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Strafen
from ASoK 9/2021
Die neuen Regelungen sehen auch einen Umgehungsschutz vor: Wird ein entsendeter bzw überlassener Arbeitnehmer durch einen anderen ersetzt, der dieselbe Arbeitsleistung im Rahmen desselben Entsende- oder Überlassungsauftrags erbringt, werden die Zeiten der Arbeitseinsätze zusammengerechnet – die erweiterte Anwendbarkeit der Arbeitsbedingungen kann daher nicht durch „Austausch“ von Arbeitnehmern umgangen werden.113) Der zwölfmonatige Zeitraum kann durch Vorlage einer begründeten Mitteilung auf 18Monate verlängert werden. Auf die demonstrative Auflistung möglicher Gründe wurde im Gesetzestext verzichtet. In Frage kommen nach den Erläuterungen in der Regierungsvorlage etwa Gründe, die auf den vertraglichen Grundlagen (Dienstleistungsoder Dienstverschaffungsvertrag) basieren, oder faktische und rechtliche Gründe (verspätete Materiallieferungen, behördliche Maßnahmen, Verzögerungen durch die Zusammenarbeit mit anderen Firmen etc).114) Ist von vornherein bekannt, dass die Entsendung bzw Überlassung länger als zwölf Monate dauern wird, kann der Arbeitgeber bereits mit begründeter Mitteilung in der ZKOMeldung die Erstreckung des Zeitraums der Anwendbarkeit „nur“ des „harten Kerns“ der Arbeitsbedingungen auf bis zu 18Monate erwirken.115) Ist nicht von vornherein bekannt, dass die Entsendung bzw Überlassung zwölf Monate übersteigen wird und möchte der Arbeitgeber von der Möglichkeit der 18-Monate-Ausweitung Gebrauch machen, ist eine Änderungsmeldung iSd §19 LSD-BG zu erstatten. Die Nichterstattung der Mitteilung ist zwar nicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert,116) uE sind diesfalls jedoch alle Arbeitsbedingungen iSd §3 Abs3 LSD-BG bereits nach zwölf Monaten anwendbar, da es an der begründeten Mitteilung mangelt.
6. Strafen 6.1.Grundsätzliches
Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Unterentlohnung bzw gegen die in diesem Zusammenhang vorgeschriebenen Melde-, Dokumentations- und Bereithaltungspflichten können gegenüber den zur Vertretung nach außen berufenen Organen (Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder) bzw den verantwortlichen Beauftragten117) primär Geldstrafen verhängt werden. Die vertretene Gesellschaft trifft diesbezüglich eine Haftung zur ungeteilten Hand. Darüber hinaus haben die Behörden zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten, die von der Untersagung der Dienstleistung, der Erlangung von Sicherheitsleistungen, der Aufnahme in eine Evidenzliste bis zum Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren reichen und die betroffenen Unternehmen unter Umständen stärker treffen als die Geldstrafen selbst. Im gegebenen Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Behörden den Arbeitnehmer über eine sein Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige wegen des Verdachts der Unterentlohnung zu informieren haben.
113)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 6. 114)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 6. 115)Vgl ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 6, wobei die Erläuterungen auf eine von vornherein bekannte Dauer von über 18Monaten abstellen – dies muss jedoch auch bei kürzerer Dauer gelten, sofern die Entsendung/
Überlassung zwölf Monate übersteigt. 116)ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 6. 117)Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche können unter strengen Auflagen (§9 Abs2 bis Abs4 VStG iVm §24 LSD-BG) sogenannte „verantwortliche Beauftragte“ bestellt werden. Diesbezüglich enthält die Novelle 2021 eine präzisierende Klarstellung: Die für die wirksame Bestellung des verantwortlich Beauftragten vorgesehene Obliegenheit zur Mitteilung der Bestellung zum verantwortlichen
Beauftragten samt Nachweis der Zustimmung an die ZKO und den Krankenversicherungsträger bezieht sich nicht auf Personen, die zu den Vertretungsorgane iSd §9 Abs1 VStG zählen. Deren Bestellung ist der
ZKO oder dem Krankenversicherungsträger nicht extra anzuzeigen (VwGH 3.2.2020, Ra2018/11/0237).
