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Juni 2018

Die „lost places” und „lost people” der österreichischen Zeitgeschichte Wieder einmal wird ein Gedenkjahr zelebriert – und damit wird in finstere Jahre hineingeleuchtet, die lange im öffentlichen Gedächtnis schamhaft übergangen wurden. Einer, der sich schon seit langem mit diesen dunklen Punkten der österreichischen Geschichte beschäftigt, ist Johannes Sachslehner. Sein Buch „Zwei Millionen ham’ma erledigt: Odilo Globocnik – Hitlers Manager des Todes“ erschien 2014 und entriss einen der schlimmsten Nazi-Verbrecher dem Vergessen; obwohl der in Triest geborene Österreicher eine Blutspur von Polen bis an die Adria zog, wurde er in der heimischen Öffentlichkeit wie ein kleines Licht des Naziregimes behandelt. In „Rosen für den Mörder“ beschreibt Sachslehner mit qualvoller Akribie den Fall Murer – auch hier: ein österreichischer Massenmörder, der nach seiner Entlassung aus sowjetischer Haft auf Grund des Staatsvertrags nach Österreich zurückkehrte und in einem skandalösen Prozess 1963 freigesprochen wurde. Einen Blick auf das große Ganze der Naziherrschaft in Österreich wirft Sachslehner im 2017 erschienen Buch „Das nationalsozialistische Wien: Orte – Täter – Opfer“. Das Buch ist – nicht

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zuletzt auf Grund des Bildmaterials – auch für Jugendliche geeignet, die sich mit den finsteren Jahren der österreichischen Geschichte beschäftigen wollen. Das letztgenannte Buch ist, so wie andere Bücher des Autors, in Koproduktion mit Robert Bouchal entstanden. Der Fotograf, Höhlenforscher, Flieger, Dokumentarist Bouchal begibt sich, oft genug unter gefährlichen Bedingungen, an „lost places“. Diese verlassenen Baudenkmäler ziviler oder militärischer Nutzung lassen oft weitreichende Schlüsse auf die Zeit zu, in der sie entstanden sind. Für Bewohner der Leopoldstadt sei nur auf Bouchals bemerkenswerte Dokumentationen über die Flaktürme im Augarten verwiesen. Bei uns am 7. Juni zu Gast (siehe Seite 4), wird Sachslehner an diesem Abend gewiss auch über andere gemeinsame Projekte mit Robert Bouchal sprechen.

Wir vom Literaturbuffet mögen Bücher – und noch etwas mehr schätzen wir Bücher aus unabhängigen Verlagen und Zeitschriften sowie weitere Projekte, die mit Herz und Liebe und Freude am Werk produziert werden. Deswegen haben wir uns gedacht, wir widmen fortan eine Seite unserer BuchstabenSuppe Verlagen, Zeitschriften und Projekten, die aus unabhängiger Feder gestaltet werden und die wir Ihnen, liebe Kund*innen, gerne vorstellen wollen. Damit Sie diese Seite auch rasch erkennen, haben wir folgendes Symbol dafür gebastelt: Viel Freude damit! Es wird auch gemunkelt, dass es ein begleitendes Gewinnspiel geben soll! Aber das verrät vielleicht in Bälde Ed McMerkat...

Johannes Sachslehner studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. Von 1982 bis 1985 war er an der JagiellonenUniversität in Krakau als Gastlektor für deutsche Sprache und Literatur tätig. Seit 1989 ist er Verlagslektor, außerdem Lehrbeauftragter der Universität Wien. Robert Bouchal widmet sich seit über 30 Jahren der Erforschung und Dokumentation seiner Heimat Österreich. Der Höhlenforscher und Kameramann ist Experte für die Unterwelt von Wien. Die Beschäftigung mit geschichtsträchtigen Orten und deren wissenschaftliche Dokumentation sind ihm ein besonderes Anliegen. Kurt Lhotzky Johannes Sachslehner Molden / Styria Verlag „Zwei Millionen ham'ma erledigt“ Odilo Globocnik – Hitlers Manager des Todes 352 Seiten, EUR 22,00 978­3­222­15020­3 »Rosen für den Mörder« Die zwei Leben des SS­Mannes Franz Murer 288 Seiten, EUR 25,90 978­3­222­15006­7 mit Robert Bouchal Das nationalsozialistische Wien Orte – Täter – Opfer 240 Seiten, EUR 26,90 978­3­222­15002­9

