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Thema Energie: Seethermie
Ein ungehobener Schatz
SEETHERMIE | Während die Nutzung der Geothermie als CO2- und emissionsfreie Wärmegewinnung schon recht weit fortgeschritten ist, ist das Thema Seewärme noch weitgehend unbekannt. Dabei liegt in den tiefen Seen rund um die Alpen ein schier unerschöpfliches Energiepotenzial. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich reden von einem „ungehobenen Schatz “ .
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So gehen Experten davon aus, dass allein mit der Energie aus dem Bodensee bei nur geringen Auswirkungen auf die Temperatur des Seewassers alle Haushalte in den Anrainerstädten mit Wärme versorgt werden könnten. Insbesondere in den Gemeinden am Schweizer Bodenseeufer werden die Weichen für den Bau von Seethermieanlagen neu justiert, um Wärmeverbünde auch für Privathaushalte aufzubauen. Konkret geht es um Kommunen im Kanton Thurgau mit 14 interessierten Gemeinden. Initiiert von den Thurgauer Elektrizitätswerken EKT sollen im Rahmen dieses Projektes an fünf verschiedenen Orten Werke für Seethermie erstellt werden. Dafür wird derzeit an einer Anschubfinanzierung gearbeitet.
Auch auf deutscher Seite schreiten die Planungen voran: so wurden in Meersburg und in Langenargen Potenzial-Analysen erstellt. Aber allen Projektierern beidseits des Sees ist klar: Billig wird es nicht. Der Bau von Seethermie-Kraftwerken ist kostspielig und eignet sich nur für Wohnviertel, Firmen, Fabriken oder Hotels in Ufernähe. Ist es jedoch einmal installiert, sind die Kosten für Unterhalt und Wartung verglichen mit konventionellen Kraftwerken klein. Zudem braucht eine solche Anlage wenig Platz und – in heutigen Zeiten ein nicht unwesentlicher Faktor – kann eine Region zumindest teilweise eine energetische Selbstständigkeit erreichen. Nach Zählung der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee werden am Seeufer aktuell 20 meist kleinere Anlagen zur Wärme- oder Kältegewinnung genutzt, teilweise schon sehr lange. Die Universität Konstanz nutzt seit 1972 Seewasser zum Kühlen ihres Rechenzentrums. Das Kongressund Tagungszentrum Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen holt sich sowohl Wärme als auch Kälte aus dem See. Das Prinzip Seewärme-Nutzung
Von den Seethermieanlagen aus wird in einer Tiefe von 20 bis 40 Metern Wasser aus dem See gepumpt. Die Energie des vier bis zehn Grad Celsius warmen Seewassers wird über einen Wärmetauscher auf ein Kältemittel in einen separaten Kreislauf übertragen. Ohne mit diesem Kältemittel in Kontakt zu kommen, wird das Wasser anschließend wieder in den See geleitet. Die dadurch entstehende leichte Abkühlung des Sees in den Wintermonaten wird vom Institut für Seenforschung der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Langenargen als positiv bewertet. So könne dem Trend zum Temperaturanstieg der Seen und dem damit einhergehenden früheren Einsetzen der thermischen Schichtung gegen Ende des Winters entgegengewirkt werden. Auch im Sommer wäre trotz der leicht steigenden Wassertemperaturen die Nutzung von Seewasser ohne negative Auswirkungen auf das Ökosystem möglich, wenn strenge Vorgaben eingehalten werden.
Nachdem die Seewärme im Wärmetauscher an das Kühlmittel abgeben wurde, zirkuliert dieses in einem geschlossenen Kreislauf. Beim Durchlaufen eines Kompressors erhöht sich die Temperatur des Kühlmittels weiter. In einem zweiten Wärmetauscher gibt das Kühlmittel die Wärmeenergie an das Heiz- und Brauchwarmwasser ab, kann dort nach Wunsch erhitzt werden und an die angeschlossenen Haushalte weitergeleitet werden. Im Sommer erfolgt dieselbe Systematik, nur umgekehrt, zur Kühlung der Häuser. Die für die Wärmetauscher benötigte nicht unerhebliche Strommenge könnte aus der Region „grün “ zur Verfügung gestellt werden – zum Beispiel aus den Wasserkraftanlagen der Vorarlberger Illwerke.
Die technischen Voraussetzungen sind klar, die ökologischen Belange zum größten Teil ausgelotet. Auch die Pläne sind ausgearbeitet. Es fehlt der nur kleine Schritt zur Umsetzung, der ein großer sein könnte für den Wirtschaftsstandort Bodensee.