heute das Museum Karlshorst auf Völkerverständigung THOMAS BRUNS_ L E HRTER STR AS S E 57- HAU S 1- D-10557 BE RL IN
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Wo einst die Wehrmacht kapitulierte, arbeiten heute Vertreter aus Deutschland, Russland, der Ukraine und Belarus zusammen. Der Zauber dieses geschichtsträchtigen Hauses, an dem einst deutsche Offiziere der Pionierschule Karlshorst ihre Mahlzeiten einnahmen und später die Sowjetische Militäradministration in Deutschland ihr Hauptquartier errichtete, ehe hier in den 1960er-Jahren eine historische Gedenkstätte entstand, zieht jährlich rund 50 000 Besucher an. Doch in diesen Tagen bleibt die Dauerausstellung zum Zweiten Weltkrieg ebenso leer wie der berühmte Kapitulationssaal. Auch die Feierlichkeiten am 8. Mai können aufgrund der Corona-Krise in diesem Jahr zunächst nicht stattfinden. Doch das Museum, in dessen Gebäude der Kampf der Alliierten mit dem Sieg über Nazi-Deutschland seinen Abschluss fand, ist nicht der Ort, an dem man vorschnell aufgibt.
Internationaler Anspruch Damit wird das Museum einmal mehr seinem Anspruch als internationales Haus gerecht. Die bisher einmalige binationale Einrichtung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation vereint seit jeher unterschiedliche Akzente der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und sein Ende. „Aus der einstigen sowjeti-
In Deutschland gibt es durch die Teilung bis 1989 ja mindestens zwei Erinnerungstraditionen
Sonderausstellung im Internet Die Sonderausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“, die eigentlich Ende April mit Botschaftern und Diplomaten aus Ländern der ehemaligen Alliierten hätte eröffnen sollen, wird nun zunächst digital stattfinden. Sie schlägt einen Bogen von 1943, als die Alliierten die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches als Kriegsziel ausgaben, und der Erfüllung dieses Ziels in Karlshorst 1945. Ein Katalog ist gerade beim Wallstein Verlag erschienen. Das Angebot soll das LiveErlebnis allerdings nicht ersetzen. „„Ab dem 5. Mai werden wir das Museum Stück für Stück wieder öffnen. Dann sind natürlich alle herzlich eingeladen“, sagt Morré. Planmäßig läuft die Ausstellung noch bis November. Und auch die Feierlichkeiten
zum Jubiläum des Kriegsendes sind nur verschoben – angepeiltes Datum: Der 2. September. An diesem Tag endete 1945 der Weltkrieg auch in Asien. In gewisser Weise sei das sogar eine Chance, sich von liebgewonnenen europäischen Perspektiven zu verabschieden, meint Morré. Bereits zum 70. Jubiläum des 8. Mai 1945 seien Korrespondenten aus Japan und China anwesend gewesen – dieses Mal könnten auch offizielle Gäste aus diesen Ländern an den Feierlichkeiten teilnehmen.
Der Kapitulationssaal – historischer Ort der Kapitulation der Wehrmachtsführung am 8. Mai 1945.
schen Erinnerung ist heute die Erinnerung von 15 Teilstaaten geworden und auch in Deutschland gibt es durch die Teilung bis 1989 ja mindestens zwei Erinnerungstraditionen“, erläutert Morré. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen Perspektiven habe sich in den letzten 75 Jahren gelockert, meint Morré. Zugleich bleibt sein Haus aber von tagesaktuellen Spannungen nicht verschont. „Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder unseres Vereins, die aus Ländern wie Russland, der Ukraine oder Weißrussland kommen. Zur Zeit kommt der ukrainische Vertreter nicht, weil sein Land im Krieg mit Russland ist“, berichtet Morré. Und doch: Auf die Relevanz des Museums können sich alle einigen. „Der Tenor ist: Wir geben dieses gemeinsame Projekt nicht auf. Museen sind eine wunderbare Plattform, Kulturgut für die nächste Generation zu bewahren“, so Morré. Der Ort, an dem der Krieg endete, er bleibt ein Ort der Völkerverständigung. Philip Aubreville
Mehr Infos unter: www. museum-karlshorst.de
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SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Wie wir uns erinnern I Stimmen von Kindern und Jugendlichen aus sechs Ländern
n der Nacht vom 8./9. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Deutschland hat eine Urkunde unterschrieben: Die Kapitulation. Damit hat Deutschland anerkannt, dass es den Krieg verloren hat. Es gab vier Siegermächte: Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion (heute: Russland, Ukraine, Belarus und weitere) und USA. In einigen Ländern in Europa erinnert man heute an das Kriegsende mit einem Feiertag, am 8. oder am 9. Mai. Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst hat Kinder und Jugendliche aus den Ländern der früheren Siegermächte gefragt, was der Zweite Weltkrieg für sie bedeutet.