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BUCHTIPPS

Vom See her gesehen werden Bianca Bellová erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte von Nami, einem Buben, der ohne Eltern aufwächst und mehrere Schicksalsschläge erleidet. Da ist der Tod der beiden Großeltern, das Unwissen um seine Herkunft, die Flucht in die Hauptstadt, die Anonymität der Großstadt und irgendwann der Drang zur Rückkehr. Eingeteilt ist dieses Buch in die Kapitel: Ei – Larve – Kokon – Imago. Vom Kind bis zum jungen Erwachsenen, der sich zu einem gewissen Grad gefunden hat und seine Herkunft und daher ein Stück seiner Zukunft kennt. Die zeitliche Einordnung der Geschehnisse ist nicht ganz klar, anfangs gibt es noch die Russen, danach die Tristesse und Hoffnungslosigkeit der ländlichen Gegenden. Die Sprache ist bildreich und manchmal auch sehr hart. Dadurch entwickelt sich eine Spannung, die den Lesefluss stetig vorantreibt. Wir begleiten Nami sowohl bei eher günstigen Schicksalswindungen, als auch bei harten Prüfungen, wenn er etwa in der Großstadt Arbeit sucht und in einer

Schwefelmine landet oder als er von einem neureichen Jungspund aus Langeweile zunächst als Butler engagiert und später von ihm verjagt wird. Aber es gibt auch positive Begegnungen mit den Fischern, die er versteht, weil sein Großvater Fischer war, oder das Treffen mit einer ehemaligen Adligen, die ihn wieder aufzupeppeln und ihm Lebensmut einzuflößen weiß. Es sind Rückschläge aber auch wohlwollende Mitmenschen, die einen Menschen formen. Und manchmal gibt es Begegnungen, die früh passiert sind, die einen nicht loslassen und die unbedingt wieder gefunden werden wollen. Ein Buch, das nicht ganz glatt ist und dadurch bewegt. Clara Felis Bianca Bellová Am See Aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch Kein&Aber 240 Seiten, EUR 20,60 978­3­0369­5778­4

Wer TRUMPelt durch die Welt? Napoleon der KURZe? Oder die MACRONe der Schöpfung? Was ist los in Europa, was ist los in den USA? Von woher kommen die Orbans und Trumps, die Contes und Morawieckis, die Wilders und Straches, die Macrons und Mays? Wieviel Macron ist ein Kurz, und wieviel von Storch ist ein Kickl? Der denkbar unscharfe Populismusbegriff hilft uns kaum weiter und der ebenso oszillierende Links-Rechts-Raster ebenfalls nicht – wer entscheidet, wo der Nullpunkt ist (politisch und/oder moralisch)? 200 Jahre nach Marxens Geburtstag bedienen sich auch Kommentatoren der Springerpresse oder der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gerne aus dem Repertoire der sozialistischen Gründerväter. Schüchtern, aber doch, wird da über Bonapartismus geschrieben, der Abgesang der repräsentativen Demokratie angestimmt. Aber, wie Marx schon so pointiert feststellte: Historische Ereignisse ereignen sich zweimal, das eine Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Und nicht jede Farce ist bekanntlich zum Lachen – peinlich hingegen allemal. Der Dietz-Verlag in Berlin hat dankenswerterweise einen Band unter dem provokanten Titel „Die neuen Bonapartisten“ herausgebracht, der neben einem theoretischen Einführungsteil (der sich mit dem berühmten Text von Marx über den „18. Brumaire des Louis Napoleon“ beschäftigt) Länderstudien u.a. zur Türkei, den USA,

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Frankreich, Italien, Ungarn und Österreich umfasst. Die Herausgeber Martin Beck und Ingo Stützle bürgen für Qualität: der Erstgenannte ist Politikwissenschaftler und Verlagsleiter des Dietz-Verlags, Zweiterer ist geschäftsführender Redakteur der „PROKLA”. Keineswegs darf man aus dem Titel schließen, dass die Autoren der einzelnen Beiträge jede der jeweiligen Regierungen auch als bonapartistisch einschätzen. Charakterisiert man (verkürzt) Bonapartismus als ein Regime, in dem ein „Führer”, stellvertretend für und gestützt auf politisch unbewusste und zersplitterte Zwischenschichten sowie das „Lumpenproletariat”, den Staat als scheinbar neutralen Schiedsrichter über den kämpfenden Hauptklassen positioniert, zeigen sich die analytischen Schwierigkeiten. Wenn man noch den von Engels beigesteuerten Gedanken berücksichtigt, dass der Bonapartismus dann als Retter des Staates auftritt, wenn es ein annäherndes Gleichgewicht der Kräfte der sich befehdenden Hauptklassen (Lohnabhängige und Unternehmer) gibt, sieht man, wie vorsichtig man mit Schubladisieren sein muss. Die Autoren der Länderstudien gehen erfreulich um- und vorsichtig an ihre Themen heran. „Die neuen Bonapartisten” hebt sich damit wohltuend von einer Fülle literarischjournalistischer Schnellschüsse ab. Kurt Lhotzky

