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Grenzüberschreitende Sachverhalte

Die Einführung der Gleitzeit ist (wie auch die Einarbeitung iVm Feiertagen und die VierTage-Woche) auch ohne KV-Zulassung möglich. In Betrieben mit Betriebsrat ist aber zwingend eine BV abzuschließen. Gibt es keinen Betriebsrat, so ist der Arbeitgeber an den Abschluss einer schriftlichen Einzelvereinbarung mit dem Arbeitnehmer gebunden. Zu regeln sind die Dauer der Gleitzeitperiode, der Gleitzeitrahmen, das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben in die nächste Gleitzeitperiode und die Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit. Überstunden liegen vor bei: • Leistungserbringung außerhalb des Gleitzeitrahmens; • Überschreitung der täglichen (zehn bzw bei entsprechender Ausgestaltung sogar zwölf

Stunden50)) oder der wöchentlichen (50 bzw bei entsprechender Ausgestaltung sogar 60Stunden) Höchstgrenze der Normalarbeitszeit; • Überschreitung der sonst geltenden Grenzen der Normalarbeitszeit, wenn in die Zeitsouveränität eingegriffen wurde (sogenannte „angeordnete Überstunden“ 51)); • Überschreitung des Zeitguthabens, welches für die Übertragung in die nächste Gleitzeitperiode vereinbart wurde. Besteht am Ende der Gleitzeitperiode ein Zeitguthaben, das in die nächste Periode vorgetragen werden darf, so handelt es sich hierbei um Normalstunden. Wird dieses Zeitguthaben nicht vorgetragen oder ist ein Vortrag in die nächste Periode nicht möglich, so handelt es sich hierbei zum Zeitpunkt des Endes der Gleitzeitperiode (!) um Überstunden, die mit Zuschlag abzugelten sind. Der Unterschied zwischen einer Durchrechnung der Normalarbeitszeit (Pkt 4.3.2.1.) und gleitender Arbeitszeit besteht darin, dass die Lage und das Ausmaß der Arbeitszeit bei Letzterer nicht vom Dienstgeber vorgegeben oder im Vorhinein einvernehmlich vereinbart wurden, sondern der Dienstnehmer das Recht hat, sich innerhalb der vereinbarten Gleitzeit-Rahmenbedingungen die Arbeitszeit selbst einzuteilen.

4.3.3.Fehlerhafte Anwendung der Arbeitszeitmodelle und daraus drohende Risiken Werden die Voraussetzungen für die Einführung der genannten Arbeitszeitmodelle nicht eingehalten (zB fehlende KV-Ermächtigung, fehlende oder mangelhafte Gleitzeitregelung), ist der privilegierte Auf- und Abbau von Zeitguthaben mit 1:1 (oder mit geringem Zuschlag) nicht möglich. Da bei Überschreitung der Tagesnormalarbeitszeit (Mehroder) Überstundenarbeit vorliegt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den Überstundengrundlohn und -zuschlag. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei unzulässigen Durchrechnungsmodellen die Mehr- und Überstunden samt Zuschlägen bereits im Kalendermonat der Leistung fällig werden. Bei allen flexiblen Arbeitszeitmodellen ist gesondert zu prüfen, welche Auswirkungen diese auf Teilzeitkräfte haben.52)

5. Grenzüberschreitende Sachverhalte 5.1.Allgemeines

Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr erfordert Rahmenbedingungen, die einerseits einen fairen Wettbewerb garantieren und andererseits die Rechte der Arbeitnehmer schützen. Dazu hat die EU eine Richtlinie über die Entsendung von Arbeitneh-

50)Schränkt der Kollektivvertrag bei Gleitzeit die tägliche Höchstarbeitszeit auf zehn Stunden ein, gebühren für die elfte und zwölfte Stunde Überstundenzuschläge (OGH 16.12.2019, 8ObA 77/18h). 51)Seit 1.9.2018 ausdrücklich in §4b Abs5 AZG klargestellt. 52)Vgl dazu zB OGH 25. 6. 2013, 9 ObA 18/13g.

mern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Richtlinie 96/71/EG) erlassen, nach der einem entsendeten Arbeitnehmer die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften bzw allgemein verbindlichen Tarifverträgen geregelten arbeitsrechtlichen Mindeststandards (der „harte“ Kern der Beschäftigungsbedingungen) des Aufnahmemitgliedstaates zu gewähren sind. Im Zuge der Adaption der Entsende-RL im Jahr 2018 wurde der diesbezügliche Katalog erweitert und außerdem festgelegt, dass bei zwölf Monate überschreitenden Entsendungen ab Überschreiten dieser Frist unter Zugrundelegung des Günstigkeitsprinzips die gesamten in den angeführten Rechtsquellen enthaltenen Arbeitsrechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaates beachtlich sind. Dem entspricht es, dass nach der Rom-I-VO über das anzuwendende Recht bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen die Eingriffsnormen des Gastlandes auch dann zu beachten sind, wenn ein vorübergehend entsendeter Arbeitnehmer weiterhin dem Vertragsstatut des Heimatstaates (Staat der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung) unterliegt. Die Entsende-RL stellt im Verhältnis zur Rom-I-VO daher eine lex specialis dar, nach der grenzüberschreitend eingesetzten Arbeitnehmern ungeachtet des an sich anwendbaren Arbeitsrechts des Herkunftsstaates die zentralen arbeitsrechtlichen Standards des Aufnahmemitgliedstaates zu gewährleisten sind. Zur Entsende-RL ist auch eine Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2014/67/EU) ergangen, die Regelungen zur besseren Informationsgewährung, zur Verwaltungszusammenarbeit und zu den auf Unternehmen anwendbaren Kontrollmaßnahmen hinsichtlich der Umsetzung der angeführten Vorgaben vorsieht. Demnach sind die Mitgliedstaaten auch angehalten, für Verstöße wirksame und verhältnismäßige Sanktionen festzulegen. Die Vorgaben der angeführten Richtlinien wurden innerstaatlich ursprünglich primär im AVRAG festgeschrieben. Mit Wirkung ab 2017 wurden diese Regelungen aus dem AVRAG herausgelöst und neu strukturiert im LSD-BG verankert. Die aktuelle Novelle des LSD-BG dient der Umsetzung der oben angeführten Adaption der Entsende-RL. Die in der Folge erläuterte Verpflichtung zur Erstattung von Entsende- bzw Überlassungsmeldungen (ZKO3 und ZKO4) gilt nicht für Entsendungen bzw Überlassungen von Arbeitnehmern aus Drittstaaten.53) Soweit Unternehmen aus Drittstaaten (insbesondere im Hinblick auf die GewO und das AÜG) überhaupt im Inland tätig werden können, kommt im Hinblick auf die Kontrolle der Einhaltung der Mindestentlohnung aber die Pflicht zur umfassenden Bereithaltung der Lohnunterlagen zum Tragen. Darüber hinaus sind hinsichtlich des Einsatzes von Drittstaatsbürgern als Arbeitskräfte in Österreich die beschäftigungs- und aufenthaltsrechtlichen Beschränkungen zu beachten.

5.2.Von der Lohnkontrolle erfasste Inbound-Tatbestände

5.2.1.(Anwendungsbereich der) Entsende-RL Die Entsende-RL ist nur für folgende länderübergreifende Maßnahmen anwendbar: • Ein Arbeitnehmer wird zur Abwicklung einer Dienstleistungsvereinbarung, die sein Arbeitgeberunternehmen mit einem in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen hat, in diesen anderen Mitgliedstaat entsendet. Die Entsende-RL erfasst daher primär Entsendungen von Arbeitnehmern zur grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung (Dienstleistungsentsendung). • Der Arbeitnehmer wird von seinem Arbeitgeber in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen entsendet. Bei diesen Konzernentsendungen wird gewissermaßen eine Dienstleistung unterstellt.