Die Rechtsprechung des EuGH118) und die darauffolgende österreichische höchstgerichtliche Judikatur des VwGH119) und VfGH120) haben die bisher geltenden Verwaltungsstrafbestimmungen betreffend Lohn- und Sozialdumping als unverhältnismäßig und damit unionsrechtswidrig erkannt. Die nunmehr im Rahmen der aktuellen Novelle des LSD-BG verankerten Neuregelungen sollen diesen Zustand beenden und die Verhältnismäßigkeit der Bestrafung vor allem durch den Entfall der Kumulation („Bestrafung pro Arbeitnehmer“), aber auch durch die Schaffung von Strafrahmen ohne Mindeststrafen herstellen. Diese Adaptierungen erfolgen sowohl hinsichtlich der Bestrafung für die Verletzung formaler Verpflichtungen als auch für Unterentlohnungen. Im Zuge der aktuellen LSD-BG-Novelle wird außerdem klargestellt, dass kein sanktionsbedrohter Meldeverstoß vorliegt, wenn bei der Meldung einer Inbound-Entsendung bzw -Überlassung irrtümlich anstelle eines ZKO-3-Formulars ein ZKO-4-Formular oder umgekehrt verwendet wird. Dies setzt aber voraus, dass das irrtümlich verwendete Formular vollständig ausgefüllt ist.121) Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Arten von Sanktionen dargestellt und die Möglichkeiten, die Sanktionen zu vermeiden bzw zu vermindern, aufgezeigt werden.
6.2.Sanktionen
6.2.1.Geldstrafen Die folgende Darstellung gilt für Entsendungen bzw Überlassungen ab Inkrafttreten der aktuellen Novelle des LSD-BG sowie alle zu diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren einschließlich Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH, wobei für die im Einzelfall vorzunehmende Strafbemessung grundsätzlich §19 VStG gilt. Grundlage für die Strafbemessung ist demnach die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes durch die Tat. Erschwerungs- und Milderungsgründe sind gegeneinander abzuwägen. Ausdrücklich wird im Zuge der aktuellen Novelle festgelegt, dass es als Milderungsgrund zu werten ist, wenn auf der einzurichtenden Website Informationen, welche innerstaatlichen gesetzlichen Normen auf Entsendungen/ Überlassungen anzuwenden sind, fehlen.122) Besondere Bedeutung für die Strafbemessung hat das Ausmaß des Verschuldens. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Verwaltungsstrafen für Unterentlohnungen, die Arbeitgebern drohen,123) die einem oder mehreren Arbeitnehmern nicht das diesen nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührende Entgelt leisten, werden nunmehr primär nach der Summe des vorenthaltenen Entgelts (und ausdrücklich unabhängig von der Anzahl der unterentlohnten Arbeitnehmer) grundsätzlich wie folgt gestaffelt:
Summe des vorenthaltenen Entgelts Geldstrafe
bis zu 50.000Euro bis zu 50.000Euro höher als 50.000Euro bis zu 100.000Euro bis zu 100.000Euro höher als 100.000Euro bis zu 250.000Euro
Tabelle 1: Staffelung der Verwaltungsstrafen
118)EuGH 12.9.2019, Maksimovic, C-64/18; 14.11.2018, Cepelnik, C-33/17. 119)ZB VwGH 15. 10. 2019, Ra 2019/11/0033. 120)ZB VfGH 27. 11. 2019, E 2047/2019 ua; 26. 6. 2020, E 4329/2019. 121)§26 Abs1a LSD-BG. ErlRV 943 BlgNR 27. GP, 8 und 10. 122)§25a LSD-BG. 123)Die Verwaltungsstrafen für Unterentlohnung nach dem LSD-BG betreffen ausschließlich die Arbeitgeber, eine Bestrafung der Auftraggeber kommt auch im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung für den Beschäftiger nicht in Betracht.