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Martin Beck/Ingo Stützler (Hg.) Dietz Berlin Die neuen Bonapartisten Mit Marx den Aufstieg von Trump & Co. verstehen 272 Seiten, EUR 18,50 978­3­320­02348­5


BUCHTIPPS

Bilderbücher für Erwachsene – und Kinder auch, im besten Fall gemeinsam Hundert . was du im Leben lernen wirst Dieses Buch hat ein großes Ziel: uns, den Leser*innen, bewusst zu machen, dass sich unsere ganz persönliche Wahrnehmung der Welt im Laufe des Lebens ändert und uns in Erinnerung zu rufen, dass wir nicht immer alles wussten und auch nie alles wissen und erlebt haben werden. Jedem Lebensalter sind ein bis zwei Seiten und ein Satz gewidmet, dazu manchmal schlichte, manchmal üppige, immer aber sehr prägnante Illustrationen. Für mich ist erstaunlich, welch schöner Bögen sich beim Lesen ergibt, wie feinfühlig Text und Bild ineinander greifen, welch gewichtige Gedanken und Gespräche sich entwickeln können. Beispiele gefällig? 1½: Du lernst, dass deine Mutter wiederkommt, wenn sie weggeht. Das ist Vertrauen. 14: Du lernst, so zu sein wie alle (und dass es dir nicht immer gelingt).

29: Was du noch nicht gelernt hast: dich nicht schlecht zu fühlen, wenn du an einem Samstagabend allein zu Hause bist. 60: Du bist jetzt Sechzig. Aber du fühlst dich nicht so alt wie die Sechzigjährigen, die du als Kind auf der Straße gesehen hast. 75: Du lernst, Dinge zu verlernen ... Im Nachwort erzählt Heike Faller, dass sie für das Buch viele Gespräche mit Menschen jeden Alters geführt hat, immer mit der Frage „was hast du im Leben gelernt?“ Manche Antworten hat sie sogar wortwörtlich übernommen. Und ganz zum Schluss schreibt sie: „Mit Lebenserfahrungen gibt es allerdings ein Problem: Sie klingen hohl, solange man sie nicht mit Erfahrung füllen kann. Eine Art, damit umzugehen, ist, dieses Buch mit einem anderen Menschen anzuschauen, der mehr Erfahrung hat, und gemeinsam darüber zu sprechen, was einige dieser Sätze in dessen Leben bedeuten. Vielleicht abends vor dem Einschlafen, wenn man mit seinen Eltern oder Großeltern über solche Dinge spricht. So jedenfalls habe ich mir das vorgestellt.“ Und ich? Ich kann mir das auch gut vorstellen.

Wer hat die Brücke angemalt? Dieses Buch erzählt die Geschichte der Golden Gate Bridge, insbesondere auch ihrer Farbe und flicht fast schon unscheinbar, aber umso bedeutender, ein, wie wichtig es ist, die eigene Meinung zu sagen und dass Menschen gemeinsam etwas bewegen können. Die Bilder, Collagen genauer gesagt, sind reduziert und schnörkellos, der Text auch, setzt ihnen aber dennoch etwas sehr Poetisches gegenüber. „Auf einmal gab es da etwas, das vorher noch nicht dagewesen war. Die Pfeilspitzen ragten 227 Meter aus dem Wasser. Manchmal sind die Menschen selbst darüber verblüfft, was sie können.“ Wie nebenbei entstehen zwischen den Leser*innen Gespräche über Farben und Farbvorlieben, vielleicht auch darüber, wie Bauwerke entstehen, oder darüber, wie es ist, zu sagen, was man denkt. Ich bin sehr angetan von diesem Buch, von der Schönheit und der Stärke. Ob es allerdings den Kindern auch so gehen wird? Schauen wir einmal! Lena Samek Heike Faller (Text), Valerio Vidalo (Illustration) Hundert. Was du im Leben lernen wirst Kein & Aber 208 Seiten, EUR 20,60 978­3­0369­5781­4 Dave Eggers (Text), Tucker Nichols (Illustration) Wer hat die Brücke angemalt? Aus dem US­Amerikanischen von Peter Torberg Diogenes 104 Seiten, EUR 20,60 978­3­257­01227­9

Besuchen Sie uns im Internet oder bei einer unserer Veranstaltungen! www.literaturbuffet.com – von dort geht's auch weiter zu Facebook und google+. Aber Ihr persönlicher Besuch ist uns natürlich noch lieber! Alle Veranstaltungen finden, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, bei freiem Eintritt in Lhotzkys Literaturbuffet, Eingang Rotensterngasse 2, 1020 Wien, statt. Wir ersuchen aus organisatorischen Gründen um Platzreservierungen!

