Sonderausgabe MuseumsJournal »Corona Issue«

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S on der au sgabe

6 , 9 0  €

Berlin  & Potsdam

A N E O U R S O S I C



FR EITA G , DE R 13.  M ÄR Z

Zehn Wochen später. Kultur ist bis auf Weiteres, wenn überhaupt, mit Abstand zu genießen. Nach wochenlangem Stillstand tasten sich die Museen nun langsam an Öffnung und so etwas wie Normalbetrieb heran. Wir – Kulturprojekte Berlin – sind als Partner der Museen mittendrin und dabei. Das Museumsportal als zentrale Plattform aller Museen boomt mit seinen digitalen Angeboten – während unsere geliebte Lange Nacht der Museen im Spätsommer wohl kaum stattfinden wird. Und was ist eigent­ lich mit den Hunderten Führungen, Workshops und Vermittlungs­ formaten pro Woche, die unser Museumsdienst Berlin organisiert? Schon mit der Ankündigung dieses historisch einmaligen Kultur-Shutdowns war uns klar: Das MuseumsJournal, das Magazin der Berliner Ausstellungs­

INTRO

SHU TD O WN IN BER LIN

macher, die Glaskugel der Szene, wird dieser für alle neuen Situation eine Sonderausgabe widmen. Und so hörten wir uns um. Was sagt Hermann Parzinger zur Krise, als Präsident der größten deutschen Kultureinrichtung mit ihren 17 staatlichen Museen? Was machen die zahlreichen freien Mitarbeiter der Museen, die den Betrieb sonst von Vermittlung bis Reinigung aufrechterhalten? Wir fragten auch Kultursenator Klaus Lederer, wie die Politik schnell und unkompliziert helfen kann. Die Fotografin Friederike von Rauch baten wir, eine Moment­ aufnahme dieser ungewohnten, starren Leere in den Museen, dieses

– UND AL L E M U S E EN SI ND ZU.

temporären Pompejis, einzufangen. Außerdem wollten wir wissen: Was bedeutet die Corona-Krise für Hartmut Dorgerloh, den General­ intendanten des Humboldt Forums, Europas größter Kulturbaustelle? Und wir müssen dabei auch weiterdenken, über die Museumshäuser hinaus – seit Jahren schon diskutieren wir etwa die meist sehr produktive Wechselwirkung zwischen Kultur und Tourismus. Was heißt es gerade jetzt für die nach und nach wieder geöffneten Museen, wenn keine Gäste in die Stadt kommen? Und was für den Tourismus, wenn die Häuser geschlossen sind? Burkhard Kieker, Geschäftsführer von VisitBerlin, skizziert die gegen­ seitige Befruchtung und eben auch Abhängigkeit, die gerade durchaus schmerzhaft offenbar wird. Und dann gibt es noch das große Thema Digitalisierung, von dem überall zu lesen und hören ist. Klar ist ein digitaler Museumsbesuch besser als nichts, und es gibt auch spannende Angebote, die die Kultursehnsucht ein wenig stillen können. Doch wie viel Stimmung, Atmosphäre und Genuss

CORONA ISSUE

können transportiert werden? Und sollten wir es dem Digitalen überhaupt zumuten, es als Ersatz der Live-Erfahrung zu verstehen? All das haben wir in den letzten Wochen versucht zu sortieren und wurden manchmal dabei von der Zeit fast eingeholt. Wir hoffen (und freuen uns darauf), im Sommer und zum Herbst hin wieder Ihren Blick auf die bevorstehenden Ausstellungen lenken zu dürfen. Bis dahin danke ich allen Besuchern und damit Ihnen, unseren Lesern und Abonnenten, die Sie nur kurz pausierten und jetzt erst recht wieder in unsere Berliner und Potsdamer Museen strömen werden. Ich danke allen Museen und den Autoren für die Unterstützung und mitunter sehr spontane Mitarbeit. Ich danke unserem großartigen Redaktionsteam und besonders Minh An Szabó de Bucs für diesen von ihr konzipierten Streifzug, der uns während dieser schwierigen Zeit durch die Berliner Museen führt, mit ihren Herausforderungen und Problemen, aber auch mit ihrer Kreativi­ tät und vielen besonderen Momenten.

M O R I T Z VA N D Ü L M E N

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Geschäftsführer Kulturprojekte Berlin



Liebe Leserin, lieber Leser, dieses Sonderheft ist eine Momentaufnahme aus dem April 2020. Ein genaues Hinsehen EDITORIAL

lohnt sich, denn wir wurden Zeugen eines bedeutsamen Moments für die Welt und für die Menschheit: Alles änderte sich, niemand weiß seitdem, was morgen ist. Der Boden des scheinbar Normalen wurde unter unseren Füßen weggezogen – entweder wir fallen oder wir erkennen, dass freier Fall nicht weit vom Fliegen entfernt ist.      Kulturinstitutionen und Kreativschaffende auf der ganzen Welt haben sich in ver­ schiedenen Konstellationen zusammengetan und eindrücklich gezeigt, dass Solidarität in der Krise möglich ist. Ihre Geschichten, die von Existenzängsten, Schicksalen, aber auch von Visionen und Kreativität handeln, wollen gehört werden. Unser Sonderheft erzählt sie.      Dabei liegt der Fokus auf den Berliner Kultureinrichtungen. Sieben Verantwortliche von Landes- und Bezirksmuseen sowie von staatlichen und privat geführten Häusern berichten von ihrem Ringen um Lösungen während der erzwungenen Schließzeit. Weitere 23 Direktorinnen und Direktoren teilen in wenigen Sätzen mit uns, was sie am meisten betroffen macht, welche positiven Effekte die Krise für sie gebracht hat und welche Lehren sie daraus ziehen. Schnell wird deutlich, dass unterschiedliche Erlebniskonzepte und jeweilige finanzielle Ausstattung zu gänzlich anderen Einschätzungen, Hoffnungen und Emotionen in dieser schwierigen Lage führen.      Natürlich haben uns auch die längerfristigen und hintergründigen Effekte dieser Zäsur interessiert. Wie können Museen zukünftig grüner werden und welche Zukunfts­ CORONA ISSUE

szenarien werden bereits diskutiert?    In der Krise haben wir alle gespürt, wie wenig selbstverständlich Restaurant- und Cafébesuche sind. Wir haben wieder zu Hause gekocht. Zwei Museumsköche verraten uns für dieses Heft ihre Lieblingsrezepte.      Die Kunst durchzieht als verbindende Einheit dieses Heft. Ganz besonders freuen wir uns, dass wir die Berliner Künstlerin Friederike von Rauch für die Fotostrecke »Fundstücke« gewinnen konnten. Als Gegenentwurf zum Überangebot digitaler Formate haben wir uns bewusst für ihre langsame und analoge Arbeitsweise entschieden.      Ich bin stolz auf das gesamte Redaktionsteam, das sich in dieser turbulenten Zeit blitzschnell neu formiert hat. Ohne sich ein einziges Mal zu begegnen, hat es von diversen Wohnzimmern und Küchenarbeitsplätzen aus produktiv und professionell in kürzester Zeit dieses Heft erstellt. Die Kraft dafür haben uns die (virtuellen) Begegnungen mit den Künstlerinnen und Kulturschaffenden gegeben. Sie haben mit ihrer Kreativität und ihrer Solidarität Landesgrenzen überschritten, die die Regierungen vielerorts eilig wieder hochgezogen hatten. Das gibt uns das Vertrauen, die Krise jenseits nationaler Abschottungen und alter Reflexe mit Blick auf eine globale Zukunft überstehen zu können. Viel Spaß beim Lesen! Ihre

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MINH AN SZABÓ DE BUCS Chefredakteurin Sonderausgabe MuseumsJournal


KURZ UND KNAPP BILDSTRECKE: GEGENBILDER

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Ursula Pischel

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Natalie Bayer

Gefährten im Geiste

LABYRINTH KINDERMUSEUM BERLIN FHXB FRIEDRICHSHAINKREUZBERG MUSEUM

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE 38

Die Wucht der Langsamkeit MINH AN SZABÓ DE BUCS

Hermann Parzinger STIFTUNG PREUSSISCHER K U LT U R B E S I T Z

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Thomas Köhler

BERLINISCHE GALERIE

Paul Spies S TA DTM US E U M B E R L I N

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Lisa Marei Schmidt

INHALT

BRÜCKE-MUSEUM

10

Rainer Rother D E U T S C H E K I N E M AT H E K

26

Johannes Vogel

44

M US E U M F Ü R N AT U R K U N D E

WAS WAR? Wie Berliner Kulturschaffende um Lösungen ringen

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Verzicht weckt Sehnsucht

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Die neue Normalität

H E R M A N N PA R Z I N G E R , S T I F T U N G P R E U S S I S C H E R K U LT U R B E S I T Z

CORONA ISSUE

NUNO DE BRITO ROCHA, BERLINISCHE GALERIE

Holger Happel B E R L I N E R U N T E R W E LT E N E . V.

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Tobias Hoffmann

BRÖHAN-MUSEUM

Anja Schaluschke M US E U M F Ü R KO M M U N I K AT I O N

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Krist Gruijthuijsen

KW INSTITUTE FOR CONTEMPORARY ART

Dorothea Schöne KUNSTHAUS DAHLEM

33

Hetty Berg

Wie die Kreativwirtschaft medizinische Hilfe leistet

52

Masken aus dem Drucker

JÜDISCHES MUSEUM BERLIN

BURG GIEBICHENSTEIN – KUNSTHOCHSCHULE HALLE

SANDRA HOLLMANN, D E U T S C H E K I N E M AT H E K

Robert Rückel

53

24

50

22

Closed but open!

#FürNatur digital

GESINE STEINER, M US E U M F Ü R N AT U R K U N D E

28

Kompetenzausbau im Eiltempo

ANJA SCHALUSCHKE, M US E U M F Ü R KO M M U N I K AT I O N

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Das Museum als Assemblage

DEUTSCHES SPIONAGEMUSEUM

Julia Wallner

GEORG KOLBE MUSEUM

Dirk Böndel

51

Kölner Museum im Dienst der Virus-Eindämmung

Stephanie Rosenthal

GROPIUS BAU

Renate Flagmeier WERKBUNDARCHIV – MUSEUM DER DINGE

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34

Bernt Roder

S T E P H A N E R F U R T, C / O B E R L I N

Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterstützt das Gesundheitswesen

DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM

KAROLINE KÖBER, NADIM SAMMAN, KW INSTITUTE FOR CONTEMPORARY ART

C /O B e r l i n wird sich auch dieses Mal neu erfinden

Harald Salomon

M O R I - Ô G A I - G E D E N K S TÄT T E

M U S E U M PA N K O W

62

Andrea Riedle

TOPOGRAPHIE DES TERRORS

Patrick Siegele

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ZWISCHEN RAUM

ANNE FRANK ZENTRUM

53


WER ZAHLT? WAS NUN?

Was aus dem Versprechen Soforthilfe geworden ist

Wie neue Routen ausgelotet werden

82

Es fehlt das Unmittelbare eines Kulturerlebnisses

56

Nach Berlin

58

Kontaktlos vermitteln?

63

Leere Kassen

BJOERN WEIGEL, K U LT U R P R O J E K T E B E R L N

KLAUS LEDERER

84

Ein gordischer Knoten

BORIS MESSING IM GESPRÄCH MIT DEM MUSEUMSDIENST BERLIN

BORIS MESSING

JULIANE WIEDEMEIER ÜBER DIE LAGE DES MUSEUMSPERSONALS

77

64 » M a y

you live in interesting times« HARTMUT DORGERLOH, HUMBOLDT FORUM

CORONA ART

68

Grünes Museum vs. graue Energie JULIANE WIEDEMEIER IM G E S P R ÄC H M I T S T E FA N S I M O N

70

Going Glocal

BURKHARD KIEKER, VISITBERLIN

6

Laura Splan

36

Max Siedentopf

54

Frédérique Daubal

72

Badiucao

89

74

Künstler sollen radikaler werden! MINH AN SZABÓ DE BUCS IM GESPRÄCH MIT CLEMENS KRAUSS

WAS HILFT?

77

Virale Blüten

Was wir geben und annehmen können

86

Moisés Patrício

88

66

WAS WIRD?

Lieblingsrezept Pickled Cucumbers

SHANI LEIDERMAN U N D A N AT BA R A K , R E S TAU R A N T B E BA , GROPIUSBAU

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Lieblingsrezept Unsere herrliche Apfeltarte

RANDNOTIZ

Wie eine Zeit nach Corona aussehen kann

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Neue virtuelle Wirklichkeiten

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Collecting Corona

G A B R I E L E M I K E T TA

GERALD GREH, CAFÉ IM KUNSTHAUS DAHLEM

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Halt auf freier Strecke

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L’Internationale – Europas Kunstinstitutionen tun sich zusammen

79

Ohne Shutdown ins Museum – Taiwan

83

Wie geht es den Berliner Bühnen?

85

Digital gut aufgestellt Van Gogh Museum und Städel Museum

JULIANE WIEDEMEIER

Kultur at home Die Redaktion empfiehlt

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Wie kann jeder helfen?

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Eines für alle – Museumsportal Berlin

G A B R I E L E M I K E T TA

96

Impressum


CORONA ART

CORONA ART

»Die Doilies-Serie, die ich 2004 als Reaktion auf die erste SARS-CoronavirusEpidemie geschaffen hatte, hat nun

­angesichts der aktuellen globalen COVID-

19-Krise bei einem größeren Publikum breitere Resonanz gefunden. Viele meiner ursprünglichen konzeptionellen Absichten werden immer noch deutlich. Allerdings war angesichts der Ausgangssperren und Bleibt-zu-Hause-Appelle die Beziehung zwischen unserem biomedizinischen Status und unseren häuslichen Umständen noch nie so entscheidend wie heute. In der Krise spielt das traditionelle Kunsthandwerk eine bedeutende Rolle, da die Menschen Trost in einem neuen Zeit­ vertreib wie dem Fertigen von Masken suchen. Untersuchungen zur ›Domesti­ zierung‹ der biomedizinischen Landschaft

CORONA ISSUE

sind heute wichtiger als je zuvor!«

LAURA SPLAN Doilies (Spitzendeckchen), SARS-Virus,

2004. Rechnergestützte maschinell gestickte Spitze angebracht auf Samt   www.laurasplan.com

Instagram@laurasplan

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© Laura Splan



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CORONA ISSUE

BILDSTRECKE: GEGENBILDER

GEFÄHRTEN IM GEISTE

Ihr Lieblingsmuseum ist noch geschlossen, Sie sitzen zu Hause und kennen so langsam all Ihre Kunstschwarten auswendig? Abwechslung muss her! In den Online-Sammlungen der Berliner Museen kann man stundenlang in Erinnerungen an Lieblingsstücke schwelgen oder gar wunderbare Werke aus dem Depot entdecken. Wir haben gestöbert und stellen Ihnen hier einige Leidensgenossen zur Seite, die zeigen, dass Zuhausebleiben, Social Distancing oder Kranksein schon immer zum Leben dazugehört haben – und durchaus auch Positives in sich tragen. — NM


A U F A B S T A ND

Links Georg Kolbe, Die goldene Insel, 1898. Öl auf Leinwand. Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/Nationalgalerie. Foto: Reinhard Saczewski Oben Monika Sieveking, Mann und Frau, 1986. Mischtechnik auf Leinwand. Berlinische Galerie. © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Unten Edvard Munch, Zwei Menschen (Die Einsamen), 1899. Farbholzschnitt auf ­J apanpapier. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/Kupferstichkabinett. Foto: Jörg P. Anders


BILDSTRECKE: GEGENBILDER CORONA ISSUE

DAHEI M

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Oben Max Kaus, Liegende Frau mit Katze, 1923. Öl auf Leinwand. Brücke-Museum. © VG Bild-Kunst, Bonn 2020. Foto: Brücke-Museum/Nick Ash Unten Eduard Pistorius, Geographiestunde, 1827. Öl auf Holz. Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/Nationalgalerie. Foto: Andres Kilger


K R ANK

Oben links Karikatur auf die übertriebene Hygiene während der Cholera-Epidemie, um 1820. Radierung, koloriert. Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/Kunst­ bibliothek. Foto: Knud Petersen Oben rechts Max Klinger, Vom Tode II, Blatt 5: Die Pest, 1903. Radierung und Stich. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/ Kupferstichkabinett. Foto: Jörg P. Anders Unten Francisco José de Goya y Lucientes, De que mal morira? (An welchem Übel wird er sterben?), Capricho 40, 1797–98. Radierung und Aquatinta auf Papier. Sammlung ScharfGerstenberg, Staatliche Museen zu Berlin. © bpk/Nationalgalerie, Sammlung ScharfGerstenberg. Foto: Roman März


KURZ UND KNAPP CORONA ISSUE

KU R Z UND KN A P P Wir wollten wissen: Welche Absage schmerzt am meisten? Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown? Was lernen Sie aus der Krise? 23 Berliner Direktorinnen und Direktoren geben Antworten.

Für uns ist es ein Trauerspiel, dass

Wir können keinen Gewinn aus dem

»Natürlich heute! Mitmachen für

Shutdown ziehen, denn ein Kinder­

morgen«, unsere neue Umwelt-­

museum lebt von interaktiven Aus­

Ausstellung für Kinder, jetzt nicht

stellungen, die Kinder gerade über

besucht werden kann. Sie ist erst

das Mitmachen und die aktive

im Dezember mit ganz hervor­

Kommunikation für ein Thema

ragenden Zahlen und sehr guter

begeistern. Das geht nur schwer

Resonanz gestartet und war auch

vom Tablet aus. Und durch den

von Gruppen bis in den Sommer voll

langen Shutdown bekommen viele

gebucht. Dabei sind die Themen

Eltern ihre Kinder leider jetzt noch

Umweltschutz und Nachhaltigkeit

schwerer von den Computern weg.

so wichtig. Wir vermissen einfach die neugierigen und fröhlichen

URSU LA PI SC H E L 14

G es c h äf ts führ e r i n un d A us s t e l l u ng s e n t w i ck l e r i n L ab y r i n t h K i n d er muse um B e r l i n Foto: Ragnar Schmuck

Wir werden sicher noch mehr auf Kommunikation

Kinder, die täglich unser Museum

in den sozialen Medien setzen, aber inhalt-

beleben und mit Fragen füllen.

liche Online-Angebote sind – aus unserer Sicht –

Der Verlust der Einnahmen, den wir

nur ein kleiner Teil in der Philosophie von

durch die Schließung für den

Kindermuseen.

Besucherverkehr erleiden, ist für ein Museum, das sich zu 80 Prozent frei finanziert, eine wirtschaftlich kaum tragbare Situation.


Der Ausfall unseres Begleit­ programms zur Ausstellung »Labor 89. Neue Perspektiven auf die Wendezeit« schmerzt, da wir unter anderem Filmscreenings und Podiumsgespräche mit vielen interessanten Gästen geplant

Der Shutdown bringt neue Formen

hatten. Aber noch mehr schmerzt

des intensiven digitalen Kommu­

ein leeres Museum – der soziale

nizierens und des Miteinanders,

Alltag und Raum haben sich

­Vertrauens und der Rücksichtnahme

komplett verändert.

innerhalb des Teams hervor. Zudem nutzen wir die Gelegenheit, unseren neuen Instagram-Account

Wir wollen auch in Zukunft unsere Angebote mehr

zu starten, um so auch während

mit dem digitalen Raum verschränken und ver­

der Schließzeit kurze Einblicke

stärkt mit diesen Schnittstellen experimentieren –

in unser Museumsprogramm und

ohne dabei die soziale Komponente zu verlieren.

unseren Alltag zu geben.

Gerade arbeiten wir an unserer neuen Ausstellung »Kiezgeschichten«, die im Rahmen des Jubiläums zum Groß-Berlin-Gesetz voraussichtlich am 18. Juni eröffnet wird. Seit dem 23. April gibt es

N AT AL IE B AY ER Leiterin FHX B Fried richshainKreu zberg Mu seu m Foto: Ellen Röhner

fotografische Einblicke in 100 Jahre Friedrichshain und Kreuzberg auf dem berlinweiten OnlinePortal 1000×Berlin (MJ 2/2020).

Das Digitale kann nie das Original ersetzen, aber um insbesondere junge Menschen für die Themen, Inhalte und Geschichten

Mich schmerzt am meisten die

der Museen zu gewinnen, ist die

Absage der großartigen Beethoven-

virtuelle Präsenz entscheidend,

Ausstellung in der Staatsbibliothek

und da hat die Corona-Krise noch

Unter den Linden mit all den Auto­ grafen, Aufzeichnungen, Konversa­

einmal einen Extra-Schub gegeben.

tionsbüchern und vielem mehr. Vier Tage nach der Eröffnung mussten wir sie schließen, doch sie

HE RMANN P ARZ I NG E R Pr äs i d e n t S t i f t un g Pr euß is che r Kulturbesitz Foto: Herlinde Koelbl

kommt wieder, wenn die CoronaKrise vorbei ist.

In der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt es ein großes Maß an Solidarität und Zusammenhalt, das von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt und mich besonders stolz macht: ob die Abgabe von Schutzausrüstung der Restauratoren an Ärzte und Krankenhäuser oder Initiativen zum Nähen von Mund-Nasen-Schutz – auf die Menschen in der Stiftung ist Verlass, wenn es darauf ankommt.


WAS WAR?

VERZICHT WECKT SEHN SUCHT Die Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Corona-Krise S TA AT L I C H E MUS E E N Z U B E R L I N

Wir alle haben das öffentliche Leben seit Mitte März mit einer Vollbremsung auf nahezu null bringen müssen, und das in einer Weise, wie ich es mir zuvor nicht hätte

CORONA ISSUE

­vorstellen können. Strahlender Sonnenschein liegt auf der Museumsinsel in der Mitte Berlins, aber sie ist seit Wochen menschenleer, Nofretete ist allein zu Haus, alle Türen VO N

H E R M A N N PA R Z I N G E R Pr äs ident der Stiftung Preuß is cher Kul tur b es itz

sind verschlossen, auch die unserer Bibliotheken und Archive. Aber wir haben damit viel gewonnen, die Pandemie scheint beherrschbar zu werden, und das Erreichte dürfen wir jetzt nicht gleich wieder durch unbedachtes Agieren verspielen. Sicher ist, wir können nicht einfach da anknüpfen, wo wir vor dem Shutdown aufgehört haben. Die Welt ist eine andere geworden. Wenn wir uns mittlerweile Gedanken machen, wie wir schrittweise und mit größter Vorsicht wieder öffnen können, dann ist für uns maßgeblich, welche Vorgaben das Land Berlin macht. Hygienemaßnahmen spielen eine ­entscheidende Rolle. Um alles praktisch umzusetzen, sind viele ganz konkrete Fragen zu klären. Woher bekommen wir die vielen Plexiglasscheiben, die wir an den Kontaktstellen anbringen müssen? Welche Häuser eignen sich, weil sie geräumig genug sind, um die Abstandsregeln

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einhalten zu können? Wie schnell können wir unser Auf­ James-Simon-Galerie. © Ute Zscharnt für David Chipperfield Architects

sichtspersonal reaktivieren, das zum großen Teil von externen Firmen gestellt wird?



Die Staatlichen Museen zu Berlin haben seit Langem gut funktionierende Tools für das Besuchermanagement. Um Schlangenbildung vor den Häusern zu vermeiden, sind konkrete Besuchszeiten vorab im Internet zu buchen. Lange Schlangen vor der Tür zur Ausstellung, diesen Traum jedes Museumsmachers gilt es jetzt unbedingt zu vermeiden, damit die Infektionszahlen nicht wieder ansteigen. Der nationale und internationale Tourismus, der Berlin so viel Leben einhaucht und ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor der Stadt ist – er wird auch den Museen vermutlich noch lange fehlen. Wenn wir jetzt prüfen, welche Häuser wir in einem ersten Schritt wieder öffnen, dann tun wir das vor allem für das Berliner Publikum. Die Menschen sollen sich in diesen schweren Zeiten wieder an Kunst und Kultur erfreuen können und auf andere Gedanken kommen. Die große Frage ist, wie sich das mit großem Vorlauf geplante und eng aufeinander abgestimmte Ausstellungs­ WAS WAR?

programm neu justieren lässt.

»2 MIO EURO EINNAHMEVERLUSTE PRO MONAT«

Was können wir verschieben und einige Monate später eröffnen, welche Laufzeiten müssen wir möglicherweise verkürzen? Vieles hängt davon ab, wann halbwegs normales Leben zurückkehrt. Für die zweite Jahreshälfte sind große Ausstellungen geplant. Ob die Präsentation zur Spätgotik in der Gemäldegalerie und die Germanen-​ Ausstellung in der James-SimonGalerie wie vorgesehen eröffnen können oder ebenfalls verschoben

werden müssen, lässt sich heute noch nicht entscheiden.

18

CORONA ISSUE

Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Für die Stiftung mit ihren Staatlichen Museen bringt die Schließung große Einnahmeverluste mit sich, etwa zwei Millionen Euro pro Monat – Geld, das uns im nächsten Jahr nicht nur für die Programmarbeit fehlen wird, sondern das auch zur Deckung steigender Personal- und Betriebskosten fest eingeplant war. Die schrittweise Öffnung einzelner Häuser ohne touristisches Publikum wird daran wenig ändern, weil wir zum Beispiel für deutlich weniger Besucher erheblich mehr Aufsichtspersonal benötigen, um die Hygienemaßnahmen gewährleisten zu können. Aber auch ein anderer Aspekt ist mit der Krise ver­ bunden. Nach der Schließung der Häuser war uns sofort klar, dass es jetzt besonders auf die digitalen Angebote ankommt. Die Museen haben hier in den vergangenen Jahren sehr gut vorgearbeitet und ein ausgezeichnetes Angebot verfügbar. Und so vieles kam in den letzten Wochen der Krise noch hinzu. Das Bode-Museum etwa bietet attraktiv gestaltete virtuelle Rundgänge durch das ganze Haus, die auch mit der Objektdatenbank SMB-digital verknüpft sind und enorme Klickzahlen generieren. Dank der Zusammenarbeit mit Google Arts & Culture (MJ 2/2020) präsentieren wir zehn Sammlungen mit vierzig Aus­ stellungen und etwa 5 000 Objekten. Und wenn uns Stefan Weber, der Direktor des Islamischen Museums, in einer virtuellen Tour zur berühmten Mschatta-Fassade m ­ itnimmt, dann erreicht er allein damit 10 000 Menschen. Aber auch die anderen Direktoren stellen uns in der Serie »Allein im Museum« auf YouTube ihre Sammlungen vor. Wenn ein kurzer Film zu Cranachs Jungbrunnen 150 000 Mal auf­ gerufen und 250 Mal in den sozialen Medien geteilt wird, dann sind das tolle Erfolge. Seit Längerem schon zeigen die Staatlichen Museen in ihrem Blog »Museum and the City«, was sich so alles hinter den Kulissen tut. Er wird in Zeiten geschlossener Museen zunehmend aufgerufen. Unsere Kuratorinnen und Kuratoren geben darin Einblicke in ihre Arbeit und erzählen die vielen großen und kleinen Geschichten, die sich um ihre Objekte ranken. In der Reihe »Die Bio­ grafien der Objekte« zum Beispiel stellen Provenienz­ forscherinnen die wechselvollen Wege einzelner Werke in die Sammlungen vor. Ganz neu ist in unserem Blog auch eine Spotify-Playlist mit den legendären Konzerten in der Neuen Nationalgalerie, als in den Sechziger- und Siebziger­ jahren Jazz-Größen wie Keith Jarrett zu Gast waren. Wir erreichen mit den digitalen Angeboten sicher ver­ stärkt ein jüngeres Publikum, das vielleicht gerade dadurch zu späteren Besuchen unserer Häuser und Sammlungen animiert wird. Denn nur dort ist das authentische Erlebnis des Originals möglich, das durch nichts zu ersetzen ist. Auch sind die Museen heute mehr denn je soziale Orte, an denen wir uns austauschen, anregen lassen und unsere Eindrücke mit anderen teilen. Auch deshalb vermissen die Menschen das offene Museum so sehr. Doch Verzicht weckt Sehnsucht. Deshalb bin ich sicher, dass wir nach der Krise einen neuen Museumsboom erleben werden.   www.smb.museum

Oben links Bode-Museum. © Staatliche Museen zu Berlin. Foto: David von Becker Unten links Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. © Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Maximilian Meisse Rechts Alte Nationalgalerie. © Staatliche Museen zu Berlin. Foto: David von Becker


WAS WAR?