Meine Oma hatte große Angst, und es gab nichts zu essen. Sie erzählte, dass ihre Mutter, also meine Urgroßmutter, einem Juden geholfen habe. Danach hat sie ihre Mutter nie wieder gesehen. Slavyana (14), Belarus Meine Großmutter war Anastasia 2 Jahre alt. Sie erzähl16, Ukraine te mir, dass ihr Vater Zwangsarbeiter in Deutschland war. Bei seiner Rückkehr erkannte sie ihn nicht wieder. Er hatte keine schlechte Erinnerung an die Zwangsarbeit. Er arbeitete auf einem Bauernhof und wurde gut behandelt. Er hat sogar ein paar deutsche Wörter gelernt. Zoé (16), Frankreich
9. Mai, Tag des Sieges. Belarus erinnert sich mit Tränen in den Augen, denn es ist jeder vierte Mensch im Land gestorben. Wir erinnern uns und sind stolz. Vera (17), Belarus
Mein Urgroßvater war Kriegsgefangener im Konzentrationslager Dachau. Er erzählte niemandem von seinen Erfahrungen, weil sie viel zu schmerzhaft waren. Daniel (15), Großbritannien
Der 8. Mai ist ein Feiertag zur Erinnerung an den Sieg über Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945. Es gibt einen anderen Tag zum Gedenken an den Holocaust. Ewenn (15), Frankreich
Baba Masha, meine Urgroßmutter, spricht nicht gern über den Krieg. Sie ist heute 92 Jahre alt. Während des Krieges arbeitete sie in einer Fabrik zur Herstellung von Munition und Waffen in Samara. Als der Krieg ausbrach, war sie 13 Jahre alt. Sie ging mit 15 in die Fabrik und arbeitete 10 Stunden am Tag. Konstantin (13), Russland
9. Mai, Tag des Sieges über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg. An diesem Tag verstehen wir, wie wichtig Frieden ist. Wir möchten keine Kriege mehr. Nikolaj (16), Ukraine
Vera 17, Belarus
Ja, wir haben den VE Day (Victory in Europe - Tag des Sieges in Europa) am 8. Mai und den VJ Day (Tag des Sieges in Japan) am 2. September. In unserem Land sind das keine Feiertage, sondern nur Gedenktage. Carlotta (13), USA
Deutsch-Russisches Museum, Eingangshalle
Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst befindet sich an dem Ort, an dem die Kapitulation unterschrieben wurde. Auf unserer Webseite gibt es weitere Antworten und Bilder von Kindern und Jugendlichen: www.museum-karlshorst.de Was verbindet ihr Berliner mit dem 8. Mai? Schreibt uns! erinnerung@museum-karlshorst.de Wir bedanken uns beim AlliiertenMuseum Berlin für Kontakte nach England, Frankreich und die USA! www.alliiertenmuseum.de
Zum Jubiläum sind viele Veranstaltungen verschoben – aber nicht aufgehoben! Für die Wartezeit gibt es auch spannende digitale Angebote Historische Dokumente per App: berlinHistory e.V. macht Fotos, Text, Video, Tonaufnahmen, Karten, Zeitzeugenberichte, Vorher-Nachher-Bilder und Rundgänge in einer App zugänglich. berlinhistory.app
Auriane 15, Frankreich
sollten wir alle Bescheid Ich finde es gut, wenn Länder einen Feiertag haben. Über den Zweiten Weltkrieg USA (13), Carlotta len. wissen, damit wir die Geschichte hoffentlich nicht wiederho
centrumjudaicum.de Wanderausstellung „Der Umgang mit NS- Täterorten in Ost- und West-Berlin“: Die Ausstellung erzählt von den schwierigen und in Ostund Westberlin jeweils spezifischen Prozessen auf dem Weg zu einer angemessenen Erinnerungskultur. Aktives Museum, Rathaus Tiergarten, 2. OG, Mathilde-JacobPlatz 1, 10551 Berlin aktives-museum.de
Online-Plakat-Ausstellung „Brandspuren“: Die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen zeigt ihre digitale Sammlung restaurierter FilmPlakate aus dem Salzbergwerk in Grasleben. deutsche-kinemathek.de/ de/sammlungen-archive/ sammlung-digital/ brandspuren#Restaurierungen © STIFTUNG TOPOGRAPHIE DES TERRORS
