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SCHWEIZ

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IM GESPRÄCH | René Walther, Stadtpräsident von Arbon TG, über die Erfolgsgeschichten einer Stadt und künftige wichtige Entscheidungen.

Foto: Leo Boesinger

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»Wir streben eine gute Mischung von Wohnen und Arbeit in der Stadt an, dafür brauchen wir mehr wissensbasierte Arbeitsplätze in Arbon und generell in der Region.«

Herr Walther, Sie sind seit September 2022 Stadtpräsident von Arbon, wie waren die ersten Wochen? Zunächst habe ich mir einen ersten Überblick über Handlungsfelder und Projekte der Stadt Arbon verschafft, als Grundlage für die Entwicklung einer Gesamtstrategie. Danach folgte eine Priorisierung. Die Themenfelder sind vielschichtig, aber ich habe mit dem motivierten Team hier vor Ort schnell zur Zusammenarbeit gefunden.

Gemeinsam mit dem Arbeitgeber- und Gewerbeverband wurde die „Initiative Zukunft Arbon“ lanciert. Was sind die Ziele dieser Initiative? Die Initiative wurde bereits vor meiner Zeit in Arbon initiiert, allerdings noch nicht groß publik gemacht. Es geht um eine Plattform, auf der Arbon als Marke vermarktet werden kann. Die Trägerschaft läuft über einen eigenen Verein mit Vertretenden aus Gewerbe, Wirtschaft und Politik. ON ist ein Teil unseres Stadtnamens – Arb-ON –, in unserem Branding wird die Botschaft „ON“ hervorgehoben und unser Slogan lautet entsprechend „Arbon ist on“. Wir wollen die Erfolgsgeschichten der Stadt in den letzten Jahren, angefangen von der Neuentwicklung von ehemaligen Industriebrachen, die Entstehung moderner Quartiere, den Ausbau touristischer Infrastruktur bis zu dem heute äußerst vielfältigen und großen kulturellen und musealen Angebot stärker kundtun. Diese Botschaft ist noch zu wenig im Bewusstsein der Menschen angekommen, auch in der Stadt selbst. Wir möchten zudem Synergien fördern über die Plattform, Firmenkontakte vermitteln, Investoren mit Interessenten zusammenbringen. Unser Weg soll nachhaltig sein. Es gibt Wegmarken, die erreicht werden müssen. Wir streben eine gute Mischung von Wohnen und Arbeit in der Stadt an, dafür brauchen wir mehr wissensbasierte Arbeitsplätze in Arbon und generell in der Region.

Mit dem noch frischen Blick als neuer Stadtpräsident auf Arbon – was macht den besonderen Charakter der Stadt aus? Arbon ist eine lebendige Stadt am See mit Entwicklungspotenzial und einer jungen Generation, die nach vorne blickt. Aber genauso lebt Arbon die Tradition einer Arbeiterstadt, die den Schmerz von Umbrüchen kennt. Vom Wohnkomfort lebt man in Arbon wie in einer Stadt, dennoch ist alles fußläufig erreichbar, und es gibt eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur. Neben neuen Innenstadtbereichen gibt es einen wunderschönen alten Stadtkern. Die Menschen in Arbon sind sehr interessiert an ihrer Stadt, aber anders als in einer Großstadt kennt man einander hier. In Arbon lebt es sich, so möchte ich es nennen, soft-urban.

Wenn Sie einen Blick in die nähere Zukunft Arbons werfen: Was ist besonders wichtig? Von enormer Bedeutung für die weitere Entwicklung Arbons wird 2023 die Volksabstimmung über die Ortsplanungsrevision zur Anpassung der Raumplanungsnutzung an die kantonalen Bestimmungen sein. Gewisse Bauprojekte, die eines Gestaltungsplans bedürfen, stecken noch fest. Das bremst uns aus. Wir können zwar planen, aber gewisse Projekte sind blockiert. Den Bürgern ist klar, dass die Zustimmung wichtig ist, um Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen. Eine Zustimmung heißt noch lange nicht, dass man dann einfach irgendwo Hochhäuser bauen kann, einen Gestaltungsplan bei einzelnen Projekten wird es

dennoch brauchen. Eine Ablehnung dagegen wäre ein Bärendienst für die Stadt. Aber ich glaube, dass wir Mitte der Legislatur diesen Knoten gelöst haben werden. Bis dahin müssen wir konzeptionelle Grundlagen schaffen, um dann schneller voranzukommen.

