ZEHN JAHRE FAMILIENGERICHTSHILFE

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Hochkonflikthafte Eltern

ALEXANDRA LOIDL*

Im Jahr 2023 blickt die bundesweite Familiengerichtshilfe auf ihr zehnjähriges Bestehen zurück. Anlässlich dieses Jubiläums werden in der iFamZ Beiträge und Erläuterungen Einblick in die einzelnen Aufgaben der Familien- und Jugendgerichtshilfe geben.

Trennungsfamilien mit hochkonflikthaftem Beziehungsgeschehen nehmen einen verhältnismäßig großen Teil der Ressourcen des Justizapparats im Bereich Pflegschaftsrecht in Anspruch. Die Arbeit ist nicht nur zeitlich aufwändig, sondern erfordert auch andere Vorgehensweisen als bei weniger konflikthaften Konstellationen. In diesem Beitrag wird erläutert, was in derartigen Fällen zu beachten ist und wie die Arbeit der Familiengerichtshilfe im Bereich Hochkonflikthaftigkeit aussehen kann.

I.Grundlegendes

* Hochkonflikthaftigkeit ist ein Phänomen, mit dem Fachkräfte im Pflegschaftsrecht eher früher als später in Kontakt kommen. Familien in Hochkonfliktphasen sind anders: Sie fallen durch häufige Kontaktaufnahmen, langjährige durchgehende oder wiederkehrende Befassungen, hohe emotionale Intensität in ihren Vorbringen und durch das Scheitern üblicher Vermittlungs- und Befriedungsversuche auf.

II.Was bedeutet Hochkonflikthaftigkeit?

Etwa fünf bis zehn Prozent der Scheidungs- und Trennungsfamilien nehmen Schätzungen zufolge einen hochkonflikthaften Verlauf, binden jedoch zirka 80 % der Kapazitäten von Institutionen.1 Unter dem Begriff hochkonflikthafte Familien werden jene Eltern subsumiert, deren Konflikte ums Kind nach Trennung und Scheidung über eine längere Zeit hinweg andauern, anwachsen und schließlich außer Kontrolle geraten, mit nicht selten negativen Auswirkungen für die Kinder.2 Dabei handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe. Typische Merkmale der Eltern (zB reduzierte Verträglichkeit, unflexible Denkstrukturen, hohe emotionale Beteiligung an der Elternkommunikation etc) variieren sowohl im Hinblick auf deren Auftreten als auch auf deren Intensität stark.

Der Versuch, den Begriff Hochkonflikthaftigkeit bei Trennung und Scheidung zu definieren, zu klassifizieren und daraus Leitsätze für die Praxis abzuleiten, wird von mehreren Autoren aufgegriffen. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft“ des Deutschen Jugendinstituts werden jene Scheidungs- und Trennungsfamilien als hochkonflikthaft bezeichnet, in denen ein so hohes Konfliktniveau vorliegt, dass „erhebliche Beeinträchtigungen

■ auf den Ebenen des Verhaltens und/oder der Persönlichkeit mindestens eines Elternteils,

*Mag.a Alexandra Loidl ist klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Teamleiterin der Familien- und Jugendgerichtshilfe Wels.

1 Barth/Deixler-Hübner/Jelinek (Hrsg), Handbuch des neuen Kindschafts- und Namensrechts (2013); Dettenborn, Hochkonflikthaftigkeit bei Trennung und Scheidung (Teil 1), Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2013, 231; Dietrich/Paul, Hoch strittige Elternsysteme im Kontext Trennung und Scheidung, in Weber/Schilling (Hrsg), Eskalierte Elternkonflikte2 (2012) 13 (15).

2 Dietrich et al, Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien (2010) 10.

■ der Beziehung zwischen den Eltern untereinander und zwischen ihnen und dem Kind sowie

■ der Nutzung von institutioneller Hilfe zur Klärung der Konfliktsituation vorhanden sind“.3

Bei Hochkonflikthaftigkeit stehen die emotionalen Probleme der Eltern im Vordergrund, die Expartner:innen sind nicht in der Lage oder willens, selbst kleine Konflikte ohne Hilfe des Gerichts zu lösen, die Kinder werden in die Paarkonflikte miteinbezogen, die Beziehung zwischen Elternteil und Kind leidet, die Kinder werden dadurch gefährdet und Versuche, den Konflikt zu beenden, scheitern.4

Hochkonflikthafte Eltern haben häufiger verfestigte Ansichten und Feindbilder, neigen zu Misstrauen, wenig Kooperation und fühlen sich in Konfliktsituationen mit dem/ der ehemaligen Partner:in tendenziell hilflos. Häufig findet sich bei diesen Elternteilen die Selbstwahrnehmung als Opfer, mit einer stark ausgeprägten Tendenz zur Schwarz-WeißMalerei in Bezug auf sich selbst (als den fähigen Elternteil) und den anderen (als den bösen, unfähigen Elternteil). Negative Emotionen wie Wut, Enttäuschung, Trauer und Hass, die trennungsbedingt auftreten, werden weiter im Konflikt mit dem/der Expartner:in ausgetragen und können nicht erfolgreich reguliert werden. Aus diesem Grund fällt es ihnen auch besonders schwer, zwischen Paar- und Elternebene zu unterscheiden (mit dem Ziel, zugunsten der Kinder zu kooperieren). Zudem wird ein besonderes Bemühen um eine positive Selbstdarstellung beobachtet.5

III.Entstehung von Hochkonflikthaftigkeit und Konfliktdynamik

Doch wie entsteht eigentlich hochkonflikthaftes Verhalten?

In der Regel kommt es durch eine Trennung zum Verlust von Perspektiven, was die psychische Stabilität und den Selbstwert negativ beeinflusst und sowohl Ängste als auch psychosomatische Beschwerden begünstigt.6 Bei hochkonflikthaften Verläufen bestehen bei den Paaren zusätzlich Schwierigkeiten, sich emotional voneinander zu lösen. Hinzu kommen bestimmte kognitive Verarbeitungs- und Interpretationsmuster, die die Konflikteskalation begünstigen. Ein Beispiel

3 Dietrich et al, Trennungs- und Scheidungsfamilien, 12.

4 Dietrich/Paul in Weber/Schilling, Eskalierte Elternkonflikte2, 13 (15).

5 Dietrich et al, Trennungs- und Scheidungsfamilien, 13 f.

6 Dietrich/Paul in Weber/Schilling, Eskalierte Elternkonflikte2, 13 (16).

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für ein konfliktbegünstigendes Verarbeitungsmuster ist die Übergeneralisierung, dh das voreilige und übertriebene Schlussfolgern ohne ausreichende Grundlage. Dies kann sich zB darin zeigen, dass ein Elternteil ein einzelnes Fehlverhalten eine/r Expartner:in als Beweis für eine totale Erziehungsunfähigkeit nimmt. Ein anderes Beispiel ist das Katastrophisieren, dh die Neigung, negative Aspekte einer Situation oder mögliche negative Konsequenzen in übertriebenem Maße wahrzunehmen. Konkret kann sich dies zB in der Überzeugung niederschlagen, ein angebliches Fehlverhalten einer Expartnerin/eines Expartners führe zu einer dauerhaften psychischen Schädigung des Kindes.

Zum besseren Verständnis der Konfliktdynamik wurden verschiedene Stufenmodelle entwickelt und weiterentwickelt. Als besonders praktikabel und anerkannt in der Fachliteratur hat sich ua jenes nach Alberstötter.7 erwiesen. Basierend auf einem allgemeinen Modell der Konflikteskalation nach Glasl entwickelte Alberstötter ein auf eskalierte Scheidungskonflikte angepasstes Drei-Stufen-Modell, in dem die Einschätzung der Intensität des Konflikts und der personalen Ausweitung zu einem komplexen Problemsystem ermöglicht werden soll.

In der ersten Stufe (zeitweilig gegeneinander gerichtetes Reden und Tun) wird eine Verhärtung der Positionen der Konfliktparteien sichtbar, allerdings verfügen die Parteien noch über die Hoffnung, dass Spannungen durch Gespräche gelöst werden können. Das Konfliktgeschehen kann sich wieder beruhigen.

In der zweiten Stufe (verletzendes Agieren und Ausweitung des Konfliktfelds) nimmt der Konflikt an Intensität und der Anzahl Beteiligter zu. Andere Personen werden einbezogen, der/die Konfliktpartner:in als unveränderlich böse wahrgenommen, wobei trotz Erhitzung und Ausweitung des Konfliktfelds eine Elternkooperation häufig noch möglich ist. Ab dieser Stufe spricht Alberstötter von Hochkonflikthaftigkeit

Auf Stufe drei (Beziehungskrieg) entwickelt sich ein „Kampf um jeden Preis“, bei dem extreme Gefühle von Verzweiflung und Hass dazu führen, dass einerseits eine Distanzierung vom Konfliktgegner stattfindet (verbal und körperlich) und andererseits ein Bedürfnis nach Rache sowie Destruktion entsteht. Dem/Der Gegner:in werden unmenschliche Züge zugeschrieben, die letztlich auch die psychische, physische und materielle Vernichtung moralisch rechtfertigen. Ein Konflikt wird jetzt ohne Rücksicht auf beteiligte Dritte geführt, Kinder werden häufig als Spielfiguren verwendet. Sie werden aktiv oder passiv im Elternkonflikt instrumentalisiert, mit dem Ziel, die Beziehung zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu zerstören. Die Interessen des Kindes können nicht mehr wahrgenommen werden.

