DAS STUTTGARTMAGAZIN
HELDENHAFTE HOMMAGE Das Stuttgarter Ballett verwandelt seine Solisten in Comic-Helden
DER DEZEMBER IN STUTTGART & REGION
Euro 2,50_Dezember 2015_25. Jahrgang E30481_www.lift-online.de
12
+
TSLE, KTE, GU R Ä M : RTYS NALE UND PA E K ZUM FI N STER E E CH V S L E I G S , S EVENT N UND
AC WEIHN
HTE
WUNSCHKONZERT Was Bands alles von Veranstaltern fordern – von weißen Ziegen bis Koks WILDNISTRIP Jugendliche zur Extremismus-Prävention in schwäbischen Wäldern WICHTELEI Schöne Bescherung: Was schenkt ein Stuttgarter Promi dem anderen?
4
DAS BESTE IM DEZEMBER
DAS BESTE... 18
14 WILDNISTRIP Jugendliche zur Extremismus-Prävention in schwäbischen Wäldern
KLEINES TUN, GROSSES BEWIRKEN Spendenaktionen aus dem Kessel
INHALT STADT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 ABO-AKTION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 LEBEN STUTTGART KAUFT EIN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 STUTTGART FÜR KINDER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 STUTTGART FLIEGT AUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 STUTTGART GEHT AUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 STUTTGART FEIERT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44 KULTUR SEHEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 LESEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 HÖREN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 ENTDECKEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 SPIELEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68
SONDERTHEMA WEIHNACHTEN UND SILVESTER . . . . . . . . . . . . . . .72 PLANEN
VERANSTALTUNGSKALENDER ....................95 KINDERKALENDER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139 A BIS Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 VERANSTALTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158 KLEINANZEIGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166 LIFT LIEBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170
68 HELDENHAFTE HOMMAGE Das Stuttgarter Ballett verwandelt seine Solisten in ComicHelden
DAS BESTE IM DEZEMBER
5
IM DEZEMBER
7 21 WICHTELEI Was schenkt ein Stuttgarter Promi dem anderen zu Weihnachten?
12 Foto: spacejunkie / photocase.de (u.li.)
PURE LEIDENSCHAFT Vom Aussterben bedrohtes Handwerk
AUF DEN SPUREN VON CRO UND WILHELM II. Nach dem Richtfest: ein Blick in die Sammlung des neuen Stadtmuseums
64 BLACKTAPE Ein Stuttgarter auf den Spuren des Deutschrap
56 WUNSCHKONZERT Was Bands alles von Veranstaltern fordern – von weißen Ziegen bis Koks
72 ZUM FINALE Märkte, Gutsle, Events, Geschenke und die besten Partys im großen Sonderthema Weihnachten und Silvester
20
STADT
GANZ OHNE WÜRFEL UND KERZENLICHT: DAS STUTTGARTER ONLINE-ROLLENSPIEL UNITOPIA
RÄTSELN MIT RETRO-CHARME
Ja, was macht man eigentlich so im Herbst, Campus gebracht hätte. Dadurch entgehen wenn es draußen immer kälter und ungemüt- wir nur knapp dem Tod durch Ertrinken, da licher wird? Nun ja, manche Menschen gehen wir (noch) keine Ahnung von der Steuerung ins Pub, andere ins Mud. Ins was? Mud ist die des Spiels haben. Abkürzung für „Multiuser Dungeon“ und be- Unitopia basiert wie alle Muds allein auf Text, zeichnet eine bestimmte Art von Online-Rol- eine Grafik gibt es nicht und alle Aktionen lenspielen. Eines der ältesten wurde 1992, als funktionieren über Sprachbefehle, die man per Tastatur eingibt. „Die die meisten Leute noch lernt man schnell“, erklärt nicht mal eine E-MailNEBENBERUFLICH Alexander Motzkau, der Adresse besaßen, in StuttBIN ICH GOTT im wahren Leben Softgart entwickelt: Unitopia. wareentwickler – und neDass das Spiel heute 7.000 registrierte Mitglieder verzeichnet und sich benberuflich Gott ist. täglich rund hundert Magier, Engel oder „Götter sind die Programmierer von UnitoGremlins auf dem virtuellen Campus der pia“, erklärt er. „Wenn ein Spieler viele Rätsel Stuttgarter Uni tummeln, ist Grund genug, gelöst und gewisse technische Fähigkeiten ersich auch als Fan von Brettspielen und dem worben hat, kann er zum echten Leben das Ganze mal genauer anzu- Engel werden, was wiederum die Vorschauen. ausDie Anmeldung geht schnell: Man denkt sich einen Namen und ein Passwort aus, gibt an, ob man männlich, weiblich (oder nichts dergleichen) ist und los geht’s. Ausgangspunkt des Spiels ist der Bahnsteig der S-Bahn Station „Universität“, auf dem man von einem Zwerg-Golem freundlich begrüßt wird und ein Flugblatt in die Hand gedrückt bekommt. Darauf wird der Spieler willkommen geheißen. Eine Erklärung bekommt er auch: „Unitopia besteht aus zwei Welten, der Fantasiewelt Magyra und dem Abbild der Universität Stuttgart.“ Magyra klingt spannender, beschließen wir, und ignorieren den „experimentellen Teleporter“, der uns direkt zum „Anfängerpraktikum“ auf den
[www.unitopia.de]
Foto: Unitopia, froodmat/photocase.de
Für dieses Rollenspiel braucht’s keine Maske, einen Internetzugang indes schon