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VERANSTALTUNGEN

VERANSTALTUNGEN >> Donnerstag, 7. Juni, 19.00 Uhr

Robert Bouchal und Johannes Sachslehner zeigen das Wien der Nazi-Zeit

„Anschluss“ anno 1938: Aus Wien wird „Groß-Wien“, der Parteiund Verwaltungsapparat der Nazis bemächtigt sich der Stadt, die Freiheit, von der im „Jubelsturm“ der Machtübernahme so viel die Rede gewesen ist, entpuppt sich als Unfreiheit, die versprochene „Erneuerung“ endet in Terror und Krieg. Gestützt auf zahlreiche Zeitzeugengespräche zeichnen Robert Bouchal und Johannes Sachslehner ein hautnahes Bild von der Stadt im Zeichen des Hakenkreuzes. Sie besuchen die Orte, an denen sich die Herrschaft des Regimes verdichtete, und erzählen von den Wienern und Wienerinnen: von Profiteuren und Mördern, von Mitläufern und Opfern. Robert Bouchal ist Höhlenforscher, Fotograf sowie Autor und dokumentiert seit über 30 Jahren die geschichtsträchtigen Orte seiner Heimat Österreich. Johannes Sachslehner (Dr. phil.) ist Verlagslektor, Historiker und Autor zahlreicher Bücher zu historischen und kulturhistorischen Themen.

Robert Bouchal & Johannes Sachslehner Das nationalsozialistische Wien Orte – Täter – Opfer 240 Seiten, EUR 26,90 978­3­222­15002­9

>> Freitag, 15. Juni, 19.00 Uhr

Max Neumeyer liest aus seinem Buch „Arbeitslos, leider geil” Max Neumeyer war hoffnungslos überarbeitet. Das hat er sich sicher nicht nur eingeredet. Immer wenn er zur Arbeit fuhr, hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Lebenswert ist das nicht! Für kein Geld der Welt wollte er so weitermachen. Das Gehalt, alle Überstunden inklusive, war ohnehin nah dran an „kein Geld“. Nach einer veritablen Panikattacke, bei der er bereits mit einem resoluten Kapuzenmann mit einer leicht angerosteten Sense in der Hand verhandeln musste, um nicht mitgehen zu müssen, hat er sich entschieden. „Scheiß drauf, ich kündige“, hat er seiner wunderbaren Frau und seinen beiden Hunden gebeichtet. Sie waren einverstanden, unter einer Bedingung: Wenn er arbeitslos ist, darf er sich nicht gehen lassen. Er soll nicht auf der faulen Haut herumsitzen, den ganzen Tag Playstation spielen und Erdnußsnips futtern (er ist eh schon zu dick!). Das ging für ihn in Ordnung, er setzte sich hin und schrieb halt einfach ein zynischehrliches Tagebuch. Wird ja ohnehin nie jemand zu lesen bekommen ...

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Max Neumeyer Karina­Verlag Arbeitslos, leider geil 189 Seiten, EUR 13,90 € 978­3­96111­614­0


VERANSTALTUNGEN

>> Mittwoch, 20. Juni, 19:00 Uhr

Wolfgang Eckard präsentiert: „Sisyphos war erfolgreich … und andere Satiren” Dieses Buch ist eine erfrischende Sammlung heiterer und meist wahrer Kurzgeschichten über alles, was junge Eltern freut und beschäftigt und dem Alltag seine „Alltäglichkeit“nimmt. Sei es das Schlafen, das Zimmeraufräumen, die Schule oder die Pubertät. Von der Geburt bis zum Auszug der Kinder wird sehr selbstironisch über all die spannenden und unterhaltsamen Seiten der Erziehung berichtet. Hier gilt auf jeden Fall: Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Wenn Sie Kinder haben, dann werden Sie kräftig mitlachen, denn es könnte sein, dass es bei Ihnen nicht anders war – oder Sie werden daran erinnert, wie es Ihren Eltern wohl mit Ihnen erging. Wolfgang Eckard Novum Verlag Sisyphos war erfolgreich … und andere Satiren 162 Seiten, EUR 21,90 978­3­99048­594­1