DIE NEUE NORMALITÄT Videokunst im virtuellen Raum der Berlinischen Galerie BERLINISCHE GALERIE

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CORONA ISSUE

VO N

N U N O D E B R I TO RO C H A Kuratoris cher Re ferent des Direkto r s


»Is there something else I’ve lost?« ist ein treffender Titel für Elke Marhöfers Werk. Oszillierend zwischen Dialogen und meditativen Aufnahmen eines Gemeinschaftsgartens, macht uns der Film einige der melancholisch bebilderten Verluste bewusst. Marhöfer drehte ihr 38-minütiges Werk 2011 in Wuhan. Heute mag es ein Leichtes sein, die Stadt mit der Frage »Gibt es noch etwas anderes, das mir ver­ loren ging?« in Beziehung zur aktuellen Situation zu setzen – doch stattdessen erhalten wir ein einfühlsames Bild aus Wuhan. Der Film liefert einen Einblick, wie mit der Pandemie umzugehen ist. Nicht wegen der Verluste – Geschichten, Menschenleben, wirtschaftliche, politische –, sondern im Sinne eines möglichen Miteinanders. So schnell wie Wuhan Teil unseres Alltags wurde, sind auch wir nach Hause geschickt worden, ungefragt, ob das machbar sei oder nicht. Jeder musste sich auf die »neue Normalität«

womöglich mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit

einstellen. Das mag ein unpassender Begriff sein, aber wie

der wir von überall und jederzeit auf so vieles zugreifen.

können wir einfach dahin zurückkehren, wo wir waren?

Sie kann auch bedeuten, dass das erweiterte, vielgestaltige

Zeitgleich wurden zu Hause visuelle oder ästhetische

Museum mit speziellen Inhalten sowohl on- als auch offline

Erfahrungen möglich, die zuvor dem Museum vorbehalten

existiert, ohne dass wir uns für das eine oder andere ent­

waren. Da Veranstaltungen, Messen und Ausstellungen

scheiden müssen. Ein Ziel könnte darin bestehen, unsere

abgesagt oder verschoben wurden, hat der Kunst- und

physischen Erfahrungen kontinuierlich auszudehnen.

Kulturbetrieb sofort Anstrengungen unternommen, online

Der digitale Bereich sollte seinen Status als Marketing­

zu gehen. Dabei sollte es in erster Linie nicht um die Ver­

instrument mit dem primären Ziel, Menschen ins Museum

vielfältigung von diversen digitalen Angeboten gehen,

zu bringen, infrage stellen und vielmehr die Rezeption

sondern darum, ob die Formate nur auf diesen speziellen

der Museumsarbeit außerhalb dessen, was wir bisher als

Moment beschränkt bleiben. Wäre es nicht ein Verlust, sich

»Museum« bezeichnen, erweitern. Das Museum als Ort

auf den physischen Museumsraum zu beschränken, sobald

der Koexistenz erleichtert den Zugang zu Kunst.

die Häuser wieder geöffnet sind? Es stellt sich die Frage

Elke Marhöfers Porträt von Wuhan und weitere Video­

nach der Koexistenz, dem Mit- und Nebeneinander, analog

arbeiten sind auf der Website der Berlinischen Galerie

und digital.

abrufbar. Neben der Online-Ausstellung im virtuellen

Seit 2011 unterstützt die Berlinische Galerie Video­ kunst mit einem Videoraum, der sich der Präsentation

Videoraum sind auch Podcasts, Führungen, Online-Festivals

internationaler Kunstschaffender widmet, gefördert von

und Impulsvorträge zugänglich.   www.berlinischegalerie.de/ausstellung/

der Investitionsbank Berlin. Wegen der Corona-bedingten

virtueller-videoraum

Schließung eröffneten wir einen virtuellen Videoraum. Hier präsentieren wir im Rückblick im Museum gezeigte Werke online, um vor allem die Künstlerinnen und Künstler weiterhin zu unterstützen. Das Medium Video bietet viele Vorteile, doch seine Immaterialität birgt auch Herausforderungen bei der Präsentation, wie die Qualität von Ton und Bild, die ­Bildschirmgröße, Wiedergabeoptionen und denkbare Ablenkungen beim Rezipieren zu Hause. All dies ist im Museumsraum zu »kontrollieren«. Sobald das Werk jedoch online verfügbar ist, verlieren die Künstlerinnen und Künstler die »Kontrolle« über die Bedingungen, unter denen ihr Werk präsentiert wird. Videokunst offenbart sich uns im Laufe der Zeit, unsere Erfahrung beim Betrachten ist dabei oft auch eine räum­ liche/installative. Deshalb ist die Präsentation im Museum so bedeutsam. Wir werden anders oder neu lernen müssen, uns dort zu versammeln und ästhetische Erfahrungen mit­ einander zu teilen. Die »neue Normalität« muss nicht schlecht sein. Sie kann verheißen, aus der Ferne Kunst erfahrbar zu machen,

Elke Marhöfer, Is there something else I’ve lost?, 2011. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin. © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Viele Ideen für den digitalen Raum hatten wir bereits in der Vergangen­ heit diskutiert und überlegt, was für

Jede unserer Ausstellungen wird mit

ein Museum sinnvoll wäre. So recht

Akribie vorbereitet. Stets wollen wir

voran kamen wir mit der Umsetzung

den Besucherinnen und Besuchern

unserer Ideen jedoch nicht. Dies hat

Kunst auf möglichst sinnliche

sich mit dem Shutdown in atem-

Weise über Originale präsentieren.

beraubender Geschwindigkeit geän-

Wenn nun das Museum geschlossen

dert: Instagram-Führungen, Pod-

ist, geht die authentische Erfahrung

casts, digitale Rundgänge und ein

mit dem Kunstwerk verloren.

digitaler Videoraum konnten in kürz-

Dass unsere Umbo-Ausstellung in

ester Zeit umgesetzt werden. Toll!

der Berlinischen Galerie unter Aus­ schluss der Öffentlichkeit gezeigt

KURZ UND KNAPP

wird, ist sehr, sehr schade.

THOMA S KÖH LE R Di r e k t or B e r l i n i s che Ga l e r i e Foto: Harry Schnitger

Wir haben die Fotografien abgeDie Digitalisierung muss mit Elan und Kreativität vorangetrieben werden. Digitale Projekte sollen kein Add-on sein, sondern integraler Bestandteil der Museumsarbeit. Diese Lektion sollten wir alle

deckt, schützen sie so vor Licht und können damit idealerweise nach der Wiedereröffnung die verlorene Zeit nachholen.

gelernt haben. Wir können viele Menschen durch neue Formate erreichen und den digitalen Raum als Forum für Interaktionen und Kommunikation begreifen. Das muss auch in Zukunft für die Museen wichtig bleiben.

Die ab April geplante Ausstellung »Chaos und Aufbruch. 100 Jahre Groß-Berlin« (MJ 2/2020) ver­ schieben wir um ein paar Monate. CORONA ISSUE

Aber den Saisonstart im Museums­ Schon seit einigen Jahren gehört es

dorf Düppel haben wir verpasst.

zu unseren Vorhaben, die E-Culture

Voraussichtlich eröffnen wir das

stärker auszubauen. Aber wegen der

Freilichtmuseum im Mai wieder,

vielen Ausstellungs- und Programm­

doch die populären Frühlings­

planungen hatten wir dazu nie

veranstaltungen – mit bis zu 3000

ausreichend Kapazitäten. Jetzt aber

Gästen – müssen wir abhaken.

stehen alle Kolleginnen und Kollegen

Stattdessen stellen wir uns nun

mit voller Überzeugung und ganzem

die Frage: Dürfen wir solche sehr

Einsatz für ein digitales Stadt­

gut besuchten Tage noch ohne

museum.

Weiteres organisieren?

PAUL SPI E S Di r e k t or S t ad t m use um B e r l i n

22

Foto: Michael Setzpfandt

Die Zeit der »Blockbuster« war schon größtenteils vorbei, nun wird sie gänzlich zu Grabe getragen.

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

Im Museum der Zukunft geht es weniger um Quantität als vielmehr um Vertiefung und per­ sönliche Ansprache.

Was lernen Sie aus der Krise?

Welche Absage schmerzt am meisten?


Jeder einzelne Tag, an dem das Museum geschlossen war, hat geschmerzt. Die Absage der lange Zu erleben, mit wie viel Experimen­

geplanten Eröffnung der Max-Kaus-

tierfreude einige Künstler, aber

Ausstellung (MJ 2/2020) gemeinsam

auch Museen und andere Kultur­

mit der Witwe Sigrid Kaus zu Beginn

einrichtungen das Digitale lebendig

des Shutdowns war schon sehr

machen. Dadurch wird sicher einiges

traurig. Glücklicherweise haben wir

für die Zukunft angestoßen. Jede

das und auch vieles andere ver­

Erfahrung ist hier wertvoll. »Gewin­

schieben können und eröffnen jetzt

nen« wird aber keiner durch diesen

am 15. Mai. Von den geplanten Aus­

Shutdown, ein analoger Museums­

stellungen mussten wir bisher keine

besuch und der direkte menschliche

absagen. Allein die Open-House-

Kontakt sind nie zu ersetzen.

Veranstaltung zum Karl-SchmidtRottluff-Förderstipendium werden wir nicht durchführen können.

LI SA MARE I SC HMIDT

In Zukunft werden digitale Zusammenarbeit und

Die Jury wird jetzt digital tagen,

das Homeoffice eine noch größere Rolle spielen.

wichtigstes Ziel ist es, dass die Künstlerinnen und Künstler mög­ lichst bald ihre Förderung erhalten.

Direktorin B r ü c k e- Mus eum Foto: David von Becker

Eine große Freude ist das Engage­ ment, mit dem unsere Kolleginnen und Kollegen die neue Situation meistern. Sie reagieren mit

Die Einstellung unseres Angebotes

Fantasie, mit Enthusiasmus, ent­

für die Öffentlichkeit schmerzt am

wickeln aufregende Ideen, sind

meisten: keine Besucher in unseren

online präsent, stellen vor, was

Ausstellungen, keine Zuschauer in

sie an der Deutschen Kinemathek

den Filmprogrammen, keine Nutzer

lieben und schätzen. Sie sind die

in den Archiven begrüßen zu

Gesichter der Deutschen Kinema­

können. Ein großer Einschnitt ist

thek. Diese Haltung beeindruckt in

es auch, den Kinos keine Filme aus

ihrer Verbundenheit zum Haus und

unserem Verleih liefern zu können.

bereichert uns auf bleibende Weise.

Geplante Projekte – Ausstellungen, das Festival »Film:ReStored« – mussten wir verschieben. Wir

RA I NER R OTHE R K ü n s t l er i s c h e r Di r e k t or D e u t s c h e K i n em at he k – Mus eum f ür F i l m un d F er n se he n Foto: Marian Stefanowski

freuen uns, hoffentlich bald die Alle Kultureinrichtungen mussten auf die Krise

­Ausstellung »Hautnah« zur großen

schnell, manchmal spontan reagieren. Unser Team

Kostümbildnerin Barbara Baum

zeigt: Wir können das und bleiben uns dabei treu.

und im nächsten Jahr eine einmalige

Dieser Mut, etwas auszuprobieren und zu

Schau zur Filmrestaurierung

riskieren – weil gar keine Zeit blieb, alles bis ins

eröffnen zu können.

Letzte abzuwägen –, wird als Spirit fortwirken.


CLOSED BUT OPEN! WAS WAR?

Die Vielfalt digitaler Angebote

D E U T S C H E K I N E M AT H E K – MUS E UM F Ü R F I L M U N D F E R N S E H E N

24

CORONA ISSUE

VO N

SANDRA HOLLMANN Leiterin Kommunikation

Schon seit 2013 erweitern wir als Teil unserer digitalen

Digitalität ist kein Phänomen, das aus der Krise um

Strategie kontinuierlich die Online-Angebote des Museums

die Corona-Pandemie folgt. Neu ist allerdings, dass die

und des Archivs der Deutschen Kinemathek. So können die

digitalen Angebote plötzlich einzig und allein im Fokus

Werke prominenter Filmschaffender wie Ken Adam,

der internen und externen Kommunikation stehen. Unsere

Marlene Dietrich, Werner Herzog oder Heinrich Breloer auf

Ressourcen und die vieler Kulturinstitutionen werden

unserer Webseite, auf Microsites, in Online-Ausstellungen

­überwiegend auf die digitale Sichtbarkeit konzentriert.

wie »Künste im Exil« und auf Online-Plattformen wie der

Abteilungsübergreifend diskutieren wir im Team die

Europeana, der Deutschen Digitalen Bibliothek und dem

Bewerbung bestehender und die Entwicklung neuer

Archivportal-D erkundet werden. Über Jahre wurden

Formate. Digitale Vermittlung, digitale Partizipation und

Angebote entwickelt, die einerseits die Besucherinnen und

digitale Präsentation erlangen von heute auf morgen

Besucher am Potsdamer Platz ansprechen, andererseits

ungeahnte Relevanz, sowohl bei der Besucherschaft des

aber auch die an der Film- und Fernsehgeschichte

Museums als auch im Kollegium. Die Identifikation mit

Interessierten deutschlandweit und international. Neben

der Institution, das Engagement, der Ideenstrom aus den

der virtuellen Verfügbarkeit von Sammlungsbeständen

Homeoffices heraus ist ungemindert groß. Alle machen mit,

spielt die digitale Kommunikation bereits sehr viel länger

drehen Filme über ihren derzeitigen Arbeitsalltag für die

eine Rolle. Seit 2006 ist unsere Webseite mehr als eine

sozialen Medien, führen online durch die Ausstellungen,

reine Informationsquelle zur Besuchsplanung; sie lädt viel­

stellen digitale Angebote vor und geben so dem digitalen

mehr zum Flanieren und Recherchieren in den vielfältigen

Auftritt der Kinemathek ein neues Gesicht. Was Museen

Angeboten ein. Seit 2009 sind wir zudem in verschiedenen

seit Jahren vorbereiten, passiert jetzt auf einen Schlag – die

sozialen Netzwerken aktiv, um potenzielle Besucher und

Priorisierung vom Analogen hin zum Digitalen. Innerhalb

Nutzer zu informieren und zum Diskurs einzuladen.

kürzester Zeit müssen Konzepte gefunden werden, die auch


jenseits von »special interest« möglichst breite Besucher­ kreise online erreichen und somit auf die gesellschaftliche Veränderung reagieren. Sobald die Museen wieder öffnen, wird sich diese Priorisierung sicher neu ausbalancieren. Der Besuch der Kinemathek als Ort wird wieder ebenso relevant sein wie der virtuelle Besuch. Unsere jetzigen digitalen Aktivitäten zielen darauf ab, neue Wege zu erproben, im öffentlichen Gespräch zu bleiben, Inhalte zu teasern und den satzungs­ gemäßen Auftrag der Vermittlung, des Erhalts und der Präsentation des audiovisuellen Erbes unter neuen und erschwerten Bedingungen zu erfüllen. Nach dem Shutdown werden unsere digitalen Angebote dauerhaft ebenso kulturelle Teilhabe ermöglichen wie die Angebote in Aus­ stellungen und Präsentationen vor Ort.   www.deutsche-kinemathek.de

Hier einige Tipps Highlights der digitalen Sammlung,

Heinrich Breloer

Partnerkooperationen

der Online-Ausstellungsführungen

Das seit 2013 online zugängliche

Außerdem kooperieren wir mit

sowie der Streaming-Angebote ver­

Produktionsarchiv des Filmemachers

­verschiedenen Partnern. Auf der

schiedener Plattformen:

Heinrich Breloer, der in diesem Jahr

Streaming-Plattform lacinetek.de

mit dem Grimme-Preis für sein

stehen Filme aus der Berlinale Retro­

­Lebenswerk ausgezeichnet wird.

spektive »Selbstbestimmt – Perspek-

Werner Herzog und Marlene Dietrich

tiven von Filmemacherinnen« sowie

Das Werk des weltberühmten Filme-

DFFB-Archiv

Sergej Eisensteins »Panzerkreuzer

machers Werner Herzog, präsentiert

Rund 50 Jahre archivierte Geschichte

Potemkin« zur Verfügung. Die arte-

in 42 umfangreichen Fotogalerien,

der Deutschen Film- und Fernseh­

Mediathek zeigt regelmäßig restau-

sowie ein Einblick in den umfang­

akademie. Filme in voller Länge, Inter­

rierte Stummfilmklassiker.

reichen persönlichen Nachlass der

views mit Zeitzeugen und Dokumente

Filmdiva Marlene Dietrich.

zu den Filmproduktionen.

Ken-Adam-Archiv

Grafikarchiv

Storyboards und Zeichnungen des

Aus dem umfangreichen Grafikarchiv:

zweifachen Oscargewinners Ken Adam

die Online-Version der Sonderaus­

zu James-Bond-Klassikern sowie zu

stellung »Brandspuren – Plakate aus

Filmen von Stanley Kubrick, Robert

dem Salzstock« (MJ 4/2019) oder die

Aldrich oder István Szabó.

Sammlung Josef Fenneker

Links Marlene Dietrich mit Krawatte, Los Angeles, Anfang der 1930er-Jahre. Vintageprint. Foto: Eugene Robert Richee. Quelle: Deutsche Kinemathek – Marlene Dietrich Collection Berlin Mitte Ken Adam, Entwurf zu »Moonraker« (GB, F 1979, Regie: Lewis Gilbert). © Sir Ken Adam. Quelle: Deutsche Kinemathek – Ken Adam Archiv Oben Women’s Camera (KameraTutorial von DFFB-Studentinnen), BRD 1971, Regie: Gardi Deppe, ­B arbara Kasper, Brigitte Krause, Ingrid Oppermann und Tamara Wyss. Quelle: Deutsche Kinemathek Unten Werner Herzog bei den Dreharbeiten zu »Die Ballade vom kleinen Soldaten«, BRD 1948. © Werner Herzog Film


#FÜR NATUR DIGITAL WAS WAR?

Das Museum für Naturkunde online erleben MUS E UM F Ü R N AT U R K U N D E

Mit »#fürNatur digital« bleibt das Museum mit seiner 30 Millionen Objekte zählenden Sammlung online zu erleben, um für die Natur zu begeistern und alle Interessierten am

VO N

GESINE STEINER Pres s es precherin

Forschungsgeschehen teilhaben zu lassen. Die Marke »Für Natur« gibt es bereits seit 2018, und sie ist uns Auftrag, ­Verpflichtung und Selbstverständnis zugleich.

26

CORONA ISSUE

Zunächst hat ein Kernteam unter Federführung der Schlangen. Nicht nur in der Nass-Sammlung des Museums

Öffentlichkeitsarbeit alle digitalen Angebote, die es bereits

für Naturkunde, sondern auch vor dem Haus. 25 000 Fans

im Museum gab, auf einer Landingpage zusammengetragen

kamen an einem Wochenende, um sich von Tyrannosaurus

und besucherfreundlich aufbereitet. Die Veranstaltungen

Rex Tristan Otto für eine begrenzte Zeit zu verabschieden.

wurden soweit wie möglich in digitale Formate umgewan­

2019 verzeichneten wir die zweithöchste Besucherzahl

delt und in einem digitalen Kalender zugänglich gemacht.

der vergangenen zehn Jahre: 737 254. Davon nahmen

Auch das Experimentierfeld des Museums bietet digitale

107 211 Personen an einem Bildungsprogramm teil, einem

Formate an, von der Workshop-Reihe »Klimawandel« bis

Programm im Experimentierfeld bzw. einer Veranstaltung

hin zur Schreib- und Transkriptionswerkstatt. Mit Google

im Museum; das war jeder siebente Besucher.

Arts & Culture (MJ 2/2020) können Teile des Museums

Und nun: Stille. Von einem Tag auf den anderen läuft

virtuell besichtigt werden, zum Beispiel die Biodiversitäts­

das komplette Forschungsmuseum nur noch im Präsenz­

wand mit rund 3000 präparierten Tierarten oder der

notbetrieb. Erst wurden die Ausstellungen geschlossen und

Sauriersaal. Als Forschungsmuseum vermitteln wir unser

die Veranstaltungen abgesagt, dann alle Mitarbeiterinnen

Wissen schon lange über die sozialen Medien. Auch auf

und Mitarbeiter bis auf eine Notbesetzung ins Homeoffice

unserem YouTube-Kanal und im Wissenschaftsnavigator

geschickt. Wie schaffen wir es, die Menschen, die unser

der Homepage können Besucher in die Spitzenforschung

Museum lieben, nicht zu verlieren? Erreichen wir jetzt

des Museums eintauchen. Manche Angebote richten sich

womöglich andere oder neue Zielgruppen? Was können

insbesondere an Familien und Kinder, von der Dinosaurier­

wir Positives in die Zukunft übertragen?

maske zum Ausmalen bis zur kostenfreien, vom Museum

Oben Biodiversitätswand © Museum für Naturkunde Berlin. Foto: Carola Radke Unten Ostflügel Nass-Sammlung. © Museum für Naturkunde Berlin. Foto: Carola Radke


+++ RAN D N OT I Z N E U E V I RT U E L L E WIRKLICHKEITEN

Die Technologien von Virtual, Augmented und Mixed Reality, kurz VR, AR und MR, erleben einen Boom wie entwickelten Smartphone-App «Naturblick« zur Arten­ bestimmung in der Stadtnatur. In einem zweiten Schritt haben die fachübergreifenden Teams im Museum überlegt, mit welchen neuen Formaten zu experimentieren wäre und wie die digitalen Angebote – vom Homeoffice aus – erweitert werden können. In »#Wissenswert« etwa, einer neuen Videoreihe auf YouTube, erstellen unsere Guides anstelle von Führungen im Museum informative Videos von zu Hause aus. Natürlich sind die Kolleginnen und Kollegen geübt im Umgang mit Gästen, aber ein Livestream auf Instagram ist etwas anderes. Sammlungspfleger Andreas Abele gab eine Einführung in die Paläontologische Samm­ lung und stellte seinen Beruf vor. »Es gibt weniger Inter­ aktion mit den Zuschauern, das direkte Feedback, die Wärme, das Lächeln der Teilnehmenden fehlen«, so Abele. Robert Stein dagegen, Weltmeister der Präparation, ist es

nie zuvor. Kunstmessen und Ausstellungen bekommen durch sie die Möglichkeit, ihre Pforten für das Publikum zu öffnen, ohne in direkten physischen Kontakt zu treten. Tech-Startups wie VirBELA bauen für ihre Klienten virtu­ elle Welten, in die diese ihre Veranstaltungen verlegen können. So ereignete sich die Laval Virtual Conference Ende April beispielsweise auf einer virtuellen Insel statt wie sonst in Frankreich. 10 000 Besucher-Avatare und 150 Speaker besiedelten sie drei Tage lang. Die britische Kunst-Plattform Acute Art zeigte schon vor der Krise VR-, AR- und MR-Kunst internationaler Stars wie Marina Abramovic und Olafur Eliasson. Das Team um Kurator Daniel Birnbaum kreierte jüngst mit dem Künstler Brian Donnelly aka KAWS eine App, mit der man in eine AR-Kunstwelt eintauchen kann. Die Acute-Art-App wurde bereits millionenfach heruntergeladen. — BM

gewohnt, seine Kunst live vor der Kamera auszuüben. In einem Livestream präparierte er einen Taubensittich und beantwortete währenddessen Fragen. Noch ist es zu früh für ein Fazit, aber eines ist schon jetzt klar: Vieles von dem, was wir jetzt erproben, wird in Zukunft ausgebaut und weitergeführt. Wir werden aus den Erfahrungen lernen und uns stetig verbessern. Wenn der Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb eines Tages weiter geht, bleiben die digitalen Angebote eine »digitale Ver­ längerung«, wie es Jana Hoffmann, Leiterin des Bereichs Digitale Welt und Informationswissenschaft, nennt. Dank der Sonderzuwendung von Land und Bund gibt es einen Zukunftsplan für die nächsten zehn Jahre. Das Museum wird baulich ertüchtigt, die Sammlung digitalisiert. Deren Erschließung kann schon jetzt im Citizen-ScienceProjekt »Bees & Bytes« von zu Hause aus unterstützt werden. Auch wenn der jetzige Anlass trauriger ist als die Umsetzung des Zukunftsplans, testen wir gerade, wie eine phasenweise Schließung des Museums funktioniert. Was uns am meisten fehlt? Die Kolleginnen und Kollegen. Natürlich gibt es Online-Meetings, aber sie ersetzen nicht den gemeinsamen Austausch im Büro, bei einer Tasse Kaffee oder in der Mittagspause. Haben wir diese kleinen Dinge »damals« richtig geschätzt? Diese Frage muss jeder für sich beantworten.   www.museumfuernaturkunde.berlin

KAWS, Acute Art, CompanionExtended, Exhibition Brown, New York-1, © KAWS


Nach all den Jahren der dynami­ schen Veränderung, die in der Finanzierung des Zukunftsplans durch Bund und Land sowie einer

Die Lange Nacht der Wissen­

erfolgreichen Evaluation im Jahr

schaften im Juni. Als Forschungs­

2019 kulminierte, ist der Shutdown

museum der Leibniz-Gemeinschaft

auch eine Chance, innezuhalten

nehmen wir daran immer teil und

und neue Strategie zu denken und

stoßen mit unseren Angeboten,

zu diskutieren. Die hochkarätige

unserer Forschung zum Anfassen,

internationale Evaluationskom­

auf großes Interesse.

mission sieht uns als weltweites Vorbild für Forschungsmuseen. Eine große Ehre, aber auch große

J O H AN N E S VOGEL

Verantwortung. Digital waren wir KURZ UND KNAPP

schon stark – jetzt haben wir die Zeit zu überlegen, wie wir noch besser und relevanter werden können.

Diese Krise ist ein Warnruf: Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur muss jetzt und mit

Generald ire kto r Mu seu m fü r Natu rku nd e Foto: Hwa Ja Götz

aller Kraft neu justiert werden. Gegenüber dem, was uns der Klimawandel noch bescheren wird, ist das ein Anfangsgeplänkel. Dem Museum kommt mit seiner Mission »Für Natur« – und damit für den Menschen – eine ganz wichtige Forschungsund Kommunikationsaufgabe zu. Mehr denn je zeigt sich, dass es sich lohnt, auf die Wissenschaft zu hören!

Unsere Führungen leben von dem Seit 20 Jahren veranstalten wir

CORONA ISSUE

Gefühl, das die Räume ausstrahlen. Das kann man virtuell nicht trans­

geführte Touren und Ausstellungen

portieren. Außerdem müssten

am authentischen Ort. Derzeit

digitale Inhalte erst produziert

generieren wir keinerlei Einnahmen,

werden, was uns finanziell und

mit denen wir sonst den Führungs-

personell überfordert. Wir sind in

und Ausstellungsbetrieb finanzieren.

den sozialen Medien präsent,

Jegliche Geschäftsgrundlage ist uns

stellen zum Beispiel auf Facebook

entzogen. Das ist schmerzlich und

weniger beachtete Rubriken unserer

existenzbedrohend.