setzung dafür ist, zu einem der Götter aufzusteigen und die virtuelle Welt von Unitopia aktiv weiterzuentwickeln.“ Motzkau studiert längst nicht mehr, kennt den Campus dennoch aus dem echten Leben: „Die Spielertreffen finden dort statt“, erklärt er. Als einer von drei Chefprogrammierern, achtet der 37-Jährige darauf, dass die Richtlinien eingehalten werden. Immerhin trifft man in Unitopia nicht nur auf Fantasiewesen, sondern auch auf reale Mitspieler. Und das sind längst nicht mehr nur Computernerds. „Als Unitopia entwickelt wurde, kamen fast alle Spieler aus dem Informatikbereich, inzwischen hat sich das aber egalisiert“, sagt Motzkau. Gut möglich, denn als er so von Magyra und all den Abenteuern die dort warten, erzählt, verspüren auch wir plötzlich Lust, unseren virtuellen Charakter weiterzuentwickeln. Voraussetzung dafür ist es, Rätsel zu lösen. Erst wenn man Erfahrung gewinnt, darf man äußerliche und charakterliche Merkmale der eigenen Figur festlegen und einem Berufstand, wie beispielsweise der AlchemistenGilde, beitreten. Wir absolvieren also erfolgreich unser Anfängerpraktikum und nehmen damit die erste Hürde. Voller Selbstbewusstsein malen wir uns aus, wie wir uns ins Abenteuer stürzen, kämpfen, rätseln, vielleicht ein paar süße Kinder aus dem Orden der Finsternis adoptieren. Stattdessen werden wir uns in einem Kerker auf dem Marktplatz einsperren lassen. Das wäre im Pub sicher nicht passiert. Der misslichen Lage entkommt man mit den Worten: „Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt.“ Jawohl, denken wir, schalten den Computer aus und machen uns auf den Weg in die Kneipe. Gespeichert haben wir trotzdem. Zur Sicherheit. Der Winter hält schließlich viele Thekla Dörler graue Tage bereit.
[LIFT 12.15]
STADT
21
NACH DEM RICHTFEST: EIN BLICK IN DIE LANGSAM WACHSENDE SAMMLUNG DES NEUEN STADTMUSEUMS
SPUREN VON CRO, SERDAR TASCI UND WILHELM II.
Die ehemalige Residenz Wilhelms II. verwandelt sich bis 2017 in ein modernes Stadtmuseum
Ist der deutsche HipHop eine Stuttgarter Er- schäftsführer Johannes Graf von Strachwitz findung oder waren es doch Advanced Che- vor“, erklärt Museumsleiterin Anja Dauschek. mistry aus Heidelberg? Solche und andere Dis- Und wenn man hartnäckig bleibt, klappt es kussionen rund um den Kessel und seine Be- auch mit dem Wunschexponat! „Genauso kawohner werden ab 2017 im künftigen Stadt- men wir zum Beispiel auch an ein Trikot von museum im Wilhelmspalais neu angefacht, Serdar Tasci “, sagt sie mit einem Augenzwinkern. wiederbelebt und weitergeführt. Ende Oktober wurde dem fertigen Dachstuhl Angeordnet werden die Objekte und Geschichten in sogenannten feierlich die Krone in den Stadtfarben Gold und „Stadtgesprächen“ rund MIT HARTNÄCKIGKEIT um ein zentrales, interakSchwarz aufgesetzt. Eine ZU CROS MASKE kleine Gruppe feierte dick tives Stadtmodell. Das Gezeigte stammt zu eieingemummelt zwischen nem großen Teil auch von Stuttgarts Bürgern den noch kargen Betonwänden Richtfest. Bis sich in der ehemaligen Residenz Wilhelms selbst, die ihre persönlichen ErinnerungsgeII. die neuen, hypermodernen Museumstore genstände zum Thema Migration oder Fußoffiziell öffnen, wird es zwar noch ein ganzes ball-WM 2006 eingereicht haben. Anderes Jahr dauern, aber das Sammeln der Exponate wurde vom Netzwerk LSBTTIQ geliefert, eihat längst begonnen. Gefragt ist alles, was ir- nem Zusammenschluss von lesbischen, gendwie mit der Geschichte Stuttgarts seit schwulen, queeren, Transgender, bi-, trans1800 in Verbindung zu bringen ist: Vom Ver- und inter-sexuellen Gruppen. anstaltungsplakat der „Bunten Fabrik“ des Aber auch Geld hat die Stadt in die Hand ge„subversiven Chaotenvereins AZ“ aus dem nommen, um ihre Geschichte allumfassend Jahr 1981 bis hin zu Cros Panda-Maske. darzustellen: „Selbstverständlich gibt es DinApropos – wie kommt man eigentlich an so- ge, die wir gezielt ankaufen wie zum Beispiel was ran? „Man ruft bei 0711 Entertainment an, den Prototypen des Mies van der Rohe-Stuhls macht klar, wie wichtig man diese Maske für für die Weißenhof-Siedlung – den gibt’s Stuttgart findet und arbeitet sich bis zu Ge- natürlich nicht geschenkt“, so die Leiterin. [LIFT 12.15]
Eine Absprache mit den anderen kulturellen Einrichtungen der Region, deren Sammlungsschwerpunkte sich teilweise mit dem Stadtmuseum überschneiden, ist dabei unumgänglich: „Gerade was solche großen Ereignisse wie S21 betrifft, müssen wir uns auch mit dem Haus der Geschichte austauschen und die Objekte aufteilen: Sie haben den Bauzaun bekommen, wir dafür die kleineren Gegenstände. Wichtig ist, dass die Dinge überhaupt gesammelt werden, später kann man sie immer noch untereinander ausleihen.“ Wir geben Anja Dauschek Recht und bieten ein Exemplar der LIFT-Erstausgabe im Tausch gegen die vollständige Musikalben-Sammlung Petra Xayaphoum an – Deal? STADTMUSEUM IM WILHELMSPALAIS [Konrad-Adenauer-Str. 2, S-Mitte, www.stadtmuseumstuttgart.de. LIFT LOCKT: WIR VERLOSEN einen exklusive Baustellen-Rundgang für 20 LIFT-Leser am 4.12. um 15 Uhr. Die Führung dauert etwa 1,5 Stunden. Wichtig: Die Baustelle ist nicht barrierefrei. Die Teilnehmer werden mit Helm, Schutzweste und Sicherheitsschuhen ausgerüstet. Warme Kleidung und dicke Socken sind empfehlenswert. Der Treffpunkt wird den Gewinnern mitgeteilt. Mail, Fax oder Karte mit dem Stichwort „Bauzaun“ an LIFT.]
