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ANDREAS GERHARTL

Vergütungsanspruch im Epidemiegesetz

Vergütungsanspruch im Epidemiegesetz Verdienstentgang der Parteien des Arbeitsvertrages

ANDREAS GERHARTL*)

Das EpiG räumt einen Anspruch auf Vergütung des durch die Verhängung bestimmter zur Bekämpfung einer Epidemie ergriffener Maßnahmen eingetreten Verdienstentgangs ein. Diese Bestimmung wirft allerdings etliche, zum Teil grundsätzliche Fragen auf. Eine Beschäftigung mit der Thematik ist daher lohnenswert.

1.Einleitung

Der im EpiG geregelte Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang führte

Jahrzehnte lang ein Schattendasein, hat durch die COVID-19-Pandemie aber plötzlich hohe praktische Bedeutung erlangt.1) Es verwundert daher aber nicht, dass dabei viele Fragen ungeklärt sind. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber aufgrund der Pandemie sowohl das EpiG (mehrfach) novelliert – und dabei unter anderen auch spezielle Bestimmungen für die Corona-Krise eingeführt – als auch mit dem COVID-19MG eine weitere gesetzliche Grundlage für die Pandemiebekämpfung geschaffen hat. Das war wahrscheinlich gut gemeint, verursacht aber zusätzliche Probleme.2) In diesem Beitrag sollen einige zentrale Themenfelder zumindest im Überblick behandelt werden.

2. Gesetzliche Grundlagen 2.1.Grundsätzliches

Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an „2019-nCoV“ („2019 neuartiges Coronavirus“) wurden mit Verordnung explizit in die Anzeigepflicht gemäß § 1 Abs 2 EpiG einbezogen.3) Corona (SARS-CoV-2 bzw COVID-19) unterliegt daher – unabhängig von der dafür verwendeten Bezeichnung (wie beispielsweise als „Pandemie“, „Seuche“ oder „Epidemie“) – dem EpiG.4) Das EpiG enthält darüber hinaus aber auch spezielle Bestimmungen für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2. Dazu tritt das (derzeit) bis 31. 12. 2021 befristete COVID-19-MG als eigene Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Einerseits wurde infolge der Pandemie daher das EpiG (mehrfach) novelliert, andererseits mit dem COVID-19-MG eine weitere, separate Rechtsgrundlage für die Anordnung von Maßnahmen erlassen. Diese betreffen auch arbeitsrechtliche Problemstellungen.5)

2.2.Individuelle und generelle Maßnahmen

Das EpiG ermöglicht es der Gesundheitsbehörde (das ist auf Bezirksebene die Bezirksverwaltungsbehörde), bestimmte (individuelle oder generelle) Maßnahmen (zB Anord-

*) Dr. Andreas Gerhartl ist Mitarbeiter des AMS Niederösterreich. 1) Dies zeigt sich auch an der innerhalb kurzer Zeit beinahe explosionsartig angewachsenen Literatur, die daher nur (mehr) teilweise berücksichtigt werden konnte. 2) Die Kodifizierung in einem einzigen Gesetz (etwa einem Infektionsschutzgesetz) wäre meines Erachtens zielführender. 3) Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II 2020/15. 4) Die unterschiedlichen Bezeichnungen für den Erreger und der von ihm ausgelöste Infektion werden hier synonym verwendet. 5) Vgl zB Wiesinger, Die Bedeutung der COVID-19-Gesetze für das Arbeitsrecht, ASoK 2020, 122; Felten/

Pfeil, Arbeitsrechtliche Auswirkungen der COVID-19-Gesetze – ausgewählte Probleme, DRdA 2020, 295.