Eine kleine Geschichte der Fotografie – mit großen Vorzügen

Ian Haydn Smith, Herausgeber des Curzonund BFO-Filmmakers Magazins, hat ein intelligentes und extrem nützliches Buch über Fotografie verfasst: “The Short Story of Photography”. „Oh nein, nicht schon wieder eine Geschichte der Fotografie!”, höre ich die Schreckensrufe mancher Leserinnen und Leser. Geduld! Zunächst: Ich habe in den letzten zwei Jahren geschätzt fünf bis acht Überblicksgeschichten der Fotografie gelesen – und in jedem Buch etwas Neues entdeckt. Neue Perspektiven, Anregungen, Gedanken, die mich zum Widerspruch herausgefordert haben – langweilig war das nie. Was kann man sich also von einem mittelformatigen Buch mit 224 Seiten erwarten? Eine ganze Menge, wie Smith beweist. Er vollbringt dieses Wunder durch eine clevere Aufteilung des Buches in vier Abschnitte: Unter „Genres” findet man Erklärungen und Beispiele zum Piktoralismus, dem Fotojournalismus, Street, Akt, sogar die Paparazzi werden vorgeführt

(in jeder Hinsicht!) und noch viele andere Unterkategorien mehr. „(The) Works“ / „Werke“ bringt Beispiele – chronologisch begleiten wir den Autor auf einem Streifzug durch die Fotogeschichte. Teil drei beschäftigt sich mit den „Motiven” – Wetter, Architektur, das Surreale, Texturen, usw. Im letzten Teil geht es um die „Methoden” – von der Camera Obscura über die diversen Entwicklunsgtechniken, Polaroid zu den verschiedenen Schattierungen des Digitalen. Das wirklich Sensationelle aber ist, wie Smith durch ein unerhört kluges System von Querverweisen im Fußteil der Seiten die unterschiedlichen Themen miteinander verknüpft. Man kann das Buch also immer wieder zur Hand nehmen und immer wieder neue Verbindungen herstellen. Sensationell ist auch der Preis: 18,50 EUR. Und wer zurückschreckt, dass es das Buch nur auf Englisch gibt: Eine gute Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse aufzupolieren! Keine Angst, Smith schreibt ein elegantes und gut verständliches Englisch. Kurt Lhotzky

Ian Haydn Smith The Short Story of Photography Laurence King Publishing 224 Seiten, EUR 18,50 9781786272010

!!! Tschuttihefli Tauschbörse !!! jeden Samstag von 11 - 12 Uhr

Ein Sammelalbum ohne Tauschbörse ist wie Sommer ohne Eisessen. Und was sind es nicht für Freuden, das lang ersehnte Pickerl doch noch zu finden oder die eine oder andere Mannschaft fertig zu bebildern. Oder sich darüber freuen, dass noch ein Spielderbypickerl doppelt auftaucht, weil es so schön ist, dass mensch es sich auf das Tagebuch kleben möchte. Ja, dafür sind Tauschbörsen gut. Und sonst jeder andere Besuch bei uns auch! Wir freuen uns schon und zücken freudigst die Tauschlisten. www.literaturbuffet.com | office@literaturbuffet.com | +43 6991 585 16 68

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BUCHTIPPS

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INFORMATIONSBOX: Zunächst gab es die Zeitschrift „Wiener Journal“ seit 1980, Mitte 1980 wird der Verlag Edition Atelier angehängt, 2002 wurde das Journal samt Verlag von der Wiener Zeitung übernommen. 2011 wurde die Edition Atelier von Jorghi Poll und Sarah Legler neu aufgestellt. Schwerpunkte sind Gegenwartsliteratur und verschollene Bücher aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Edition Atelier ist ein Verlag für zeitgenössische LITERATUR, vor allem aus Österreich und dem deutschsprachigen Ausland. Das Programm umfasst Romane und Erzählbände, die Taschenbuchreihe TEXTLICHT präsentiert kürzere literarische Texte junger Autorinnen und Autoren. Als weiteren Programmschwerpunkt geben wir bekannte und/oder zu Unrecht vergessene Literatur des 20. Jahrhunderts heraus. In der BIBLIOTHEK DER NACHT finden sich ausgesuchte Meisterwerke phantastischer Literatur. Zusätzlich gibt es ausgewählte SACHBÜCHER zu literatur- und kulturtheoretischen Themen. Für die LITERATURPASSAGE im Wiener MuseumsQuartier produzieren wir in Kooperation mit der Online-Plattform textfeld südost zwei- bis dreimal im Jahr kleine Anthologien.