53)Nach §1 Abs4 LSD-BG sind für diese die §§17 bis 21, 23 und 26 LSD-BG und das dritte Hauptstück, ausgenommen §41 LSD-BG, nicht anwendbar.

• Der Arbeitnehmer wird von seinem Arbeitgeberunternehmen im Zuge einer Arbeitskräfteüberlassung in einem anderen Mitgliedstaat eingesetzt. Grundvoraussetzung für die Anwendung der Entsende-RL ist nach der EuGH-Judikatur, dass die im anderen Mitgliedstaat erbrachte Arbeitsleistung ein bestimmtes Mindestausmaß erreicht und somit eine „hinreichende Verbindung“ zum Hoheitsgebiet dieses Staates vorliegt. Trifft dies nicht zu, liegt keine Entsendung im Sinne dieser Richtlinie vor. Nach dem EuGH kann sich Österreich zB nicht auf die Entsende-RL stützen, wenn ungarische Arbeitnehmer eines dort ansässigen Unternehmens, das das Catering für grenzüberschreitend verkehrende ÖBB-Züge übernommen hat, in Österreich nur das unmittelbare Bordservice während des Inlandstransits, alle darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen aber im ausländischen Herkunftsstaat erbringen.54) Der OGH ist zB davon ausgegangen, dass sich ein Arbeitnehmer eines in Salzburg ansässigen Taxiunternehmens hinsichtlich eines Flughafentransfers von Salzburg nach München nicht auf die Anwendung der Entsende-RL berufen kann.55)

5.2.2.Entsendebegriff des LSD-BG Der Entsendebegriff des LSD-BG ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil er den Ausgangspunkt für die in der Folge erläuterten Verpflichtungen aus dem LSD-BG bildet. Eine Entsendung ist grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs für seinen Arbeitgeber vorübergehend Arbeitsleistungen im Inland erbringt. Bis 2014 setzte der AVRAG-Entsendebegriff – der Entsende-RL entsprechend – einen Dienstleistungsvertrag zwischen einem leistungserbringenden ausländischen Unternehmen und einem inländischen Leistungsempfänger voraus.56) Seit 2015 war der Entsendebegriff im gegebenen Zusammenhang aber weit auszulegen. Im Rahmen des seit 2017 geltenden LSD-BG wurde ausdrücklich festgelegt, dass eine Entsendung im Sinne dieses Gesetzes keinen Dienstleistungsvertrag zwischen einem ausländischen Arbeitgeber und einem im Inland tätigen Dienstleistungsempfänger voraussetzt. Gleichzeitig konnte nach den Gesetzesmaterialien zum LSD-BG57) und den zum LSDB-G erlassenen Richtlinien58) in Einzelfällen, die zwar nicht vom expliziten Ausnahmenkatalog erfasst werden, bei denen aber die Zielsetzungen der Entsende-RL (Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Schutz des nationalen Arbeitsmarktes) bei objektiver Betrachtung nicht gefährdet sind, von keiner Entsendung iSd LSD-BG ausgegangen werden. Dieser Widerspruch wird nunmehr durch die aktuelle Novelle des LSD-BG beseitigt. Durch die Streichung der angeführten Regelung, dass Entsendungen iSd LSD-BG keine grenzüberschreitenden Leistungsaustauschbeziehungen voraussetzen, soll eine Harmonisierung des Entsendebegriffs des LSD-BG mit dem der Entsende-RL bewirkt werden. Es werden nur mehr jene Fälle des Hereinarbeitens nach Österreich erfasst, die die Entsende-RL hinsichtlich ihrer Anwendung als länderübergreifende Maßnahmen anführt (Dienstleistungsentsendung, Konzernentsendung und grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung). Nur in solchen Fällen stellt sich die Frage nach einer Ausnahme vom LSD-BG,59) sind die formalen Verpflichtungen dieses Gesetzes (Melde- und Be-

54)EuGH 19.12.2019, Dobersberger, C-16/18; VwGH 30.1.2020, Ra2017/11/0093. 55)OGH 29.11.2016, 9 ObA 53/16h. 56)VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0100. 57)ErlRV 1111 BlgNR 25. GP, 3. 58)LSDB-RL2015, 13. 59)Diese Aussage in den Gesetzesmaterialien zur aktuellen Novelle ist insoweit widersprüchlich, als der

Ausnahmekatalog offensichtlich auch bloße Klarstellungen enthält, worauf die Gesetzesmaterialien bei vielen Tatbeständen auch ausdrücklich hinweisen (siehe dazu auch die Ausführungen unter Pkt5.3.).

reithaltungspflichten) zu beachten und finden Lohnkontrollen statt. Als Tätigkeiten, die vorweg nicht (mehr) unter das LSD-BG fallen, führen die Materialien zur aktuellen Novelle den bloßen Besuch einer Messe oder eines Seminars im Auftrag des ausländischen Arbeitgebers oder die Durchführung von Erprobungsfahrten mit dem Auto im Auftrag eines ausländischen Autoherstellers an.60)

5.2.3.Arbeitskräfteüberlassung Die Abgrenzung des Entsendebegriffs von dem der (grenzüberschreitenden) Arbeitskräfteüberlassung ist hier61) deshalb von zentraler Bedeutung, weil für Letztere – neben den besonderen, generell (auch für reine Inlandsfälle) geltenden Vorgaben nach dem AÜG – besondere Verpflichtungen62) und Verantwortlichkeiten gelten. Bei einer Arbeitskräfteüberlassung stellt der Auftragnehmer (Überlasser) dem Auftraggeber (Beschäftiger) eine Arbeitskraft zur Verfügung, damit diese auf dessen Risiko in dessen Betrieb tätig wird. Die Überlassung des Arbeitnehmers ist der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung; der Auftragnehmer schuldet keinen bestimmten Leistungserfolg. Nach dem AÜG ist für die Abgrenzung der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts entscheidend (Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise).63) Im Falle des Tätigwerdens im Betrieb des Auftraggebers sprechen folgende Kriterien für eine Arbeitskräfteüberlassung:64) • keine Beauftragung eines/einer von der Leistungspalette des Auftraggebers (Beschäftigers) abweichenden Produkts/Dienstleistung oder • Leistungsabwicklung vorwiegend mit Arbeitsmitteln des Auftraggebers (Beschäftigers) oder • Eingliederung beim bzw Dienst- und Fachaufsicht durch den Auftraggeber (Beschäftiger) oder • keine Erfolgshaftung des Auftragnehmers (Überlassers). Ursprünglich ist der VwGH davon ausgegangen, dass eine Arbeitskräfteüberlassung bereits bei Vorliegen nur eines dieser Kriterien erfüllt ist. Zuletzt hat er diese Auffassung im Hinblick auf die EuGH-Judikatur in der Rs Martin Meat65) aber revidiert (revidieren müssen). Demnach ist für die Abgrenzung in grenzüberschreitenden Fällen66) eine Gesamtbeurteilung notwendig, die alle Aspekte, die für bzw gegen eine Arbeitskräfteüberlassung sprechen, berücksichtigt. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Auftragnehmer aufgrund eines konkret vereinbarten Leistungsgegenstands für einen bestimmten, ihm zurechenbaren Leistungserfolg einzustehen hat, von dem auch die Leistungsvergütung abhängt. Letzteres impliziert, dass der Auftragnehmer selbst die Zahl der für die Auf-