Für folgende Fälle gelten Sonderregelungen: • Bei Kleinunternehmen (Arbeitgeber mit maximal neun Arbeitnehmern) wird in einem
Erstfall (nicht Wiederholungsfall) der Strafrahmen auf 20.000Euro herabgesetzt, wenn auch die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20.000Euro ist. • Wenn die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100.000Euro ist und das
Entgelt im Lohnzahlungszeitraum der Unterentlohnung vorsätzlich (!) im Schnitt um mehr als 40% vorenthalten wird, sind Geldstrafen bis zu 400.000Euro möglich. • Wenn der Arbeitgeber bei der Aufklärung unverzüglich und vollständig zur Wahrheitsfindung mitwirkt, ist anstelle des Strafrahmens bis 100.000Euro oder bis 250.000Euro der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Das Kriterium der Unverzüglichkeit ist im gegebenen Zusammenhang nach den Materialien nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber unmittelbar nach Einleitung des Strafverfahrens (ab wirksamer Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung) und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt mitwirkt. Generell kann sich die Mitwirkung aber im Rahmen der Strafbemessung mildernd auswirken.124)
Diese Regelung findet nur Anwendung, wenn der Strafrahmen nach der Schadenssumme den angeführten Beträgen entspricht. Sie ist daher nicht auf Fälle des maximalen Strafrahmens von 400.000Euro bzw der minimalen Strafen von 50.000Euro bzw 20.000Euro anwendbar. Umfasst eine Unterentlohnung durchgehend die Dauer mehrerer Lohnzahlungszeiträume, so liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor (Dauerdelikt). Hingegen wird der Straftatbestand mehrmals verwirklicht, wenn zwischen den Lohnzahlungszeiträumen die Unterentlohnung wieder beendet wurde (es sei denn, es liegt im Einzelfall dennoch ein fortgesetztes Delikt vor). Hinsichtlich Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. 12. des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Verstöße gegen die formalen Verpflichtungen sowie für Vereitelungshandlungen iZm der Lohnkontrolle gelten als einzige Verwaltungsübertretung, für die sich – wiederum ausdrücklich ungeachtet der Anzahl der von der Unterentlohnung betroffenen Arbeitnehmer – folgende Strafrahmen ergeben:
Delikt
Entsendemeldung (ZKO3) bzw Überlassungsmeldung (ZKO4) nicht wie gefordert (§26 Abs1 Z1 und Z2 iVm Abs1a LSD-BG)
Inhalt
Der Arbeitgeber bzw Überlasser erstattet die Entsendemeldung (ZKO3) bzw Überlassungsmeldung (ZKO4) oder Änderungsmeldungen
Geldstrafe
bis zu 20.000Euro
Nichtbereithalten oder Nichtzugänglichmachung der erforderlichen Unterlagen durch den Arbeitgeber (§26 Abs1 Z3 LSDBG) • nicht, • nicht rechtzeitig, • nicht vollständig oder • vorsätzlich unrichtig. Die irrtümliche Verwendung des falschen ZKO-Formulars (wenn vollständig ausgefüllt) stellt keinen Meldeverstoß dar.
Der Arbeitgeber hält die Entsendemeldung oder die Bescheinigung A1 nicht zur Überprüfung bereit oder diese sind vor Ort nicht unmittelbar zugänglich. bis zu 20.000Euro
124)ErlRV 934 BlgNR 27. GP, 11.
Delikt
Nichtbereithalten oder Nichtzugänglichmachung der erforderlichen Unterlagen durch den Beschäftiger (§26 Abs2 LSD-BG)
Nichtbereithalten bzw Nichtübermittlung von Lohnunterlagen (§28LSD-BG)
Nichtübermittlung von Lohnunterlagen bzw Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung (§27 Abs1 LSD-BG)
Verweigerung des Zutritts zu Betriebsstätten bzw -einrichtungen, Verweigerung von Auskünften oder sonstige Erschwerung bzw Behinderung von Kontrollen (§27 Abs2 LSD-BG)
Verweigerung der Einsichtnahme in die bereitzuhaltenden Unterlagen (§27 Abs3 LSD-BG) Unterlassene Änderungsmeldung zum verantwortlichen Beauftragten (§30 LSD-BG)
Ausübung der Tätigkeit trotz Untersagung der Dienstleistung (§31 Abs4 LSD-BG)
Unzulässige bewilligungspflichtige Überlassung aus Drittstaaten (§22 Abs1 AÜG)
Nichteinhaltung der Mitteilungspflichten (§22 Abs1 Z3 AÜG)
Nichteinhaltung der Aufzeichnungs- und Meldepflicht gemäß §13 AÜG (§22 Abs1 Z3 AÜG)
Tabelle 2: Strafrahmen im Überblick
Inhalt
Der Beschäftiger hält die Überlassungsmeldung, die Bescheinigung A1 oder die behördliche Genehmigung zur Arbeitskräfteüberlassung im Sitzstaat des Überlassers nicht bereit oder macht diese nicht zugänglich.