Webseite vor. Das könnte ein kleiner, wenn auch nur ideeller Gewinn sein.

Wir hoffen, dass wir die Krise überleben. Sicher müssen wir künftig Abläufe ändern, Gruppen­ größen reduzieren und so weiter. An zurück­ gehende Besucherzahlen im touristischen und kulturellen Sektor will ich gar nicht denken. Zu uns kommen viele Schulklassen und Touristen. Ich bezweifle, dass digitale/virtuelle Angebote überhaupt ein Ersatz sein können. Wir werden über Pläne für zukünftige Krisen nachdenken,

28

aber momentan sind wir damit beschäftigt, die aktuelle Situation zu überstehen.

H O L GE R H APP E L Leiter Ö ffentlichke its arbe it  / Veranstaltu nge n Berliner Unterwe lte n e .V. Foto: Giovanni Lo Curto


Alle haben sich jetzt auf die digitalen Möglichkeiten gestürzt und experi­ mentiert. Dieser groß angelegte Feldversuch ist super, und für mich

Der größte Schmerz ist das leere

wurde dabei klar, was geht und was

Museum. Eine fertig aufgebaute

nicht. Was in meinen Augen nicht

Baluschek-Ausstellung ohne

geht – und ich meine hier den

Besucher macht mich traurig.

gesamten Kulturbereich –, ist der Dilettantismus. Manchmal war es

T O B IAS H O FFM ANN

Naivität im Umgang mit den neuen Möglichkeiten, manchmal bewusst eingesetztes Stilmittel, vielfach jedoch hart an der Schmerzgrenze.

Direkto r Brö han-Mu seu m Foto: Colya Zucker

Wir starten zunächst ganz vorsichtig mit einer Etage und nur mit der Baluschek-Ausstellung (MJ 1/2020). Die digitale Präsentation von Aus­ stellungen wollen wir auch zukünftig praktizieren und ausbauen.

Die Situation zwingt uns, unsere Prioritäten auch im Hinblick auf den Einsatz unserer Ressourcen zu überdenken. Die konsequente Umsetzung der digitalen Trans­ formation gewinnt eine neue Bedeutung. Diesbezüglich schreiten

Das Museum lebt von seinen

wir mit Riesenschritten voran, und

Besuchern. Sie sind es, für die eine

zwar nicht nur bei der Vermittlung

Ausstellung entsteht, für die wir

unserer Inhalte, sondern auch in

forschen, bewahren, vermitteln.

unserem Miteinander bei der Arbeit.

Erst durch ihre Eindrücke, Fragen,

Das verlangt von uns Kreativität,

Erlebnisse vervollständigt sich

Flexibilität und Disziplin und ist

eine Ausstellung. Mich schmerzt

eine große Chance für die Weiter­

daher am meisten, dass genau

entwicklung der Institution.

diese realen Besucher fehlen. Wir erfahren die digitale Technik derzeit als etwas nahezu Überlebensnotwendiges und sehnen uns zugleich nach analogen Erlebnissen. Meine Vision

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

ist, dass sich dieses im besten Sinn miteinander verschränkt und zu gelingender Kommunikation in unserer Gesellschaft führt. Als Museum für

Was lernen Sie aus der Krise?

Kommunikation können wir dazu mit unseren Angeboten viel beitragen. Aus der Krise nehme ich den Eindruck von sehr viel Kreativität mit und dass vieles geht, wenn es nur gewollt ist. Ich

Welche Absage schmerzt am meisten?

wünsche mir, dass wir uns diese Experimentier­ freude, Toleranz und Hilfsbereitschaft bewahren.

AN J A S C H AL US CH KE D irekto rin d es Mu seu ms f ü r Ko m m u nikatio n Ber lin u nd stellvertretend e Ku ra to rin d e r Mu seu m sstiftu ng P o s t u nd Teleko m m u nikatio n Foto: Lotte Ostermann


WAS WAR?

KOMPETENZAUSBAU IM EILTEMPO Digitale Strategien als Bes tandteil nachhaltiger Museumsarbeit MUS E UM F Ü R KO M MU N I K AT I O N

CORONA ISSUE

VO N A N J A S C H A LUS C H K E Di rektorin des Mus eums und stel l ver tretende Kuratorin der Mus eums s tiftung Pos t und Tel ekommunikation

»Schreiben Sie uns, wo immer Sie sind, was immer Sie

an, und das bewährt sich nun. Die Zugriffszahlen sind seit

auf dem Herzen haben.« Mit diesen Worten lud Austin

der Schließung um über 180 Prozent gestiegen.

Harrison, Moderator der BBC, zur Beteiligung an der Radio­

Seit vielen Jahren erweitern wir unsere Angebote

sendung »Briefe ohne Unterschrift« ein. Er richtete sich mit

in den virtuellen Raum. Ziel unserer digitalen Strategie ist

seinem Aufruf vor allem an Hörerinnen und Hörer in der

es – genauso wie im analogen Vermittlungsprogramm des

DDR. Von 1949 bis 1974 wurde im Programm des German

Museums –, verschiedene Zielgruppen zu erreichen. So

Service der BBC aus den Briefen vorgelesen, was auch das

arbeiten wir einerseits mit reichweitenstarken Partnern

Ministerium für Staatssicherheit der DDR aufmerksam

wie Google Arts & Culture (MJ 2/2020) oder der Deutschen

­verfolgte. Die Autorin Susanne Schädlich entdeckte diese

Digitalen Bibliothek zusammen, bieten aber andererseits

Briefe vor einigen Jahren im Archiv der BBC. Ihr Buch über

auch eigene Plattformen an, wie unser Portal für die Brief­

dieses bis dato unbekannte Kapitel des Kalten Krieges

sammlungen oder die Sammlungsdatenbank, die Nutzerin­

bildet die Grundlage für unsere Ausstellung »Briefe ohne

nen und Nutzer bequem mit dem Smartphone, Tablet oder

Unterschrift. DDR-Geschichte(n) auf BBC-Radio«, die wir

Desktop-Computer aufrufen können. So erreichen wir viele

am 19. März 2020 eröffnet hätten. Fünf Tage vorher haben

unterschiedliche Menschen: vom digitalaffinen Google-

wir das Museum aufgrund der Corona-Pandemie für die

Nutzer über die Lehrkräfte, die für ihren Unterricht

Öffentlichkeit geschlossen. Eine schmerzliche Entschei­

recherchieren, bis zu Kollegen aus anderen wissenschaft­

dung, die ein wenig durch das Angebot gemildert wird,

lichen Einrichtungen oder interessierten Laien, die in

die Ausstellung virtuell zu besuchen. Dies ermöglicht unser

unseren Briefsammlungen stöbern.

30

»Expotizer«, eine digitale Ausstellungserweiterung zur Vor-

Während der Schließung möchten wir unser Publikum

und Nachbereitung sowie Vertiefung. Expotizer bieten wir

verstärkt auf alternative Besuchs-, Vermittlungs- und

bereits seit Längerem begleitend zu unseren Ausstellungen

Informationsmöglichkeiten hinweisen. Die digitalen


Angebote wurden auf der Startseite unserer Webpräsenz übersichtlich gebündelt und prominent platziert. Wir haben die digitale Kommunikation ausgebaut, nutzen unsere Social-Media-Kanäle und weisen unter dem Hashtag

+++ RAN D N OT I Z

#closedbutopen auf unsere Themen und Angebote hin. Bereits seit einiger Zeit läuft erfolgreich die Kampagne #100Jahre100Postings, ein Countdown zu #100JahreRadio mit regelmäßigen Beiträgen rund um die Geschichte des Radios. Ab Herbst 2020 würdigen wir dieses Medium, das gerade eine Renaissance erlebt, in der Ausstellung »On Air. 100 Jahre Radio«. Die Kampagne wird um das partizipative Format »Ich und mein Radio« ergänzt, bei dem Follower

L ' I N T E R N AT I O N A L E – E U RO PA S K U N S T INSTITUTIONEN TUN S I C H Z US A M M E N

einen Schnappschuss von sich und ihrem Radio einsenden und damit Teil der kommenden Ausstellung werden können. Eine Herausforderung ist der Umgang mit geplanten Ver­ anstaltungen in den Rahmenprogrammen, beispielsweise

Während die Quarantäne die Menschen von den Straßen

zu unserer Ausstellung »Like you! Freundschaft digital und

und Plätzen fernhält, bekommt die häusliche Domäne

analog« (MJ 1/2020). Wir experimentieren gerade damit,

immer größere Aufmerksamkeit in den sozialen Medien.

verschiedene Angebote digital umzuarbeiten bzw. erfahr­

Besonders ergreifend in diesem Zusammenhang sind die

bar zu machen, z. B. durch interaktive Livestreams, wie bei

Balkon-Gesänge aus Italien. Der Balkon ist zum Symbol

der Lesung mit Emma Braslavsky am 28. Mai, oder durch

für Durchhaltewillen und Solidarität geworden. Das hat

die Entwicklung neuer Formate wie der »Postcasts« als

auch die Kunst für sich entdeckt. L’Internationale, eine

Adaption der Depotführung »Post von drüben«. Auch die

Kooperation sieben bedeutender europäischer Kunst­

Umwandlung von Vor-Ort-Vermittlungsangeboten in

institutionen, darunter das Reina-Sofia-Museum in

digitale Formate ist in Vorbereitung.

Madrid und die HDK-Valand-Akademie in Göteborg, haben die Initiative »Artists in Quarantine« ins Leben

Das Team des Museums ist derzeit überwiegend mobil tätig. Wissenschaftliche und konzeptionelle Arbeit, Kom­

gerufen. 16 Künstlerinnen und Künstler haben ihre

munikation, Anfragen bearbeiten etc. – das geht auch von

Balkone gestaltet, um auf vielfältige Weise über die

zu Hause und funktioniert sehr gut. Videokonferenzen und

gegenwärtige Quarantänesituation zu reflektieren. Die

Chats sorgen dafür, dass die interne Abstimmung läuft.

Idee zu »Artists in Quarantine« verweist auch auf die Per­

Trotzdem sind der persönliche Austausch und das reale

formance »Triangle«, die die kroatische Künstlerin Sanja

­Miteinander – insbesondere, wenn es um kreative Prozesse

Iveković 1979 auf ihrem Balkon ausführte. »Artists in

geht – sehr wichtig, und dies vermissen wir derzeit wohl

Quarantine« ist nicht-kommerziell und kann auf der

alle. Viele Verwaltungs- und Liegenschaftstätigkeiten

Homepage von L’Internationale angesehen werden. — BM

können nicht im Homeoffice erledigt werden. Forschung benötigt trotz Datenbanken und Online-Sammlungen das Objekt im Original, auch im Hinblick auf das Bewah­ ren. Obwohl wir gerade sehr intensiv erleben, wie sich Museumsinhalte im virtuellen Raum vermitteln und erschließen lassen, ist ein Museum eine stationäre Ein­ richtung, die die Sammlung mit den auratischen Objekten ebenso braucht wie das Museumsgebäude als Ort der Begegnung und Auseinandersetzung. Das Erlebnis entsteht durch das Begehen, Erfahren und Interagieren im Museum und wird damit durch soziale und kommunikative Fakto­ ren bestimmt. Ein digitales Angebot kann und soll den Museumsbesuch vor Ort nicht ersetzen, sondern sinnvoll erweitern. Daran wird sich auch nach Corona nichts ändern. Die Kompetenzen, die wir gerade im Eiltempo ausbauen, werden uns künftig helfen, analog und digital noch besser zu verknüpfen – im Interesse der Museumsbesucher und im Hinblick auf eine nachhaltige Museumsarbeit.   www.mfk-berlin.de

Links Lichthof Museum für Kommunikation Berlin. Foto: Sandra Wildemann

Guy Woueté, La terre comme je devrais l’apercevoir si j’étais habité par la science (Die Erde, wie ich sie sehen würde, wenn ich von der Wissenschaft bewohnt wäre), Stift auf Papier, 2019. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers. © Guy Woueté


WAS WAR?

DAS MUSEUM ALS ASSEMBLAGE Die Verflechtungen von digital und analog in Kulturinstitutionen

CORONA ISSUE

K W I N S T I T U T E F O R CO N T E M P O R A RY A RT

VO N

K A RO L I N E K Ö B E R Leiterin Pres s e und Kommunikat i o n NADIM SAMMAN Kurator für den dig it al en Raum

Bislang haben wir unsere Online-Aktivitäten vor allem als Marketinginstrument eingesetzt. Mit dem Shutdown rückten sie in den Vordergrund und waren das nahe­ liegendste Mittel, der Öffentlichkeit weiterhin einen Zugang zu unserem Ausstellungsprogramm zu bieten. Wir haben virtuelle Ausstellungsrundgänge, Filme des Begleit­ programms, künstlerische Videoarbeiten und Livestreams von Veranstaltungen präsentiert sowie einzelne Aus­ stellungstexte, Pressestimmen und Installationsansichten der Ausstellungen auf der Webseite der KW bereitgestellt. So entstand ein Angebot, das die Inhalte der Ausstellungen und des Begleitprogramms und somit die kuratorische Leistung derer, die die Ausstellungen vorab für die Räume der KW geplant hatten, widerspiegelte und nicht Produkt eines eigens für den Online-Bereich kuratierten Programms war. Bei der Erweiterung unserer Online-Angebote gab es keine vom Programm entkoppelten »Corona-Diaries« – die inhaltliche Anbindung an unsere aktuellen Ausstellungen stand stets im Vordergrund. Schließlich bleibt die Ver­

32

antwortung für bereits engagierte Künstlerinnen und Künstler und deren Sichtbarkeit auch in Zeiten der Pandemie für uns zentral.


Verschiedene Künstler, Kuratoren und Pressevertreter

Ab Mai 2020 wird es mit Nadim Samman in den KW

kamen also zu Wort, um die geschlossenen Ausstellungen

einen Kurator für den digitalen Raum geben, der nicht

»lebendig« zu halten. Doch können virtuelle Rundgänge

Inhalte bestehender Ausstellungen in digitale Formate

und Installationsansichten diese Funktion erfüllen? Sicher,

überträgt, sondern ein thematisches Programm entwickelt,

die Vorteile von digitalen Angeboten sind evident: höhere

das die Verflechtungen von online und offline sichtbar

Sichtbarkeit für Künstlerinnen und Künstler durch zeit- und

macht. Im Fokus seiner durch subversive und kreative

ortsunabhängigen Zugang zu den Werken. Einen Besuch

­Interventionen kritisch geführten Untersuchungen stehen

vor Ort kann die Übertragung ins Netz aber nicht ersetzen –

digitale Technologien und deren Auswirkungen auf die

die physische Existenz einer Ausstellung und deren direktes

Gesellschaft sowie die politischen und sozialen Dimen­

Erfahren stellen eine nicht zu reproduzierende Qualität

sionen digitaler Systeme.

des individuellen Erlebens dar. Bei dem Versuch, das große Ganze zu vermitteln und ein vollständiges Raumgefühl

Nadim Samman über seine Aufgabe:

zu schaffen, die Materialität künstlerischer Objekte zu

Das Digitale ist nicht nur das, was wir auf dem Computer­

erkunden und den dreidimensionalen Ausstellungsraum

bildschirm sehen, es bestimmt das Leben im analogen oder

als sinnlich erfahrbaren Ort zu zeigen, werden die Grenzen

»realen« Raum ganz wesentlich. Man denke nur daran,

digitaler Angebote offensichtlich.

wie eine einzige App zur Vermietung von Wohnungen die

Die bloße Übersetzung analoger Angebote in den digitalen Raum ist für ein elaboriertes Online-Programm

Struktur ganzer Städte verändert hat oder wie die Ver­ breitung von Fake News und zielgerichteter Werbung in

zu wenig. Dafür bietet der digitale Bereich zu viele Möglich­

den sozialen Medien die Demokratie und das internationale

keiten. Vielmehr bedarf es eigenständiger, genuin digitaler

Machtgefüge destabilisieren. Die Ausgestaltung des digi­

Formate, um neue Wege in der Darstellung, Erfahrung und

talen Raums ist also ein zentrales Thema – daher liegt es

Vermittlung von Kunst zu beschreiten – nicht zuletzt auch,

in unser aller Interesse, dies kritisch zu verhandeln. Das ist

weil digitale Anwendungen sämtliche Lebensbereiche

eine kulturelle Herausforderung. Kunstinstitutionen, deren

durchziehen und wir uns daher die Frage stellen müssen,

Arbeit die gesellschaftliche Macht von Bildern berührt,

welche Bedürfnisse Besucherinnen und Besucher in der

müssen auch Repräsentationen des digitalen Raums zur

Interaktion mit Kunst angesichts der Digitalisierung haben.

Diskussion stellen.

Für die Kunstvermittlung wird es nicht ausreichen, ­eindimensionale Online-Angebote zur Ansprache von

Wir alle, Künstler, Kuratoren, Vermittler und Archi­ tekten (sowohl von Soft- als auch von Hardware), müssen

Besuchergruppen zu entwickeln. Mehr denn je wird die

das Museum als etwas Mannigfaltiges, als Assemblage

Rolle der Kunstvermittlung sein, die Beziehungsarbeit und

begreifen. Eine Ausstellung kann an vielen Orten gleich­

das gemeinsame Reflektieren über unsere Gesellschaft

zeitig stattfinden. Dazu braucht es kein technologisches

durch Kunst zu ermöglichen – egal ob im WhatsApp-Chat

Wettrüsten, sondern nur eine zielgerichtete Anwendung

oder im kontroversen Zwiegespräch mit vorgeschriebenem

von Werkzeugen und scharfsichtige Autorenschaft.   www.kw-berlin.de

Mindestabstand.

Links Ausstellungsansicht »Mophradat’s Consortium Commissions: Jasmina Metwaly & Yazan Khalili«, 2020. Yazan Khalili, Medusa, 2020. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Mophradat. Foto: Frank Sperling Rechts Ausstellungsansicht »Love Song Sing-Along«, 2020. Vorn: Kris Lemsalu Malone, Love Song Sing-Along, 2019/2020; Mitte: Michèle Pagel, Birch Trunks, 2020; hinten: Kyp Malone Lemsalu, Love Song Sing-Along Serie 1–14 (Detail: 7–14), 2019/2020. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerinnen und des Künstlers. Foto: Frank Sperling


Zunächst einmal hat der Shutdown dazu geführt, dass wir uns mit den eigenen strukturellen Gegeben­ heiten auseinandersetzen mussten. Der Umzug des gesamten Teams ins Homeoffice hat dazu geführt, dass

Die Tatsache, dass unser Haus

wir digitale Infrastrukturen weiter

gegenwärtig geschlossen ist und wir

ausgebaut haben, was der voran­

die Ausstellungen kluger, visionärer

schreitenden Digitalisierung in den

Künstlerinnen und Künstler wie die

KW zugute kam. Ferner haben wir

des bereits verstorbenen führenden

uns im Zuge veränderter Kommu-

Pioniers der Konzeptkunst Hassan

nikationswege und Programm­

Sharif sowie des Duos Kris Lemsalu

formate mit neuen digitalen

Malone und Kyp Malone Lemsalu

Werkzeugen beschäftigt und in

nicht der Öffentlichkeit zugänglich

KURZ UND KNAPP

deren Benutzung professionalisiert.

KRI S T G RU I JT HUI JSE N D i r e k t o r K W In s t i t ut e f o r C o n te mp or a r y A r t Foto: Frank Sperling

machen können, schmerzt besonZiel sollte es sein, nicht nur die analogen Struk-

ders. Ebenfalls bedauerlich ist der

turen im Digitalen zu imitieren, sondern eigen­

Umstand, dass die neuen Arbeiten

ständige, genuin digitale Formate mit einem

von Jasmina Metwaly und Yazan

eigenen künstlerischen Wert zu schaffen –

Khalili verborgen bleiben, da die

digitale Aktivitäten, die neben den traditionellen

Ausstellung »Mophradat’s Consor­

Formaten bestehen, eine eigene Substanz auf­

tium Commissions« am Tag der

weisen und ein spezifisches Erlebnis erzeugen,

geplanten Eröffnung aufgrund der

ob sie nun im Dienst der Vermittlungsarbeit

COVID-19-Regelungen schließen

stehen oder kuratorischer Natur sind. Diesen

musste.

Gedanken folgend, stehen Nadim Samman, unser neuer Kurator für den digitalen Raum, und Katja Zeidler, die Leiterin für Bildung und ­Vermittlung, zukünftig vor bedeutenden

CORONA ISSUE

Aufgaben.

Wir haben als kleines Team nicht so schnell mit digitalen Angeboten reagieren können. Aber es war ein

Im Grunde gibt es für uns keinen

schöner Anlass, endlich auch

Biggest Pain. Wir lassen eine Aus­

Führungen in Deutscher Gebärden­

stellung weiterlaufen, haben eine

sprache für unser noch junges Haus

zweite aufgebaut, die auf ihre Be-

anzubieten.

sucher wartet, und eine dritte ver­ schoben. Im Ausstellungsgeschehen kann immer mal etwas passieren,

D OROT HE A SC H ÖNE

das den Zeitplan durcheinander wirft. Da haben es große Häuser und andere kulturelle Einrichtungen

Ge s c h äf t sführ e r i n un d k ün s t l e ri s che L e i t e r i n K un s t ha us Da hl e m

Uns hat die Krise sicherlich dazu gebracht, unsere

Foto: Kunsthaus Dahlem

schärfen. Auch haben wir die Zeit genutzt, einige

Kernziele und Programminhalte noch einmal zu

34

Dinge mit mehr Ruhe anzugehen.

wirklich viel schwerer als wir.


Die Verschiebung der Eröffnungen unserer beiden Großprojekte: Die neue Dauerausstellung und die Kinderwelt ANOHA sollten parallel am 17. Mai eröffnen. Die Kolleginnen Neben allen Einschränkungen, die

und Kollegen im Museum haben

der Shutdown mit sich bringt, spüre

jahrelang mit großem Einsatz auf

ich die positive Energie im Team.

diesen Termin hingearbeitet. Dazu

Es ist schön zu sehen, wie kreativ

gehören auch die Eröffnungsfeiern,

und spontan Ideen entstehen und

die wir für das Publikum vorbereitet

alle Spaß daran haben, Neues aus­

hatten. Jetzt arbeiten wir mit Hoch­

zuprobieren. Zum Beispiel startete

druck weiter und hoffen, dass wir

die Sammlung zu Pessach einen

unseren Besucherinnen und

öffentlichen Aufruf mit der Bitte,

Besuchern so bald wie möglich

Fotos, Videos und andere Doku­

die Ausstellung und unser Kinder­

mente einzuschicken, die den

museum präsentieren können.

Sederabend in Zeiten von Corona festhalten. Aktuell produzieren wir digitale Angebote, die vorab Ein­ blicke in die neue Dauerausstellung (MJ 2/2020) und die Kinderwelt ANOHA geben werden. Das sind

Entwicklungen, die wir mit anderen Museen teilen und über die wir uns auch untereinander austauschen.

Die Öffnung wird eine Eröffnung sein: Nach der zweijährigen Umbauphase gibt es bei uns viel Neues zu entdecken – die neue Dauerausstellung und die Kinderwelt ANOHA. Darauf freuen wir uns sehr. Ein Museum ist und bleibt ein Ort sozialer Begegnungen und eine Ausstellung ein sinnliches Erlebnis. Trotzdem hat uns die Krise gezeigt, dass wir auch im digitalen Raum stärker

H ET T Y B ER G Direkto rin J ü d isches Mu seu m Berlin Foto: Yves Sucksdorff

mit unseren Besucherinnen und Besuchern in Dialog treten können. Die innovativen Formate, die wir jetzt entwickeln, werden wir beibehalten und weiter ausbauen, auch in der internen Zusammenarbeit.

Am meisten schmerzt es, Kindern Krise schweißt zusammen: In

den schönsten Tag des Jahres zu

meinem Ehrenamt als Vorsitzender

vermiesen: Im Deutschen Spionage­

von Intoura, dem Interessenverband

museum finden jedes Wochenende

der touristischen Attraktionen

zahlreiche Kindergeburtstage statt,

Berlins, habe ich jeden Tag nicht nur

die wir schweren Herzens alle

mit Museumskollegen, sondern auch

absagen mussten.

mit Vertretern anderer Attraktionen zu tun. Alle teilen in dieser Zeit offen ihre Erfahrungen, Pläne für Hygiene­ maßnahmen und helfen sich gegen­ seitig. Das ist großartig! Die Phase der Schließung hat gezeigt, wie wichtig

ROBER T RÜ C KEL D i r ek t o r D e u t s c h es S p i o n age mus e um

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

Museen für unsere Gesellschaft sind. Sie werden auch die Digitalisierung der nächsten Jahrzehnte überleben. Das gibt Kraft für neue kuratorische Ideen.

Was lernen Sie aus der Krise?

Welche Absage schmerzt am meisten?


WAS WAR?

C / O BERLIN WIRD SICH AUCH DIESES MAL NEU ERFINDEN C /O B E R L I N

langsamung der Virusausbreitung zu unterstützen. Die Corona-Pandemie hat unsere Ausstellungen von jetzt auf gleich in einen Tiefschlaf versetzt und unser Schiff, das mit Vollgeschwindigkeit auf den 20. Geburtstag zusegelte, von hundert auf null heruntergefahren. Das leere, stille Haus

36

CORONA ISSUE

schmerzt mich sehr. Keine zufällige Begegnung, keine VO N S T E P H A N E R F U RT Vors t ands vors itzender

spontane Umarmung. Keine Besucher heißt aber vor allem auch keine Einnahmen über Ticket- und Buchverkäufe, weniger Spenden und erste Sponsorenabsagen. Das trifft uns als private Kulturinstitution hart. Mich bewegt aber vor allem meine Verantwortung für unser Team und die Sorge um unsere Zahlungsverpflichtungen. Eine riesige Heraus­ forderung, die Rationalität und Besonnenheit erfordert.

Als im Januar die ersten Meldungen über ein neues Virus

Aufgeregter Aktionismus ist da nicht gefragt, vielmehr

in China durch die Medien gingen, erschien mir das hier in

bewegen wir uns Schritt für Schritt, ergreifen Maßnahmen

Berlin alles sehr weit weg. Wie jeder andere auch habe ich

auf Sicht und passen sie bei Bedarf an. Nach Wegfall aller

die Entwicklung verfolgt, aber dass nur zwei Monate später

Reisen ist jetzt die Zeit, komplexe Themen zu durchdenken

unser gesellschaftliches Leben in Deutschland zu einem

und aus der Muße heraus kreativ zu sein. Vor allem aber

kompletten Stillstand kommen würde, hätte ich mir im

lehrt uns die Entschleunigung, Werte wie Gesundheit,

Traum nicht vorstellen können. Am 6. März haben wir mit

­Rück-sichtnahme und Hilfsbereitschaft wieder zu schätzen.

vielen Gästen eine großartige Eröffnung gefeiert, ein Fest

Soli-darität ist nun wichtiger als der nächste Flug nach

der Begegnung und der Hoffnung angesichts einer gefühlt

New York.

noch fernen Bedrohung. Doch dann überschlugen sich die

C/O Berlin hat schon viele Krisen gemeistert, aber

Nachrichten über die dramatische Dynamik der Infektions­

diese betrifft erstmals nicht nur uns allein, sondern alle und

zahlen, und der gerade noch unvorstellbare Shutdown

jeden, die ganze Weltgemeinschaft. Es gibt Notfallpläne in

wurde Wirklichkeit.