Überschneidungsfeld häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt und Hochstrittigkeit in Elternbeziehungen sind überschneidende Felder. Kindler 8 plädiert dafür, Fälle mit

erheblicher Partnerschaftsgewalt, unabhängig vom Konfliktniveau und von bisherigen Lösungsversuchen, von Fällen mit hochstrittigem Trennungs- und Scheidungsverlauf getrennt zu betrachten, weil der Schutz vor fortgesetzter körperlicher und psychischer Gewalt vorrangig zu behandeln ist. Eine große Herausforderung besteht darin, herauszufiltern, in welchen Fällen berechtigte Anliegen und Sorgen betreffend Gewalthandlungen vorherrschen und in welchen Parteien sich „lediglich“ aufgrund der Konfliktdynamik als Opfer erleben. Dabei kann auch eine Befassung der Familiengerichtshilfe hilfreich sein. Keinesfalls sollte im Zweifel aber der Opferschutz vernachlässigt werden.

Was hilft bei wem? Grundsätzlich gilt, unabhängig davon, wer mit den Parteien arbeitet: Je niedriger die Konfliktstufe, desto weniger Intervention ist nötig. Je höher die Konfliktstufe, desto aktiver, direktiver und strukturierender ist zu arbeiten.

Auf der niedrigsten Eskalationsstufe (Stufe 1 bei Alberstötter) bezieht sich der Konflikt vorwiegend auf die Inhaltsebene. Ein Perspektivenwechsel der Parteien ist noch möglich, Beratung fruchtet. Die Einstellungen der Parteien und die Handlungsebene sind weitgehend unproblematisch, Selbsthilfekräfte zur Konfliktbewältigung sind noch aktiv. Daher ist das vorrangige Ziel die Regelung von Interessengegensätzen durch Moderation der Konfliktparteien. Es kann auf Sachebene vermittelt werden. So können die Eltern zB bei der Vereinbarung eines Kontaktrechts zwischen Elternteil und Kind ihren Blick auf die Bedürfnisse des Kindes lenken und relevante Faktoren berücksichtigen (etwa Alter von Kind, Bindungsbedürfnisse, organisatorische Bedingungen).

Ab der mittleren Konfliktstufe (Stufe 2 bei Alberstötter) weitet sich der Konflikt auf die Beziehungsebene aus. Reine Vermittlung ist nicht ausreichend, eine stärker geleitete Schlichtung des Konflikts wird notwendig. Die Parteien sind auf Fremdhilfe angewiesen. Dabei sind auch hinter den Positionen liegende Einstellungen der Parteien zu berücksichtigen. So könnte zB eine verdeckte Angst, das Kind nach der Trennung ganz zu verlieren, einen Elternteil dabei behindern, bei der Vereinbarung eines Kontaktrechts rational über verschiedene Optionen zu diskutieren.

Auf der höchsten Stufe (ab Stufe 3 bei Alberstötter) wird der Konflikt auch auf der Handlungsebene geführt. Die Positionen der Parteien sind verfestigt, deren Akzeptanz von Interventionen von Fachkräften sinkt. Insb die Bereitschaft zu gemeinsamen Gesprächen mit dem jeweils anderen Elternteil ist vermindert. Viele Interventionen können aufgrund der dysfunktionalen Konfliktbewältigungsstrategien der Parteien immer weniger an der Eskalation ändern. Dettenborn und Walter empfehlen, Interventionen auf der Verhaltensebene zu setzen (einfachere Lernformen wie Verhaltenskonditionierung durch Belohnung oder „Strafe“ oder Vermeiden negativer Folgen).9 Was sich dadurch ändert, ist vorwiegend äußeres Verhalten und weniger die vorhandenen Einstellungen und Bereitschaften. Ein Machteingriff einer dritten Person oder Institution ist notwendig, um das Verhalten der Parteien zu kontrollieren und zu sanktionieren. Die Notwendigkeit, auf Maßnahmen mit Zwangscharakter und Sanktionsdruck zurückzugreifen, steigt (zB Trennung der Parteien, begleitete Kontakte, Androhung von Ordnungs-

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7 Alberstötter, Wenn Eltern Krieg gegeneinander führen, in Weber/Schilling (Hrsg), Eskalierte Elternkonflikte2 (2012) 29. 8 Kindler, Äpfel, Birnen oder Obst? Partnerschaftsgewalt, Hochstrittigkeit und die Frage nach sinnvollen Interventionen, in Walper/Fichtner/Normann (Hrsg), Hochkonflikthafte Trennungsfamilien2 (2013) 111 (124 f). 9 Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie2 (2015) 152.

mitteln, Änderung von Obsorgeregelungen). Das Risiko einer Kindeswohlgefährdung steigt, weshalb eine Zusammenarbeit des Gerichts mit der Kinder- und Jugendhilfe angezeigt sein kann.10

IV.Die Arbeit mit hochkonflikthaften Parteien

Nachdem es sich bei hochkonflikthaften Familien bei Gericht oft um aufwandsintensive „Wiederkehrer:innen“ handelt, deren Konflikte sich nicht dauerhaft lösen lassen, ist auch die Familiengerichtshilfe in weiterer Folge häufig mit ihnen befasst. Das Vorliegen von Hochkonflikthaftigkeit kann einen Unterschied in der Arbeit der Familiengerichtshelfer: innen begründen.

Eine hilfreiche Ausgangslage für die Arbeit der Familiengerichtshelfer:innen sind in jedem Fall zumindest vorläufige Regelungen des Gerichts zu Obsorge und Kontaktrecht. Diese können dabei helfen, dem Kindeswohl abträgliche Faktoren hintanzuhalten. So kann zB durch eine vorläufige Kontaktrechtsregelung einem Kontaktabbruch zu einem Elternteil entgegengewirkt oder durch eine Veränderung der Kontaktregelung (zB vorläufige Besuchsbegleitung) Kinderschutz gewährleistet werden. Zudem schaffen vorläufige Regelungen die Basis für die spätere gründliche Erarbeitung einer langfristigen einvernehmlichen Regelung oder – je nach Produkt11 – für die Überprüfung, woran die festgelegte Regelung scheitert.

Bei mittlerer Konflikthaftigkeit (wobei es sich hierbei laut Alberstötter bereits um Hochkonflikthaftigkeit handelt) kann zum Teil das fachliche Repertoire der Familiengerichtshilfe noch voll ausgeschöpft werden. Alle Produkte können durchgeführt werden, es sind keine methodischen Einschränkungen (zB Verzicht auf gemeinsame Elterngespräche) angezeigt. Allerdings ist eine intensivere Moderation der Parteien nötig. Zudem ist bei Interventionsversuchen das Zielmanagement zu überdenken. Beratungsziele sollten sich im niedrigen, realistischen Bereich befinden, was zB bedeuten würde, dass keine harmonische, kooperative Elternbeziehung das Ergebnis der Befassung sein kann, sondern eine Reduktion feindseliger Interaktionen oder ein Erarbeiten konkreter Lösungen für kleine, konkrete Teilbereiche. Wichtig ist dabei, Vorgaben, Aufträge und Vereinbarungen sowie Ergebniskontrolle genau zu formulieren und auf konkretes Verhalten zu beziehen. ZB ist das Ziel, „mehr Informationen bezüglich des Kindes auszutauschen“ wenig konkret und ungeeignet. Hilfreicher wäre es stattdessen, Kommunikationsmittel und -zeiten festzulegen, zB „der Vater schreibt der Mutter freitags ein SMS mit Informationen zur Hausübung am Wochenende“. Hinsichtlich des Zeitmanagements ist zu beachten, dass eher in langfristigen Zeiträumen gedacht werden muss, weil sich Konflikte systematisch selbst befeuern und wie verfestigte Positionen – oben beschrieben – eine Einstellungsänderung der Parteien erschweren.

Ab dem Vorliegen ausgeprägter Hochkonflikthaftigkeit ist ein Hinwirken auf Einvernehmen nicht mit hinreichen-

der Erfolgswahrscheinlichkeit durchführbar,12 weil die Änderung von Verhaltensbereitschaften und Einstellungen nur bedingt möglich ist. Gemeinsame Gesprächstermine verlaufen durch den gestörten Kommunikationsstil der Parteien meist wenig konstruktiv, können aber zusätzliche Kränkungen und Verhärtungen der Positionen hervorrufen. Eine direkte Kommunikation der Eltern kann daher kontraindiziert sein. Für die Familiengerichtshilfe kann dies bedeuten, dass ein Produktwechsel notwendig ist.

Besuchsmittlungen zur Regelung von Kontakten werden beim Vorliegen ausgeprägter Hochkonflikthaftigkeit wenig erfolgsversprechend sein, weil Parteien eher versuchen, die Termine zur Darstellung ihrer Ansichten zu nutzen, als sich auf eine echte Vermittlungsarbeit einzulassen. Auch die intensive Arbeit im Rahmen eines Clearings zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung kann ungeeignet sein. Stattdessen kann ein Bericht an das Gericht erfolgen.

Sollte das Gericht weitere fachliche Informationen benötigen, kann die Beauftragung einer Fachlichen Stellungnahme hilfreich sein. Zu beachten sind dabei zusätzliche Inhalte, wie zB die Auswirkungen der Hochstrittigkeit auf die Kooperationsfähigkeit der Eltern, auf die psychische Verfassung der Kinder oder auf das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung. Auf Basis der anschließenden Beschlussfassung kann die Einhaltung der beschlossenen Inhalte im Rahmen einer Besuchsmittlung zur Durchsetzung der Kontakte von der Familiengerichtshilfe überprüft werden.

Bei besonders ausgeprägter Hochstrittigkeit ist parallel zur Bearbeitung immer zu beachten, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind. So können zB durch massive Hochstrittigkeit Umgangsfähigkeit und Erziehungsfähigkeit von Eltern vorübergehend eingeschränkt sein und eine vorläufige Aussetzung von Kontaktrecht oder Obsorge notwendig machen.