Homepage: www.editionatelier.at

ZUM BEISPIEL: Inhalt Die gefeierte Starautorin Vicki Baum verfasste neben Romanen auch zahlreiche feuilletonistische Texte. Kritisch, ironisch und prägnant fängt sie darin den Zeitgeist und die Atmosphäre der Zwischenkriegszeit ein wie kaum eine andere. „Makkaroni in der Dämmerung“ versammelt Vicki Baums Feuilletons erstmals in Buchform: von Mode und Schönheit über Kunst und Kultur, Wien, Hollywood und den amerikanischen Lifestyle bis hin zu (damals) aktuellen sozialpolitischen Themen. Über die Autorin Vicki Baum (geb. 1888 in Wien, gest. 1960 in Hollywood), Schriftstellerin, Feuilletonistin und Drehbuchautorin. 1929 erschien ihr Bestseller „Menschen im Hotel“, der unter dem Titel „Grand Hotel“ verfilmt wurde. Ab 1926 arbeitete sie als Redakteurin im Ullstein Verlag in Berlin, 1932 Emigration in die USA. Ein Jahr später wurden ihre Bücher vom NS-Regime in Deutschland verboten. Über die Herausgeberin Veronika Hofeneder, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Wien; Publikationen zu Gina Kaus sowie zu Literatur und Kultur der Zwischenkriegszeit, forscht derzeit zu Vicki Baum und Baums Beiträgen in Zeitungen und Magazinen. Vicki Baum Makkaroni in der Dämmerung Hg. und mit einem Vorwort von Veronika Hofeneder Mit Übersetzungen von Martin Thomas Pesl 320 Seiten, EUR 25,00 978­3­903005­39­6

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Inhalt Zwei Erwachsene, vier Kinder, ein Museum mit klassischen Gemälden: Was als gewöhnlicher Ausflug beginnt, wird von einem Anschlag im Foyer des Gebäudes jäh unterbrochen. Gemeinsam mit den Museumsbediensteten versuchen die Erwachsenen, Normalität vorzutäuschen, doch mit ihren vorwitzigen Fragen zu den Heiligen und Helden, Märtyrern und Ungeheuern auf den Gemälden machen ihnen die Kinder dieses Vorhaben nicht gerade leicht. Hanno Millesi unternimmt in seinem neuen Roman einen kenntnisreichen und humorvollen Streifzug durch die christlich-europäische Kulturgeschichte und zeigt gleichzeitig die Allgegenwart terroristischer Bedrohung und medialer Hysterie. Über den Autor Hanno Millesi, geboren in Wien; Studium an der Universität und an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Auszeichnungen u.a.: Reinhard-Priessnitz-Preis (2017), Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien, Staatsstipendium für Literatur des BKA. Zuletzt in der Edition Atelier erschienen: Der Schmetterlingstrieb. Hanno Millesi Die vier Weltteile 152 Seiten, EUR18,00 978­3­903005­37­2


BUCHTIPPS

Altes Abendrot leuchtet beständig Der Guggolz Verlag ist ein kleiner, feiner Indie-Verlag aus Berlin, gegründet 2014 von Sebastian Guggolz, der es sich zum Ziel gemacht hat, „Regionen auf der literarischen Landkarte sichtbar zu machen, die häufig nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen“ – er veröffentlicht ausschließlich Autoren aus Ost- und Nordeuropa. Allen mittlerweile 16 erschienen Titeln ist zudem gemein, dass sie Neuübersetzungen und Neuauflagen und mit zahlreichen Extras wie Nachworten, ergänzenden Kommentaren, manchmal sogar Bildern, ausgestattet sind. Die Bucheinbände des Verlags werden mittels Siebdruckverfahren gestaltet, was sie zwar schlicht, aber markant aussehen lässt. „Lied vom Abendrot“ von Lewis Grassic Gibbom ist eine Wiederentdeckung aus dem Norden und wurde kunstvoll aus dem schottischen Englisch von Esther Kinsky übersetzt. Um dem Gefühl, das der schottische Originaltext vermittelt, möglichst nah zu bleiben, bedient sie sich in der Übersetzung des Plattdeutschen. Die vielen alten Wörter und der eigentümliche Satzbau entwickeln beim Lesen eine ganz eigene Atmosphäre. Leicht ist die Sprache nicht immer, ich habe gut 100 Seiten gebraucht, um wirklich in der Geschichte anzukommen, aber es lohnt sich. Das Buch erschien erstmal 1932 als „Sunset Song“ unter einem Pseudonym und die Leserschaft war davon überzeugt, dass es sich, ob der einfühlsamen Beschreibungen weiblicher Empfindungen, um eine Autorin handeln müsse. Umso größer das Erstaunen danach.