Lohnunterlagen werden vom Arbeitgeber bzw vom Beschäftiger nicht bzw nicht in einer der geforderten Sprachen bereitgehalten bzw übermittelt.
Der Arbeitgeber bzw Beschäftiger kommt der Verpflichtung zur Übermittlung der Melde- und Lohnunterlagen gegenüber der Abgabenbehörde, dem KV-Träger bzw der BUAK nicht nach.
Der Arbeitgeber bzw Beschäftiger setzt die angeführten Vereitelungshandlungen iZm der Lohnkontrolle.
Geldstrafe
bis zu 20.000Euro
bis zu 20.000Euro;
im Wiederholungsfall bis zu 40.000Euro
bis zu 40.000Euro
bis zu 40.000Euro
Der Arbeitgeber bzw Beschäftiger setzt die angeführten Vereitelungshandlungen iZm der Lohnkontrolle. Der Arbeitgeber, Überlasser bzw Beschäftiger meldet den Widerruf der Bestellung oder das Ausscheiden eines verantwortlichen Beauftragten nicht.
Trotz Untersagung der Dienstleistung wird eine Tätigkeit erbracht.
Der Überlasser oder Beschäftiger ist an einer nach §16 AÜG unzulässigen grenzüberschreitenden Überlassung beteiligt.
Der Arbeitgeber bzw der Beschäftiger informiert die überlassene Arbeitskraft nicht über wesentliche Umstände der Beschäftigung (§12 Abs1 AÜG und §12a AÜG), und dadurch besteht die Gefahr eines Schadens für die Arbeitskraft.
Der Überlasser bzw bei InboundÜberlassungen aus dem EWR der Beschäftiger führt nicht die gemäß §13 AÜG erforderlichen Aufzeichnungen bzw übermittelt nicht die demnach notwendigen statistischen Daten an das BMASK. bis zu 40.000Euro
41Euro bis 4.140Euro;
im Wiederholungsfall 83Euro bis 4.140Euro (unverändert)
2.000Euro bis 20.000Euro (unverändert)
1.000Euro bis 5.000Euro;
im Wiederholungsfall 2.000Euro bis 10.000Euro (unverändert)
bis zu 1.000Euro;
im Wiederholungsfall 500Euro bis 2.000Euro (unverändert)
bis zu 1.000Euro;
im Wiederholungsfall 500Euro bis 2.000Euro (unverändert)
In Tabelle2 sind auch die bei Arbeitskräfteüberlassung in §22 AÜG geregelten (in der LSD-BG-Novelle 2021 unverändert gebliebenen) Geldstrafen dargelegt.
6.2.2.Sonstige Sanktionsmaßnahmen 6.2.2.1.Untersagung der Dienstleistung Ausländischen Arbeitgebern, die wiederholt rechtskräftig bestraft worden sind, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Ausübung der den Gegenstand der Dienstleistung bildenden Tätigkeit für die Dauer von mindestens einem Jahr und höchstens fünf Jahren zu untersagen. Einer Untersagung der Dienstleistung kann bei Nachweis, dass bestimmte organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Verstöße vorgenommen wurden, entgegengetreten werden.
6.2.2.2.Vorläufige Sicherheit bzw Zahlungsstopp Liegt der begründete Verdacht auf • Verstöße gegen die Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendungen bzw Überlassungen; • Vereitelungshandlungen iZm der Lohnkontrolle; • Nichtbereithalten von Lohnunterlagen; • Unterentlohnung; oder • Erbringung einer untersagten Dienstleistung vor und ist anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers bzw Überlassers) liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe • eine vorläufige Sicherheit festsetzen und einheben oder (falls dies nicht möglich ist) • dem Auftraggeber oder Beschäftiger schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). Wenn das Amt für Betrugsbekämpfung (bzw die BUAK) einen Zahlungsstopp verordnet, hat es in der Folge bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen, dass diese den Auftraggeber bzw Beschäftiger beauftragt, den zu leistenden Werklohn bzw das Überlassungsentgelt bzw einen Teil davon im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Fälligkeit als Sicherheit an die Bezirksverwaltungsbehörde zu zahlen. Die Bezirksverwaltungsbehörde muss in der Folge vom Auftragnehmer bzw Überlasser eine Stellungnahme einholen und nach Einlangen dieser Stellungnahme (bzw nach Ablauf der diesbezüglich eingeräumten Frist) binnen drei Wochen mit Bescheid gegenüber dem Auftraggeber oder Beschäftiger entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die angeführten Regelungen wurden im Zuge der aktuellen Novelle im Hinblick auf die Rechtsprechung des VfGH125) und des EuGH126) überarbeitet. Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung können zwar weiterhin – trotz der Kritik des EuGH – bereits bei begründetem Verdacht auf eine Verwaltungsübertretung geltend gemacht werden. Klargestellt ist nunmehr aber, dass die Sicherheitsleistung erst nach Eintritt der zivilrechtlichen Fälligkeit und nicht bei mangelnder Zahlungsverpflichtung wegen zivilrechtlicher Einreden/ Einwendungen zu erlegen ist. Außerdem dem Auftragnehmer oder Überlasser im Verfahren ein rechtliches Gehör einzuräumen.