nung einer Quarantäne) zu ergreifen, die (direkt oder indirekt) bewirken, dass das Erbringen der Arbeitsleistung unterbleibt. Dies kann den Arbeitnehmer, aber auch den Arbeitgeber betreffen (zB Anordnung häuslicher Quarantäne für den Arbeitnehmer oder vorübergehende Betriebsschließung bzw -einschränkung).6) Derartige Anordnungen ergehen mittels Bescheides oder Verordnung.7) Im Gegensatz zur Hotline 1450 kann die Gesundheitsbehörde Bescheide gemäß § 7 oder § 17 EpiG aber auch telefonisch erlassen (§ 7 EpiG regelt die Absonderung, § 17 EpiG die Überwachung bestimmter Personen).8) Der Inhalt und die Verkündung eines telefonischen Bescheides sind zu beurkunden und dem Betroffenen zuzustellen. Eine telefonisch verfügte Quarantäne endet jedoch gemäß § 46 Abs 2 EpiG automatisch, wenn die Gesundheitsbehörde nicht innerhalb von 48 Stunden einen (schriftlichen) Bescheid darüber erlässt.9)

2.3.Absonderung

Eine Quarantäne (Absonderung) kann gegen kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtigte Personen verhängt werden.10) Wird über einen Arbeitnehmer ein Absonderungsbescheid erlassen, bedeutet das nicht zwingend, dass der Betreffende arbeitsunfähig ist.11) Dies ist beispielsweise für die Frage relevant, ob die Erbringung von Arbeitsleistungen im Homeoffice möglich ist. Begibt sich eine Person freiwillig in Quarantäne, besteht allerdings kein Antragsrecht auf Erlassung eines Absonderungsbescheides.12) Der OGH bezweifelte die Verfassungskonformität der Regelungen für die gerichtliche Überprüfbarkeit von Absonderungsmaßnahmen nach dem EpiG. Er erblickte darin einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltentrennung und gegen das Rechtsstaatsprinzip und beantragte daher beim VfGH (ebenso wie einige andere Zivilgerichte), die entsprechenden Bestimmungen im EpiG aufzuheben.13) Der VfGH teilte diese Bedenken und hob in der Folge § 7 Abs 1a Satz 2 EpiG (Zuständigkeit der Bezirksgerichte für die Überprüfung von Absonderungsmaßnahmen) als verfassungswidrig auf.14)

3. Anspruch auf Entschädigung 3.1.Behördliche Maßnahmen

Das EpiG sieht in seinem § 32 Entschädigungsansprüche für den Verdienstentgang vor. Demnach ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbs entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit • sie gemäß § 7 oder § 17 EpiG abgesondert worden sind, • ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 EpiG untersagt worden ist,

6) Die in Betracht kommenden Maßnahmen (nach dem EpiG) können zum Teil durch Verordnung (zB

Erlassung einer allgemeinen Verkehrsbeschränkung) und zum Teil durch Bescheid (zB Schließung eines einzelnen Betriebs) verfügt werden. 7) Vgl dazu etwa VwGH 24. 2. 2021, Ra 2021/03/0018. 8) Da Bescheide gemäß § 62 Abs 1 AVG ohnehin schriftlich oder mündlich erlassen werden können, ergibt dies nur Sinn, wenn hier „telefonisch“ („fernmündlich“) als aliud zu (und nicht als Subkategorie von) „mündlich“ verstanden wird. Mündliche Bescheide werden dagegen im Anwendungsbereich des

EpiG nach dessen Sinn und Zweck nicht in Betracht kommen. 9) Vgl Stupar, „Quarantäne“ ohne Bescheid – arbeitsrechtliche Konsequenzen, ASoK 2021, 2. 10)Die Überschrift zu § 7 EpiG („Absonderung Kranker“) ist daher irreführend. 11)Auf die Abgrenzung zur Dienstverhinderung durch Krankheit, wenn ein abgesonderter Arbeitnehmer auch Krankheitssymptome aufweist, wird hier nicht eingegangen; vgl dazu etwa Gerhartl, Krankheit,

Quarantäne und Selbstisolierung, ASoK 2020, 362; Mitschka, (Kranke) Arbeitnehmer in Quarantäne –wer trägt die Kosten? GRAU 2020, 54. 12)LVwG Vorarlberg 14. 10. 2020, LVwG-408/3/2020-R1. 13)OGH 2. 11. 2020, 7 Ob 139/20x, RdM 2021/106 (Kopetzki). 14)VfGH 10. 3. 2021, G 380/2020 ua.

• ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 EpiG untersagt worden ist, • sie in einem gemäß § 20 EpiG im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, • sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 EpiG in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, • sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 EpiG angeordnet worden ist, oder • sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 EpiG verhängt worden sind,15) und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist. Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs ist somit zum einen eine von der Gesundheitsbehörde aufgrund des EpiG angeordnete Maßnahme (zB Verhängung einer Quarantäne, Anordnung einer Betriebsschließung).16) Die dafür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen sind in § 32 Abs 1 EpiG im Einzelnen aufgezählt.17) Die Differenzierung zwischen kleinräumigen Verkehrsbeschränkungen und solchen gegenüber dem Ausland, die letztlich alle betreffen, verstößt dabei nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.18)

3.2.Verdienstausfall

Die zweite Voraussetzung ist das Eintreten eines Verdienstausfalls, für den die betreffende Maßnahme kausal sein muss. Muss sich der Arbeitnehmer daher beispielsweise in häusliche Quarantäne begeben und erleidet er dadurch einen Verdienstausfall, ist dieser Fall von § 32 EpiG umfasst. Gleiches gilt für den Unternehmer, der aufgrund einer behördlichen Anordnung seinen Betrieb schließen muss und für den betreffenden Zeitraum seine Produkte bzw Dienstleistungen nicht mehr anbieten kann. § 32 EpiG ist aber auch auf Konstellationen anwendbar, bei denen etwa aufgrund von Verkehrsbeschränkungen der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nicht erreichen oder der Arbeitgeber seinen Betrieb nicht öffnen kann. Da der Vergütungsanspruch auch einem Arbeitnehmer eingeräumt wird, stellt sich die Frage, ob (zunächst) die arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsvorschriften bei Arbeitsverhinderung zur Anwendung kommen, da der Arbeitnehmer bejahendenfalls (für diesen Zeitraum) keinen Verdienstentgang erleiden würde.19) Für den Fall, dass die Arbeitsverhinderung auf Umständen in der Sphäre des Arbeitgebers beruht, würde dies daher bedeuten, dass in der Regel überhaupt kein Vergütungsanspruch nach dem EpiG besteht, da der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für unbegrenzte Zeit auf § 1155 ABGB stützen könnte.20) Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen, da § 32 EpiG für diese Konstellationen als lex specialis anzusehen ist.21) § 32 Abs 1 Z 4 EpiG räumt den Anspruch auch Perso-

15)Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Ausland (§ 25 EpiG) sind daher nicht erfasst. 16)Vgl zB Assadi/Cvikl/D. P. Schmidt, Entschädigungsansprüche für Betretungsverbote und Betriebsschließungen aufgrund von COVID-19-Maßnahmen, ecolex 2020, 583 und 743; Keisler/Hummelbrunner in Resch, Da Corona-Handbuch1.04 (2021) Kap 1. 17)Vgl zu deren Kommentierung Hummelbrunner in Neumayr/Resch/Wallner, Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht (2016) §§ 7, 11, 17, 20, 22 und 24 EpiG. 18)VfGH 26. 11. 2020, E 3412/2020; 26. 11. 2020, E 3417/2020; 26. 11. 2020, E 3544/2020. 19)Vgl unter anderem Wiesinger, Arbeitsrechtliche Fragen zu Epidemien, SWK 2020, 469; Resch, Verhältnis Vergütung nach Epidemiegesetz zur arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung, ecolex 2020, 285;

Spitzl, Entgeltanspruch bei Quarantänemaßnahmen, ecolex 2021, 288 (292); Gruber-Risak, Die Seuche, das Risiko und der Arbeitsvertrag, ÖJZ 2021, 165. 20)Vgl etwa M. Haider, § 1155 ABGB in der COVID-19-Krise, DRdA-infas 2020, 199; Aichberger-Beig,