Blog/Twitter-Aktion/Digitales Archiv: Das Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit präsentiert gleich auf mehreren Kanälen spannende Angebote. zwangslager-berlin-1945.de twitter.com/dznsza dz-ns-zwangsarbeit.de/ zeitzeugenarchiv Gedenken zu 75 Jahren Kriegsende: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) stellt Materialien zum Gedenken und eine Veranstaltungsübersicht ins Netz.“ ekbo.de/themen/ 75-jahre-nach-45.html
Vertiefung Dauerausstellung und Wanderausstellung: Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand bietet Hintergrundmaterial zu ihrer Dauerausstellung und eine Website zur Wanderausstellung. gdw-berlin.de/vertiefung/ themen was-konnten-sie-tun.de
Einmal fragte mein Bruder, warum wir am 8. Mai keine Schule haben. Mein Vater erklärte es ihm, und wir fingen alle an, darüber zu reden. Ewenn (15), Frankreich In der Sowjetunion war dieser Tag lange kein Feiertag, die Menschen wollten die Schrecken dieses Krieges vergessen. Nach 75 Jahren ist dieser Feiertag wichtig, weil nur noch wenige Kriegsveteranen leben. Für diese schreckliche Zeit gibt es bald keine Zeugen mehr. Svetlana (17), Russland
Volles Programm in Berlin
Online-Lernportal zum Thema Flucht: Digitales Bildungsangebot der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz. ghwk.de/de/bildungsangebote/ juedische-fluechtlinge
Mein Urgroßvater ist ein Kriegsheld. Er gab sein Leben, damit wir einen friedlichen Himmel über unseren Köpfen haben. Ich bin sehr stolz auf ihn und auf meine Großmutter, die den Krieg überlebt und ihre Kinder beschützt hat. Vera (17), Belarus
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Instagram Museum „Silent Stories of 1945. eCommemoration Project Europe 1945-2020“: In einem Projekt der Körber-Stiftung stellen junge Menschen unbekannte Biographien vor. instagram.com/silentstories1945 Online-Ausstellungen: Die Ständige Konferenz der NS Gedenkorte im Berliner Raum präsentiert Ausstellungen wie „Die politischen Häftlinge des KZ Oranienburg“ oder „Die nationalsozialis-
Das Außengelände der Stiftung Topographie des Terrors ist ab dem 11. Mai geöffnet.
tischen ‚Euthanasie‘-Morde“. orte-der-erinnerung.de/ ausstellungen t4-denkmal.de Videoarchiv „Sprechen trotz allem“ und Online-Ausstellung „Endlich Frieden“: Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas lässt Überlebende der NS-Verfolgung in Videointerviews zu Wort kommen und gibt einen digitalen Überblick über den 2. Weltkrieg. sprechentrotzallem.de 75-jahre-kriegsende.de Themenseite, Veranstaltungskalender und eigene StoryApp: Die Story-App ABOUT BERLIN von visit Berlin führt zu Berlins historischen Orten und Gedenkstätten, lässt Zeitzeugen des Weltkriegs sprechen und bietet historische Momentaufnahmen. visitberlin.de/de/about-berlin-app App ist kostenlos bei GooglePlay und im Apple Appstore erhältlich. (Online-) Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“: Die Sonderausstellung ermöglicht es, einem subjektiven Blick auf das 20. Jahrhundert zu folgen und ein Leben und Werk kennenzulernen, in dem sich dessen Geschichte spiegelt. Deutsches Historisches Museum Pei-Bau, Unter den Linden 2, 10117 Berlin dhm.de (Online-) Ausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“: 1943 legten die Alliierten in Casablanca die Kapitulation des Deutschen Reiches als Kriegs-
ziel fest. 1945 wurde es in Karlshorst verwirklicht. Die Ausstellung schlägt einen Bogen. Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Zwieseler Str. 4, 10318 Berlin museum-karlshorst.de (Online-) Ausstellung „‘Berlin lebt auf!‘. Pressemeldungen zum Nachkrieg“: Die ‚Berliner Zeitung‘ erschien im befreiten Berlin am 21. Mai 1945 wieder, sodass ihre Überschriften prägende gesellschaftliche Themen vom Kriegsende bis heute aufgreifen. Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Am Großen Wannsee 56-58, 14109Berlin ghwk.de Wanderausstellung „75 Jahre Kriegsende – Kindheit in Berlin“: Wie junge Menschen das Ende des 2. Weltkrieges erlebt haben, wie ihre Kindheit und Jugend zwischen den Jahren 1945 bis 1948 verlaufen ist und welche Wunden der Krieg zeitlebens in ihnen hinterlassen hat, davon erzählt die Ausstellung „Kindheit in Berlin“. FEZ-Berlin, Straße zum FEZ2, 12459 Berlin fez-berlin.de Sonderausstellung „Was vom Krieg übrig bleibt – Blindgänger aus dem Bombenkrieg 1942-45“: Die Ausstellung vermittelt, dass ein Krieg nicht „vorbei“ ist, wenn die Kampfhandlungen eingestellt werden. Militärhistorisches Museum Flugplatz Berlin-Gatow, Towergebäude, Am Flugplatz Gatow 33, 14089 Berlin mhm-gatow.de
Sonderausstellungen „Echo des Krieges. Fotografien aus dem „Zweiten Weltkrieg“/ „NEUE ZEIT? Warschau | Ukraine 1941/42 | Berlin 1945. 75 Jahre Kriegsende“: Beide Ausstellungen zeigen Originalaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V., Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, 10963 Berlin fkwbh.de Online-Hörführung mit Fotos: Die Kuratoren Klaus Hesse und Andreas Sander stellen im Gespräch mit dem Journalisten Micha Guttmann ausgewählte Fotodokumente aus der Ausstellung „Topographie des Terrors” vor. Stiftung Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8, 10963 Berlin topographie.de Wanderausstellung „Neue Anfänge nach 1945?“: Die Ausstellung setzt sich mit dem Neuanfang nach dem Krieg und der weiteren Entwicklung bis 1985 im Bereich der Nordelbischen Kirche auseinander. Evangelische Akademie der Nordkirche, Parochialkirche, Klosterstraße 67, 10179 Berlin; akademie-nordkirche.de Sonderausstellung „Robert Capa – Berlin Sommer 1945“: Erstmals ist Robert Capas Berlin-Konvolut in einer Ausstellung zu sehen. Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28-30, 10117 Berlin
Filmreihe „Vom Vormarsch der Alliierten bis zur Heimkehr ihrer Veteranen“: Das AlliiertenMuseum zeigt Kriegsfilme aus dem amerikanischen, britischen und französischen Kino. AlliiertenMuseum, Clayallee 135, 14195 Berlin alliiertenmuseum.de Glänzende Aktionstage des Bündnisses DIE VIELEN: Über einen glänzenden Livestream werden am 8. und 9. Mai online und offline Aktionen der beteiligten Kulturinstitutionen und Aktiven der Kunst ausgestrahlt, die Zeichen für eine offene und vielfältige Gesellschaft setzen. dievielen.de Digitales Friedensfest: Die Stiftung wannseeFORUM veranstaltet am 9. Mai zusammen mit ihren Kooperationspartnern ein digitales Friedensfest zum 75. Jahrestages des Ende des Zweiten Weltkriegs. culture-of-resistance.eu Radiodiskussion „Freund? Feind? (Ge)Denken! Vom Umgang mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg“ eab-berlin.eu Ökumenischer (Fernseh-) Gottesdienst der EKD am 8. Mai: Berliner Dom Am Lustgarten, 10178 Berlin berlinerdom.de Themenraum: In ihrem Themenraum bietet die Zentrale Landesbibliothek Berlin eine große Auswahl an Medien und ein begleitendes Veranstaltungsprogramm. Amerika-Gedenkbibliothek, Blücherplatz 1, 10961 Berlin zlb.de Änderungen vorbehalten. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Wie wir uns erinnern I Stimmen von Kindern und Jugendlichen aus sechs Ländern
n der Nacht vom 8./9. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Deutschland hat eine Urkunde unterschrieben: Die Kapitulation. Damit hat Deutschland anerkannt, dass es den Krieg verloren hat. Es gab vier Siegermächte: Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion (heute: Russland, Ukraine, Belarus und weitere) und USA. In einigen Ländern in Europa erinnert man heute an das Kriegsende mit einem Feiertag, am 8. oder am 9. Mai. Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst hat Kinder und Jugendliche aus den Ländern der früheren Siegermächte gefragt, was der Zweite Weltkrieg für sie bedeutet.