Im Mittelpunkt steht Chris Guthrie, die mit ihren Eltern und Geschwistern auf einem bescheidenen Bauernhof in einem kleinen schottischen Dorf aufwächst. Kinraddie, so der Name des Dorfes, sowie dessen exzentrischen Bewohner*innen ist der erste Teil des Buches gewidmet. Danach steigen wir ein in Chris’ Leben, die durch ihre Klugheit die Möglichkeit genossen hat, ein College besucht zu haben. Ihre Zerissenheit zwischen diesen zwei Welten – dem Wunsch nach Bildung und dem Leben am Land – begleitet sie und uns den ganzen Roman über. Innerhalb kürzester Zeit verliert Chris zuerst die Mutter, ihre Geschwister und letztlich auch den Vater, was ihr die Möglichkeit verschafft, den elterlichen Hof zu übernehmen. Die Beschreibungen dieser ersten Freiheit, dem Wendepunkt in ihrem Leben, sind eindrücklich, zart und kraftvoll. Sie gründet eine Familie, versucht aber, sich diese Frei-

heit – und ihre Gedankenwelt – immer zu behalten. Der Erste Weltkrieg beginnt, und mit ihm ändern sich nicht nur die Menschen, sondern auch die Landschaft. „Lied vom Abendrot“ ist also auch eine Geschichte des Vergehens, im persönlichen aber auch im großen Ganzen. Der Roman widmet sich allen Themen des Lebens und verzettelt sich trotzdem nicht, lässt nichts zu kurz kommen. Gibbon gelingen umfassende Beschreibungen, die dennoch persönlich bleiben und Bilder entstehen lassen – von einem herannahenden Gewitter, vom klebrigen Schweiß bei der Feldarbeit, von der Angst tief drinnen, im Leben die falschen Entscheidungen zu treffen. Oder auch der Angst vor den Richtigen. Im Anhang gibt es eine Karte, Anmerkungen, ein Glossar, ein Nachwort und einen kurzen Lebenslauf. Ich bin sehr angetan von diesem Buch und so froh um all diese Zusatzinformationen, die noch mal einen tieferen Blick auf den Roman ermöglichen. Wer also Lust zu einem Leseexperiment hat, sich für Natur und die Eigenwilligkeit von Menschen interessiert, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Lena Samek Lewis Grassic Gibbon Lied vom Abendrot Aus dem Englischen von Esther Kinsky Guggolz Verlag 397 Seiten, EUR 26,80 978­3­945370­15­5

Auf der Suche nach Wahrheit Geschwisterliebe und Geschwisterfehde der besonderen Art – da gibt es Valor, die eine begnadete Bogenschützin ist, und ihre Zwillingsschwester Sascha, ähnlich treffsicher, allerdings mit Worten. Die eine ist ungeduldig, die andere geduldig. Die eine wird vom Königshaus des Diebstahls bezichtigt, die andere lässt sich einkerkern, in dem sie ein Attentat auf den Köngissohn verübt, um ihre Schwester zu befreien. Bei dem Gefängnis handelt es sich um das gefürchtete Tyur'ma, aus dem bislang kein Fluchtversuch geglückt ist – zumindest wurde noch von keiner erfolgreichen Flucht berichtet! Die Suche nach dem Unmöglichen und die Herausforderung für die Schwestern beginnen. Deren Unterschiede erweisen sich mal als Vorteil, dann wieder als Nachteil. So ist eben etwas weder gut oder schlecht, es kommt immer auf die Balance an. Als Nebenstrang gibt es aber auch noch die Königsfamilie, bei der nicht klar ist, wem

getraut werden darf oder welche Person doch ganz andere Ziele verfolgt. Diese und mehr Wendungen werden beim Lesen entdeckt, die Wahrheit bleibt vielschichtig. Eine spannende Geschichte darüber, wie auf unterschiedliche Arten das Ziel erreicht werden kann, selbst wenn dieses Ziel unerreichbar scheint. Etwas Glück, Vertrauen in die richtigen Menschen und in die eigenen Fähigkeiten sowie die Ergänzung durch das Gegenüber sind eine Wegbegleitung, die nicht fehlen darf und die es zum Gelingen braucht. Wer am Ende recht hat, wird sich weisen. Clara Felis Ruth Lauren Valor. Die Verschwörung im Königreich Aus dem Englischen von Maren Illinger Gulliver bei Beltz & Gelberg 320 Seiten, EUR 15,40 978­3­407­74852­2