Entgeltfortzahlung bei Betriebsschließungen in der COVID-19-Pandemie, ecolex 2021, 292. 21)Einzuräumen ist, dass § 32 Abs 5 EpiG gegen diese Auslegung spricht. Mit dieser Bestimmung sind meines Erachtens allerdings Entgeltfortzahlungsvorschriften nicht gemeint.

nen ein, die in einem (gemäß § 20 EpiG) im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmern beschäftigt sind.22) Diese Bestimmung soll § 1155 ABGB daher vorgehen, da sie andernfalls faktisch keinen Anwendungsbereich hätte.23) Die Voraussetzung, dass durch die betreffende Maßnahme ein Verdienstentgang eingetreten ist, ist daher meines Erachtens in Bezug auf das Arbeitsverhältnis so zu verstehen, dass die einschlägigen Entgeltfortzahlungsvorschriften dabei auszublenden sind.24)

3.3.Anrechnung und Verschulden

Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. Der Anspruchsberechtigte muss sich also andere Entschädigungen oder anderweitig erzieltes Einkommen anrechnen lassen. Weitgehend ungeklärt ist meines Erachtens die Frage, ob bzw inwieweit ein Verschulden des Antragstellers (Beispiel: Ein Unternehmer arbeitet selbst im Betrieb weiter, obwohl er weiß, dass er infiziert ist, was in der Folge eine Cluster-Bildung auslöst und die behördliche Schließung des Betriebs bewirkt) den Anspruch bzw die Geltendmachung eines übergegangenen Anspruchs ausschließt oder reduziert.25) Obwohl es sich um keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch handelt, ist es meines Erachtens im Ergebnis schwer vorstellbar, dass ein Mitverschulden (oder sogar ausschließliches Verschulden) des Antragstellers an der Herbeiführung des Verdienstentgangs keine Rolle für den Vergütungsanspruch spielt, sodass für diesen Fall wohl die einschlägigen zivilrechtlichen Grundsätze anzuwenden sind.26)

4. Berechnung der Vergütung 4.1.Arbeitnehmer

Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des EFZG zu bemessen. Dies ist gemäß § 3 Abs 3 EFZG das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wäre keine Arbeitsverhinderung eingetreten. Die Arbeitgeber haben den den an der Erbringung der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmern gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen.27) Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 BUAG sind ebenfalls vom Bund zu ersetzen. Die Bemessung des Anspruchs des Arbeitnehmers orientiert sich daher an einer Dienstverhinderung bei Krankheit. Im Regelfall wird der Arbeitnehmer aufgrund der gesetzlichen Konstruktion den Erstattungsanspruch also nicht selbst gegen den Bund geltend machen. Damit der Arbeitgeber seiner Zahlungsverpflichtung nachkommen

22)Dieser Umstand fällt daher (unzweifelhaft) in die Arbeitgebersphäre. 23)Dafür spricht meines Erachtens auch, dass die Vergütung gemäß § 32 Abs 2 EpiG für jeden Tag zu leisten ist, der von der betreffenden behördlichen Verfügung umfasst ist; vgl dazu etwa UVS Oberösterreich 2. 8. 2004, VwSen-590067/4/Ste. 24)Es spielt daher auch keine Rolle, ob der Arbeitsausfall der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmersphäre zuzuordnen ist, also der Arbeitnehmer daran gehindert ist, seine Arbeitskraft anzubieten. 25)Vgl dagegen zum Verlust des Entschädigungsanspruchs für Gegenstände § 30 EpiG. 26)Etwaige (verwaltungs)strafrechtliche Konsequenzen bleiben hier außer Betracht. 27)Daher besteht meines Erachtens ein zivilrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem

Arbeitgeber. Dieser ist somit (innerhalb der allgemeinen Verjährungsfristen) klagbar.

kann, muss ihn der Arbeitnehmer allerdings allenfalls erst darüber in Kenntnis setzen, dass er (aufgrund einer ihn berührenden Maßnahme nach dem EpiG) an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist.28)

