Buchstabensuppe 2019 06

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Juni 2019

Stell Dir vor, der Toaster ist hin und Du zeigst ihm die lange Nase Salima, Anfang 30, clever und resolut, hat ein simples, aber ärgerliches Problem: der Toaster im SmartHome funktioniert nicht mehr, weil die Herstellerfirma pleite ist. Blöd, dass das intelligente Produkt ausschließlich Produkte von Vertragspartnern des insolventen Produzenten verarbeiten kann. Natürlich spielt Cory Doctorows Erzählung in einer Zukunft, in der künstliche Intelligenz und smarte Heimanwendungen das Leben der Menschen unerhört erleichtern. Achtung, Spoiler: diese Zukunft ist nicht mehr allzu weit entfernt, und das mit dem Erleichtern des Lebens stimmt auch nicht so ganz.

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Salima hatte einen schweren Weg bis zu ihrer Hightech-Sozialwohnung zurückzulegen: als unbegleitetes Flüchtlingskind in einem US-amerikanischen Auffanglager, in dem die Menschen sterben wie die Fliegen, danach Unterbringung in einem provisorischen Ausweichquartier, keine Chance auf eine Arbeitserlaubnis – und das, obwohl sie autodidakt und mit Hilfe von anderen Geflüchteten eine ganze Menge Qualifikationen erwerben kann. Was für ein Glück, als sie und die somalische Flüchtlingsfrau Nadifa nach mehreren schlimmen Jahren Sozialwohnungen im gleichen Hochhaus zugeteilt bekommen. Es wird ihnen bald klar, dass der Eigentümer der Immobilie seinen Wolkenkratzer nur deswegen um 20 Stockwerke höher bauen durfte als eigentlich zulässig, weil er einige Sozialwohnungen für Bedürftige zur Verfügung stellte. Genauso wird diese Kategorie von Mietern auch behandelt – als Bedürftige. Nicht lustig, wenn man im 40. Stock wohnt, die Mieter in den teuren Appartements vom künstlich-intelligenten Lift aber bevorzugt befördert werden. Und dann gibt es eben die intelligenten Haushaltsgeräte in den geförderten Wohnungen – die muss man nutzen, ob man will oder nicht. Nicht mit Salima. Einige YouTube Tutorials bringen sie auf die richtige Spur, und so kann sie sich in den Toaster hinein hacken und das unwillige Ding neu programmieren. Plötzlich wird das Leben besser. Das multifunktionale Gerät kann nun sogar mit

ganz billigen, selbst gekauften Zutaten backen. Salima ist keine Egoistin. Sie repariert auch Nadifas Toaster, und langsam macht sie sich auch den Geschirrspüler und die Waschmaschine Untertan. Der 12jährige Sohn der Freundin, Abdirahim, und dessen Freundinnen und Freunde werden unter ihrer Anleitung zu einer mobilen Hacker-Gang, die im Sozialwohnungsteil des Dorchester Towers die Lebensqualität aber wirklich deutlich verbessern. Doch dann kauft ein Investor die Toasterfabrik und damit droht die erbarmungslose Hetzjagd auf die Hacker – mit allen Implikationen. Doctorows Buch ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen ein großes Lesevergnügen. Man erfährt allerhand über das „Internet der Dinge“, Copyrights, Geflüchtete, Profitgier, Solidarität, Freundschaft, Misstrauen – und (das sei gesagt): Die Geschichte hat ein gutes Ende. Selten habe ich mit mehr Überzeugung ein Buch so empfehlen können wie dieses! Vom Umfang her übrigens auch eine hervorragende Klassenlektüre. Kurt Lhotzky Cory Doctorow Wie man einen Toaster überlistet Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski Heyne 176 Seiten, EUR 12,40 978­3­453­32015­4

Wir vom Literaturbuffet mögen Bücher – und noch etwas mehr schätzen wir Bücher aus unabhängigen Verlagen und Zeitschriften sowie weitere Projekte, die mit Herz und Liebe und Freude am Werk produziert werden. Deswegen haben wir uns gedacht, wir widmen fortan eine Seite unserer BuchstabenSuppe Verlagen, Zeitschriften und Projekten, die aus unabhängiger Feder gestaltet werden und die wir Ihnen, liebe Kund*innen, gerne vorstellen wollen. Damit Sie diese Seite auch rasch erkennen, haben wir un folgendes Symbol dafür gebastelt: Viel Freude damit!