Wichtig erscheint die Transparenz in der Arbeit den Parteien gegenüber, auch hinsichtlich der Abbruchkriterien für die Bearbeitung (Was muss passieren, damit zB Besuchsmittlung von der Familiengerichtshilfe beendet wird? Was muss passieren, damit ein Gespräch von der Familiengerichtshilfe beendet wird?). Auch ein gut koordiniertes Vorgehen zwischen Familiengerichtshilfe und Gericht erscheint in dieser Konfliktstufe sinnvoll und notwendig.

Eine Bearbeitung hochkonflikthafter Fälle bei der Familiengerichtshilfe birgt aus fachlicher Sicht viele Vorteile. Standardmäßig ist eine Fallreflexion mit einer/einem zweiten Mitarbeiter:in möglich, was dabei hilft, sich vor dem „Konfliktsog“ zu schützen. So kann auch eine Parteilichkeit, die von hochkonflikthaften Parteien offen oder verdeckt eingefordert wird, leichter verhindert werden. Die Einsicht in den Pflegschaftsakt hilft dabei, sich einen neutralen Blick auf den Fallverlauf zu verschaffen und die Konfliktdynamik gut einschätzen zu können. Auch professionelle Außenperspektiven können eingeholt werden, zB von der Kinder- und Jugendhilfe oder von Betreuungseinrichtungen von Kindern. Durch die Berichtspflicht der Familiengerichtshilfe an das Gericht werden die erhobenen Informationen dokumentiert

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10 Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie2, 153 ff. 11 Zu den Produkten der Familiengerichtshilfe s „Standards der Familiengerichtshilfe – Handbuch“, iFamZ 2016, 50. 12 Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie2, 151.

und ist eine enge Abstimmung mit Entscheidungsträgern möglich.

V.Fazit

Die professionelle Arbeit mit hochkonflikthaften Familien ist besonders fordernd. Eine angepasste Vorgehensweise bei Gericht und bei der Familiengerichtshilfe kann dabei helfen,

wenig erfolgversprechende Maßnahmen einzudämmen und sowohl den Kindern als auch den Parteien verletzendes Konfliktgeschehen zu ersparen. Nicht zuletzt ist die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen allen Fachkräften, die mit hochkonflikthaften Familien befasst sind, zu nennen. Sie hilft nicht nur den Fachkräften selbst, sondern resultiert in noch qualitätsvollerer Arbeit, von der letztlich auch die Kinder profitieren.

Die Auswirkungen von Hochkonflikthaftigkeit auf das Erleben von Kindern

MICHAELA GRUBER / ELKE MIESENBÖCK*

Im Jahr 2023 blickt die bundesweite Familiengerichtshilfe auf ihr zehnjähriges Bestehen zurück. Anlässlich dieses Jubiläums werden in der iFamZ Beiträge und Erläuterungen Einblick in die einzelnen Aufgaben der Familien- und Jugendgerichtshilfe geben.

Hochkonflikthafte Trennungsfamilien nehmen im Arbeitsalltag jener Einrichtungen, die im familienrechtlichen Bereich tätig sind, einen besonderen Stellenwert ein. Sie beanspruchen viele Ressourcen, und oftmals stellt sich die Frage, ob das Agieren der Eltern nicht bereits die Grenze zur Kindeswohlgefährdung überschritten hat. In diesem Beitrag wird versucht, diese spezielle Problematik zu charakterisieren und dabei der Fokus auf das Erleben der Kinder sowie die Auswirkungen von Hochstrittigkeit auf die kindlichen Entwicklungsbedingungen gerichtet. Zudem wird beleuchten, wann eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.

I.Was bedeutet Hochkonflikthaftigkeit?

* Hochkonflikthaftigkeit wird insofern definiert, als diese „ein so hohes Konfliktniveau meint, dass Beeinträchtigungen auf den Ebenen des Verhaltens und/oder der Persönlichkeit mindestens eines Elternteils, der Beziehung zwischen den Eltern untereinander und der Elternteile mit dem Kind sowie der Nutzung von institutioneller Hilfe zur Klärung der Konflikte so erheblich sind, dass eine Reduktion der Konflikte zur Klärung von Alltagsfragen mit herkömmlichen rechtlichen und/ oder beraterischen Hilfen nicht angemessen möglich erscheint und eine erhebliche Belastung der Kinder wahrscheinlich ist.“1 Die folgende Fallgeschichte2 veranschaulicht eine derartige Entwicklung

Fallbeispiel 1

Zum Zeitpunkt der Scheidung im Jahr 2014 war Jonas 5,5 Jahre alt. Die Eltern vereinbarten die Obsorge beider Eltern und ein 14-tägliches Kontaktrecht. In den folgenden drei Jahren stellte der Vater immer wieder Anträge auf Ausweitung der Kontakte, die im Rahmen von Tagsatzungen einvernehmlich gelöst werden könnten.

2017 stellte der Vater einen Antrag auf Festlegung des Hauptaufenthalts bei ihm, wogegen sich die Mutter aussprach. Jonas war zu diesem Zeitpunkt acht Jahre alt. Der Vater gab an,

*Mag.a Michaela Gruber ist klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Teamleiterin, DSAin Elke Miesenböck Sozialarbeiterin und stellvertretende Teamleiterin der Familien- und Jugendgerichtshilfe Bruck an der Mur.

1 Fichtner, Trennungsfamilien – lösungsorientierte Begutachtung und gerichtsnahe Beratung (2015) 65.

2 Die Namen aller Beteiligten und spezifische Details wurden aus Datenschutzgründen in allen Fallbeispielen verändert.

dem Wunsch des Kindes nachzukommen, die Mutter sah darin die Beeinflussung des Vaters. Im Rahmen eines Clearings einigten sich die Eltern auf die Beibehaltung des Hauptaufenthalts bei der Mutter und auf eine Ausweitung der Kontakte.

Ab Jänner 2020, Jonas war elf Jahre alt, wurde von beiden Elternteilen in rascher Abfolge eine Vielzahl von wechselseitigen Anträgen gestellt, die für Jonas die Folge hatten, dass er seinen Vater wenig bis gar nicht mehr sah. Er begehrte dagegen auf, woraufhin seine Mutter psychische Auffälligkeiten an ihm zu erkennen meinte und ihm Psychotherapie zur Seite stellte. Jonas hatte Termine bei Gericht, der Familiengerichtshilfe und bei einem Gutachter zu absolvieren. Er gab an, seinen Vater häufig sehen zu wollen. Diese Termine in Folge von verschiedensten Anträgen hielten bis Herbst 2021 an. In dieser Zeit veränderte sich auch Jonas‘ Haltung, er gab nach und nach an, seinen Vater weniger, schließlich gar nicht mehr sehen zu wollen.

Im Oktober 2021 erging aufgrund der Weigerung von Jonas, seinen Vater sehen zu wollen, der Beschluss hinsichtlich der Aussetzung der Kontakte. Jonas war 12,5 Jahre alt.

Das vorliegende Beispiel zeigt, wie sich die Dynamik in hochstrittigen Familien zuspitzen kann und wie die Kinder darauf reagieren können. Mehr und mehr Anträge werden gestellt, unterschiedliche Institutionen werden mit dem Fall betraut und die Kinder werden von verschiedenen Personen und Institutionen zu ihrer Situation befragt. Es werden, neben den Kindern, Personen aus dem sozialen Umfeld einbezogen, wodurch sich der Konflikt ausweitet. Gängige Beratungs- und Interventionskonzepte zeigen oftmals keine Wirkung.

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II.Welche Belastungen ergeben sich für die Kinder?

Kinder reagieren in unterschiedlicher Art und Weise auf diese Flut von Einflüssen. Die Reaktionen können zB von Regression über Einnässen oder Schulschwierigkeiten bis hin zu Überangepasstheit reichen. Nicht selten sind wie im angeführten Fallbeispiel Kontaktabbrüche die Folge. Es gilt jedoch zu beachten, dass nach einer Trennung der Eltern immer Reaktionen der Kinder zu erwarten sind, weil diese damit ihrem Erleben und ihrer Trauer Ausdruck verleihen, zumal die elterliche Trennung auch für die Kinder eine Krise darstellt, Veränderungen mit sich bringt und eine Neuorientierung und damit oft viele Anpassungsleistungen von den Kindern erfordert. Hier kann es als gesund angesehen werden, dass Kinder darauf reagieren und damit zeigen, dass es ihnen schlecht geht und es nötig ist, dass sich jemand um sie kümmert. Nicht übersehen werden sollten allerdings jene Kinder, die scheinbar keine Reaktionen auf die elterliche Trennung zeigen, da hier die Gefahr besteht, dass sich, zB durch unterdrückte Konflikte oder Abwehr, Belastungen nach innen richten bzw bestehen bleiben.

Während die oben beschriebenen Auswirkungen vorübergehende Reaktionen der Kinder auf das Erlebnis der elterlichen Trennung darstellen, können im Fall von Hochstrittigkeit gravierende Belastungen für die Kinder hinzukommen, die sich durch den persistierenden elterlichen Konflikt ergeben. Sie nehmen die Belastungen und das Unglück ihrer Eltern wahr, blicken unsicher in ihre Zukunft, häufig entstehen Ängste und sie fühlen sich alleine gelassen.

Fachleute sind sich einig, dass ein anhaltender Elternkonflikt den vermutlich schädlichsten Wirkfaktor für Kinder nach der elterlichen Trennung oder Scheidung darstellt.3 Wann überschreitet jedoch die Belastung der Kinder durch den elterlichen Konflikt die Grenze zur Kindeswohlgefährdung?

III.Was bedeutet Kindeswohl bzw Kindeswohlgefährdung?