Krankenhäusern, aber keine für eine global agierende Wirt­

C/O Berlin ist seit dem 14. März geschlossen – zum Schutz unserer Mitarbeiter und Besucher und um die Ver­

schaft. Menschen wie Unternehmen erfahren Unsicherheit und Existenzängste und machen sich große Sorgen um ihre


Zukunft. Die umfassenden Einschränkungen werden in der

Übersetzung analoger Formate allein nicht ausreicht.

Hoffnung akzeptiert, dass man schon bald zum Leben vor

Es braucht vielmehr einen Digital Curator, der nicht nur

der Krise zurückkehren kann. Aber je länger die Situation

Inhalte digital vermittelt, sondern die Digitalität selbst

andauert, desto deutlicher wird, dass die akute Krise zwar

zum Thema macht. Wahrnehmung, Reichweite und

sicher irgendwann vorbei ist, unsere Normalität sich aber

Relevanz erreicht man nur mit überzeugenden Inhalten

grundlegend verändert haben wird, manche nennen das

und Konzepten, ob analog oder digital. Daher sind wir

schon einen Epochenbruch. Deshalb bin ich gerade jetzt

aktuell vielleicht weniger online aktiv als andere Häuser,

sehr glücklich und dankbar, in einem funktionierenden

dafür unterstützen wir Künstler und Künstlerinnen, indem

Staat wie Deutschland leben zu dürfen.

wir sie mit Instagram-Takeovers oder mit der Konzeption

C/O Berlin blickt immer nach vorne. Ich freue mich darauf, dass wir bald unsere Türen wieder öffnen werden. Bis dahin nutzen wir die Zeit, um Renovierungsarbeiten

und Durchführung von Stay-Home-Workshops für Kinder und Erwachsene beauftragen. Unser Leben nach Corona wird ein anderes sein. Also

­vorzunehmen, aber vor allem um die notwendigen Hygiene-

wird auch C/O Berlin sich wieder neu erfinden müssen.

und Schutzmaßnahmen zu treffen. Es wird Regulierungen

C/O Berlin ist eine starke Marke, eine »love brand«, für die

für den Besuch im Haus und sicher für lange Zeit keine

der Mensch, die Begegnung und die Berührung des Herzens

großen Eröffnungen geben. Unabhängig davon ist fraglich,

immer im Mittelpunkt stand und auch in Zukunft stehen

ob wir je wieder die hohen Zahlen erreichen werden wie

wird. Als offenes Haus für alle wollen wir gesellschaftsrele-

vor Corona, da wohl viele ausländische Touristen erst

vante Themen über das Medium der Fotografie spiegeln

einmal nicht nach Berlin kommen werden. Deshalb wird

und diskutieren, jetzt mehr denn je. Gemeinschaftsgeist,

Audience Development ein großes Thema für uns sein, die Erschließung neuer Besuchergruppen, ebenso wie die

Energie und Veränderung liegen in unserer DNA, also werden wir die Herausforderung annehmen und uns in der

Entwicklung von digitalen Programmen. Die Online-

Weiterentwicklung treu bleiben. Die ersten Besucher werde

Akti­vitäten weltweit zeigen deutlich, dass Kunst und Kultur

ich auf jeden Fall persönlich begrüßen, leider ohne

Trost spenden, aufbauen und Kraft zum Weitermachen

Umarmung.   www.co-berlin.org

geben können. Aber es ist auch offensichtlich, dass die

Oben Old World! © Stephanie von Becker Unten New World? © Stephan Erfurt


38 CORONA ISSUE

CORONA ART


CORONA ART »Die überraschende und beispiellose ­Verbreitung des Coronavirus hat die ganze Welt in weniger als zwei Wochen auf den Kopf gestellt. ›How-To Survive a Deadly Global Virus‹ ist von Bildern aus den sozialen Medien inspiriert. Zu dieser Serie haben Menschen von drei Kontinenten und aus acht Ländern beigetragen. Sie zeigen, wie man einfache Alltags­gegenstände nutzen kann, um sich vor dem tödlichen Virus zu schützen.«

Max Siedentopf   www.maxsiedentopf.com Instagram @maxsiedentopf © Max Siedentopf


FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE CORONA ISSUE

FUNDSTÜCKE

40

Begleiten Sie die Künstlerin Friederike von Rauch während des Shutdowns auf ihrer Suche nach Fundstücken von Besuchern in vier Berliner Museen. Erkennen Sie die Orte wieder? VO N

MINH AN SZABÓ DE BUCS


DIE WUCHT DER LANGSAMKEIT

lichen Blickwinkeln neu vorgestellt und dabei scheinbar marginale Details der Räume zum Leuchten gebracht. Keine andere vermag die Magie eines Ortes in einem ­einzigen Bild so zu verdichten wie Friederike von Rauch. In unserem Auftrag hat die Künstlerin das Alte Museum (SMB), das Deutsche Technikmuseum (DTM), das Deutsche Historische Museum (DHM) und das Georg Kolbe Museum (GKM) besucht. Großer Dank gebührt an dieser Stelle den Verantwortlichen dieser Häuser für die spontane Zusage und den unkomplizierten Einlass in die Ausstellungshallen in Zeiten des Shutdowns. Entstanden ist eine Fotostrecke voller Poesie, die zurückgelassene Artefakte von Museumsbesuchern auf­ spürt. Es entsteht der Eindruck, als sei die Abwesenheit der Menschen in den Räumen nur vorübergehend, als schwebe das Versprechen in der Luft, bald wiederzukommen. Liegt dort nicht eine vergessene Zeitung? Und hat da nicht jemand seine Taschenlampe verloren? Als Betrachter dieser Fotos begeben wir uns auf Spurensuche, nicht nur nach Fundstücken der Besucher, sondern auch nach Anhalts­ punkten, die uns das Museum verraten. Doch schon bald merken wir, dass wir nicht zu suchen brauchen, sondern uns einfach in die Orte versenken dürfen. Die bildgewordenen Räume sind von ihrem Ursprungsort autonom geworden. Von Rauch hat sie abstrahiert und mit neuer Bedeutung ­aufgeladen. Ihre Bildräume repräsentieren kein bestimmtes Museum, vielmehr sind sie durch ihre Linse zu universellen Räumen erhoben, unabhängig von Ort und Zeit. Vielleicht nimmt sich von Rauch deshalb so viel Zeit für den Entstehungsprozess. Seit 20 Jahren arbeitet sie konsequent analog. Immer dabei ist ihre alte Rollei, die sie ihren »verlängerten Arm« nennt. »Analog arbeiten ist kostspielig. Ich überlege sehr genau, bevor ich auslöse.« Seit jeher ist sie fasziniert von leeren Räumen und arbeitet dort am liebsten allein. Bevor von Rauch den ­Ausschnitt wählt, schreitet sie die Räume ab, erfühlt die Atmosphäre, das Licht, die Stimmung. Manchmal kann es Tage, Wochen, sogar Monate dauern, bis sich Schatten,

Links DTM 2, 2020. © Friederike von Rauch

Türen, Linien und Öffnungen zu einer Komposition ver­ binden. Hat sie ihr Motiv gefunden, stellt sie ihr Stativ auf und fotografiert. »Ich mag es, dass ich nicht sofort sehe, was ich fotografiert habe, sondern warten muss,

Was bleibt von den Besuchern, wenn die Museen

bis die Negative entwickelt sind.« Der gesamte Prozess

geschlossen sind? Welche Spuren und Zeichen können

von der Negativentwicklung über das Editieren, das

wir noch lesen, wenn die Ausstellungsräume menschenleer

Scannen der Negative bis hin zum Druck nimmt viel Zeit

und damit ihres Zweckes beraubt sind? Wir haben die

in Anspruch und gleicht einem langsamen Malprozess.

renommierte Fotografin Friederike von Rauch auf die

Und so zeichnen sich ihre Bilder auch durch die haptische

Suche in vier Berliner Museen geschickt.

Materialität der matten Körnung aus. Ein weiteres

Friederike von Rauch ist bekannt für ihre ruhigen,

Charakteristikum ihrer Bilder ist das quadratische Format,

klaren und gleichsam atmosphärischen Aufnahmen

das den Fotografien Absolutheit verleiht. Es entsteht eine

von Bauwerken wie Museen, Klöstern, Kirchen und

Spannung, wenn sie ihre schwebenden Bildräume in die

­Musikhäusern. In Berlin etwa hat sie im Auftrag von

Strenge dieser geometrischen Grundform setzt.

David Chipperfield und Hatje Cantz die Endphase der Renovierung des Neuen Museums fotografisch begleitet

In diesen Krisenzeiten, wo uns der unmittelbare ­Kunstgenuss genommen ist und die unendliche Flut der

und dabei die Brüche von Bau- und Zeitgeschichte in Bilder

digitalen Angebote keinen befriedigenden Ersatz bieten

gegossen. Auch die Deutsche Oper und Hans Scharouns

kann, vermögen die erhabenen Bilder von Friederike von

Philharmonie hat sie den Berlinern aus ganz ungewöhn­

Rauch etwas Bleibendes und Tröstliches zu schenken.


42 CORONA ISSUE

DTM 3, 2020. © Friederike von Rauch

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE


DTM 4, 2020. © Friederike von Rauch


44 CORONA ISSUE

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE

GKM 1, 2020. © Friederike von Rauch


GKM 2, 2020. © Friederike von Rauch


46 CORONA ISSUE

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE

GKM 3, 2020. © Friederike von Rauch


GKM 4, 2020. © Friederike von Rauch


48 CORONA ISSUE

DHM 1, 2020. © Friederike von Rauch

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE


DHM 2, 2020. © Friederike von Rauch


50 CORONA ISSUE

SMB 1, 2020. © Friederike von Rauch

FOTOSTRECKE: FUNDSTÜCKE


SMB 2, 2020. © Friederike von Rauch


Ein spektakulärer Nachlassfund – 118 Umzugskartons voller Kunst­ werke, Bücher und wertvoller Im Mai war ein großes, sehr promi­

Schriftstücke – erreichte uns nach langen Verhandlungen Mitte März,

nent besetztes experimentelles

echte Freudentränen. Die Auf­

Tanzfestival geplant. Wird auch im

arbeitung wird Jahre dauern,

nächsten Jahr sensationell schön.

aber eine erste Sichtung in den geschlossenen Museumsräumen war unglaublich! Zugleich haben wir die Zeit genutzt, an unserer jetzt schon sehr umfassenden digital zugänglichen Datenbank zu

Ich bin ein Riesenfan von Videokonferenzen

arbeiten und diese um attraktive

geworden, das erleichtert organisatorisch vieles.

Angebote zu erweitern.

Generell freue ich mich über neue und jetzt wahr­

KURZ UND KNAPP

lich eingeübte Möglichkeiten der vernetzten

J UL IA W AL L N E R D irekto rin Geo rg Ko lbe Mu s e u m Foto: N. Hausser

Zusammenarbeit. Aber das Gute am Museum ist ja auch, dass es in manchen Belangen bleiben darf, wie es ist. Ein Original. Wir lernen gerade alle, was essenziell ist. Kunst zielte schon immer auf diesen Kern.

Digitale Angebote »für zu Hause« sind unverzichtbar für ein Museum. Auch unsere Arbeitsabläufe müssen CORONA ISSUE

durch digitale Tools noch optimiert

Wir wollten eigentlich Ende April

werden. Ungeachtet aller Widrig­

unsere überarbeitete Dauer­

keiten haben wir innerhalb kürzester

ausstellung zur Schifffahrt der

Zeit in beiden Bereichen wichtige

Öffentlichkeit präsentieren – nun

Projekte realisiert. Die Krise hat uns

arbeiten wir zwar weiter hinter den

neuen Schwung für die Umsetzung unserer digitalen Strategie gegeben –

Sicherlich werden wir im Digitalen und Organisa-

trotz vieler Fragezeichen hinsichtlich

torischen viel Nützliches und gute Anregungen

der finanziellen und personellen

aus der Krise mitnehmen. Aber zunächst einmal ist

Ressourcen.

klar, dass wir zur Wiedereröffnung unserer Häuser

Kulissen daran, aber es ist nicht klar, wann und in welcher Form wir die Wiedereröffnung feiern können.

dafür sorgen müssen, dass unsere Gäste und Mit­

DI RK BÖ NDE L

zurzeit neben der finanziellen Konsolidierung –

D i r ek t or un d V or st a n d S t i f t u n g De ut sche s T ec hn i k muse um

Verantwortung, und die nehmen wir sehr ernst.

Foto: C. Kirchner

52

arbeiter bestmöglich vor einer Infektion geschützt werden. Dies zu planen und umzusetzen, ist Stichwort: Einnahmeverluste – eine unserer

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

wichtigsten Aufgaben. Wir haben hier eine große Was lernen Sie aus der Krise?

Welche Absage schmerzt am meisten?


Lee Mingweis Ausstellung »Li, Geschenke und Rituale« (MJ 2/2020) konnte aufgrund der Schließung im März nicht mehr eröffnet werden, Wir haben gemeinsam mit Künst­

allerdings hoffen wir, die Aus­

lerinnen und Künstlern, wie Lee

stellung ab dem 11. Mai präsentieren

Mingwei und Zheng Bo, eine

zu können. Auch Otobong Nkangas

Auswahl von Arbeiten für den

Einzelausstellung wird nicht im

digitalen Raum entwickelt. Die

April, sondern später dieses Jahr

intensive Zusammenarbeit und

gezeigt. Außerdem mussten zwei

die vielen Gespräche mit meinem

Dass Kunst und Kultur ein essenzieller und wich-

Ausstellungen in das nächste Jahr

Team und den Künstlerinnen

tiger Teil unserer Gesellschaft sind und wir mit der

verschoben werden.

und Künstlern haben sich trotz

Kunst gerade auch in Krisenzeiten neue Perspek-

Homeoffice und Abstand als sehr

tiven und kreative Lösungen finden können.

fruchtbar erwiesen und uns noch ein Stück nähergebracht.

S T EPH AN IE R O S EN T H AL D irekto rin Gro piu s Bau Foto: Mathias Völzke

Jedes Museum – und das Museum der Dinge noch einmal mehr – ist per se dem Analogen verbunden: Der direkte Bezug zu den realen Objekten ist das zentrale Element und die wesentliche Qualität des Museums. Die teils mühsamen Ver­ suche, über die digitale Ebene den Kontakt zum lebendigen Außen auf­

Durch die Schließung fühlt sich das

rechtzuerhalten und im Bewusst­

Museum wie amputiert an. Das

sein zu bleiben, verstärken das

lebendige Element – die Besucher-

Gefühl des Mangels eher. Allerdings lassen sich in der Wahrnehmung der

Durch die Krisenerfahrung erkennen wir, welchen

vielfältigen Angebote auch Erfah­

ungeheuren Wert der normale Alltag und ein

rungen dazu machen, welche digi-

funktionierendes Gemeinwesen haben, auch für

talen Formate funktionieren und

ein Museum. Das Problem ist, dass der »normale«

welche nicht. Eines unserer erfolg­

Alltag in weite Ferne gerückt ist, auch wenn die

reichsten Familienformate zum

Museen ihren Betrieb bald wieder aufnehmen

­Beispiel bieten wir als digitale Werk­

können. Eigentlich können und sollen Museen

statt der Dinge auf unserer Web­

Orte einer größeren Teilhabe an Bildung und

seite www.museumderdinge.de an.

Kultur für alle sozialen und kulturellen Gruppen sein. Durch die für eine längere Zeit notwendigen Hygienemaßnahmen und die strenge Begrenzung der Besucherzahlen sehe ich die Gefahr, dass die Bemühungen um stärkere Partizipation und das Erreichen anderer, eventuell kulturfernerer Besucherschichten der letzten Jahre infrage gestellt wird. Der Museumsbesuch kann leicht wieder zu einer exklusiven Veranstaltung werden.

innen und Besucher – und der Austausch zwischen Innen- und Außenraum fehlen schmerzlich.

R EN AT E FL AG M EIE R Leitend e Ku rato rin Werkbu nd archiv – Mu seu m d er Dinge Foto: Museum Neukölln


ZWISCHEN RAUM

ZWISCHEN RAUM Burg Giebichenstei n – Kunsthochschule Halle Masken aus dem Drucker Zwölf Milliarden Masken würden pro Jahr benötigt, um die Bevölkerung vor dem Corona-Virus zu schützen. Diese ungeheure Zahl nannte Wirtschaftsminister Peter Altmaier Mitte April. Und am besten solle ein großer Teil davon auch noch in Deutschland produziert werden. Na dann mal ran an die Maschinen! Die Kunsthochschule Burg Giebichen­ stein in Halle trägt ihren Teil dazu bei. Statt die Schutz­ masken zu nähen, verfolgt sie allerdings eine andere Strategie: den 3D-Druck. Mit Thermoplast, einem Biokunst­ stoff, fertigt die Kunsthochschule in ihren Werkstätten Masken für die Bürger, ritterlich galant kostenlos. Das Modell dafür entstammt einem Open-Source-Code, der CORONA ISSUE

»Montana Mask«, und wurde für ihre Zwecke angepasst. Ein zweiter Typ Schutzmaske wird im Tiefziehverfahren ­hergestellt. Mehr als eine Handvoll Leute braucht es dafür nicht, der Drucker druckt schließlich von allein, wenn er erst einmal programmiert ist. Die zwölf Gramm leichten Masken sind stabil, komplett wiederverwertbar und lassen sich gut desinfizieren. Eine auswaschbare Stofffiltermatte wird an einem Gitter in der Maske festgeklemmt. Die Burg pro­du­ ziert so am Tag an die 200 Schutzmasken. Sie werden dem Katastrophenstab der Stadt Halle zur Verfügung gestellt, der sie an die Bürger verteilt. Und in 60 Millionen Tagen hätten wir dann die zwölf Milliarden Masken beisammen. »Wir sind nur ein kleines Bausteinchen«, gibt der Leiter der Werkstätten, Martin Büdel, augenzwinkernd zu ver­ stehen. Das Engagement der Burg hat weitere Universitäten und Privatleute inspiriert, die sich dem Maskendruck anschließen wollen. Die Burg berät sie, stellt den Code und sogar Material bereit. Und dann ist da noch der Austausch

54

mit dem Fraunhofer Institut, der den Burg-Masken den Ritterschlag bescheren könnte: Gelingt es, die Masken als hochwertige FFP-Schutzmasken zu fertigen, dann könnten sie auch im Krankenhaus verwendet werden. — BM


Ein Kölner Museum im Dienst der VirusEindämmung Schon früh ging es um die Frage, wann und wo wer auf das Corona-Virus getestet werden kann. Bundesweit gab es darauf durchaus unterschiedliche Antworten. Berliner, die befürchten, sich angesteckt zu haben, sollen zunächst die Hotline der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit (Tel. 030/90 28 28 28) oder ihren Hausarzt anrufen. Tests vor Ort werden nur bei begründeten Verdachtsfällen mit Symptomen gemacht. Die Untersuchungsstellen sind auf Krankenhäuser in sieben Bezirken verteilt. In Köln hingegen wächst ein Museum an seinen neuen Aufgaben. Im Foyer des Rautenstrauch-Joest-Museums wurde ein Infektionsschutz-Zentrum eingerichtet. Hier werden ausschließlich Mitarbeiter sogenannter kritischer Infrastrukturen getestet – Ärzte und Pflegekräfte, Ord­ Links oben Gedruckte Schutzmasken mit eingebautem Filter. Foto: Martin Büdel Links unten Drucker in Aktion: Schicht für Schicht entstehen die Masken. Foto: Martin Büdel Rechts oben Foto: Feuerwehr der Stadt Köln Rechts unten Symposium »Lebende Dinge in Amazonien und im Museum – geteiltes Wissen im Humboldt Forum«, 08.10.2018, Berlin. © Inga Kjer/photothek

Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterstützt das Gesundheitswesen Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die größte Kultur­ einrichtung Deutschlands, unterstützt das Gesundheits­ wesen im Kampf gegen das Coronavirus. Mehrere Tausend Handschuhe, Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Hauben und Überschuhe sowie Alkohol und Desinfektionsmittel wurden an die Kassenärztliche Bundesvereinigung geliefert. »Wir wollen in diesen Zeiten mit den Arztpraxen, Kranken­ häusern und Pflegekräften solidarisch sein«, begründete Stiftungspräsident Hermann Parzinger die Aktion. »Die Kliniken und Praxen brauchen die Schutzkleidung jetzt nötiger als wir.« Die Materialien aus Beständen der Staat­ lichen Museen und der Staatsbibliothek Berlin schützen sonst Restauratorinnen und Restauratoren bei ihrer Arbeit mit gefährlichen Stoffen. Auch andere Museen wie das Rijksmuseum in Amsterdam oder das Whitney Museum in New York initiierten ähnliche Aktionen. — BM

nungs­amts­mitarbeiter, Polizisten und Feuerwehrleute – täglich 300 bis 400 Menschen. — GM


56 CORONA ISSUE

CORONA ART


CORONA ART »Traue dich, deine Gewohnheiten für unsere Zukunft zu ändern. Der Genuss von Obst und Gemüse wird dich schützen. Verringere den Konsum von Fleisch, vor allem aus der Massentierhaltung. Die Globalisierung bringt uns um, denke lokal und fahre Fahrrad. Mit dem Konzept der Maske, von der Serie ›Hide and seek‹ bis ›Overprint‹, verberge ich Gesichter, um zu zeigen, was dahinter vorgeht, oder uns die Freiheit zu lassen, sie zu interpretieren.«

Frédérique Daubal   www.daubal.com Instagram @daubalfred © Frédérique Daubal


WAS NUN?

NACH BERLIN Wie wir die Open-AirAusstellung 75 Jahre Kriegsende zum digitalen Erlebnis machten VO N

BJOERN WEIGEL Wis s ens chaftl icher Leiter Ku l turprojekte Berl in

Schnell reagieren zu müssen ist für uns bei Kulturprojekte

stellung rund um das Brandenburger Tor und ein Bege-

Berlin nichts Ungewöhnliches: Hier ändert sich kurzfristig

gnungsfest am 8. Mai demnächst drastisch im Beliebt-

die Genehmigungslage, dort entsteht mal eben eine neue

heitswert sinken würden, machten wir uns daran zu

Baustelle und woanders erfordert diese und jene Situation

überlegen, wie ein solches Projekt im digitalen Raum

die Umsetzung ganz spontan entstandener Ideen. Was aber,

aussehen könnte.

58

CORONA ISSUE

wenn plötzlich eine Pandemie ein sowieso schon zeitlich

Nach vier Tagen Planung war allen Beteiligten klar:

knapp bemessenes Projekt in Gänze stoppt? Open-Air-Aus­

Es kann funktionieren! Die größten Herausforderungen

stellungen unmöglich macht? Von Begegnungsfesten gar

waren schnell identifiziert. Würden wir es schaffen, die

nicht erst zu reden...

Fördermittel der Lotto-Stiftung auch für ein nun völlig ver­

2020 ist das Jahr, in dem sich das Ende des Zweiten

ändertes Projekt einsetzen zu können? Wäre es möglich,

Weltkriegs und die Befreiung Europas vom Nationalsozialis­

unter Einhaltung aller Ausschreibungsregeln, schnell genug

mus zum 75. Mal jähren. Ein solches Jubiläum lässt sich

kompetente Dienstleister zu finden, die virtuelle Welten

nicht verschieben. Und schon gar nicht, wenn der 8. Mai

bauen und Apps entwickeln können? Bekämen wir es hin,

einmalig zu einem Feiertag erklärt wurde. Daher kommt

die inhaltlichen Erzählstränge der Ausstellung – die Ereig­

»Nach Berlin«, die große Open-Air-Ausstellung (MJ 2/2020)

nisgeschichte des Kriegsendes in Berlin, die Brüche und

für den Stadtraum, eben ins heimische Wohnzimmer! Als

Kontinuitäten nach dem Sieg der Roten Armee, die kritische

Mitte März 2020 klar wurde, dass eine Open-Air-Aus­

Beleuchtung des Begriffs »Befreiung«, den hohen symboli­


schen Wert des Datums und der gewählten Orte und mithin

Wir baten die beiden, ihre Installation mit einem anderen

ihre politisch-gesellschaftliche Bedeutung – adäquat in

ihrer Projekte, »Kinder der Blockade«, in dem Zeitzeugen

einem virtuellen Erlebnis darzustellen? Und gelänge es uns,

der deutschen Belagerung Leningrads zu Wort kommen,

nicht nur das geschichtsinteressierte Publikum ins Netz zu

für die Web-Experience aufzubereiten.

holen, sondern auch die netzaffinen Menschen für das Jubiläum des Kriegsendes zu interessieren? Die Ausstellung rund um das Brandenburger Tor

Die Installation wäre am Pariser Platz zu sehen gewesen, der nun in Augmented Reality entsteht. Die App »Augmented Berlin« entwickelten wir gemeinsam

wäre das Herzstück des 75-jährigen Jubiläums des Kriegs­

mit Peter Kolski und BetaRoom. Sie lässt den Platz und das

endes und der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus

Brandenburger Tor im eigenen Wohnzimmer oder auf dem

gewesen. Uns war also daran gelegen, die Idee der Aus­

Küchentisch entstehen – auf dem Smartphone. Zwei tat­

stellung selbst zu übersetzen. Ausschnitte aus historischen

sächliche Zeugen der NS-Zeit – ein jüdischer Lehrer, der

Fotos, sogenannte Cut-Outs, sollten als Szenen, Personen

im Untergrund überlebte, und die Tochter einer Frau, die

und Ereignisse in Originalgröße die Besucher im Stadtraum

Untergetauchte versteckte – begleiten die Nutzer durch

mit der heutigen Realität konfrontieren: Historisch, aber

die Geschichte von 1933 bis 1945 am Pariser Platz.

nicht weit weg, schwarz-weiß, aber real. Das Vorhaben ist nun in einer Web-Experience gelungen, in der 360-Grad-

Und für alle, die gern spazieren gehen, es aber Coronabedingt nicht können, erfanden wir den Podcast »Nach

Panoramen vier bedeutender Orte zu begehen sind: Der

Berlin«: Sechs Spaziergänge an bekannten und unbekann­

Reichstag steht für den Sieg der Roten Armee in der Haupt­

ten Orten in Berlin, alle mit Experten begangen – selbstver­

stadt des »Dritten Reichs« ebenso symbolisch wie für die

ständlich in gebührendem Abstand –, bieten ein einmaliges

Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten – und den Wider­

akustisches Erlebnis. Vom Brandenburger Tor zum Reichs­

stand dagegen. Das Brandenburger Tor mit den umliegen­

tag, rund um das Olympiastadion, am Kurfürstendamm

den Botschaften der vier Alliierten steht für die interna­

und in der Gedächtniskirche, am Gedenkort Zwangslager

tionale Dimension des Krieges und die Niederringung

Marzahn, auf dem Alexanderplatz und zwischen Sieges­

Deutschlands bis zur bedingungslosen Kapitulation. Das

säule und Flakturm Humboldthain geht es um das Kriegs­

ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen, obwohl

ende vor 75 Jahren und die Bedeutung dieser Orte für

außerhalb Berlins gelegen, steht für die Menschheitsver­

unsere Stadt heute. Der Podcast weckt die Lust »nach

brechen der Nationalsozialisten und deren Opfer, ihre Ver­

Berlin«, die Stadt zu Fuß zu entdecken, stimmungsvoll in

folgung, Ermordung und Befreiung. Der Alexanderplatz

Szene gesetzt durch Fotos von Melanie Sapina.

wiederum ist ein dezidierter Ort des Alltags der Berliner, an

Wir haben es also geschafft, unser Projekt in nur

dem an die städtische Dimension des Kriegsendes erinnert

sieben Wochen neu zu erfinden. Nicht alles lief gleich

wird. An jedem Schauplatz stehen wiederum historische

perfekt, aber es lief und wird stetig besser. Danke, Corona?