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Ein Kompendium erstaunlicher Begegnungen Es gehört zu den gern geäußerten Vorurteilen, dass die USA, der späten Kolonisierung durch die Pilgerväter wegen, eigentlich ein kulturloses Land seien, das sich von den intellektuellen Brosamen Europas genährt habe. Ebenso verbreiten neurechte „Denker“ gerne Weisheiten wie: die amerikanische Pseudokultur beweise das Versagen multiethnischer Gesellschaften. Wer neugierig ist, was sich in Amerika intellektuell seit der Mitte des 19. Jahrhunderts tatsächlich abgespielt hat, ist herzlich eingeladen, die Hand der Kunstprofessorin und Journalistin Rachel Cohen zu ergreifen und sich von ihr behutsam und liebenswürdig in eine Welt geleiten zu lassen, die uns meist ziemlich fremd ist. Die „Verwobenen Lebenswege“, die Cohen beschreibt, sind ein fein gesponnenes Netz, dessen Knoten die mehr oder minder zufälligen Begegnungen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, bildenden Künsterinnen und Künstlern, Fotografinnen und Fotografen … bilden. Henry James (1853-1917) haben wenige bei uns gelesen, bekannter sind einige Verfilmungen („Daisy Miller“ oder „Das grüne Zimmer“. 1854 ließ ihn sein Vater im New Yorker Atelier des berühmten Porträtfoto-

grafen Matthew Brady (1822 – 1896) ablichten. Dem gleichen Brady, der als einer der großen Dokumentaristen des amerikanischen Bürgerkriegs gilt und das berühmteste Foto des Nordstaatengenerals und späteren Präsidenten Ulysses Grant (1822 – 1885) geknipst hat. Der Held des Bürgerkriegs war ein glückloser Politiker, Korruptionsskandale und ein Abrücken von den Idealen der Befreiung der schwarzen Bevölkerung lasteten

auf ihm, ein betrügerischer Geschäftspartner stürzte ihn und seine Familie in den Ruin. Es war Mark Twain (1835 – 1910), der Grant überredete, seine Memoiren zu schreiben – die ein Bestseller wurden und so die Familie retteten. Und so führt uns Rachel Cohen durch die amerikanische Geschichte – erfreulicherweise kommen selbst in den USA erst spät wiederentdeckte afro-amerikanische Künstlerinnen und Künstler wie der Schriftsteller Langston Hughes, der Maler Beauford Delaney und die Autorin und Blues-Sammlerin Zora Neale Hurston zu ihrem Recht. Freunde der Fotografie finden hübsche Berichte aus dem Leben von Alfred Stieglitz, Edward Steichen und Richard Avedon. Ein amüsantes und unaufdringlich lehrreiches Lesevergnügen ist bei den „Verwobenen Lebenswegen“ garantiert. Kurt Lhotzky Rachel Cohen Verwobene Lebenswege Amerikanische Schriftsteller und Künstler 1854­1967 Aus dem Amerikanischen von Michael Mundhenk Piet Meyer Verlag 499 Seiten, EUR 28,80 978­3­905799­53­8

Barbarisch? In Gottes Namen!

Die englische Historikerin und Journalistin Catherine Nixey zeigt in ihrem Buch „Heiliger Zorn – Wie die frühen Christen die Antike zerstörten“, welche katastrophalen Auswirkungen religiöser Fanatismus und die Überzeugung, im Besitz der einzigen und allein selig machenden Wahrheit zu sein, langfristig haben können.

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Das Foto am Cover des Buches macht deutlich, worum es geht. Seine Geschichte wird im Prolog erzählt. Um 385 (christlicher Zeitrechnung) stürmten schwarz gekleidete, bärtige Fanatiker, bewaffnet mit Felsbrocken, Eisenstangen und Hämmern die Wüstenstadt Palmyra. Unter Gelächter und vulgären Ausrufen zerstörten die Eiferer Zeugnisse einer Kultur, die seit Jahrhunderten das Antlitz Palmyras prägten. Dazu gehörte auch die Statue von Pallas Athene, deren zerstörtes Gesicht am Buchumschlag abgebildet ist. Die Statue wurde durch einen wuchtigen Schlag auf den Hinterkopf enthauptet, die Nase abgeschlagen, ein Kreuz in die Stirn gemeißelt. Trotz dieser Schändung lässt sich die Schönheit des unzerstörten Originals erahnen. Es ist natürlich kein Zufall, das Nixey ihre Erzählung in Palmyra beginnt. Den meisten von uns sind die Bilder im Gedächtnis, wie die fanatischen Daesh-Banden 2015 und 2017 in Palmyra nicht nur den Baal-Tempel, den Säulenhain und Teile des römischen Amphitheaters zerstörten. Wer argwöhnt, dass „Heiliger Zorn“ ein antichristliches Pamphletist, täuscht sich. Schon im Vorwort differenziert die Autorin,