Zur Erörterung dieser Fragestellung sei ausgeführt, dass es sich beim Begriff des Kindeswohls bzw der Kindeswohlgefährdung um einen mehrdimensionalen Begriff handelt, der sowohl psychosoziale als auch rechtliche Aspekte beinhaltet bzw berücksichtigt. Definiert sind einerseits die Voraussetzungen, unter denen ein Kind unversehrt aufwachsen und sich optimal entfalten kann, andererseits wird aufgezeigt, wann ein Eingriff von Seiten des Staates notwendig ist.4 In Österreich wurde versucht, das Kindeswohl in § 138 ABGB in zwölf Punkten zu definieren. Die Vielzahl von Kategorien zeigt, dass es mitunter schwierig ist, festzumachen, ab wann man dezidiert davon sprechen kann, dass ein Umstand oder ein Verhalten das Kindeswohl gefährdet. Hochstrittigkeit wird hier nicht als eigene diagnostische Kategorie angeführt, jedoch wirkt sich diese in mehreren der zwölf genannten Bereiche aus. Ist die Familien- und Jugendgerichtshilfe mit einer

fachlichen Stellungnahme beauftragt, werden alle zwölf Kriterien in den Blick genommen.

IV.Wie wirkt sich Hochkonflikthaftigkeit auf Kinder aus?

Die Folgen können vielfältig sein. Nicht enden wollende Konflikte zwischen den Eltern stellen massive Belastungen für ein Kind dar, besonders dann, wenn Konflikte offen ausgetragen werden. Kinder fühlen sich diesen hilflos ausgesetzt und zwischen den Eltern zerrissen. Aufgrund noch nicht entsprechend ausgebildeter Bewältigungsmechanismen, der grundlegenden kindlichen Tendenz, sich „schuldig“ zu fühlen sowie dem speziellen Naheverhältnis zu den Eltern, geraten Kinder nahezu unweigerlich in – oft unlösbare – Ambivalenzen, Loyalitätskonflikte und andere Problemlagen

Der persistierende Konflikt beansprucht die emotionalen Ressourcen aller Beteiligten. So kommt es nicht selten vor, dass Eltern nicht mehr dazu in der Lage sind, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen, geschweige denn, diese von den eigenen zu trennen und die tatsächliche Belastung ihrer Kinder einzuschätzen. Vielmehr steht die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen im Vordergrund bzw wird dies mit Erfordernissen des Kindeswohls begründet. Mitunter kommt es dazu, dass ein Elternteil aufgrund der eigenen Erlebnisse und Wahrnehmungen davon überzeugt ist, dass das Kind dem anderen Elternteil gegenüber ebenso zu empfinden hat, wie es selbst. Es kommt zu Koalitionsdruck, oftmals auch zur Parentifizierung. Kinder nehmen ihren Eltern gegenüber eine beschützende, aber auch regulierende Funktion ein, wodurch es zu einer Rollenumkehr kommt. Dies wiederum übersteigt die Fähigkeiten eines Kindes, Überforderung auf emotionaler Ebene ist die Folge.

Die Eltern sind mitunter so stark mit ihrem Konflikt beschäftigt, dass sie aus den Augen verlieren, dass Kinder besonders in solch belastenden Situationen Orientierung und Halt von Erwachsenen brauchen, häufig jedoch Gegenteiliges erleben. Im Idealfall zeichnet sich positives Erziehungsverhalten durch feinfühlige elterliche Zuwendung aus, was Kindern Sicherheit vermittelt. Im Fall von hochstrittigen Familienkonstellationen sinkt jedoch die elterliche Zuwendung, die Ressourcen für kindorientierte Erziehung werden geschwächt. Ebenso fließen unweigerlich vorhandene negative Emotionen in die Interaktion mit den Kindern ein.

Anhaltender Streit bedroht jedenfalls die emotionale Sicherheit von Kindern. Die scheinbare Unversöhnlichkeit der Eltern aktiviert Trennungs- und Verlustängste beim Kind. Das Erleben, dass aus einer ehemals geliebten Person, die ein Teil der engsten Bindungspersonen eines Kindes ist, eine dämonisierte Person wird, dies aus Gründen, die für ein Kind nicht verständlich sind, muss jedenfalls zu emotionalen Verunsicherungen führen. Es kann einem Kind signalisieren, dass es bei Fehlverhalten ebenfalls abgelehnt werden könnte. Daraus resultiert eine Angst vor dem Verlassenwerden und das Kind wird sich darum bemühen, dem verbliebenen Elternteil seine Loyalität zu beweisen.

Wird die emotionale Sicherheit von Kindern, die im Übrigen ein Grundbedürfnis darstellt, in ihrem Familiengefüge

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3 Staub, Das Wohl des Kindes bei Trennung und Scheidung (2018) 33. 4 Neudecker, Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung, in Familien- und Jugendgerichtshilfe, Bundesweite Grundeinschulung (2021) 5 f.

bedroht, so kann sich dies in einem erhöhten Ausmaß von Angst und einer erhöhten physiologischen Erregbarkeit zeigen, die die emotionale Überforderung eines Kindes abbilden. Durch die langanhaltende Dauer der Elternkonflikte, einhergehend mit dem bereits erwähnten Koalitionsdruck und der emotionalen Verunsicherung, kann sehr häufig eine zunehmende Verschlechterung der Beziehung der Kinder zum getrennt lebenden Elternteil beobachtet werden. Die gängige Fachliteratur zu diesem Thema weist darauf hin, dass das Kind mangels Handlungsalternativen und zum eigenen Schutz schließlich oftmals einen Kontaktabbruch seinerseits herbeiführt. So führt zB Behrend an, dass ein solches Verhalten „dem Entwicklungsbedarf und eigentlichen Interesse des Kindes klar zuwiderläuft. Es ist Ausdruck schwerwiegender psychischer Belastung, weil die Trennung das Kind zur Preisgabe seiner existentiell wichtigen Bindung an einen geliebten Elternteil führt.“5 Der Kontaktabbruch wirkt mitunter plötzlich und unverständlich, resultiert aber aus den vorangehenden Belastungen, wobei aufgrund von häufigen Befragungen des Kindes durch verschiedene Professionist: innen, (familiären) Einflüssen oder wahrgenommenen Enttäuschungen weitere Belastungen hinzukommen. Ein Kontaktabbruch erscheint hier oftmals für das Kind als geringeres Übel, läuft jedoch seinen Bedürfnissen, wie sie auch im Rahmen der Kindeswohlkriterien unter § 138 ABGB definiert sind, zuwider. In diesem Zusammenhang sei aufgezeigt, dass der Kontaktabbruch bzw die Kontaktverweigerung ein Phänomen darstellt, das nur im Kontext von Scheidungskonflikten und -reaktionen zu finden ist.6

Da das Kind permanent damit beschäftigt ist, das Verhalten und den Konflikt seiner Eltern im Auge zu behalten und möglicherweise kalmierend auf diese einzuwirken, kann es sich nicht auf seine eigenen Bedürfnisse konzentrieren, woraus dysfunktionale Anpassungsstrategien resultieren können. Kurzfristig zeigt sich dies zB in Form von Schwierigkeiten in der Schule oder regressiven Tendenzen. Langfristige Folgen zeigen sich in Problemen der Gestaltung sozialer Beziehungen, einem erhöhten Trennungsrisiko bei späteren eigenen Beziehungen, in verminderter Stressresistenz und Affektregulation.7

Eine weitere Auswirkung persistierender Elternkonflikte kann sich insofern zeigen, als es für befasste Fachkräfte oft schwierig ist, aus den Aussagen der Kinder Rückschlüsse auf deren tatsächliche Bedürfnisse zu ziehen, weil sich die Kinder ausschließlich an den Bedürfnissen der Eltern orientieren (müssen) und ihre eigenen Gefühle im Zusammenleben mit hochkonflikthaften Eltern nicht mehr wahrnehmen und ausdrücken können. Des Weiteren führt die erlebte Hilflosigkeit dazu, dass das Erleben von Selbstwirksamkeit bei den betroffenen Kindern beeinträchtigt ist, was zusätzlich Defizite in der Identitätsentwicklung zur Folge haben kann. Aus diesen Gründen muss von Fachkräften beachtet werden, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit keine unbeeinflusste Willensäußerung vorliegt. So ist in der Praxis häufig zu beobachten,

5 Behrend, Kindliche Kontaktverweigerung nach Trennung der Eltern aus psychologischer Sicht (2009) 180.

6 Behrend, Kindliche Kontaktverweigerung, 51.

7 Walper/Fichtner, Zwischen den Fronten – Psychosoziale Auswirkungen von Elternkonflikten auf Kinder, in Walper/Fichtner/Normann (Hrsg), Hochkonflikthafte Trennungsfamilien2 (2013) 91 (97).

dass Kinder ihren Eltern jeweils genau das erzählen, von dem sie glauben, dass diese es hören möchten, und dies auch in Gesprächen mit Fachkräften tun. Fthenakis und Walbiner beschreiben in diesem Zusammenhang, dass der Kindeswille im Fall von Hochstrittigkeit aus ungesunder Identifikation mit einem Elternteil resultieren kann, die wiederum die emotionale Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst. Andere Kinder hingegen übernehmen Verantwortung für den aus ihrer Sicht bedürftigeren Elternteil und verbünden sich mit diesem.8

Es zeigt sich, dass die Auswirkungen von Hochkonflikthaftigkeit auf Kinder äußerst vielfältig und weitreichend sind sowie mehrere der unter § 138 ABGB gelisteten Kindeswohlkriterien berühren. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kinder, die über einen langen Zeitraum feindseligen Elternkonflikten ausgesetzt sind, eine gravierende Symptomatik aufweisen können, die auch als Strategie dient, sich dem elterlichen Konfliktfeld zu entziehen, jedoch immense Schädigungen nach sich ziehen kann. Die Auswirkungen von Hochkonflikthaftigkeit auf Kinder umfassen das gesamte Spektrum psychischer Störungen des Kindesalters und betreffen sowohl externalisierendes als auch internalisierendes Problemverhalten.9 Nach Walper sind die Belastungen vergleichbar mit jenen bei Vernachlässigung oder Misshandlung.10

Damit in Zusammenhang steht, dass eskalierte Konflikte die Qualität des elterlichen Erziehungsverhaltens beeinträchtigen und bei den Eltern zu verminderter Erziehungsfähigkeit führen. In weiterer Folge wird die Beziehung und/ oder die Beziehungsqualität zu beiden Elternteilen beeinträchtigt.11 Hinzu kommt, dass hochkonflikthafte Eltern oftmals keine Hilfen für das Kind akzeptieren. Nicht alle Eltern sind – wenn auch nicht vorsätzlich – bereit oder in der Lage, an der Situation etwas zu ändern (wie auch bei anderen Gefährdungs-Settings).