Cut-Outs, die man anklicken und sich so in verschiedene

Soweit soll es dann doch nicht gehen! Trotz der vielen

Geschichten hineinziehen lassen kann. Dieses sogenannte

unglaublichen Erfahrungen, die wir als gesamtes Team

Z-Achsen-Scrolling – also eintauchen in die Tiefe – ist mit

machen durften, sehnen wir uns viel zu sehr nach draußen,

Tonspuren und historischem Bildmaterial unterlegt.

nach Austausch, nach echten Menschen … nach Berlin!

Wichtiger Teil des Ganzen wären Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gewesen. Auch sie kommen nun virtuell nach Hause: In der Installation »Berliner Kriegskinder« von Ina Rommée und Stefan Krauss fanden wir das ideale Projekt.

Foto: Alexanderplatz mit Cut-Outs eines Panoramas kurz nach Beendigung der Kämpfe, Anfang Mai 1945. © akg-images/Sputnik


WAS NUN?

KONTAKTLOS VERMITTELN? Chancen und Tücken der digitalen Bildungsarbeit im Museum

60

CORONA ISSUE

I N T E RV I E W

BORIS MESSING

Die Lage der Museen ist kritisch. Wegen der Schlie­ ßungen fällt es vielen schwer, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen. Besonders hart trifft es die freien Mitarbeiter im Bildungs- und Vermittlungsbereich, die für die Museums- und Kulturvermittlung sehr wichtig sind. Ein Gespräch mit Paolo Stolpmann, Leiter des Museumsdiensts Berlin, und Kolja Kohlhoff, die als selbstständige Bildungsreferentin für verschiedene Museen arbeitet.

M U S E U M S J O U R N A L   Herr Stolpmann, was hat sich für die Kunst- und Kulturvermittlung geändert und vor welchen Herausforderungen stehen Sie nun?

PAO LO S T O L PM A N N   Als ein zentraler Dienst­ leister für die Kulturinstitutionen der Hauptstadt beauf­ tragt der Museumsdienst ungefähr 200 selbstständige Referenten im Bildungs- und Vermittlungsbereich für aktuell 13 Museen, Ausstellungshäuser und Gedenkstätten. Deren Angebote reichen von Führungen und Workshops über Seminare bis hin zu Vorträgen und richten sich an diverse Gruppen, eine Vielzahl davon sind Schulklassen. Unsere Aufgabe ist die Organisation und Koordination dieser jährlich über 10 000 Bildungsveranstaltungen. Wir sind zugleich Schnittstelle zwischen den Institutionen, den freien Referenten und den Kunden, die bei uns eine Führung oder einen Workshop buchen. Wegen der Schlie­ ßung der Museen mussten wir von einem Tag auf den anderen bislang mehr als 2500 Veranstaltungen absagen. Das trifft natürlich vor allem unsere freien Referenten hart, die ihre Aufträge ersatzlos verloren haben.

M J   Frau Kohlhoff, Sie sind eine der vielen Selbstständigen, die in der Vermittlungs- und Bildungsarbeit unter anderem für den Museumsdienst arbeiten. Wie sah Ihre Arbeit vor der Krise aus?


Fotos: Oana Popa-Costea

KO L J A KO H L H O F F   Ich habe viel mit Schulklassen

zu Angesicht ist sicher nur zu einem gewissen Grad durch

und der Freien Universität zusammengearbeitet. Mit der

digitale Angebote zu ersetzen, der dialogische Austausch

Schließung der Museen und Schulen war das aber vorbei, und auch die Workshops, Seminare und Museums­

ist derzeit nur schwer möglich, die sinnliche Erfahrung fehlt. M J   Sie sind aber immerhin ein kleines Licht im Dunkel.

führungen hatten sich erledigt. Ich bin dann gezwungener­

Frau Kohlhoff, Sie haben Museumsführungen per Instagram

maßen in unbezahlten Urlaub gegangen. Die Panik, wie es

gemacht. Wie darf man sich das vorstellen?

weitergeht, kam kurz darauf. M J   Diese Problematik beschränkt sich nicht auf Berlin,

K K   Ich habe für die Berlinische Galerie erst gemeinsam

weltweit mussten unzählige Museen schließen und haben

Live-Instagram-Führungen gemacht. Das lief so ab, dass

damit vor allem ihre freien Mitarbeiter in finanzielle Nöte

mich eine Kollegin dabei gefilmt hat, wie ich im leeren

und dann im Wechsel mit einem Kollegen insgesamt drei

gebracht. Wie kann man jetzt Abhilfe für die Kulturver­

Museum die Kunstwerke für die Kamera präsentiert habe.

mittler schaffen? P S   Einige Museen beauftragen Online-Führungen über

Instagram-Kanal der Berlinischen Galerie angesehen

Live-Streams oder filmen Ausstellungsrundgänge. So

werden. Diese Form der Führung war eine Umstellung für

erhalten die Vermittler trotz geschlossener Häuser weiter­

mich, denn mein Gegenüber war die starre Kamera. Es gab

hin Aufträge über uns, wenn auch nur sehr wenige. Damit

keine Überraschungen, keinen unerwarteten Verlauf durch

Das Video konnte dann 24 Stunden auf dem offiziellen

bleibt auch das Publikum am Ball, und die Museen können

die Reaktionen der Teilnehmer. Die Kommunikation auf

ihrem Bildungsauftrag nachkommen. Bestenfalls erschließ-

Instagram ist eine ganz eigene, durch Zeichen, Grüße und

en sie mit den digitalen Angeboten sogar neue Zielgruppen.

so weiter. Die Fragen der Zuschauer hat parallel eine

Wirklich nachhaltig sind diese Online-Vermittlungs­ angebote allerdings nur, wenn die Programme der Museen in Zukunft auch digital konzipiert werden und nicht eins zu

Kollegin im Büro beantwortet, da ich ja nicht gleichzeitig vor und hinter der Kamera sein konnte. M J   Wie viele Zuschauer hatten Sie?

eins das in den digitalen Raum transferieren, was sich zuvor

K K   Genau kann ich das nicht sagen. Beim ersten Mal

analog abgespielt hat. Kulturvermittlung von Angesicht

waren es an die eintausend Zuschauer, von denen 130 bis


WAS NUN?

zum Ende der Führung dabeigeblieben sind. Das große

ohne Verdienst. Ich spreche aus einer privilegierten

Interesse war für uns überraschend. Auch bei den weiteren

Situation, da ich aufgrund von Schulpartnerschaften und

Terminen blieben ungefähr einhundert Leute bis zum Ende

der neuen digitalen Formate Aufträge erhalten habe;

dabei. Es erreichten uns Kommentare aus London,

diese sind aber überhaupt nicht mit der Situation vor der

Krasnojarsk, Wien, Zagreb und New York. Obwohl der

Schließung der Museen vergleichbar. Grundsätzlich sind

direkte Austausch fehlt, sehe ich die Reichweite dank

alle Kolleginnen und Kollegen existenziell bedroht. Wenn

Instagram auch als Chance. Das Feedback war insgesamt

sie nicht durch ihre Lebenspartner oder Familien unter­

sehr positiv. Viele haben sich mehr solcher »Auftritte«

stützt werden, müssen sie Grundsicherung beantragen.

gewünscht. M J   Welche Chancen bietet die digitale Vermittlung in der

Auch die Soforthilfe des Berliner Senats hat in diesem Zusammenhang Abhilfe geschaffen. Bedenkt man aber,

Zukunft generell? Was kann man aus der Krise mitnehmen?

dass sie auf mehrere Monate berechnet ist, dann reicht

K K   Ich denke, der direkte Austausch bei einer Führung

das gerade einmal für die Miete.

und zu den dabei gezeigten Kunstobjekten ist durch nichts

P S   Ich finde, es ist auch eine Frage der Wertschätzung,

zu ersetzen. Die Digitalisierung etwa mit Instagram-

dass man den Selbstständigen im Bildungs- und Ver­

Führungen kann nur eine Ergänzung sein. P S   Unabhängig davon, ob ein Museum wegen der

mittlungsbereich jetzt unter die Arme greift. In einem

Pandemie geschlossen oder regulär geöffnet ist, bleibt

Senatsverwaltung für Kultur und Europa das auch getan.

die Vermittlung im digitalen Raum für das »klassische«

Aber die Tatsache, dass viele in der aktuellen Situation

Museumspublikum gewiss eine unbekannte Erfahrung.

womöglich Grundsicherung beantragen müssen, kratzt an

Aber viele jüngere Menschen, die womöglich selten ins

ihrer Würde. Diese vielen sind aber eine wesentliche Säule

Museum gehen, könnten so einen neuen Zugang zur Kunst

der Museumsarbeit und das Rückgrat der kulturellen

bekommen. M J   Die Museen werden nur langsam wieder öffnen. Was

Bildung. Hier fehlt es noch an nachhaltigen Konzepten. M J   Frau Kohlhoff, wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?

hat das für Konsequenzen für die freien Mitarbeiter im

K K   Ich hoffe, es geht weiter! Das hängt ganz davon ab,

Museumsbereich?

in welcher Form die Museen wieder öffnen.

K K   Fast der gesamte Vermittlungsbereich, bis auf die leitenden Angestellten der Kulturinstitutionen, arbeitet im prekären Bereich. Das heißt: keine soziale Absicherung und auch sonst keine Sicherheiten. Nach Schließung der

CORONA ISSUE

Museen waren alle erst einmal ohne Auftrag und damit

62

ersten Schritt hat das Soforthilfeprogramm der Berliner


Ich bedauere es sehr, dass die Lange Nacht der Wissenschaften und die Lange Nacht der Museen nicht

Die aktuelle Situation hat tatsäch­

stattfinden können. Durch diese

lich dazu geführt, dass wir unserem

Events erfährt unsere Einrichtung,

digitalen Projekt mehr Zeit widmen

die auch schon einmal als »verbor­

können. Mit dem Ôgai-Portal

gener Ort« bezeichnet wurde, die

wollen wir Leben und Wirken des

willkommene Aufmerksamkeit.

japanischen Mediziners und Literaten Mori Ôgai, der 1887 bis 1888 bei Robert Koch (!) in Berlin studierte, einer größeren Öffentlich­ keit vorstellen. Unsere Einrichtung kann sich nicht auf die Wirkung des authentischen Ortes verlassen, sondern KURZ UND KNAPP

muss sich auch als Forschungsstelle verstehen, welche die Ergebnisse langfristig geplanter und

H AR A LD S AL O MON Wissensch af tlic h e r L e ite r Mo ri-Ô gai- G e d e nks tätte Foto: captivation

sorgfältig ausgeführter Projekte bereitstellt. Dabei geht es darum, die erstaunliche Vielfalt und Aktualität Ôgais und seiner Zeit (auch im digitalen Raum) stärker aufscheinen zu lassen.

Wir hoffen, dass unser Haus in absehbarer Zeit wieder öffnen

CORONA ISSUE

kann. Schmerzhaft ist, dass wir mit unserem Begleitprogramm – Die aktuelle Situation zeigt, wie

darunter Lesungen, Diskussionen

wichtig es ist, im Museum unmittel­

und Zeitzeugengespräche – zu

bare Bildungs-, Erfahrungs- und

den beiden jüngst eröffneten

Erlebnisräume zu kreieren. Wir

Sonderausstellungen mit den

denken darüber nach, welche

Besucherinnen und Besuchern

digitalen Vermittlungsmöglichkeiten

nicht in einen persönlichen

wir für unsere Programmangebote

Austausch treten können.

schaffen können und welche Chance zur Gewinnung neuer Zielgruppen damit verbunden ist.

Glücklicherweise sind wir als Berliner Regional­ museum wegen ausbleibender Einnahmen nicht akut gefährdet. Unsere Aufgabe sollte darin bestehen, die zurückliegende Ausnahmesituation

B E RNT RO DE R Leiter Muse um Pa n k ow

63

Foto: Museum Pankow

– und damit die Konsequenzen des Shutdowns und

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

der gesundheitlichen Bedrohung für die Stadt­ gesellschaft im Berliner Nordosten – zu dokumen­ tieren und als Erfahrungswissen zu speichern. Wie das Museum Pankow nach der Wiedereröffnung

Was lernen Sie aus der Krise?

aussehen wird, hängt nicht zuletzt von der Dauer der jetzigen Ausnahmesituation ab.

Welche Absage schmerzt am meisten?


Die neuen digitalen Angebote stellen eine sinnvolle Ergänzung dar. Aber klar ist auch: Sie können den Besuch vor Ort nicht ersetzen.

Der 75. Jahrestag des Kriegsendes wäre für viele Menschen ein guter Anlass für den Besuch eines Erinnerungsortes gewesen. Einen

A NDRE A RI E DLE D i r e k t or i n T o p o g r aphi e de s T e r r or s Foto: privat

Jahrestag kann man nicht ver­ schieben.

Auch in der Krise hilft ein gutes Team. Selbst

KURZ UND KNAPP

im Shutdown arbeiten wir unvermindert an den Angeboten von morgen, vor Ort oder im Homeoffice.

CORONA ISSUE

Erstmals nach dem Zweiten Welt­ Gemeinsam mit dem Anne Frank

krieg sollte im Juli das Global

Haus in Amsterdam entwickeln wir unsere digitalen Angebote

Forum des American Jewish Committee (AJC) in Berlin statt­

weiter, damit sie für die Fernlehre

finden. Das ist eine der größten

und das Homeschooling gut ein­

und wichtigsten Veranstaltungen

setzbar sind. Momentan empfehle

für jüdische Organisationen welt­

ich Anne Franks Videotagebuch

weit. Der Besuch unserer Aus­

auf Youtube. Alle Personen, Orte

stellung »Alles über Anne« wäre Teil

und Ereignisse darin basieren auf

des Programms gewesen und ent­

ihren Tagebuchbriefen. Dieses

fällt nun leider. Wir hoffen, dass

Format eröffnet ganz neue Möglich­

das Forum bald nachgeholt werden

keiten, jungen Menschen Anne

kann und die Teilnehmerinnen

Franks Lebensgeschichte zu ver­

und Teilnehmer unsere Ausstellung

mitteln, und der Zugriff von zu

dann kennenlernen.

Hause ist jederzeit möglich. Für die Vor- und Nachbereitung bieten wir zahl­ reiche digitale Formate, die allerdings den Muse­ umsbesuch langfristig nicht ersetzen. Das ist

P A TRI C K SI E G E LE Di r e k t or A n n e F r a n k Ze n t r um Foto: Stephan Pramme

immer ein ganzheitliches Erlebnis mit allen Sinnen. Es gibt Dinge, die man anfassen kann, man kann Briefe schreiben, Denkmale entwerfen, Interviews

Welchen Gewinn ziehen Sie aus dem Shutdown?

mit Zeitzeugen ansehen und vieles mehr. Auch der anregende Dialog zwischen Besuchern und Mit­ arbeitern fehlt. Gerade unsere pädagogischen Angebote für Kinder und Jugendliche basieren

Was lernen Sie aus der Krise?

64

auf der persönlichen Erfahrung und dem Aus­ tausch der Teilnehmer. Diese intensive Lern­ erfahrung findet so im digitalen Raum nicht statt.

Welche Absage schmerzt am meisten?


WAS NUN?

LEERE KAS S E N Sicherheitsdienst, Garderobieren, Kassenkräfte: Mit der Corona-Krise verloren manche Mitarbeiter nicht nur ihre Aufgabe, sondern gleich ihren Job.

VO N

JULIANE WIEDEMEIER

Kasse geschlossen. Museumsshop zu. Café abgeriegelt.

Spionagemuseum. Alle Mitarbeiter seien fest und sozial­

gebraucht.

versicherungspflichtig angestellt und in Kurzarbeit, sagt

das nicht nur die Kuratoren, Museumsdirektoren und die CORONA ISSUE

Ähnlich läuft es auch beim privat geführten Deutschen

Und für Pforte, Aufsicht und Putzdienst wird auch niemand Als die Berliner Museen ihre Türen schlossen, betraf

Direktor Robert Rückel. »Entlassungen möchten wir mög­ lichst vollständig vermeiden.« Jedoch würden auch nach

Marketing-Abteilung, sondern auch all jene, die den täg­

der Wiedereröffnung für viele Monate Schulklassen und

lichen Betrieb am Laufen halten. Die Studenten an der

Touristen fehlen. »Im Moment kann ich nicht abschätzen,

Garderobe, die auf Honorarbasis angestellten Führer durch

ob wir dann tatsächlich alle Mitarbeiter halten können.«

die Ausstellungen, das Sicherheitspersonal: Mit dem Aus­

Andere Museen haben derartige Tätigkeiten ausgela­

bleiben der Besucher war ihre Arbeit nicht mehr gefragt.

gert. »Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen

Manche gingen in Kurzarbeit, andere verloren ihren Job

Aufsichten, Garderoben und Reinigungsdienste sind nicht

komplett – und damit alle Einnahmen. »Nun wird deutlich,

bei den Staatlichen Museen zu Berlin angestellt, sondern

wie prekär viele Tätigkeiten im Museumsbereich organisiert

bei externen Dienstleistungsunternehmen, mit denen wir

sind«, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht ver­

aktuell die Reduzierung der Dienste abgestimmt haben«,

öffentlicht sehen mag. »Ich habe viel Glück mit meinem Arbeitgeber«, meint

erklärt die stellvertretende Generaldirektorin Christina Haak. So ist es auch beim Deutschen Historischen Museum

Friederike Born-Fallois. Sie ist als Besucherbetreuerin an

geregelt. Um welche Dienstleister es sich handelt, kommu­

der Berlinischen Galerie fest angestellt. Normalerweise

nizieren beide Häuser nicht.

arbeitet sie dort an drei Tagen in der Woche im Empfangs­

Einer der großen Auftragnehmer in diesem Bereich

bereich und verkauft Tickets, beantwortet Fragen oder

ist die Dussmann Group. »Sofern möglich, setzen wir das

betreut den Buchshop. »Während der Schließzeit bin ich

Personal aus den Museen vorübergehend bei anderen

dienstbefreit, bekomme aber weiterhin Geld.« Das Museum

Kunden ein. Auf Kurzarbeit oder Entlassungen konnten wir

hat bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld

bisher verzichten«, sagt Pressesprecherin Michaela Mehls.

beantragt. Born-Fallois nutzt die unfreiwillig freie Zeit mit

65

Auch der Buchshop der Berlinischen Galerie braucht während der Krise keine Mitarbeiter. Foto: Noshe

Weitere angefragte Unternehmen sowie Museen

der Familie sowie für ihr Buddhismus-Studium, das sie

möchten sich zu dem Thema nicht öffentlich äußern. Unter

neben der Arbeit absolviert.

der Hand werden Entlassungen jedoch bestätigt.


WAS NUN?

»MAY YOU LIVE IN INTERESTING TIMES« H UM B O L DT F O RUM

CORONA ISSUE

VO N H A RTMU T D O R G E R LO H General intendant und Vors t ands vors itzender

Wer hätte gedacht, dass uns das Motto der letztjährigen

Schloss noch nicht eröffnet ist, sind wir von den Folgen der

unvermittelt und elementar betreffen würde? Wir schauen

Pandemie anders betroffen als andere Kultur- und Wissen­

nicht mehr zu, was dieser – angeblich chinesische – Fluch

schaftseinrichtungen. Die Arbeiten auf der Baustelle gehen

bewirkt, wie bei so vielen anderen globalen Katastrophen

zwar auch in diesen schwierigen Zeiten weiter. Allerdings

und Schicksalen, mit denen wir teils souverän und hilfs­

hat die Corona-Krise spürbare Auswirkungen auf den Bau­

bereit, teils distanziert umgegangen sind. Jetzt sind wir alle

fortschritt: Die Personalkapazitäten der dort noch tätigen

mittendrin, jeder Einzelne kann infektiös und somit auch

Firmen sind geringer, vor allem seit Bauleute aus anderen

gefährlich für alle anderen sein.

EU-Staaten nicht mehr ungehindert einreisen dürfen. Und

Meine erste Botschaft in die Homeoffices der Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeiter des Humboldt Forums nach

66

Da das Humboldt Forum im rekonstruierten Berliner

Biennale von Venedig kurz darauf mit so großer Wucht, so

auch der Materialnachschub ist nicht immer gesichert. Gemeinsam mit unseren Partnern evaluieren wir deshalb

dem Shutdown begann mit diesem Ausruf. Er geistert

fortlaufend, wie die Arbeiten unter den aktuellen Ein­

seither immer wieder durch meinen Kopf, wenn ich wahr­

schränkungen weitergeführt werden können und welche

nehme, was alles an bislang Undenkbarem passiert, womit

Auswirkungen sich für diese letzte Phase von Baufertig­

ich mich abfinden muss und was ich Neues erfahre und

stellung und Inbetriebnahme ergeben.

erlebe. Und wenn jeder Krise auch eine Chance innewohnt – wo ist sie hier zu finden?

Auch in der Programmentwicklung spüren wir die Folgen bereits jetzt. Zur Eröffnung des Humboldt Forums



WAS NUN?

Seite 65 oben Teehaus in der Ausstellung »Kunst aus Japan« des Museums für Asiatische Kunst der SMB, im Humboldt Forum. © SHF. Foto: Giuliani von Giese Seite 65 unten Einbringung der Kolossalstatuen in das Humboldt Forum. © SHF. Foto: David von Becker Oben 250 Jahre jung! Zum Geburtstag von Alexander von Humboldt. © SHF. Foto: David von Becker Unten O ciclio anual nociclo anual no rio tiquié. Ein Jahreszyklus am Tiquié. Projektion: SHF in Zusammenarbeit mit dem Ethnologischen Museum der SMB und der brasilianischen Nichtregierungsorganisation Instituto Socioambiental (ISA). © SHF. Foto: David von Becker

»DIE ARBEITEN AUF DER BAUSTELLE GEHEN WEITER – WENN AUCH EINGESCHRÄNKT.«

im September hatten wir nicht nur ein festes Datum, sondern auch ein umfangreiches Ausstellungs-, Veranstaltungs- und

CORONA ISSUE

Vermittlungsprogramm konzipiert und vorbereitet: Leih­ verträge waren abgeschlossen, Künstlerinnen und Künstler gebucht. Doch nun ruht der internationale Leihverkehr bis auf Weiteres, Großveranstaltungen sind bis zum 31. August untersagt – und möglicherweise auch danach noch. Wann wir eröffnen können, lässt sich im Moment nicht genau abschätzen. Fest steht aber schon jetzt: Die Krise hat uns um Monate zurückgeworfen. Und wenn das Gebäude fertig ist und wir mit der phasenweisen Eröffnung beginnen, können wir unsere Planung nicht einfach so umsetzen, als hätte es nur eine zeitliche Verzögerung gegeben. Wie viele Menschen dürfen zeitgleich in diesem neuen Stadtquartier unterwegs sein? Was bedeutet eine Zugangs­ beschränkung für unsere Angebote und Formate? Müssen wir die Abläufe und den Service neu organisieren? Wie schützen wir unser Publikum und unsere Mitarbeiter vor Ort? Und wenn der internationale Tourismus so stark reduziert ist, ab wann brauchen wir Angebote auf Spanisch, Hebräisch oder Japanisch?

68

Unsere Kooperationen mit Partnern im In- und Aus­ land, insbesondere mit den Source Communitys in den USA, in Brasilien, Tansania oder Australien, die für das Humboldt


Forum immanent wichtig sind, trifft es hart. Aber was heißt das schon, wenn man an die Folgen denkt, die das Virus für Milliarden Menschen im globalen Süden noch haben wird, wenn schon unsere hochgerüsteten Kliniken dem Ansturm nicht gewachsen sind? Und was können wir tun? Das Mindeste ist es, die Kontakte digital aktiv weiterzu­ führen, wenn wir uns schon in der Europäischen Union auf einmal ganz hurtig hinter unseren eben doch noch nicht überwundenen nationalen Grenzen verschanzt haben. Wir sind und wollen mit euch weiterhin

»WANN WIR ERÖFFNEN KÖNNEN, LÄSST SICH IM MOMENT NICHT ABSCHÄTZEN.«

gemeinsam unterwegs sein! Das ist unsere Botschaft, und nur so wird das Humboldt Forum ein wirklich globaler Ort des Austausches werden können, wo sich Unterschiede verbinden. In der Corona-Krise wird eines überdeutlich: Alles beruht auf Wech­ selwirkung! Ökologische, soziale und ökonomische Faktoren sind eng mit­ einander verflochten und müssen stets im Zusammenhang betrachtet werden. Das hatte Alexander von Humboldt mit

seltener Klarheit in einem globalen Horizont erkannt. Das bestimmt unseren Auftrag, getreu den Humboldt’schen Prinzipien, Natur, Mensch und Kultur zusammen zu denken und die Welt als vernetzt zu betrachten. Brauchte es wirk­ lich erst Corona, damit wir das alle verstehen? Derzeit bin ich optimistisch, sehe viele Herausforde­ rungen, aber auch Impulse für positive Veränderungen. Ich bleibe gespannt auf die Biennale in Venedig im kommen­ den Jahr. Vieles wird dann anders sein, bescheidener und vielleicht auch unaufgeregter – was aber kein Nachteil sein muss. Und es wird diese Monsterkreuzfahrtschiffe dort nicht mehr geben. Hoffentlich für immer.


WAS NUN?

GRÜNES MUSEUM VS. GRAUE ENERGIE I N T E RV I E W

M U S E U M S J O U R N A L   Mit der Corona-Krise

JULIANE WIEDEMEIER

wurden die Museen geschlossen und die Lichter gelöscht. Für Laien klingt das nach einer massiven Energiesparmaß­ nahme. Kann sich zumindest die Umwelt über den erzwungenen Stillstand freuen?

S T E FA N S I M O N   Die konkreten Zahlen für die Staat­ lichen Museen zu Berlin habe ich noch nicht vorliegen. Aber ich schätze, dass sich beim Energieverbrauch weniger getan hat, als Sie vermuten, denn entscheidend ist weniger die

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CORONA ISSUE

Beleuchtung als die Klimatisierung. Diese läuft in vielen Stefan Simon, ­D irektor des RathgenForschungs­l abors der Staatlichen Museen zu Berlin. © Paul Hahn | Photography

Ausstellungs- , Werkstatt- und Depotbereichen 24 Stunden an sieben Tagen die Woche – auch wenn die Häuser geschlossen sind. In den Staatlichen Museen zu Berlin haben wir einen in den vergangenen Jahren leicht gestiegenen Strom­ verbrauch von 40 Millionen Kilowattstunden, noch ohne Fernwärme oder Fernkälte. Bei einer konservativen Berech­ nung entspricht das einer Emission von 18 000 Tonnen CO₂.

Kompletter Stillstand durch Corona? Nicht beim Energieverbrauch der Museen. Warum das so ist und wie die Museumslandschaft ökologischer werden kann, erklärt Stefan Simon vom Rathgen-Forschungslabor im Interview.

In den USA geht man von 40 Dollar sozialen Kosten pro Tonne CO2 aus, in der Schweiz von 86 Euro. Falls die dis­ kutierte CO2-Abgabe in einer vergleichbaren Größenord­ nung kommen sollte, fielen jedes Jahr zwischen 700 000 und 1,6 Millionen Euro zusätzlicher Kosten an. Das hat kaum jemand auf dem Radar. M J   Was können Museen für eine bessere Klimabilanz tun?