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die selbst aus einer streng christlichen Familie stammt, sehr genau zwischen Menschen, die aus ihrem Glauben heraus Gutes tun und jenen, die im Namen einer monotheistischen Religion die schrecklichsten Verbrechen begehen. Denn die Wurzel des Problems ist immer der Alleinvertretungsanspruch einer Glaubensrichtung gegenüber allen anderen. Nixey erzählt eine grausame, blutige und barbarische Geschichte, die zeigt, was wir alles durch religiösen Hass an Wissen und Kultur verloren haben. Gerade in einer Zeit, in der sich reaktionäre und faschistische Politiker gerne bigott auf „unsere christlichen Werte“ berufen sollte dieses Buch aufmerksam gelesen werden, um die historische Wahrheit wiederherzustellen. Kurt Lhotzky Catherine Nixey Heiliger Zorn – Wie die frühen Christen die Antike zerstörten Aus dem Englischen von Cornelius Hartt DVA 396 Seiten, EUR 25,70 978­3­421­04775­5


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Wenn das Recht der Politik folgt – Bronsteins vergessener Fall Unverhofft, aber nicht unerwünscht, hat Krimiautor und Historiker Andreas Pittler eine biographische Lücke im Leben seines Wiener Polizeioffiziers David Bronstein geschlossen: In den Archiven stieß er auf einen „vergessenen Fall“ – und der ereignet sich 1936. Zunächst ist da ein Mord in der Vorstadt, in Simmering, das Opfer ein ehemaliger kleiner Funktionär der verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wohnhaft in einem typischen Zinshaus der damaligen Zeit. Seltsam nur, dass der Mann erschossen wurde. Die Nachbarn argwöhnen sofort die Nazis hinter dem Verbrechen. Als Bronstein und sein Assitent Cerny zu ermitteln beginnen, stoßen sie zunächst auf eine Mauer der Ablehnung. Als „Kieberer“ repräsentieren sie das verhasste Ständestaatsregime, das die Menschen rund um den Tatort um Lohn und Brot und nicht wenige hinter Gitter gebracht hat.

Schon bald erkennt Bronstein, dass seine Vorgesetzten wenig Interesse an der Aufklärung des Falls haben. Wen schert in einer Zeit, in der das Recht der Politik folgt, ein umgebrachter Prolet? Wichtigeres steht auf der Tagesordnung. International steht das faschistische Österreich nicht gut da. Also beschließt die Regierung, den von langer Hand vorbereiteten „Sozialistenprozess“ gegen Funktionäre der illegalen Revolutionären Sozialisten in Wien „öffentlich“ zu führen, denn die Weltpresse soll den Eindruck eines funktionierenden Rechtsstaates bekommen. Das Publikum, schau an, besteht aber Großteils aus abkommandierten Polizeibeamten, unter ihnen, zu seinem Leidwesen, auch David Bronstein. Die Angeklagten –

darunter auch der junge Jusstudent Bruno Kreisky – verteidigen sich eloquent und tauschen die Rollen – sie sind es, die das Regime anklagen. Und die Argumente, die sie vortragen, zeigen auch beim Polizeioffizier Bronstein ihre Wirkung ... Gleichzeitig muss der Kriminalist am eigenen Leib erfahren, wie weit aus dem latenten Antisemitismus, der ihm schon früher begegnet ist, jetzt ein rabiater rassischer Antisemitismus geworden ist, und wie tief die Nazis bereits in den Staatsapparat eingesickert sind und dort ihre Bastionen errichten. Ein vergessener Fall, der wie maßgeschneidert in unsere Zeit passt, und meiner Meinung nach (ja, so ein Urteil ist immer unfair und ungerecht!) der beste Bronsteinkrimi ever. Kurt Lhotzky Andreas Pittler Bronstein – Sein vergessener Fall Gmeiner­Verlag 282 Seiten, EUR 15,50 978­3­8392­2436­6

Die Adria als unruhiges Gewässer Commissario Xenia Ylenia Zannier kämpft um ihre Versetzung nach Grado. Grado? Was will eine begnadete Kriminalistin, Kampfsportlerin und Gerechtigkeitsfanatikerin ausgerechnet in der kleinen und verschlafenen Küstenstaat im Nordosten Italiens? Es geht um Rache, und Veit Heinichen spinnt wieder ein feines Netz aus Intrigen, Action, Zeitgeschichte und politischer Analyse. Als eine Gruppe von Geflüchteten an der Küste des Adria-Bades abgesetzt wird, zeigt sich, dass der Ort nicht ganz so verschlafen ist, wie alle glauben. Da wird eine faschistische Unter-

grundorganisation mit dem hübschen Namen Patria Nostra aktiv. Ein Präfekt entsendet eine Spezialeinheit, deren einziges Ziel es zu sein scheint, die Geflüchteten zu schikanieren. Zugleich bereitet die einflussreiche Senatorin Romana Castelli de Poltieri den publikumswirksamen Verkauf einer maroden Chemiefabrik – samt Rettung von hundert Arbeitsplätzen – an einen deutschen Konzern vor. Dann muss

sich Commissario Zannier auch noch mit einem bevorstehenden europäischen Politikergipfel herumschlagen. Wie eine drohende Wolke aus der Vergangenheit schweben die Machenschaften einer Kärntner Bank über der ganzen Region ... Wer einen turbulenten und erschreckend realistischen Politthriller lesen möchte, ist bei „Borderless“ bestens aufgehoben. Eine ideale Reiselektüre für einen Sommerurlaub an der Adria. Kurt Lhotzky Veit Heinichen Borderless Piper 463 Seiten, EUR 17,50 978­3­492­06147­6