Somit gehen eskalierte Konflikte mit einer verringerten Fähigkeit der Eltern einher, insgesamt kindeswohldienliche Bedingungen zu schaffen. Hochstrittige Elternkonflikte stellen eine bedeutsame Risikosituation für Kinder dar. Daraus ergibt sich, dass in allen betroffenen Fällen, ein Hilfebedarf gegeben ist.

V.Wann wird die Schwelle zur Kindeswohlgefährdung überschritten?

„Die Gefährdungsschwelle ist erreicht bzw. wurde überschritten, wenn in hochkonflikthaften Familien summarisch vier Gefährdungskriterien vorliegen:

1.Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des hauptsächlich betreuenden Elternteils oder beider Elternteile aufgrund der kognitiven Verengung auf den Elternkonflikt,

8 Fthenakis, Die Familie nach der Familie (2008) 104.

9 Staub, Wohl des Kindes, 36; Fichtner, Trennungsfamilien, 69; Walper/Langmeyer, Belastungs- und Unterstützungsfaktoren für die Entwicklung von Kindern in Trennungsfamilien, in Volbert/Huber/Jacob/Kannegießer (Hrsg), Empirische Grundlagen der familienrechtlichen Begutachtung (2019) 13.

10 Walper/Langmeyer in Volbert/Huber/Jacob/Kannegießer, Empirische Grundlagen, 13 (24).

11 Walper/Fichtner in Walper/Fichtner/Normann, Hochkonflikthafte Trennungsfamilien2, 91.

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2.behandlungsbedürftige Belastungssymptomatik des Kindes, 3.eingeschränkte Bewältigung altersentsprechender Entwicklungsaufgaben und 4.Fehlentwicklung in der Eltern-Kind-Beziehung.“12

Des Weiteren ist nach Kindler.13 der Kipppunkt zur Kindeswohlgefährdung überschritten, wenn gerichtliche Maßnahmen (zB Kontaktregelung oder Änderung des Hauptaufenthalts) nicht ausreichend erscheinen und eine Herausnahme des Kindes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verbesserung der Situation für das Kind führen würde. Eine deutliche Mehrheit hochkonflikthafter Familien bewegt sich allerdings unterhalb dieser Schwelle, ab der eine Kindeswohlgefährdung abgeklärt werden muss. Eine pauschale Beantwortung der Fragestellung ist nicht möglich, es ist immer die Prüfung des Einzelfalls erforderlich.14

Das folgende Fallbeispiel zeigt eine Situation auf, in der die Grenze zur Kindeswohlgefährdung überschritten wurde.

Fallbeispiel 2

Bei der Scheidung der Eltern im Jahr 2013 waren David vier und Thomas zwei Jahre alt. Im Scheidungsvergleich wurden die Obsorge beider Eltern und ein 14-tägliches Kontaktrecht von Samstag auf Sonntag festgelegt. Kurz nach der Scheidung wurden der Mutter vom Vater mehrere Male die Autoreifen zerstochen, was die Kinder mitbekamen. Es kam zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Vaters. In weiterer Folge kam es zu verschiedenen wechselseitigen Anträgen und Anzeigen bei der Polizei sowie zu mehreren Kontaktabbrüchen zwischen den Kindern und dem Vater.

Im Zuge diverser Gespräche bei verschiedenen professionellen Einrichtungen äußerten die Kinder immer wieder den Wunsch nach Kontakt zum Vater, infolge der zerstochenen Reifen aber auch nach wie vor Ängste um die Mutter. Bei David wurde im Jahr 2019 eine hyperkinetische Störung diagnostiziert. Der Vater lehnte die vorgeschlagenen Behandlungen (medikamentös und psychotherapeutisch) ab. Die Mutter verweigerte im Gegenzug jeglichen Austausch mit dem Vater und bezeichnete diesen den Kindern gegenüber als Dämon.

Im Herbst 2021 begannen sich bei Thomas Auffälligkeiten zu zeigen, die sich in Zwangshandlungen manifestierten. Nach mehreren Monaten ambulanter psychotherapeutischer und fachärztlicher Begleitung kam es im Sommer 2022 zu einem achtwöchigen Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die dort gestellte Diagnose lautet auf Achse I: Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten bei anhaltender Belastung durch hochstrittige Eltern.

David wollte seinen Vater mittlerweile nicht mehr sehen, Thomas äußerte noch immer den Wunsch nach Kontakt.

Während im ersten Fallbeispiel noch keine klinisch relevanten Auffälligkeiten des Kindes festgestellt werden konnten, zeigt sich hier bereits eine massive Belastungssymptomatik. Es wird deutlich, wie verhärtet die Fronten zwischen den Eltern sein können. Auch wenn beide Eltern kognitiv nachvollziehen konnten, dass der vorherrschende Konflikt und die offene Austragung Thomas so sehr schädigten, dass eine mehrwöchige stationäre Behandlung notwendig wurde, gelang es ihnen dennoch nicht, aus der Konfliktdynamik auszusteigen.

Bei jeglichem professionellen Angebot hat zumindest eine Partei den Eindruck, zu sehr nachgeben zu müssen und dadurch das Gesicht zu verlieren – und für Thomas spitzt sich die Situation weiterhin zu.

VI.Fazit

Es konnte aufgezeigt werden, dass viele unterschiedliche Faktoren in ihrem Zusammenwirken dafür verantwortlich sind, was Hochstrittigkeit bei einem Kind bewirkt. In der Praxis ist es jedenfalls notwendig, umfassende Erhebungen hinsichtlich des kindlichen Belastungsniveaus vorzunehmen, die sich allerdings nicht auf den Elternkonflikt alleine beschränken, sondern seine gesamte Lebenssituation und mögliche weitere Stressfaktoren umfassen sollten, um die spezifische Gefährdung abschätzen und auch konkrete und angepasste Unterstützungsmaßnahmen (zB Einsatz von ambulanten Hilfsdiensten, therapeutische Unterstützungen, Beauftragung eines Kinderbeistands etc) empfehlen zu können. Dies kann zB in Form einer fachlichen Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe passieren, wobei diese im Rahmen ihrer Befassung keine klinischen Diagnosen stellt.

In der Arbeit mit hochstrittigen Familienkonstellationen ist somit ein Augenmerk darauf zu richten, wie Kinder in diesem Kontext geschützt und Eltern zur Inanspruchnahme professioneller Unterstützung motiviert werden können, um den Fokus wieder auf die Bedürfnisse ihrer Kinder richten zu können. Dies bedeutet auch, dass nicht mehr die von den Eltern gestellten Anträge, sondern der Schutz des Kindes in den Vordergrund gerückt werden sollte. Das Verhalten der Eltern wird als Risiko für das Kind bewertet, der Blickwinkel des Kindes wird in den Mittelpunkt gestellt. Bei anhaltender Hochkonflikthaftigkeit erscheint somit eine reine Elternberatung nicht ausreichend, sondern es bedarf spezieller Interventionskonzepte zur intensiven Arbeit mit den Eltern, zudem müssen diese auch Unterstützungsmaßnahmen für die Kinder enthalten. Dabei sollte in zeitlichen Abständen überprüft werden, ob durch die gesetzten Maßnahmen eine Verbesserung für das Kind herbeigeführt werden konnte und ob diese zur Sicherung des Kindeswohls geführt haben. Sind bei den betroffenen Kindern massive Schädigungen festzustellen, die auf den Elternkonflikt zurückzuführen sind, sind die Eltern nicht willens und/oder in der Lage, diesen entgegenzuwirken und haben gerichtliche Interventionen (wie Abänderungen bei Obsorge- oder Kontaktregelungen) nicht zu einer Verbesserung geführt, kann auch im Kontext von Hochkonflikthaftigkeit, so wie bei anderen Formen von Kindeswohlgefährdung, abzuwägen sein, ob ein Eingriff von außen im Sinne einer (vorübergehenden) Fremdunterbringung zum Schutz und zur Entlastung des Kindes erforderlich ist.

Im Fall von Hochstrittigkeit prasselt eine Vielzahl von Faktoren auf die betroffenen Kinder ein, die sich negativ auf deren Lebenssituation auswirken. Aus fachlicher Sicht erscheint es unabdingbar, den Fokus im Umgang mit hochstrittigen Familien auf das Erleben der Kinder zu lenken und dementsprechend in multiprofessioneller Zusammenarbeit Konzepte zu entwickeln, die zu deren Entlastung beitragen und deren Situation verbessern.

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12 Dietrich/Fichtner/Halatcheva/Sandner, Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungsund Scheidungsfamilien (2010) 32. 13 Kindler, Kinderschutz im BGB, FPR – Familie, Partnerschaft, Recht 2012, 422. 14 Dietrich/Fichtner/Halatcheva/Sandner, Trennungs- und Scheidungsfamilien, 32.

Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Besuchsmittlung

CLAUDIA WEISS*

Im Jahr 2023 blickt die bundesweite Familiengerichtshilfe auf ihr zehnjähriges Bestehen zurück. Anlässlich dieses Jubiläums werden in der iFamZ Beiträge und Erläuterungen Einblick in die einzelnen Aufgaben der Familien- und Jugendgerichtshilfe geben.