60)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 2. 61)Die (eigenständig – wenn auch in Anlehnung an das Arbeitsrecht – vorzunehmende) Abgrenzung zwischen grenzüberschreitenden Aktivleistungen einerseits und Arbeitskräftegestellungen andererseits ist auch aus steuerlicher Sicht von entscheidender Bedeutung, weil für Überlassungen DBA-rechtlich der Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers greift und Österreich zur Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts eine besondere Abzugsteuer vorsieht. 62)Die irrtümliche Erstattung mittels des falschen Formulars – ZKO3 (Entsendemeldung) statt ZKO4 (Überlassungsmeldung) bzw umgekehrt – stellt nach der aktuellen Novelle aber keinen Meldeverstoß mehr dar (siehe dazu die Ausführungen unter Pkt6.1.). 63)§4 Abs1 AÜG. 64)§4 Abs2 AÜG. 65)EuGH 18.6.2015, Martin Meat, C-586/13. 66)Der OGH hat hinsichtlich eines reinen Inlandsfalls auch nach der EuGH-Rechtsprechung zum Fall Martin

Meat an der isolierten Kriterienberücksichtigung festgehalten (OGH 23.10.2020, 8ObA 63/20b). Eine

Inländerdiskriminierung ergibt sich demnach aus dieser Beurteilung nicht, weil in einem grenzüberschreitenden Fall nach der EuGH-Rechtsprechung zwar keine Arbeitskräfteüberlassung, sehr wohl aber eine Entsendung iSd Entsende-RL vorliege, sodass auf diesem Wege die Standards des Beschäftigerbetriebs zu gewährleisten sind.

tragsabwicklung eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt, diese unter seiner Dienst- und Fachaufsicht auf sein Risiko tätig und somit in dessen Betrieb eingegliedert sind. Eine Arbeitskräfteüberlassung kann nicht mit dem Vorliegen einzelner untergeordneter Kriterien (zB Materialfrage) begründet werden.

5.3.(Generelle) Ausnahmen

5.3.1.Allgemeines In den im Folgenden angeführten Fällen liegen keine Entsendungen iSd LSD-BG vor und sind somit die formellen und materiellrechtlichen Verpflichtungen dieses Gesetzes67) nicht zu erfüllen („Totalausnahmen“). Im Sinne von Ausnahmebestimmungen sollten diese Fälle betreffen, die grundsätzlich Entsendungen iSd LSD-BG darstellen bzw in den Anwendungsbereich der Entsende-RL fallen. Ungeachtet dessen handelt es sich in vielen Fällen offensichtlich um bloße Klarstellungen, was auch durch die Gesetzesmaterialien zur aktuellen Novelle mehrfach zum Ausdruck gebracht wird.

5.3.2.Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer Das LSD-BG ist nicht anzuwenden für Arbeitnehmer, die ausschließlich zur Erbringung folgender Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer nach Österreich entsandt sind: • geschäftliche Besprechungen ohne Erbringung weiterer Dienstleistungen; • Teilnahme an Seminaren und Vorträgen ohne Erbringung von weiteren Dienstleistungen; • Teilnahme an Messen und messeähnliche Veranstaltungen (Fach- und Publikumsmessen), ausgenommen Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten für derartige Veranstaltungen (Auf- und Abbau, Anlieferung von Gütern etc); • Besuch von und Teilnahme an Kongressen und Tagungen; • Teilnahme an und Abwicklung von kulturellen Veranstaltungen, die im Rahmen einer grenzüberschreitenden Tournee stattfinden, bei welcher dem Österreichanteil in zeitlicher Hinsicht nur untergeordnete Bedeutung zukommt und die Arbeitnehmer für einen Großteil der Tour (nicht nur für den Inlandsteil) engagiert werden; • Teilnahme an und Abwicklung von internationalen Wettkampfveranstaltungen (exkl Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten für die Veranstaltungen sowie die Bewirtung im Rahmen der Veranstaltung). Nach den Gesetzesmaterialien zur aktuellen Novelle kann grundsätzlich nur bei Arbeitseinsätzen im Inland bis zu einer Woche von kurzer Dauer ausgegangen werden.68)

5.3.3.Mobile Arbeitnehmer im Transitverkehr Vom LSD-BG ausgenommen ist die Tätigkeit als mobiler Arbeitnehmer (Fahrer und Begleitpersonal) oder als Besatzungsmitglied in der grenzüberschreitenden Güter- und Personenbeförderung, sofern der gewöhnliche Arbeitsort nicht in Österreich liegt und es sich um Transitverkehr handelt. Die EU hat für die angeführte Berufsgruppe zuletzt eine eigene Richtlinie für Kraftfahrer im Straßenverkehr (Richtlinie [EU] 2020/1057) erlassen, die die Entsende-RL ergänzt

67)Die angeführten Ausnahmetatbestände beziehen sich nur auf die Anwendung des LSD-BG. Ob im

Falle einer Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich die Verpflichtungen des AÜG anwendbar sind, ist nach Maßgabe dieses Gesetzes gesondert zu beurteilen. Der dort verankerte Ausnahmekatalog erfasst ua vorübergehende Überlassungen von Arbeitnehmern innerhalb von Konzernen, schränkt diese Ausnahme aber auf reine Inlandsfälle (Überlasser und Beschäftiger sind im Inland ansässig) ein. 68)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 3.

und bis 2.2.2022 umzusetzen ist. Darin wird definiert, in welchen Fällen bei Kraftfahrern im Straßenverkehr im Hinblick auf die notwendige hinreichende Verbindung zum jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat von einer Entsendung auszugehen und in welchen Fällen dies nicht der Fall ist. Demnach stellen nicht nur Transitfahrten, sondern auch bilaterale Güter- bzw Personenbeförderungen keine Entsendungen dar.

5.3.4.Besserverdiener Eine Unterentlohnung ist ausgeschlossen, wenn Arbeitnehmer ein Entgelt erhalten, das über dem höchstmöglichen Lohnsatz nach den KV liegt. Das LSD-BG sah bisher aber nur für Tätigkeiten von Arbeitnehmern in international tätigen Konzernen eine entgeltabhängige Ausnahme vor. Mit der aktuellen Novelle werden nunmehr sinnvollerweise alle nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer, die in den letzten zwei Entgeltperioden vor dem Inbound-Einsatz und während dieses Einsatzes eine monatliche Bruttoentlohnung iHv durchschnittlich mindestens 120%69) des Dreißigfachen der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (Wert 2021: 6.660Euro) erhalten, ausgenommen.