LEBEN STUTTGART FLIEGT AUS
38
S FLIEGT AUS STUTTGART FLIEGT AUS: ZU DEN ROMANTISCHSTEN UND KREATIVSTEN WEIHNACHTSMÄRKTEN IN DER REGION
FÜR INDIVIDUELLE Wer keine Lust auf den üblichen gebrannte Mandeln-Kram und kitschigen Weihnachtsschmuck hat, ist beim TÜBINGER WEIHNACHTSMARKT (Altstadtgassen Tübingen, 11.-13.12. Fr+Sa 10-21, So 11-19 Uhr) in der historischen Altstadt genau richtig. Hier ist alles Do-it-yourself, sehr hübsch und anders als anderswo. Warum? Die Stände werden nur an Privatleute und Kunsthandwerker vergeben, sind daher „Marke Eigenbau“ und um einiges
origineller, als das, was man sonst so kennt. Das gilt übriges auch für die angebotenen Produkte: Sie sind überwiegend selbst gekocht, gebacken, gedrechselt, gezimmert, geschnitzt und getöpfert. Ein bisschen Standard ist aber trotzdem dabei: Für Kids gibt’s ein Kinderkarussell, für Omis und Opis Musikanten und Chöre. Richtig cool ist der mittlerweile traditionelle Winter-Open-Air-Event auf dem HAAGERTORPLATZ am Freitagabend (11.12. 19 Uhr).
Hier gibt es die Feuerzangenbowle auf der großen Leinwand zu sehen und natürlich für jeden einen Schluck des leckeren Punschs. Besser geht Advent nicht. Und wenn man schon mal in Tübingen ist und eine kleine Pause vom Weihnachtsgedöns braucht: Ab zu HOLY HORST (Hafengasse 8). In der Szenekneipe gibt’s partyfreudige Gäste, feine Drinks zu guten Preisen und immer wieder richtig gute Konzerte. Garantiert Plätzchen-freie Zone! [LIFT 12.15]
Fotos: Stadt Mannheim (o. li.), Hohenzollern (o. re.+ u. re., Torso. (u. li.)
ALLE JAHRE WIEDER…
LEBEN STUTTGART FLIEGT AUS
FÜR ROMANTIKER Keine Angst vor Kitsch und Kerzen! Wem Stimmung und ein mega-romantisches Ambiente zur Weihnachtszeit wichtiger sind als Konsum, der ist beim Weihnachtsmarkt in BAD WILDBAD (5.12. 14-21 Uhr, 6.12. 12-19 Uhr) im Schwarzwald goldrichtig. Beleuchtete Wege, mit Sternen und aufwändigen Leuchtobjekten geschmückte Bäume und Häuser, verführerische Düfte von Gebäck und Glühwein – mehr müssen wir nicht sagen, oder? Die besondere Note geben Licht- und Feuerkünstler, Klänge aus dem Musik-Pavillon und ein Weihnachts-Café. Kunsthandwerk und die üblichen Weihnachtsleckereien gibt’s auch zu kaufen. Wer kurz vor Heiligabend anreist, kann den etwas kleineren Weihnachts- und Bauernmarkt im benachbarten ENZKLÖSTERLE (Festhallenvorplatz, 19.12. 15-22 Uhr, 20.12. 11-18 Uhr) besuchen. Unter dem hohen Tannenbaum und einem Lichterdach tummeln sich Weihnachtsmarktlustige zwischen den 20 beleuchteten Ständen und naschen Leckereien. Sehr nett da. Und jetzt noch der Romantiker-Tipp schlechthin: Nach dem Schlendern ab in die superschöne Therme PALAIS THERMAL in Bad Wildbad (Kernerstr. 5, www.palais-thermal.de). Dort kann man sich aufwärmen und beim Wasser-Shiatsu ist der ganze Weihnachtsstress schwuppdiwupp vergessen. Bad Wildbad we like you. FÜR SHOPPINGFÜCHSE Der riesige Weihnachtsmarkt (ab 25.11., tägl. 11-21 Uhr) rund um den MANNHEIMER WASSERTURM ist mit über 200 Ständen einer der größten Deutschlands. Hier ist WeihnachtsShopping extreme angesagt: Christbaumschmuck, Krippen, Holzspielzeug, Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Ton, Stein, Mineralien und Edelsteinen, Essige und Öle, Gewürze und Tees – da macht Weihnachten seinem Konsum-Terror-Ruf alle Ehre.