Besuchen Sie uns im Internet oder bei einer unserer Veranstaltungen! www.literaturbuffet.com – von dort geht's auch weiter zu Facebook und google+. Aber Ihr persönlicher Besuch ist uns natürlich noch lieber! Alle Veranstaltungen finden, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, bei freiem Eintritt in Lhotzkys Literaturbuffet, Eingang Rotensterngasse 2, 1020 Wien, statt. Wir ersuchen aus organisatorischen Gründen um Platzreservierungen! www.literaturbuffet.com | office@literaturbuffet.com | +43 6991 585 16 68

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Zwischen Zuneigung und Scham, zwischen Zugehörigkeit und Entfremdung In dem schmalen Band – das Buch fasst nur knappe 100 Seiten – „Der Platz“ widmet sich Annie Ernaux der „objektiven Biographie“ ihres Vaters und damit stückweit auch ihrer eigenen. Der Vater, geboren um die Jahrhundertwende, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und geht nach kurzem Schulbesuch bäuerlichen Tätigkeiten nach, schafft es dann jedoch einen kleinen Lebensmittelladen mit Beisl in der Normandie zu eröffnen, den er mit großem Stolz bis zu seinem Tod 1967 führt. Wesentlich für ihn ist auch das Arbeiten im kleinen angeschlossenen Garten, das Annie Ernaux in Worten beschreibt, die mich besonders berührt haben. Hinter seiner Geschichte steht natürlich die seiner Tochter, die eine höhere Schule besucht und in die gebildete, bürgerliche Schicht heiratet. Das unvermeidliche Auseinanderdriften der beiden durch diese

unterschiedlichen Lebensrealitäten ist zentraler Punkt von Annie Ernaux’ Erzählung. Sie schreibt selbst: „Ans Licht holen, was ich an der Schwelle zur gebildeten, bürgerlichen Welt zurücklassen musste.“ Der Kampf in Welten zu passen, sich in der jeweiligen Welt die Unsicherheiten aus der anderen nicht anmerken zu lassen, sich der eigenen Herkunft zu schämen – Annie Ernaux findet diese Objektivität in ihren Biographien und erzählt doch auch stimmig persönlich. Ich bewundere das und finde es einen bedeutsamen Ansatz für Soziologie, Politik, Geschichte und Literatur gleichermaßen. Lena Samek Annie Ernaux Der Platz Aus dem Französischen von Sonja Finck Suhrkamp 94 Seiten, EUR 18,50 Euro 978­3­518­22509­7

Genauer hinschauen! Anke Stelling hat für „Schäfchen im Trockenen“ den Preis der Leipziger Buchmesse 2019 erhalten. Grund genug, aber keinesfalls der einzige, sich ihren Roman näher anzusehen. Resi – Schriftstellerin, Wahlberlinerin, vierfache Mutter, liiert mit einem Künstler – lebt, ganz anders als ihre engsten Freunde, immer an der Grenze zur Armut. In einem Artikel für eine Zeitschrift nimmt sie die Entwicklungen im Berliner Bobo-Bezirk Prenzlauer-Berg unter die Lupe: die perfekten Eltern mit den perfekten Kindern, die vermeintliche Offenheit und Toleranz, das Gutmenschentum, den naiven Glauben, dass Partizipation und insbesondere Baugruppen gesellschaftlichen Mehrwert haben. Dass sie damit mitten in die Magengrube ihrer Freundinnen und Freunde trifft, die ein ebensolches Baugruppenhaus gemeinschaftlich gebaut haben, wird ihr erst bewusst, als sie per Brief die Nachricht von einem dieser Freunde, der ihr seine „alte“ Wohnung vermietet, erhält, dass sie und ihre Familie innerhalb von 3 Monaten auszuziehen haben.

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Die Wut, Scham, Trauer, Verletzung, vielleicht auch den Neid, allen voran aber den Ärger über die Privilegiertheit einiger Gesellschatfsschichten, die ebendiese gekonnt ignorieren, die diese Nachricht in ihr auslöst, nutzt sie um ein Schriftstück an ihre älteste Tochter zu verfassen, dass diese aufklären, ihr ehrlich begegnen und ihr die Welt in soziologischer Genauigkeit schildern soll. Und dieses Schriftstück ist der vorliegende Roman. Ob ihr das gelingt? Selber nachlesen! Es ist ein bitterböses Buch, ein wütendes Buch. Anke Stelling hüpft in Zeiten, Geschichten, Gedanken und Emotionen. Es ist nicht immer leicht zu lesen und hinzunehmen, und diese Resi ist auch nicht nur sympathisch, aber es zahlt sich schon aus den Blickwinkel zu erweitern. Lena Samek Anke Stelling Schäfchen im Trockenen Verbrecher Verlag 266 Seiten, EUR 22,70 978­3­95732­338­5