5.3.5.Austauschprogramme im tertiären Bildungssektor Vom LSD-BG ausgenommen sind Entsendungen oder Überlassungen im Rahmen von Austausch-, Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungsprogrammen und von Vortragenden an Universitäten, Hochschulen oder Fachhochschulen. Diese nach den Gesetzesmaterialien ohne zeitliche Einschränkung geltende Ausnahme ist darin begründet, dass die angeführten Tätigkeiten keine Auswirkung auf den inländischen Arbeitsmarkt haben werden, wenn sie unmittelbar für die angeführten inländischen Bildungseinrichtungen erbracht werden. Nicht von der Ausnahme erfasst sind Entsendungen und Überlassungen iZm Forschungstätigkeiten, die von Dritten finanziert werden und diesen zugutekommen.70)

5.3.6.Tätigkeiten iZm Lieferungen Zum Ausnahmekatalog des LSD-BG gehören auch Mitarbeiterentsendungen, die der grenzüberschreitenden Lieferung oder Abholung von Waren dienen und von Arbeitnehmern der Vertragsparteien eines Kauf- bzw Mietvertrags durchgeführt werden. Transportfahrten Dritter (etwa eines Spediteurs oder eines Beförderungsunternehmens), die im Auftrag dieser Vertragspartner durchgeführt werden, werden von der Ausnahme nicht erfasst. Weiters sind Tätigkeiten, die für die Inbetriebnahme und Nutzung von gelieferten Gütern unerlässlich sind und von entsandten Arbeitnehmern des Verkäufers oder Vermieters mit geringem Zeitaufwand durchgeführt werden, ausgenommen.

5.3.7.Konzernausnahmen Eine zusätzliche Ausnahme normiert das LSD-BG für konzerninterne vorübergehende Entsendungen und Überlassungen von besonderen Fachkräften, wenn sie zwei Monate71) je Kalenderjahr nicht übersteigen und zu einem der folgenden Zwecke erfolgen: • Forschung und Entwicklung; • Abhaltung von Ausbildungen durch die Fachkraft;

69)Die alte entgeltabhängige Ausnahme und der Ministerialentwurf sahen hinsichtlich der Begrenzung noch einen Satz von 125 vH vor. 70)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 4. 71)Solange insgesamt die Höchstdauer von zwei Monaten pro Kalenderjahr nicht überschritten wird, wird auch ein mehrmaliger Arbeitseinsatz in Österreich zulässig sein.

• Planung der Projektarbeit; • Erfahrungsaustausch; • Betriebsberatung; • Controlling; • Mitarbeit im Bereich von für mehrere Länder zuständigen Konzernabteilungen mit

Planungs- und Steuerungsfunktion (= sogenannte „Cluster-Abteilungen“, in denen konzernintern die Kompetenz für bestimmte Bereiche und Länder gebündelt sind, wie zB Personal, Finanzmanagement, Regional-Management); oder • Lieferung, Inbetriebnahme (und damit verbundene Schulungen), Wartung, Servicearbeiten und Reparatur von Maschinen, Anlagen und EDV-Systemen. Der letztgenannte Ausnahmetatbestand wurde im Rahmen der aktuellen Novelle verankert.72) Als besondere Fachkräfte gelten innerhalb des Konzerns tätige Personen, die über die für die Tätigkeitsbereiche, Verfahren oder Verwaltung des aufnehmenden Konzernunternehmens unerlässliche Spezialkenntnisse verfügen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Fachkraft über ein hohes Qualifikationsniveau einschließlich einer angemessenen einschlägigen Berufserfahrung verfügt.

5.3.8.Schulungsmaßnahmen Die aktuelle Novelle stellt klar, dass Entsendungen vom Ausland nach Österreich für längere Dauer zu Schulungszwecken unter folgenden Voraussetzungen nicht unter das LSD-BG fallen:73) • Das ausländische Arbeitgeberunternehmen schuldet dem inländischen Betrieb keine Arbeitsleistung, sondern konsumiert bei diesem eine Schulungsleistung zugunsten seiner Arbeitnehmer. • Der Einsatz des Arbeitnehmers im Inland dient dessen Einschulung oder Weiterbildung auf Grundlage eines entsprechenden Programms des Arbeitgebers oder des inländischen Unternehmens. Der zu schulende Arbeitnehmer ist daher auch nicht in den Organisationsablauf des Betriebs, in dem die Schulungen erfolgen, eingegliedert und unterliegt keinen über den Ausbildungszweck hinausgehenden Weisungen und Kontrollen. • Allfällige vom Arbeitnehmer schulungsbedingt erbrachte Dienstleistungen oder erstellte Produkte sind für den Produktionsprozess bzw das Betriebsergebnis des Betriebs, in dem die Schulung stattfindet, nur unwesentlich. Dies impliziert, dass im Falle eines zB krankheitsbedingten Ausfalls des Einzuschulenden kein Ersatz notwendig ist. • Der Arbeitnehmer wird nur so lange geschult, wie dies für den Erwerb der geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich ist. Liegen die angeführten Voraussetzungen vor, sind auch mehrere Wochen dauernde Schulungen vom LSD-BG ausgenommen.

5.4.Formale Verpflichtungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

5.4.1.Entsendung Bei einer Entsendung durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem EWR-Staat oder der Schweiz sind folgende formale Verpflichtungen wahrzunehmen:

72)§2 Abs6 Z3 LSD-BG. 73)§1 Abs7 LSD-BG.

• Der Arbeitgeber hat das Formular „Entsendemeldung – ZKO 3“ vor der jeweiligen

Arbeitsaufnahme (im Fall von mobilen Arbeitnehmern im Transportgewerbe vor Einreise in das Bundesgebiet) elektronisch an die beim BMF angesiedelte Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (im

Folgenden: Zentrale Koordinationsstelle) zu übermitteln. Darin sind insbesondere

Angaben iZm der Bestimmung des nach österreichischem Recht gebührenden Mindestentgelts notwendig.

Falls Drittstaatsbürger eingesetzt werden, müssen auch Nachweise zur ordnungsgemäßen Beschäftigung und zum Aufenthalt im Sitzstaat des Arbeitgebers erbracht werden. Diese werden gemeinsam mit der ZKO-Meldung an das AMS übermittelt, das für die Beschäftigung eine EU-Entsendebestätigung74) ausstellt.

Grundsätzlich ist für jede Entsendung eine gesonderte Meldung erforderlich. Seit 1.1.2017 bestehen jedoch folgende, mit der LSD-BG-Novelle 2021 erweiterte Optionen, Einzelmeldungen in gewissen Konstellationen zusammenzufassen: – Ist in Erfüllung von Dienstleistungsverträgen, Dienstverschaffungsverträgen oder Konzernentsendungen der regelmäßige grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern vereinbart, kann vor der (erstmaligen) Arbeitsaufnahme in Bezug auf einen inländischen Auftraggeber oder Beschäftiger jeweils für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten eine sogenannte „Rahmenmeldung“ erstattet werden. Der Beschäftigungsort ist für jeden Auftraggeber/Beschäftiger gesondert anzugeben. Durch die LSD-BG Novelle 2021 wurde der angeführte Rahmenzeitraum von höchstens drei auf sechs Monate verlängert. Ebenso wurde klargestellt, dass die Möglichkeit einer Rahmenmeldung nicht für Arbeitnehmer iSd §33d BUAG gilt. – Wurden mit mehreren Auftraggebern gleichartige Dienstleistungsverträge geschlossen, können in einer sogenannten „Sammelmeldung“ für einen Arbeitnehmer alle Auftraggeber angeführt werden, sofern die Erfüllung der Dienstleistungsverträge durchgehend im Bundesgebiet und innerhalb einer Woche erfolgt. Mit der Novelle wurden hier der örtliche und der zeitliche Parameter präzisiert.75). – Für Entsendungen von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich muss für jeweils sechs Monate eine besondere pauschale Meldung erstattet werden.76) Im Rahmen dieser Meldung sind neben Angaben zum Unternehmen insbesondere die Daten zu den innerhalb des angeführten Zeitraums voraussichtlich in Österreich eingesetzten Arbeitnehmern, zu den Kennzeichen der verwendeten Fahrzeuge und zum nach unter Berücksichtigung des maßgeblichen österreichischen KV zustehenden Entgelt notwendig. Allfällige nachträgliche Änderungen sind unverzüglich zu melden. (Auch) Die Entsendemeldung ist während des Entsendezeitraums am inländischen