In diesem Beitrag wird den Fragen nachgegangen, was eine Besuchsmittlung können soll, was eine solche tatsächlich kann und woran sie scheitert.

I.Was ist Besuchsmittlung?

* In Verfahren zur Regelung oder Durchsetzung des Rechts auf persönliche Kontakte kann die Familiengerichtshilfe als Besuchsmittlerin eingesetzt werden (§ 106b AußStrG). Dies geschieht nicht auf Antrag der Parteien, sondern ausschließlich durch Gerichtsbeschluss. Grundsätzlich kann eine Besuchsmittlung fünf Monate dauern; bei Bedarf kann sie allerdings verlängert werden, wobei die Verlängerung Gerichtsgebühren von derzeit 236 € pro Elternteil auslöst.

Ziel jeder Besuchsmittlung ist es, jene Konfliktpunkte, die zur Störung der Kontakte geführt haben, herauszuarbeiten, Kontakte zwischen Kindern und deren getrennt lebenden Elternteilen zu planen, anzubahnen, zu unterstützen und in weiterer Folge ins Laufen zu bringen. Außerdem wird an einer konstruktiven Elternkommunikation und Kooperation gearbeitet, sodass die Eltern nach dem Ende der Besuchsmittlung (wieder) in der Lage sind, diese Aufgaben selbständig wahrzunehmen.

Je nachdem, ob die Besuchsmittlung zur Regelung der Kontakte oder zur Durchsetzung installiert wurde, wird der Fokus mehr auf der Erarbeitung eines für alle Beteiligten passenden und lebbaren Kontaktrechts liegen oder aber darauf, dass das bereits bestehende Kontaktrecht tatsächlich zur Umsetzung gelangt.1

II.Möglichkeiten der Besuchsmittlung

Da die Bearbeitung dieses Auftrags zahlreicher Instrumente bedarf, sind dafür verschiedene Wege und Herangehensweisen möglich, wobei manchmal durchaus Kreativität und Fantasie gefragt sind.

Folgende Instrumente können eingesetzt werden:

■ Gespräche mit den Eltern, einzeln und als Elterngespräche;

■ neutrale Außensicht auf die Situation;

■ Deeskalation des Elternkonflikts durch Triangulierung;2

■ Bewusstseinsbildung, Beratung und Aufklärung über die Auswirkungen der elterlichen Handlungsweisen für das Kind; Psychoedukation;

■ Beobachtung von Übergaben mit nachfolgender Reflexionsmöglichkeit;

1 Vgl Erhart/Wohlfarter, Besuchsmittlung in Kontaktrechtsverfahren, iFamZ 2016, 194; Erhart/Raffelsberger, Praxishandbuch Kinder- und Jugendschutz (2018) Kap2.11.

2 Triangulierung bedeutet, dass eine dritte Perspektive eingebracht und damit der Diskussionsraum dreidimensional wird.

■ Beobachtung von Kontakten bzw Verhaltensbeobachtung mit nachfolgender Reflexionsmöglichkeit;

■ direktes Einwirken durch die nachgehende Arbeit bei zB Übergaben oder Hausbesuchen;

■ Gespräch mit dem Kind: Dieses erfährt Unterstützung, wird gehört, ernst genommen und berücksichtigt;

■ notwendige Erhebungen im Umfeld (zB Schule, Kindergarten etc);

■ Fokus auf das Kind sowie dessen Gefühle und Wahrnehmungen;

■ Erstellung von (Stufen-)Plänen und Erprobung von Kontakten während des mehrmonatigen Verlaufs;

■ praktische Anleitung für Elternkommunikationsstrategien und einen respektvollen Umgang;

■ Kontrollfunktion bezüglich der Einhaltung von Vereinbarungen.

III.Chancen der Besuchsmittlung

Aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten innerhalb des Auftrags eröffnen sich viele Chancen für die Parteien, eine grundlegende oder wenigstens teilweise Änderung und somit Verbesserung der belastenden Ausgangssituation zu erreichen. Durch die sehr intensive und nachgehende monatelange Arbeit mit den Eltern findet durchaus auch Beziehungsarbeit statt, im Rahmen derer im Idealfall ein Vertrauen entsteht, durch das sich die Eltern möglicherweise auf Entwicklungsprozesse einlassen können.

In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass durch die neutrale und professionelle Mitwirkung der Besuchsmittler:innen Entlastung und Beruhigung eintreten kann, wenn der betreuende Elternteil diverse Ängste und Sorgen iZm den Kontakten hat, indem zB Kontakte beobachtet werden oder im Vorfeld mittels Hausbesuchs die Eignung des Wohnumfelds für einen Kinderbesuch festgestellt werden kann.

Da viele Eltern schon längere Zeit mit ihrem Konflikt beschäftigt sind, ist oftmals Mut- und Hoffnungslosigkeit zu beobachten. Wenn es in der Besuchsmittlung gelingt, durch motivierende Haltung die Eltern zu einem Neuanfang zu bewegen, kann mitunter ein Herausführen der Beteiligten aus der Problemtrance und ein Hinführen zur Lösungstrance gelingen. Manche Eltern können sich nur noch schwer vorstellen, dass sich die bestehenden Probleme tatsächlich lösen lassen und sind verwundert, was sich alles verändert, wenn das gelungen ist.

Weiters kann der Rahmen der Besuchsmittlung als Übungsfeld genützt werden, um neue Kontaktrechtsmo-

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*Dr.in Claudia Weiss ist Mitarbeiterin der Familien- und Jugendgerichtshilfe Salzburg.

delle auszuprobieren und diese im Rahmen der Elterngespräche weiterzuentwickeln, festzulegen oder – wenn sich das Modell doch nicht bewährt hat – wieder zurückzunehmen. Es können erste Anbahnungskontakte (entweder nach längerer Unterbrechung oder wenn es noch nie Kontakte gegeben hat) geplant, gestaltet und ausprobiert werden, wobei sich der neutrale Boden, die Anwesenheit der Mitarbeiter: innen und die nachfolgende Reflexion sehr unterstützend auswirken.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Lerneffekt, durch den bei den Eltern ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie sie ihre Kooperation und Kommunikation besser gestalten können. Dabei besteht die Chance, dass die Eltern jene Gesprächsregeln verinnerlichen und auch weiterhin umsetzen, auf die sie im Verlauf der Besuchsmittlung hingewiesen wurden. Es wird mit ihnen erarbeitet, wie Übergaben idealerweise ablaufen und wie Kontakte verlaufen sollten, damit sich das Kind unbelastet und stressfrei zwischen ihnen bewegen kann. Aufgrund der monatelangen Dauer der Besuchsmittlung kann das erwünschte und dem Kindeswohl entsprechende Verhalten lange genug geübt werden, um es als ständige Verhaltensweise zu verinnerlichen. Eltern können von der Besuchsmittlung profitieren, indem sie sich der eigenen Befindlichkeiten bewusstwerden und diese hintanstellen, damit die Bedürfnisse des Kindes an die erste Stelle rücken können. Sensibilität und Empathie dem Kind gegenüber werden geschärft und gefördert, wenn im Verlauf der Besuchsmittlung immer wieder thematisiert wird, wie sich das Kind fühlt.

Zudem lässt sich in den fünf Monaten der Besuchsmittlung echtes Interesse am Kind von vorgeschobenem Interesse unterscheiden, und die Zuverlässigkeit des besuchenden Elternteils wird im Interesse des Kindes überprüft.

Gespräche mit dem Kind haben in erster Linie ein Kennenlernen zum Ziel, aber auch das Hören und Ernstnehmen der kindlichen Sichtweise sowie die Aufklärung und Entlastung. Entlastung kann erfolgen, indem dem Kind erklärt wird, dass sich die Eltern bemühen, an einer für alle Beteiligten guten Lösung zu arbeiten, und dass das Kind keine Schuld am Elternstreit hat.

IV.Grenzen der Besuchsmittlung

Bei vielen Besuchsmittlungen ist es trotz größter professioneller Bemühungen nicht möglich, eine Umkehr zu erreichen. Letztlich müssen die Eltern selbst wollen, dass sich etwas ändert – und sie müssen es selbst tun.

Wenn Väter oder Mütter die Kampfebene nicht verlassen können, weil die Konflikte schon zu lange anhalten und so intensiv sind, dass andere Optionen als Kampf gar nicht mehr in Betracht gezogen werden können, bleiben die sinn-

vollsten Interventionen mitunter wirkungslos. In diesen Fällen der Hochstrittigkeit kann man als Besuchmittler:in mitunter nur auf die negativen Folgen und gefährdenden Auswirkungen der elterlichen Unversöhnlichkeit auf das Kind hinweisen und hoffen, dass die eine oder andere Botschaft zumindest gehört wird.

Sind die Verletzungen noch so frisch, dass die eigene Emotion und Bedürftigkeit alles überlagert und Mütter oder Väter es nicht schaffen, die Empfindungen des Kindes als etwas Eigenes zu sehen, kommt die Besuchsmittlung an ihre Grenzen. Betrachtet ein Elternteil die Besuchsmittlung als Bühne, um den eigenen Befindlichkeiten möglichst viel Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen, wird er/sie die Kooperation beenden, sobald die Bühne nicht (mehr) zur Verfügung gestellt wird. Auch in diesen Fällen bleibt oft nur die Möglichkeit, auf den Schaden, der durch dieses Verhalten beim Kind ausgelöst wird, hinzuweisen.

Elternteile, die sich wenig in die Gefühlswelt ihres Kindes hineinversetzen können und ihr Kontaktrecht überwiegend als Recht betrachten, das es gegen jeden Widerstand durchzusetzen gilt, bringen die Besuchsmittlung ebenfalls häufig an die Grenzen.