4.2.Übergegangener Anspruch

Ist der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber übergegangen, so gilt für den Umfang des Rückforderungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Bund Folgendes:29) Die Zahlung des Arbeitgebers ist beitragspflichtig. Daher sind auch Beiträge zur betrieblichen Vorsorgekasse (BV-Beiträge) zu entrichten. Es besteht aber keine Lohnnebenkostenpflicht, weil es sich bei der Zahlung des Arbeitgebers um kein Entgelt, sondern um eine auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhende Entschädigung (Vergütung) handelt, für die der Arbeitgeber in Vorlage tritt.30) Dienstgeberbeiträge zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung werden ebenfalls vergütet. Eine Vergütung für die vom Arbeitgeber entrichteten Dienstgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung, Nebenbeiträge und BV-Beiträge ist vom BMSGPK nicht vorgesehen. Für den Anspruch auf Vergütung von Sonderzahlungen ist nach einer Entscheidung des LVwG Wien nicht relevant, ob diese im Monat der Absonderung ausbezahlt werden, solange sie sich auf den Absonderungszeitraum beziehen und diesem verrechnungstechnisch aliquot zuzuordnen sind.31)

4.3.Selbständige

Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist deren (originäre) Entschädigung dagegen nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.32) Es ist also danach zu fragen, welches Einkommen während des Zeitraums, zu dem die Maßnahme andauert, ohne Verhängung dieser Maßnahme erzielt worden wäre. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen. Diese Verordnung33) sowie ein Erlass des BMSGPK34) enthalten Details zur Berechnung.

5. Geltendmachung 5.1.Antragsfrist

Der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs ist gemäß § 33 EpiG grundsätzlich binnen sechs Wochen vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der

28)Der Arbeitgeber wird dabei auch die Beibringung von Nachweisen verlangen können, soweit dies dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. Verspätungen bei der Erstattung der Meldung bzw der

Vorlage der Nachweise werden den Anspruch des Arbeitnehmers zwar nicht ausschließen, aber den

Fälligkeitszeitpunkt verschieben. Liegt dabei ein Verschulden des Arbeitnehmers vor, kommen auch andere arbeitsrechtliche Konsequenzen (bis hin zur Entlassung) in Betracht. 29)Vgl ausführlich Höfle/Platzer, Vergütungsanspruch des Arbeitgebers nach dem Epidemiegesetz bei

Quarantäne des Arbeitnehmers, ASoK 2020, 402; dieselben, Abgabenpflicht der Entgeltzahlung nach dem Epidemiegesetz bei Quarantäne des Arbeitnehmers, ASoK 2021, 12. 30)VwGH 29. 3. 1984, 84/08/0043. 31)LVwG Wien 4. 2. 2021, VGW-101/032/16118/2020. 32)ZB Eypeltauer, COVID-19: Anspruch auf Ersatz von Verdienstentgang für Unternehmer? ecolex 2020, 725. 33)Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Vergütung des Verdienstentgangs für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen nach Epidemiegesetz 1950 (EpG 1950-Berechnungs-

Verordnung), BGBl II 2020/329. 34)Erlass des BMSGPK vom 20. 7. 2020, 2020-0.406.069.

Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.35) Nach § 49 EpiG ist abweichend davon seit 8. 7. 2020 für den Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, eine Frist von drei Monaten maßgeblich. Sowohl vor dem 8. 7. 2020 laufende als auch bereits abgelaufene Fristen beginnen mit 8. 7. 2020 neu zu laufen. Auch der Anspruch des Arbeitnehmers wird in der Regel vom Arbeitgeber geltend gemacht werden (da dieser mit dem Zeitpunkt der Auszahlung an den Arbeitnehmer auf ihn übergeht). Sollte der Arbeitgeber seiner Zahlungsverpflichtung zu Recht (aufgrund von Meldepflichtverletzungen des Arbeitnehmers) oder zu Unrecht nicht nachgekommen sein, steht es dem Arbeitnehmer aber meines Erachtens frei, den Vergütungsanspruch selbst geltend zu machen.36) Der Arbeitnehmer ist daher nicht dazu verpflichtet, seinen Anspruch gegen den Arbeitgeber zu richten.