Meine Oma hatte große Angst, und es gab nichts zu essen. Sie erzählte, dass ihre Mutter, also meine Urgroßmutter, einem Juden geholfen habe. Danach hat sie ihre Mutter nie wieder gesehen. Slavyana (14), Belarus Meine Großmutter war Anastasia 2 Jahre alt. Sie erzähl16, Ukraine te mir, dass ihr Vater Zwangsarbeiter in Deutschland war. Bei seiner Rückkehr erkannte sie ihn nicht wieder. Er hatte keine schlechte Erinnerung an die Zwangsarbeit. Er arbeitete auf einem Bauernhof und wurde gut behandelt. Er hat sogar ein paar deutsche Wörter gelernt. Zoé (16), Frankreich
9. Mai, Tag des Sieges. Belarus erinnert sich mit Tränen in den Augen, denn es ist jeder vierte Mensch im Land gestorben. Wir erinnern uns und sind stolz. Vera (17), Belarus
Mein Urgroßvater war Kriegsgefangener im Konzentrationslager Dachau. Er erzählte niemandem von seinen Erfahrungen, weil sie viel zu schmerzhaft waren. Daniel (15), Großbritannien
Der 8. Mai ist ein Feiertag zur Erinnerung an den Sieg über Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945. Es gibt einen anderen Tag zum Gedenken an den Holocaust. Ewenn (15), Frankreich
Baba Masha, meine Urgroßmutter, spricht nicht gern über den Krieg. Sie ist heute 92 Jahre alt. Während des Krieges arbeitete sie in einer Fabrik zur Herstellung von Munition und Waffen in Samara. Als der Krieg ausbrach, war sie 13 Jahre alt. Sie ging mit 15 in die Fabrik und arbeitete 10 Stunden am Tag. Konstantin (13), Russland
9. Mai, Tag des Sieges über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg. An diesem Tag verstehen wir, wie wichtig Frieden ist. Wir möchten keine Kriege mehr. Nikolaj (16), Ukraine
Vera 17, Belarus
Ja, wir haben den VE Day (Victory in Europe - Tag des Sieges in Europa) am 8. Mai und den VJ Day (Tag des Sieges in Japan) am 2. September. In unserem Land sind das keine Feiertage, sondern nur Gedenktage. Carlotta (13), USA
Deutsch-Russisches Museum, Eingangshalle
Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst befindet sich an dem Ort, an dem die Kapitulation unterschrieben wurde. Auf unserer Webseite gibt es weitere Antworten und Bilder von Kindern und Jugendlichen: www.museum-karlshorst.de Was verbindet ihr Berliner mit dem 8. Mai? Schreibt uns! erinnerung@museum-karlshorst.de Wir bedanken uns beim AlliiertenMuseum Berlin für Kontakte nach England, Frankreich und die USA! www.alliiertenmuseum.de
Zum Jubiläum sind viele Veranstaltungen verschoben – aber nicht aufgehoben! Für die Wartezeit gibt es auch spannende digitale Angebote Historische Dokumente per App: berlinHistory e.V. macht Fotos, Text, Video, Tonaufnahmen, Karten, Zeitzeugenberichte, Vorher-Nachher-Bilder und Rundgänge in einer App zugänglich. berlinhistory.app
Auriane 15, Frankreich
sollten wir alle Bescheid Ich finde es gut, wenn Länder einen Feiertag haben. Über den Zweiten Weltkrieg USA (13), Carlotta len. wissen, damit wir die Geschichte hoffentlich nicht wiederho
centrumjudaicum.de Wanderausstellung „Der Umgang mit NS- Täterorten in Ost- und West-Berlin“: Die Ausstellung erzählt von den schwierigen und in Ostund Westberlin jeweils spezifischen Prozessen auf dem Weg zu einer angemessenen Erinnerungskultur. Aktives Museum, Rathaus Tiergarten, 2. OG, Mathilde-JacobPlatz 1, 10551 Berlin aktives-museum.de
Online-Plakat-Ausstellung „Brandspuren“: Die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen zeigt ihre digitale Sammlung restaurierter FilmPlakate aus dem Salzbergwerk in Grasleben. deutsche-kinemathek.de/ de/sammlungen-archive/ sammlung-digital/ brandspuren#Restaurierungen © STIFTUNG TOPOGRAPHIE DES TERRORS