Bei Persönlichkeitsstörungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen der Eltern muss zur Kenntnis genommen werden, dass die Bemühungen im Rahmen der Besuchsmittlung oft ins Leere gehen.

Es sind mitunter aber auch die Kinder, die in der Besuchsmittlung Grenzen aufzeigen So zB jene verweigernden Kinder, die den (vermeintlich) schwächeren Elternteil stärken und stützen wollen, sich deshalb zu 100 % loyal verhalten möchten und Kontakte zum anderen Elternteil nicht zulassen.

Schwer aufzulösen sind auch jene Konstellationen, bei denen Elternteile die Verweigerungshaltung ihres Kindes induzieren und bestärken, um sich beim Ex-Partner/bei der Ex-Partnerin auf diese Weise zu rächen oder ihn/sie zu bestrafen. Nicht immer gelingt es hier, dem Vater oder der Mutter zu vermitteln, dass mit dieser Haltung in erster Linie das Kind bestraft wird, indem es einen Elternteil opfern muss, um beim betreuenden Elternteil bestehen zu können.

Wurden Kinder tatsächlich persönlich gekränkt oder haben sie das Gefühl, von einem Elternteil verlassen, belogen oder getäuscht worden zu sein, sind sie je nach Entwicklungsstufe mitunter sehr unversöhnlich und wehren sich massiv gegen Kontakte.

Zum Glück hat sich in den zehn Jahren, in denen das Instrument Besuchsmittlung zur Verfügung steht, gezeigt, dass es oft genau das war, was den meisten Familien in ihrer schwierigen Lage geholfen hat: neue Perspektiven zu finden und im Interesse der Kinder auch umzusetzen.

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Die Einbindung von Kindern in die Befassung der Familiengerichtshilfe

ASTRID ZIERER*

Im Jahr 2023 blickt die bundesweite Familiengerichtshilfe auf ihr zehnjähriges Bestehen zurück. Anlässlich dieses Jubiläums werden in der iFamZ Beiträge und Erläuterungen Einblick in die einzelnen Aufgaben der Familien- und Jugendgerichtshilfe geben.

Kinder stehen im Zentrum von Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren, somit auch der Tätigkeit der Familiengerichtshilfe. Dieser Beitrag gibt einen Überblick darüber, wie Kinder – ua abhängig von der Familienkonstellation sowie von Auftrag und Fragestellung des Gerichts – auf unterschiedliche Weise in die Befassung der Familiengerichtshilfe eingebunden werden.

I.Grundlegendes

* Das Ziel von Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren liegt in der Wahrung des Kindeswohls nach § 138 ABGB. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die Kinder durch diese Verfahren nicht zusätzlich belastet werden.1 Es ist Teil des Kindeswohls, dass die Meinung des Kindes abhängig von dessen Verständnis und Fähigkeit zur Meinungsbildung berücksichtigt wird. Weiters sollen Beeinträchtigungen, die ein Kind durch eine Um- oder Durchsetzung von Maßnahmen gegen dessen Willen erleiden könnte, vermieden werden. Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes sollen gewahrt bleiben sowie Loyalitätskonflikte und Schuldgefühle des Kindes reduziert werden. Gem § 105 AußStrG sind Kinder in Verfahren über Pflege und Erziehung oder die persönlichen Kontakte vom Gericht zu hören. Unter bestimmten Umständen kann dieses Gespräch auch unterbleiben oder von einer geeigneten anderen Stelle, zB der Familiengerichtshilfe, übernommen werden.

Dettenborn schlägt vor, „unter familienpsychologischem Aspekt als Kindeswohl die für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes oder Jugendlichen günstige Relation zwischen seiner Bedürfnislage und seinen Lebensbedingungen zu verstehen“.2 Daraus kann die Aufgabe der Familiengerichtshilfe abgeleitet werden, ein gutes Verständnis für die aktuellen Bedürfnisse des betroffenen Kindes sowie für dessen aktuelle und durch die Veränderung von Obsorgeund/oder Kontaktrechtsregelungen möglichen Lebensbedingungen zu bekommen. Um dies zu ermöglichen, werden die Kinder je nach Alter, Auftrag des Gerichts und Thema der elterlichen Uneinigkeit auf die eine oder andere Art aktiv/direkt oder lediglich passiv/indirekt in die Befassung der Familiengerichtshilfe eingebunden. 3

Es kann für Kinder sehr belastend sein, die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern mitzuerleben und ihren diesbezüglichen Konflikten ausgesetzt zu sein. Die Familiengerichtshilfe hat immer wieder mit Eltern(teilen) zu tun, die vorschlagen, das Kind entscheiden zu lassen, wie zB das Kontaktrecht geregelt sein soll oder bei welchem Elternteil es wohnen möchte. Nach fachlicher Einschätzung bringt dies

*Mag.a Astrid Zierer, MSc war Mitarbeiterin der Familien- und Jugendgerichtshilfe Linz.

1 Erlass zur Familiengerichtshilfe vom 13. 1. 2022, 2021-0.333.184, 5.

2 Dettenborn, Kindeswohl und Kindeswille (2021) 50.

3 Zu unterschiedlichen Sichtweisen und Formen des Einbezugs von Kinder bei Begutachtung und Beratung s Fichtner, Trennungsfamilien – lösungsorientierte Begutachtung und gerichtsnahe Beratung (2015) 129 ff.

Kinder oftmals in einen Loyalitätskonflikt, der eine weitere Steigerung der Belastung des Kindes und dessen Überforderung zur Folge haben kann. Nach Barth-Richtarz können Loyalitätskonflikte „gemildert werden, indem Eltern den Kindern die Botschaft vermitteln, dass sie es ausdrücklich wünschen, dass das Kind auch zum anderen Elternteil eine gute Beziehung hat, und dass es in Konfliktsituationen zwischen den Eltern nicht Sache des Kindes ist, zu entscheiden, wer von beiden Recht hat und auf wessen Seite es sich folglich stellen müsste“.4 Zu seinem eigenen Schutz hat das betroffene Kind im Gerichtsverfahren keine formelle Entscheidungskompetenz.5 Aus Sicht der Familiengerichtshilfe steht bei den Gesprächen mit den Kindern im Vordergrund, ihnen einen Ort zu bieten, an dem sie ihre Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Belastungen mitteilen können.

Von den Fachkräften der Familien- und Jugendgerichtshilfe wird stets mitbedacht, ob für das betroffene Kind im laufenden Verfahren ein Kinderbeistand oder eine andere Unterstützungsmaßnahme zielführend ist. Gegebenenfalls wird das in den fachlichen Stellungnahmen der Familiengerichtshilfe fachlich begründet empfohlen.

II.Art der Teilnahme der Kinder

Bei den meisten Aufträgen seitens des Gerichts liegt es im Ermessen der zuständigen Fachkraft der Familiengerichtshilfe, zu entscheiden, ob und wenn ja, in welcher Form das betroffene Kind aktiv/direkt miteinbezogen wird. Ausgenommen davon sind Aufträge, bei denen das Gericht explizit ein Kindergespräch beauftragt.

Im Folgenden wird näher ausgeführt, wann und in welcher Form Kinder aktiv/direkt oder passiv/indirekt an der Befassung der Familiengerichtshilfe teilnehmen.

A.Aktive/direkte Teilnahme

Einen direkten Kontakt zwischen dem betroffenen Kind und der Familiengerichtshilfe kann es im Rahmen von Gesprächen mit dem Kind, Interaktionsbeobachtung,6 Verhaltens-

4 Barth-Richtarz, Was brauchen Kinder unterschiedlichen Alters angesichts der Scheidung ihrer Eltern? (2006) 188.

5 Vgl Dettenborn, Kindeswohl, 114.

6 Videogestützte Interaktionsbeobachtung, bei der hinsichtlich einer konkreten Fragestellung entsprechend den Vorgaben im internen Handbuch zur Interaktionsbeobachtung der Familien- und Jugendgerichtshilfe strukturiert vorgegangen und Beobachtetes systematisch ausgewertet wird. Beobachtet wird gewöhnlich die Interaktion zwischen einem Kind und einem Elternteil. S dazu Jacob, Interaktionsbeobachtung von Eltern und Kind (2016).

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beobachtungen7 und Hausbesuchen im Haushalt der Elternteile geben. Eine Anwesenheit der Kinder bei Gesprächen mit den Eltern wird gewöhnlich abgelehnt, um diese nicht zusätzlich zu belasten. Ausnahmen kann es hierbei bei explizit in dieser Form geplanten Gesprächen geben.

Mitglieder interner Arbeitsgruppen der Familien- und Jugendgerichtshilfe erstellen Standards für verschiedene Aspekte der Tätigkeit und entwickeln diese bei Bedarf und wissenschaftlichen Neuerungen weiter. Solche gibt es zB für die Interaktionsbeobachtung und für die Gesprächsführung mit Kindern. Letztere beinhalten ua eine Aufklärung über die Weitergabe des Gesagten sowie die Anpassung des Settings und der Gesprächsführung an das betreffende Kind bzw den richterlichen Auftrag. Ein Hören des Kindes im Sinne der Ermittlung von dessen Wünschen, Anliegen und Sorgen und gegebenenfalls eines Kindeswillens findet bei der Familiengerichtshilfe gewöhnlich und bei altersgemäßer Entwicklung ab einem Alter von sechs Jahren statt. Die Gesprächsführung wird seitens der Familiengerichtshilfe an das Alter und die Entwicklung des Kindes angepasst 8 Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen ermöglichen der Familiengerichtshilfe direkte Wahrnehmungen zum Umgang des Kindes und des Elternteils miteinander. Aus diesen Situationen können durch die Auswertung vorab festgelegter Beobachtungskategorien oftmals Rückschlüsse auf die Beziehung gezogen werden. Zudem können Wünsche und/oder besondere Bedürfnisse des Kindes sichtbar werden. In den meisten Fällen dient das Gespräch mit dem betroffenen Kind dazu, dessen Anliegen, Meinungen, Wünsche und Sorgen zu erheben. Fichtner 9 nennt als zentrale Fragenbereiche den Entwicklungsstand, die Ressourcen und die Belastungen des Kindes, dessen Betreuungserleben und Umfeld sowie die Beziehungen und Wünschen des Kindes. Weitere Themen, die sich als für die Belastungen von Kindern aus Hochkonfliktfamilien besonders relevant erwiesen haben, sind, wie Kinder den elterlichen Konflikt, die Trennung von einem Elternteil, die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, weitere nötige Anpassungsleistungen ihrerseits sowie das elterliche Erziehungsverhalten erleben und bewältigen. Wie bereits ausgeführt, liegt der Fokus der Familiengerichtshilfe bei den Gesprächen darauf, herauszufinden, wie es dem betroffenen Kind geht und was es beschäftigt und braucht.