S T S   Seit über zehn Jahren läuft in der Community eine heiße Debatte, welche Temperatur- und Feuchtigkeits­ schwankungen aus konservatorischer Sicht in den Sammlungen akzeptabel sind. Je enger wir den Klima­ korridor definieren, umso teurer wird die Energierechnung. Diese Kosten steigen nicht linear, sondern exponentiell. M J   Eine Gruppe von Experten folgt der Prämisse: »Stable is safe« – nur wenn wir in den Museen ein stabiles Raum­ klima haben, ist unser Kunst- und Kulturgut sicher.


S T S   Daran ist zunächst nichts auszusetzen. Tatsächlich

Wir können heute ein neues Museum nach allerbesten

wissen wir, dass große Schwankungen der relativen Feuchte

grünen Standards bauen, inklusive der Fahrradständer und

Schäden an Möbeln, Leinwänden oder Malschichten

des kompostierbaren Bestecks in der Kantine. Doch wegen

hervorrufen können. Andererseits hängen in den Kirchen

der grauen Energie dauert es viele Jahrzehnte, bis dieser

von Rom oder Florenz seit Jahrhunderten Meisterwerke

Neubau in seiner Energiebilanz da angelangt ist, wo der

von Tizian und anderen großen Malern. Dort kann es im

Altbau bereits ist. Umweltschützer und Denkmalpfleger

Sommer sehr feucht, im Winter ziemlich trocken werden.

verfolgen demnach ähnliche Ziele. Das hat großes Potenzial

Tägliche Schwankungen, die dem Außenklima folgen,

für eine fruchtbare Zusammenarbeit. M J   Was können Museen für das Klima tun, außer auf

sind normal. Die ersten Klimaanlagen in deutschen Museen wurden

­Neubauten zu verzichten?

in den 1960er-Jahren im Museum Folkwang in Essen und in

S T S   Neben der Lockerung der Klimastandards gibt es

der Neuen Nationalgalerie in Berlin in Betrieb genommen.

viele Möglichkeiten. Wie lange werden Objekte vor und

Jedes Gemälde, das älter ist, hat sein gesamtes vorheriges

nach den Öffnungszeiten beleuchtet? Auch Ausstellungs­

Leben in einer Umgebung verbracht, die nicht klimatisiert

bau und Sonderausstellungen sind Energiefresser – selbst

war. Wenn es gelingt, die engen Klimakorridore aufzuwei­

wenn es mittlerweile Initiativen gibt, Vitrinen und Einrich­

ten, ohne dadurch Schäden am Kulturgut zu verursachen,

tungen dafür nicht nur einmal zu verwenden. Ein weiteres

wäre das ein guter Beitrag der Museen zur Klimabilanz. M J   Welche Schwankungen hält die Forschung für

Problem ist der Leihverkehr. Objekte fliegen durch die Welt,

akzeptabel?

besuchen. All diese Aspekte muss man für eine Nachhaltig­

begleitet von Kurieren. Menschen fliegen, um Museen zu

S T S   Es wird viel gestritten, leider oft auf Basis einer

keitsbilanz berücksichtigen.

unzureichenden Datenlage, und viel zu wenig geforscht.

M J   Die Corona-Krise zwingt uns zum Innehalten. Steckt

In ganz Europa kann ich vielleicht fünf Kolleginnen und

darin für Museen nicht die Chance, sich der Problematik zu

Kollegen nennen, die sich mit dem Thema wissenschaftlich

besinnen und umweltfreundlicher zu werden?

befassen. Das ist unverantwortlich, wenn man überlegt,

S T S   Eigentlich ist die Sorge um unsere Umwelt doch

dass die Klimatisierung neben der grauen Energie der

ganz nah am Mandat der Museen, sich nachhaltig für den

Hauptenergiefresser und ein bedeutender Kostenfaktor

Erhalt des Kunst- und Kulturguts einzusetzen, damit nach­

in Museen ist. M J   Graue Energie?

folgende Generationen auch etwas davon haben. Doch

S T S   So nennt man Energie, die sich nicht so einfach

Klimawandel auf einem anderen Planeten abläuft.

erfassen lässt wie der Strom- oder Wasserverbrauch.

für viele Museumsmacher ist es immer noch so, als ob der Zum einen sind die Museen überfordert. Zum anderen

Sie steckt in jedem Bau, für den etwa Zement bei über

nehmen sie fälschlicherweise an, das alles sei für sie nicht

1400 Grad gebrannt, Glas geschmolzen, Stahl gekocht

so relevant. Gemeinsam mit anderen Mitarbeitern füh­

werden muss. Wir erleben seit vielen Jahren eine Orgie der

render deutscher Kunstmuseen haben wir im vergangenen November daher in einem offenen Brief an Kulturstaats­

Museums­neubauten. In Deutschland sind wir mit den

ministerin Monika Grütters eine zentrale Taskforce für den

­Baumaßnahmen auf der Museumsinsel, dem Museum

Klimawandel gefordert, die sich ausschließlich den klima­

der Moderne oder dem Humboldt Forum an vorderster

politischen Herausforderungen für unsere Branche widmen

Front dabei. In Hinsicht auf Klimawandel und Nachhaltig­

soll. Auf eine lösungsorientierte Antwort warten wir leider

keit wirken diese Projekte seltsam aus der Zeit gefallen. M J   In Berlin sind viele Museen in Gebäuden aus der Gründerzeit untergebracht, als der Begriff Energiesparen

bis heute.

M J   Was müsste aus Ihrer Sicht passieren? S T S   Museen halten einen großen Trumpf in der Hand. Sie

noch nicht erfunden war – mit hohen Decken und ohne

genießen, zumindest in unserer Gesellschaft, im globalen

Wärmedämmung. Das klingt nicht viel besser fürs Klima. S T S   Da würde ich widersprechen. Energie und damit ver­

Norden, enormes Vertrauen. Das sollten sie nutzen, um als

bundene Kosten haben für die Menschen immer eine Rolle

Klimawandel und Nachhaltigkeit verhandelt werden.

gespielt. Früher hat man zum Beispiel weniger geheizt.

eine Agora, eine Plattform, zu agieren, wo Themen wie Das Museum für Naturkunde in Berlin liegt unweit

Die durchschnittliche Raumtemperatur Anfang des 20. Jahr­

des Platzes, auf dem sich die Fridays-for-Future-Bewegung

hunderts lag bei 15 bis 16 Grad. Das wäre uns heute zu kalt,

bis vor wenigen Wochen getroffen hat. Es hat die Schüler

doch für Kunst- und Kulturgut sind solche Temperaturen

bei freiem Eintritt freitags eingeladen: Kommt zu uns ins

besser. Zudem wurden klimatische Belastungen in der

Museum und diskutiert mit unseren Wissenschaftlern über

traditionellen Bauweise abgemildert. Kalkmörtel und

den globalen Wandel. So stelle ich mir ein Museum vor.

Holz puffern die schwankende Feuchte besser als Beton,

Davon können ebenfalls die Kunst- und archäologischen

Stahl und Glas. In der Alten Pinakothek in München fängt

Sammlungen lernen. Auch sie können grundlegende Bei­

das nach Süden ausgerichtete Treppenhaus die direkte

träge zur Nachhaltigkeitsdebatte leisten.

Sonneneinstrahlung ab. Die Galerien mit den Gemälden im Norden sind geringeren Beleuchtungsintensitäten und weniger Temperaturschwankungen ausgesetzt.


WAS NUN?

GOING GLOCAL Neu es D en k e n für d i e Mu s e u ms und K u l t u r des t i na t i o n B e r lin

CORONA ISSUE

VO N

BURKHARD KIEKER Ges chäfts führer Vis itBerl in

St. Matthäus-Kirche, Kulturforum Berlin, am Abend des

organisierte Kulturmonitoring zeigt, dass der Anteil

4. März 2020: Museumsdirektoren aus aller Welt und

touristischer Besucher zwischen 40 und 80 Prozent liegt,

Berliner Kulturmacher versammeln sich bei Drinks und

letzteres in den zeithistorischen Gedenkstätten wie der

Musik um eine Bühne. Erstmals werden die Leading Culture Destination Awards (LCD) in Berlin vergeben, eine Art

Topografie des Terrors oder der Gedenkstätte Berliner

Oscar der Museen. Das kreativste neue Museumskonzept,

Museen, egal ob in privater oder staatlicher Trägerschaft,

die erfolgreichste Sonderausstellung, die gelungenste

kann ohne auswärtige Besucher leben. Aber wer und wie

Digitalumsetzung, die beste touristische Vermarktung.

viele werden noch nach Berlin reisen, mit welcher

Learning from the Best, die Stimmung ist positiv. Doch nur

Motivation und vor allem mit welchem Budget?

wenige Tage später müssen ausnahmslos alle Anwesenden,

Die Erkundung der Post-Corona-Welt ist bei den Kolle­

auch der Schirmherr Hermann Parzinger, ihre Museen für

ginnen und Kollegen der Marktforschung von VisitBerlin

Monate schließen. Niemand hatte das so vorausgesehen.

bereits in Arbeit. Die Ergebnisse werden wir gemeinsam mit

Die sorgenvollen Fragezeichen, die teilweise erschre­

unserem Partner, der Kulturprojekte Berlin GmbH, zur Dis­

ckenden Prognosen zum Publikumsverhalten für die Post-

kussion stellen. Die Notwendigkeiten, die sich schon vorher

Corona-Zeiten bieten für unsere Stadt und ihre weltweit

abzeichneten, werden durch die Pandemie sichtbar hervor­

einmalige Museumsszene allerdings auch Chancen der

gespült. Berlin braucht für das kommende Jahrzehnt ein

Neujustierung. Einige Wahrheiten gilt es dabei zu verarbei­

überarbeitetes, kohärentes gemeinsames Storytelling der

ten: In Zukunft steigt die Notwendigkeit, die Einwohner

Kulturinstitutionen und Destination mit einer vereinbarten

und die Gäste unserer Stadt auf die eigene Institution auf­

Dramaturgie. Wer sind wir, was darf die Welt, der Besucher

merksam zu machen und dafür zu begeistern. Der Automa­

an Inspiration und kulturellem Erlebnis bei uns erwarten?

tismus ständig wachsender Zahlen kulturhungriger Touris­ ten ist auf Jahre vorbei, die Rekordzahl von 34 Millionen

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Mauer. Der Umkehrschluss ist simpel: Keines der Berliner

Die Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im vergangenen November waren gefühlt der Abschluss

Übernachtungen im Jahr 2019 vorläufig unerreichbar. Das

der Pubertät des neuen, vereinigten Berlins. Entstanden

von VisitBerlin gemeinsam mit dem Kultursenat

ist in den physischen und gedanklichen Freiräumen der


© Kevin McElvaney

Nachwendezeit, wesentlich geprägt von Künstlern und

Millenials, sind eine interessante Zielgruppe, die selbst

Raumpionieren, ein europäisches Zentrum der S­ oftpower

zu Storytellern für die Menschen in ihren Heimatländern

mit hoher Magnetkraft auf kulturaffine, gebildete junge

werden könnten – als Brücke zur »global audience«.

Menschen und ganz nebenbei ein »Nussknacker« für die noch verbreiteten Stereotype über Deutschland und die

Ein paar weitere banale, aber überlebenswichtige Wahrheiten warten auf uns: Big Data und was wir daraus

Deutschen. In der Verbindung der Museumsszene mit

machen, Besucherströme verstehen, ein intelligenter Ver­

diesem in Berlin – wenn auch wirtschaftlich bedrohten –

anstaltungskalender. Dazu der Aufruf zum Kampf gegen

übervollen Reservoir an Kreativität liegt unsere Chance

die großen profitmaximierenden Ticketplattformen, die

für neue Möglichkeitsräume. Vorhandenes Silodenken

­versuchen, das letzte Tortenstück der „visitor economy«

können wir uns nicht mehr leisten. Ein gutes Beispiel

zu monopolisieren und anschließend, ähnlich wie booking.

ist die Zusammenarbeit von Stefanie Rosenthal, der

com bei den Unterkünften, die Provisionen zu diktieren.

Direktorin des Gropius Baus, mit der K-Pop Gruppe BTS. Künstler, Schöpfer, Kulturgüter und ein toleranter, freiheit­

Hier entwickelt VisitBerlin mit dem Ticketgateway eine Ein­ lassvereinfachung samt integrierter Tagesübersicht sowie

licher Lebensstil sind unser Narrativ. Die Gefäße, Platt­

eine Buchungsplattform als Public-Private-Partnership

formen könnten auch und vor allem die Museen sein.

im Auftrag der Stadt. Bei unserem »visitor insight« gibt

»Educate and entertain« sind die Schlagworte, und vor

es Trend- und Marktforschung kostenlos für Teilnehmer.

allem: Niemals das Erwartete bieten, niemals langweilen.

Auch wenn es in unserer momentanen Corona-Über­

»Some people are afraid of culture, others of tourism« war ein Zitat der LCD-Workshops im März. Die Wahrheit

sättigung mühsam erscheint: Für unseren exzellent auf­

ist, dass beides eng miteinander verwoben ist. Gemeinsam

und gehäutet aus dieser wuchtigen Krise hervorzugehen.

sollten wir, nach der Einigung auf unsere künftige Storyline,

Wir freuen uns darauf.

die zersplitterten Marketingkräfte bündeln. Das gilt auch für die Stadt selbst: Die Zehntausenden »temporary citizens«, viele von ihnen die schon kultisch umworbenen

gestellten Kultur-Hub Berlin überwiegen die Chancen, fit


74 CORONA ISSUE

CORONA ART


CORONA ART »Mit dem Wuhan-Tagebuch gebe ich den mutigen Menschen in Wuhan eine Plattform. Ihre ehrlichen Schilderun­ gen des Lockdowns wurden sofort von der chinesischen Staatssicherheit aus den sozialen Medien gelöscht. In meinem Blog veröffentliche ich das Tagebuch eines Wuhan-Einwohners und illustriere die Situation. Momen­ tan arbeite ich an einer Graphic Novel, die diese Bilder in einem Buch vereint.«

Badiucao   www.badiucao.com Instagram @badiucao © Badiucao


CORONA ART

KÜNSTLER SOLLEN RADIKALER WERDEN! Was können Psychoanalyse und Kunst in der Krise leisten? Das lotet der Künstler Clemens Krauss seit dem Shutdown Tag für Tag in seinem Performance-Projekt »Isolation Consultation« aus.

CORONA ISSUE

I N T E RV I E W

MINH AN SZABÓ DE BUCS

Sein Werk ist so vielfältig wie er selbst. Der österreichische Künstler Clemens Krauss ist bekannt für seine zentimeterdicken, pastosen Farbaufträge auf Bildträgern und Wänden. Die Farbe als pures Material spielt eine gewichtige Rolle in seinen Arbeiten. Doch er macht auch Installationen, arbeitet performativ und dreht Videos. Zudem ist er ausgebildeter Arzt und Psychoanalytiker. Was seine Werke eint, ist die intensive Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, den er als »Ausgangseinheit sozialer Ordnungen« ­versteht. Als die Corona-Krise im Dezember 2019 in der chinesischen Metropole Wuhan ihren Ausgang nahm, befand sich Krauss gerade für einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Shanghai. Entgegen vieler Medienberichte erlebte er sehr disziplinierte Chinesen, die solidarisch mit der Krisensituation umgingen. Wieder in Berlin wundert er sich über lästige Diskussionen um die Maskenpflicht und das Hamstern von Toilettenpapier. Zuletzt arbeitete er an Skulpturen aus reiner Ölfarbe, die Schicht für Schicht aufgetragen werden und so groß sind, dass sie über 150 Kilogramm wiegen. Jede Farbschicht wurde mit einem Trocknungsbeschleuniger versetzt, damit alles bis zum Gallery Weekend fertig würde. Doch das hat sich nun erledigt, die Ölschichten dürfen in Ruhe trocknen, nichts muss

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mehr beschleunigt werden. Der Atelierbetrieb liegt lahm, die Ausstellungen sind abgesagt. Und so bietet Clemens Krauss seit Mitte März kostenlose Online-Begegnungen an. Was er damit bezweckt und was Kunst in so einer Zeit leisten kann, darüber sprachen wir in einem – wie soll es anders sein – Videocall.


Oben Clemens Krauss, Isolation Consultation, 2020. Online-Performance. Mit freundlicher Genehmigung Galerie CRONE Berlin/Wien. Foto: Haus am Waldsee Unten Clemens Krauss vor dem ­B ildschirm während seiner Online-Performance, 2020. Mit freundlicher Genehmigung Galerie CRONE Berlin/Wien. Foto: Haus am Waldsee

M U S E U M S J O U R N A L   Herr Krauss, Sie sind nicht

viele Leerstellen hinterlassen. Doch erstaunlicherweise

nur Künstler, Sie sind auch Arzt und Psychoanalytiker.

setzt dies überall eine kreative Kraft frei. Theater, Museen,

Welche Ihrer Professionen ist in solch einer Krise mehr

Musiker und Künstler sprudeln förmlich über vor Ideen,

gefordert?

um diese Leere wieder aufzufüllen – nicht im Sinne reiner

C L E M E N S K R AU S S   Ich bin nicht heute Künstler

Unterhaltung, sondern im Sinne eines kritischen Blicks,

und morgen Analytiker, sondern zu einhundert Prozent

der sich auf die Dinge richtet.

Künstler. Ich habe die Analytikerausbildung nur gemacht, um ein weiteres Tool als Künstler zu haben. Ich bin kein

M J   Was kann Kunst in Krisenzeiten leisten? C K   Kunst hat für mich eine soziale Funktion. Künstle­rin­

malender Therapeut, das interessiert mich nicht. Für mich

nen und Künstler sowie verwandte Institutionen tragen

ist die Psychoanalyse ein Erklärungsmodell geworden, das

eine Verantwortung. Sie haben eine gewisse Versorgungs­

die Welt, die uns umgibt, beschreiben kann und verständ­

pflicht. Natürlich ist es zunächst wichtig, dass wir alle

licher macht. In der Krise sind die Künstler gefordert. Mehr

genügend zu essen und zu trinken haben. Aber es gibt auch

denn je. M J  Inwiefern?

einen intellektuellen und einen sensualen Hunger. Und der

C K   Alle Kunstinstitutionen wurden von hundert auf

wächst täglich. Das spüre ich in meinen Online-Sitzungen. M J   Bitte erzählen Sie mehr über dieses Kunstprojekt!

null heruntergefahren. Die Museen sind zu, die Galerien

C K   Seit Mitte März, also seit dem Shutdown, biete ich

geschlossen, Kunstmessen und Events abgesagt. Alles hat

jeden Tag von 10 bis 19 Uhr kostenfreie Online-Sprech­

sich verändert. Diese völlig unerwartete Situation hat ganz

stunden an. Ich suchte nach Inhalten, die nicht einfach nur


aus dem analogen in den digitalen Raum übertragen werden. Denn manche Dinge lassen sich nicht so leicht

ellen Nöten gebe ich diesen Menschen einen stabilisie­

übersetzen. Ich wollte etwas ganz Eigenes entwickeln, das

renden Rahmen. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass es

der Dynamik und Logik der virtuellen Sprache gerecht wird.

mich selbst stabilisiert. Die Strukturen, die wir gewohnt

M J   Sie nennen die Sitzungen performative Ready-mades.

waren, sind weg. Ich habe auch mir durch diese Sitzungen

Was ist für Sie daran Kunst und was ist Ready-made?

eine Struktur in meinem eigenen Alltag geschaffen. M J   Was raten Sie anderen Künstlerinnen und Künstlern?

C K   Ich weiß gar nicht, ob ich das war, der diese Sitzungen

CORONA ART

Durch die intensive Auseinandersetzung mit den individu­

als Ready-mades bezeichnet hat. Aber das trifft es irgend­

C K   Ich rate einerseits zum Weitermachen und zum

wie ganz gut. Ich verschiebe die Situation einer analyti­

Abwarten. Ich bin zutiefst beeindruckt, wie viele spannende

schen Sitzung – persönlich, privat und vertraulich – in einen

Dinge gerade an vielen Orten und über viele Wege von

Kunstkontext. Das tue ich über zwei wesentliche Mechanis­

Kreativen weltweit entstehen. Dabei beobachte ich sogar

men: Erstens ist es durch die bloße Behauptung ein Kunst­

so etwas wie neue Kunstformen. Andererseits warne ich

projekt, weil ich es mit der größten Überzeugung so nenne.

jedoch ein bisschen davor, zu viele Sachen online anzu­

Zweitens sind die Teilnehmenden Besucherinnen und

bieten. So bagatellisiert man sich vielleicht zu schnell.

Besucher und nicht Patienten. Ich will niemanden patho­

M J   Wird Corona Ihre eigene Kunst verändern? Werden

logisieren. Wir begegnen uns als Künstler und Teilnehmer.

Sie anders arbeiten?

Ob daraus dann eine Arzt-Patienten-Beziehung wird?

C K   Die Kunst hat noch gar nicht ganz begriffen, an

Vielleicht. M J   Wer nimmt an den Sitzungen teil?

vieler Mittel bedienen, der Ästhetik, der Übertreibung, der

welchem Wendepunkt wir gerade stehen. Sie kann sich so

C K   Das Projekt wurde über Museums- und Galerie­

Kritik, des Humors, der Kontextverschiebung, des Spiels.

webseiten kommuniziert, daher sind es zu 60 Prozent

Wir Künstler dürfen uns viel erlauben. Wir dürfen uns die

Menschen, die sich für Gegenwartskunst interessieren.

Regeln sogar selbst machen, die wir dann gar nicht ein­

Es sind aber auch Studenten, Steuerberater und Kaufleute

halten müssen. Das ist ja gerade das Gute an der Kunst.

darunter, Ärzte, Nichtakademiker und Rentner – ein pro­

Aber mit dem Malen von Bildern ist es derzeit allein wohl

funder Querschnitt durch die Gesellschaft. Sie kommen aus

nicht getan. Kunst hat eine politische und soziale Ver­

aller Welt, zum Beispiel aus Amerika, Australien, Spanien

antwortung. Sie leistet einen gesellschaftlichen Beitrag

oder Brasilien. Am Anfang tauschen wir uns zumeist über

­jenseits der Politik. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

die Corona-Krise aus, aber sehr schnell gehen wir zu tiefer­ greifenden Inhalten über. M J   Zu welchen zum Beispiel?

Diese Krise wird die ganze Welt verändern. Meine Arbeit wird sich verändern, weil ich mich verändert habe. Diese Krise macht etwas mit mir. Sie zeigt mir, wie vulne­

C K   Das Alleinsein ist ein großes Thema, aber auch die

rabel wir als Spezies sind, wie lächerlich letzten Endes unser

übergroße Nähe im Familienverband auf engstem Raum.

Dasein ist. Und dass es im Leben nur auf wenige Dinge

Die Extremsituationen des Lockdowns, wie der erzwungene

ankommt – auf die Liebe. Künstler können, nein, sollen

soziale Kontaktabbruch, löst Dinge aus, die vorher schon da

noch radikaler werden. Das ist meine Conclusio.

waren, aber im Alltag verdrängt wurden. Jetzt brechen sie CORONA ISSUE

hervor. Wir reden auch viel über Trennung, Verlustängste, den Tod von Angehörigen, aber auch über die frühe Mutter, Sexualität oder traumatische Erfahrungen. Es kommen ganz schnell viele Themen aus der Tiefenpsychologie. Manche Schicksale sind mir sehr nahegegangen. M J   Wie verarbeiten Sie das?

C K   Zweimal in der Woche habe ich Supervisionen mit einem befreundeten Analytikerkollegen. Da sprechen wir die Fälle anonym durch. Zudem bewahre ich mir eine gewisse professionelle Distanz. M J   Wo beginnt das Kunstmoment?

C K   Ich erwähnte vorhin die soziale Funktion der Kunst. Dieses Projekt hat eine soziale Funktion. Und es geht um das partizipativ-performative Element, welches radikal gesehen nur in den einzelnen Sitzungen geschaffen wird. Es entstehen dabei allein von mir und den Teilnehmenden geschaffene Räume und die damit ­aufkommenden neuen Bewusstseinsebenen. Alle Außen­ stehenden, die nicht an dem Projekt direkt an den

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Sitzungen teilnehmen, konstruieren eine fantasierte Öffentlichkeit – wie etwas Drittes, aber ebenso gleich­ berechtigt Wichtiges für das Kunstmoment.

Rechts Erste Reihe 1. Joseph Siffred Duplessis, Madame de Saint-Morys, 1776. Twitter via @LloydLlewJ 2. Henri Rousseau, Der Traum, 1910. Instagram via @tussenkunstenquarantaine/@budzyak 3. Albrecht Dürer, Betende Hände, 1508. Instagram via @shusaku1977 Zweite Reihe 1. Théodore Géricault, Das Floß der Medusa, 1819 (Original) 2. José Manuel Ballester, Das Floß der Medusa, 2010. via Bored Panda 3. Edvard Munch, Der Schrei, 1893. Instagram via @clairesalvo Dritte Reihe 1. Lucas Pacífico. Instagram via @lucaspacifico 2. Giovanni Bellini, Porträt des Dogen Leonardo Loredan, 1501. Instagram via @CovidClassics Vierte Reihe 1. Artemisia Gentileschi, Judith und Holofernes, 1620. Instagram via @CovidClassics 2. Vincent van Gogh, Selbstporträt, 1887. Instagram via @aggelikitziwtaki 3. Leonardo da Vinci, Abendmahl, 1494–98. Twitter via @mythaddict. Fünfte Reihe 1. Henri Wallis, Der Tod Chattertons, 1856. Instagram via @CovidClassics 2. Frida Kahlo, Selbstbildnis als Tehuana oder Diego in meinen Gedanken, 1943. Instagram via @tussenkunstenquarantaine / @tsuassuna 3. Jan Vermeer van Delft, Dienstmagd mit Milchkrug, 1658–60. Instagram via @CovidClassics


Corona Art

Virale Blüten In Corona-Zeiten schlägt die große Stunde der sozialen Medien. Vor allem Instagram und Twitter sprudeln über vor schrägen und ironischen Ideen. Staunen Sie selbst!


WAS WIRD?

COLLECTING CORONA VO N

G A B R I E L E M I K E T TA

Viele Museen verhalten sich wahrhaft visionär und haben in der Krise den historischen Moment erkannt. Wie das? Schon jetzt ist die Corona-Pandemie Medizin- und Zeit­ geschichte, die Erfahrungen der Menschen werden lang­ fristig die Stadt- und Regionalgeschichte prägen. Wer heute mit Maskenpflicht, Homeoffice oder Kurzarbeit konfrontiert ist, könnte demnächst Zeitzeuge sein. Zettel in Schaufenstern, Hinweistafeln, Absperrbänder, Plexiglas­ scheiben an Kassen, Einweghandschuhe und Atemschutz­ masken – all das und vieles mehr wird irgendwann wieder verschwinden. Deshalb gehen Museen in weiser Voraus­ sicht schon heute auf Spurensuche und legen ein (Online-) Gedächtnis für ihre jeweiligen Regionen an. Das Wien Museum in Österreich, eines der ersten Museen, das die Bedeutung dieser Zeugnisse erkannte, sammelt bereits seit Anfang März unter dem Hashtag CORONA ISSUE

#CoronaMemory. Längst ist auch in Deutschland die museale Sammelwut ausgebrochen, von Hamburg über Köln bis München. Wie sieht es in Berlin aus? Das Museum Europäischer Kulturen (MEK) sammelt und vermittelt Alltagskultur in Europa vom 18. Jahrhundert bis heute. Und so bittet das Haus unter dem Hashtag #CollectingCorona Menschen in ganz Europa um persön­ liche Eindrücke und Zeugnisse. Für künftige Generationen soll dokumentiert werden, wie sich die Pandemie auf dem Kontinent anfühlt. Alle an mek@smb.spk-berlin.de gesendeten Texte, Fotos oder Videos werden Teil eines Sammlungskonvoluts des MEK. Das Stadtmuseum Berlin dokumentiert in seinem ­Verständnis als »Gedächtnis der Stadt«, wie das CoronaVirus den städtischen Alltag in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt hat. Der Aufruf »Berlin jetzt!« bietet eine öffent­ liche Plattform, Berliner Zeitgeschichte zu erzählen. Jeder kann einfach ein Foto samt Einsendeformular an berlinjetzt@stadtmuseum.de schicken. Es sollen sich nicht

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nur prominente Personen angesprochen fühlen, und auch Anekdoten sind ausdrücklich erwünscht. Bisher sind 115 Objekte online.