Arbeits(einsatz)ort bereitzuhalten bzw in elektronischer Form zugänglich zu machen. • Wenn der entsendete Mitarbeiter ausländischem Sozialversicherungsrecht unterliegt, hat der Arbeitgeber die BescheinigungA1 am inländischen Arbeitsort77) bereit-

74)§ 18 Abs 12 AuslBG. 75)Bisher war in §19 Abs6 LSD-BG geregelt, dass Sammelmeldungen für die Erfüllung von Dienstleistungsverträgen, die „in einem engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang“ stehen, möglich sind. 76)§19 Abs7 LSD-BG. 77)Alternativ können die Unterlagen nach §21 Abs2 LSD-BG auch im Inland bei der in der Entsendemeldung genannten Ansprechperson oder einer im Inland eingetragenen Zweigniederlassung, an der der ausländische Arbeitgeber seine Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausübt, oder einer inländischen selbständigen

Tochtergesellschaft oder Muttergesellschaft eines Konzerns oder einem im Inland niedergelassenen berufsmäßigen Parteienvertreter (Steuerberater, Rechtsanwalt, Bilanzbuchhalter, Notar) bereitgehalten werden. Diese Ausnahme gilt nicht für mobile Arbeitnehmer im Transportbereich. Hier sind die Unterlagen ab der Einreise im Fahrzeug bereitzuhalten bzw in elektronischer Form zugänglich zu machen.

zuhalten. Die angeführte Bescheinigung stellt einen für die österreichischen Behörden bindenden Nachweis über das nach Maßgabe der VO (EG) 883/2004 für den betreffenden Arbeitnehmer anzuwendende Sozialversicherungsrecht dar.

Kann der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher oder mit der LSD-BG-Novelle 2021 auch in englischer Sprache (Beglaubigung ist nicht erforderlich) belegen, dass ihm die Ausstellung der Bescheinigung A1 vor der Entsendung nicht möglich war, sind gleichwertige Unterlagen in deutscher oder englischer

Sprache vorzulegen. Zu diesen gleichwertigen Unterlagen gehören insbesondere der

Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung A1 in Kombination mit anderen Dokumenten, aus denen sich die Anwendbarkeit ausländischen Sozialversicherungsrechts für den Arbeitnehmer ergibt, wie zB ein älteres A1-Formular oder Lohnzahlungsnachweise für den Zeitraum unmittelbar vor der Entsendung, die die Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen belegen.78) • Am Arbeitsort79) müssen für den Gesamtentsendezeitraum80) folgende Lohnunterlagen bereitgehalten oder in elektronischer Form zugänglich gemacht81) werden:82) – Arbeitsvertrag bzw Dienstzettel; – Lohnzettel; – Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege; – Lohnaufzeichnungen für die aufgrund der konkreten Tätigkeiten oder des konkreten Einsatzes zustehenden Zulagen und Zuschläge; – Arbeitszeitaufzeichnungen; und – Unterlagen, die eine Überprüfung der Lohneinstufung ermöglichen, sofern sich diese nicht aus anderen Lohnunterlagen ergibt.

Bisher mussten die angeführten Unterlagen in deutscher Sprache bereitgehalten werden. Nur für den Arbeitsvertrag genügte ausnahmsweise auch eine Fassung in englischer Sprache. Mit der aktuellen Novellierung des LSD-BG können sämtliche

Lohnunterlagen auch in englischer Sprache bereitgehalten werden. Für die Übersetzungen gibt es keine besonderen Vorschriften, sie müssen daher, wie in den Gesetzesmaterialien zur aktuellen Novelle festgehalten wird, nicht beglaubigt sein.83)

Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege müssen nach den Materialien zur aktuellen Novelle im Hinblick auf die international zu beachtenden Bankenstandards nur dann in deutscher oder englischer Sprache bereitgehalten werden, wenn auf

Basis der in einer anderen Fremdsprache vorgelegten Belege die jeweiligen Lohnzahlungsperioden, das Entgelt oder der Empfänger nicht festgestellt werden können.84)

In folgenden Fällen ist eine vereinfachte Bereithaltung der Lohnunterlagen vorgesehen: – Bei der Entsendung von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich sind nur der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen (Fahrten-

78)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 8 f. 79)Grundsätzlich kann hier auf die FN72 verwiesen werden, jedoch können die Lohnunterlagen auch für mobile Arbeitnehmer bei Zweigniederlassungen bzw Tochter-/Muttergesellschaften (nicht aber bei

Ansprechpersonen oder Parteienvertretern) bereitgehalten werden. 80)Als Gesamtentsendezeitraum gilt jener Zeitraum, in welchem Arbeitnehmer im Rahmen einer (wirtschaftlich zusammenhängenden) Dienstleistung insgesamt (unabhängig davon, wie lange einzelne

Arbeitnehmer im Rahmen dieses Zeitraums) entsendet werden. 81)Auch bei Bereithaltung von Lohnunterlagen in elektronischer Form muss die Möglichkeit der sofortigen

Einsichtnahme für die Kontrollorgane gewährleistet sein (VwGH 8.3.2021, Ra2019/11/0027). Eine Übermittlung der digitalen Dokumente muss daher in einer für die Kontrollorgane nutzbaren Form erfolgen. 82)Bei einer Rahmenmeldung sind die bereitzuhaltenden Lohnunterlagen für den gesamten in der Meldung genannten Zeitraum bereitzuhalten, auch wenn der gemeldete Arbeitnehmer gar nicht in Österreich ist (so ausdrücklich nun §22 Abs1 LSD-BG). 83)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 9. 84)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 9.

schreiber) bereits ab der Einreise ins Inland im Fahrzeug bereitzuhalten oder bei einer Kontrolle in elektronischer Form zugänglich zu machen. – Nach einer Neuregelung im Zuge der aktuellen Novelle85) sind auch im Falle einer Entsendung, die nicht länger als 48Stunden dauert und nicht mobile Arbeitnehmer betrifft, während des Entsendezeitraums lediglich der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Der Lauf der Entsendefrist beginnt mit der Aufnahme der Arbeit im Rahmen der Entsendung, in der Regel daher mit dem in der Arbeitszeit liegenden Grenzübertritt ins Inland. Einzurechnen sind in der Folge auch Zeiten ohne Arbeitsleistungen (Pausen, Nachtruhen). Darüber hinaus sind bei der Berechnung der Entsendedauer nach dem Gesetz auch von anderen Arbeitnehmern bereits zurückgelegte Entsendezeiten zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung zur Zusammenrechnung der Entsendestunden gilt aber nur für jene Entsendungen der einzelnen Arbeitnehmer, die sich auf die Erfüllung eines Vertrags gegenüber einem Auftraggeber beziehen. Entsendungen, die sich auf die Leistungserfüllung gegenüber unterschiedlichen inländischen Auftraggebern beziehen, sind gesondert zu betrachten.