Im Rahmen einer Besuchsmittlung kann es sinnvoll sein, einem Kind die Tätigkeit der Familiengerichtshilfe zu erklären. Wenn es den Eltern gelingt, in der Besuchsmittlung oder im Clearing eine Vereinbarung zu erarbeiten, kann das Kindergespräch dazu dienen, diese dem betroffenen Kind zu erklären. Zudem gibt es eine Sonderform des Auftrags, im Rahmen einer spezifischen Erhebung ein Kindergespräch zu führen, bei dem das Gespräch der Familiengerichtshelfer: innen mit dem betroffenen Kind im Beisein der/der zustän-

7 Verhaltensbeobachtungen kann es in strukturierter Form oder als Gelegenheitsbeobachtungen geben. Der Unterschied zur Interaktionsbeobachtung besteht darin, dass die Interaktion zwischen dem Kind und der anderen Person (zumeist einem Elternteil) nicht mittels Videos aufgezeichnet und nicht anhand der im internen Handbuch zur Interaktionsbeobachtung der Familien- und Jugendgerichtshilfe festgelegten Kriterien ausgewertet wird.

8 Vgl Delfos, „Sag mir mal …“ Gesprächsführung mit Kindern (2015).

9 Vgl Fichtner, Trennungsfamilien, 136.

digen Richter:in stattfindet. Dabei wird das Kindergespräch von der Familiengerichtshilfe gestaltet und geführt, an einigen Standorten bringt sich der/die Richter:in jedoch gegen Ende des Gesprächs selbst ein.

Bei fachlichen Stellungnahmen überprüft die Familiengerichtshilfe teilweise, ob es sich bei dem vom betroffenen Kind geäußerten Wunsch um einen Kindeswillen entsprechend der fachlichen Definition handelt. Dettenborn definiert den Kindeswillen als „altersgemäß stabile und autonome Ausrichtung des Kindes auf erstrebte, persönlich bedeutsame Zielzustände“.10 Er nennt Zielorientierung (Vorstellung dazu, was sein soll und wie dies erreicht werden kann), Intensität (die Zielvorstellung wird entschieden und auch bei Hindernissen angestrebt), Stabilität (der Wunsch bleibt über eine zeitliche Dauer hinweg stabil und wird gegenüber verschiedenen Personen kommuniziert) und Autonomie (es handelt sich um ein individuelles, selbst initiiertes Streben11) als Mindestanforderungen an das Vorliegen eines Kindeswillens.

Der Kindeswille soll zur Kenntnis genommen, geprüft und abhängig von seinem Verhältnis zum Kindeswohl und anderen Kindeswohlkriterien berücksichtigt werden.12 Ist es für Kinder nicht nachvollziehbar, warum ihr Wille nicht berücksichtigt wird, kann dies zB zu einer Labilisierung ihrer Selbstwirksamkeitserwartung und ihres Selbstvertrauens oder zum Verlust ihrer Orientierung führen.13 Daher sollte gelten: „So viel Akzeptierung des Kindeswillens wie möglich, so viel staatlich reglementierender Eingriff wie nötig, um das Kindeswohl zu sichern.“14 Daraus ergibt sich, dass auch ein Kindeswille nie das alleinige Kriterium für eine fachliche Einschätzung seitens der Familiengerichtshilfe sein kann und deren Empfehlungen dem geäußerten Kindeswillen durchaus auch widersprechen können.

Fichtner spricht von einer Vermittlungs- bzw Übersetzungsfunktion von Berater:innen und Sachverständigen: „Zum einen ist das Kind zu unterstützen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen, zum anderen sind diese dann den Eltern zu vermitteln.“15 Dies findet bei der Familiengerichtshilfe vor allem bei Besuchsmittlungen, aber auch in den anderen Produkten Anwendung.

B.Passive/indirekte Teilnahme

Selbst wenn mit dem betroffenen Kind kein Gespräch geführt wird oder es keine Verhaltens- oder Interaktionsbeobachtung gibt, stehen das Kind und seine Bedürfnisse im Fokus der Familiengerichtshilfe. So bringt das Studium des Gerichtsakts oftmals Informationen dazu, wie lange die elterlichen Konflikte schon andauern und wie deren Ausmaß einzuschätzen ist, ob es besondere Lebensumstände des Kindes und/oder der Familie gibt, Eltern das Kind als belastet einschätzen und ob das Kind schon einmal gerichtlich befragt wurde. In den Gesprächen mit den Elternteilen werden diese

10 Vgl Dettenborn, Kindeswohl, 64 ff.

11 Dies schließt Fremdeinflüsse bei der Entwicklung des Willens nicht aus. Selbst ursprünglich induzierte Inhalte können vom betreffenden Kind verinnerlicht und Teil von dessen Identität werden. S dazu Dettenborn, Kindeswohl, 69, 95.

12 Vgl Dettenborn, Kindeswohl, 112 ff.

13 Vgl Dettenborn, Kindeswohl, 115.

14 Dettenborn, Kindeswohl, 83.

15 Fichtner, Trennungsfamilien, 138 f.

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nach den Bedürfnissen des Kindes sowie möglichen Auswirkungen von Veränderungen bestehender Obsorge- und/ oder Kontaktrechtsregelungen auf das Kind gefragt. Im Rahmen von fachlichen Stellungnahmen werden Informationen von Kindergärten, Schulen und Nachmittagsbetreuungen zum Kind eingeholt, um so eine Einschätzung unabhängiger Dritter zu nutzen, die jedoch in einem großen Ausmaß Kontakt zum Kind haben.

Darauf verzichtet, Kinder aktiv in die Fallbearbeitung durch die Familiengerichtshilfe einzubeziehen, wird vor allem dann, wenn dies eine zu große Belastung für das betroffene Kind darstellt, die Sichtweise des Kindes bereits vom Gericht oder mittels Kinderbeistands erhoben wurde oder davon auszugehen ist, dass das Kind aufgrund seines Alters oder des Inhalts der strittigen Thematik (zB Obsorge beider Eltern vs alleinige Obsorge bei Beibehaltung des Orts der hauptsächlichen Betreuung) keine konkrete Vorstellung zu dieser hat.

Im Folgenden werden zwei Beispiele für Fallkonstellationen dargestellt, bei denen keine Kindergespräche geführt werden.

Fallbeispiel 1

Die Eltern der zweieinhalbjährigen Klara, die ihren Vater zuletzt vor zwei Jahren persönlich getroffen hat, einigen sich auf eine schrittweise Ausdehnung des Kontaktrechts, beginnend mit begleiteten Kontakten in einer Besuchsbegleitungseinrichtung. Im Rahmen der Befassung der Familiengerichtshilfe zeigen sich keine Gründe, die gegen einen Kontakt zwischen dem Vater und Klara sprechen. In dieser Fallkonstellation ist das Kind noch sehr jung und wird von einem Gespräch mit dem Kind abgesehen.

Linde Podcast

Fallbeispiel 2

Benjamin (acht Jahre) und Thomas (sechs Jahre) verbringen seit der elterlichen Trennung vor dreieinhalb Jahren jede Woche einen Nachmittag und jedes gesamte zweite Wochenende bei ihrem Vater. Das Kontaktrecht ist nicht strittig und funktioniert nach Aussage beider Elternteile gut. Der Vater hat eine Obsorgebeteiligung beantragt, der Ort der hauptsächlichen Betreuung soll bei der Mutter bleiben. Die Mutter möchte die Beibehaltung der alleinigen Obsorge ihrerseits, weil sie sich immer schon vorrangig um die Kinder gekümmert hat und das auch künftig tun wird. Die Eltern sind sich in weiten Teilen einig und es werden keine Probleme rund um den Kontakt der Kinder mit ihren Eltern vorgebracht. Zur Klärung dieser Teilfrage ist die Einbeziehung der Kinder zum aktuellen Zeitpunkt für die Beantwortung der Fragestellung des Gerichts durch die Familiengerichtshilfe nicht notwendig.

III.Überblick und Fazit

Die Mitarbeiter:innen der Familien- und Jugendgerichtshilfe sehen es als ihre Aufgabe an, die Art der Teilnahme der betreffenden Kinder an der Befassung der Familiengerichtshilfe im Sinne des Kindeswohls zu gestalten. Die Absolvierung entsprechender interner und externer Fortbildungen, die Berücksichtigung interner Standards und Handbücher sowie der Austausch mit Kolleg:innen fördern die Kompetenzen der Fachkräfte – sowohl hinsichtlich des Vorgehens im Rahmen der Fallbearbeitung, kindeswohldienliche Entscheidungen zu treffen, als auch erlangte Informationen adäquat auszuwerten.

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Am Punkt #137 mit Professor Michael Ganner dreht sich um den Ablauf einer Zwangsunterbringung in einer psychiatrischen Abteilung und was sich dabei durch die neue Gesetzesnovelle verändert Steuern. Wirtschaft.

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