Blog/Twitter-Aktion/Digitales Archiv: Das Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit präsentiert gleich auf mehreren Kanälen spannende Angebote. zwangslager-berlin-1945.de twitter.com/dznsza dz-ns-zwangsarbeit.de/ zeitzeugenarchiv Gedenken zu 75 Jahren Kriegsende: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) stellt Materialien zum Gedenken und eine Veranstaltungsübersicht ins Netz.“ ekbo.de/themen/ 75-jahre-nach-45.html
Vertiefung Dauerausstellung und Wanderausstellung: Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand bietet Hintergrundmaterial zu ihrer Dauerausstellung und eine Website zur Wanderausstellung. gdw-berlin.de/vertiefung/ themen was-konnten-sie-tun.de
Einmal fragte mein Bruder, warum wir am 8. Mai keine Schule haben. Mein Vater erklärte es ihm, und wir fingen alle an, darüber zu reden. Ewenn (15), Frankreich In der Sowjetunion war dieser Tag lange kein Feiertag, die Menschen wollten die Schrecken dieses Krieges vergessen. Nach 75 Jahren ist dieser Feiertag wichtig, weil nur noch wenige Kriegsveteranen leben. Für diese schreckliche Zeit gibt es bald keine Zeugen mehr. Svetlana (17), Russland
Volles Programm in Berlin
Online-Lernportal zum Thema Flucht: Digitales Bildungsangebot der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz. ghwk.de/de/bildungsangebote/ juedische-fluechtlinge
Mein Urgroßvater ist ein Kriegsheld. Er gab sein Leben, damit wir einen friedlichen Himmel über unseren Köpfen haben. Ich bin sehr stolz auf ihn und auf meine Großmutter, die den Krieg überlebt und ihre Kinder beschützt hat. Vera (17), Belarus
75 JAHRE KRIEGSENDE I 11
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Instagram Museum „Silent Stories of 1945. eCommemoration Project Europe 1945-2020“: In einem Projekt der Körber-Stiftung stellen junge Menschen unbekannte Biographien vor. instagram.com/silentstories1945 Online-Ausstellungen: Die Ständige Konferenz der NS Gedenkorte im Berliner Raum präsentiert Ausstellungen wie „Die politischen Häftlinge des KZ Oranienburg“ oder „Die nationalsozialis-
Das Außengelände der Stiftung Topographie des Terrors ist ab dem 11. Mai geöffnet.
tischen ‚Euthanasie‘-Morde“. orte-der-erinnerung.de/ ausstellungen t4-denkmal.de Videoarchiv „Sprechen trotz allem“ und Online-Ausstellung „Endlich Frieden“: Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas lässt Überlebende der NS-Verfolgung in Videointerviews zu Wort kommen und gibt einen digitalen Überblick über den 2. Weltkrieg. sprechentrotzallem.de 75-jahre-kriegsende.de Themenseite, Veranstaltungskalender und eigene StoryApp: Die Story-App ABOUT BERLIN von visit Berlin führt zu Berlins historischen Orten und Gedenkstätten, lässt Zeitzeugen des Weltkriegs sprechen und bietet historische Momentaufnahmen. visitberlin.de/de/about-berlin-app App ist kostenlos bei GooglePlay und im Apple Appstore erhältlich. (Online-) Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“: Die Sonderausstellung ermöglicht es, einem subjektiven Blick auf das 20. Jahrhundert zu folgen und ein Leben und Werk kennenzulernen, in dem sich dessen Geschichte spiegelt. Deutsches Historisches Museum Pei-Bau, Unter den Linden 2, 10117 Berlin dhm.de (Online-) Ausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“: 1943 legten die Alliierten in Casablanca die Kapitulation des Deutschen Reiches als Kriegs-