Warum sich ein Ausflug trotzdem lohnt? Weil man Mannheims Wahrzeichen, den Wasserturm, mal mit den funkelnden Ständen drumherum gesehen haben muss und weil die Jugendstil-Parkanlage am Friedrichsplatz mit Puderzucker-Schnee-Bedeckung noch ein wenig hübscher ist als sonst. Außerdem braucht man ja auch tolle Präsente. Wer an den Ständen keine passenden Geschenke für die Liebsten findet, shoppt einfach woanders weiter: Die coolsten T-Shirts der Stadt gibt’s im TORSO (R6, 7, Innenstadt, www.torso.de). Leider schließt der Laden Ende Januar, also noch flugs ein paar Schnäppchen machen! Wer dann noch keine kalten Füße hat, dem sei ein Spaziergang durch den JUNGBUSCH empfohlen: Das Rotlicht-Viertel mutierte vor einiger Zeit zum Szenespot. Hier gibt’s nicht nur tolle Streetart an den Wänden, sondern auch viele nette Gastros. FÜR MÄRCHENPRINZEN Dornröschen kann einpacken. Das allermärchenhafteste Schloss ist die BURG HOHENZOLLERN , der ehemalige Stammsitz des preußischen Königshauses. Hier gibt’s einen der schönsten Märkte überhaupt, den Königlichen Weihnachtsmarkt (27.-29.11.+4.-6.12. Fr
39
14-21, Sa 11-21, So 11-19 Uhr). Die Burg selbst und ihre imposante Lage bieten ein ganz tolles Ambiente. Im Burggarten, Burghof, Kutschenhof, in der Stammbaumhalle und im Grafensaal präsentieren zahlreiche Anbieter Accessoires, Schmuckkreationen und Geschenkideen. Ein bisschen schräg, aber unterhaltsam, ist hier auch das Rahmenprogramm: Es gibt ein Dudelsackkonzert, gregorianische Weihnachtsgesänge und Weihnachts-Soul. Kleine Prinzen und Prinzessinnen freuen sich über „Pünktchen und Anton“ als musikalische Lesung und einen Laternenumzug inklusive Weihnachtselfe (alle Termine unter www. www.burg-hohenzollern.com). Besonders schön ist das illuminierte Schloss am Abend, und nicht erschrecken: Dieser Weihnachtsmarkt kostet 10 Euro Eintritt –lohnt sich aber! Tipp: Wenn schon die Anreise zum Erlebnis werden soll, kommt man am besten am 5. Dezember. Dann düst nämlich der historische Schienenbus namens ROTER FLITZER (www.roter-flitzer.de) zur Burg. Auf verschiedenen Stopps, wie S-Untertürkheim, sammelt er Weihnachtsreisende ein und bringt sie über die Panoramastrecke zum märchenhaftesten Weihnachtsmarkt seit Walt Ivana Bernhard Disney.
Foto: Katyjay/photocase.com (li)
R AU S AU S DEM KESSEL! DI E N EU E AUSGABE J ETZT IM BUCH- U N D ZEITSCH RI FTEN HAN DEL [LIFT 12.15]
KULTUR LESEN
54
LESEN LIFT LIEBT
COMICS MIT LANGEM ATEM: DIE SCHÖNSTEN GRAPHIC NOVELS FÜR UNTERN WEIHNACHTSBAUM
EPISCHE BILDERWELTEN
Auszug aus der Graphic Novel „Steam Noir“ des Ludwigsburger Verlags Cross Cult
Graphic Novels boomen. Nicht nur so gut wie alle Comicverlage haben welche im Angebot, sondern auch „normale“ Literaturverlage. Und selbst die noch laufenden Stuttgarter Buchwochen haben einen kleinen Graphic-Novel-
Schwerpunkt. Doch was ist mit der Bezeichnung überhaupt gemeint? Zunächst: Zu behaupten, Graphic Novels seien keine Comics, ist Quatsch. Vielmehr handelt es sich um ein Untergenre im Comicbe-
reich, das oft, aber nicht zwingend ernste Themen behandelt. Entscheidender sind dabei aber der Umfang und die komplexen, romanhaften Erzählstrukturen, die über die meisten klassischen Comichefte hinausgehen: Nicht umsonst bedeutet „Novel“ im Englischen schlicht „Roman“. Comicromane also. Selbst viele englischsprachige Comicautoren halten den Begriff bis heute für so unnötig wie unscharf, denn klare Definitionen, wann ein Comic nun eine „Graphic Novel“ ist, gibt es nicht – die Grenzen sind fließend. Klar ist immerhin: US-Zeichnerlegende Will Eisner verwendete den Begriff erstmals 1978 für seinen Comic „Ein Vertrag mit Gott“, und um diese Zeit entstanden auch andere Comics, die bis dahin ungewohnt episch erzählten. Am ehesten Sinn ergibt „Graphic Novel“ daher noch als Marketingbegriff, um einem schon allein vom Wort „Comic“ abgeschreckten Publikum anspruchsvolle Comicliteratur nahezu bringen – was in Deutschland ja leider immer noch eine schwierige Aufgabe ist. Wie facettenreich das Genre dabei sein kann, zeigen allein schon die LIFT-Weihnachtstipps. Oliver Stenzel