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INFORMATIONSBOX: Sonderzahl, vor ziemlich genau 35 Jahren gegründet, widmet sich mit seinem Programm dem komplexesten aller Genres: dem Essay. Jener hybriden Form zwischen Literatur und Wissenschaft also, die über ein reflektierendes Ich verfügt und der, als Modus des Denkens, keine inhaltlichen Grenzen gesetzt sind. In allen Wissensgebieten sind solche suchenden, fragenden, sich selbst befragenden, ihre Themen umkreisenden Texte möglich: Von der Literaturwissenschaft bis zur Architektur, von der Filmtheorie bis zur Soziologie, von der Gesellschaftskritik bis zur Philosophie, von der Psychoanalyse bis zu den Naturwissenschaften, vom

Reisebericht bis zur Poetikvorlesung reicht sein Spektrum – und da wäre eine selbstreflexive Belletristik im Geiste Robert Musils, die gegenüber einer naiven Erzählhaltung Skepsis bewahrt, noch gar nicht eingerechnet. Darüber hinaus ist der Essay als Versuchsanordnung auch eine Lebenshaltung, die sich programmatisch der Ungleichzeitigkeit aussetzt: Um das aus der Zeit Gefallene in den Blick zu holen, das allzu Geläufige zu hinterfragen, ja zu unterminieren, und es am Möglichen zu messen. [Verlagstext]

ZUM BEISPIEL: _rohr_köhl_auer Rohrköhlauer sind ein poetisches Interferenz-Experiment. Oder genauer, ein Dialog zwischen Fotografie und Literatur, der einer genauen Versuchsanordnung folgt: Die Fotografin Claudia Rohrauer gibt das Bild und den Rhythmus vor, der Autor Markus Köhle liefert den dementsprechend kurzen oder langen Text – je nach Bildfrequenz. Vergehen sieben Tage seit dem letzten Foto, entstehen sieben Zeilen Literatur. Bei zwei Bildern pro Tag muss entsprechend eine halbe Zeile reichen. Zusatzregeln gibt es auch: Keine Vorabsprachen, was Bild- oder Textideen angeht, und eine Versuchsdauer von einem Jahr. Das Ergebnis sind 365 Zeilen und 38 Fotos, die auf spielerische Art die Klaviatur beider Ausdrucksformen erweitern: Kühne Metaphern, die zuvor unhörbar blieben, schwappen aus den Bildern in die Texte und entfachen dort Kurzerzählungen und Wortkaskaden, die der Bildkomposition gleich mehrere Böden zu unterstellen wissen. Umgekehrt schillern die sprachlichen Nuancierungen erst richtig angesichts der exakten Bildsprache und Formenregie, sodass 38 Interferenzmuster entstehen, die beide Seiten durch ihre poetische Verdichtungsleistung zu überraschen wissen. Immer wenn dies gelingt, ohne dass sich Wort und Bild dabei zu ernst nehmen, entsteht etwas, für das es keine bessere Bezeichnung gibt als eben: Rohrköhlauer. Claudia Rohrauer und Markus Köhle _rohr_köhl_auer foto­text­interferenzen 88 Seiten, 978­3­85449­525­3

Doron Rabinovici In seiner Poetikvorlesung erkundet Doron Rabinovici, wie vielfältig Sprache von Anfang an ist und wie unterschiedlich die eigene Identität erfahren werden kann. In der ersten Vorlesung zeigt der Autor auf, wie er »von der Sprache adoptiert« wurde, von dem Deutschen, das für ihn nie eine selbstverständliche oder unbelastete Sprache war und die er erlernte, nachdem er mit seiner Familie aus Tel Aviv nach Österreich übersiedelte. Er war eines jener Judenkinder, die es eigentlich gar nicht mehr geben konnte. »Meine Herkunft war die Erinnerung «, stellt Rabinovici fest, weshalb sein Schreiben auf der Notwendigkeit beruht, über das zu sprechen, »was unerhört blieb«. Die Trauer um den eigenen Vater ist der Ausgangspunkt der zweiten Vorlesung: »Vom Schreiben nach dem Tod« handelt vom Festhalten des Vergangenen und der Erinnerung als Widerstand gegen die Auslöschung. Literatur wird in einer Zeit, da die Überlebenden des Holocaust wegsterben, gleichsam eine Stimme gegen Geschichtslügen wie gegen Wirklichkeitsverleugnung. In der dritten Vorlesung »Das Unsägliche « wird an exemplarischen Beispielen von 1916 bis heute erörtert, auf welch unterschiedliche Weise Literatur zur Sprache bringen kann, was sie uns verschlägt. Ob unsagbares Glück oder unerhörtes Leid: Die Worte reichen nicht aus. Aber dieses Versagen verurteilt uns nicht zum Verstummen, sondern spornt zum Fortschreiben an. Doron Rabinovici gelingt es in seiner Poetikvorlesung zu zeigen, wie notwendig Widerworte angesichts der derzeitigen politischen Verhältnisse in Österreich und in Europa sind. Doron Rabinovici I wie Rabinovici. Zu Sprachen finden 124 Seiten, 978 3 85449 524 6