5.2.Antragstellung

Unter dem (für den Beginn des Fristenlaufs maßgeblichen) „Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahme“ ist meines Erachtens deren Wirksamwerden bzw – bei rückwirkender Aufhebung – die Kundmachung37) bzw Zustellung des die Aufhebung verfügenden Dokuments zu verstehen. Als einschlägige Dokumente kommen Verordnungen oder Bescheide (bei telefonischen Bescheiden deren Beurkundung) in Betracht. Das Vorhandensein eines schriftlichen Dokuments ist – insbesondere bei individuellen Maßnahmen – deshalb wichtig, weil dies der Antragsteller in der Regel zum Nachweis seines Anspruchs benötigen wird.38) Ein unvollständiger Antrag (zB Fehlen erforderlicher Beilagen) muss gemäß § 13 Abs 3 AVG unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Korrektur bzw Ergänzung zurückgestellt werden. Werden die geforderten Verbesserungen (Ergänzungen) rechtzeitig vorgenommen, so gilt der Antrag als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (dies ist insbesondere für Fälle bedeutsam, bei denen der [unvollständige] Antrag relativ knapp vor Fristablauf gestellt wird).

5.3.Entscheidung

Die Bezirksverwaltungsbehörde ist gemäß § 49 Abs 3 EpiG verpflichtet, über Anträge auf Vergütung des Verdienstentgangs, die aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme eingebracht werden, ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber 12 Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Dies ist daher eine Verschlechterung gegenüber der allgemeinen Regel des § 73 Abs 1 AVG, nach der über Anträge von Parteien spätestens sechs Monate nach deren Einlangen ein Bescheid zu erlassen ist.39)

35)Vgl dazu VwGH 23. 4. 2002, 2000/11/0061. Bei Maßnahmen, die (durch Verordnung) auf Bundesoder Landesebene getroffen wurde, wird meines Erachtens für die Ermittlung der zuständigen

Bezirksverwaltungsbehörde nach § 3 AVG vorzugehen sein. 36)Für Fälle, in denen der Anspruch des Arbeitnehmers wegen Meldepflichtverletzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt auf den Arbeitgeber übergeht (weil der Arbeitgeber in der Folge erst später zahlt), stehen dem Arbeitgeber bei der Geltendmachung des auf ihn übergegangenen Anspruchs verwaltungsverfahrensrechtliche Instrumente (wie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zur Verfügung. 37)Gemäß § 2 ABGB kann sich niemand darauf berufen, ein ordnungsgemäß kundgemachtes Gesetz nicht gekannt zu haben, was auch für ordnungsgemäß kundgemachte Verordnungen gelten muss. 38)Bei allgemein geltenden Rechtsvorschriften (wie Verordnungen) ist die Schriftform in der Regel ohnehin Tatbestandsmerkmal der (als Wirksamkeitserfordernis notwendigen) gehörigen Kundmachung. 39)Dies ist vor allem für die Möglichkeit, einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs 2 AVG einbringen zu können, relevant.

Nach § 18 Abs 2 AVG haben Erledigungen jedenfalls schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird. Unter „schriftlicher Erledigung“ ist in diesem Zusammenhang die Erstellung eines (schriftlichen) Bescheides zu verstehen, da nur gegen Erledigungen in Bescheidform Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen.40) Als „Anträge von Parteien“, welche nach § 73 Abs 1 AVG die Entscheidungspflicht (durch Erlassung eines schriftlichen Bescheides) zur Folge haben, kommen alle Begehren in Betracht, über die durch Bescheid abzusprechen ist, das heißt, die ihrem Inhalt nach abstrakt dazu geeignet sind, durch die angerufene Behörde mittels Bescheides erledigt zu werden. Dazu gehören jedenfalls das Verfahren in der Sache einleitende Anträge.41) Dies gilt auch dann, wenn dem Antrag vollständig entsprochen wird, da in diesem Fall gemäß § 58 Abs 2 AVG lediglich die Bescheidbegründung entfallen kann.