DIE LIFT-GRAPHIC-NOVEL-TIPPS FÜR VERTRÄUMTE Jeden Sommerurlaub trifft Rose ihre Freundin Wendy. Diesmal ist alles anders. Die pubertierende Rose kann dem Spielen mit Wendy nichts mehr abgewinnen, schielt lieber neugierig und verstört nach älteren Teenagern. Mit „Ein Sommer am See” ist den Kanadierinnen Jillian und Mariko Tamaki eine leichte, aber nie belanglose Coming-of-AgeGeschichte gelungen. [Reprodukt, 320 S., € 29,-] FÜR SEEBÄREN 1837: Die französische Fregatte „La Renommée“ kehrt von einer Kartografie-Expedition im Südpazifik zurück. An Bord ist auch der junge Eingeborene Éloi. Naturforscher Delaunay will ihn als Anschauungsobjekt für seine Karriere nutzen. Naturwissenschaft, Rassismus,
christliches Missionsdenken und maritime Verhaltensregeln prallen auf fatale Weise aufeinander. Meisterhaft kondensieren Younn Locard und Florent Grouazel die Widersprüche des 19. Jahrhunderts in einer kammerspielartigen Erzählung – oft erschreckend aktuell. [Avant Verlag, 224 S., € 29,95] FÜR GESCHICHTSINTERESSIERTE Grafische Biografie: Jacques Tardi, französische Comiclegende, greift in „Ich, René Tardi“ die Erinnerungen seines Vaters an die Zeit in deutscher Kriegsgefangenschaft auf und bewahrt so ein wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkrieges vorm Vergessen. Zwei Jahre nach dem ersten ist nun der zweite
Teil „Der lange Marsch durch Deutschland“ erschienen. Grandios: Tardi baut sich selbst als fragenden kleinen Jungen in die Handlung ein. [Edition Moderne, Teil 2, 128 S., € 32,-]
FÜR SCIENCE-FICTION-FANS Im Oktober haben die Ludwigsburger Felix Mertikat und Verena Klinke den vierten und letzten Teil der Steampunk-Saga „Steam Noir“ vorgestellt. Schade, denn ihr fantastisches Universum kann süchtig machen: In einem Ätherweltraum treiben riesige, teils bewohnte Schollen, die bisweilen von den Seelen einer Toteninsel heimgesucht werden, und inmitten dieser morbiden wie originellen Welt irrlichtern der Wissenschaftler Heinrich Lerchenwald und die Ermittlerin Frau D. [Cross Cult, 4 Bände., jew. 64-112 S., € 16,80-19,80] [LIFT 12.15]
KULTUR LESEN
AUSERLESEN: DIE PAPERNESS AN DER THEO-HEUSS
BEST OF PAPIER
55
UNSERE BUCHTIPPERIN Dora Spindler von der Stadtbibliothek hat im Dezember große Themen
VERENA LUEKEN – ALLES ZÄHLT
LIFT LIEBT
kann man sich auf zwei Stockwerken nach Herzenslust auf Bücher stürzen, die fast zu kunstvoll zum Lesen sind. Finden kann man kuratierte Werke von A wie Architektur bis Z wie Zeitgeist. Um die 70 Teilnehmer sind vertreten: Neben Herausgebern, Magazinen wie The Opéra und Petrole Editions auch Verlage wie Motto Books und Edition Taube. Bei Konzerten, Vorträgen und Lesungen kommen die Ohren auch nicht zu kurz. CK PAPERNESS [3.-12.12. ab 15 Uhr, Wintergarten, Theodor-Heuss-Str. 15, SMitte, www.paperness.de]
TITANIC BOYGROUP IN DEN WAGENHALLEN
DIE SATIRE-ZOMBIES Nach Abschiedstour und zahlreichen Ankündigungen der Trennung, sind die drei Satire-Legenden nun doch mit neuem Programm zurück. Die ehemaligen Titanic-Chefredakteure Martin Sonneborn, Thomas Gsella und Oliver Maria Schmitt touren schon seit 20 Jahren durch Deutschland. Sie haben Hallen gefüllt und ihr Publikum mit ihrem ganz eigenen satirischen Humor begeistert. Sie waren es, die von der Fifa, dem Papst und dem Bundespräsidenten verklagt wurden. Wer den polemischen Humor teilt, sollte auf keinen Fall das neue Programm „Comeback – Rückkehr der Satire-Zombies“ der drei Literaten in den Wagenhallen in S-Nord verpassen. Darin präsentieren sie Geschmacklosigkeit auf [LIFT 12.15]
Die Autorin schreibt über ihre Freude, in die Stadt zurückzukehren, die ihr am ehesten Heimat ist. Doch bald darauf wird bei ihr zum wiederholten Mal Krebs diagnostiziert. Das Leiden führt sie an den Rand des Lebens. Ein vielschichtiges Buch: Über das Erleiden von Schmerz und Krankheit, aber auch über New York, über die Bedeutung von Literatur für das eigene Leben und die ewigen Fragen des Woher und Wohin. [KiWi, 208 S., € 18,99] THOMAS MEYER – RECHNUNG ÜBER MEINE DUKATEN
Die berühmten „Langen Kerls“ des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. sind das Thema dieser faszinierenden Zeitreise. Der König sammelt Riesen für seine Leibgarde wie andere Herrscher Rennpferde oder Schnupftabakdosen. Ihr Ankauf verschlingt Unsummen, die jungen Männer, die das Pech haben, ungewöhnlich groß zu sein, werden verschleppt, kaserniert und misshandelt. Ein lakonisches Portrait einer grausamen Epoche unter einem bösartigen, verschlagenen Despoten.