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Feinfühlige Worte über fein gefühlte Freundinnen Peggy Mädler erzählt in „Wohin wir gehen“ die Geschichte von vier Frauen und zwei Freundschaften. Einerseits folgen wir Almut und Rosa im Böhmen der 40er-Jahre und andererseits Elli, Almuts Tochter, und Kristine 50 Jahre später in Berlin und Basel. Die deutsche Geschichte wird verwoben in persönliche Texte, und Persönliches spiegelt sich im Großen Ganzen. Es ist ein ruhiges Buch mit kräftigen Worten, es sind schwere Geschichten erzählt in feinen Worten. Das Meiste aber steht zwischen den Zeilen. Sprachlich ausgefeilt und in unterschiedlichen Stilen gehalten, beweist Peggy Mädler, dass sie ein unglaubliches Sprachgefühl hat wie auch ein

Gespür für das, was zwischen Frauen im Laufe eines gemeinsamen Lebens passiert. Besonders aufschlussreich war für mich die Geschichte der Deutschen in Böhmen, Vertreibung aus der Tschechoslowakei und dem Umgang mit KommunistInnen und AntifaschistInnen in der neugegründeten DDR. Spannendes Thema sprachlich exzellent umgesetzt – eine Leseempfehlung! Lena Samek Peggy Mädler Wohin wir gehen Galiani Berlin 224 Seiten, EUR 20,60 978­3­86971­186­7

amerikanisch, verspielt, sommerlich Vier Frauen stehen im Mittelpunkt dieses Romans – Celia, Bree, Sally und April. Sie lernen sich im ersten Semester an ihrem Wahlcollege in Bosten kennen, aber das ist auch schon alles, was sie eint. Sie sind ganz unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Interessen und Qualitäten und dennoch entwickelt sich ein enges Band der Freundschaft zwischen ihnen, das auch die College-Zeit überdauert. Die Kapitel sind jeweils aus der Sicht einer der vier geschrieben und wir steigen in die Geschichte ein, als die Zeit im College schon längst hinter ih-

nen liegt und sie in verschiedenen Staaten der USA sehr unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehen und sich – Überraschung! – in unterschiedlichste Beziehungen und Verhältnisse begeben haben. In Rückblenden und Gedanken der einen über die anderen, kann sich die Leserin langsam ein Bild zusammenfügen, was die vier zusammenhält, was sie wachsen hat lassen, welche Schicksale ihnen begegnet sind. „Aller Anfang“ ist ein

klares Sommerbuch, fast schon ein Pageturner, das sich leicht liest und mir doch das Gefühl gegeben hat, nicht voller Stereotypen zu sein und ein komplexes Emotionsspektrum abzubilden. Das Ganze endet in einem fulminanten, sehr amerikanischen Showdown, der für meine Begriffe auch etwas weniger dick aufgetragen hätte sein können. Aber Spaß gemacht hat's natürlich trotzdem. Wie eine gutgemachte amerikanische Serie halt. Lena Samek J. Courtney Sullivan Aller Anfang Aus dem Amerikanischen Henriette Heise Deuticke 432 Seiten, EUR 22,70 978­3­552­06395­2

Die Welt im Fahrstuhl Die lange Reise im Fahrstuhl beginnt im 20. Stock und geht von dort über die verschiedenen Etagen ins Erdgeschoss zum Ausgang. In jedem Stock kommen neue Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen hinzu. Das besondere an diesem Buch, ein Satz wird den neuen Fahrgästen gewidmet und im Hintergrund sind lauter Informationen zu den verschiedenen Herkunftsländern zu sehen: eine Weltkarte, wo sich das Land befindet. Tiere und Pflanzen, die dort beheimatet sind. So reist die lesende Person oder die Kinder, denen es vorgelesen wird, über Syrien nach Russland nach Kroatien und beinahe um die ganze Welt. So vielfältig die Herkunft, so vielfältig

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ist auch die ganzen Nachbarschaft, mal kommen sie als Familie, mal einzeln, mal junge Menschen, mal alte Menschen. Im Aufzug haben alle Platz und sind willkommen. Kurze Zeit gibt es ein gemeinsames freudvolles Erleben, bevor am Ausgang wieder alle ihrer Wege gehen. Ein schönes Bilderbuch zum Schmökern und die Welt zu erkunden und zu entdecken. Clara Felis-Rubey Isabel Acker und Eva Künzel Die lange Reise im Fahrstuhl Alibri Verlag 32 Seiten, EUR 14,40 9783865692641