125)VfGH 2. 3. 2018, G 260/2017. 126)EuGH 14. 11. 2018, Cepelnik, C-33/17.
6.2.2.3.Evidenz über Verwaltungsstrafverfahren Zum Zwecke der Strafbemessung bzw der Beurteilung der Frage, ob eine Untersagung der Dienstleistung verhängt werden soll, hat das Kompetenzzentrum LSDB eine Evidenzdatei über rechtskräftige Bescheide und Erkenntnisse in Verwaltungs(straf)verfahren zu führen. Das Kompetenzzentrum LSDB hat öffentlichen Auftraggebern auf Anfrage Auskunft darüber zugeben, ob gegen künftige potenzielle Auftragnehmer rechtskräftige Bescheide und Erkenntnisse im Verwaltungsstrafverfahren (Anzahl der Bestrafungen, maßgebliche Daten der Erkenntnisse und Bescheide, mit denen eine Ermahnung erteilt wurde) verhängt worden sind. (Straf-)Bescheide und (Straf-)Erkenntnisse sind daher auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe von Bedeutung. Nach dem Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) besteht für öffentliche Vergabeverfahren die Verpflichtung zur Einholung der Auskunft darüber, ob dem in Betracht kommenden Bewerber, Bieter und deren Subunternehmern eine rechtskräftige Bestrafung wegen Nichtbereithaltung der Lohnunterlagen oder wegen Unterentlohnung bzw eine rechtskräftige Entscheidung zur Untersagung der Dienstleistung zuzurechnen ist.127)
6.3.Möglichkeiten, einer Strafe zu entkommen bzw sie zu mindern
6.3.1.Verjährung nach LSD-BG Seit 2015 (inkl für Unterentlohnungen, die sich im Jahr 2015 fortgesetzt haben) gilt folgende Rechtslage: • Die Frist für die Verfolgungsverjährung (nach deren Ablauf die Behörde nicht mehr erstmals tätig werden darf) beginnt mit Fälligkeit des Entgelts und beträgt drei Jahre. Umfasst die Unterentlohnung durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume, so beginnt die Frist aber erst mit Fälligkeit des Entgelts für den letzten Lohnzahlungszeitraum der Unterentlohnung (bzw mit Beendigung des Dienstverhältnisses). Die Strafbarkeit einer Unterentlohnung kann daher auch Entgeltansprüche betreffen, die der betroffene Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber aufgrund Verjährung oder Verfall des vorenthaltenen Entgelts nicht mehr geltend machen kann.128) • Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung beträgt fünf Jahre ab Fälligkeit des letzten Entgelts. Bei Nachzahlung des Entgelts verkürzt sich die Frist für die Verfolgungsverjährung auf ein Jahr ab Nachzahlung, für die Strafbarkeitsverjährung auf drei Jahre ab Nachzahlung.
6.3.2.Anrechnung von Überzahlungen Siehe dazu die Ausführungen unter Pkt3.4.