Die restlichen Lohnunterlagen sind in den angeführten Fällen auf Verlangen der Behörde innerhalb von 14Tagen nach dem Ende des Kalendermonats, in dem die Kontrolle erfolgt, dem Amt für Betrugsbekämpfung zu übermitteln. Geschieht dies nicht oder nicht vollständig, gilt dies als Nichtbereithalten der Lohnunterlagen.86) • Letztlich sind auch die gewerberechtlichen Ausübungsvorschriften Österreichs zu beachten. Insbesondere ist für reglementierte Gewerbe die Dienstleistungsanzeige nach §373a GewO zu erstatten. Bei Entsendungen durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat gelten folgende Verpflichtungen:87) • Der österreichische Auftraggeber88) hat die Verpflichtung, hinsichtlich der Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung beim AMS zu beantragen (für Schulungsprogramme sind lediglich eine Anzeige und das Vorliegen der daraufhin vom AMS ausgestellten Anzeigebestätigung erforderlich). Dies gilt seit 1. 1.2021 auch für Entsendungen/Überlassungen aus Großbritannien. Grundsätzlich sieht das Kooperationsabkommen zwischen der

EU und Großbritannien89) zwar Ausnahmen insbesondere für Geschäftsreisen ohne weitere Dienstleistungen90) vor, auf „klassische“ Entsendungen im Rahmen von grenzüberschreitenden Dienstleistungen sind diese Ausnahmen in der Regel aber nicht anwendbar.

Dauert allerdings die Beschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers länger als vier

Monate oder der Einsatz des betriebsentsendenden Unternehmens in Österreich länger als sechs Monate, so ist eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich.

Für Bautätigkeiten ist hinsichtlich des Einsatzes von Drittstaatsbürgern immer eine

Beschäftigungsbewilligung notwendig, und es hat eine umfangreiche (der ZKO-Meldung entsprechende) Meldung nach §33g BUAG zu erfolgen.

85)§22 Abs1b LSD-BG. 86)Zu den Sanktionen siehe Pkt6.2. 87)Wie unter Pkt5.1. ausgeführt, ist hier keine Entsendemeldung (ZKO3) zu erstatten. 88)Zu beachten ist, dass nicht der ausländische Arbeitgeber, sondern der österreichische Auftraggeber den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung stellen muss. Der österreichische Auftraggeber und nicht der ausländische Arbeitgeber ist bei bewilligungsloser Beschäftigung Strafsubjekt gemäß §28 Abs1 Z1 litb AuslBG. 89)ABlL444 vom 31.12.2020, S14. 90)Auf eine abschließende Darstellung aller Ausnahmetatbestände des Kooperationsabkommens wurde an dieser Stelle verzichtet.

• Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die für einen längeren Zeitraum als sechs Monate entsendet werden, benötigen zusätzlich eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung.

Überschreitet die Entsendung die sechsmonatige Grenze nicht, so benötigt die Arbeitskraft aus dem Drittstaat ein Visum, das bei der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beantragt werden kann. • Auch hier müssen am Arbeitsort umfangreiche Lohnunterlagen bereitgehalten werden (siehe oben). • Die Ausübung des Gewerbes in Österreich bedarf grundsätzlich einer vorherigen

Genehmigung bzw der Gewerbeanmeldung (diese kann für eine inländische Zweigniederlassung oder eine österreichische Tochtergesellschaft erfolgen). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein reglementiertes oder ein freies Gewerbe handelt.

5.4.2.Überlassung Neben den allgemeinen Informations-, Melde-, Aufzeichnungspflichten91) nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz sind im Falle einer Inbound-Überlassung (= Überlassung nach Österreich) folgende formale Verpflichtungen einzuhalten: • Bei einer Überlassung durch einen Arbeitgeber mit Sitz im EWR bzw der Schweiz ist Folgendes zu beachten: – Der Überlasser hat die „Überlassungsmeldung – ZKO4“ vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme in Österreich elektronisch an die Zentrale Koordinationsstelle zu erstatten. Hier ist neben zeitlichen und inhaltlichen Aspekten der Überlassung primär die Höhe des nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts anzugeben. Die Ausführungen zur Rahmen- sowie zur Sammelmeldung in Pkt5.4.1. sind auch für Überlassungen anwendbar. Auch hier müssen, falls Drittstaatsbürger eingesetzt werden, im Rahmen der Überlassungsmeldung Nachweise zu ordnungsgemäßer Beschäftigung und Aufenthalt im Sitzstaat des Arbeitgebers erbracht werden. Diese werden gemeinsam mit der ZKO-Meldung an das AMS übermittelt, das für die Beschäftigung eine EU-Überlassungsbestätigung ausstellt. Die Zentrale Koordinationsstelle hat die Überlassungsmeldung an die zuständige Gewerbebehörde, die ÖGK bzw die BUAK und an das Sozialministerium zu übermitteln. Die Meldung ist vom Beschäftiger am Arbeits(einsatz)ort in geeigneter Form zur Überprüfung bereitzuhalten oder zugänglich zu machen. – Der Beschäftiger hat für jede überlassene Arbeitskraft, die nicht der österreichischen Pflichtversicherung unterliegt, die Bescheinigung A1 bereitzuhalten, wobei auch bei der grenzüberschreitenden Überlassung die Ausführungen in Pkt5.4.1. zu den Sozialversicherungsdokumenten (Bereithaltung in deutscher oder englischer Sprache, Ersatz des A1-Formulars durch Antrag und weitere Nachweise über das Bestehen der ausländischen Sozialversicherung) gelten. – Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der oben angeführten Lohnunterlagen den inländischen Beschäftiger. Diese Unterlagen sind vom Überlasser nachweislich bereitzustellen. • Bei einer Überlassung durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat ergeben sich folgende Verpflichtungen:92)

91)Den Überlasser und den Beschäftiger treffen die Mitteilungs-, Informations- und Aufzeichnungspflichten der §§12 bis 13 AÜG. 92)Wie unter Pkt5.1. ausgeführt, ist hier keine Überlassungsmeldung (ZKO4) zu erstatten. Die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen gilt aber schon. Die übrigen genannten Verpflichtungen ergeben sich aus dem AuslBG sowie dem AÜG.

– Hier ist eine Überlassung nur nach Erteilung einer Bewilligung gemäß §16 Abs4

AÜG zulässig. Diese Bewilligung kann die zuständige Gewerbebehörde über Antrag des Beschäftigers erteilen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (zB bestimmte Arbeitskräfte sind nur im Wege der grenzüberschreitenden Überlassung verfügbar). Die Bewilligung kann nur für eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern und nur für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. – Hinsichtlich des Einsatzes von Arbeitnehmern aus Drittstaaten hat der Beschäftiger überdies eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG zu erlangen. – Wie im Falle von Entsendungen durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat benötigen drittstaatsangehörige Arbeitnehmer auch bei der Überlassung aus dem Drittstaat einen Aufenthaltstitel (Beschäftigung länger als sechs Monate) oder ein Visum (Beschäftigung weniger als sechs Monate). – Auch hier hat der Beschäftiger alle erforderlichen Lohnunterlagen (siehe oben), die ihm vom Überlasser zur Verfügung zu stellen sind, bereitzuhalten.