Auch aus Sicht des Deutschen Historischen Museums (DHM) entsteht gerade ein neues Sammlungsgebiet. Für das DHM ist ausschlaggebend, was mit Blick auf längere historische Entwicklungslinien zu bewahren wäre. Objekte

+++ RAN D N OT I Z

wie die Pestmasken erinnern im Museum an vergangene Epidemien, die Bekämpfung von Krankheiten oder die Aus­ grenzung von Kranken. Insofern könnten zum Beispiel Schutzmasken und die damit verbundenen Geschichten aufschlussreich sein. Allerdings kann die Pandemie nicht mit Epidemien früherer Zeiten verglichen werden. Heute ist das populäre medizinische Wissen ungleich größer.

O H N E S H U T D OW N I N S MUS E UM – TA I WA N

Die bisher gesammelten Dokumente und Objekte zeigen, dass die Corona-Krise trotz aller Unsicherheiten auch die Kreativität fördert. Es gibt wunderbare Kuriosi­ täten und berührende Einsendungen. So machte sich der kleine Flip, der untröstlich war, seinen heiß ersehnten siebenten Geburtstag nicht feiern zu dürfen, mit einer Zeichnung Luft (MEK-Sammlung). Dem bayerischen Museum Erding wurde ein Mobile angeboten, in dem gehäkelte Coronaviren einen wollenen Erdball umkreisen. Noch hängt das Mobile im Wohnzimmer. Als Museums­ objekt wird es vielleicht irgendwann zum Botschafter unserer Zeit. Noch nie ist es so einfach gewesen, Alltagsgegen­ stände zu sammeln und vor allem zu dokumentieren. Doch das berührt weitreichende Fragen der Sammlungspraxis. Das Londoner Verkehrsmuseum (LTM) entwickelte ange­ sichts der besonderen Umstände kürzlich ein »Contempo­ rary Collecting Ethical Toolkit«, das Museen helfen soll, die ethischen Aspekte beim Sammeln zeitgenössischen Mate­ rials zu berücksichtigen. Darin heißt es zum Beispiel: »Tun Sie nichts, was die Krise verschlimmert, von der Notfall­ reaktion ablenkt oder diejenigen, die daran beteiligt sind.« Bilder der typischen Pestmasken sind aktuell wieder allen geläufig. Was wird wohl für künftige Generationen die Bildikone der Corona-Epidemie und wird sie in irgendeinem Museum zu bestaunen sein?

W E I T E R E I N F O R M AT I O N   blog.smb.museum/collectingcorona-einsammlungsaufruf-des-museums-europaeischer-kulturen   sammlung-online.stadtmuseum.de   www.wienmuseum.at/de/corona-sammlungsprojekt   www.museumsassociation.org

Maskenkleid, Berlin, 16.04.2020, Baumwolle und Gummiband, genäht. Einsendung zum Aufruf »BerlinJetzt!« des Stadtmuseums Berlin. © Jacqueline Hagenstein Kommentar: »Das Foto ist am 16. April 2020 entstanden, nachdem ich ca. 100 Masken produziert habe. Eigentlich bin ich Modedesignerin, habe aber aufgrund des hohen Bedarfs an Gesichtsmasken meine Produktion umgestellt. Nach der relativ eintönigen Herstellung der Masken konnte ich meinem kreativem Drang nicht widerstehen und habe dieses Haute Couture Kleid an der Puppe drapiert.«

Wer die Debatte über mögliche Wiedereröffnungen der Museen hierzulande verfolgt, wird mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass die Kunstmuseen in Taiwan keinen einzigen Tag geschlossen waren. Verantwortungs­ los in Zeiten von Covid-19? Lediglich strenge Regeln am Museumseingang weisen auf die weltweite Krise hin. Das Museum of Contemporary Art (MOCA) in Taipei beispiels­ weise führt Fieberkontrollen durch. Dann dürfen die Besucher mit Mundschutz und unter Einhaltung des Mindestabstands ins Gebäude. Bedingung ist allerdings auch, dass jeder seine Kontaktdaten hinterlässt. Danach steht dem Kunsterlebnis nichts mehr entgegen. Wie ist das möglich bei der geografischen Nähe zu China? Die taiwanische Regierung erkannte früher als alle anderen, wie ernst die Lage war, und reagierte bereits im Januar energisch. Jeder Einreisende aus China musste für zwei Wochen in Quarantäne. Bereits Anfang Februar wurde die Grenze zu China gänzlich dicht gemacht. Zeit­ gleich kurbelte die Regierung die heimische Produktion von Schutzkleidung und Gesichtsmasken an. Öffentliche Einrichtungen, Schulen und Geschäfte blieben dadurch bis heute geöffnet, einen Shutdown gab es nicht. Die drastischen Maßnahmen zahlten sich aus: Bis Anfang Mai registrierte die Johns Hopkins University für den Inselstaat lediglich 429 Infizierte und 6 Tote – und das bei fast 24 Millionen Einwohnern. — MAS

Foto: MOCA Taipei


WAS WIRD?

HALT AUF FREIER STRECKE Mehr Solidarität? Mehr Überwachung? Kunst, die der Gesellschaft und nicht dem eigenen Marktwert dient? Ein kurzer Streifzug durch aktuelle Zukunftsdebatten.

VO N

JULIANE WIEDEMEIER

Die Menschheit wird überleben. Kunst und

Extreme denkbar, lässt sich an der lau­fen­

»Vielleicht war der Virus nur ein Sendbote

weitergehen. Die Frage ist nur: wie?

den Debatte ablesen. Alles dazwischen aber

aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft

auch.

lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu

Alltag in Deutschland, Europa und der CORONA ISSUE

Daraus entwickelt Horx als Fazit:

Kultur werden überleben. Das Leben wird Seitdem das Corona-Virus den

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Als Folge der Corona-Krise sind beide

Matthias Horx hat beschlossen, auf

dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden.

Welt schrittweise zum Erliegen brachte,

Optimismus zu setzen. »Die Welt nach

Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung,

erscheinen neben aktuellen Infektions­

Corona« ist eine auf seiner Webseite

in der es keine Zukunft gibt. Aber sie kann

zahlen und Diskussionen über das Für und

erschienene Kolumne überschrieben, für

sich neu erfinden.«

Wider der Maskenpflicht stetig Essays

die der Zukunftsforscher das Mittel der

mit Zukunftsszenarien in den Medien.

Regnose nutzt. Anders als die Prognose

Was für den Zukunftsforscher ein Kann ist, ist für Mely Kiyak ein Muss. Eine mög­

Unsere globalisierte Gesellschaft wurde

blickt diese nicht aus der Gegenwart in die

lichst rasche Rückkehr zum Zustand vor der

zu einer Vollbremsung gezwungen und

Zukunft, sondern aus der Zukunft zurück

Krise? Auf keinen Fall, meint die Schrift­ stellerin und Journalistin in ihrer Kolumne

auf unbestimmte Zeit zum Halt auf freier

in die Gegenwart. Horx versetzt sich dafür

Strecke verdammt. Dieser Stillstand lässt

gedanklich in den September 2020 und ver­

bei »Zeit Online«. Von der Flüchtlings­

sich für ein Innehalten und Ändern des

merkt in der Rückschau von dort auf das

politik bis zur grotesken Überproduktion

Kurses nutzen. Krise als Chance! Frühere

Frühjahr: Aus körperlicher Distanz wurde

von Waren und dem damit verbundenen

Pandemien haben uns schließlich auch

neue Nähe. Die gestresste Menschheit kam

Massenkonsum: »Wenn das Normalität

Errungenschaften wie die Kanalisation oder

zur Ruhe und entdeckte ausgiebige Spazier­

ist, zu der zurückgekehrt werden soll, dann

das Ritual des Händewaschens gebracht.

gänge und gelebte Solidarität für sich. Statt

bitte lieber nicht. Dann soll nach der Krise

Oder Krise als Weg in den Abgrund? Der

der zuletzt viel gepriesenen künstlichen

lieber alles anormal werden«, so Kiyak.

11. September hat zwar kurzfristig zu viel

bewährte sich die human-soziale Intelligenz.

Anerkennung für die New Yorker Feuerwehr,

Zudem erfuhr die Digitalisierung einen

Turbokapitalismus und sozialer Ungerech-

Doch wie könnte die Abkehr von

auf längere Sicht aber zu mehr Terror in der

Schub und bestand flächendeckend den

tigkeit gelingen? Das liegt ganz in unserer

Welt sowie zum Aufbau eines flächen­

Praxistest. Die Ökonomie bewies derweil,

Hand, schreibt Yuval Noah Harari. Der

deckenden Überwachungsnetzwerks

wie stark sie schrumpfen kann, ohne dass

israelische Historiker und Autor der Best­

geführt.

es zu einem Zusammenbruch kommt.

seller »Eine kurze Geschichte der Mensch­


Rechts Sorry, we are closed: Anastasiia Chepinska via Unsplash

heit« und »Sapiens« hat seine Gedanken in

Regierung für ihre Entschei­dungen zur Ver­

mus handeln. »In der Kunst geht es nicht

einem Beitrag formuliert, der in deutscher

antwortung zu ziehen.«

um Professionalität, Effizienz, Versicherung

Übersetzung unter anderem in der »Neuen

Weg vom Neoliberalismus, hin zum

und Sicherheit. Es geht um Exzentrik, Risiko,

Zürcher Zeitung« erschien. »Die Mensch­

Solidarindividualismus: Die zitierten Vor­

heit muss eine Entscheidung treffen. Gehen

denker verlangen drastische Umwälzungen,

Wenn schon Umbruch, dann auch

wir den Weg der Zwietracht oder wählen wir

die die Gesellschaft neben der Bewältigung

richtig! Eine gewisse Freude an Unter­

Widerstand und Adaption.«

den Pfad der globalen Solidarität?«, fragt

der Pandemie mal eben meistern soll.

gangsszenarien zeichnete die Menschheit

Harari. »Wenn wir uns für die Zwietracht

Allerdings scheint die Zeit für radikale

schließlich schon immer aus. Viele Beispiele, von der Bibel bis zu »The Walking Dead«,

entscheiden, verlängern wir nicht nur diese

Änderungen gerade besonders günstig.

Krise, sondern verursachen in Zukunft wohl

Sogar die liberale britische Wirtschafts­

hat die Journalistin und Feministin Laurie

noch weit schrecklichere Katastrophen.«

zeitung »Financial Times« fordert in einem

Penny für das US-amerikanische Technik-

Gemeinsam könnte die internationale

Leitartikel mehr Sozialstaat und damit

Magazin Wired zusammengetragen. Ihr

Gemeinschaft hingegen Mittel gegen die

politische Einmischung in wirtschaftliche

Fazit bildet die Überschrift ihres Artikels:

Krankheit entwickeln, sich gegenseitig

Belange. Selbst bislang als exzentrisch

»This Is Not the Apocalypse You Were

Beatmungsgeräte wie medizinisches

abgetane Maßnahmen wie ein bedingungs­

Looking For«. Tatsächlich hatten wir uns

Personal leihen und mit Corona auch gleich

loses Grundeinkommen oder eine Vermö­

die Apokalypse anders vorgestellt. Statt

den wieder aufkeimenden Nationalismus

genssteuer gehörten diskutiert, heißt es.

von Will Smith mit der Pumpgun werden

bezwingen. Darüber hinaus treibt den Wissen­

Derartige Debatten zu begleiten,

wir heute von Krankenpflegerinnen, Super­

Fragen zu stellen, zu verstören – das alles ist

markt-Kassierern und den Herstellern von

Aufgabe von Kunst. Diesem Aspekt widmet

Toilettenpapier gerettet. Nun zu erkennen,

schatten des Kampfes gegen die Pandemie

sich der US-amerikanische Kunstkritiker

wer für das System wirklich relevant ist,

staatliche Überwachung etabliert. Den

Jerry Saltz in einem Beitrag für das digitale

sieht Penny als Chance. Für sie steht fest:

Schutz persönlicher Daten und das Recht

Kulturmagazin »Vulture«. Das Virus töte

Nach Corona wird nichts mehr sein, wie es

auf Privatsphäre sieht er damit bedroht.

sicher nicht die Kreativität. Aber für viele

war. »It’s the end of the world as we know it,

Als abschreckendes Beispiel nennt er China,

Künstler sei es eine existenzielle Bedrohung,

and everything does feel fine«, zitiert sie

wo das totalitäre Regime per Smartphone-

schreibt er. Schon vor der Krise war deren

einen Song von R.E.M. Allerdings möchte

App Gesundheitsdaten, Bewegungsprofile

Lage prekär. In einer düsteren Vision sieht

sie »fine« dabei nicht mit »gut«, sondern

schaftler die Sorge um, dass sich im Wind­

und soziale Kontakte sammelt. »Selbstver­

Saltz am Ende nur Mega-Galerien und auf

mit »fein« oder »zart«, so wie Glas oder

ständlich sollten wir auch die neuen Tech­

Kommerz getrimmte Auktionshäuser als

Porzellan, übersetzt wissen. Denn unsere

nologien einsetzen, aber sie müssen die

eine Art Kakerlake der Kunstwelt überleben.

Welt sei fein. Fragil. Schützenswert.

Bürger ermächtigen«, meint Harari. Er über­ wache bei sich gern Körpertemperatur und

Das Mantra des stetigen Wachstums

Corona hat uns, unseren Alltag und

als Antwort auf alle Herausforderungen

alle Gewohnheiten auf Werkseinstellung

Blutdruck, wenn diese Werte nicht den All­

hätte sich in den vergangenen Jahren leider

zurückgesetzt. Damit etwas anzufangen

machtsfantasien einer Regierung in die

auch in der Kunstwelt etabliert, meint Saltz.

und die großen Ideen auf konkrete Hand­

Hände spielten. »Im Gegenteil, die Daten

Um ihrer selbst, aber auch um ihrer Rolle in

lungsfragmente herunterzubrechen, liegt

sollten mich dazu befähigen, dank mehr

der Gesellschaft willen müsse sie nun ihren

an uns.

Information bessere Entscheidungen für

wahren Kern wiederentdecken und gegen

mich selber zu treffen und auch die

die Regeln des fortgeschrittenen Kapitalis­


WER ZAHLT?

ES FE HLT D AS UNMITTELBAR E EINES KUL TURER LEB NISSES

CORONA ISSUE

VO N

K L AUS L E D E R E R Senator für Kultur und Europa und Bürgermeister von Berlin

Berlin war schnell: Um die Gefahren der Virusausbreitung zu minimieren, haben wir sehr früh Bühnen, Museen und Gedenk­ stätten für den Besucherverkehr komplett geschlossen, wenig später auch die privaten Kulturorte. Dies geschah im Bewusstsein, was das für viele Kulturstätten, Clubs und die überwiegend soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler bedeutet: den kompletten Verlust von Einnahmen und damit verbunden existenzielle Nöte. Zeit­ gleich begannen wir, Maßnahmen zur Soforthilfe für die Betroffenen zu planen – schnell und unbürokratisch musste diese sein und den Besonderheiten unserer

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bunten Kulturlandschaft gerecht werden. Das Berliner Soforthilfeprogramm II gewährte einen Zuschuss in Höhe von 5000


Euro für Künstlerinnen und Künstler. Anders als die Soforthilfen des Bundes durfte das Geld auch für die Sicherung der persön­ lichen – und nicht nur der wirtschaftlichen – Existenz genutzt werden. Rückmeldungen sagen uns, dass dies vielen geholfen hat, die Miete und Lebensnotwendiges zu bezahlen. Berlin hat zudem ein Soforthilfepaket IV

+++ RAN D N OT I Z WIE GEHT ES DEN BERLINER BÜHNEN?

beschlossen, das dem besonders wichti­gen, aber kleinteiligen privaten Kultursektor der

Nicht nur die Berliner Museen, Gedenkstätten und Aus­

Stadt Rechnung trägt: Als Wirtschafts­

stellungshäuser mussten von einem auf den anderen Tag

betriebe organisiert, arbeiten diese Kultur­

schließen. Auch die Berliner Theater, Konzert- und Opern­

betriebe oft nicht renditeorientiert. Wegen

häuser sind von den Maßnahmen zur Eindämmung von

des ausbleibenden Publikums ist dieser

Covid-19 betroffen. Anders als bei den Museen gibt es für

Bereich existenziell getroffen und wird wohl

die Bühnen Berlins jedoch erst ab Anfang August wieder

am längsten mit den Folgen zu kämpfen

Lichtblicke, für das Publikum real öffnen zu können.

haben. Das Soforthilfepaket IV in Höhe

Die kulturelle Vielfalt unserer Stadt bleibt bis dahin vieler­

von 30 Millionen Euro bietet kleinen und

orts sichtbar beschränkt. Um den Kulturschaffenden in

mittleren Unternehmen im Medien- und

dieser oft existenzbedrohenden Zeit dennoch Öffentlich­

Kulturbereich, auch privaten Museen,

keit und Aufmerksamkeit für ihre Produktionen zu ver­

finanzielle Unterstützung.

schaffen, wurde die Plattform Berlin(a)live Ende März

Und für die von uns geförderten Pro­

gelauncht. Hier werden Live-Angebote wie Diskussionen,

jekte haben wir uns auf eine Verfahrens­

Performan­ces, DJ-Battles, Opern sowie Konzerte und

vereinfachung im Zuwendungsrecht

Vernissagen im Netz zusammengetragen und verlinkt.

verständigt. Dies befreit Künstlerinnen und

Auf Berlin Bühnen, dem gemeinsamem Online-Portal der

Künstler von Unsicherheit und Sorge. Es ist also genug zu tun, wenig Zeit für

Berliner Bühnen, werden auch jetzt alle Informationen zu Theater, Tanz, Oper, Show, Konzerten, Performances und

Homeoffice – selbst in Zeiten von Telefon­

Festivals tagesaktuell recherchiert und kommuniziert.

konferenzen ist der direkte Austausch nicht

Der digitale Spielplan wird nach der Wiedereröffnung der

zu ersetzen.

Häuser weiterhin über die neuen Formate und Angebote

Extrem beeindruckt bin ich von der

der Berliner Bühnen informieren. Bis dahin werden wir

Kreativität der Berliner Kulturszene, von

wohl solche Momente vermissen: die Lichter, die Polster­

der Solidarität untereinander. Die Balkon-

stühle, die Künstler auf der Bühne; die Ahnung des

Konzerte, die Angebote auf Plattformen wie

wuseligen Betriebs hinter den Kulissen, die Vorfreude auf

»Berlin(a)live« (berlinalive.de) oder »United

die nächste Premiere. — CS ­   www.berlinalive.de

We Stream« (unitedwestream.berlin) sind großartig, ebenso die Möglichkeit zu

www.berlin-buehnen.de

spenden, direkt Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Die Digitalisierung im Kulturbereich erfährt gerade, wenn auch notgedrungen, einen Schub, von dem nach Corona etwas bleiben muss. Aber ja, es fehlt das Unmittelbare eines Kulturerlebnisses. Das gestreamte, ganz großartige Wohnzimmerkonzert des Pianisten Igor Levit beispielsweise würde ich gern noch einmal mit vielen anderen Menschen in einem Konzertsaal erleben. Ich vermute allerdings, dass diese Art Kulturerlebnis nicht so schnell möglich wird.

ICH WILL MEHR DIGITAL!

EAM IM STR T, E UND T L – LIV ZERT, BALLE A IT IG , KON LAN D SPIELP HR THEATER E F Ü R M N D S H OW! OPER U

Dass es mit Museen und Ausstellungen jetzt wieder losgeht, freut mich umso mehr.

Ein Gemeinschaftsprojekt der Berliner Bühnen mit

BERLIN-BUEHNEN.DE

Foto: Petrov Ahner

20200512_ Anzeige-DIGITAL.indd 2

12.05.20 09:05


WER ZAHLT?

EIN GORDISCHER KNOTEN Kommen die Soforthilfen auch bei den Selbstständigen an? Sabrina Apitz vom Kulturförderpunkt Berlin steht Rede und Antwort.

86

CORONA ISSUE

VO N

BORIS MESSING

Der Legende nach passierte Alexander der Große auf

zentrum von Kulturprojekte Berlin, die Antrag-

seinem Feldzug gegen die Perser Gordion, die Hauptstadt

steller in Sachen Soforthilfe. Fragen gab und gibt

des Phrygerreichs. Dort stand ein uralter Streitwagen.

es viele, versichert Sabrina Apitz vom dazugehörigen

Zwischen Deichsel und Joch war ein unentwirrbarer Knoten

Kulturförderpunkt.

aus Seilen geknüpft, und es hieß, wer ihn lösen könne, der

»Wir haben reichlich zu tun, die vielen Anfragen zu

sei Herr über ganz Asien. Alexander zermarterte sich nicht

bearbeiten«, bemerkt sie, vor allem auch, weil sie sich viele

lang das Hirn und schlug den gordischen Knoten einfach

Informationen rund um die Soforthilfe II selbst erarbeiten

mit dem Schwert entzwei. Problem gelöst. Ganz ähnlich

musste. »Ich wünschte, wir hätten von Anfang an einen

ging die Stadt Berlin vor, als es darum ging, den vielen

direkten Draht zur Investitionsbank Berlin gehabt«,

selbstständigen Künstlern und Kreativschaffenden in der

bedauert Apitz.

Corona-Krise unter die Arme zu greifen. Es wurde nicht lang

Auf den ersten Blick schien die Sache klar zu sein:

gefackelt und rasch Geld verteilt, sogenanntes Helikopter-

Ab dem 27. März gab es 5000 Euro, die laut Antrag für drei

Geld. Mit der Soforthilfe II, für die man ab Ende März einen

Monate reichen sollen. Die Senatsverwaltung unterstrich,

Antrag stellen konnte, sollte bedingungslos geholfen

dass jeder Geld bekäme, ganz gleich, wann der Antrag

werden, ohne in ein bürokratisches Klein-Klein zu verfallen.

gestellt würde. Nun, das war ein Irrtum. Bereits am 1. April

Gleich darauf folgte die Verwirrung: Bin ich überhaupt

kam der Stopp, und das Soforthilfeprogramm des Landes

berechtigt, einen Antrag zu stellen? Wofür genau darf ich

Berlin wurde in ein einheitliches Bundesprogramm über­

das Geld benutzen? Und was passiert, wenn ich es fälsch­

führt, das zuvor verwirrenderweise zeitgleich zum Landes­

licherweise beantragt habe? Um den vielen Selbstständigen

programm gelaufen war. Beide Zuschüsse wurden bis

einen Ariadnefaden in die Hand zu geben, der sie sorgenfrei

zum 1. April über dasselbe Formular beantragt. Wer es ver­

aus dem Labyrinth der Zweifel führt – um einmal im Bilde

säumte, die Landesmittel bis zu diesem Termin zu beantra­

zu bleiben –, berät Kreativ Kultur Berlin, das Beratungs­

gen, der bekam auch keine bedingungslosen 5000 Euro.


+++ RAN D N OT I Z D I G I TA L G U T AU F G E S T E L LT VA N G O G H MUS E UM U N D S TÄ D E L MUS E UM Foto: privat

Apitz hat Blitzumfragen der verschiedenen Spartenver­

Die Pforten der Museen sind verschlossen, der Glanz

bände verfolgt und schätzt, dass etwa 20 bis 25 Prozent der

der Kunstwerke verblasst jedoch nicht. Zwar können die

antragsberechtigten selbstständigen Künstler und Kreativ­

Menschen die Kunst nicht mehr direkt bestaunen, aber

schaffenden leer ausgingen. Der entscheidende Unter­

viele Museen auf der ganzen Welt haben ein digitales

schied zwischen den Landes- und den Bundesmitteln liegt

Angebot geschaffen, dass deren Genuss weiterhin

darin, dass erstere, also die 5 000 Euro Zuschuss, auch für

­ermöglicht.

Wohnungsmieten und Lebenshaltungskosten verwendet

Ganz vorne dabei ist das Van Gogh Museum in

werden dürfen. Die Bundesmittel dagegen, die weiterhin

Amsterdam, das über seine Social-Media-Kanäle den

beantragt werden können, sind nur für geschäftliche

Kontakt zum Publikum hält. In einer YouTube-Reihe

Betriebskosten gedacht. Trotzdem war und ist die Soforthilfe II, vor allem das

erklärt eine Expertin im Museum einzelne Kunstwerke von van Gogh. Außerdem gibt es virtuelle Führungen,

Berliner Landesprogramm, ein großer Erfolg. »Die über­

die sich zum Teil sogar durch VR-Brillen erleben lassen –

wiegende Mehrheit der Antragsteller war sehr zufrieden

zumindest für diejenigen, die eine haben. Interaktive Apps

mit der raschen Hilfe«, so Apitz. Das Geld wurde binnen

für Kinder und Jugendliche sowie Briefe und Geschichten

weniger Tage überwiesen. Davon profitierten am Ende

von und über van Gogh sollen den großen holländischen

rund 15 0000 Selbstständige. Einige haben das Geld an die IBB zurücküberwiesen. Sie hatten es doppelt erhalten

Künstler nahbar machen. Das sind nur einige der Online-

oder sind in Teilzeit selbstständig und demnach seit dem

Direktorin Emilie Gordenker hat das Museum in Amster­

31. März nicht mehr antragsberechtigt. Bis zum 30. März

dam gar das größte Online-Fanpublikum weltweit. Davon

Features, die das Museum seinen Gästen darbietet. Laut

konnten auch Teilselbstständige einen Antrag stellen.

konnte van Gogh zu Lebzeiten nur träumen.

Noch immer gibt es viele Unsicherheiten bei jenen, die noch studieren oder denen, die ALG II, also Grund­

in Frankfurt am Main bei den digitalen Angeboten mit­

sicherung, beantragen wollen. Der Kulturförderpunkt und

halten: Unter dem Motto »Ask an Artwork« beantwortet

das gesamte Beraterteam von Kreativ Kultur Berlin, zu

eine Expertin des Museums aus dem Homeoffice regel­

dem auch die Kreativwirtschaftsberatung und Creative City

mäßig Fragen zu einzelnen Kunstwerken. Und in »Art

In Deutschland kann vor allem das Städel Museum

Berlin gehören, geben zu all diesen Kombinationsmöglich­

out of office« präsentiert sich das Museumspersonal

keiten und Fragen Auskunft und und zeigen auf, wie am

ganz persönlich und erzählt, was es vor und während der

besten vorzugehen ist.