ziel fest. 1945 wurde es in Karlshorst verwirklicht. Die Ausstellung schlägt einen Bogen. Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Zwieseler Str. 4, 10318 Berlin museum-karlshorst.de (Online-) Ausstellung „‘Berlin lebt auf!‘. Pressemeldungen zum Nachkrieg“: Die ‚Berliner Zeitung‘ erschien im befreiten Berlin am 21. Mai 1945 wieder, sodass ihre Überschriften prägende gesellschaftliche Themen vom Kriegsende bis heute aufgreifen. Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Am Großen Wannsee 56-58, 14109Berlin ghwk.de Wanderausstellung „75 Jahre Kriegsende – Kindheit in Berlin“: Wie junge Menschen das Ende des 2. Weltkrieges erlebt haben, wie ihre Kindheit und Jugend zwischen den Jahren 1945 bis 1948 verlaufen ist und welche Wunden der Krieg zeitlebens in ihnen hinterlassen hat, davon erzählt die Ausstellung „Kindheit in Berlin“. FEZ-Berlin, Straße zum FEZ2, 12459 Berlin fez-berlin.de Sonderausstellung „Was vom Krieg übrig bleibt – Blindgänger aus dem Bombenkrieg 1942-45“: Die Ausstellung vermittelt, dass ein Krieg nicht „vorbei“ ist, wenn die Kampfhandlungen eingestellt werden. Militärhistorisches Museum Flugplatz Berlin-Gatow, Towergebäude, Am Flugplatz Gatow 33, 14089 Berlin mhm-gatow.de
Sonderausstellungen „Echo des Krieges. Fotografien aus dem „Zweiten Weltkrieg“/ „NEUE ZEIT? Warschau | Ukraine 1941/42 | Berlin 1945. 75 Jahre Kriegsende“: Beide Ausstellungen zeigen Originalaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V., Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, 10963 Berlin fkwbh.de Online-Hörführung mit Fotos: Die Kuratoren Klaus Hesse und Andreas Sander stellen im Gespräch mit dem Journalisten Micha Guttmann ausgewählte Fotodokumente aus der Ausstellung „Topographie des Terrors” vor. Stiftung Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8, 10963 Berlin topographie.de Wanderausstellung „Neue Anfänge nach 1945?“: Die Ausstellung setzt sich mit dem Neuanfang nach dem Krieg und der weiteren Entwicklung bis 1985 im Bereich der Nordelbischen Kirche auseinander. Evangelische Akademie der Nordkirche, Parochialkirche, Klosterstraße 67, 10179 Berlin; akademie-nordkirche.de Sonderausstellung „Robert Capa – Berlin Sommer 1945“: Erstmals ist Robert Capas Berlin-Konvolut in einer Ausstellung zu sehen. Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28-30, 10117 Berlin
Filmreihe „Vom Vormarsch der Alliierten bis zur Heimkehr ihrer Veteranen“: Das AlliiertenMuseum zeigt Kriegsfilme aus dem amerikanischen, britischen und französischen Kino. AlliiertenMuseum, Clayallee 135, 14195 Berlin alliiertenmuseum.de Glänzende Aktionstage des Bündnisses DIE VIELEN: Über einen glänzenden Livestream werden am 8. und 9. Mai online und offline Aktionen der beteiligten Kulturinstitutionen und Aktiven der Kunst ausgestrahlt, die Zeichen für eine offene und vielfältige Gesellschaft setzen. dievielen.de Digitales Friedensfest: Die Stiftung wannseeFORUM veranstaltet am 9. Mai zusammen mit ihren Kooperationspartnern ein digitales Friedensfest zum 75. Jahrestages des Ende des Zweiten Weltkriegs. culture-of-resistance.eu Radiodiskussion „Freund? Feind? (Ge)Denken! Vom Umgang mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg“ eab-berlin.eu Ökumenischer (Fernseh-) Gottesdienst der EKD am 8. Mai: Berliner Dom Am Lustgarten, 10178 Berlin berlinerdom.de Themenraum: In ihrem Themenraum bietet die Zentrale Landesbibliothek Berlin eine große Auswahl an Medien und ein begleitendes Veranstaltungsprogramm. Amerika-Gedenkbibliothek, Blücherplatz 1, 10961 Berlin zlb.de Änderungen vorbehalten. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
12 I 75 JAHRE KRIEGSENDE
SAMSTAG, 2. MAI 2020 I VERLAGSBEILAGE
Danke für die Unterstützung
Ohne Partner und Sponsoren wäre die digitale Themenwoche zu „75 Jahre Kriegsende“ von Kulturprojekte Berlin nicht möglich gewesen
A L L I I E R T E N M U S E U M A . A K H TA R
ür die Westalliierten war der 8. Mai ein Sieg der Demokratie über die Diktatur. Ihr Weg von der Landung in der Normandie
Dr. Jürgen Lillteicher ist Direktor des AlliiertenMuseums.