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Politische Intrigen, Magie und romantische Verwebungen Es ist Pride Month, also freuen wir uns, eine queere Fantasygeschichte zu präsentieren: Witchmark von C. L. Polk. Hauptprotagonist ist Miles Singer. Er ist Arzt und Hexer, darf aber als letzteres nicht erkannt werden. Nun trägt es sich aber zu, dass er enttarnt wird und dadurch in diverse Machtkämpfe stolpert. Da ist zum einen seine eigene Familiengeschichte, die ihn einholt. Sodann gibt es gesellschaftliche Diskrepanzen, die ihm plötzlich auffallen. Und dann gibt es den mysteriösen Fremden Tristan, der ihm immer mehr und mehr zum Freund wird. Darüber hinaus versucht seine Schwester, ihn wieder in die

familiären Bahnen zu ziehen, denen er doch so erfolgreich entflohen ist. Die Tage seines unscheinbaren Lebens als Spitalsarzt sind gezählt. Denn auch dort gibt es neue Herausforderungen: er soll Kriegsveteranen nach Hause entlassen, obwohl sie möglicherweise eine Gefährdung für die Bevölkerung sind. Befehl von oben. Schließlich ist der Krieg gewonnen und die zurückkehrenden Soldaten brauchen Miles Hilfe vielleicht dringender… In diesem Fantasydebüt treffen Mysteriöses, Romantisches und eine Kriminalgeschichte aufeinander. Das Setting ist an die britische Zeit des ersten Weltkrieges angelehnt, das Land heißt Aeland. Autos sind nur den Rei-

chen und Mächtigen vorbehalten, dafür tummelt sich vieles auf und mit dem Fahrrad. Ein Fakt der mir persönlich natürlich sehr gut gefällt. Und ich muss gestehen, dass ich zu dem Buch gegriffen habe, weil ein Rad am Cover ist und weil ich Fantasy mag. Ist die Liebesgeschichte auch etwas platt, so gibt es darüber hinaus doch viele unerwartete Wendungen und Überraschungen. Und es ist natürlich auch wieder eine Geschichte von einzelnen Personen, die sich gegen eine größere Macht wenden. Witchmark hat mir sehr schnell sehr viel Lesefreude bereitet. Clara Felis-Rubey C.L. Polk Witchmark Aus dem Amerikanischen von Michelle Gyo Klett­Cotta 384 Seiten, EUR 16,50 978­3­608­96395­3

Ein Revulva-was??? Western! Wir sind nach wie vor im Pride Month also noch eine Rezension: Der Galgen fragt nicht, welcher Hals von Towander Flagg Es geht um eine Kopfgeldjägerin – ja Jägerin, nicht Jäger; auch Frauen können Köpfe jagen und werden, sobald sie sich einen Namen gemacht haben, auch gern um solche Dienste bemüht. In diesem Fall handelt es sich um Annie Goodlick, der im Jahre 1872 in Nebraska eine besondere Aufgabe zuteil wird. Man bittet sie, die junge Revolverheldin Mary Dippin aufzufinden. Das Geld lockt Goodlick vor allem, hat sie doch gerade in diesem Moment eigentlich keine Lust, wieder in den Staub zurückzukehren, aus dem sie gerade von einem anderen Auftrag gekommen ist. Aber der Auftraggeber, ein Priester, bittet sie darum, vor allem um Dippin eine gerechte Verhandlung zu ermöglichen. Und so begibt

sich Goodlick auf die Suche nach Dippin, die sie auch bald findet. Auf der Rückreise nach Sioux City kommen sich beide näher, wobei eine gewisse Distanz immer gewahrt wird, bzw. die Frage des gegenseitigen Vertrauens groß ist und schwer beantwortet werden kann. Sind doch die Rollen eigentlich klar verteilt. Aber so klar eben doch nicht und die Frage der Unschuld und Schuld kann oft auch nicht so einfach beantwortet werden. Auch dieser Roman entwickelt sich anders als zunächst angenommen und es ist

spannend zu erlesen, wohin die Reise führt, wer wen ver- oder auch an der Nase herumführt. Diesen Revulva Western zu lesen, ist eine Reise in eine vergangene Zeit, manchmal scheint es gar, als ob die lesende Person den Staub auf der Zunge schmecken könnte. Clara Felis-Rubey Towander Flagg Der Galgen fragt nicht, welcher Hals Ein Revulva­Western Querverlag 208 Seiten, EUR 16,45 978­3­89656­273­9