6.3.3.Nachzahlung der Entgelte gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern 6.3.3.1.Nachzahlung vor Erhebung durch die Behörde Wird dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden Entgelt vom Arbeitgeber nachweislich vor einer Erhebung der jeweils zuständigen Kontrollbehörde geleistet, so ist eine Strafbarkeit wegen Unterentlohnung nicht gegeben. Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung im Rahmen der sogenannten „tätigen Reue“ ist die volle Schadensgutmachung, also die Zahlung des gesamten, dem einzelnen Dienstnehmer nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden (Mindest-)Entgelts, somit auch der von der Lohnkontrolle nicht umfassten Entgeltbestandteile, wie etwaiger noch
127)§§82 Abs3 und 252 Abs2 BVergG 2018. 128)OGH 26. 1. 2018, 8 ObS 9/17g.
offener, gemäß §49 Abs3 ASVG beitragsfreier Entgeltbestandteile.129) Ob der Arbeitgeber sein Verhalten bereut oder mit der Nachzahlung nur sein Verschulden eingesteht, ist für die Straffreiheit irrelevant, weil es diesbezüglich nur auf die rechtzeitige, tatsächliche und nachweislich vollständige Schadensgutmachung ankommt. Nachzahlungen zur Vermeidung einer Bestrafung wegen Unterentlohnung können auch bereits verfallene Ansprüche betreffen.
6.3.3.2.Nachzahlung nach Erhebung durch die Behörde Die Behörde hat zudem von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn130) • dem Arbeitnehmer die Entgeltdifferenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden (Mindest-)Entgelt binnen einer von der Behörde festgesetzten Frist nachweislich nachbezahlt wird und • die Unterentlohnung gering ist oder • das Verschulden des Arbeitgebers bzw der zur Vertretung nach außen berufenen Person leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt. Als geringfügig ist eine Unterentlohnung nach der Rechtsprechung einzustufen, wenn • nur niedrige Geldbeträge vorenthalten wurden und • die Unterentlohnung von kurzer Dauer war. In Bezug auf die bis 31.12.2014 geltenden Regelungen wurde eine Unterentlohnung zwischen 3% und 4,33% vom Grundlohn als geringfügig erachtet.131) Eine geringfügige Unterschreitung lag nach dem VwGH132) auch im Falle einer Unterentlohnung iHv 4,33% bei einer absoluten Höhe von 44,59Euro für sechs Arbeitnehmer vor. In einem anderen Fall hat die Rechtsprechung jedoch Unterentlohnungen zwischen 3,76% und 4,71% deshalb nicht mehr als gering eingestuft, weil sie sich über lange Zeiträume (drei, fünfeinhalb und 18Monate) erstreckte und Beträge zwischen 182,70Euro und 1.750,40Euro ausmachte.133) Nach den Richtlinien zur ab 1.1.2015 geltenden Rechtslage ist ein Unterschreiten des gebührenden Mindestentgelts dann gering, wenn es nicht mehr als 10% ausmacht.134) Dabei ist eine sich über mehrere Lohnzahlungsperioden erstreckende Unterentlohnung durchzurechnen. Auch wenn sich der Dachverband der Krankenversicherungsträger im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise an der 10-%Grenze orientiert, ist vor dem Hintergrund der genannten Judikatur davon auszugehen, dass die Verwaltungsgerichte auch Unterentlohnungen, die weniger als 10% ausmachen, nicht mehr als geringfügig betrachten. Dies droht umso mehr, je länger der Zeitraum der Unterentlohnung andauert. Die Fahrlässigkeit wird widerleglich vermutet; im Verwaltungsstrafrecht gibt es bei „Ungehorsamsdelikten“ keine Unschuldsvermutung! Der Arbeitgeber hat daher zu beweisen, dass ihn kein Verschulden oder bloß leichte Fahrlässigkeit trifft. Leichte Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn der Fehler gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterlaufen könnte. IZm einer Unterentlohnung kann eine leichte Fahrlässigkeit zB dann angenommen werden, wenn bei Betrachtung eines lohnperiodenübergreifenden Zeitraums zB aufgrund einer Überzahlung keine Unterentlohnung vorliegen würde.135) Der Nachweis der Nachzahlung des gebührenden Entgelts ist bei der Strafbemessung jedenfalls strafmildernd zu berücksichtigen.
129)§29 LSD-BG; Pkt 10.6 LSDB-RL; ErlRV 1111 BlgNR 25. GP, 21. 130)§29 Abs3 LSD-BG; Pkt 10.2 und 10.8 LSDB-RL 2015. 131)VwGH 23. 10. 2014, Ro 2014/11/0071. 132)VwGH 23. 10. 2014, Ro 2014/11/0071. 133)VwGH 10. 6. 2015, Ra 2015/11/0035. 134)Pkt 10.3 LSDB-RL 2015. 135)Vgl ErlRV 319 BlgNR 25. GP, 13.