bis nach Berlin war ein leidvoller. Wir lernen heute daraus, dass nur entschlossenes und gemeinsames Handeln und eine große Opferbereitschaft über Grenzen hinweg den Sieg über und die Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Europa ermöglicht hat. Demokratien müssen daher wehrhaft sein und bleiben, die internationalen Bündnisse stärken und ihren heutigen Feinden offen den Kampf ansagen, um ein Leben in Frieden und Freiheit dauerhaft sichern zu können. Das gilt für Demokratien wie für uns als überzeugte Demokraten gleichermaßen.“
Warum unterstützt die LOTTOStiftung das digitale Angebot zum 75. Jubiläum des Kriegsendes? „Der 8. Mai 1945 ist das entscheidende Datum der politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und doch kaum 75 Jahre her. Aus der Unterstützung, die unser Land nach Kriegsende erfahren hat, können wir lernen. Besonders in Zeiten, wo die europäische Einigung von manchen hinterfragt wird, ist es wichtig, sich an diese historischen Momente zu erinnern. Die Förderung der Kulturprojekte hat für die LOTTO-Stiftung
Dr. Marion Bleß ist Vorstand von LOTTO Berlin und der LOTTO-Stiftung. übrigens eine lange Tradition: Seit 2007 hat die Stiftung bereits 21 Projekte gefördert und für das aktuelle Projekt 750 000 Euro ausgeschüttet. Das Geld stammt
Die Niederlage eines Regimes, das lange begeistert unterstützt wurde er 8. Mai 1945 steht für das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa mit mindestens 55 Millionen Toten. Zahlreiche Verbrechen waren bis zum Schluss von der SS-Führung, der Gestapo und dem SS-Nachrichtendienst SD in den Dienststellen auf dem PrinzAlbrecht-Gelände, dem heutigen Sitz des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“, zentral geplant und koordiniert worden. Heute sind viele Deutsche froh darüber, dass das „Dritte Reich“ von den Alliierten besiegt wurde. Denn man möchte sich lieber nicht vorstellen, in was für einem Land und was für einem Europa wir sonst heute leben müssten. Historisch betrachtet
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Zahlreiche Verbrechen wurden bis zum Schluss von der SS-Führung auf dem Prinz-Albrecht-Gelände geplant und koordiniert Dr. Andrea Riedle ist Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors.
markiert der 8. Mai aber die Niederlage eines Regimes, das über lange Zeit von großen Teilen der deutschen Bevölkerung begeistert unterstützt wurde. Sich die erschreckende „Bilanz“
dieser verbrecherischen Politik vor Augen zu halten, ist gerade in einer Zeit wichtig, in der Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus wieder Konjunktur haben.
Aus der Unterstützung, die unser Land nach Kriegsende erfahren hat, können wir lernen
von den Berliner Lotto-Spielern und Spielerinnen, denn von jedem Euro, der bei LOTTO eingesetzt wird, fließen 20 Cent an die die LOTTO-Stiftung.
Vermächtnis mutiger Frauen und Männer
U
nter furchtbaren Verlusten befreiten die vier alliierten Mächte Deutschland und Europa von der Unterdrückung und dem Morden durch die Deutschen. Dafür gedenken wir der mutigen Frauen und Männer, die antraten gegen die nationalsozialistische Barbarei und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir danken ihnen, dass wir heute in Europa miteinander, nicht gegeneinander, in Frieden und Freiheit leben. Ihr Vermächtnis tragen wir in die Zukunft, indem wir die Verantwortung übernehmen für unsere Demokratie und all denjenigen Widerstand leisten, die sie bedrohen.
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Die Erinnerung an historische Momente ist für Europa wichtig EVENTPRESS RADKE
Demokratien müssen wehrhaft bleiben
Kai Uwe Peter ist Geschäftsführer des Sparkassenverbands Berlin.
EINE WAHL UND IHR ERGEBNIS Panor ama des Al ex ander pl a t zes kur z nach Beendigung der K ämpf e, A n fang Mai 194 5. © akg-images / RI A Nowos t i
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Demokratische Wahlen ebneten den Weg in die Dik tatur des Nationalsozialismus. Der Zweite Weltkrieg mit Tod und Zerstörung war deren Folge. Er endete vor 75 Jahren — lassen wir es nie wieder geschehen.
www.75jahrekriegsende.berlin
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BE F RE IUNG E UROPAS V OM NAT IONALSOZ IALISMUS