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Ed McMerkats letzte Worte

Bekanntlich ist der Erdmann ein großer Freund der Wärme. Stadtpelz und Fellmütze sind nicht McMerkats liebste Montur. Leicht und luftig, in eleganten Knickerbockern und sportivem Poloshirt fühlt sich Ihr Kolumnist am wohlsten. Dazu noch ein Mango-MinzeCocktail on the rocks, ohne Alkohol, dafür mit einem bunten Schirmchen – so lässt sich's leben. Dankenswerterweise arbeiten etliche Regierungschefs, Automobilkonzerne, Fluggesellschaften, Reedereien, agronomische Großbetriebe und viele andere daran, dass wir diese herrlichen Temperaturen möglichst rasch ganzjährig genießen können. Wie gesagt – auch Ihr Ed McMerkat liked es hot – aber nicht das ganze Jahr. Vermut-

lich bin ich da ein bisschen konservativ – mir macht die schöne Jahreszeit, wie sie so liebevoll genannt wird, erst richtig Spaß, wenn sie mit der „kühlen Jahreszeit“ alterniert. Am Alter kann es nicht liegen, dass ich ein Wettertraditionalist bin. Denn immer wieder, und zwar an Freitagen, gehen weltweit und auch bei uns, tausende Schülerinnen und Schüler nicht in die Schule, sondern einer ernsthaften Frage nach: Hat dieses Ellipsoid, auf dem wir leben, noch eine Zukunft? Und diese tausenden jungen Menschen machen sich große Gedanken über Klimawandel, CO2-Emissionen und die Zukunft der Meere. Als denkender Erdmann kann ich diesen Jugendlichen nur dankbar sein, denn sie bringen etwas in Bewegung, sie lassen sich nicht mit Phrasen besänftigen, sie sind laut und selbstbewusst und lassen sich nicht einschüchtern. Vermutlich werde ich an einem der nächsten Freitage meinen Mango-MinzeCocktail beiseite stellen und, zumindest vom Zuschauerspalier aus, die Klimakids unterstützen. Vielleicht sehen wir uns einmal an einem sommerlichen Freitag? Ihr EdMcMerkat

Unsere Öffnungszeiten Dienstag – Freitag von 9.00 – 18.00 Samstag von 09.00 – 13.00 Sonntag & Montag geschlossen! Veranstaltungen finden, wenn nicht ausdrücklich anders angekündigt, immer in der Rotensterngasse 2, 1020 Wien, sta . Der Eintri ist frei. Wir ersuchen um Platzreservierungen! Kontakt: Tel: +43 1 276 47 36 Fax: +43 1 276 47 36 Mobil: +43 6991 585 16 68 mail: office@literaturbuffet.com Web: www.literaturbuffet.com

Impressum Eigentümer, Verleger, Druck: Lhotzkys Literaturbuffet / Andrea Lhotzky Druckort: Wien Preisangaben ohne Gewähr Wer einen Druckfehler findet, darf ihn behalten!

Manchmal ist lesen besser als schauen Smartphones haben nicht nur die sprachliche Kommunikation revolutioniert – durch die Kombination von Sprachtelefonie, Messengerdiensten und Videokonferenzen –, sie haben auch die Fotografie „demokratisiert“. Während die einen über die Bilderflut im Internet wehklagen, Selfies einfach furchtbar finden und bei jedem Kätzchenfoto Schreikrämpfe bekommen, erfreuen sich Millionen am schnellen Schnappschuss vom Urlaubsort, dem hingehauchten Küsschen Richtung Handycamlinse, dem Erinnerungsfoto, als das Baby laufen lernte ... Wer wissen will, was man fotografisch aus dem Smartphone herausholen kann, ist mit dem Buch „Scheiss auf Kameras“ von Alex „Alexibexi“ Böhm und Carolin Schwartau gut beraten. Hier gleich eine ganz subjektive Warnung: Lasst nach Kauf des Buchs die Pfoten vom Youtube-Kanal „AlexiBexis“ – die hyperlustigen Videos könnten leicht Aggressionen gegen den Spaßmacher auslösen. Und das könnte dann wieder dazu führen, dass ihr das wirklich informative und gut aufbereitete Buch gar nicht aufmacht.

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Denn Böhm und Schwartau sind, allem Influencergetue zum Trotz, Expertinnen (und Experten) auf dem Gebiet der Fotografie und zeigen, was in den kleinen Kameras im Smartphone, der künstlichen Intelligenz sei Dank, alles drinsteckt. Natürlich werden auch Basics wie Komposition, der Einsatz der Farben, richtige Beleuchtung etc. behandelt. Ein Überblick über hilfreiche Apps fehlt ebensowenig, wie Tipps für bessere VideoAufnahmen. Wer ein paar hundert Euro für sein neues Handy hinblättert, sollte also ruhig noch 20,60 für das bei riva erschienene Buch riskieren, wenn sie oder er mehr aus den fotografischen Möglichkeiten des neuen Technospielzeugs herausholen will. Kurt Lhotzky Alex „Alexibexi“ Böhm & Carolin Schwartau Scheiss auf Kameras riva 192 Seiten, EUR 20,60 978­3­7423­0899­3

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