Um den Bau von Hochhäusern geht es beim Projekt Riva. Gibt es dort neue Entwicklungen? Das Stimmvolk wird 2023 auch über den Gestaltungsplan Riva abstimmen. Die Arbonerinnen und Arboner haben das Recht zu sagen, ob es damit weitergehen wird oder nicht. Sie entscheiden, ob der Gestaltungsplan in dieser Form an den Kanton eingereicht werden soll, der ihn dann noch bewilligen muss. Für den Bau des Riva ist zudem die Zustimmung zur Ortsplanungsrevision Voraussetzung, beide Abstimmungen finden im Juni 2023 statt. Beim Riva gibt es Befürworter und Gegner, über Architektur lässt sich immer diskutieren. Während der Unterbau auf viel Zustimmung stößt, gehen die Meinungen bei der Höhe der beiden Türme auseinander. Ich selbst sehe mich in der neutralen Rolle als derjenige, der dafür sorgt, dass das Verfahren korrekt läuft. Ein Problemprojekt ist es aber aus meiner Sicht nicht. Die Verfahren sind klar, und die Bürger müssen eine Entscheidung treffen.

Jüngst wurde für das Projekt Altstadt eine Areal- und Quartierentwicklerin eingestellt. Wie geht es dort weiter? Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Altstadt hat die Arealentwicklerin Irina Joller einen Maßnahmenplan erstellt. Die Umsetzung wird sie nun mit einem Team aus Architekten konzeptionieren. Die Vorgehensweise wird sein, jetzt mit einzelnen Maßnahmen zu beginnen. Um an den passenden Standorten damit loszulegen, gilt es dabei die Seeuferplanung und das Thema Seethermie im Blick zu behalten. Das hängt alles zusammen und muss koordiniert werden. Wo der Bedarf am größten ist, muss gehandelt werden, die Gesamtstrategie aber clever sein. Es braucht eine Art Roadmap, die man den Bürgerinnen und Bürgern mitgeben kann.

Stichwort Seethermie: Es wurde eine Machbarkeitsstudie dazu erstellt. Mit welchem Ergebnis? Mit der Studie wurde festgestellt, dass es aus betriebswirtschaftlicher und technischer Sicht möglich ist, einen weiteren Wärmeverbund aufzubauen. Schon jetzt betreibt der Abwasserverband Morgental ein Blockheizkraftwerk, Arbon Ost wird teils über Fernwärme versorgt, und es gibt eine Seewasserleitung der Migros für das Rosengartenquartier. Wir sehen ein großes Potenzial für die Seethermie und könnten ganze Quartiere mit Wärme versorgen. Aber das ist ein riesiges Projekt mit einem Volumen von 30 bis 50 Mio. Franken. Die Stadt müsste es mit einem oder mehreren Partnern in einer Public-private-Partnership aufziehen. Dazu bedarf es zunächst eines detaillierteren Richtplanes. Und dann müsste jemand in Vorleistung gehen. Wir sind in Gesprächen mit möglichen Partnern. Das Potenzial der Seethermie ist eindeutig ein Standortvorteil für die Seegemeinden. Man denke nur an das oft thematisierte Hallenbad im Oberthurgau. Heutzutage ist doch nicht mehr vorstellbar, dies mit fossilen Brennstoffen zu betreiben, sondern nur mit erneuerbarer Energie wie Seethermie. Die liegt direkt vor unserer Tür.

Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten grenzüberschreitender Zusammenarbeit? Wir müssen in gewisser Hinsicht gleich in dreifacher Hinsicht grenzüberschreitend arbeiten. Kantonal im Dreieck mit Romanshorn und St. Gallen, hier sehe ich Arbon, was Wohnen, Arbeit und Kultur angeht, sogar als Motor an. Über die Landesgrenze hinaus arbeiten wir mit Langenargen zusammen, es existiert zum Beispiel die Idee einer Solarfähre über den See. Was die Gewinnung von Fachkräften angeht, muss man auch den deutschen Arbeitsmarkt im Blick haben, insbesondere im Gesundheitswesen. Aber es gibt auch Grenzen innerhalb des eigenen Kantons, da fühlen wir uns oft etwas vernachlässigt.

Welche Rolle spielt der Tourismus für die Stadt? Der Tourismus sorgt für zusätzliches Leben in der Stadt und ist entsprechend wichtig für Geschäfte, Gastronomie und das Beherbergungswesen. Auch international tätige Unternehmen profitieren von einem größeren Angebot an Hotelbetten. Der Tourismus ist zudem ein Grundgerüst für die boomende städtische Kulturlandschaft. Mit dem neuen Historischen Museum des Kantons Thurgau in der Arboner Webmaschinenhalle wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen.

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