6. Konkurrierende Rechtsgrundlagen 6.1.Subsidiarität

Gemäß § 13 Abs 2 und 3 COVID-19-MG gelangen die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten (und somit auch die Regelungen für den damit verbundenen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs) im Rahmen des Geltungsbereichs einer Verordnung im Sinne des § 3 COVID-19-MG nicht zur Anwendung. Ansonsten bleiben die Bestimmungen des EpiG aber unberührt.42) Der VfGH hat diese Subsidiaritätsklausel für verfassungskonform erklärt, da die einschlägigen Bestimmungen des EpiG nicht auf eine großflächige Schließung von Betriebsstätten ausgelegt sind und im Zusammenhang mit COVID-19 umfangreiche Maßnahmen und Rettungspakte für Betriebe ins Leben gerufen wurden.43) Da alle durch Verordnung nach § 3 COVID-19-MG verfügten Maßnahmen (die das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten regeln) den Anspruch ausschließen, liegt dadurch auch keine (allenfalls unsachliche) Differenzierung zwischen Betriebsschließungen, Betretungsverboten und anderen (weniger eingreifenden) Maßnahmen vor.

6.2.Taugliche Rechtsgrundlage

Die den Vergütungsanspruch begründende Maßnahme muss (zumindest auch) auf das EpiG zurückzuführen sein. Maßnahmen, die ausschließlich im COVID-19-MG Deckung finden, reichen daher nicht aus. Nach der Rechtsprechung des VfGH können Menschen aber aufgrund des § 2 COVID-19-MG alte Fassung (würde nunmehr § 4 COVID19-MG entsprechen) nicht dazu verhalten werden, an einem bestimmten Ort zu verbleiben.44) Ein durch Verordnung statuiertes Verbot, bestimmte Orte zu verlassen, kann sich daher nicht auf § 2 COVID-19-MG alte Fassung stützen. Als taugliche Rechtsgrundlage dafür käme allerdings § 24 EpiG in Betracht. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch auf Entschädigung (sofern er nicht durch § 13 Abs 2 COVID-19-MG ausgeschlossen ist) auch dann besteht, wenn eine Verordnung nicht (auch) auf eine in § 32 EpiG angeführte Rechtsgrundlage (wie eben beispielsweise § 24 EpiG), die dafür aber in Betracht gekommen wäre, gestützt wurde.45)

40)Dass eine Erledigung in Bescheidform zu ergehen hat, folgt auch aus § 32 Abs 6 EpiG. 41)ZB Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 73 Rz 7. 42)Vgl zB K. Holzinger, Keine Entschädigungen für COVID-19-Beschränkungen: Die Würfel sind gefallen! (oder doch nicht?), ecolex 2020, 661; dieselbe, Die Covid-19-Judikatur des VfGH – eine verfassungsrechtliche Analyse, ZVG 2020, 344; J. Wagner, Rechtsprechungs-Update: Entschädigungsansprüche nach dem EpiG bei Betretungsverboten nach dem COVID-19-MG, ecolex 2021, 414. 43)VfGH 14. 7. 2020, G 202/2020, V 408/2020; vgl etwa Th. Rabl/Illo Ortner, Der VfGH zu den bisherigen

COVID-19-Maßnahmen! ecolex 2020, 756. 44)VfGH 14. 7. 2020, V 363/2020; 10. 12. 2020, V 512/2020. 45)VfGH 23. 6. 2021, E 4044/2020.