LIFT-Redakteurin Mara Veigel ist unterwegs auf Stuttgarter Lesestreifzügen
PATRICK BAUER – DER ANFANG AM ENDE DER WELT
Wilhelm arbeitet bei Bosch und verkauft für die schwäbische Firma in der Karibik Kühlschränke. Dort lernt er seine große Liebe Louise kennen. Nach einiger Zeit zitiert Bosch den jungen Mann zurück – Louise kommt mit. Journalist und Autor Patrick Bauer erzählt die Geschichte seiner Großeltern – eine Lovestory zwischen Karibik und Stuttgart, über Kultur und Familie. [Rowohlt, 256 S., € 14,99] HERBERT MEDEK, ANDREA NUDING – HEUSTEIG, GERBER, BOHNENVIERTEL
Im Herzen bin ich eine Heusteiglerin. Meine erste WG war in der Alexanderstraße, die LIFT-Redaktion sitzt in der Falbenhennenstraße und seit einigen Monaten wohne ich wieder in meinen Lieblingsviertel. Der Silberburg Verlag bringt nun eine kleine Hommage an Heusteig, Gerber und Bohnenviertel heraus. Wer also mehr über die schönsten Stadtteile erfahren will, schaut sich dieses Buch an. [Silberburg, 300 S., € 29,90]
[Diogenes, 360 S., € 22,-] SABINE SCHODER – LIEBE IST WAS FÜR IDIOTEN. WIE MICH
höchstem Niveau, die ältesten Pointen der westlichen Welt und natürlich Witze auf Kosten andeBAL rer. TITANIC BOYGROUP [6.12. 20 Uhr, Wagenhallen, Innerer Nordbanhof 1, S-Nord, www.merlinstuttgart.de]
Warum sie sich ausgerechnet an ihrem 17. Geburtstag mit dem Falschen einlässt, ist Viki ein Rätsel. Denn Jay ist Sänger in einer angesagten Band und kriegt jede rum. Und er hat offensichtlich ein Drogenproblem. Doch Jay lässt nicht locker, und Viki, gleichermaßen verliebt wie misstrauisch, versucht hinter seinem Rücken, seine Geheimnisse zu ergründen. Ein sehr heutiger Liebesroman, fetzig von der ersten bis zur letzten Seite. [Fischer, 352 S., € 12,99]
WOLFGANG SCHORLAU – DIE SCHÜTZENDE HAND
Sein vielleicht größter Fall: Ermittler Dengler soll die Vorkommnisse des 4. November 2011 klären. An dem Tag starben nach einem Banküberfall die beiden Attentäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Schorlau thematisiert in seinem neuen Krimi die NSU-Mordserie und will – zumindest literarisches – Licht ins Dunkel der Ermittlungen bringen. [KiWi, 320 S., € 14,99]
Foto: Schönebaum (o.), Manufaktur (u.)
Haptik-Fetischisten und Buchdeckel-Küsser aufgepasst: Print ist nicht tot. Print ist viel zu schön, um zu sterben! Das haben sich auch Matthias Straub, Janina Poesch und Sabine Marinescu gedacht, als sie 2011 erstmals die Paperness ins Wilhelmspalais holten. Die drei wollen einen Ort für regionale und überregionale Printprodukte etablieren, der einzigartigen Zeitschriften, Magazinen und Büchern vorbehalten ist. Heuer findet das Forum für diese außergewöhnlichen Printerzeugnisse erstmals im Wintergarten statt. In der ehemaligen Suite 212
UNSERE BUCHTESTERIN
68
KULTUR SPIELEN
SPIELEN DIE LIGA DER SUPERTÄNZER: DAS STUTTGARTER BALLETT VERWANDELT SEINE COMPAGNIE IN COMIC-HELDEN
So haben die Stuttgarter ihr Ballett noch nie gesehen: Jason Reilly als „Captain Fantastic“, Faust-Preisträgerin Alicia Amatrian beeindruckt mit ihrem biegsamen Schlangenkörper und „The Edge“ Constantine Allen schneidet mit die Bühnenluft wie Butter. David Moore, alias „Raven Man“ fährt seine Krallen aus und Elisa Badens setzt als funkensprühende „Spark“ die Bühne in Brand. Dieses ungewöhnliche Konzept hat sich Vivien Arnold, Leiterin der Kommunikationsabteilung und Dramaturgie des Stuttgarter Balletts, überlegt. Als Mutter von zwei Söhnen, die unheimlich auf Superheldenfilme und Comics abfahren, kennt sich Arnold bestens mit diesem Genre aus. Besonders die X-Men, eine Gruppe talentierter Mutanten, deren spezielle Su-
