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Grenzenlos
Das diesjährige Titelmotiv des Wirtschaftsmagazins Bodensee ist Amour – eine der 22 Tarot-Skulpturen aus Johannes Dörflingers Kunstgrenze zwischen Kreuzlingen und Konstanz. Fotografiert von Achim Mende, irgendwann in den Jahren nach 2007. Viele Kreuzlinger und Konstanzer wohnten, arbeiteten oder tätigten Einkäufe da längst jenseits der Grenze, für die meisten schien der trennende Grenzzaun schon damals wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Dabei war er eigentlich nur eine Episode, wurde doch erstmalig 1939 ein Zaun durch die beiden Städte gezogen und auf dem ab den 1950er Jahren aufgeschütteten Gelände der heutigen Kunstgrenze gar erst 1973. Zuvor war die Grenze zwischen den beiden Städten jahrhundertelang unbefestigt gewesen. 2007 wurde der 280 Meter lange Grenzabschnitt zum Symbol von Offenheit, Grenzenlosigkeit und Kreativität. Eine Barriere, die durch einen begehbaren Ort ersetzt und weit über die Grenzen beider Staaten hinweg zu einem künstlerischen Ausdruck für ein Europa der offenen Grenzen wurde. Und 2020 unfreiwillig zum Symbol für die Krise avancierte.
Zuerst wurde ein Zaun, dann ein zweiter aufgestellt. Er trennte im Frühjahr Familien, Liebende und Freunde. Für die Unternehmen in den Grenzregionen entwickelte sich der Verlust der Personen- und Dienstleistungsfreiheit zu einer einschneidenden Belastung. Der quirlige internationale Wirtschaftsraum Bodensee drohte ins Stocken zu geraten. Beiderseits der Grenzen wurden die Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die sich für eine Grenzöffnung einsetzten, lauter. Wirtschaftskammern aus der Schweiz, Vorarlberg, Baden-Württemberg und Bayern forderten in einer gemeinsamen Erklärung Grenzöffnungen. Schließlich hat die Region, stellvertretend durch das Leitbild der Internationalen BodenseeKonferenz (IBK), andere Ziele: sie strebt an, sich zu einem der wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsräume Europas zu entwickeln. Die verkehrliche Anbindung untereinander soll optimiert, die Raumentwicklung abgestimmt werden. Der gesellschaftliche und kulturelle Austausch soll verstärkt und das gemeinschaftliche Zusammenleben gefördert werden. Dafür braucht man offene Grenzen. Bundesaußenminister Heiko Maas hat mehrfach betont, dass es zu keinen Grenzschließungen mehr kommen wird. Das ist gut so. Denn der Bodensee kann nur dieses Eine sein: Grenzenlos.