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DIE LETZTE SEITE

Ed McMerkats letzte Worte Reden wir einmal über Mode. Wie Sie, werte Leserinnen & Leser dieser meiner Kolumne ja eh wissen, entstamme ich einem weitverzweigten Clan weltläufiger Erdmänner und -frauen. Ein Teil meiner fernen Verwandten ist dort geblieben, wo die Wiege unseres Stammhause stand – im sonnigen Afrika. Na ja. Jener Zweig, dem mein Vorgänger in der Redaktion dieser Qualitätszeitung angehört, ließ sich schon früher in mitteleuropäischen Breiten nieder und akklimatisierte sich vollständig. Eine Minderheit dieses Flügels wollte es kühler – sie emigrierte auf die britischen Inseln, machten sich allerdings wenig aus Royals und ließen sich daher im widerspenstigen Schottland nieder. Was das mit Mode zu tun hat? Eine ganze Menge! Denn der Erdmann von Welt ist stets passend zu seiner Umgebung gekleidet, comme il faut, wie mein Cousin Sébastien de Suricat zu sagen pflegt. Daher hopsen meine afrikanischen Verwandten oft genug am Morgen höchstens spärlich (wenn über-

haupt) bekleidet aus ihren Häusern und sonnen sich, bis ihre unbändigen Lebensgeister erwachen; die mitteleuropäischen Verwandten investieren schon mehr ins Outfit: Von Schneeschuhen und Pelzmützen (Webpelz, selbstverständlich!) bis zur schmucken Badehose reicht die Garderobe. Ich wiederum begnüge mich ganzjährig mit einer aparten Regenhaut, einem imprägnierten Kilt und, selbstverständlich, einem Smoking. Womit wir endlich beim Thema sind: Juni ist es, der Sommer steht vor der Tür, und er hat viele Bücher unter den Arm geklemmt, die alle gelesen sein wollen. Und dann kommen der heiße Juli und der dumme August. Ach, Juni – benannt nach Jupiters Gattin, der Beschützerin Roms. Seien wir froh, dass sich in eben diesem Rom Herr Nero nicht so richtig durchsetzen konnte, vor allem, nachdem er Probleme mit seiner Brandschutzversicherung bekommen hatte. Denn der wollte justament Juni in Germanicus umbenennen. Stellen Sie sich vor, was das für die Mode bedeutet hätte: Pickelhaube und Krachlederne! Brrrr! Vertreiben Sie die furchtbaren Bilder aus Ihrem Kopf, lesen Sie lieber ein gutes Buch!

Unsere Öffnungszeiten Dienstag – Freitag von 9.00 – 18.00 Samstag von 09.00 – 13.00 Sonntag & Montag geschlossen! Veranstaltungen finden, wenn nicht ausdrücklich anders angekündigt, immer in der Rotensterngasse 2, 1020 Wien, statt. Der Eintritt ist frei. Wir ersuchen um Platzreservierungen! Kontakt: Tel: +43 1 276 47 36 Fax: +43 1 276 47 36 Mobil: +43 6991 585 16 68 mail: office@literaturbuffet.com Web: www.literaturbuffet.com

Impressum Eigentümer, Verleger, Druck: Lhotzkys Literaturbuffet / Andrea Lhotzky Druckort: Wien Preisangaben ohne Gewähr Wer einen Druckfehler findet, darf ihn behalten!

Ihr Ed McMerkat

Mit Kind und Buch baden gehen Die Bade- und S(tr)andsaison hat wieder begonnen! Und da dürfen im Gepäck neben Sonnencreme, Sonnenhut, Handtuch, Jausen und Wasser(-spielsachen) natürlich die Bücher zur Ruhigstellung und Abwechslung nicht fehlen. Wie gut, dass es im Carlsen Verlag die Unkaputtbar-Bücher gibt. Die sind Schadstofffrei zum dran-Nuckeln, reißfest für die ersten Beißversuche und sogar wasserfest, damit sie eben auch schwimmen lernen können. Daneben sind die Bücher sehr leicht und fallen somit gar nicht ins Gewicht. Jetzt fehlt es nur noch an der Entscheidung: welches kommt mit auf die Insel und (oder) auf die Reise? aus der Reihe: Carlsen Verlag 16 Seiten, EUR 3,10 David McKee Elmar und die Farben 978­3­551­05151­6 Nastja Holtfreter Mein Kunterbuntes Tierbuch 978­3­55­1­05160­8 Marlit Peikert Mein Tag 978­3­551­05121­9

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