perkräfte von Professor X gefördert und trainiert werden, haben es ihrer Familie angetan. Kein Wunder, dass Arnold die Leinwandhelden in den Sinn kamen, als sie die Proben der Tänzer beobachtete. Schwerelos und kraftvoll zugleich schweben die ersten Solisten übers Parkett – richtige Superhelden eben. Gedacht, gemacht! Arnold entwickelte das Helden-Konzept für eine Fotoserie, die bislang nur im Spielzeitheft und im Schauspielhaus zu sehen waren. Sowohl die 13 ersten Solisten und ihr Mister A. alias Reid Anderson waren von der Idee sofort angetan. Zusammen mit der Agentur Discodoener und Fotograf Bernd Weisbrod stürzte sich die Truppe – in ihrer Freizeit – in die Arbeit. Die Kostüme wurden vom ehemaligen Tänzer Tho-
mas Lempertz entworfen, der heute das Modelabel Goldknopf betreibt. Die Fotostrecke allein war jedoch nicht genug. Jeder Superheld hat natürlich auch einen Comic, um der Ballett-Welt zu zeigen, wie auch die fiesesten Schurken tänzelnd besiegt werden können. Mit dem Stuttgarter Zeichner Sasa Zivkovic war auch schnell ein Künstler gefunden, der den verruchten und zwielichtigen Charme alter Marvel-Comics aufs Papier bringt. Ballett- und Comicfans können nun in einer vierteiligen Serie im Staatstheater-Magazin „Reihe 5“ mit ihren Helden mitfiebern. Bleibt nur die Frage: Werden die Stuttgarter Stars ihren Widersacher „Digitalus“ besiegen? FortCarina Kriebernig setzung folgt! [LIFT 12.15]
Fotos: Bernd Weissbrod, Comic: Sasa Zivkovic
HELDENHAFTE HOMMAGE
KULTUR SPIELEN
69
ARMIN PETRAS INSZENIERT SHAKESPEARES „DER STURM“ ZWISCHEN WAHNSINN UND KOMIK
DER STOFF, AUS DEM DIE TRÄUME SIND
Fotos: Thomas Aurin (o.), Nina Malotta (u.l.)
Shakespeares Verdienste um die englische Sprache sind von unschätzbarem Wert. Bis heute lebt sie von seinen Wortschöpfungen, Redewendungen und Metaphern. Ein Werk voller Sprachbrillanz ist auch sein letztes Stück „Der Sturm“. Hierfür fügte Shakespeare mittelalterliche Legende und zeitgenössischen Reisebericht zur Geschichte vom zauberkundigen Prospero zusammen, der als rechtmäßiger Herrscher Mailands von seinem Bruder auf eine einsame Insel verbannt wird, und von dort aus auf magische Weise seine Feinde besiegt. „Prospero ist eine Art Aussteiger für mich, eine sehr moderne Figur“, sagt Schauspiel-Intendant Armin Petras über seine Hauptfi-
gur (Manuel Harder). „Er bricht mit seiner Vergangenheit, kehrt der Welt den Rücken und versucht, eine neue, bessere Gesellschaft zu erfinden.“ Um Position, Einfluss und Reichtum gebracht, bleiben Prospero nur seine Bücher. Auch in der Ferne steigt er zum Herrscher auf und macht sich den Luftgeist Ariel sowie die Kreatur Caliban untertan. „In den Proben merkten wir, wie reich und aktuell der Text bis heute ist“, so Petras. „Er erzählt vom Kolonialismus, von der Angst vor dem Fremden, vom Krieg unter Brüdern, aber auch von der Liebe und von der Sehnsucht nach Familie und privatem Glück.“ Der Text behandelt auch die dunklen Seiten des Menschen:
„Derbe Komödiantik, Liebe, Mord und Wahnsinn gehen beim Menschenkenner Shakespeare Hand in Hand.“ Dafür braucht Petras keine einsame Insel. Die Einsamkeit in unseren heutigen Me-
tropolen ist vollkommen ausreichend. Björn Springorum DER STURM [Premiere: 11.12. 19:30 Uhr, Schauspiel, Oberer Schlossgarten 6, S-Mitte]
DAS CITIZEN.KANE.KOLLEKTIV ZEIGT „QUALITY TIME“
DIE BIOGRAFISCHE TRAGIK VON „DER KLEINE PRINZ“
FAMILIENAUFSTELLUNG
HINTER DEM MÄRCHEN
Ist der Rückzug in die Kernfamilie die beste Reaktion auf die immer wirrer werdende Welt? Dieser Frage nähert sich das Stuttgarter Citizen.Kane.Kollektiv mit „Quality Time“ an. Abgeschottet vom Rest der Welt, spielen sechs Menschen Familie. Sie unterwerfen sich eigenartigen Regeln und vollziehen bizarre Rituale. Aus Kinderspielen werden Gewaltorgien, aus perversen Mutproben Familienrituale. Die TanzTheater-Performance ist inspiriert von dem Independent-Film „Dogtooth“, ein sperriges Meisterwerk von Giorgos Lanthimos aus dem Jahr 2009. Regisseur Christian Müller und Choreogra-