5.5.Materiellrechtliche Verpflichtungen bei Entsendungen und Überlassungen

5.5.1.Anwendbarkeit des „harten Kerns“ der Arbeitsbedingungen Das LSD-BG legt fest, dass zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandte (an sich nicht dem inländischen Arbeitsrecht unterliegende) Arbeitnehmer entsprechend den Vorgaben der Entsende-RL bereits mit Beginn der Tätigkeit einen Anspruch auf den sogenannten „harten Kern“ der Arbeitsbedingungen haben. Dazu zählen: • das (Mindest-)Entgelt, das für die Zeit des Einsatzes in Österreich nach Gesetz, Verordnung oder KV am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt; • bezahlter Urlaub nach §2 UrlG, falls der Anspruch nach dem an sich anzuwendenden Recht geringer ist; und • die Einhaltung der Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten einschließlich der kollektivvertraglichen Arbeitszeit- und -ruheregelungen, die am Arbeitsort für vergleichbare Arbeitnehmer und vergleichbare Arbeitgeber gelten. Hinsichtlich des (Mindest-)Entgelts ist auf die in Österreich verbrachte Arbeitszeit und nicht etwa auf ganze Monate abzustellen, wenn nur Teile davon in Österreich zur Arbeitsleistung verbracht wurden.93) Die angeführte Regelung führt dazu, dass grundsätzlich der für vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern in Österreich anwendbare Kollektivvertrag „fiktiv“ anzuwenden ist. In Bezug auf die Sonderzahlungen gilt eine besondere Fälligkeitsbestimmung, wonach diese (unabhängig vom letztlich anzuwendenden KV) in jedem Monat anteilig ausgezahlt werden müssen. Entsendungszulagen gelten in diesem Zusammenhang nicht als Bestandteil der Entlohnung, wenn sie der Erstattung von infolge der Entsendung tatsächlich entstandenen Kosten (wie zB Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten) dienen. Im Zweifelsfall, also wenn nicht festgelegt ist, ob bzw inwieweit die Zulage der Erstattung tatsächlich entstandener Mehrkosten dient, ist – nach der letzten Adaption der Entsende-RL im Sinne einer Vermutung zugunsten der Arbeitnehmer94) – die gesamte Zulage als Aufwandersatz (und nicht als auf die Mindestentlohnung anrechenbarer Teil der Entlohnung) anzusehen.95) Dies steht in einem gewissen Spannungsfeld zur VwGH-Judikatur, die Aufwandersätze, denen keine konkreten vom Arbeitnehmer getragenen Kosten ge-

93)VwGH 30. 6. 2016, Ra 2014/11/0074. 94)ErwGr 20 zur Adaption der Entsende-RL. Vgl zB auch Niksova, Entsende-RL neu, ZAS2019, 152 (156). 95)Art3 Abs7 UAbs2 Entsende-RL. Vgl dazu auch VwGH 15.2.2021, Ra2020/11/0179.

genüberstehen, als Entgelt qualifiziert. Schon bisher benötigte es jedoch für die Frage, ob ein Entgeltbestandteil auf das Mindestentgelt anrechenbar ist, „einwandfreie Feststellungen über den Zweck und allfällige sonstige Besonderheiten der Zulage“.

96) Durch die aktuelle Novelle des LSD-BG wird – entsprechend der Änderung der Entsende-RL – der harte Kern der Arbeitsbedingungen um Aufwandersätze für Dienstreisen erweitert:97) Entsandte Arbeitnehmer haben nunmehr für die Dauer der Entsendung auch einen Anspruch auf jene gesetzlichen, durch Verordnung festgelegten oder kollektivvertraglichen Aufwandersätze für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, die am Arbeitsort für vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren. Diese Regelung bezieht sich auf Reisebewegungen innerhalb Österreichs von einem regelmäßigen Arbeitsplatz im Inland zu einem anderen Arbeitsplatz im Inland. Die Reisebewegung vom Entsendestaat (vom Ausland) ins Inland hingegen bleibt von dieser Bestimmung unberührt.

5.5.2.Teilausnahme Montageprivileg Für bestimmte kurzfristige Entsendungen nach Österreich sind die oben angeführten materiellrechtlichen inländischen Standards nicht zur Gänze maßgeblich: Nach dem sogenannten „Montageprivileg“ gelten die arbeitsrechtlichen Ansprüche für ins Inland entsandte Arbeitnehmer, die • iZm der Lieferung von Betriebsanlagen, • welche im Ausland durch den Arbeitgeber oder ein mit diesem verbundenes Konzernunternehmen gefertigt wurden, • mit Montagearbeiten, der Inbetriebnahme, und damit verbundenen Schulungen oder mit Reparatur- und Servicearbeiten, • die nicht von inländischen Arbeitnehmern erbracht werden können, beschäftigt sind, nur eingeschränkt: • Dauern die Arbeiten jeweils nicht länger als drei Monate, gelten die Ansprüche auf das gesetzliche, per Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Mindestentgelt nicht. • Dauern die Arbeiten nicht länger als acht Tage, gelten auch die Regelungen über den zwingenden Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht. Zu beachten ist jedoch: Für Arbeitnehmer, die mit Bauarbeiten beschäftigt sind, gelten die Vorschriften über arbeitsrechtliche Ansprüche auf Mindestentgelt und Urlaub jedenfalls ab dem ersten Tag der Beschäftigung – auch die angeführten formalen Verpflichtungen sind wahrzunehmen.

5.5.3.Weitergehender Schutz grenzüberschreitend überlassener Arbeitskräfte Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) gilt auch für grenzüberschreitend überlassene Arbeitskräfte.98) Für ins Inland überlassene Arbeitskräfte gilt in Bezug auf die einzuhaltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen wie für reine Inlandsüberlassungsfälle daher §10 AÜG, eine Kernbestimmung des AÜG, die in vielen Aspekten eine Gleichbehandlung der überlassenen Arbeitskräfte mit den Arbeitnehmern des (inländischen) Beschäftigerbetriebs anordnet.99) Zum einen muss (vereinfachend gesagt und spezielle Regelungen ausklammernd) für die Dauer der Überlassung zumindest eine Entlohnung nach dem Niveau des auf den

96)VwGH 9.11.2016, Ro 2015/11/0015. 97)§3 Abs7 LSD-BG; siehe dazu auch die Ausführungen unter Pkt 3.2.2. 98)So ausdrücklich §6 Abs3 LSD-BG; ergibt sich letztlich auch aus §1 Abs5 AÜG. 99)§6 Abs3 LSD-BG sieht hier eine entsprechende Anordnung vor.

Beschäftigerbetrieb anwendbaren KV eingehalten werden. Auch hinsichtlich der Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs sind den überlassenen Arbeitskräften jene Ansprüche, die im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmer nach einem solchen KV zustehen, einzuräumen. Darüber hinaus gelten für die überlassenen Arbeitskräfte auch die im Beschäftigerbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer gültigen sonstigen verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art. Dies betrifft zB (freie) Betriebsvereinbarungen, betriebliche Übungen oder Richtlinien des Beschäftigerunternehmens. Uneingeschränkt gilt die Beachtlichkeit dieser Bestimmungen aber nur betreffend Arbeitszeit und Urlaub. Hinsichtlich des Entgelts sind derartige Regelungen nicht maßgeblich, wenn der Überlasser einem KV unterworfen und auch das Entgelt für den Beschäftigerbetrieb durch Gesetz, Verordnung oder KV geregelt ist. Diesbezüglich ist zu beachten, dass das LSD-BG hinsichtlich der Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich die Anwendung der für gewerbliche Arbeitskräfteüberlasser geltenden KV vorschreibt.100) Für Angestellte ist das der KV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe und in der Dienstleistung. Für Arbeiter gilt der KV für ArbeiterInnen im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung. Wenn im Beschäftigerbetrieb ein KV anwendbar ist, ist daher für Zwecke des Entgeltanspruchs der überlassenen Arbeitskraft „nur“ ein Günstigkeitsvergleich auf KV-Ebene –also ein Vergleich zwischen den Entgeltregelungen des Überlasser-KV und des Branchen-KV des Beschäftigers – anzustellen. Nur wenn für den Beschäftigerbetrieb kein Kollektivvertrag gilt, sind diesbezüglich auch die im Beschäftigerbetrieb geltenden sonstigen verbindlichen Rechtsvorschriften allgemeiner Art zu beachten.101) Bei grenzüberschreitenden Überlassungen nach Österreich räumt das LSD-BG der überlassenen Arbeitskraft auch einen Anspruch auf die inländische Entgeltfortzahlung,102) Beachtung der für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfristen und Kündigungstermine sowie Normen über den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz103) und Kündigungsentschädigung ein, soweit diese günstiger sind als die Ansprüche nach den Rechtsvorschriften des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts.104)