6.3.Praktische Auswirkungen

Dies hat folgende praktische Auswirkungen: Liegt eine Verordnung vor, die sowohl auf § 3 COVID-19-MG als auch auf einen Tatbestand nach dem EpiG, der einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs begründet, gestützt werden kann, so wird das EpiG verdrängt.46) Derartige Verordnungen sind daher nicht (auch) als Anordnungen zur Betriebsbeschränkung im Sinne des EpiG zu qualifizieren.47) Liegt hingegen eine Verordnung vor, die auf § 4 COVID-19-MG (oder eine andere Bestimmung des COVID-19-MG als § 3 leg cit) gestützt werden kann, schließt dies den Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG (für den Fall einer Betriebsschließung) nicht aus.48) Dies gilt auch dann, wenn die nach dem EpiG anspruchsbegründende Norm nicht als Rechtsgrundlage genannt wird.49) Die aktuell (auf Bundesebene) einschlägige Verordnung50) stützt sich sowohl auf § 3 als auch auf § 4 COVID-19-MG. In einem solchen Fall müssen daher die jeweiligen Bestimmungen der Verordnung dem jeweiligen Kompetenztatbestand im COVID-19-MG zugeordnet werden. Ist der Arbeitnehmer aus einem anderen Grund (etwa weil er sich in Quarantäne befindet) ohnehin daran gehindert, seine Arbeitsleistung anzubieten, so spielt es meines Erachtens unter Zugrundelegung der Sphärentheorie51) keine Rolle, ob der Arbeitgeber aufgrund einer auf § 3 COVID-19-MG basierenden Verordnung daran gehindert wäre, diese anzunehmen. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall also auch bei Vorliegen einer Verordnung im Sinne des § 3 COVID-19-MG bei Erfüllung der Voraussetzungen des §32 EpiG einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstausfalls.52)

Auf den Punkt gebracht

Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentgangs nach dem EpiG ist eine von der Gesundheitsbehörde aufgrund des EpiG angeordnete Maßnahme. Die dafür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen sind im EpiG im Einzelnen aufgezählt. Das EpiG stellt dabei gegenüber arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsvorschriften eine lex specialis dar. Für die Geltendmachung des Anspruchs aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme steht eine Frist von drei Monaten zur Verfügung. Durch Verordnung verfügte Betriebsschließungen, die (auch) auf das COVID-19-MG zurückgehen, schließen den Anspruch nach dem EpiG aus.

46)Dies wird meines Erachtens konsequenterweise auch dann gelten müssen, wenn in der betreffenden Verordnung nicht § 3 COVID-19-MG, sondern fälschlicherweise eine andere Bestimmung des

COVID-19-MG oder lediglich das EpiG als Rechtsgrundlage angeführt wird. 47)Für den Arbeitnehmer bedeutet dies daher, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Maßgabe des § 1155 ABGB besteht. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall aber keinen Anspruch auf Rückerstattung des fortgezahlten Entgelts nach dem EpiG. 48)Dies muss meines Erachtens auch für den (praktisch kaum relevanten) Fall gelten, wenn in der betreffenden Verordnung etwa zu Unrecht § 3 COVID-19-MG als Rechtsgrundlage angeführt wird. 49)Eine Verordnung, die das Betreten und Befahren von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit regelt, schließt den Vergütungsanspruch daher nicht aus. 50)Verordnung über weitere Öffnungsschritte in Bezug auf die COVID-19-Pandemie (2. COVID-19-Öffnungsverordnung – 2. COVID-19-ÖV), BGBl II 2021/278 in der Fassung BGBl II 2021/328. 51)Vgl zur Sphärentheorie im Zusammenhang mit COVID-19 etwa Mazal, Entgeltfortzahlung bei pandemiebedingter Einschränkung des sozialen Lebens, ecolex 2020, 280; Friedrich, Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB und COVID-19, ZAS 2020, 156; Th. Dullinger, COVID-19-bedingte Dienstverhinderung in der Arbeitnehmersphäre, ZAS 2021, 12; Kietaibl, Grundfragen der Verteilung des Entgeltrisikos bei COVID-bedingten Ausfällen der Arbeitsleistung, JPR 2021, 18. 52)Auf die sogenannte neutrale Sphäre wird hier nicht eingegangen.

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