Corona-Krise gemacht hat und macht. Wissenschaft­

Sabrina Apitz und ihr Team mussten sich zunächst

lerinnen, Kuratoren, die Museumsaufsicht – alle erzählen

mühsam selbst einen Überblick verschaffen. Das sei ihnen

sie aus dem Homeoffice. Schon vor der Krise war das

zum Glück gelungen. Mit dem Programm der Soforthilfe IV

Städel Museum digital gut aufgestellt. In den vergan­

sei es, auf Grundlage einer engen Zusammenarbeit mit der IBB und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, deut­

Angeboten geschaffen, die von Tablet-Games für Kinder

lich besser gelaufen. Die Soforthilfe IV ist für kleinere und

über aufgezeichnete Künstlergesprächen und Podcasts

mittlere Unternehmen der Medien-, Kultur- und Kreativ­

bis zu van Gogh reichen. — BM

branche gedacht. Darunter fallen beispielsweise Museen, Theater, Konzerthallen oder Produktionsstätten für Film und Fernsehen.

genen fünf Jahren hat es dort eine breite Palette an


CORONA ART

CORONA ART »Die Serie »Aceita?« ist von der Handy­ kamera aus gedacht und läuft seit fünf Jahren. Ich verstehe das Projekt als Tage­ buch und betrachte die neuen Medien als einen demokratischen Raum zur Produktion von Sinnlichkeit. Heute erleben wir alle die Realität der Quarantäne, die durch Covid-19 verursacht wurde. Es lohnt sich aber, daran zu erinnern, dass der über die CORONA ISSUE

ganze Welt verstreuten schwarzen Gemein­ schaft diese Realität seit Langem geläufig ist. Seit der Zeit der Sklaverei leben wir in sozialer Isolation. Unser Körper war immer unser einziges Zuhause, wir haben immer mit Krankheit und Tod kokettiert. Nichts hat sich geändert: Die Körper, die als Opfer auserwählt wurden, sind schwarze Körper. Die Hand, die die Stadt sauber hält, ist die schwarze Hand. Die Hand, die die Wirtschaft am Laufen hält, ist die schwarze Hand. Die Hand, die sich um die Kranken kümmert, ist die schwarze Hand. Die Hand, die für die Menschen­ rechte kämpft, ist die schwarze Hand. Die Hand, die für guten Handel in der Welt sorgt, ist die schwarze Hand … «

Moisés Patrício

88

www.moisespatricio.weebly.com

Instagram @moisespatricio © Moisés Patrício



WAS HILFT?

90

CORONA ISSUE

WAS HILFT?

Foto: Noam Rosenthal


Pickled Cucumbers

S H A N I L E I D E R M A N U N D A N AT B A R A K » B E B A « I M G RO P I US B AU

Das Rezept für unsere berühmten eingelegten Beba-

Die Ernte einzuwecken, War für unsere Vorfahren über

Gürkchen stammt von unserer Chefköchin Anat Barak.

­Jahrhunderte die einzige Möglichkeit, im Winter über­

Die »Pickled Cucumbers« wurzeln in der jüdischen

haupt Gemüse zu essen. Gurken selbst einzulegen, ist

Küche und sind ungemein würzig und knackig zugleich.

kinderleicht – alle Zutaten gibt es im Supermarkt, und

Man kann sie als Mezze servieren, sie schmecken aber

es dauert gerade einmal zehn Minuten. Ein toller Ein­

auch ­köstlich in einem Sandwich oder Salat oder man

stieg in die Welt des Einmachens, in der man auch nach

genießt sie einfach pur als gesunden Snack für zwischen­

Wochen von Geschmacksexplosionen überrascht wird.

durch. Angesichts des beschränkten Warentransports

Am besten geeignet sind kleine und sehr feste Gurken.

dieser Tage mussten wir darüber nachdenken, wie wichtig

Und übrigens: Der Stangensellerie hält die Gurken

die regionale und saisonale Lebensmittelversorgung ist.

über lange Zeit schön knackig.

Z U TAT E N (für ein großes Weckglas) 1 kg kleine Gurken (möglichst fest) 15 Zehen Knoblauch (in Hälften geschnitten) 4 scharfe grüne Peperoni 6 getrocknete Chili-Schoten 400 g Dill 1 Sellerie-Stange

FÜR DIE LAKE Wasser 1 Löffel Salz pro Glas

UND SO GEHT’S Die Gläser auskochen. Das Salz in der entsprechenden Menge Wasser restlos auflösen. Die Knoblauchzehen schälen und halbieren. Gemüse und Dill gründlich waschen. Gurken, Peperoni, Chili, Dill und Knoblauch in die Weckgläser geben. Gleich­ mäßig vermischen und ein wenig zusammendrücken, sodass möglichst wenig Zwischenraum bleibt. Mit der Salzlake auffüllen. Drei Tage an einem dunklen Ort stehen lassen, danach in den Kühlschrank geben, damit die Fermentation unterbrochen wird.


WAS HILFT?

Unsere herrliche Apfeltarte

GERALD GREH C A F É I M K U N S T H AUS DA H L E M

Nach der Schließung des Café K im Georg Kolbe Museum

Leben gerufen, damit es irgendwie weitergeht. Wer helfen

wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten und der zeit­

will, findet den Link auf unserer Webseite (www.cafe-im-

gleichen Neueröffnung des Museumscafés im Kunsthaus

kunsthaus-dahlem.de). Wir wollen endlich wieder loslegen

Dahlem hat uns die Pandemie besonders hart getroffen.

und unsere Gäste mit unseren Leckereien verwöhnen.

Gerade einmal zwei Arbeitsplätze sind geblieben, die

Unsere herrliche Apfeltarte soll Ihnen einen Vorgeschmack

anderen Kollegen sind in Kurzarbeit oder arbeitssuchend

geben. Leider müssen Sie sie vorerst selbst backen.

gemeldet. Wir haben eine Crowdfunding-Kampagne ins

Los geht’s:

Z U TAT E N Mürbeteig für eine Springform von 28/30 cm 200 g Mehl CORONA ISSUE

100 g Butter 80 g Zucker 3 Päckchen Vanillezucker eine ordentliche Prise Salz 1 Ei

F Ü R D E N B E L AG ca. 5 säuerliche Äpfel je nach Größe 1 kleines Glas Aprikosenmarmelade Zimt Puderzucker

UND SO GEHT’S Alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verkneten. Den Teig in einer gefetteten Springform auswalzen, einen kleinen Rand hochziehen und in den Kühlschrank stellen. Äpfel waschen, nicht schälen, sondern nur entkernen und in Spalten schneiden. In den gekühlten Teig in ca. 3 Reihen von außen nach innen, dicht an dicht, stecken und mit etwas Zimt bestreuen. Sind die Schnitze in der letzten Runde zu groß, einfach halbieren. Die Aprikosenmarmelade kurz in der Mikrowelle erhitzen und gleich­ mäßig auf den Äpfeln verteilen. Die Tarte im vorgeheizten Backofen bei 180 °C ungefähr eine Stunde backen. Wenn die Apfel­

92

kanten anfangen, sich zu schwärzen, ist sie fertig. Die Tarte schmeckt tatsächlich besser, wenn sie leicht »angebrannt« ist – also keine Angst vor dunklen Kanten! Sie ist warm wie kalt köstlich und sieht blendend aus bestreut mit Puderzucker. Dazu ist frisch geschlagene Sahne nicht verkehrt. Guten Appetit!


Foto: CafĂŠ im Kunsthaus Dahlem


WAS HILFT?

KULTUR AT HOME Die Redaktion empfiehlt

Juliane Wiedemeier

K U LT U R S TA N D O R T K I S B E K I S TA N Nathan der Weise kommt gerade vom Dixie-Klo und muss sich erst einmal die Hände desinfizieren. Eigentlich soll die Inszenierung von Lessings Klassiker den Kisbeken religiöse Toleranz vermitteln. Doch seitdem ein Toilettenvermieter das Projekt finanziert, steht neben Humanismus Hygiene auf dem Programm. Typisch »DAS INSTITUT – OASE DES

Nadja Mahler

SCHEITERNS«! Für die Serie hat sich der Bayerische Rundfunk ein deutsches Kulturinstitut in einem zentralasiatischen Fantasiestaat samt kurioser Beleg­ schaft ausgedacht. Parallelen zu Goethe-Instituten sind rein zufällig. In Corona-Zeiten hilft das gegen Fernweh und Kulturabstinenz zugleich (abrufbbar bei diversen Streaming-Anbietern).

NEBEL, SCHNEEGRIESEL UND SCHWERES EIS 1880 heuerte Arthur Conan Doyle, der spätere Erfinder von Sherlock Holmes, als Schiffsarzt auf einem Walfänger an und begleitete die Crew

CORONA ISSUE

in arktische Gewässer. Ungemein vergnüglich schildert er die Situation an Bord, die der unseren gar nicht so unähnlich war: wochenlang in den­

Minh An Szabó de Bucs

selben vier Wänden, seltsame neue Hobbys (das Halten einer Meeresschnecke), das Warten auf ­Veränderung (Sichten von Walen) und gelegent­ lich Ausflüge in die Umgebung (Erlegen von Robben). Und während wir mit der Quarantäne im bequemen Zuhause hadern, hieß es da: »Heute dreimal ins Polarmeer gefallen«. Also setzen Sie sich in die warme Sonne, schnappen Sie sich diese unterhaltsame Lektüre und reisen Sie ganz gefahrenfrei in die Kälte des Nordens. Arthur Conan Doyle: »HEUTE DREIMAL INS POLARMEER GEFALLEN«. TAGEBUCH EINER ARKTISCHEN REISE, btb Verlag, München 2015, 14,99 €

IN DIE FERNE LESEN Wer dieser Tage von der Sehnsucht nach fernen Welten übermannt wird, dem empfehle ich das Buch der Fotografin und Autorin Stefanie Schweiger in Zusammenarbeit mit ihrer chinesischen Kollegin Phoebe Hui. Einfühlsam erzählen sie von ihren schicksalhaften Begegnungen mit chinesischen Schamanen, Barfuß-Ärzten, Feng-Shui-Experten und Mönchen. Begleitet werden die berührenden Geschichten von Stefanie Schweigers intimen wie bildgewaltigen Fotografien, für die sie bekannt ist. Stefanie Schweiger und Phoebe Hui:

94

THE MAGIC OF YUANFEN. SEARCHING FOR MASTERS OF HEALING AND ANCIENT CHINESE WISDOM, Kerber Verlag, Bielefeld 2019, 35 €


Gabriele Miketta

G E N E R A L I S I E RT E H E I T E R K E I T S S T Ö RU N G Meine Enkelin hat kürzlich »Peter und der Wolf« für sich entdeckt. Die LP habe ich als Kind schon rauf und runter gehört. Sie hingegen bevorzugt es, wenn Romy Schneider erzählt oder die Londoner Royal Ballet School tanzt. Fantasie ist so kostbar, Humor nicht minder: Maik, der Hund von Ralle, leidet an einer generalisierten Heiterkeitsstörung. Betroffene sind notorisch gut gelaunt. Diese Diagnose stellt Ralles

Paolo Stolpmann

Kumpel, und die beiden »Warten auf’n Bus«. Zwei grandiose Schauspieler laufen in dieser neuen rbbSerie zur Höchstform auf, berlinern authentisch (!), was das Zeug hält, und quatschen so manchen ­Philosophen an die Wand: Unbedingt ansehen!

# T O L S T OY T O G E T H E R

PETER UND DER WOLF LP   bit.ly/3f3TDYd,

Am 17. März 2020 erhielt ich über den Instagram-

Hörbuch  Ballett

Kanal des Verlags A Public Space die Einladung, dem virtuellen Buchclub #TOLSTOYTOGETHER

bit.ly/2Wc0GFI und

beizutreten. Die von mir sehr geschätzte chinesisch-

bit.ly/35hkgnY

»WARTEN AUF’N BUS«

bit.ly/3bRL5S5

amerikanische Autorin Yiyun Li forderte die digitale Gemeinschaft dazu auf, bis zum Sommer gemeinsam »Krieg und Frieden« zu lesen. Die tägliche Dosis gegen den Corona-Koller beträgt 25 Seiten über

Boris Messing

90 Tage. Wann, wenn nicht jetzt, dachte ich und lese seitdem in beglückender Begleitung von Yiyun Lis erhellenden Gedanken und bissigen Anekdoten. Machen Sie auch mit!   www.apublicspace.org/news/detail/tolstoy-together Instagram @apublicplace

JAZZ AND CRIME Auf dieses Juwel bin ich auf der diesjährigen Berlinale gestoßen. Mit der Serie »THE EDDY« beweist Netflix, dass es mittlerweile zu den ganz großen Playern im Filmbusiness gehört – groß im Sinne von künstlerisch wertvoll. Schon die ersten beiden Folgen, die auf der Berlinale liefen, waren an Spannung und Feinsinn kaum zu übertreffen. »The Eddy« ist die Geschichte über einen halbbankrotten Jazzclub in Paris und das verzwackte Leben seiner Protagonisten, eine Mischung aus Thriller, Musical und Familiendrama. Das Besondere daran: Zuerst kam die Musik, dann das Drehbuch. Viele der Darsteller sind Jazzmusiker, die Band spielte beim Dreh stets live. Gemacht für Serienund Jazzliebhaber und solche, die es werden wollen.


WAS HILFT?

WIE KANN J EDER HELF EN? KUNSTPOSTER K AU F E N

GELD SPENDEN Viele Museen rufen direkt

GUTSCHEINE K AU F E N

zu Spenden auf. Die Konto­

Besonders kleine und

Webseiten. Museen, die

privat geführte Museen

als gemeinnütziger Verein

leiden unter der Krise.

organisiert sind, können

Über Online-Plattformen wie helfen.berlin oder

Für 50 Euro ein Werk von Marlene Dumas oder Luc

sogar Spendenbescheini­

KUNSTLOT T E R I E DER UNOFLÜCHTLINGSHILFE SPIELEN

gungen ausstellen.

»HEART – 100 artists.

Künstler spenden Kunst­

startnext.com können Sie

1 mission«: Für 40 Euro

poster an hilfsbedürftige

dafür Gutscheine kaufen,

kann man ein Lotterielos

Einrichtungen. Initiiert

die Sie beim nächsten

erwerben und an der

von der Wolfgang-Tillmans-

Ziehung teilnehmen. Zu

Stiftung »Between

gewinnen gibt es Original­ kunstwerke im DIN-A5-

Bridges«.

daten finden Sie auf den

ein neues Ticket kaufen,

FREUNDESKREISEN UND F Ö R D E RV E R E I N E N BEITRETEN

Format von 100 Künstlern,

helfen Sie doppelt.

Auch ohne Krise sind viele

wie Jenny Holzer und

Museen von der Unter­

Katharina Grosse.

Besuch einsetzen können. Wenn Sie auf das Einlösen verzichten und einfach

CORONA ISSUE

holen und nebenher kulturelle Orte retten: »2020Solidarity« macht’s möglich. Über 50 namhafte

G E N E R E L L G I LT: Jede Hilfe ist willkommen

stützung durch Freundes­ kreise oder Fördervereine

und wird dringend benötigt!

EINTRITTSK A RT E N N I C H T Z U R Ü C KG E B E N

abhängig. Nun gibt es einen

Schauen Sie auf den Web­

zu werden und mit einem

ONLINE E I N K AU F E N

Wenn Sie Ihren Museums­

regelmäßigen Beitrag etwa

Auch wenn die Museums­

liegen, wie Sie zu deren

besuch schon länger

Ankäufe oder Vermittlungs­

shops geschlossen sind –

Erhalt beitragen können.

geplant und bereits eine

angebote zu ermöglichen.

manche Häuser vertreiben

Eintrittskarte oder Führung

Im Gegenzug erhalten

ihre Ausstellungskataloge

bezahlt haben, können Sie

Sie kostenlosen Eintritt,

und Souvenirs auch online

unkompliziert helfen, indem

­Einladungen zu exklusiven

über die Webseite. Stöbern

Sie auf die Rückerstattung

­Veranstaltungen oder

Sie doch einmal!

verzichten.

Sie können sich selbst in

Grund mehr, dort Mitglied

die Arbeit des Museums einbringen. Damit den ­Förderkreisen nicht der Nachwuchs ausgeht, wenden sich einige explizit an Menschen unter 35 Jahren. Eine Übersicht

96

Tuymans ins Wohnzimmer

finden Sie unter museumsportal.berlin.

seiten der Museen, die Ihnen besonders am Herzen


EI N ES F ÜR ALLE – D A S M U SEUM S P O RTA L B ERLIN VO N

G A B R I E L E M I K E T TA

Hunderte geschlossene Museen, Tausende abgesagte Veranstaltungen: So unverhofft der Shutdown die Berliner Kulturlandschaft auch traf, so unmittelbar suchten Institutionen nach Lösungen. Die Situation setzte atemberaubende Energien frei. Auch das Museumsportal als digitaler Spiegel der Berliner Museumslandschaft sah sich vor ganz besondere Herausforderungen gestellt. Die Redaktion begann unter Hochdruck daran zu arbeiten, die entstehenden digitalen Ausstellungs- und Veranstaltungs­ formate tagesaktuell und übersichtlich darzustellen – auch unter dem Aspekt, dass viele Angebote, ergänzend zum analogen Museumsbesuch, Bestand haben werden. Seit dem 4. Mai können die Häuser sukzessive wieder öffnen. Das Museumsportal mit seinen rund 200 gelisteten Berliner Museen, Aus­ stellungshäusern, Schlössern und Gedenkstätten bietet den umfassendsten Überblick, wo, wann und unter welchen Bedingungen Besuche möglich sind. Sämtliche Projekte aus den Berliner Museen unter dem Stichwort »digitales Museum«, neue digitale und analoge Formate, Informationen zu Online-Tickets und Zeitfenster-Buchungen sowie alles, was darüber hinaus für den Museumsbesuch nach der Wieder­ eröffnung relevant ist, auf einen Klick: W W W. MUS E UM S P O RTA L . B E R L I N


Impressum Die Sonderausgabe (zugleich Ausgabe 3/2020) des MuseumsJournals ist eine Publikation der Kulturprojekte Berlin GmbH. Herausgeber Moritz van Dülmen und Corinna Scheller

IMPRESSUM

Chefredaktion Sonderausgabe MuseumsJournal Minh An Szabó de Bucs (MAS) Redaktion Nadja Mahler (NM) Boris Messing (BM) Gabriele Miketta (GM) Corinna Scheller (CS) Juliane Wiedemeier (JW) Projektleitung Paolo Stolpmann Gestaltung Ines Ebel Satz Darius Samek Gesamtherstellung optimal media GmbH Marketing/Vertrieb Till Hurlin, Syri Lenssen, Yvonne Herz vertrieb@kulturprojekte.berlin Telefon (030) 247 49-736 Vertriebskennzeichen A 12947 Anzeigenverwaltung GCM Go City Media GmbH Michelle Thiede thiede@gcmberlin.de Telefon: (030) 233 26 96 10 Ihre Meinung feedback@kulturprojekte.berlin

MUS E E N I N B E R L I N U N D P OT S DA M

N I CHTS M EHR VERPAS S EN! DA S MUS E UM S J O U R N A L I M A B O. J E T Z T G A N Z E I N FAC H B E S T E L L E N ! w w w. m us eum sj our na l . ber l in a b o@ kul t ur proj ek te. ber l in ( 03 0 ) 2 47 49 7 3 6 Si e er h a l ten v ier Ausga ben pro Ja h r f ür 27, 6 0 € ( Ei n zel h ef t : 6, 90 € ). Abo f ür St udierende 2 2 € . Ve rs a nd im Abonnem ent inner h a l b Deut sch l a nds frei. Li e fer ung ins Ausl a nd: 12 € .

2|2020

April – Juni

CORONA ISSUE

Redaktionsschluss 08.05.2020

Museen

geschlossen! s unter: Mehr Info tal.berlin museumspor

temporär

Copyright © 2020 Kulturprojekte Berlin GmbH Klosterstraße 68 | D-10179 Berlin Telefon (030) 247 49-700 Telefax (030) 247 49-710 www.kulturprojekte.berlin ISSN 0933-0593 34. Jahrgang Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wird in den Texten auf das generische Maskulinum zurückgegriffen. Dies impliziert jedoch ausdrücklich keine Benachteiligung der anderen Geschlechter, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechts­ neutral zu verstehen sein.

Museum für Fotografie

Ausstellungen

Ausstellungen

Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980 4. April bis 19. Juli 2020

Dagmar Hartig, o.T., aus der Serie »Plastic World«, 1981. Farbpapier und Collage, 20,3 × 30,2 cm. Leihgabe der Künstlerin. © VG Bild­Kunst, Bonn 2020

deutschen Fotoszene um 1980. Neben der Zeit-

festgeschriebenen Normen zu entziehen, und

schrift bilden die Fotografien aus der Sammlung

verwandte unterschiedliche Stile und Sujets. So

des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe einen entscheidenden Grundstock der Ausstellung, sie werden um weitere bedeutende

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|

Zwischen 1975 und 1985 ereignete sich auf dem Feld der Fotografie Bemerkenswertes: Wichtige Galerien wurden gegründet, die Fotografie

Wolfgang Schulz, Michael, 1980. Silbergelatinepapier, 24 × 30 cm. Privatsammlung. © Wolfgang Schulz

gelangte zunehmend in den Fokus des Kunst-

markts und das Sammeln und Ausstellen von

Fotografien in Museen war nicht länger eine Ausnahmeerscheinung. Ihren ersten großen Auf-

rechts: Miron Zownir, Berlin, 1980. Silbergelatinepapier, 30 × 40 cm. Leihgabe des Künstlers. © Miron Zownir

tritt hatte die Fotografie auf der sogenannten

Transsexuellenszene Berlins. Diese Bildstrecken

Heinrich Riebesehl erkundete in der dokumenta-

spiegeln sein Interesse am Nichtetablierten, an

rischen Serie »Agrarlandschaften« die norddeut-

Subkulturen und an Menschen, die am Rand der

schen Landstriche. Wilhelm Schürmann näherte

Gesellschaft leben. Die Fotoszene um 1980 war größtenteils

sich in ähnlich nüchterner Weise einem hochin der Steinhammerstraße in Dortmund. Diese

ren zu, und er porträtierte Mitglieder der Foto-

Arbeiten werden ergänzt von Bildern urbaner

stellt: Als eine der wenigen Künstlerinnen der

szene, die bei ihm ein und aus gingen.

subjektiven Thema, dem Ort seiner Kindheit

männlich, in 147 Portfolios der Zeitschrift »Fotografie« wurden nur 24 Fotografinnen vorge-

Landschaften und Wohnarchitekturen. Riebe-

Zeit arbeitete Dörte Eißfeldt mit Fotografie und

Die ausgewählten Werke geben Einblick in

sehl und Schürmann suchten ihre Motive in der

Film. In ihrer Dia-Installation »Dunkelrücken«,

nen es, genauer betrachtet zu werden. Die von

das breite künstlerische Schaffen der 1980er-

sie umgebenden bundesrepublikanischen Wirk-

ihnen gewählte Mischung aus Bildern und Tex-

Jahre. Die Auswahl orientiert sich an den in

lichkeit. André Gelpke erkundete in der Serie

ten ist eine bedeutende Quelle zur Erkundung

»Fotografie« veröffentlichten Bildstrecken und

»Sex Theater« das Rotlichtmilieu im Hambur-

eigene Werke, Fundstücke und Schnappschüsse

jener fotografischen Szene, die um 1980 mit

ist damit fraglos auch den Vorlieben des Heraus-

ger Amüsierviertel St. Pauli. Er verstand die Ero-

zu einer Bild-, Ton- und Textcollage. Ihre Position

gebers geschuldet, der sich weder für den Kreis

tiktheater als Spiegelbild der Gesellschaft und

Nachdruck an der Etablierung der Fotografie als

Pop on Paper

tionen seien hier exemplarisch hervorgehoben:

»Unterholz« wandte er sich dem Unspektakulä-

genden Autorinnen und Autoren sowie der Foto-

John Heartfield

te aber auch eine streng dokumentarisch anmutende Typologie von Scheunen. Mit der Serie

lung geführte Zeitzeugeninterviews ergänzt.

grafinnen und Fotografen der Zeitschrift verdie-

MUSEUM DIGITAL

folgte er etwa bei seinen Irland-Bildern der erzählerischen Tradition der Bildreportage, erstell-

Positionen sowie um vier eigens für die AusstelDie Leistungen des Herausgebers, der beitra-

die zum Abschluss der Ausstellung in einer Sonderpräsentation gezeigt wird, kombinierte sie

um Bernd und Hilla Becher noch für Michael Schmidt (Journal S. 76 f.) zu interessieren schien

blikums offenbart. Wolfgang Schulz zeigte auch

lung privater Wirklichkeiten« beschrieb. Von

und bewusst provozieren wollte. Einige Posi-

Miron Zownirs Bilder aus der SM-, Queer- und

Gagern fotografierte Ende der 1970er-Jahre im

die persönlichen Vorlieben ihres Herausgebers Wolfgang Schulz geprägt. Eine konzentrierte Auseinandersetzung mit der Zeitschrift ist eine

als Ort, an dem sich die Doppelmoral des Pu-

ist der »poetischen Fotografie« zuzurechnen, wie

eigenständiger Kunstform arbeitete. Zugleich besitzen die insgesamt 40 Ausgaben auch den Charme des Unabgeschlossenen und sind durch

die Fotografin Verena von Gagern die »Darstel-

»emotionalen Raum« der eigenen Familie. Petra Wittmar verfolgte dagegen ein strenger dokumentarisches Konzept. In ihrer Serie »Spielplät-

Rückkehr zu den Ursprüngen der jüngsten Foto-

ze« wirft sie einen kritischen Blick auf die triste

geschichte in Deutschland, die heute – über-

Atmosphäre der modernen Großstadt. Angela

raschend genug – weitgehend verschüttet ist. Wolfgang Schulz machte es sich nicht nur als einer der ersten zur Aufgabe, eine vollstän-

Neukes Bildstrecken zu den Beerdigungen von Hans Martin Schleyer, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe schließlich sind ein

Mediendocumenta von 1977. Grundlegende wis-

Zu dieser zweiten Gruppe zählte die heu-

dige Sammlung der Gegenwartsfotografie mit

bedeutendes Dokument des »deutschen Herbs-

senschaftliche Literatur zum Medium erschien

te fast vollständig in Vergessenheit geratene

dem Schwerpunkt auf der deutschen Fotogra-

tes« im Jahr 1977. In ihnen wird beklemmende

und eine Vielzahl von Fachzeitschriften wurde

»Fotografie. Zeitschrift internationaler Foto-

fie vorzulegen, sondern war selbst auch ein be-

Zeitgeschichte festgehalten.

gegründet. Hierzu gehörten sowohl Periodika,

kunst« (später »Fotografie: Kultur jetzt«), die

merkenswerter Fotograf. Die Ausstellung zeigt

die seither den wissenschaftlichen Diskurs be-

zwischen 1977 und 1985 von Wolfgang Schulz

zum ersten Mal überhaupt seine Arbeiten aus

Reinhard Matz, Esther Ruelfs,

stimmten, als auch Journale, die sich an ein brei-

herausgegeben wurde. Sie ist Ausgangspunkt

der Zeit um 1980. In seiner Tätigkeit als Foto-

Steffen Siegel und Bernd Stiegler

eines Versuchs zur Bestandsaufnahme der west-

graf wie als Redakteur versuchte Schulz, sich

Die Autoren sind Kuratoren der Ausstellung.

teres Publikum richteten.

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m u s e u m f ü r f oto g r a f i e

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M U S E U M S º O U R N A L 2/2020

M U S E U M S º O U R N A L 2/2020

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