5.5.4.Erweiterte Anwendbarkeit der österreichischen Arbeitsbedingungen für Langzeitentsendungen Mit der LSD-BG-Novelle 2021 werden nun im Einklang mit der geänderten Entsende-RL (Richtlinie [EU] 2018/957) erweiterte Regelungen für „Langzeitentsendungen“ 105) geschaffen:106) Überschreitet die Dauer der Entsendung bzw Überlassung zwölf Monate, sind ab dem Zeitpunkt dieser Überschreitung die österreichischen gesetzlichen, durch

100)Dies gilt nach den überwiegenden Lehrmeinungen auch dann, wenn die überlassenden Unternehmen selbst keine Arbeitskräfteüberlasser sind (also ihr Betriebszweck nicht in der Arbeitskräfteüberlassung liegt); vgl mwN Schindler in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018) §6 LSD-BG

Rz10. 101)Weitere Ansprüche betreffen den Zugang zu Wohlfahrtseinrichtungen sowie die Aufnahme in bestimmte

Betriebspensionszusagen. Letztere greifen nur für Langzeitüberlassungen (länger als vier Jahre) und sind daher für grenzüberschreitende Überlassungen nur von untergeordneter Bedeutung. 102)Krankheit, Unfall, Feiertage, persönliche Dienstverhinderung. Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit fällt allerdings in den Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 und ist als Geldleistung bei Krankheit nach den Rechtsvorschriften des für Sozialversicherungszwecke zuständigen Staates zu leisten. 103)§6 Abs1 Z2 LSD-BG; insbesondere ist hier der besondere Kündigungsschutz nach MSchG, VKG,

BEinstG, APSG zu beachten; nicht erfasst ist hingegen der betriebsverfassungsrechtliche allgemeine

Kündigungs- und Entlassungsschutz nach §105 ArbVG. 104)Dies wird in der Regel das Recht des Herkunftsstaates sein. 105)Die Regelungen gelten auch für Langzeitüberlassungen, werden aber durch die teils noch umfassenderen

Schutzbestimmungen des AÜG bzw LSD-BG überlagert. 106)§2 Abs3 LSD-BG. §2 Abs4 LSD-BG nimmt nach Österreich entsendete Bauarbeiter aus, weil diesbezüglich §33j BUAG eine dem LSD-BG entsprechende Regelung für Langzeitentsendungen vorsieht. Für Inbound-Überlassungen sind weiterhin – unabhängig von der Dauer der Überlassung – die

Sonderregelungen des §6 LSD-BG zu beachten (siehe dazu Pkt5.5.3.).

Verordnung oder durch KV festgelegten Arbeitsbedingungen fast zur Gänze anzuwenden, soweit sie günstiger sind als die Normen des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts (in der Regel des Entsendestaates).107) Diese Anpassung des LSD-BG hat im Vergleich zur davor geltenden Rechtslage in folgender Hinsicht nur eingeschränkte Bedeutung: • Wie oben ausgeführt war in Österreich schon bislang das Gros der Arbeitsbedingungen auch für entsendete bzw (in noch höherem Ausmaß) überlassene Arbeitnehmer anwendbar. Eine Auswirkung der Neuregelung kann sich zB bei den Dienstverhinderungsregelungen nach §8 Abs3 AngG und §1154b ABGB oder Dienstfreistellungen nach kollektivvertraglichen Regelungen ergeben (Sonderurlaub), die durch die Novelle nach zwölf Monaten nun ebenfalls anzuwenden sind.108) • Die folgenden maßgeblichen Regelungsgegenstände sind von der Anwendung der angeführten Neuregelung ausgenommen: – Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags einschließlich von Wettbewerbsverboten; sowie – BMSVG (Abfertigung neu)109) und Betriebspensionsgesetz (BPG).

Daher können sich entsendete Arbeitskräfte auch im Falle von Langzeitentsendungen zB nicht auf einen Kündigungsschutz oder die gesetzlichen Beschränkungen von

Konkurrenzklauseln stützen.110) Unverändert bleibt das Günstigkeitsprinzip: Die österreichischen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sind nur dann auf entsandte bzw überlassene Arbeitnehmer anzuwenden, wenn sie günstiger sind als die Normen des Herkunftsstaates (bzw das Recht, das auf das Arbeitsverhältnis des entsendeten bzw überlassenen Arbeitnehmers generell anzuwenden wäre). Die Entsende-RL hält dazu fest,111) dass im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nicht die einzelnen Bestandteile der Entlohnung, sondern die Bruttobeträge der Entlohnung insgesamt verglichen werden sollen. Auch bezüglich der übrigen Beschäftigungsbedingungen ist uE – wie schon bisher in der Literatur vertreten –ein Sachgruppenvergleich anzustellen. Wie auch schon bisher gibt das LSD-BG nicht vor, welches Recht auf den Arbeitsvertrag im Allgemeinen anzuwenden ist. Dies richtet sich nach dem für Arbeitsverträge geltenden Kollisionsrecht (und sohin nach der Rom-I-VO112)). Die Bestimmungen des LSD-BG legen lediglich fest, welche Standards (der österreichischen arbeitsrechtlichen Regelungen) jedenfalls eingehalten werden müssen. Ist das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht ohnehin günstiger, können die österreichischen Regelungen unangewendet bleiben. Umgekehrt ist aber nicht zu vergessen, dass diese Regelungen nur für Entsendungen bzw Überlassungen (also vorübergehende grenzüberschreitende Tätigkeiten) gelten. Verändert ein Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Arbeitsort dauerhaft (zieht nach Österreich, um von dort zB im Homeoffice die Arbeitsleistung zu erbringen), schlägt das österreichische Recht als Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes bereits am ersten Tag durch.

107)§2 Abs3 LSD-BG. 108)Vgl ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 6. 109)§3 Abs3 LSD-BG. Die diesbezügliche Beitragspflicht richtet sich nach dem objektiv anzuwendenden

Arbeitsrecht (vgl Frage156.1 des Fragen-Antworten-Protokolls zum BMSVG). 110)Überlassene Arbeitskräfte haben allerdings – wie unter Pkt5.5.3. ausgeführt – generell gemäß §6 Abs1

LSD-BG einen Anspruch auf Beachtung der für vergleichbare Arbeitnehmer gültigen Kündigungsfristen und -termine sowie der Normen über den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz und Kündigungsentschädigungen. 111)ErwGr18 Entsende-RL (ABlL173 vom 9.7.2018, S16 [S18]). 112)Dieses wird im Regelfall das Recht des Entsendestaates sein. Gemäß Art8 Abs1 Rom-I-VO gilt in erster

Linie das zwischen den Parteien vereinbarte Recht. Das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes schlägt jedoch, soweit es zwingend ist, immer dann durch, wenn es für den Arbeitnehmer günstiger als das gewählte Recht ist.

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