Schön und charmant ist Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ bis heute. Meist wird aus der Geschichte aber nur das Übliche herausgelesen: ein Plädoyer für die Freundschaft und die Menschlichkeit. Was der Autor in seinem 1943 erschienenen Werk sonst noch so alles verknusperte, gerät gern ins Hintertreffen, wurde aber jetzt für „Consuelo, mon amour“ ganz gezielt exhumiert. Realisiert als Koproduktion des Stuttgarter Figurentheaters Fitz! und des Zimmertheaters Tübingen, folgen Frank Soehnles nachdenkliche Figuren der komplizierten und emotional aufgeladenen Beziehung von Saint-Exupéry und seiner Frau Consuelo Suncin. Unter anderem anhand der Figur der eingebildeten Rose, die dem Prinzen wundersam schön, aber auch reichlich arrogant erscheint, untersucht Christian Glötzner die Ehe des Autors, der während des Zweiten Weltkrieg gezwungen war, seine Frau in Frankreich zurückzulassen. Unter dem Plädoyer für Menschlichkeit kommt ein Schatten zum Vorschein, der sich
[LIFT 12.15]
fin Nicki Liszta entwickeln daraus verzerrte Spiegelungen einer auf Sauberkeit, Sicherheit und Optimierung bedachten Gesellschaft. Diese Familienaufstellungen der abstrusen Art gehen auch an den Darstellern nicht spurlos vorüber: „Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hat mir neue Perspektiven auf meine eigene Familie gegeben“, so Tänzerin Britta Gemmer. Von der Kernfamilie zur Gesellschaft sind es also nur kleine Trippelschritte. CK QUALITY TIME [Premiere 9.12. 20 Uhr, Kulturhaus Arena, Ulmer Str. 241, S-Wangen. Karten über citizenkanekollektiv@gmail.com]
mit dem Aufbruch in die Fremde, dem Verlassen und Ankommen beschäftigt. Im Spiegel der aktuellen Flüchtlingskrise ein Thema, das auch über 70 Jahre nach dem Erscheinen des weltberühmten Bestsellers nichts von seiner grausigen Aktualität verloren hat. BS CONSUELO, MON AMOUR [Premiere: 28.11. 20 Uhr, Zimmertheater, Bursagasse 16, Tübingen, weitere Termine: 29.11.-5.12. 20 Uhr+10.-12.12. 20:30, Fitz!, Eberhardtstr. 61, S-Mitte]
72
WEIHNACHTEN UND SILVESTER n
er 20 Seite
a auf üb onderthem
Foto: suze / Photocase.de
Großes S
DER GROSSE LIFT-WEIHNACHTSMARKT-GUIDE ...................................73 BIS DIE KUFEN QUALMEN: WINTERSPORT IN DER REGION .........76 TOLLE GESCHENKE FÜR UNTERN BAUM ...................................................78 STUTTGARTER KREATIVLINGE WÜNSCHEN SICH WAS .....................84
PLÄTZCHEN-REZEPTE FÜR ANDERSBACKER ...........................................86 PARTY-EXPERTE WOLFGANG SPOHN GIBT KNALLER-TIPPS ........90 HELLO 2016: DIE FETTESTEN SILVESTERSAUSEN ....................................91
[LIFT 12.15]
SONDERTHEMA WEIHNACHTEN UND SILVESTER
★
73
ES MUSS NICHT IMMER GLÜHWEIN SEIN: DER LIFT-WEIHNACHTSMARKT-GUIDE
ADVENT, ADVENT, DIE HÜTTE BRENNT Wem sich beim Gedanken an die Weihnachtsmarktzeit die Zehennägel hochbiegen, der war wahrscheinlich immer mit den richtigen Freunden auf den falschen Weihnachtsmärkten – oder andersrum. Das muss nicht sein: Wir zeigen, welches Märktle zu welchem Christkindle passt.
Illus: Profke, Text: Springorum
MIT DER SINGLE-FREUNDIN Weihnachtsmärkte sind nur was für frischverliebte Pärchen in Zuckerwolkenstimmung? Ach Quatsch! In Waiblingens stimmungsvoller Altstadt lässt es sich auch ohne rosarote Brille auf der Nase aushalten. Skihasen können sich zunächst bei der Skihüttengaudi mit entsprechender Musik und Getränken in Stimmung bringen, um danach zum Beispiel mexikanische Weihnacht zu heißblütiger Latin-Musik zu feiern. Eine heiße Empfehlung ist auch ein „wönziges Schlöckchen“ von der Feuerzangenbowle und anschließend kann man den gleichnamigen Filmklassiker warm eingepackt und entsprechend angefeuert im Open-Air-Kino genießen. Ähnlich betörend geht es auch bei der wöchentlichen „Flying Weinprobe“ mit Tropfen der Remstalkellerei zu. Der Kellermeister stellt ausgewählte Weine und Jahrgänge vor, schenkt aus und steht Rede und Antwort. Wem dann selig-beschwipst der Sinn nach Kultur steht, kann mit der besten Freundin im Weihnachtskeller die „Artverwandt“-Ausstellung mit jeder Menge Handarbeiten ansehen. Oder vielleicht doch lieber zurück zur Skihüttengaudi? WEIHNACHTSMARKT WAIBLINGEN [bis 20.12., Mo, Di ,Fr+So 12-20:30, Mi+Sa 10-20:30 Uhr, Marktplatz, Waiblingen]
[LIFT 12.15]